Eine Freundesstimme

Du warst bei mir, an meinem Grabe,
Hast nach dem Blumenkranz geschaut.
Er war die letzte Erdengabe,
Vor der im Leben mir gegraut.
O, wüßtest du, wie man empfindet,
Wenn solchen Kranz man liegen sieht
Und sich hinausgetragen findet
Beim Sterbe-, beim Begräbnißlied!
O, könntest du – – – doch muß ich schweigen;
Verstorbenen versagt das Wort,
Denn wiß, es giebt lebendge Leichen
Und todte Geister hier wie dort. – – –
Du warst bei mir, an meinem Grabe,
Hast nach dem letzten Kranz geschaut.
Wie hat mir einst vor dieser Gabe
Und vor dem letzten Lied gegraut!
[230]
Und dieses Graun blieb unverstanden,
Wie's auch zu dir vergebens spricht;
Die Mahnung Gottes war vorhanden,
Jedoch bei uns der Glaube nicht.
Nun möcht ich dir wie gern gestehen,
Daß wir gefehlt, daß wir geirrt,
Sonst muß es dir wie mir ergehen,
Wenn dir nicht baldigst Hülfe wird. – – –
O, komm noch oft zu meinem Grabe;
Knie nieder dort, und bete still,
Und was ich dir zu sagen habe,
Sagt dir dein Herz – – – so Gott es will!
[231]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). May, Karl. Gedichte. Himmelsgedanken. Eine Freundesstimme. Eine Freundesstimme. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3028-1