Abendgebet

Herr, bleib bei uns! Es will die Nacht sich neigen;
Die Sonne sank schon längst hinab zur Ruh.
Herr, bleib bei uns! Es will kein Stern sich zeigen,
Und tiefes Dunkel deckt die Erde zu.
Warst du bei uns, als uns der Tag noch glühte
Und uns sein Strahl hell in das Aug gelacht,
So sei und bleib bei uns, Herr, und behüte
Durch deine Engel uns auch in der Nacht!
Herr, bleib bei uns, und sende deine Boten
Zu uns ins ihnen treue, stille Haus.
Herr, bleib bei uns, und treib die Glaubenstodten
Aus unserm Heim, von unserm Herd hinaus.
Laß uns den Kampf mit ihrer Macht bestehen,
Die aus dem Dunkel zu uns aufwärts stieg;
Laß deine Gnade helfend uns umwehen;
Gieb deinen Engeln, und gieb uns den Sieg!
[179]
Herr, bleib bei uns jetzt und zu allen Zeiten;
Vor allem bleib, wenn unser Aug einst bricht.
Laß dein Erbarmen uns hinüberleiten
Zur ewgen Wahrheit und zum ewgen Licht.
Wie dir schon jetzt der Sphären Lieder klingen,
Die von der Last der Schwere du befreit,
So sollen dir auch unsre Lippen bringen
Ein Halleluja, Herr, in Ewigkeit!
[180]

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TextGrid Repository (2012). May, Karl. Gedichte. Himmelsgedanken. Abendgebet. Abendgebet. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3155-6