Kalter Frühling

Am Haselnußstrauche in gelbgrüner Flut
Gold stäubende Kätzchen hangen,
Dazwischen sind mit roter Glut
Blutsternchen aufgegangen.
Es übt auf bereiftem Giebel
Die Amsel ihren Sang,
Ob sie im neuen Frühling
Noch treffe den alten Klang;
Sie sucht, sie übt, sie stümpert,
Denkt wieder sich hinein –
Noch ist's die alte Weise nicht,
Doch wird's ihr Lied bald sein.
Ich sehe dich wieder nach langer Zeit.
Kaum färben sich deine Wangen,
Verlegen in meinem Herzen mait
Ein ängstliches Verlangen;
Der Rauhreif der Entfremdung
Macht meine Seele bang,
Kalt bleibt des Herzens Tiefe
Bei deiner Stimme Klang.
Mein Herz sucht seine Liebe –
Träumt mühsam sich hinein,
Doch ist's die alte Liebe nicht
Und wird es nie mehr sein.

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TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Gedichte. Junglaub. Kalter Frühling. Kalter Frühling. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2367-D