331. Das Allerürken.

Die Frau eines Bauern hatte ein Allerürken im Hause. Das machte, daß wenn sie auch nur ein bißchen Teig anrührte, doch immer der ganze Kessel voll Klöße ward. Die Dienstmagd kam einmal mit andern Mägden vom Felde, mit dem Milcheimer auf dem Kopf. Da fragten sie die andern, ob sie denn nicht wüßte, daß ihre Frau ein Allerürken habe. »Nein«, sagte das Mädchen, daß erst kürzlich da in den Dienst gekommen, »wo hat sie es denn liegen?« Die andern bezeichneten ihr den Koffer; der wäre immer sorgfältig verschlossen. Eines Sonntags ging der Bauer und die Bäuerin in die Kirche und die Frau hatte in der Eile die Schlüssel zu Hause gelassen. Das neugierige Mädchen öffnete nun den Koffer und fand eine kleine Puppe darin. Als sie diese anfaßte, guckte sich die Puppe ein paarmal um und machte allerlei Bewegungen. Erschreckt schlug das Mädchen die Lade wieder zu. Mittags rührte sie Klöße an und nahm so viel Teig, als für die Leute im Hause nötig war. Aber nun kamen davon im Grapen so viel Klöße, daß er über und über voll ward und wohl das ganze Dorf genug gehabt hätte. Als die Frau zu Hause kam und die vielen Klöße sah, sagte sie: »Was, hast du so viel gekocht? Bist du nicht klug?« Das Mädchen antwortete: »Ich hab' nicht mehr Teig genommen als nötig war.« »So geh' hin und wasch dir die Hände!« sagte die Frau und von der Zeit an hatte das Mädchen die Kraft des Allerürken verloren.


[224] Durch Erdmann Bruhn in Elpersbüttel bei Meldorf. Das Allerürken ist in Dithmarschen allgemein bekannt; der Name ist vielleicht nur Korruption von dem gleichbedeutenden Alraun (Galgenmännlein).

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Zweites Buch. 331. Das Allerürken. 331. Das Allerürken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4B3B-4