63. Die Pfenningwiese.
Einst war ein Graf Ranzau von Breitenberg eine starke Meile östlich vom Schlosse auf der Jagd. Überall war damals noch tiefes Moor oder öde Heide, wo jetzt Weiden und Äcker sich ausbreiten. Der edle Graf, allein wie er war und zu hitzig in der Verfolgung eines Wildes, [54] nahm sich nicht in acht und geriet in ein bodenloses Moorloch und versank immer tiefer, jemehr er sich abmühte, herauszukommen. Glücklicherweise hörte ein in der Nähe arbeitender Bauer seinen Hilferuf; vorsichtig näherte er sich ihm, der dem Untergange nahe war, reichte ihm seine sichere Hand und brachte ihn auf festen Boden. »Habe Dank, guter Freund«, rief der Graf, als er sich gerettet sah, »womit kann ich dir lohnen?« Aber der Bauer meinte, er habe nur seine Pflicht getan und seinem edlen Herrn geholfen; des Lohns bedürfe er nicht. Doch der Graf bestand auf seinem Willen, der Bauer solle nur bitten. »Nun, gnädiger Herr, so gebt mir das Land, wo Euch das Unglück getroffen«, sagte der Bauer, »und etwa noch so und so viel von dem umherliegenden dazu; und laßt es mich abgabenfrei besitzen.« Der Graf gab gerne das Geschenk, nur bestimmte er, daß der Bauer und seine Nachkommen von dem Lande jährlich einen Pfenning Steuer erlegen sollten.
Seit der Zeit sind Jahrhunderte verflossen. Aber am Tage Martin Bischof (11. November) mittags 12 Uhr kommt noch alljährlich der Besitzer der Pfenningwiese auf das Schloß und bringt die Steuer. Die Nachkommen des geretteten Grafen halten treu das Gelöbnis ihres Ahnen: der Bauer wird jedesmal festlich von den gräflichen Dienern empfangen, erhält einen Platz an der gräflichen Tafel, unter deren Gerichten niemals dann die Martinsgans fehlt, und wird nach der Tafel vom Grafen freundlich entlassen.
Itzehoer Wochenblatt 1844, Nr. 39.