Der Feind

Auf, wappne dich, ein Held zu sein;
Es gilt ein Ringen sondergleichen.
Nicht hüll dich in den Panzer ein;
Nicht sollst das Schlachtroß du besteigen.
Es ist kein glänzendes Turnier
Mit einem ebenbürtgen Recken,
Und doch gleicht er in Allem dir
Und ist ein Hüne zum Erschrecken.
Entstammt dem niedrigsten Geschlecht
Und trotzger Gegner allen Rechtes,
Ist er ein ungetreuer Knecht
Und doch der strengste Herr des Knechtes.
Nicht edlen Waffengang gewohnt,
Hat er die Tücke sich erkoren,
Und wen im Streite er verschont,
Der ist gewiß erst recht verloren.
[223]
Auf, wappne dich; er kommt nicht erst;
Er ist schon da, ists stets gewesen.
Wie sorglos du mit ihm verkehrst,
Kannst du in deinem Herzen lesen.
Und fragst du doch: »Wer ist gemeint?
Ich kann mich seiner nicht erinnern,«
So wisse es: Dein ärgster Feind,
Er wohnt in deinem eignen Innern.
[224]

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TextGrid Repository (2012). May, Karl. Gedichte. Himmelsgedanken. Der Feind. Der Feind. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2EB6-5