Das Achte Buch.
In der Schiffahrt des menschlichen Lebens soll / von rechtswegen die Vernunfft der Steuermann / die Gemüthsregungen aber mehr nicht als Ruder-Knechte seyn. Alleine es ereignen sich in dieser innerlichen Herrschafft so offt Empörungen / als in Reichen / und stöst bald Neid / bald Liebe / bald Rache / bald Furcht / bald eine andere Schwachheit die Vernunfft vom Steuer-Ruder weg / aus welcher Unordnung denn das Schiff unvermeidlich in Gefahr des Strandens und Schifbruchs gerathen muß. Tiberius ward von allen diesen unbändigen Sclaven gleichsam auf einmal geängstiget / seine Vernunfft und Klugheit aber ward nur zu ihren Dienstboten gemacht. Und unter diesen Regungen stieß bald diese / bald jene die andere vom Stule. Denn er hatte sich kaum über des Germanicus Verluste / dessen Tugenden ihm eitel Hertzens-Kränckungen waren / und hiermit über seinem eigenen Verluste erfreuet / als ihn schon die Ruhe Galliens sich zu grämen / die Liebe gegen seinen Sohn Drusus / und der Neid gegen den Germanicus zu beunruhigen anfieng / weil er meinte; daß jener anders nicht / als durch des andern Abnehmen wachsen könte. Insonderheit aber hörte der gegen den Germanicus geschöpffte Argwohn niemahls auf / als ein nagender Wurm an seinem Hertzen zu saugen. So offt Brieffe aus Deutschland kamen / so offt befürchtete er eine böse Zeitung / von des Germanicus gefährlichen Anschlägen zu vernehmen. Massen er denn in Gallien gewisse Leute unterhielt / welche auf alle seine und seiner Gemahlin Tritte achtung geben / und ihm alles Haar-klein berichten musten. Zu diesem Ende hatte er / nach der Spartaner Erfindung / etlichen gewisse höltzerne Rollen gegeben / um welche sie die Pergamente hüllen / und darauf schreiben musten / damit /wenn ja Germanicus diese Brieffe auffienge / sie niemand / der nicht eine gantz gleiche Rolle hat / lesen konte / als durch welche er die zerstreuten Worte /und Buchstaben Tiberius alleine eine leßbare Schrifft an einander zu fügen wuste. So offt auch vom Germanicus was gutes geschrieben ward / liessen ihn seine Thaten so wenig / als des grossen Alexanders und Hercules / den Kayser Julius schlaffen. Nur dieses war der Unterscheid: daß diesem eine tugendhaffte Eyversucht / jenem ein furchtsames Mißtrauen den Schlaff störte. Er schlieff auch selten: daß ihm nicht träumte / wie die Legionen in Deutschland und Gallien den Germanicus zum Kayser erwehleten; und er mit Hülffe der Deutschen über die Alpen gerade nach Rom zurückte. Zugeschweigen: daß ihm [1318] auch / wenn er wachte / nicht selten der Kummer überfiel: ob nicht Germanicus und Herrmann wider ihn zusammen heimliches Verständnüs hätten / wenn sie schon einander die blutigsten Schlachten lieferten. Bey dieser Unruh schrieb er dem Germanicus Brieffe über Brieffe; daß er die Wolfahrt des Römischen Reiches in Morgen-Ländern nicht länger in Gefahr / und ihn nicht Trostloß lassen solte. Germanicus schützte anfangs für: daß seine Verrichtung in Deutschland weder halb noch gar wäre / und sein Abzug von den Deutschen für eine Flucht angenommen werden / ja das Hertze ihnen wachsen würde / über den Rhein und die Donau in das Römische Gebiete einzufallen. Wenn ihm aber nur noch der folgende So er in Deutschland zu bleiben erlaubt würde / traute er dem Kriege ein Ende / und einen rühmlichen Frieden zu machen. Allein wie die zurück gezogene Seene in Bogen die Pfeile mit desto grösserer Gewalt fortschlägt / also vermehrte diese Entschuldigung des Tiberius Verlangen den Germanicus von denen gewohnten und ihn für ihren Abgott haltenden Legionen abzuziehen. Diesem nach schrieb er emsiger als iemahls vorher / und hielt ihm ein: Er solte sein selbst schonen / wenn er ja ihm seine Sorgen zu erleichtern keinen Vorsatz / und mit seiner Schwachheit Mitleiden hätte. Er hätte in so viel blutigen Schlachten seiner Ehre ein Genügen gethan / und durch so viel Siege die Römische Hoheit in sattsames Ansehen und Sicherheit versätzt. Alleine niemand müste sein Glück ermüden /welches wie die Sonne aus einem Zeichen ins andere wanderte / und sich bey einem streitbaren Löwen nicht länger als bey einem schwachen Wieder und groben Ochsen aufhielte / sondern / wenn es am höchsten gestiegen wäre / krebsgängig würde. Seine Klugheit und Tapfferkeit hätte zwar zeither für die Römer Wunder gethan / aber er solte sich darauf nicht verlassen. Der letztere Sturm und Schiffbruch hätte ihn schon gelehret: daß ein einiger Zufall den Compaß der Tugend und Vorsicht verrücken / und man auch ohne Schuld viel verspielen und zu Grunde gehen könte. Ja das Glück hätte gleichsam einen Zug grossen Leuten auffsätzig zu seyn / an einen unwerthen Thoren seine Güter verschwenderisch anzugewehren /hergegen die Tugend als ihre rechtmäßige Glaubigerin unbezahlet zu lassen. Denn diese Göttin hätte offt weder Vernunfft noch Augen / und verliebte sich wie etliche geile oder miltzsichtige Weiber so bald in einen Zwerg und Mohren / oder gar in einen Ochsen und Pferd / als in einen Hercules. Wenn er aber noch nicht vom Ruhme gesättiget wäre / würde er in Asien und Armenien zu thun genung; und also seinen Namen so wol am Sud- und Ost-Ende des Römischen Reichs als in seinem finstern Nordwinckel auszubreiten finden. Es wäre zuweilen so sehr unserer Tugend nöthig die Rennebahn / als unserm Leibe die Lufft zu ändern. Und diß wäre nicht nur sein / sondern des Rathes / und des Römischen Volckes Wille; welches sich nicht zu frieden geben wolte / biß vom Germanicus seine Sieges-Gepränge gehalten / und der Tugend ihr Recht gethan worden wäre. Dem Germanicus war diese Abforderung nicht wenig verdrüßlich / Agrippinen aber noch mehr verdächtig; sonderlich weil nicht nur Thußnelde / Ismene / und Catta / ihren Argwohn unterhielten / sondern auch eine Wahrsagerin dem Germanicus den Untergang in Asien geweissagt hätte. Ja auch die Legionen murreten hierwieder / und baten den Germanicus mit vielen Thränen / er möchte mit sich ihnen ihr Gelücke nicht entziehen. Sie wären erbötig bey ihm zu leben / für ihn zu sterben. Germanicus versuchte also noch einmahl sein Heil; zumahl sich eine neue wichtige Ursache in Deutschland hervor that; weil nicht nur Bojocal / sondern auch Segesthes und Sentia ihm glaubwürdige Nachricht gab: daß der Sicambern / Friesen / [1319] und Chauzen Hertzoge mit dem Feldherrn Herrmann so gut als verglichen wären / und den Römern auffs Früh-Jahr ein schwerer Krieg zuhienge. Dieses schrieb nicht nur Germanicus nach Rom / sondern veranlaste auch Segesthen / den Flavius / und Bojocaln zu thun. Tiberius aber ward hierüber fast unsinnig / nahm dieses auch numehr für eine offenbahre Auflehnung des Germanicus auf /wuste ihm aber weder zu helffen / noch zu rathen; schüttete also halb verzweiffelnd seinen Kummer in die Schooß des Sejan / und Salustius aus. Jener war dem Germanicus entweder aus angebohrner Unart /oder weil er seiner Gewalt am meisten am Lichten stand / Spinnen-feind / und also froh: daß er mit des Kaysers Armen und Waffen / sich an ihm zu rächen /Gelegenheit bekam; welcher Haß und Rachgier desto hefftiger war / weil Germanicus ihn nie beleidiget /und also Sejan keine Ursache hierzu hatte. Diesem nach sagte er: Germanicus hätte durch diese Widerspenstigkeit das Laster beleidigter Kayserlicher Hoheit begangen / also wäre er des Todes schuldig. Weil es aber gefährlich wäre / gegen einen / der ein gantzes Krieges-Heer zu seinen Diensten hätte / durch Recht zu verfahren / müste ihn Tiberius durch Gifft hinrichten. Wenn diß so des Kaysers Wille / wie es seine Sicherheit wäre / solte er an kluger Vollziehung des Werckes nicht zweiffeln. Denn er hätte eine weise Frau aus Syrien Martina zu seinen Diensten / welche das künstlichste Gifft in der Welt bereiten / und es einem auch durch die Lufft beybringen könte. Salustius aber vertheidigte den Germanicus: daß er keines Ungehorsams / weniger einer Untreu / oder eines grössern Lasters überführet; auch / von diesem Helden /welcher bey dem Aufstande der Legionen am Rheine lieber hätte sterben als herrschen wollen / nichts so schwartzes zu vermuthen wäre. Die Ursache seiner Entschuldigung wäre von höchster Wichtigkeit; und diese schriebe nicht nur er zum Vorwande / sondern es vergewisserten es so viel andere glaubwürdige Schreiben. Also würde es eine unerhörte Grausamkeit seyn / einen Fürsten von unvergleichlichen Verdiensten / Augustens Enckel / des Kaysers Sohn / aus so schlipffrigem Verdachte durch Gifft und Meuchel-Mord aus dem Wege zu räumen / dessen Tod gantz Rom in Aufruhr setzen dörffte / weil niemand ohne diß glaubt: daß so grosse Leute eines natürlichen Todes sterben. Diesem nach solte Tiberius ihm nunmehr schlechter Dinges befehlen: daß er ohn einige fernere Ausflucht nach Rom kommen solte. Darbey könte er ihm die Bürgermeister-Würde antragen / und andere Anlockungen gebrauchen / sich aber für nichts mehr hüten / als ihm seinen Argwohn mercken zu lassen. Tiberius schwiege eine lange Weile stille; und ob zwar Sejans grausamer Rath seiner Neigung am nechsten kam / beliebte er doch des Salustius Meinung; vielleicht weil er zwar grausam seyn / aber selbtes verborgen wissen wolte. Also schrieb Tiberius noch einmahl an Germanicus: Es könte in Deutschland sich nichts so schweres ereignen / was der Nothwendigkeit seiner Ankunfft nach Rom das Gewichte hielte. Alle Geheimnüsse liessen sich nicht sagen / weniger schreiben. Daher würde er / wo er sich sein Sohn zu seyn erinnerte / sich keiner Entschuldigung mehr bedienen / noch er als Kayser einige mehr annehmen. Deutschland steckte so voller Kranckheit / daß wenn ein Schaden zuheilte / der ander aufbräche. Er wäre zwar von Deutschland entfernet / er wüste aber schon: daß wenn Herrmann mit den Sicambern / Friesen /und Chauzen Freund werden / Ingviomer mit ihm zerfallen / und Herrmann wegen der Langobarden und Semnoner mit dem Könige Marbod in schweren Krieg verfallen würde. Diesem nach erforderte ohne diß der Römische Staat: daß / nach dem sie ihrer Rache ein Genügen gethan / sie die Deutschen in Ruh liessen /damit sie sich [1320] durch eigene Uneinigkeit aufzufressen nicht verhindert würden. Er hätte zu dem Ende schon dem Silius die Aufsicht des Rheines / und der Legionen aufgetragen / biß sein hierzu bereitfertiger Sohn Drusus dahin käme. Solte ja nun noch was zu thun übrig / und Krieg zu führen nöthig seyn / möchte er doch diesem seinem Bruder nicht mißgönnen / daß auch er gegen die streitbaren Deutschen den Nahmen eines Feldherrn führen und einen Sieges-Krantz verdienen möchte. Daher solte er nicht länger säumen /sich nichts aufhalten lassen / also im Wercke erweisen: daß es ihm nicht schwerer sey gehorsamen als befehlen. Die ihm besti te Bürgermeister-Würde /und der Bau des Sieges-Bogens / welchen er wegen wieder erlangter Adler bey des Saturnus Heiligthume zu bauen gelobt hätte / warteten auf ihn; worzu niemand den ersten Stein legen könte / als der die Adler gewonnen hätte. Hierbey lag die Vollmacht des Kaysers an Silius. Salustius aber schrieb dem Germanicus: daß er seiner Ehre und Redligkeit grossen Abbruch thun würde / wenn er die wenigste Zeit versäumte; weil es zu Rom an Verläumbdern nicht mangelte / welche sein Außenbleiben mit Untreue zu schwärtzen nicht vergässen. Kluge Leute solten aber nicht nur redlich seyn / sondern sich auch bearbeiten /dafür angesehen zu werden. Er würde also seine Feinde durch nichts mehr beschämen / als durch eine schleunige Ankunfft. Hierdurch sahe sich also Gemanicus gezwungen / dem Kayser zu antworten: daß er zu Folge seines Befehls ehestens aufbrechen und nach Rom kommen wolte.
Agrippine erschrack über dieser Entschlüssung nicht viel weniger / als wenn ihr oder dem Germanicus das Leben wäre abgesagt worden; weñ es auch bey ihr gestanden / und sie nicht gewüßt hätte / daß des Germanicus Treue unüberwindlich wäre / würde sie nicht weniger Hertze als Vermögen gehabt haben /die Legionen auf ihre Seite zu bringen / und wider den Tiberius sie zum Aufstande zu bewegen. Denn wie die Gemüthsregungen in Weibern viel hefftiger als in Männern sind / also überstiegen sie in Agrippinen das Maaß der Weiber. Hingegen ließ Germanicus nichts ermangeln sie im Schrancken zu halten / und so lang /als es möglich war / seine beschlossene Abreise geheim zu halten. Gleichwol war Agrippine so guthertzig: daß sie solches noch selbigen Tag Thußnelden /Ismemen / Zirolanen / und der Fürstin Catta offenbahrte / welche einander zeither ihre Gefangenschafft in den annehmlichsten Zeitvertreib verwandelt / und aus der tapffern Gegenwehre der Cherusker keine geringe Hoffnung zum Frieden und ihrer Erlösung gemacht hatten. So waren sie auch aller beschwerlichen Liebes-Anfechtungen befreyet / weil Siegesmund alle Hoffnung Zirolanen zu gewinnen verlohren; Malovend aber / welcher bey der Fürstin Catta das erste mahl so übel angelauffen war / kaum mehr das Hertz hatte / ihr unter Augen zu kommen / zugeschweigen ihr etwas von Liebe zu sagen. Nunmehr aber ward ihr erster Kummer wieder jung / weil sie den Zwang / mit dem Germanicus nach Rom zu ziehen / für Augen sahen / und iede ihr daselbst eine besondere Gestalt empfindlicher Beschimpfung und strenger Dienstbarkeit fürbildete. Sie wusten aber wider dieses Ubel kein ander Mittel / als die gütige Agrippine noch einmahl aufs beweglichste um Hülffe anzugehen / beym Germanicus sich umb ihre Freyheit zu bewerben. Agrippine sahe ihnen allen bey ihrer ersten Zusammenkunfft ihre neue Bestürtzung an Augen an; kam also mit Ausdrückung ihres Mitleidens ihrem Wehklagen zuvor / sie versichernde: daß sie mit Veränderung der deutschen Lufft ihre Gewogenheit nicht ändern / und an der Tyber so sehr als am Rheine um ihre Wolfahrt bekümmert seyn werde. Alle nahmen diese Erklärnug mit hohem Danck an / aber Ismene sagte: Wir wissen wol: daß eine [1321] so edle Seele der Schwachheit einer Veränderung nicht unterworffen / aber in Deutschlande Agrippine uns in Freyheit zu setzen vermögender sey / als sie besorglich zu Rom seyn dörffte / welches zu sehen / sie selber nicht ohne Kummer ist. Agrippinen giengen hierüber die Augen über; Ismene aber fieng an: Ich bin versichert / daß Agrippine in ihrer zarten Seele alles / was uns drücket / fühle; und daß sie uns zu helffen nichts als die Unmögligkeit hindern werde. Sintemahl die Thränen unglücklicher Fürstinnen gleichsam eine durchdringende Krafft des Scheide- oder Königs-Wassers / ihre Fässel aber ein gar zu grosses Gewichte haben. Wenn diese aber ihr /und das Verhängnüs uns am Wege stehet / so daß wir im Siegs-Gepränge in Rom geführet zu werden / nicht entübriget seyn können / bitte ich mir allein die Nachricht hiervon aus: daß ich dieser Schande und Dienstbarkeit mit dem Tode bey Zeite zuvor komme. Denn zu sterben mangelt es mir nicht am Hertzen; und es gilt mir fast gleich: ob mir die Natur / oder ein Feind die Bande des Lebens auflöse; oder ob ich sie selbst mit Gewalt zerreisse; aber eine Sclavin in Rom zu seyn / habe ich zu viel Schwachheit. In meinen Augen ist es erträglicher in nichts verwandelt zu werden / als alle seinen Wolstand überleben. Für das Leben redet zwar die Natur / für einen zu rechter Zeit kommenden Tod aber die Vernunfft. Diese heisset mich an jenem nicht mehr Theil haben / als hertzhafft zu sterben /daß es meinen Ahnen nicht schimpflich sey. Daher wüntsche ich mir ehe dem Drusus / oder einem andern Römischen Gotte geopffert / als einer Römerin Magd / oder des Tiberius liebes Kind zu werden / fürchte also nichts / als was kleinmüthigere / denn ich bin /aus Liebe ihres Lebens wünschen würden. Kan sie mir / großmüthige Agrippine / nun nicht die Freyheit geben / so helffe sie mir alleine: daß mich Tiberius tödten heist. Denn nichts / als diß / wil ich ihm gerne zu Willen thun. Weil ich mich selbst zum Opffer anbiete / wird er darüber so viel weniger bedencken und seine Grausamkeit den Ruhm eines Erlösers / also von mir an statt des Hasses noch Danck zu erwarten haben. Solte aber auch Tiberius grausamer seyn / als daß er mir diß gewehrte / was fast alle fürchten / wird das Verhängnüß so barmhertzig seyn / meine Tage zu verkürtzen / um meinem Unglücke ein Ende zu machen. Darüber die nicht zu klagen haben / welche mit Ehren aus dem Leben / und noch mehr die / welche aus den Ketten der Gefängnüße scheiden. Ich bin versichert / daß ob gleich derer gewaltsam sterbenden Seelen noch lange um ihre Leichen irren sollen /meine bald zur Ruhe / und zu denen Geistern der für die deutsche Freyheit verblichener Helden kommen werde / weil sie nicht einen Sonnenstaub knechtisches an sich / ja für dem Schatten der Dienstbarkeit Abscheu hat. Agrippine seuffzete / und sagte: Ihnen zu helffen / wäre nicht weniger ihre Begierde / als ihre Schuldigkeit. Ismenens letzteres Verlangen aber wäre nicht weniger eine Grausamkeit gegen sie / als gegen sich selbst / da sie eine Freundin wolte nöthigen ihr Scharffrichter zu werden. Sie wolte thun / was sie könte / und die Freundschaffts-Pflicht erforderte. Wäre aber der Rhein nicht das Ziel ihrer Gefangenschafft / so solten sie darumb nicht verzweiffeln / daß es nicht der Po / oder gar die Tyber seyn könte. Die Hoffnung müste dem Menschen nicht entfallen / so lange er noch eine Spanne von dem Abgrunde seines Verterbens entfernet wäre / ja die Göttliche Versehung prüfete ins gemein durch die eusserste Gefahr der Menschen Beständigkeit / und machte dadurch ihre wunderbare Hülffe werther / daß sie vorher die Noth recht liesse an Mann kommen. Thußnelde versätzte: Meine bißherige Bezeigung hat hoffentlich zeither noch nicht allzuviel Blössen der Kleinmüthigkeit gewiesen. Alleine nach dem die Hoffnung zwar ein gutes Frühstücke / aber ein schlechtes Abend-Brodt ist / [1322] kan ich länger nicht meine Schwachheit verstellen. Sintemahl ich mir die Rechnung unschwer machen kan: daß da unsere bißherige Bestrickung in dem rauen Deutschlande durch die holdselige Agrippine zum Rosen-Garten gemacht worden / das wollüstige Italien uns durch ihre Entfernung eine bangsame Einöde / und ein schrecklicher Kercker seyn werde. Wenn wir aber auch gleich daselbst in itzigem Zustande leben solten / würde mir doch die weitere Entfernung von dem mich beseelenden Herrmann / dessen mir täglich zur Wissenschafft gekommenen Thaten mich noch immer in Hoffnung / und beym Leben erhalten haben / viel unerträglicher als der Tod seyn. Agrippine fiel ein: Sie möchte sich doch nach so langer Beständigkeit nicht weh- und kleinmüthig überwinden lassen / noch auch zu ihr / weniger zu der Göttlichen Versehung / welche in Italien nicht schwächer / als in Deutschland wäre / einiges Mißtrauen sätzen; oder ihr selbst für der Zeit Berge unüberwindlicher Schwerigkeiten fürbilden. Thußnelde begegnete ihr: Ein kluger Schiffer wisse aus Auffsteigung einer kleinen Wolcke schon die Grösse des bevorstehenden Sturmes zu erkennen / solte sie denn so blöde Augen haben / daß sie bey solcher Veränderung den Schiffbruch aller ihrer Hoffnung und Wolfarth nicht für Augen sähe. Also wäre mit Ismenen auch nunmehr ihr Wunsch nichts anders als der Tod. Agrippine brach ein: Man bildete ihm dieses Ungeheuer in der Ferne so schrecklich nicht ein / als es in der Nähe sich zeigte. Die Natur entsätzte sich für keinem Ubel der Welt so sehr / als für diesem / welches die gantze Welt verstellte / die Erde verwüstete / mit der Tugend nicht gelinder als mit den Lastern umgienge / und so abscheulich wäre: daß sein blosses Gemählde die hertzhafftesten Gemüther in Schrecken versätzte. Thußnelde holete einen tieffen Seuffzer aus dem Hertzen / und fieng an: also urtheilte auch ich / wenn ich Agrippine / und vom Germanicus nie getrennt gewest wäre; Aber wenn Agrippine an Thußneldens Stelle wäre / würde sie mit ihr einerley Meinung werden /nemlich daß die Abwesenheit von dem / den man hertzlich liebt / der Anfang aller Schmertzen / das Ende aller Vergnügung / also das unerträglichste Weh / und ein kurtzer Begrieff aller Ubel sey. Der Tod raubte freylich zwar uns alle Blumen / er leschte mit unserm Leben die süsse Flamme der Liebe aus / aber er liesse doch nicht / wie ihre Abwesenheit / so viel Dornen hinter sich. Mit jenem stürben auf einmahl Lust und Schmertz; die Entfernung aber machte alle mit dem Tode aufhörende Ubel lebendig. Agrippine brach ein: Das Leben wäre gleichwol das gröste Geschencke der Götter / und der süsseste Genüß des Menschen / welches auch die elendesten lieb hätten /und zu erhalten Sorge trügen. Thußnelde antwortete: Sie hielte es für ein blosses Mittelding / welches nach dem Unterscheide der Umstände nicht weniger böse /als gut seyn könte. Ja welches vielen alleine nur zur Straffe und Pein gelassen zu seyn schiene. Der Tod hingegen könte denen nur so schrecklich fürkommen /welche ihn mehr mit den Augen des Leibes als der Seele ansähen / welche sich mehr als ihre andere Seele liebten / und nicht lieber nichts mehr sehen wolten. Agrippine hätte ja in sich selbst die zarteste Fühle einer vollkommenen Liebe / also möchte sie doch nur an ihr selbst ausmässen / was die ewige Trennung der von der Liebe und der Vernunft zusammen geschmiedeten Kette für eine Empfindligkeit nach sich ziehen müsse. Der Tod scheidete ja wol freylich auch Leib und Seele von einander / und wäre eines der grösten Ubel / aber doch so natürlich / als das Leben / und weder was ungemeines noch unverhofftes / besonders denen / welche verstehen: daß unser erstes Athemholen schon das Leben auszublasen anfange. Alleine die Trennung der Liebenden wäre etwas / welches der in der Vereinbarung der Seelen bestehenden Liebe schnurstracks zu wieder / ihr[1323] ärgstes Gifft wäre / und sie bey weitem viel unglücklicher / als der allen Menschen gemeine Tod machte; Keine Zunge / kein Seuffzer / ja keine Gedancken vermöchten diesen Schmertz auszudrücken; und sie /welche nur allererst in Agrippinens Anwesenheit den Vorschmack hiervon empfunden / wüste es nichts anderm zu vergleichen / als mit der Pein des Tityus /welchem in der Hölle eine Schlange oder Geyer seine stets mit dem Mohnden wieder wachsende Leber aus dem Leibe fressen solte. Der Tod hätte zwar seine Bitterkeit / aber doch diesen Vortheil: daß es die letzte wäre / aber die Abwesenheit wäre eine Mutter der Unruh / eine Gebährerin der Schmertzen / oder vielmehr ein Anfang vieler folgenden Tode. Dort verzuckerten die zusammen gemischten Thränen beyder verliebter Seelen die Wermuth des Sterbens / ja des einen Abschied liesse gleichsam des Erbleichenden Seele in des Liebhabers Armen zur Verwahrung; hier aber preßte einem ieden die traurige Einsamkeit das Hertze aus dem Leibe / und überschüttete es mit eitel Verzweiffelung. Agrippine fiel ein: Nichts als der Tod wäre das Ziel der Verzweiffelung / die Abwesenheit aber hätte sich biß auf den letzten Athem mit der süssen Hoffnungs-Milch der Wiedervereinbarung zu speisen / durch welche Gifft und Galle des grössesten Elendes verzuckert und schmackhafft gemacht würde. Ja wenn man das Besitzthum dessen / was man liebet / gegen die Hoffnung / solches wieder zu erlangen /auf die Wage legte / würde diese überschlagen. Sintemahl der Besitz die Seele gleichsam truncken machte: daß sie ihr eigenes Gut nicht recht erkennete / weniger dessen wahrhaffte Süßigkeit schmeckte / sondern vielmehr einen Uberdruß und Eckel für der vollkommensten Wollust verursachte / die Hoffnung hingegen ermunterte den Geist / schärffte alle Sinnen / zeigte einem das Gute in seiner Reinligkeit / gäbe selbtem auch einen viel anmuthigern Geschmack / als der Genuß selbst. Denn sie scheidete von dem Guten alles böse / wie das Feuer das Gold von den Schlacken. Sie wäre das Kraut / welches die Fühle und das Gedächtnüß des Bösen weg nähme / die Wermuth alles Bösen / und das Saltz-Wasser der Thränen verzuckerte / also daß man sie mit Wahrheit die Blüte der Ergetzligkeit / und den Zucker der Wollust nennen könte. Thußnelde antwortete: Mit dieser Speise könte man sich zwar / wie ich bißher / eine zeitlang sättigen; Aber es langte ihre Nahrung nicht länger / als das Saltz in der Lufft zu / welche neben sich kräfftigern Unterhalt erforderte. Also könte sie in die Länge nicht tauern / und wäre nicht weniger denen / welche nicht mehr glücklich seyn könten / nichts nütze / als denen /die es schon wären / unnöthig. Es wäre nun schon im andern Jahr: daß sie eine Gefangene gewest / und alle Tage mehr als diesen letztern / ihren Herrmann wieder zu umarmen Hoffnung gehabt hätte. Nunmehr aber lehrte sie die Erfahrung: daß diese süsse Einbildung nur ein vom Ungewitter gemachter und zerblasener Schaum / ein vom Winde zertheilter Rauch / und ein verschwindender Traum wäre / welcher dem Gemüthe kein Wesen / sondern nur Gespenster und Undinge für Augen stellte. Daher sie mit ihr selbst gleichsam uneins wäre: ob sie die Hoffnung / welche mit der Zeit nicht wüchse / sondern immer ohnmächtiger würde /bey tausendfachem Zweiffel das Gemüthe mehr ängstigte / als mit leeren Vertröstungen erqvickte / und endlich sich ins Ungeheuer der Verzweiffelung verwandelte / nicht mehr für eine Betrügerin als Aertztin halten solte; welche wenn sie gar gütig mit einem handelt / selbten ins gemein im Angesichte des hell-leuchtenden Pharos zu Grunde gehen liesse. Agrippine begegnete ihr: ins gemein wäre unsere Ungedult Ursache an dem Schiffbruche / welche die Früchte der Hoffnung nicht reiff werden liesse / sondern für der Zeit selbte aus Unwillen abschlüge; da doch die Hoffnung nicht ehe als mit [1324] dem Leben aufhören solte / als welche nicht weniger in unserm Hertzen / als in Pandorens Büchse bleiben solte / wenn schon alles andere Gute daraus flüchtig würde. Zumahl auch niemand leben könte / der nicht hoffte / ja man ins gemein dem Hafen am nechsten wäre / wenn der Wind unser Schiff umwendete / und es auf Klippen und Sand-Bäncke zu verschlagen sich anstellte. Mit einem Worte: Nichts in der Welt wäre so böse / oder könte gedacht werden / welches die Hoffnung nicht zu verdeuen und in gute Nahrung zu verwandeln nicht mächtig wäre. Thußnelde antwortete: Ich wil diese kräfftige Würckung in allen Trübsalen der Hoffnung zutrauen / nur nicht in den Zufällen der Liebe / welche niemahls ohne Furcht / wie kein Tag ohne Schatten ist. Dahero / wenn die Hoffnung einer getrennten Liebhaberin gleich einen Entwurff erfreuter Wiedersehung machte / leschte doch die viel stärckere Furcht im Augenblicke ihren gantzen Abriß ein / ehe er anfienge ein Bau zu werden. Mahlete jene ihr heimlich Wetter für / so dreuete diese eitel Donner und Hagel; also / daß die zwar aufwallende / aber immer von der Furcht ersteckte Hoffnung / nur mehr Ungewitter in ihrer Seele verursachte / als sie befriedigte / und sie daher nach dem Tode zu seuffzen Ursach hätte / damit sie aus dem Sturme einmahl zur Ruhe käme. In diesem Zustande wäre nun sie / ihre Liebe stellte ihr ihren Herrmann viel vollkommener für / als in seiner Anwesenheit / um nur ihren Verlust zu vergrössern /ja die Eyversucht selbst mischte sich in ihre Qvaal ein. Daher würde ihr niemand ausreden: daß etwas anders als ihr Grab ihren Schmertzen ein Ende machen würde / die ihr wegen Abwesenheit ihres Herrmanns das Hertze ausfrässen. In diesem würde ihre unglückliche Abwesenheit in den Stand derselben Frauen kommen / welche niemahls von ihren Ehmännern wären getrennt gewest; denn die in der Grufft befindliche Finsternüß liesse uns die Sachen der Welt nicht mehr unterscheiden / und wie abscheulich der Tod gleich gemacht würde / hörte er doch in dem ersten Augenblicke seiner Ankunfft auf was empfindliches zu seyn / und heilete uns so geschwinde / als er uns tödtete / weil man mit ihm alle Fühle / Erkäntnüß und Andencken des Ubels verliere / und gleich Liebe /Haß / Eyversucht / Freude / Rache / und Furcht ihren Geist ausbließen. Andere / welche keine so zarte Fühle und gegen ihre Liebhaber lauere Liebe hätten /möchten sich mit einer süssen Einbildung statt ihrer Männer halsen und vergnügen / aber nicht die so hertzlich liebende Thußnelde / welcher Wunden weder Zeit noch Vernunfft heilen würde. Sie hätte alles verlohren / was ihr Glücke und Eitelkeit rauben könte / ausser dem Leben / welches ihr aber nur eine Bürde / und eitel Verdruß wäre / also möchte die barmhertzige Agrippine ihr nur vollends von diesem helffen. Sie / leider! würde doch ihren Herrmann nicht mehr lebendig sehen / also müste sie wünschen ihn nimmermehr mehr zu sehen. In eine so erbärmliche Nothwendigkeit ihr so was arges zu wünschen / hätte sie der Himmel versätzt! Die Sterbenden vertrügen kein Ubel / als was allen Menschen gemein wäre; Sie hingegen machte die so lange Trennung zur unglücklichsten ihres Geschlechtes. Die zeither so annehmliche Gesellschafft fienge ihr numehr an verdrüßlich /und die Einsamkeit unerträglich zu seyn / in welcher man diß suchte / was man nicht findete / und alles sähe / ausser dem / was man vergebens zu sehen wünschte. Mit einem Worte / sie seuffzete nach dem /was alle Welt fürchtet und fleucht / nemlich nur bald zu sterben / nach dem bereit alle Hoffnung der Freyheit in ihr todt wäre. Diesen Schluß begleitete sie mit so viel Thränen und Wehmuth: daß Agrippinen hierdurch das Hertze auffs tieffste gerühret ward / und weil die Römerin Lollia ins Zi er trat / ihre eigene Wehmuth zu verbergen / sich von ihnen entfernen muste; nach [1325] dem sie Thußnelden mitleidentlich vermeldet hatte: Sie wolte ihr eusserstes thun / ihre Hoffnung wieder lebendig zu machen. Denn dieses Regung hätte dieses Vorrecht: daß sie ein holder Blick des Glückes / wie Kunst und Feuer die Blumen aus ihrer Asche wieder erwecken könte.
Agrippine wuste zwar für ihren eigenen Kummer kein Mittel / dorffte sich auch nicht mehr unterstehen /dem Germanicus seine Reise nach Rom schwer zu machen; gleichwol vergaß sie nicht für ihre Gefangene zu sorgen. Nach dem sie nun die gantze Nacht auf ihre Befreyung vorgesonnen / redete sie des Morgens bey denen Umarmungen ihres Germanicus / ihn an: Er wäre nunmehr entschlossen nach Rom zu kehren / und sie ihm zu folgen / wenn sie schon wüste: daß daselbst tausend Tode ihrer warteten. Denn sie wüste: daß das / was einem das Verhängnüß zugedacht hätte / zu vermeiden unmöglich wäre. Sie könte den Göttern auch nicht verdancken: daß er mit mehr Lorber-Kräntzen / als alle Römer für ihm aus dem Deutschlande nach Rom zum Sieges-Gepränge züge; dieses aber kränckte sie im Hertzen: daß der neidische Tiberius ihm den alleredelsten Friedens-Krantz vom Scheitel risse / und solchen dem blöden Drusus aufzusätzen: und selbtem den Ruhm zuzueignen: daß er den Krieg in Deutschland ausgemacht hätte. Ihrem Bedüncken nach aber würde es dem Germanicus ein leichtes seyn / diese Oelzweige seinem ungeschickten Nachfolger voran weg zu nehmen / und weil er durch keinen neuen Feldzug mehr dörfte / durch einen schleunigen Friedenschluß dem Kriege ein Ende zu machen. Das Recht diß zu thun / hätte er als Feldherr / und Tiberius hätte diese Gewalt in seinem Schreiben ausdrücklich verneuert / da er für rathsam zu seyn befunden / die Deutschen ihrer eigenen Zwietracht zu überlassen / welches ohne Friede sich nicht bewerckstelligen liesse. Die Mittel hierzu bestünden in Germanicus eigenen Händen / nemlich das gefañgene deutsche Frauenzimmer / gegen derer Freyheit so wol die Catten als Cherusker mit ihren Bundsgenossen gerne einen ehrlichen Frieden eingehen würden / mit welchen im Sieges-Gepränge Germanicus ohne diß seine über die Männer erworbene Siege verkleinern /er auch selbst mit dem schwächern Geschlechte seinen Sieg und Einzug zu zieren / viel zu großmüthig wäre. Germanicus schwieg eine gute weile stille / und dachte Agrippinens Vorschlage nach / welche / ausser in Staats-Sachen / sein Hertz in ihren Händen hatte. Uber eine gute weile fieng er an: Was haben wir für Grund: daß die Deutschen sich zu einem billichen Vergleiche beqvämen werden? Wer versichert uns: daß sie dem Flavius sein Erbtheil / dem Malovend und Bojocal ihre Länder abtreten werden / welche als unsere Bundgenossen / ohne der Römer gröste Verkleinerung / keinen Fuß breit Erde im Stiche lassen können? Wer wird in so kurtzer Zeit / die ich noch hier zu bleiben habe / der Friedens-Mitler seyn / weil mir einen Frieden vorzuschlagen nicht ansteht / die Deutschen aber ihn zu bitten / besorglich zu viel Hochmuths hätten. Agrippine versätzte: Sie hätte allen diesen vorgesehenen Schwerigkeiten schon nachgedacht / und auf Mittel vorgesonnen. Sie wäre versichert / und wolle selbst fast Bürge seyn; daß wenn alles Frauenzimmer / und Herrmanns Sohn loß käme / dieser dem Flavius ein Stücke Landes / dem Malovend und Bojocaln ihr Eigenthum einräumen; die Deutschen auch ausser dem / was sie besässen /nichts über dem Rheine verlaugen würden. Im übrigen möchte er ihr die Sorge lassen / es so einzurichten: daß Herrmann und Arpus diese Friedens-Vorschläge selbst thun würden. Germanicus rettete hierdurch seine Ehre / führe dem Neide / und der unzeitigen Ehrsucht durch den Sinn / und leistete dem Römischen Reiche den nützlichsten Dienst. Denn Rom käme mit Ehren aus einem Kriege / welcher ihre Kräfften [1326] und Länder erschöpfft hätte. Gallien würde in Sicherheit gesetzt / in welches / allem Ansehen nach / sich künfftig der Krieg spielen / und seinen Sitz erkiesen dörffte. Die Cherusker aber müsten wegen der abgefallenen Langobarden und Semnoner mit dem Könige Marbod in einen grausamen Krieg verfallen / welches Rom / itziger Zeit Beschaffenheit nach / für sein gröstes Glücke zu halten / und gleichsam das Fleisch gifftigster Nattern / zu seiner Speise zu verbrauchen / und ohne Gefahr in sein Fleisch und Blut zu verwandeln hätte; Weil Herrmanns Muth /und Marbods Macht / den Römern mehr / als kein Mithridates oder Hannibal zu fürchten wären. Germanicus ward nicht so sehr durch Liebe als Vernunfft gezwungen / Agrippinen Beyfall und Gewalt zu geben /nach ihrem Vorschlage alles einzurichten. Diese kam zu dem gefangenen Frauenzimmer mit grossen Freuden / und sagte: Sie hätte ein Mittel zu ihrer Befreyung gefunden / und stünde es nunmehr in ihrer und der ihrigen Gewalt / sich in Ruh / und die Gefangenen in Vergnügung zu sätzen. Alle waren so begierig solches zu vernehmen / als über so guter Zeitung erfreuet. Thußnelde fieng an: Agrippine wäre dem Castalischen / oder dem bey der Stadt Naupactus hervor brechenden Brunne zu vergleichen / weil sie alle Tage eine gantze Landschafft mit Wolthaten / wie jene Qvelle mit Wasser zu versorgen / vermöchte. Nach dem nun diß der einige Weg wäre / sich GOtt gleiche zu machen / hätte Rom noch niemanden so würdig vergöttert / als sie diese Ehre verdiente. Solte es aber auch Rom nicht thun / so würde doch / ungeachtet sonst in der Welt nichts ehe / als Wolthaten veralterten / ihr Gedächtnüß in ihren Hertzen und in Deutschlande unsterblich seyn. Agrippine antwortete: Es wäre der / welcher sich nicht mühete / wolthätig zu seyn /den Nahmen eines Menschen zu führen / nicht werth /ja er könte kein tüchtiges Glied einer Stadt seyn / sintemahl die Natur den Menschen wegen des Menschen geschaffen / die Vernunfft aber zu verwechselter Wolthätigkeit / die bürgerlichen Versamlungen erfunden hätte. Diesem nach käme sie durch ihre wenige Dienste nur ihrer Schuldigkeit nach / und hätte daraus keine Verdienste zumachen / oder Thußnelde auf eine so reiche Vergeltung vorzusinnen. Zumahl die Wolthaten allen ihren Werth einbüßeten / wenn sie den kleinsten Angel-Hacken des Eigen-Nutzes an sich hätten. Thußnelde versätzte: Die Wolthätigkeit verliere freylich zwar ihren Preiß / wenn man damit wuchern wolte / und auf Vergeltung Absehen sätzte; dieses aber hiebe das Verbündnüß der Danckbarkeit nicht auf / sondern es lebte nichts heßlichers auf Erden / als ein unerkenntlicher / oder vergeßlicher Mensch / welcher die genossenen Wolthaten wie grosse Meerwirbel die Schiffe verschlinge / ohne daß man von selbten iemals was wieder zu Gesichte bekäme. Agrippine antwortete: Es wäre schon Danckes genug / wenn iemand die Wolthat annehme / und nicht verschmähete. Daher auch niemanden danckbar zu seyn / durch einige Gesätze aufgebürdet wäre. Käme aber zu der willigen Annehmung einer Wolthat was mehres / so wäre es selbst eine Ubermaaße / und Wolthat. Thußnelde begegnete ihr: Meden / Persen /Athen / und Macedonien / solten allerdings ein Recht haben / Krafft dessen die Undanckbaren von Wolthätern belangt / und von der Obrigkeit gestrafft werden könten. Wo aber dergleichen nicht wäre / hätten die Gesetzgeber gemeint / daß der geheime Trieb der Natur und ihr Gesätze / gleiches mit gleichen zu vergelten / schon genung wäre. Wie lange hätte zu Rom der Eltern / und Kinder-Mord / so wenig als Undanck einig eusserlich Verbot gehabt / deßwegen aber wäre jener so wenig als dieser zuläßlich / welcher die Wolthaten zu Wasser machte / und also ein rechtes Gifft des menschlichen Lebens wäre. Zu dem erstreckte sich ihr Vermögen nicht weiter / als Agrippinens Gutthätigkeit [1327] mit den schwachen Wehen ihres guten Willens / und mit den fruchtlosen Blättern ihrer Worte zu vergelten / welches eine Zahlung der Bettler / oder Sinnenbilder ohne Uberschrifft / nehmlich Dinge ohne Seele wären. Eine einige Wirckligkeit aber hätte mehr Nachdruck / als zehn Dancksagungen / wie ein Maaß Erde mehr Wesen als zehn Maaß Wasser. Agrippine fiel ein: Wer an würcklicher Vergeltung verhindert würde / gäbe mehr durch seine Kränckung / daß er nichts geben könte / als ein vermögender mit vieler Freygebigkeit. Uber diß möchte sie doch ihr weniges Wolwollen nicht mit so grosser Erkenntligkeit beschämen / oder auch selbter zuvor kommen / sondern wenigstens vorher vernehmen / ob sie ihnen etwas gutes thun könte / und ihr Vorhaben anständig seyn würde. Thußnelde versätzte: Sie erwarteten ihre Hülffs-Mittel mit gröster Begierde / wären aber wol versichert / daß eine so kluge und treuhertzige Fürstin für sie nichts unanständiges im Vorschlage haben könte. Agrippine fieng hierauf an: Ich habe beym Germanicus zu wege gebracht / daß wenn Hertzog Herrmann und Arpus ihn darum ersuchen / er mit ihnen einen ehrlichen Frieden schlüssen / und für seinem Abzuge sie alle frey lassen wolle. Das deutsche Frauenzimmer konte keine bessere Zeitung ihnen wünschen / als sie aus Agrippinens Munde vernahmen / daher auch ihre Hertzen / gleichsam als zu enge Gefässe / von Freuden überlieffen. Thußnelde aber hielt mehr an sich / und fieng an: Weil Agrippine sie eines ehrlichen Friedens vertröstete / hoffte sie / Germanicus würde die Deutschen zu keinem schimpflichen oder ihrer Herrschafft nachtheiligen Bedingungen anzustrengen begehren. Denn ob schon Hertzog Herrmann sie sehr liebte / traute sie sich doch nicht /ihrer Freyheit halber ihm einen unanständigen Frieden anzumuthen. Sintemahl sie sich wol bescheidete / daß zwar sie Herrmanns / die Herrschafft aber des Cheruskischen Hertzogs Gemahlin wäre / sie auch dieser willig nachgienge / und aus dem Wege träte. Ja sie wolte ehe hundert Jahr gefangen seyn / und in der Dienstbarkeit sterben / als ihr zu Liebe die Freyheit der Cherusker einigen Anstoß / und des deutschen Feldherrn Herrschafft einigen Abbruch leiden solte. Agrippine erklärte sich: daß sie hierüber ihr keinen Kummer zu machen / sondern sich auf ihr Wort zu verlassen hätte: Es solte dieser neue Friede auf den Fuß des Alten gegründet werden. Thußnelde seuffzete hierüber / und fieng an: Es ist diese nicht weniger eine heilsame / als großmüthige Erklärung. Denn die ein Theil zu sehr drückende Frieden können unmöglich tauerhafft seyn. Aber zu was Ende haben wir so lange Krieg geführt / so viel Länder verwüstet / so viel Menschen-Blut vergossen / welches viel werther als flüssendes Gold zu halten ist? Warum haben nicht so wol Römer / als Deutsche / sich an dem ersten Friede vergnüget? zu was Ende mühen sich die Menschen kriegerischer als wilde Thiere zu seyn / da doch die Natur jene ohne alle Waffen / und also augenscheinlich zum Friede / diese aber zum Kriege geschaffen /und daher die Krocodile mit einem Pantzer / die Schildkröten und Schnecken mit festen Schalen / die Krebse mit Scheeren bedecket / die Löwen und Panther mit scharffen Klauen / die Adler und Falcken mit Nägeln / die Schweine mit Zähnen / die Ochsen mit Hörnern / den Elephant mit einer langen Schnüchtze /den Igel mit Spitzen / die Schlangen mit Giffte zur Beleidigung ausgerüstet hat. Der unsinnige Mensch aber wil mit Gewalt wider seine Eigenschafft und den Willen der Natur / des andern Wolff seyn / suchet daher mit Lebens-Gefahr aus den Eingeweiden der Erde Gold und Stahl herfür / daß es ihm weder an Werckzeugen noch Mitteln zum Kriege fehle. Agrippine antwortete: Freylich wol ist dieses eine scheltbare Raserey der Rachgierigen und Ehrsüchtigen Menschen / welche ihre Zwistigkeiten [1328] mit den Waffen der Vernunfft nicht wilder Thiere erörtern solten. Und wenn die Waffen ja zu was nütze wären / solte man mit selbten nur den Frieden beschirmen / nicht nach der Eitelkeit des Sieges streben. Daher auch niemand zum Friede geneigter wäre / als großmüthige Leute; hingegen grieffe niemand eher zun Waffen / als die Kleinmüthigen / und welche ihrer selbst nicht mächtig wären. Derogestalt wäre es freylich viel besser gewest / wenn weder Deutsche noch Römer etwas über dem Rheine zu besitzen lüstern gewest wären / nach dem das Verhängnüs zumahl Sonnen-klar wiese: daß selbtes so wol als die Natur diesen Strom zu beyder Erbscheidung erkieset hätte. Sie wüste auch dem Kriege sonst wenig gutes nachzurühmen / nach dem selten der Gewinn dem vollkommensten Sieger die Kosten zahlte / als daß man im Kriege ins gemein Friede mit der Tugend / im Friede aber Krieg mit ihr hätte. Germanicus hätte hoffentlich zeither gewiesen: daß er im Kriege ein Mañ wäre / nunmehr aber würde er durch den Frieden erhärten / daß er kein wildes Thier sey. Thußnelde nahm diese Versicherung zu Danck an /und sagte / sie hätten einem so tapfferen Helden so vielmehr zuzutrauen; daß er dem Kriege ein Ende machen würde / an dessen Anfange er keine Schuld trüge. Alleine sie würden doch dieses heilige Werck am meisten Agrippinen zueignen / welche / um eine vollkommene Friedens-Mitlerin abzugeben / sich gleichsam enteusserte eine Römerin und des Germanicus Gemahlin zu seyn; Daher im Fall Rom für eine Göttin zu halten wäre / die Römer billich Agrippinen für ihre friedfertige Iris zu verehren haben würden. Nach diesen und andern höflichen Liebesbezeugungen / vertröstete so wol Catta: daß ihr Vater Hertzog Arpus / als Thußnelde / Agrippinen: daß ihr Herrmann ihnen zu Liebe / kein Bedencken haben würden / dem Germanicus diese Ehre anzuthun / den sie ohne diß fürlängst für den tapfersten aller Römer geschätzt hätten. Agrippine erzeigte sich über dieser Erklärung eben so sehr vergnügt / und sagte: sie solten nur auf Mittel / dieses ins Werck zu richten / vorsinnen / und nicht säumen / damit kein Unstern dieses heilige Werck störete. Um die Freyheit und Sicherheit in Deutschland zu schreiben / und iemanden zu senden /solten sie unbekümmert seyn / ließ sie also zu ihrer Rathschlagung alleine. Es dorffte aber keines langen Berathens. Denn Thußnelbe erkiesete mit aller Gefangenen Gutheissung / Uffeln / und die Fürstin Catta Osten / zwey bey den Römern gefangene Edelleute nach Deutschburg und Mattium zu schicken / und auf Ismenens Gutachten / ward die verschmitzte Hermengarde gleichfalls an beyde Höfe zu reisen / und den Zustand ihrer Gefangenschafft eigentlich zu eröffnen /erkieset. Die hiervon benachrichtigte Agrippine brachte noch selbigen Tag diesen dreyen vom Germanicus freye Geleits-Brieffe zu wege. Thußnelde schrieb an den Feldherrn folgenden Inhalts: Unvergleichlicher Herrmann. Meine Wolthäterin Agrippine hat mir zu Liebe vermittelt / daß wann die mit den Römern kriegende deutsche Fürsten dem Germanicus anbieten / den mit dem August geschlossenen Frieden einzugehen / er solchen anzunehmen entschlossen sey. Nimm es nicht übel auf / daß ein Weib sich unterstehet die Friedens-Vorschläge zu thun. Schreib es nicht meinem Vorwitze / mich in Reichs-Geschäffte zu mischen / sondern der Hefftigkeit meiner Liebe zu. Denn niemand kan oder soll hefftiger lieben als eine Eh- Frau. Ich und alle Gefangene sollen auf solchen Fall zwar loß werden; Aber wenn dieses deiner Ehre verkleinerlich / dem Vaterlande nachtheilig ist / so verschmähe diesen Frieden / und lasse mich biß in Tod eine Gefangene seyn / ob zwar dieser den Liebenden nicht so herbe / als eine verzweiffelte Abwesenheit ist. Lasse mich immer den Germanicus zu Rom im Sieges-Gepränge einführen / wenn du nur über die Männer in Deutschland [1329] siegest. Denn jener wird mit einem Weibe nur seinen Sieg verdächtig / du aber durch ihre Verachtung deine herrlich machen. Lasse keine zarte Empfindligkeit über meiner Gefangenschafft die Grund-Gesätze der gemeinen Wolfarth erweichen. Denn ich würde auch in Fesseln freudig seyn / wenn ich nur / wie zeither / auch hinfort von noch mehrern dein Haupt umgebenden Lorber-Kräntzen hörte. Verfolge diesem nach deinen Ruhm / dein Glücke / und lasse mich lieber eine vergnügte Gefangene / als ein Fallbrett deiner Ehre seyn. Denn ob ich zwar weiß / daß du mich liebest; so bescheide ich mich doch: daß die Ehre der Liebe / nicht die Liebe der Ehre müsse fürgezogen werden. Liebe mich also nicht mehr / als deine erste Ehgenoßin / nemlich die Herrschafft / und als einem Fürsten ansteht / und verwirff den Frieden mit meiner Loßlassung / wo er dir nicht ehrlich zu seyn scheinet. Aber ach! ein einiges Andencken schlägt alle meine Hertzhafftigkeit zu Bodem! Ich kan mich wol als Gemahlin überwinden /deiner süssen Umarmungen zu entbrechen; meine Großmüthigkeit ist stärcker / als die stärckste Liebe /aber mein Mutter-Hertze kan ich aus meiner Brust nicht reissen. Meine Wehmuth räthet mir alles verkleinerliche einzugehen / wenn ich meine Augen auf den noch allhier gefangenen Sohn des grossen Herrmanns werffe. Bey seinem Feinde Frieden suchen /scheinet ja wol eine Erkäntnüß seiner Schwäche zu seyn; aber wäre es nicht eine mehr als steinerne Härtigkeit um diesen Nadelknopff eiteler Ehre seinen Sohn in Stich setzen. Ich würde als eine Mutter für deinen Sohn noch viel reden / wenn ich für seine Freyheit was sagen könte / welches nicht zugleich für meine stritte. Alleine deine Vernunfft darff keines weiblichen Unterrichts / und deine Vater-Liebe keines mütterlichen Zunders. Du selbst wirst es am besten verstehen: Ob es dir als einem Fürsten anständiger sey / einen Sohn für eine Hand voll Ansehen / oder als einem Vater / eine kleine Eitelkeit für einen Sohn zu geben. Die Fürstin Catta aber schrieb an ihren Vater Arpus: Hochgeehrtester Vater! Ich lebe allhier in süsser Gemeinschafft der vollkommensten Fürsten / derer Glantz die Finsternüß / derer Anmuth selbst Gräber beliebt machen könte. Aber wir sind doch alle Gefangene / und es giebt in der Welt kein ehrlich Gefängnüs. Alle mit einander sind Gräber der Lebendigen /in welchen die hertzhafftigsten Thiere alle edle Regungen einbüßen / und sich derer zu entbrechen gerne ein Glied von ihrem Leibe im Stiche lassen. Alleine dieses ist nur ein kurtzweiliger Vorschmack unser Dienstbarkeit. Germanicus muß nach Rom / und wir sollen mit ihm. Könte dem Cattischen Hause aber was schimpflichers begegnen / als daß eines lebenden Herrschers Tochter zu Rom in des Germanicus Sieges-Gepränge ein Zeichen der überwundenen Catten und ein Gelächter dem Pöfel abgeben soll? Agrippine hat selbst mit mir Erbarmnüs / und eine Erneurung des letzten Römischen Friedens vermittelt / wenn ihn Hertzog Herrmann und Arpus darum ersuchen. Was kan aber ehrlicher als ein solch Gesuch seyn / wo anders der Friede besser als ein Sieg ist / und ein kluger Fürst nur des Friedens halber Krieg führen soll. Gewinnen die tapffern Catten keine Länder / so verspielen sie doch nichts / gegen die so mächtigen Römer /für welchen die meisten Völcker der Welt haben Haare lassen müssen. Wiewol der für einen grossen Gewinner zu halten ist / der seine Waffen in so grosses Ansehn sätzt: daß sie den Römischen die Wage halten. Derogestalt kan Hertzog Arpus mit einem nicht schlechten Vortheil Friede machen / wenn schon seine einige Tochter nicht verdiente: daß ihre Erlösung für keinen Gewinn zu achten wäre. Thußnelde vertraute Uffeln und Osten zwar diese Brieffe / aber Hermengarden nur das Geheimnüß des Friedens /welches auf alle Weise geheim zu halten nöthig war. Sie reiseten noch [1330] selbigen Abend ab / und kamen Hermengardis und Osten den dritten Tag zu Mattium an / allwo die kluge Hermengardis mit Hülffe der Hertzogin Erdmuth wenige Schwerigkeit fand / den Hertzog Arpus zu dem Römischen Frieden zu bereden; sonderlich da sie ihn versicherte: daß Germanicus wegen des Meynzischen Tempels alles Anspruches auf das Cattische Gebiete sich begeben würde. Weil sie nun zu Mattium erfuhr: daß Hertzog Herrmañ nicht zu Deutschburg / sondern zu Budorgis wäre / reisete sie Tag und Nacht geraden Weges dahin; allwo Uffel dem Feldherrn schon Thußneldens Schreiben zwey Tage vorher überlieffert / er aber mit dem ihn besuchenden Hertzog Jubil / und dem allererst vom Hertzoge Ingviomer zurück gekommenen Grafen von Nassau / darüber Rath gehalten hatte. Jubil aber hatte seines eigenen Nutzens halber nichts anders als zu solchem Friedens-Vorschlage rathen können; weil er dadurch nicht allein seine Braut die Fürstin Catta erledigen sahe / sondern ihm auch daran gelegen war: daß zu Wiedererlangung seines väterlichen Erbtheiles / Hertzog Herrmann den Krieg wider den König Marbod fortzusetzen freye Hände bekäme. Der Graf von Nassau hatte hierzu nichts weniger gestimmt. Denn er sahe die gefährliche Zwietracht mit Ingviomern / und den unvermeidlichen Krieg mit den Marckmännern / welche die Herrschafft über die Semnoner und Langobarden nicht so schlechter Dinges würden im Stiche lassen / für Augen; und daher die Nothwendigkeit auf alle mögliche Weise den Römischen Krieg vom Halse zu bringen. Uber diß wuste er die hefftige Liebe gegen seine Gemahlin / und Schwester / über derer Gefangenschafft er sich ins geheim mehr grämte / als er mercken ließ. Also war beyder Rath einmüthig dahin gegangen: daß man diesen Frieden als das gröste Geschencke Gottes mit beyden Händen umarmen / und dem Germanicus nicht nur durch Suchung des Friedens heucheln / sondern aus einem so schädlichen Feinde einen vertrauten Freund zu machen / keine Mittel in der Welt sparen solte. Deñ ob er schon aus Deutschland wegkäme / würde er doch zu Rom nach dem Tiberius allemahl das meiste zu sagen / und nach seinem Tode Rom selbst zu beherrschen haben. Hertzog Herrmann hatte sich durch Liebe und Vernunfft an eben dieses Ufer treiben sehen / seinen Schluß aber nur bey sich zu behalten für gut befunden / biß er des Cattischen Hertzogs Meinung vernommen haben würde. Als nun Hermengardis selbst nach Budorgis kam / ward sie als ein Wunderwerck ihres Geschlechtes bewillkommt / und als eine andere Mutter des jungen Cheruskischen Fürsten verehret. Als sie nun den Zustand der gefangenen Thußnelde / Ismene / Catta / und Zirolanens mit dem neuen Friedens-Vorschlage / und des Hertzog Arpus erlangter Einwilligung eröffnete / erklärete sich der Feldherr auf unverwandtem Fuße: Sie hätte ihre Liebe und Treue gegen dem Cheruskischen Hause auf eine solche Weise erhärtet: daß dieses sie für ihren andern Schutz-Geist erkennen müste / und weder die Lebenden solches gegen ihr würden vergelten / noch die Nachkommen genungsam rühmen können. Diesem nach wäre von ihr nichts / als heilsames zu erwarten; und weil sie zu dem Römischen Friede riethe / von Agrippinens aufrichtiger Meynung Zeugnüß gäbe /nähme er ihren Rath für sein Gesetze an / und wäre er alles / was sie zu desselben ferner Einrichtung dienlich erachten würde / zu vollziehen erbötig. Der Graf von Nassau ward auch selbst zum Gesandten an den Germanicus erkieset / weil Hermengardis berichtete: daß Hertzog Arpus den Grafen von Witgenstein für sich hierzu erwehlet hatte. Nassau muste folgenden Tag schon nach Mattium aufbrechen / und nahm zwantzig außerlesene Pferde / mit etlichen Reñ-Thieren / weißen Bären / und Elends-Thieren / Zobelnen /und Luchsenen Futtern / für den Germanicus [1331] zu Geschencken mit. Hermengardis wolte mit aller Gewalt mit ihm wieder nach Meyntz / aber der Feldherr beredete sie: daß sie mit ihm nach Deutschburg reisete /allwo er ihr zu denen bereit empfangenen Kweiß-Per len / Pannonischen Opalen / bey den Marsingern / und in der Elbe gefundenen Diamanten / Bojische Granaten / und Korallen / noch etliche köstliche Geschirre aus Agsteine / für Agrippinen mit zu nehmen / anvertrauen wolte. Als sie sich Deutschburg näherten / kam ihnen der junge Herrmann mit hundert Rittern entgegen / bewillkommte die Hermengardis aufs höflichste / und gab ihr keinen andern / als den Mutter-Nahmen / weil sie durch das Blut ihres Sohnes ihn dem Tode aus dem Rachen gerissen / und gleichsam auffs neue gebohren hätte. Alles Volck ruffte dem Feldherrn wegen seines erweiterten Reiches / und der Hermengardis als der Erhalterin des Cheruskischen Hauses tausend Glücke zu. Auf den Morgen händigte der Feldherr ihr die übrigen Geschencke zu / ja er vertraute ihr noch gar die übrigen zwey dem Qvintilius Varus abgenommenen güldenen Adler mit der Vollmacht: daß wenn über Hoffen der Friede sich an etwas stossen möchte / sie mit diesen Römischen Abgöttern denen Schwerigkeiten abhelffen solte. Hierauf führete er sie zu dem Tanfanischen Heiligthume / bey welchem er auf einen viereckichten Fuß von schwartzem Marmelsteine / eine zwantzig Ellen hohe Alabaster-Säule hatte aufrichten / und oben Hermengardens Bild mit der Opfferung ihres Sohnes hatte aushauen lassen. Dieses schöne Gedächtnüß war zwar fürlängst fertig gewest; Der Feldherr aber hatte / weil Hermengardis bey den Römern gefangen / und also wegen Auswechselung des jungen Herrmanns in Gefahr grausamer Rache war / solches nicht ehe / als itzt ihr zu Ehren / und zum Troste ihres unschätzbaren Verlustes auffsetzen lassen wolen. Daher auch die Werckleute kaum eine Stunde vorher damit fertig worden waren. Auf der Ost-Seite des Marmel-Fußes war zu lesen:
Nicht rühme Griechenland Alcestens Liebes-Brand /
Die auf der Götter Rath hat für Admetus Leben
Ihr treu-aufwallend Blut zum Opffer hingegeben /
Als sich kein Mensch / als sie / für ihn zu sterben fand /
Ob seiner Eltern Fuß gleich schon im Grabe stand.
Wer Hermengardens That / und Opffer setzt darneben /
Verfinstert jener Preiß um diese zu erheben /
Wenn sie für Herrmanns Kind ihr eignes stürtzt in Brand.
Denn jen' erinnert sich: daß er ihr Ehmann sey /
Mit dem am Ganges sich muß iedes Weib verbrennen /
Die reißt des Sohnes Hals / ihr Mutter-Hertz entzwey /
Die Welt und Nachwelt wird kein gleiches Beyspiel nennen:
Daß iemand ohne Pflicht sein Kind geschlachtet hat;
Dort war es Schuldigkeit / hier ist es Helden-That.
Auf der West-Seite standen folgende Reyme:
Kein Mahler weiß zu mahl'n des Agamemnons Leiden;
Timantes hüllt in Flor sein todtes Antlitz ein /
Wenn seine Tochter soll Dianens Opffer seyn /
Daß Calchas durch den Halß ihr wil das Messer schneiden /
Und Hermengardis sieht mit ungeschminckten Freuden
Auf Drusus Mord-Altar des zarten Sohnes Pein /
Ja für was Niobe sich wandeln würd' in Stein.
An dem / O Wunder! kan sie ihre Augen weiden.
Dort kan der Vater nicht der Göttin opffern schauen /
Was hier die Mutter selbst den Feinden ohne Grauen /
Und ungezwungen bringt. Weil ihr geopffert Kind
Nur Herrmanns Sohn befreyt / sind ihre Augen blind /
Die Mutter-Liebe tod / die Brust weiß nichts von Schmertze /
Es blutet nur der Kopff des Sohnes / nicht ihr Hertze.
Gegen Sud war folgende Schrifft eingegraben:
Ihr Mütter Carchedons / die ihr für Reich und Stadt
Dem zornigen Saturn die edlen Kinder schlachtet /
Weil ihr durch dieses Blut ihn zu versöhnen dachtet;
Wenn das Verhängnüß euch auf Fuß und Zehen trat /
Glaubt: daß ihr euch befleckt durch diese grimme That.
Und sündigt: daß ihr GOtt so unbarmhertzig achtet /
Der nach der Unschuld Blut und Opffer nie getrachtet /
Ja offt um einen Hirsch ein Kind verwechselt hat.
Die Menschen dürsten nur nach süssem Kinder-Blute
Und Heucheley thut sie nur falschen Göttern ab.
Daß aber Hermengard ihr Kind zum Opffer gab /
Dem Drusus auffs Altar / geschah aus Helden-Muthe;
Sie weihte durch diß Blut ihr keinen Abgott ein /
Dadurch sie und ihr Sohn wird selbst vergöttert seyn.
[1332] Und endlich gegen Nord war folgendes zu lesen:
Andromache versteckt in eine Todten-Grufft /
Als Ilium schon selbst zu Grabe war getragen /
Den Sohn Astyanar / den durch verschmitzte Fragen /
Zu seinem Tode bringt Ulysses an die Lufft.
Doch stürtzt sich Hectors Sohn selbst von der hohen Klufft
Auf Trogens Stein und Grauß; kein Feind kan aber sagen /
Er habe dieses Kind hör'n seuffzen oder klagen /
Um das die Mutter doch so Weh als Rache rufft.
Hier weint nicht Hermengard' um ihres Sohnes Tod /
Der so großmüthig stirbt / für andre sonder Noth /
Da dort Astyanax aus Zwang den Tod muß schmecken /
Und iede Mutter wil zwar ihren Sohn verstecken;
Doch eine daß er lebt / die zweyte daß er stirbt
Sagt: ob das letzte Paar nicht grösser Lob erwirbt?
Die Barden sangen hierbey die gantze Geschichte von ihrem an statt des jungen Herrmanns aufgeopfferten Sohne / und wusten mit ihrer Stimme und Gebehrden die Regungen Thußneldens / Hermengardens / des Priesters Siegesmund / und beyder Kinder beweglich auszudrücken. Hermengarde laß mitler Zeit die vier Überschrifften; und ob das Lob zwar sonst der süsseste Seiten-Klang in menschlichen Ohren ist / ließ sie doch mehr Traurigkeit als Freude von sich spüren /entweder weil die wehmüthige Erinnerung über ihrem zerfleischten Kinde ihre Lust hemmete / oder weil ihr Gemüthe zu feste gesetzt war / daß es sich über einigem Ruhme hätte können aufblähen / weil sie solches zumahl so wol verdienet hatte. Sie fieng auch nach derselben Durchlesung gegen dem Feldherrn an: Diese Ehre wäre für sie / als ein schwaches Weib / für ihren Sohn als ein schlechtes Kind / und für ihre geleistete Schuldigkeit allzugroß. Sintemahl keine deutsche Mutter sich hoffentlich weigern würde ihre Kinder für Erhaltung des Geschlechtes eines Helden aufzuopffern / der für Deutschlands Wolfarth so vielmahl sein Blut verspritzet hätte. Sie hätte mehr nicht gethan / als alle Mütter derselben / welche im Kriege fürs Vaterland umkommen wären / und also würden die Marmel-Adern in Deutschland nicht zulangen /wenn diesen allen / die nicht weniger als sie und ihr Sohn verdienet hätten / solche Säulen aufgerichtet /und Lobe-Lieder gesungen werden solten. Der Feldherr antwortete ihr: Er wüste wol / daß an Lobsprüchen ihrer Gedächtnüs-Maale sich nur niedrige Gemüther ersetzten / wie die Kinder alleine die Affen für vollkommen hielten; alleine deßwegen müsten sie gleichwol der Tugend gewehret werden / damit sie andern zum Beyspiele dienten. Daher statteten die Barden so wol ihr / als ihrem Sohne / durch ihre Gesänge die schuldige Pflicht ab. Es wäre in Deutschland dieses die Art rühmliche Thaten im Gedächtnüße der Nachkommen zu erhalten / und also stürbe in Indien niemand rechtes / dessen Geschichte nicht die Weltweisen / wie die Libyer derer Lob / die im Kriege /oder auf der Elephanten-Jagt umko en wären / gesungen / uñ die nicht von den Galatern / Griechen und Römern in zierlichen Reden vorgetragen würden. So wären auch derogleichen steinerne Gedächtnüß-Maale den Deutschen und vielen Völckern gemein / Hermengardens und ihres Sohnes Thun was so grosses / und ungewöhnliches / daß es ein absonderes Gedächtnüß erforderte. Sie solte mitler Zeit nur mit diesem Schatten vorlieb nehmen / und gewiß glauben / daß mittelmäßige aber verdiente Ehren-Maale mit der Zeit immer grösser würden; Die aber / welche mit ihrer Pracht das Maaß der Verdienste überstiegen / veralterten / zernichtet / und endlich gar vergessen würden. Weil das Feuer ihrer Liebe und des grausamen Opffers / ihren Sohn / welcher ehe zum Helden worden wäre / als zum Manne / gantz verzehret hätte / solte diese Säule ihm zum Grab-Maale / ihr aber zu Troste dienen: daß die Asche ihres Kindes nicht unfruchtbarer als des Phönixes seyn / sondern aus ihrer beyder Tugend die Nachwelt Beyspiele nehmen / und für das Vaterland sich oder ihre Kinder freudig aufopffernde Helden-Geister ans Licht bringen [1333] würden. Denn ehrliche Danck-Maale wären edlen Gemüthern eine so kräfftige Erfrischung und Ursache ihres Wachsthumes / als der Morgen-Thau den Kräutern. Würde doch ein Elephant / ein Pferd / und ein Pfau durch Lob aufgeweckt / was solle nicht eine Seele thun / in welcher die Wurtzel der Tugend käumete? Hermengarde hätte sich noch mehr verkleinert / wenn der Priester nicht das Zeichen zum angehenden Gottesdienste gegeben hätte. Nach verrichteter Andacht wolte sie sich nichts mehr halten lassen / sondern nahm von dem Feldherrn Abschied / welcher sie durch Schulenburgen mit hundert Reutern biß an den Rhein begleiten ließ.
Inmittelst kamen der Graf von Nassau und Witgenstein zu Meyntz an. Germanicus ließ sie zwar ohne Gepränge / aber auffs freundlichste empfangen / gab ihnen auch folgenden Morgen Verhör. Bey dieser eröffneten beyde ihrer Fürsten redlichen Vorsatz / mit den Römern in Friede zu treten / welchen sie mit niemanden lieber / als mit dem Germanicus zu schlüssen / verlangten. Sintemahl sie zeither mit einander die Kräfften geeichtet / Germanicus der Deutschen Eigenschafft / sie aber seine und der Römer Tugend am besten hätten kennen lernen. Sein vorhabender Abzug aus Deutschland hätte ihnen hierzu Anlaß gegeben /weil doch niemanden die Frucht des Krieges / nehmlich ein ehrlicher Frieden-Schluß / als dem Germanicus gebührte. Sintemahl doch Nicias in Griechenland mit einem Frieden mehr Ehre / als Pericles mit allen seinen Heldenthaten aufgehoben hätte. Nach dem ihnen nun dieser Friede ein rechter Ernst wäre / sie auch an des Germanicus Friedens-Begierde nicht zweiffelten / hätten beyde Hertzoge kein Bedencken gehabt / sie mit unverschrenckter Vollmacht nach Meyntz / und also dem Germanicus nach Hauß und Hofe zu schicken. Sie betheuerten hierbey: daß ihre Fürsten unter dem Vorwande des Friedens keine Zeit in etwas zu gewinnen / oder sonst einigen Vortheil suchten / sondern sie auf einmahl offenhertzig ihre Meinung zu entdecken / in wenig Tagen zu schlüssen / und mit nichts hinterm Berge zu halten befehlicht wären. Dieser nahm ihren Vortrag zum Bedencken /erlaubte aber denen Gesandten zu der Hertzogin Thußnelda / Catta / und dem andern Frauenzimmer /einen freyen Zutritt; welches über ihrer Ersehung /und dem Empfange vieler annehmlichen Brieffe /noch mehr aber über der Nachricht: daß sie mit dem Germanicus Friede zu schlüssen völlige Gewalt hätten / hertzlich erfreuet ward. Deñ guter Freunde Brieffe erqvicken das Gemüthe / wie ihre Gemählde das Gesichte. Agrippine nahm ihr bey denen öfftern Besuchungen Gelegenheit / in Thußneldens Zimmer mit beyden Gesandten zu reden / und nicht nur sich zu einer Beförderin des Friedens zu erbieten / sondern sie gab ihnen auch zu dessen glücklicher Behandlung Einschlag. Den dritten Tag erklärte sich Germanicus: daß ihm ein der Römischen Hoheit gemässer Friede nicht zu wider wäre; Daher solten die Gesandten gewisse der Billichkeit gemäße Bedingungen vorschlagen / und solche dem Silius schrifftlich einhändigen. Sie kamen also mit diesem zusammen / und erboten sich den Frieden einzugehen / wie er zu letzt mit dem Kayser August wäre geschlossen worden; nur daß der Anspruch / welcher wegen eines Tempels zu Meyntz auf das Cattische Gebiete wäre gemacht worden / und die Ursache des letzten Krieges gewest wäre / aufgehoben würde / iedem diß / was er würcklich besässe /verbleiben / und übrigens der Rhein beyder Völcker Gräntze seyn / auch kein Theil des andern Feinden Hülffe leisten / die Gefangenen aber beyderseits ohne Löse-Geld freygegeben / und alle andere deutsche Fürsten in diesen Frieden mit eingeschlossen seyn solten. Silius nahm diese Bedingungen willig an / begehrte auch über ein und andere Erläuterung / [1334] und überbrachte sie dem Germanicus. Diesen Tag fand sich auch Hermengarde ein / mit welcher die Gefangenen gleichsam ihren Schutz-Geist wieder zu schauen vermeinten. Sie überliefferte Agrippinen ihre Geschencke; welche sie theils wegen ihres eigenen Werthes und Vaterlandes / theils / weil sie von eines so vortreflichen Helden Hand kamen / überaus hoch hielt. Diese ließ es ihr auch eyfrigst angelegen seyn /den Frieden zu befördern / und brachte beym Germanicus zu wege: daß er der Deutschen Gesandten Vorschläge bewilligte; iedoch / daß dem Fürsten Segesthes / Malovend / und Bojocal ihr Land ohn einigen Abzug / dem Hertzog Flavius aber das Erbtheil / welches ihm Hertzog Herrmann anfangs selbst angeboten hätte / eingeräumet / und ihnen die mit den Römern gemachten Bündnüße keinen Vorruck / oder Nachtheil zuziehen solten. Die Gesandten giengen dieses ebenfalls ein / und ward auf solche Art der Friede den fünfften Tag / da sonst bey Friedens-Handlungen die Besuch- und Gegen-Besuchungen etliche Monat / die Strittigkeiten über dem Platze der Zusammenkunfft /über der Sprache / in welcher man handeln wil / insonderheit aber über ein oder des andern Gesandten Vorsitze und Titel nicht selten gantze Jahre verspielet werden / gleich als wenn diese Schalen wichtigere Dinge als die edle Perle des Friedens wären; für geschlossen gehalten / und dieses Friedens ausführlicher Innhalt auch noch selbigen Abend aufgesetzt. Es ereignete sich aber über dem Römischen Aufsatze dieser Mangel: daß unter denen Deutschen auf der lincken Seiten gelegenen Orten / das Altar des Bacchus darinnen nicht ausdrücklich benennet ward / worauf der Graf von Nassau inständigst drang. Uber diß verlangte er auch dem Frieden ausdrücklich einzurücken: daß die Römer dem Könige Marbod zu helffen / nicht solten befugt seyn. Ob nun wol Silius einwarff: daß das Altar des Bacchus unter denen allgemeinen Worten der auf der Gallier Seite gelegner Plätze / und Marbod unter denen andern Feinden schon begriffen wäre / wolte sich doch Nassau nicht abwendig machen lassen / sondern sagte: wenn die allgemeinen Worte diesen Verstand hätten / würde solche auszudrücken / es so viel weniger bedencklich seyn. Gleichwohl verzohe dieser Zwist die Unterschreibung des Friedens / biß auf den Abend / und solte auf den Morgen in des Germanicus Gegenwart die Auswechselung geschehen. Selbige Nacht aber kam Sextus Papinius von Rom mit Schreiben vom Tiberius; darinnen er des Germanicus Reise abermahls auffs beweglichste trieb / insonderheit aber verordnete: daß Thußnelda mit Herrmanns Sohne / Catta / Ismene / und Zirolane alsobald dem Papinius übergeben / und voran nach Rom gebracht werden solten. Germanicus ward über diesem Schreiben so verstellet / als wenn ihn der Blitz gerührt hätte. Er ließ daher noch selbige Nacht den Papinius für sich / fragte: Ob er von dem Innhalte des Brieffes wüste? Dieser verjahete es / und berichtete darbey: daß Tiberius in Abwesenheit des Sejan und Salustius ihm solchen eingehändiget / und bey Verlust seines Kopffes ihm das deutsche Frauenzimmer / dessen Gemählde er beym Sejan den Tag vorher in seinem an der Tiber gelegenen Lust-Hause gesehen hätte / richtig überzubringen anbefohlen hätte. Germanicus fragte weiter: ob er nicht wüste / woher Sejan diese Bilder bekommen? Papinius antwortete: Es hätte sie Sentia Segesthens Gemahlin / welche zwey Tage vorher damit nach Rom kommen / und in selbigem Garten eingekehrt wäre / mit aus Deutschland gebracht; Tiberius wäre auch damals selbst im Garten bey Sentien gewesen / hätte solche mit grosser Verwunderung besehen / und von Sentien genau erkundiget: ob Thußnelde noch so schön / Ismene / Zirolane und Catta aber so eigen als jene getroffen wären. Als ihm Sentia dieses nun verjahet / und ihn versichert: [1335] daß ihnen der Pinsel nicht geliebkoset / sondern der Mahler sein Unvermögen ihre Schönheit vollko en auszudrücken bekennet / hätte Tiberius angefangen: So bliebe es denn ein für allemahl wahr: daß in Deutschland die Schönheit zu Hause wäre / und das vollkommenste Frauenzimmer über den Bergen noth hätte /sich aus dem Schimpffe der Heßligkeit zu reissen. Tiberius wäre mit Sentien / dem Sejan und Salustius hierauf eine lange Zeit in einem mit Cypressen beschatteten Lustgange auf- und abgegangen / und nach ihrer geheimen Unterredung hätte Tiberius ihm gesagt: Er solte sich auf eine ferne Reise geschickt machen; worauf ihm auf den Morgen Tiberius das Schreiben und den Befehl ertheilet / und ihm ausdrücklich angedeutet: daß er bey Verlust seines Kopffes /ohne diese Gefangenen nicht wieder nach Rom kom men solte. Germanicus schwieg hierzu eine Weile stille / hernach sagte er: dieses würde Papinius gleichwol nicht bewerckstelligen können / weil er mit den Deutschen Friede gemacht / und alle Gefangene loß zu lassen versprochen hätte / und wäre eben dieser Morgen das Ziel / da die Friedens-Schlüsse ausgewechselt / Thußnelde / Catta / Zirolane und Ismene mit Herrmanns Sohne über den Rhein geführet und auf freyen Fuß gestellet werden solten. Papinius antwortete: dieses zu vollziehen / wolte er dem Germanicus nicht rathen / wenn er sein ärgster Feind wäre. Germanicus fiel ein: Ich aber bin viel zu ehrlich: daß ich mein Versprechen nicht halten / weniger diß / was ich mit Hand und Siegel bekräfftigt / zurück ziehen solte. Papinius versetzte: weil die Auswechselung nicht geschehen / sondern Hand und Siegel noch in seinen Händen wäre / stünde er außer aller Verbindligkeit; ja wenn solches schon ausgehändiget wäre /würde er doch wider die Bewerckstelligung dieses Schlusses / für allen in Meyntz sich befindenden Römern im Nahmen des Käysers zu reden gezwungen seyn. Germanicus erblaßte hierüber / und fragte: Ob ihm der Käyser Gewalt gegeben / ihm in die Gewalt eines Römischen Feldherrn einzugreiffen / welche allemahl die Willkühr gehabt hätten / Krieg zu führen /und Frieden zu schlüssen? Papinius begegnete ihm mit einer Ehrerbietigen Bescheidenheit: Ihm wäre /dem Germanicus in etwas einzugreiffen / nicht befohlen / er würde sich auch einer solchen Verrichtung auf alle Weise ausgedückt haben; Alleine weil Tiberius ihm so ernstlich mit gegeben hätte ohne diese Gefangene nicht zurücke zu kommen / und er ihm angesehen hätte: daß dem Kayser was grosses daran gelegen wäre / ja Salustius ihm etwas vertraut hätte / welches zu entdecken ihm nicht anstünde / und sein Kopff ihm lieb / dessen Verlust aber auf den Fall einigen Versehens gewiß wäre / würde ihm Germanicus nicht verargen / wenn er ihre Loßlassung durch offentliche Wiedersprechung sich zu hindern / und die Gnade des Kaysers zu erhalten mühete. Denn wer um einen Fürsten lebte / schleppte den Tod als eine Kette hinter sich her. Im übrigen hätte er nicht zu fragen / oder auszumachen: Ob ein Feldherr wider den ausdrücklichen Willen des Kaysers / welchem das Römische Volck das Recht des Krieges und Friedens allein eingeräumt hätte / etwas zu schlüssen / oder zu vollziehen befugt wäre. Seinem Bedüncken nach aber wäre das Werck noch unvollkommen / und also noch Zeit genung / zur Reue und Zurückziehung; weil die Friedens-Schlüsse über diß ins gemein allererst von den Fürsten genehm gehabt und beschworen werden müsten. Germanicus begegnete ihm: Die Römischen Feldherrn hätten nicht aus einer besondern Vollmacht / sondern Krafft ihrer Würde Gewalt Friede zu ma chen / also dörfte er so wenig / als wenn Könige selbst gegenwärtig wären / oder die Schlüsse eigenhändig unterschrieben / ja auch die Abhandlungen der Gesandten / welche nur unverschränckte Vollmachten hätten / und nichts wider ausdrückliches [1336] Verbot ihrer Fürsten eingiengen / einer Genehmhabung. Sein / und eines ieden Fürsten Wort aber solte so bündig als anderer Eyde / und eines ieden erste Sorge seyn / daß er von der Nachwelt mit keinem Schandflecke verstellet würde. Denn ob zwar gegenwärtige Gewalt ihrer viel die Wahrheit zu sagen zurück hielte / so wäre doch die Feder der Geschichtschreiber ein geheimer aber lebendiger Pinsel / welcher die Flecken der Gemüther ohne Heucheley und Furcht ans Licht stellte / der Pinsel aber der Mahler nur eine todte Feder. Daher ein Fürst / wie groß er auch wäre / mehr die Feder / als ein heßliches Weib den Pinsel zu fürchten hätte. Papinius zohe die Achseln ein / und sagte: es stünde ihm nicht an / mit dem Germanicus über eines Frieden-Schlusses Verbindligkeit zu streiten; aber er solte nur selbst der Sache / des Tiberius Eigenschafften / und was seinem Hause für Gefahr hieraus entstehen könte / nachdencken. Denn der Fürsten Gnade ruhete keinmahl / sondern sie stiege / oder fiele. Es fehlte bey Hofe nicht an Leuten / welche ein kleines Versehen zu halßbrüchigen Lastern machten. Und ob wol Unschuld den Zähnen der Verfolgung härter als Kieselsteine wäre / so hülffe diß doch nicht zu ihrer Erhaltung / sondern sie geriethe nur darüber unter die Hämmer / und weil man sie nicht zubeissen könte / würde sie gar zermalmet. Niemand / wie angesehen er auch wäre / hätte sich daher auf der Fürsten Gnade / oder Verwandschafft zu verlassen / sondern ein ieder hätte wie ein Blinder auf alle seine Tritte / und auf des Fürsten Regungen wie ein Steuer-Mann auf die Flacken und Magnet-Nadel achtung zu geben. Denn man könte sich eh und besser ins Gelücke als in Fürsten schicken / weil jenes mit allen / diese nur mit etlichen des Umdrehens spielte. Jedoch hätten sich dieses verkehrten Spieles die grösten Diener und Leute am meisten zu besorgen / welche zwar auf Steltzen giengen /und weit schritten / aber alle Augenblicke in Gefahr des Fallens wären. Dieses redete Papinius mit solchem Nachdruck: daß Germanicus wol merckte / er sagte weniger als er wüste; und daß hinter diesem Befehle ein grosses Geheimnüß verborgen / oder ihm wenigstens damit ein Fallbret gestellet wäre. Er ließ also den Papinius von sich / und schlug die übrige gantze Nacht sich mit tausend widrigen Gedancken. In der ersten Stunde des Tages ließ er den Silius beruffen / wieß ihm des Tiberius Brieff / und verlangte sein Gutachten: Ob er diesem nachleben / oder den Frieden-Schluß vollziehen solte? Silius besaan sich eine weile / und fieng an: Ein Staats-Diener muß den Willen seines Fürsten / wie die Schiff-Leute den einigen Angel-Stern für ihre Richtschnur halten / und sich die viel schönern Gestirne des gemeinen Nutzens /und seiner verpfändeten Ehre nicht auf die Seite abwendig machen lassen. Die Herrschafft kan auch anderer Gestalt nicht bestehen / als wenn dem Fürsten ohne Einwendung seiner Ehre / und Vorschlag etwas bessern / gehorsamet wird. Insonderheit ist Tiberius ungewohnt / ihm etwas bessers einreden zu lassen /sondern er wil selbte als Göttliche Wahrsagungen /ohne Erforschung der Ursachen und Absehens / beobachtet / und als Jupiters Blitz verehret wissen; und ich habe aus seinem Munde gehöret: daß ein Fürst seiner Hoheit entsätzt / die Herrschafft zerrissen / das gemeine Wesen verwirret würde / wenn man ihm nicht blinden Gehorsam leistete / sondern er seinen Befehl allererst rechtfertigen solte. Es ist zwar nicht ohne: daß Tiberius von diesem Schlusse nichts weiß / und abwesende von Deutschlands Zustande nicht so wol urtheilen kan / aber es stehet doch einem Feldherrn oder Diener nicht zu / seines Fürsten Befehl nach seiner Meinung und gestalten Sachen nach auszudeuten. Daher ist es allemahl sicherer das befohlne thun / als was bessers erwehlen / und sich ungewisser Zufälle /Gefahr / und dem Zorne [1337] der Fürsten unterwerffen /welche zumahl wie Tiberius geartet sind / lieber mit ihrem Schaden Gehorsam zu haben / als mit seinem Nutzen Einrathung zu dulden. Germanicus hörte den Silius gedultig aus / und befahl ihm: er solte beyden Gesandten die Ursache sagen und zeigen / warum er den Frieden nicht vollziehen könte. Silius übernahm diese verdrüßliche Verrichtung / und trug denen Gesandten für: Germanicus und er / wären nicht wenig bekümmert: daß eine höhere Gewalt diese Nacht darzwischen kommen wäre / welche ihn an Auswechselung des abgeredeten Friedens hinderte. Beyde waren voller Hoffnung gewest / diesen Augenblick den Frieden-Schluß zu erlangen / und also wurden sie hierüber so vielmehr bestürtzt. Der Graf von Nassau fieng auch an: Sie wolten sich zu dem Germanicus /auf dessen Aufrichtigkeit ihre Fürsten so grosse Thürme bauten / nicht versehen: daß er diß / was er einmahl beliebt / geschlossen / unterschrieben / und besiegelt / also nach der Völcker Rechte seine vollkommene Verbindligkeit erreicht hätte / zurück ziehen solte; zumahl die Römer ja für allen andern Völckern / daß sie Treu und Glauben hielten / angesehen seyn wolten / und die Treue für eine Göttin verehrten. Silius antwortete: So lange an einem Wercke noch was zu machen übrig wäre / hätte es seine Vollkommenheit nicht. Zu dem wäre dem Germanicus von höherer Hand ein Riegel vorgeschoben; daß es in seiner Gewalt nicht stünde / diß zu erfüllen / was er gerne wolte. Der Graf von Witgenstein fiel ein: Wenn Germanicus keine Gewalt gehabt hat / diß zu erfüllen /was er schleust / warumb hat er sich denn dessen angemaßt / und versprochen? Silius versätzte: Er hat sie gehabt / aber nicht mehr. Nassau brach ein: Hat er sie beym Schlusse gehabt / so hat sie / nach dem man uns unserer Fürsten Meinung unter dem Scheine habender Gewalt heraus gelockt / uns zum Nachtheile ihm nicht können genommen werden. Silius begegnete ihm: Diese Benehmung wäre für dem Schlusse geschehen /wiewol sie erst darnach eingelauffen. Es hätte aber Germanicus diß / was Tiberius zwölff Tage vorher aus Rom verordnet / nicht errathen können. Hiermit zohe er des Tiberius Brieff herfür / und gab ihn dem Nassau zu lesen. Witgenstein aber fieng im Eyver an: die Deutschen verstünden sich auf solche Spitzsinnigkeiten nicht / welches falsche Tugend und Weißheit /auch ehrlichen Leuten ein Greuel und Abscheu wären. Er sehe wol: daß die Römer von ihrer alten Art weit abgewichen wären / und da sie anfangs den Pyrrhus für seines Artztes Giffte gewarnigt / solches hernach selbst dem Prusias seinen Gast Hannibaln zu tödten geschickt / und den Sergius Galba gerühmt hätten: daß er durch Betrug sich zum Meister der Lusitanier gemacht hätte. Die Deutschen wären doch durch den mit dem Germanicus gemachten und nie gehaltenen Frieden gewitzigt worden; also hätten sie sich dißmahl wol nicht wieder sollen aufs Narren-Seil führen / und ihre redliche Andacht nicht zum Gelächter werden lassen. Allein für so klug solten sie die Deutschen doch halten: daß sie sich das dritte mahl nicht würden äffen lassen / und die Nord-Welt würde wenigstens numehr zu ihrer nöthigen Vorsicht begreiffen: daß das Recht der Völcker bey den Römern nicht üblich wäre; und daß kein Band in der Welt als ihr Eigennutz wäre / welches sie versprochene Sachen zu halten anstrengte. Silius empfand diese Hefftigkeit / wordurch er der Römischen Hoheit zu nahe / und wider die gewohnte Bescheidenheit aller andern Völcker geredet zu seyn vermeinte; sagte daher: die Römer hätten niemahls Gifft und Arglist wider Feinde gebraucht / als von denen sie vorher auf gleiche Weise wären angetastet worden. Hätte er auch nur die Gedult gehabt / des Tiberius vorgewiesenen Brief zu lesen / so würde er den Germanicus ehe entschuldigt / als ihm einigen Betrug[1338] beygemessen haben. Mit des Augustus Leben wäre der vorige Friede erloschen; Weil Fürsten nur auf ihr Lebtage die Verwaltung und den Genüß eines Reiches hätten; und also ihren Nachfolger durch die allerverbindlichsten Schlüsse keine Nothwendigkeit ihre Versprechen zu halten aufbürden könten. Nach dem nun Tiberius an die Catten rechtmäßige Ansprüche zu machen vermeint / und wider die Deutschen den Krieg fortzusetzen durch keine Verbindligkeit wäre gehemmet gewest / hätte Germanicus seinen Befehl durch die Waffen mit dem grösten Rechte vollzogen. Witgenstein versätzte: Wenn Germanicus denen deutschen Fürsten diese Auslegung vorher gesagt hätte /würden sie mit ihm im Nahmen des auf der Grube gehenden Augustus niemahls Friede gemacht haben. Er sähe aber wol: daß es dem / welcher seine Worte an Nagel hienge / niemahls an Vorwand mangelte; und daß das Wachs meistentheils fester am Pergament klebte / als der Wille was zu halten / am Versprechen hienge; so daß sich einige Fürsten wol verwunderten /was ein gemachter Schluß für ein seltzam Thier wäre /daß es über Könige und ihre Fürsten herrschen / oder sie zu Sclaven ihrer Worte machen wolte; gleich als wenn die Einhaltung Treu und Glaubens zwar einem Edelmanne / nicht aber einem Fürsten wol anstünde; welcher / weñ es der Nutzen seines Reiches erforderte / ohne Verminderung seiner Ehre Frieden und Bündnüsse brechen könte / weil doch die Verbindligkeit gegen sein Volck unendlich stärcker / als das seinem Feinde oder dem Nachtbar gegebene Wort wäre. Silius begegnete ihm: Es ließe sich diese Lehre auf niemanden weniger / als auf den Germanicus angewehren / wiewol solche die Cherusker und Catten bey vorigem Frieden-Schlusse selbst gebilligt / und wider den Innhalt ihres Bündnüsses und des Hertzogs Melo willen / sich mit den Römern unter dem Vorwande vertragen hätten: daß zwar ein Fürst nicht ohne erhebliche Ursache / aber gar wol in eußerster Noth / und wo er in Gefahr gäntzlichen Unterganges geräthet / seinen Bundgenossen im Stiche zu lassen befugt wäre. Sintemahl sein Untergang denen Freunden nichts hülffe /seine Erhaltung aber ihnen noch ein ander mahl zu statten kommen könte. Der Graf von Nassau hatte die Augen auf des Tiberius Schreiben / die Ohren bey des Silius und Witgensteins Wortwechselung / seine Vernunfft aber war mit Nachdencken / wie mit dem Germanicus weiter zu verfahren sey / beschäfftigt / weil er es doch / allem Ansehen nach / wol gemeint hatte /und ihm über hoffen die Hände gebunden waren. Diesem nach reichte er den Grafen von Witgenstein / des Tiberius Schreiben / und sagte: dieses würde ihm das gröste Theil seines gegen dem Germanicus geschöpften Argwohns / und daher auch seiner Empfindligkeit benehmen. Nachdem dieser es auch gelesen / und beyde mit einander sich ein wenig berathschlagt / bat Nassau den Silius: er möchte dem Germanicus für die verträuliche Eröffnung des Käyserlichen Schreibens dancksagen; und weil sie freylich wol sähen: daß sein gutes Vorhaben durch diesen eingeworffenen Hacken gehemmet würde / wolten sie doch nicht hoffen: daß er darmit auch seine Neigung das Friedens-Werck zu Stande zu bringen / mit samt der Hoffnung gäntzlich würde sincken lassen. Zeit und Gedult machten viel Sachen reiff / wo die Sonne gleich selbst zu schwach wäre / und die Klugheit des Germanicus würde noch alle Schwerigkeiten zu überwinden / Rath finden. Mittler Zeit hatte Germanicus mit Agrippinen einen harten Stand gehabt / welche aus des Tiberius Schreiben ihm einen grossen Abbruch seiner Würde und Ehren vorgestellt / und aus des Papinius nachdenklichen Reden den ihm zu Rom bereiteten Untergang gewahrsagt / auch nichts ihn zu bereden vergessen hatte: daß er mit den Deutschen den Frieden vollziehen /und gar nicht nach Rom ziehen / sondern bey [1339] denen treuen Legionen in Sicherheit leben und mit Ehren sterben solte. Alleine des Germanicus Treue gegen den Tiberius war mit einer unüberwindlichen Hartnäckigkeit gefasset: daß er Agrippinen scharff begegnete / und ihr beymaaß; Sie würde durch ihre Hefftigkeit und Mißtrauen ihn / und sich selbst stürtzen /indem sie sich allenthalben darmit so bloß gebe / und nicht wahrnähme: daß man denen Nachstellungen nicht glücklicher als durch Anstellung entgienge / daß man sie nicht merckte. Ihn würde nimmermehr weder Furcht noch Hoffnung eines Nagels weit von dem Stande seiner Pflicht verleiten / in der er / ohne ander Absehen / außer einen guten Nahmen und den Ruhm der Treue zu erhalten / sterben würde. Ihm wäre die Bekümmernüß der deutschen Gefangenen so sehr leid als ihr / und er würde für ihre Ehre und Freyheit zu sorgen / niemals vergessen. Sie würden aber selbst nicht verlangen durch seine Schmach und Untergang zu genesen. Silius kam darzu / und berichtete: daß die Gesandten sich in die verweigerte Vollziehung des Friedens schickten / ihn gleichwol aber um Wegräumung der Hindernüsse nochmahls ersuchten. Agrippine muste sich also desto mehr zu Frieden geben. Als sie nun von dar zu Thußnelden sich verfügen wolte /kam der Ritter Malzan / und lieferte dem Germanicus im Nahmen Hertzog Herrmañs zwantzig- und Schönborn im Nahmen des Cattischen Hertzogs zwölff der schönsten Pferde ab. Germanicus war über der Großmüthigkeit der Deutschen gleichsam beschämet: daß /da die Gesandten die meiste Ursache hatten unvergnügt zu seyn / sie sich am allerfreygebigsten erzeigten. Damit er nun sich mit keinem Argwohne beladete: als ob sein Gemüthe einige Abneigung hegte /ward er gezwungen / selbige anzunehmen. Thußnelde und ihre Gefärthen waren den Abend vorher mit der Nachricht von dem unterschriebenen Frieden so sehr erfreuet worden; daß sie diese geschäfftige Gemüths-Regung die gantze Nacht nicht schlaffen ließ / sondern theils die Gespräche / theils die süssen Einbildungen von ihrer Heimkunfft gantz munter erhielt. Nach der ihnen durch grosse Begierde verlängerten Nacht / sahen sie alle Augenblicke / wenn die Gesandten ihnen diesen Brieff ihrer Wolfarth / und Agrippine ihre Befreyung überbringen würde. Alleine das Antlitz der sich endlich einstellenden Agrippine entdeckte ihnen mit dem ersten Anblicke: daß sie sich nur mit dem Brodte der Elenden nemlich eiteler Hoffnung gespeiset hatten. Weil Thußnelde sie auch alsbald ersuchte / ihnen diß nicht lange zu verbergen /was das Verhängnüs aufs neue für sie böses gesponnen hätte; verschwieg sie ihnen außer dem / was Papinius von ihren Gemählden zu Rom erzehlet hatte /nicht den Inhalt des Käyserlichen Briefes / und von dem / was diesen Morgen mit den Gesandten durch den Silius gehandelt worden war. Ihre Gemüther wurden dadurch überaus niedergeschlagen. Denn wie der Stahl / wenn er vorher glüend gemacht / und alsbald aus der Feuer-Esse in Eyskaltes Wasser getaucht wird / die grösseste Härte bekommt: Also wird ein von der Freude erwärmtes Gemüthe durch einen geschwinden Trauerfall gleichsam versteinert. Aber Agrippine und Hermengarde ließen an ihnen nichts erwinden / ihre Gemüther aufzurichten / und wie jene sie vertröstete /daß Germanicus das äußerste thun würde den Frieden wo nicht ehe doch wenigstens zu Rom auszumachen /also versicherte diese sie: daß / wenn sie schon nach Rom ziehen müsten / sie dennoch ein auskommentliches Löse-Geld für aller ihrer Freyheit zu wege bringen wolte. Beyde Gesandten kamen endlich auch darzu / und verbanden wenigstens der Betrübten Wunden / zu derer Heilung mehr Zeit und kräfftigerer Wund-Balsam von nöthen war. Ungeachtet nun Agrippine schon einmahl beym Germanicus angelauffen war / unterließ sie doch nicht einen neuen Versuch zu thun: ob sie nicht [1340] für die Deutschen was tröstliches ausbringen könte. Sie hielt ihm also ein: daß ein bloßer Gesandter befugt wäre / seines Fürsten ausdrücklichen Befehl zu überschreiten / wenn eine Sache sich derogestalt verkehrte / daß er durch keinen Gehorsam mehr Schaden als Frommen thäte; ja seine unvernünfftige Folge würde so denn zu einem unverantwortlichen Verbrechen / und er wäre verbunden zum wenigsten so lange an sich zu halten / biß er seinem Fürsten die ihn zurück haltenden Ursachen berichtet /und darüber seinen eigentlichen Willen eingeholet hätte. Nach dem nun durch den letzten Feld-Zug die Römische Macht gäntzlich erschöpfft / der Cherusker durch zweyer Völcker Zutritt verstärckt / und durch den Frieden alles in einen andern Stand gesätzt worden wäre / würde Tiberius dem Germanicus so viel weniger als einem Feldherrn für Mangel ausstellen können / wenn er / um aus einer so gefährlichen Verwirrung sich auszuwickeln / etwas wagte / und eine Verordnung / welche aus Unwissenheit solcher Umstände hergeflossen / und zu langsam kommen wäre /außer Augen sätzte / und also mehr seiner Vernunfft /als einem unbedachtsamen Befehl folgte. Sintemahl vielmahl mehr derer Staats-Diener Eigensinnigkeit /oder Vortheil / als der Fürsten rechter Wille und bedachtsamer Schluß darhinter steckte. Wie es denn in gegenwärtigem Falle das Ansehen hätte / als wenn Tiberius hierdurch mehr des Sejanus Lüsternheit vergnügt / als seine Klugheit zu Rathe gezogen hätte. Daher sie nicht nur die Vollziehung dieses Frieden /sondern alles andere für verantwortlich hielte / weñ ein Diener nur nicht das Maaß seines Amptes überschritte / und nichts / was der Hoheit seines Fürsten verkleinerlich wäre / handelte. Sejan und andere Rathgeber des Kaysers zu Rom wüsten viel / wie es um die Kriegs-Händel in Deutschland stünde; also könten sie auch nicht besser als der Blinde von der Farbe urtheilen. Hingegen könte Germanicus besser als alle andere zusa en urtheilen / was Rom dienlich / und dem Kayser anständig wäre; weil er alleine die Verfassung und ihr Maaß auf beyden Seiten wüste / und auf allen Fall den ihm beypflichtenden Silius zum Zeugen haben würde. Germanicus sätzte ihr entgegen: die Unwissenheit derer zu Rom hielte ihn an Vollziehung des Friedens am meisten zurücke / welche solchen so vielmehr tadeln und schelten würden / weil sie nicht verstünden: daß Rom an den Deutschen einen gar andern Feind / als an andern Völckern hätte; ja sich der bißher erlittene Schaden nicht einmahl recht schreiben / oder wenigsten nicht dem Römischen Volcke offenbahren liesse / ja auf allen Fall auch schwerlich allenthalben Glauben finden würde. In allen Fällen aber wäre ein Diener ausser Verantwortung / und in Sicherheit / wenn es seines Fürsten Willen / er möchte so unrecht oder unvernünfftig seyn als er i er wolte / auffs genauste nachlebte. Wenn dieses auch schon auffs allerschlimste auslieffe / fiele keine Schuld auf ihn / sondern auf den Fürsten. Hingegen hielte keine Entschuldigung den Stich; ja der glückseligste Ausschlag / dafür doch die klügsten Entschlüssungen keinen Bürgen hätten / wären widrigen Falls ihn zu vertreten / und vom Ungehorsam loßzusprechen genung. Seine Begierde dem Fürsten treulich- und der Eyver seinem Vaterlande nützlich zu dienen / würde ins gemein für Unvernunfft ausgelegt /und weil diese eben so schädlich dem gemeinen Wesen wäre / für eine Untreue bestrafft. Zumahl wenn man nicht nur ausser Befehl sich in etwas wolmeinende einliesse / sondern schnurstracks wider bekommene Verordnung handelte / welches schwerlich dem Nahmen eines Betrugs entfliehen könte. Insonderheit müste man sich an diesem Fadem der Ariadne halten /wenn ein Fürst eigensinnig wie Tiberius wäre / seinem Verstande mehr / als aller anderer Klugheit zutraute / und für einen Abbruch seiner Hoheit hielte /wenn seine Befehle [1341] nicht auf ein Haar ausgerichtet würden. Uber diß hätte Tiberius nicht nur eine Art an sich / iedermanne Fehler beyzumässen / sondern er wäre auch der mißträulichste Mensch unter der Sonnen / und würde für einen grossen Wucher halten /wenn er durch scheinbare Beymässung eines Versehens oder Mißhandelns ihm beykommen / und beym Römischen Volcke schwartz machen könte. Welches in gegenwärtigem Falle ihm glücklich angehen würde / weil seinem Vornehmen nicht nur der todte Buchstaben eines Kayserlichen Befehls; sondern der zu dem Ende ausdrücklich abgeschickte Rathsherr Papinius solchem und ihm ins Antlitz widerspräche / auch wenn er iemanden von den Gefangenen freylassen solte / selbst in Meyntz bey der Besatzung einen Lermen anfangen / und beym Kriegs-Volcke / welches zwar den Sieg aber nicht den Frieden gerne sieht /leicht Beyfall finden würde. Agrippine versätzte: Germanicus hätte nicht nur auf diß / was Tiberius zu letzt durch den Papinius verordnet / sondern auch auf seine vorige Schreiben zu sehen / darinnen er ihm ja deutlich zu verstehen gegeben / er solte die Deutschen in Ruh / und sich durch eigene Zwietracht aufreiben lassen / welches ohne vorher gemachten Frieden nicht sicher geschehen könte. Wie hätte ihm aber Tiberius etwas von einem Frieden können träumen lassen /ohne daß denen kriegenden Fürsten ihre Gemahlin /Kinder / und Anverwandten loßgelassen würden? Daher müste der letztere Befehl / welcher von Aufhebung des erstern nichts meldete / nothwendig auf den Stand des ungeschlossenen Friedens ausgedeutet werden. Germanicus begegnete ihr: Diß liesse sich alles wol hören / wo es um Auslegung einer tunckelen Verordnung zu thun wäre / da denn ein Diener / wenn ihm auf den Hals gegangen wird / und die Sache keinen Verzug leidet / er auch siehet / daß ein Fürst eine neue Begebnüs nicht hat vorsehen und seinen Befehl darnach beugen können / sich etwas wol nach Leitung des Verhängnüßes / und seiner Klugheit durch eine kecke Entschlüssung sich einer Freyheit anzumassen befugt ist. Aber / wo der Befehl ihm schnurstracks zu wider ist / hat er gebundene Hände / und dieser hebt alle vorher gehende Vollmachten / und die Gewalt des Amptes auf. Agrippine wuste hierwider nichts kräfftiges aufzubringen / iedoch lag sie ihm noch immer in Ohren / der Sache nachzudencken / und auf ein Mittel zu sinnen: daß er bey den Deutschen einen guten Nahmen hinterliesse. Dieser wäre über das Leben / welches der geringste Pöfel mit Helden gemein hätte /und über den Ruhm grosser Thaten zu halten / die durch versehrte Treu und Glauben doch einen unausleschlichen Schandfleck behielten. Diese letzten Worte liessen in des Germanicus Hertze einen solchen Stachel: daß er nebst dem Silius / auch die zu seinen Reisegefährten ausgelesenen Freunde / nemlich den Vitellius / Cneus / Sentius / Vibius Marsus / und Veranius zu Rathe nahm / und mit ihnen schlüßig ward /den Frieden vollends / iedoch mit diesem Beysatze zu vollziehen: daß die vom Tiberius verlangten Gefangenen zwar nach Rom reisen; Germanicus aber daselbst ihre Freyheit zu wege bringen; und da er über Hoffen solches nicht auszurichten vermöchte / die Deutschen an den Frieden nicht gebunden seyn solten. Diesen Vorschlag eröffnete Germanicus noch selbigen Abend Agrippinen / diese den Gefangenen / welche sie durch Versicherung: daß sie auf der Reise nach Rom ihre Beschirmerin seyn / oder nicht leben wolte / zu Annehmung dieses Vorschlags beredete. Thußnelde gab noch in der Nacht dem Grafen von Nassau hiervon einen Vorschmack / und auf den Morgen beschwur sie ihn bey seiner Treue: er möchte das eusserste thun /was er könte / damit des Germanicus und Agrippinens Wolmeinen mit dem Frieden nicht zergienge. Als nun Silius beyden Gesandten dieses vortrug / machte der Graf von Witgenstein [1342] zwar wegen mangelnder Vollmacht einige Schwerigkeit / und verlangte dreyer Tage Aufschub / in welcher Zeit er vom Hertzoge Arpus solche zu erlangen getraute; aber Silius sagte: daß Germanicus den dritten Tag aufbrechen müste; und der Graf von Nassau / welcher sich hierauf schon gefaßt gemacht / und befunden hatte: daß an Gewinnung weniger Zeit / und einem kurtzen Frieden mit den Römern / dem Feldherrn wegen der mit dem Marbod und Ingviomern habenden Zwyspalt viel gelegen wäre / entdeckte dem Witgenstein: daß er diese Bedingung mit dem Frieden anzunehmen gedächte; wuste ihm auch seine Schwerigkeiten derogestalt zu zerlegen: daß er biß auf Genehmhabung seines Fürsten / darüber Silius kein Bedencken hatte / zu schlüssen / das Wort von sich gab. Also ward über diesen Beysatz ein neuer Auffsatz gemacht / unterschrieben und besiegelt. In der fünfften Stunde wurden die Gesandten beym Germanicus mit grossem Gepränge zur Verhör eingeleitet / und die Friedens-Schlüsse gegen einander ausgewechselt. Als dieses auf einem grossen Saale in Anwesenheit der vornehmsten Römer geschehen war / befahl Germanicus den Frieden an dreyen Plätzen der Stadt Meyntz auszublasen / und an allen Gräntzen zu schreiben: daß die Feindseeligkeiten gegen die Deutschen aufhören / und biß zu einlauffender Genehmhabung des Friedens / die Gefangenen in Festungen als freye Leute gehalten werden solten. Zu Thußnelden / und anderm Frauenzimmer schickte er den Vitellius / und ließ ihnen vermelden: daß sie nicht mehr der Römer Gefangene / sondern seine Gäste wären. Nach dieser gemachten Anstalt / führte Germanicus die Gesandten in sein inneres Gemach / zohe daselbst aus einem helffenbeinernen Schrancken / dessen Fächer alle mit glatten und vielerley Landschafften abbildenden Steinen versätzt und inwendig mit geschliffenen Schildkroten-Schalen belegt waren / ein Schreiben herfür. Dieses wieß er dem Grafen von Nassau ihn fragende: ob er daran Hand und Siegel kennte. Als dieser es nun mit dem ersten Blicke für des Hertzog Ingviomers ansah / fieng Germanicus an: Ich wil dem Hertzoge Hermann und Arpus durch dieses das erste Kennzeichen meiner Freundschafft für Augen stellen. Gab es also dem Nassau nicht nur zu lesen / sondern auch dem Feldherrn zu überbringen. In diesem fanden beyde Gesandten nachfolgende Worte mit Ingviomers eigener Hand in Römischer Sprache geschrieben: Großmächtiger Germanicus! Ingviomern wird nun auch bey den Römern Schutz /bey dir Freundschafft zu suchen gezwungen / nach dem ihn der herrschsüchtige Herrmann zu unterdrücken / die hoffärtigen Catten verächtlich zu halten anfangen. Tiberius wird den hoffentlich für einen Bundgenossen nicht verschmähen / der für sein Vaterland so viel Jahr / und als Herrmann noch mit Tocken spielte / den Degen rühmlich geführet hat. Es ist mir leid: daß ich wider die Römer fechten müssen; aber Rom unvergessen / daß ich meine Tapfferkeit auch für die Römer angewehret habe. Diese sind gewohnt /auch alter Dienste zu gedencken / und Germanicus die Tugend an Feinden werth zu halten. Diese werde ich künfftig Rom zu Dienste / und zu Befestigung eines ehrlichen Friedens / zwischen beyden Völckern anwenden / welcher ohne Vertilgung des ehrgeitzigen Herrmanns / und ohne Züchtigung der raubrischen Catten nicht zu hoffen ist. Der Römer Freundschafft wird Ingviomer mit beständigerer Treue vergelten /als Melo / Ganasch und Malorich / welche durch ihren mit dem Herrmann gemachten neuen Bund und ihren Abfall von Rom / der Deutschen Beständigkeit einen heßlichen Brandfleck eindrücken / und so wol als die Semnoner und Longobarden ihnen das Joch der Cheruskischen Dienstbarkeit / Deutschlande am Herrmann einen Wütterich / den Römern aber einen unversöhnlichen Feind aufbürden. Witgenstein laß[1343] dieses Schreiben mit mehrer Veränderung als Nassau / welcher aus Ingviomers Dräuungen ihm nichts bessers wahrgesagt hatte. Beyde aber sagten dem Germanicus für so aufrichtige Entdeckung dieses feindlichen Vorhabens verbindlichsten Danck; welcher den Cneus Sentius beruffen ließ / und ihm in ihrer Gegenwart befahl: er solte den Ritter Kulenburg / welchen Ingviomer an Germanicus abgeschickt hatte / mit dieser Erklärung abfertigen: Weil die Cherusker und Catten numehr gute Freunde der Römer wären / könte er sich wider sie mit niemanden in Bündnüß einlassen. Hierauf führete Germanicus die Gesandten in den Speise-Saal; dahin auch Agrippine Tbußnelden / Ismene / die Hertzogin Catta / und Zirolane brachte. Wiewol nun dieses Feyer gantz unvermuthet kam / ließ doch Germanicus darbey die Römische Pracht zur Genüge sehen / und gieng an Köstligkeit der Speisen / und des Getränckes nichts ab / was die den Römern unterthänige Länder zu ihrer Verschwendung zu zinsen / oder auch die Gewinnsucht aus den eusersten Enden der Welt herzuholen pfleget. Germanicus und die andern vornehmen Römer bezeugten eine sonderbare Verträuligkeit gegen die Deutschen / und keine gemeine Freude über dem gemachten Frieden. Auf die Nacht wurden auf den Bergen und im Rheine allerhand Lust-Feuer angezündet; und auf den Morgen verfügte sich Germanicus mit den Gesandten und dem gantzen Hofe für die Stadt an den Rhein / allwo er dem Einflusse des Meynes gegen über harte ans Ufer einen viereckichten Marmelstein / welcher oben das Antlitz des Römischen Gräntz-Gottes fürbildete / und solches gegen Deutschland kehrte / eingraben / und darneben das aus blau grünem Marmelsteine künstlich gehauene Bild des Rheines aufsätzen ließ / in dessen Geschirre ein auf dem nechsten Berge entspringende Qvell durch verborgene Röhren geleitet / und dessen Wasser daraus in den Rhein-Strom geschüttet ward. An dem ersten standen folgende Reime:
Die Gräntze Galliens und Deutschlands ist allhier /
Wo der geweyhte Rhein die beyden Ufer netzet /
Vorm Frieden ward diß Ziel den Nachtbarn zwar gesätzet;
Doch schrieb schon die Natur diß Gräntz-Maal ihnen für.
An des andern Fusse war zu lesen:
Der durch der Nachtbarn Blut zeither getrübte Rhein /
Führt Perlen itzt und Gold; wird auch noch schöner rinnen /
Wenn Rom und Deutschland wird einander lieb gewinnen;
Dem Fried' ists feinste Gold / der beste Edelstein.
Als beyde Bilder aufgerichtet waren / salbeten sie die Priester mit wolrüchendem Oele / kräntzten sie auch mit Oel Zweigen / und befahlen dem Gräntz-Gotte: daß er von dar so wenig weichen solte / als er sich zu Rom auf dem Capitolium vom Tarqvinius hätte verrücken lassen / und dem grossen Jupiter selbst nicht die Stelle räumen wollen. Hierauf wurden dem Gräntz-Gotte allerhand Erstlinge der Früchte / dem zweyhörnrichten Rheine aber zwey Ochsen geopffert /welches alles dahin zielte / daß Germanicus die Deutschen des Friedens halber versichern wolte. Demnach nun bey diesem absonderlich beliebt war: daß das deutsche Frauen-Zimmer anderer Gestalt nicht / als in Gesellschafft Agrippinens nach Rom reisen / Papinius aber / Krafft habenden Befehls / sich von selbtem nicht absondern / weniger voran gehen wolte / schickte Germanicus den Veranius mit einem Schreiben dieses Innhalts an Tiberius voran: Weil der Käyser ihm befohlen / die Deutschen ihrer iñerlichen Unruhe zu überlassen / hätte ihm das Glücke gefugt: daß nicht nur die Cherusker und Marckmäñer einander in die Haare ko en wären / sondern es würde ehstes Tages auch zwischen dem Hertzoge Hermañ uñ den Ingviomer ein neues Kriegs-Feuer aufgehen. Aus dieser Uneinigkeit hätte er einen vortheilhafften Frieden noch für des Papinius Ankunfft geschlossen gehabt /und Gallien dadurch in Sicherheit gesätzet / [1344] welches sonst / weil die Sicambrer / Chauzen und Friesen sich mit dem Herrmann wieder vereinbaret / Noth gelitten / und Rom in einen gefährlichen Krieg versäncket haben dörffte. Ob nun zwar in diesem Frieden ausdrücklichen versprochen worden wäre / alle Gefangenen auf freyen Fuß zu stellen / hätten doch die deutschen Gesandten dem Käyser zu Ehren beliebt: daß Hertzog Herrmanns Gemahlin / Sohn / Catta / Ismene und Zirolane nach Rom reisen / und dadurch seinem Willen nachleben möchten. Er versähe sich aber: daß Tiberius alles versprochene genehm haben / die mit ihm dahin Reisenden loß geben / also ihn seiner verpfändeten Worte und Ehren halber / Rom aber eines weit aussehenden Krieges befreyen würde. Veranius reisete noch selbigen Tag geraden Weges nach Rom ab / Germanicus und Agrippina aber brachen mit ihrer deutschen Gesellschafft folgenden Morgen auf. Es ist aber kaum glaublich / was des Germanicus Abreise bey dem Römischen Kriegs-Volcke und den Galliern für grosse Betrübnüß erweckte. Silius hatte zwar seine Legion für des Germanicus Hause aufgeführt; aber sie hatten den Adler mit schwartzem Boy umhüllet / die andern Krieges-Zeichen zu Bodem gekehrt / alles war für Trauren stock stille / und sahe auf die Erde / säuffzete / oder hatte die Augen voller Wasser stehen. Als Germanicus nun heraus kam / zu Pferde saß / und Abschied nam / erhob sich ein erbärmliches Gewinsel / die ihm die Hand küssenden Haupt-Leute konten kein Wort aufbringen / ersätzten aber diesen Abgang mit einem Uberflusse darauf rinnender Thränen. Etliche rufften: Wie er als ein Vater der Legionen sie verlassen könte / da sie für ihn alle Tage zu sterben erbötig / auch zu seiner Sicherheit mit ihm nach Rom zu ziehen nöthig wären. Nicht weniger Hertzeleid bezeigten sie gegen Agrippinen / als sie in die Sänffte saß. Sie nennten sie die Mutter der Läger / und baten / wenn sie zu ihrem Tröste ja nicht beym Kriegs-Volcke bleiben könte / möchte sie doch ihren im Läger auferzogenen Sohn Cajus zurücke lassen; Er würde bey ihnen nicht wie zu Rom verzärtelt werden / aber für Giffte und Eisen so viel sicherer seyn. Sie selbst aber möchte doch sich und die Ihrigen zu Rom wol in acht nehmen. Denn sie wären versichert: daß sie am Rheine zwischen den Spissen und Käulen der Deutschen sicherer / als zu Rom zwischen den Armen des Tiberius / Liviens / und des Drusus wären. Endlich rufften sie ihnen mit vollem Halse tausend Glücke nach. Noch viel ungeberdiger stellten sich die Gallier / welche aus den fürnehmsten Städten nach Meyntz kommen waren / dem Germanicus für so viel Wolthaten Danck zu sagen. Sie trugen ihm den Nahmen eines Vaters der dreyen Gallien an / weil sie unter der Römischen Herrschafft noch von niemanden so gütig wären gehalten worden. Insonderheit aber wusten sie die letztere Wolthat wegen des gemachten Friedens nicht gnugsam zu rühmen. Zu dem Ende hatten sie auch auf dem ersten Berge / über den des Germanicus Reise gieng / bey dreyen Brunnen eine herrliche Ehren-Pforte aufgerichtet; vielleicht weil Mercur /unter dessen Gestalt sie den Germanicus verheren wolten / in Arcadien auf einem Berge bey drey Brunnen soll gebohren seyn. Auf dieser Ehren-Pforte hatten sie die denckwürdigsten Getichte vom Mercur /und darunter die Verrichtungen des Germanicus in Gallien und Deutschlande fürgebildet. In dem ersten Felde war Germanicus unter der Gestalt des Mercur /und die Stadt Rom wie Juno gebildet; Er hatte eine güldene Schale in der Hand / darein Rom aus beyden Brüsten durch verborgene Röhren Milch spritzte / die er auf die Erde ausgoß / darunter standen folgende Reime:
Was aus der Juno Brust für Milch Mercur gesogen /
Hat er ins Himmels Burg zur Milch-Straß angewehrt.
Uns hat Germanicus in Safft und Blut verkehrt /
Was er für Süßigkeit ie hat aus Rom gezogen.
[1345]Wer zweiffelt: daß man nun jedwedem dancken muß?
Der Himmel dem Mercur / wir dem Germanicus.
Auf der andern Taffel war Tiberius in Gestalt des den Blitz auf die unten knienden drey Gallien auslassenden Jupiters gebildet / welchen aber Germanicus ihm aus den Händen rieß / und Gallien mit dem Herolds-Stabe des Mercur bedeckte. Darunter war zu lesen:
Mercur hat Jupitern den güldnen Stab entführet /
Aus Sorge schweren Brands / den Blitz nicht angerühret;
Allein Germanicus scheut keinen eignen Brand /
Läßt dem Tiber den Stab / und nimmt ihm aus der Hand
Den Blitz / wenn Gallien soll seinen Zorn empfinden /
Wenn hat es Ursach nun mehr Weyrauch anzuzünden?
In dem dritten Felde stand Mercur. Mit seinem Stabe reichte er in den gestirnten Hi el; neben ihm stand ein Wieder / unter seinen Füssen segelte ein Schiff auf dem Meere. Darbey stand folgende Auslegung:
Mercur steht auf der Welt den fetten Heerden für /
Im Himmel ist er Wirth / der Schiffer Schirm in Seen;
Seit dem Germanicus uns fürsteht / sehen wir
Mehr Schiffe durch das Meer / mehr Vieh auf Weiden gehen.
Er giebt auf unser Heil und unsern Glücks-Stern acht /
Ja er hat Gallien zum Himmel fast gemacht.
In dem vierdten Felde theilte Germanicus in der Gestalt / wie die Kauff-Leute ihren Mercur zu mahlen pflegen / denen dreyen Gallien Maaß / Gewichte / und die Römischen Gesetz-Taffeln aus / unter ihm stand folgende Uberschrifft:
Die Handlung hat Mercur der Welt zu Nutz erdacht
Und wider den Betrug Maaß und Gewicht erfunden;
Uns hat Germanius mit Sud und Ost verbunden /
Und unsre Kauffmannschafft in höchsten Schwung gebracht.
Gerechtigkeit ist itzt der Gallier Gewicht /
Allein ihr Glücke weiß von keinem Maaße nicht.
Im fünfften Felde stand eine weiße und fette Kuh / mit einem Krantze von vielerley Blumen um den Hals. Auf der Stirne stand mit güldenen Buchstaben: Y.O. um die Hörner: Gallien / geschrieben. Gegen über war der schlaffende Argos mit hundert zugeschlossenen Augen / und Germanicus in Gestalt des auf der Leyer spielenden Mercur / unten aber folgende Auslegung zu sehen:
Dem Argos schleust Mercur die hundert Augen zu /
Die um die Yo stets aus eitel Mißgunst wachen;
Ist Yo Gallien / und eine fette Kuh /
So ist Germanicus auch zum Mercur zu machen /
Nun aller Deutschen Neid schläfft durch den Frieden ein /
Bey unserm Glücke blind / mit sich vergnügt muß seyn.
Im sechsten Felde saß Germanicus in Gestalt des Mercur auf einem Throne; für welchem auf einer Seite die Gallier fochten und Ritter-Spiele auf der andern die Beredsamkeit übten. Darunter stand geschrieben:
Von dem Mercur rührt her Beredsamkeit und Fechten /
Diß unterhält den Krieg / und jenes schaffet Ruh;
Germanicus bringt uns auch beyde Künste zu.
Denn Gallien kan nun auf Römisch red- und rechten;
Er hat die Waffen es zu führen recht gelehrt /
Und wie so Stahl als Kiel zu brauchen sich gehört.
Im siebenden Felde stand Mercur in einem Zauber-Kreiße / machte mit seinem Stabe allerhand seltzame Zeichen darum / für ihm aber kam aus der zerberstenden Erde ein Gespenste herfür. Zu seinen Füssen lagen viel verschlossene Hertzen / in welchen allen aber Schlüssel steckten. Unten war diese Schrifft zu lesen:
Mercur / dem Jupiter zu allen Schlüssel gab /
Der die Gestirn' auffschleust / und öffnet Höll und Grab /
Lehrt alles Zauberwerck / stöst Oel ins Pluto Kertzen;
Allein Germanicus weiß bessre Zauberey /
Er bricht mit Freundligkeit Ertzt / Stahl / und Stern entzwey /
Die einen Schlüssel hat zu aller Menschen Hertzen.
Im achten Felde richtete Germanicus in Gestalt des Mercur mit seinem Stabe den Lauff des Gestirnes; welches folgende Reyme auslegten:
Mercur hat uns gelehrt des Himmels Heimligkeit /
Und was s' Verhängnüß hat in Sternen Ziffern stecken
Allein Germanicus weiß nicht nur zu entdecken /
Was uns ein Stern sagt wahr; Er meistert selbst die Zeit
Kehrt / was ein Unstern dräut / durch klugen Rath in Seegen /
Ist dem Verhängnüße durch Tugend überlegen.
[1346] Im neundten Felde waren die zwey Pforten der Träume / und zwischen diesen Mercur / welcher darüber seine Botmäßigkeit ausübt. Darunter standen nachfolgende Reyme:
Was Ehrsucht / Wollust / Geitz / für Wunder kan ersinnen /
Last in des Menschen' Hertz Mercur durch Träume rinnen /
Wenn er die Thor auffsperrt von Horn und Helffenbein
Wir aber können nichts so gut durch Träume fassen /
Was uns Germanicus nicht würcklich schmecken lassen /
Was für ein grösser GOtt muß der für jenem seyn.
Im zehnden Felde erledigte Mercur vieler Sterbenden Seelen von dem Gefängnüße ihrer Leiber / hingegen vereinbarte er viel aus den Elysischen Feldern zurück ans Tagelicht kommende Seelen mit neuen Leibern. Welches folgende Uberschrifft dem Germanicus zueignete:
Mercur läst von der Last der Leiber ab die Seelen /
Und wenn die Zeit ist aus / so führt er aus den Hölen
Des Pluto / und vermählt mit neuen Leibern sie.
So trennt Germanicus die Seelen stoltzer Feinde;
Beseelt durch seine Gunst: die unterdrückten Freunde;
Drum beuge Freund und Feind für ihm nur Hertz und Knie.
Im eilfften Felde stand der den Mercur abbildende Germanicus. Reichte denen drey Gallien zum Zeichen des ertheilten Römischen Bürger-Rechts drey weisse Röcke / und wieß sie zur Verehrung der zwölff grossen Götter an. Darunter war folgendes geschrieben:
Mercur hat von dem Vieh die Menschen unterschieben /
Als er sie Götter ehrn / die Raserey durch Frieden
In sanffte Sitten kehrn / und Städte bau'n gelehrt;
Wenn vom Germanicus wir nicht gebändigt wären /
So würde Gallien nur Barbern in sich nehren /
Das numehr Bürger haus't und wahre Götter ehrt.
Im zwölfften Felde warff Germanicus in Gestalt des Mercur seinen vom Apollo für die Leyer eingetauschten Stab / zwischen zwey einander beissende Schlangen / durch welchen sie ihren Krieg alsbald in eine liebreiche Umfassung sollen verwandelt haben. In der Hand aber hatte er einen güldenen Rincken mit vielen goldenen Ketten / welche einer Anzahl Deutschen an denen Ohren feste gemacht waren / dadurch er sie an sich zoh. Die darunter stehenden Reyme machten darüber diese Auslegung:
Mercur führt alle Welt an einer güldnen Ketten /
Und schaffet / daß sie Fried auch wider Willen trifft.
Sein Stab verkehrt in Brunst der Nattern Zwietrachts- Gifft.
So / wenn die Deutschen gleich mehr Gall' als Schlangen hätten /
Kan doch Gemanicus so künstlich sie beschwern;
Daß sie des Hasses Gifft in holde Freundschafft kehrn.
Durch diesen Ehren-Bogen giengen drey weite Pforten. Zwischen der mittelsten auf der rechten Hand saß Germanicus in Gestalt des Mercur auf einem erhobenen Stule. Auf der lincken Seite kniete gegen ihm das Celtische Gallien / neben ihm lag der Fluß Rhodan /durch dessen Wasser-Krug der eine Brunn sein Wasser ausschüttete. Gallien aber reichte dem Germanicus eine Schüssel voll Zungen zu. Auf der rechten Hand der ersten Pforte kniete das Aqvitanische Gallien /und reichte mit der Hand dem Germanicus ein Hahn zu. Neben ihm lag der Fluß Garumna / durch dessen Geschirre der andere Brunn floß. Auf der lincken Seite der dritten Pforte kniete das Belgische Gallien /und übergab dem Germanicus eine Schale Honig und einen Krug voll Milch. Neben ihm lag die Maaß /durch dessen Wasser-Topff sich der dritte Brunn ausschüttete. Diese Bilder waren alle in Riesen-Grösse und starck vergoldet. An denen vier Füssen waren vier Taffeln / in welche mit güldenen Buchstaben folgende Reyme geschrieben waren:
Verschmähe Galliens geringes Opffer nicht /
Du Römischer Mercur. Diß / was dir unsre Pflicht
Zu bringen schuldig ist / wächst nicht in unsern Gräntzen
Steht nicht in unser Macht. Mit unsern Lorber-Kräntzen
Ist Göttern nicht gedient / die Rom schon betet an.
Weil dir sein Jupiter kaum selbst vergelten kan /
Was deine Tugend heischt; wie sollen unsre Scherben
Dir nicht verächtlich seyn? Was Kermes-Kerner färben /
[1347]Was unsre Bäum' und Vieh für weiche Wolle trägt /
Was unser Seiden-Wurm aus Laub zu spinnen pflegt /
Dient dem Germanicus zu keinem Sieges-Kleide.
Der Perse / dem er dreut / trägt ihm schon seine Seide /
Arabien sein Gold / Taprobana sein Gut
Der Muscheln; Indien sein Steinwerck / Tyrus Blut
Der Purpur-Schnecken an ihm einen Rock zu weben /
In welchem er nach Rom als Sieger sich erheben /
Sein Heiligthum beziehn / und in dem Capitol
Die Zahl der Helden mehrn und sich vergöttern soll.
Jedoch verschmäht kein GOtt die zwar geringen Gaben
Gemeiner Opffer nicht / die nur den Beysatz haben
Der Andacht. Diese giebt dem Hartzte / das man ließt
In Ameiß-Hauffen auf / mehr Krafft / als was erkiest
Von den Saheern wird / wenn nur auf schlechten Kohlen
Die keinen reinen Brand aus warmen Hertzen holen /
Viel männlich Weyrauch schmiltzt. So nimm nu gnädig an
Was Gallien dir bringt / und Armuth geben kan.
Für allem liefert es dir die geweihten Zungen /
Denn dein Gedächtnüß wird mit Ruhme seyn gesungen /
Und unser Hertze wird sich dir zum Tempel weih'n /
Weil Gallien nur nicht wird ohne Zunge seyn.
Laß Amathusien die Muschel-Zungen bringen /
Laß auch zu Babylon vier güldne Vögel singen /
Legt ihnen auch das Lob der Götter Zungen bey /
Weil sie den Königen durch süsse Zauberey
Erworben aller Gunst; du selbst wirst einst bekennen:
Daß mit mehr Andachts-Glut dir unsre Zungen brennen.
Jedwedes Baum-Blat wird in Zungen sich verkehrn /
Ja ieder stumme Fisch / den unsre Wässer nährn /
Wird den Germanicus mit heller Zunge preisen;
Die Zungen sind zwar sonst die letzten Opffer-Speisen
Der Götter; aber hier sind sie die erste Tracht /
Weil unser Hertze sie zu seinen Flammen macht.
Um Galliens Mercur mit ihnen zu versöhnen /
Und sein Altar damit als Hörner zu bekrönen.
Das andre was dir wird von Gallien gewehrt /
Ist ein geringer Hahn. Weil aber er begehrt
Von so viel Göttern wird / weil Titan ihn hoch achtet /
Weil er dem Esculap und Tode wird geschlachtet /
Weil wegen Tapfferkeit ihn Pallas ihr erkiest /
Mit ihm den Helm ziert aus / Mercur ihm günstig ist.
So wird Germanicus den Vogel nicht verschmehen /
Den über Persien man einmahl herrschen sehen.
Den die Natur gekrönt / den an der Adler statt
Der Adel Cariens auf seinen Lantzen hat.
Der Löwen durch sein Lied zu schrecken sich erkühnet /
Denn kein von Furcht und Schlaff bethörter Vogel dienet
Für einen solchen Held / der solche lange Zeit
Für Gallien gewacht / durch seine Tapfferkeit.
Für Deutschlands Löwen uns hat als Cancul beschützet
Der Gallier ihr Mars. Doch wo kein Hahn dir nützet /
So laß uns Gallier dir nicht verschmählich seyn /
Wenn wir uns selber dir an statt der Hahnen weyhn.
Ist unser Vater nicht Alectryon gewesen /
Hat doch die Nacht für uns den Vogel ausgelesen /
Die unser Ursprung ist; ja diß behertzte Thier
Geht als ein Beyspiel uns in hundert Wercken für.
Und zwar in diesem auch: daß unser Blut und Leben /
Für den Germanicus zum Opffer hin zu geben
Nicht ein'ge Scheue trägt. Das letzte Liebes-Pfand /
Was Gallien dir bringt mit seiner treusten Hand /
Ist Milch / des Blutes Schaum / und Zucker unser Bienen
Weil beyde Säffte nun den Erden Göttern dienen /
Weil ihre Süßigkeit so den Mercur vergnügt /
So ni auch du sie an. Denn daß mans Feld noch pflügt;
Daß unsre Kühe Milch / die Schaafe Wolle geben /
Die Biene Honig macht / auf Hügel wachsen Reben /
Diß schreibet Gallien dir / Schutz-Herr / einig zu /
Danckt dir die Fruchtbarkeit und seine stoltze Ruh.
Sein Honig mag Athen / Surrent die Milch ausstreichen /
Garumna und die Maaß / wird beyden wenig weichen.
Es zuckert unsre Lieb' auch Milch und Honig ein /
Wie jene oben / diß soll unten süsser seyn.
So bringt dir Gallien den Honig ihrer Seelen
Und ihrer Zunge Milch. Kan Honig in den Hölen
Die Leichen für Verwes- und Fäulung halten frey /
Legt seine Nahrung uns ein langes Leben bey.
So wird Germanicus hier nimmermehr verwesen /
Weil Gallien durch ihn / als Vater ist genesen.
Weil er durch seine Hold als Mutter uns gesäugt /
Des Glück- und Himmels-Gunst uns gleich als Milch zuneigt.
Daß wir auch dein Altar nach Noth versorgen können
Wird / wo du uns bleibst hold / noch GOtt mehr Segen gönnen.
Man wird in Gallien nur güldne Jahre zehln /
Der Maaß wird nimmer Milch / der Samber Honig fehln /
Die Liguris wird sich mit Fruchtbarkeit ergießen /
Die Mose / wird voll Wein / nur Oel im Rhodan flüßen.
Unter diesem Berge auf einer annehmlichen Wiese /und an einer hellen Bach stand eine andere prächtige /iedoch kleinere Ehren-Pforte. Diese hatte oben fünf grosse Felder. In dem mittelsten umarmte Germanicus und Agrippina in Gestalt des Osiris und der Isis einander. Er hatte die Sonne / sie den gesichelten Mohnden auf der Stirne / in der Hand einen Jäger-Spieß /zu den Füssen den dreyköpfichten Cerberus / weil Isis mit der dreyfachen Hecate eines / und im Himmel der Mohnde / auf der Erde Diana / in der Hölle Proserpina seyn soll. Darunter stand mit güldenen Buchstaben: Die Vermählung der Natur und des Glückes. Im ersten Felde stand Isis in Gestalt der Ceres / hatte auf dem Haupte einen [1348] Krantz von Weitzen-Eeren / in der Hand ein Horn des Uberflusses / und hatte darunter den Titel einer Gebährerin der Früchte. Im andern Felde hatte sie einen Krantz von allerhand glänzendem Ertzte / in der Hand einen Püschel Narcissen /zu den Füssen einen Molch / weil dieser nirgends /wo nicht auch Gold ist / sich aufhalten soll / über jener Abbrechung aber Proserpina soll geraubet worden seyn. Unter ihr war geschrieben: Die Erfinderin des Ertztes. Im vierdten Felde war Agrippina in Gestalt der vielbrüstigen Isis zu sehen / an welcher Unter-Kleide allerhand Löwen-Katzen-Habichts-Köpffe / Schlangen und andere Egyptische Bilder-Schrifften zu sehen. Auf dem Haupte hatte sie Ochsen-Hörner / zu den Füssen einen Fisch / von welchem sie soll erhalten worden seyn / und in dessen Gestalt sie verehret zu werden pflegt. Sie hatte zur Uberschrifft: Die Mutter der Feuchtigkeit. Im fünfften Felde stand Isis in Gestalt eines viereckichten Steines / wie auch Mercur gebildet wird. Ihre Augen waren wie die der Themis verbunden / und neben ihr lag ein Mäßstab und Richtschnure. Darunter stand:Die Erfinderin der Gesätze. Unten saß Agrippina wie die Egyptische Isis auf einem Königlichen Stuhle / für ihr knieten die drey Gallien. Das Celtische überlieferte ihr einen Püschel Mah-Häupter / das Aqvitanische eine Ganß / das Belgische eine Kalbe. Auf jeder Seite der Ehren-Pforte stand eine viereckicht zugespitzte Säule / an denen folgende Reime zu lesen waren:
Wer die Geheimnüsse der gütigen Natur /
Die Unruh voller Ruh der richt'gen Sonnen-Uhr /
Der Tag und Nächte Maaß / den Unterscheid der Zeiten
Das Reichthum in der Welt von Lust und Nutzbarkeiten
Vernünfftig überlegt / dem fällt es gar nicht schwer /
Zu urtheiln: Alles rührt von einer Gottheit her.
Das bist / O Isis! du; Was Menschen kan ernehren /
Muß zeugen der Osir / und Isis es gebähren.
Sie schwängert Erd und Meer / läßt Ertzt wie Pflantzen blühn /
Deckt Wiesen mit Schmaragd / und Gärte mit Rubin.
Sie kleidet Berg und Felß mit Wäldern und Gepüschen /
Weiß sie mit frischem Qvell und Schatten zu erfrischen.
Das Feld bekämet sie mit tausend Kräuterey /
Zur Speise Wild und Vieh / dem Menschen zur Artzney.
Schafft Wind und Witterung / giebt den Gewächsen Seegen /
Geußt Schalen voller Thau / und Schlauche voller Regen
Auf Wüsteneyen aus. Zeucht's Wasser aus der See /
Verkehrt es in Gewölck / in Nebel / und in Schnee.
Um Brunnen zu gebehrn / das Erdreich zu befeuchten /
Läßt ihnen wäßrige bald dürre Sterne leuchten /
Wie ihre Hörner selbst / bald leer bald völler sind.
Bald reget sie den Blitz / bald flügelt sie den Wind /
Beseelt die Lufft durch Saltz / durch Schwefel-Dampf die Erde /
Erweckt den Geist der Welt / daß alles trächtig werde.
Sie flösset so viel Säfft' iedweder Wurtzel ein /
Als ihnen zur Geburt der Pflantzen nöthig seyn.
Kein Mahler weiß so viel Gestalten zu ersinnen /
Kan so viel Farben nicht aus Erd und Meer gewinnen /
Als Isis hat verbraucht in eines Pfauen Schwantz /
In einer Taube Hals. Der Regenbogen Glantz /
Der Syrer Färberey / die Persischen Tapeten /
Sind Armuth / Einfalt / Schaum / und müssen sich entröthen /
Wenn sie das Feld mit Gold und reichem Scharlach stickt
Mit Meer- uñ Berg-blau mahlt / mit tausend Blumen schmükt.
Sie zeugt manch Schnee-Kind hier aus einem Mohren- Stamme /
Das Silber kämpfft mit Milch / Zinober mit der Flamme /
Narciß und Hyacinth weicht Stern und Himmel nicht /
Die Rose trotzt die Sonn' / und ihre Farbe sticht
Die Morgenröthe weg. Ja manche kleine Blumen
Beschämen an Geruch den Balsam aus Idumen /
An Schönheit Schnecken-Blut. Legt Isis denn die Hand
An Früchte / kan kein Mund / kein Auge / kein Verstand
Wie lüstern die gleich sind / so vielerley begehren /
Als sie stets Vorrath hat uns häuffig zu gewehren /
Gesicht und Zunge kämpfft: Ob diesem mehr der Safft
Ob jenem mehr das Gold Lust und Vergnügung schafft /
An schimmernden Zitron- und brennenden Granaten /
Ob's Obst für den Geruch / ob's sey zur Kost gerathen?
Ob sie die Beeren meist in Blut und Purper netzt /
Daß sie so Aug' als Mund durch eine Tracht ergetzt.
Ja wüste gleich die Welt nichts nicht von Obst und Beeren /
Wenn gleich in Indien nicht Nüß und Würtzen wären.
Rinn't aus der Balsam-Stand' auch keine theure Flutt /
So würde doch der Wein / der Erde Marck und Blut /
Des Lebens kräfftig Oel / der Sterblichen Ergetzen /
Der Götter Honigseim / den Abgang uns ersetzen.
Durch den hat Isis uns was göttliches beschert /
Die Trauben sind auch mehr der güldnen Kronen werth.
Damit sonst die Natur Granaten-Aepffel schmücket /
Aus Irtthum nicht aus Recht. Was man aus Perlen drücket /
Aus Edelsteinen zeucht / Musch / Ambra und Muscat /
Der Zimet und Zibeth / und was die Ost-Welt hat.
Auch was die neue Welt wird mit der Zeit uns geben /
Heißt unsre Isis zwar als Künstlerin erheben /
Alleine durch den Wein bringt sie den Menschen bey /
[1349]Daß sie die Frau der Welt / die grosse Gottheit sey /
Im Himmel / Erd' und H \ll'. Und dieses zu erweisen /
Gebůhrt sie dort und dar uns außerwehlte Speisen.
Die Eicheln sind gewest die Kost der ersten Welt /
Sie aber hat gelehrt / wie man die Pflůge hålt /
Die Aecker richtet zu / daß sie nun Weitzen tragen;
Sie lehrt aus Eer' und Spreu die schweren K \rner schlagen /
Durch Můhlen sie in Mehl / durch Glutt in Maltz und Brodt /
Und in Getråncke kehrn. Sie gab uns das Gebot
Was nackt ist von Natur / fůr Schand und Frost zu decken /
Weißt uns zum Håuser baun / durchs Beyspiel schwacher Schnecken /
Lehrt Leyn und Hanff såen aus / låßt uns die Weberey
Und des Gespinnstes Kunst durch Spinnen bringen bey.
Sie heißt hierzu uns Båum- und Schafe-Wolle tragen /
Der Seiden-Wurm muß ihm sein Eingeweid abnagen /
In Fådem' es verkehrn / daß uns ein pråchtig Kleid
Nichts minder schmůckt als deckt. Ja uns're Lüsternheit
Zu såttigen / lehrt sie uns bauen Weid- und Röthe /
Wie man die Kråuter preß' / und Purper-Schnecken t \dte
Weißt in Gebůrg' und See uns hundert Farben an /
Damit man Woll' und Seid in ihnen tråncken kan.
Sie lehrt mit Nadeln mahln / Stein / Gold und Silber spinnen /
Schleifft Demant und Rubin / und wird noch viel ersinnen /
Was Pallas nicht gewůst / kein Phryger hat gestickt /
Daß sie nur uns vergnůgt und unsre Hoffart schmůckt.
Sie lehrt uns Netze / Strick- und schlaue Garne stellen /
Das starck' und schnelle Wild zu fangen und zufållen;
Weil uns ihr Leder dient zu Waffen und zur Tracht /
Weil man aus Haaren Peltz' aus Horn Artzneyen macht.
Und ihr gesundes Fleisch der Menschen Hunger stillet;
Mit diesem Reichthum ist nicht nur die Erd erfůllet /
Die Lůffte wissen nicht ihr Flůgelwerck zu zehln /
Der menschliche Verstand das beste zu erwehln.
Damit die niedlichen auch keinen Eckel kriegen /
Heißt sie diß leichte Volck den Erden-Kreiß durchflügen
Und ůber Meere ziehn; ja måstet sie durch Wein /
Durch Felgen / Wůrtz und Nůß / und n \thigt sie uns ein.
Vielleicht hat sie darum die Schiffarth uns entdecket:
Daß / wenn der Zuwachß uns nicht unsers Landes schmecket /
Man Hahn' aus Indien und Persen holen kan /
Des Ganges Papegoyn / und Colchis Phasian?
Ein ander frembder Strom uns Phånicopter sende.
Jedoch hat Isis noch viel reich' und mildre Hånde
In der besåmten Flutt. Es kåmpfft Teich / Fluß und Meer
Wer uns aus ihnen schickt das meiste Fischwerck her.
Diß ist so schwer an Thier' als Wåssern auszuleeren /
Ein Fisch hat meist mehr Brutt als ein gantz Volck gebehren /
Von andern Thieren kan. Der Arten sind so viel:
Daß sie sich můhn zu zehln scheint eines Thoren Spiel.
Die Gr \ß' erreicht vielmahl das Maaß geringer Berge /
Denn Elefanten sind bey Wallfisch-Jungen Zwerge;
Und einer speist ein Heer. Doch ist mehr wunderns werth:
Daß ein gar kleiner Fisch ein grosses Schiff umkehrt.
Und eines andern Horn / das Helffenbein beschåmet /
Es als wie Wachs durchbohrt. Nebst allem dem besåmet
Mit Austern / Krebs / Syren und Pferden sie die See /
Flößt Schnecken Purper ein / den Perlen Thau und Schnee /
Nach welchem jener Zung' und dieser Muschel låchset;
Sie machet: daß Korall ins Meeres Grunde wåchset /
Bey dem Gestalt und Hårt' uns Zweifel streuet ein:
Ob dieses Meer-Gewåchs' ein Baum sey oder Stein?
Drum streut sie so viel Saltz in die beperlten Meere /
Das Oel der Fruchtbarkeit. Wenn auch die Schopffen- Heere
Nicht håtten einen Zug einander zu verzehrn /
K \nt' ihnen nicht die Flutt zur Wohnung Raum gewehrn.
Doch ruht hier Isis nicht. Sie bringt uns Nutz und Freude /
Aus Nacht und Abgrund her. Sie lehrt die Eingeweide
Der Erden uns durchbohrn / den Handgrief wie das Bley
Gold / Silber / Eisen / Zien / Stahl / Ertzt zu schmeltzen sey.
Wie man soll Schwefel ziehn / das Kupffer-Wasser sieden /
Qvecksilber machen fest / aus Stahle Schwerdter schmieden /
Pflug-Eisen / Sicheln / Aext und Sågen richten an /
Aus Silber pregen Geld. Sie weiset / wie man kan
Verkehren fließend Ertzt in Bilder und in Spiegel /
Wie man in Pfeilen selbst dem Tode giebet Flůgel.
Wie Gifft und Spießglaß sich låßt wandeln in Artzney /
Zinßt Alaun und Lasur der Fårb- und Mahlerey.
Sie kan vermischtes Ertzt durch Scheide-Wasser trennen
Bereitet trinckbar Gold / kan kråfftig Wasser brennen /
Aus Steinen und Metall / ja hat durch Tråum' entdeckt /
Was fůr geheime Krafft in Kraut und Wurtzeln steckt.
Am h \chsten aber ist der Isis hold zu schåtzen /
Weil sie die Welt versehn mit heilsamen Gesåtzen.
Denn diese sind das Licht / das unsers Lebens Nacht
In einen Tag verkehrt / und Vieh zum Menschen macht.
Sie hat uns abgew \hnt das Menschen-Fleisch zu essen /
Lehrt nach Gerechtigkeit all unser Thun abmåssen /
Setzt unserer Begierd' und Rache Maaß und Ziel /
Lehrt uns den Gottesdienst / was GOtt und Himmel will.
Und so beströmt sie uns mit unverfålschten Lüsten /
Mit reiner Liebes-Milch / aus mehr als tausend Brůsten /
Macht also in der That sich aller Welt bekand:
Als Mutter der Natur / und GOttes rechte Hand.
Ihr wahres Ebenbild hat uns mit Agrippinen
Der Himmel zugefr \mt. Mit dieser ist erschienen
Ein Glůcks-Stern Gallien / der ihm viel Heil gebracht /
Der es aus Wůsteney zum Paradiß gemacht /
Und zum Gelobten-Land. Es trug ja wol Getreide /
Oel-Båume wilder Art / der Erden Eingeweide /
Gab nichts als Stahl und Bley. Das Obst war hart und klein /
Der Wein von Anmuth leer / die Trauben ungemein.
Und was uns die Natur gleich gutes noch bescherte /
War zweiffelhafftes Gut. Denn unsre Scheuren leerte
Der wilde Deutsch' uns aus / eh als sie unser Fleiß
Kaum hatte vollgemacht. All' unsre Můh und Schweiß
War frembder V \lcker Raub. Die Isis unsrer Zeiten
Hat aber der Natur Erqvick- und Nutzbarkeiten
[1350]Als Mutter uns versehrt / als G \ttin uns gebracht /
In Ruh und Sicherheit. Denn unsre Mitternacht /
Und Gallien prangt itzt mit Medens edlen Frůchten /
Mit Asiens Gewåchs- und Indiens Gerichten.
Granaten-Aepffel blůhn mit Aloen allhier /
Das Land bringt Tulipan' und Hyacinth' herfůr
Und was Semiramis in ihren Gårten zeiget.
Denn diß hat Agrippin' uns alles zugeneiget /
Den Saamen uns verschafft / die Pflegung uns gelehrt /
Das Obst durch Pfropffungen verbessert und vermehrt.
Einåugungen entdeckt / und Tingung angegeben /
Aus Persien Citron / und Co und Chios Reben /
Von Syracusa Weitz' / und Datteln vom Euphrat
In unser Land versetzt. Und ihre Sorgfalt hat
In Gallien gepflantzt Egyptens Kockus-Eichen /
Fůr derer Rotenschein der Purper muß erbleichen.
Aus derer K \rnern wird Gewůrm herfůr gebracht /
Das selbten Baum besåmt / mit Kermes fruchtbar macht.
Ja sie bereichert uns mit Scythens Elends-Thieren
Und Ochsen Phrygiens; ließ Pferd' uns ůberfůhren
Aus Africa zur Zucht / und Bienen von Athen /
Von Paphos Tauben / die Wahrsagungen verstehn.
Und die in Syrien in schneller Bothschafft fliegen /
Aus Cypern Flůgelwerck / und aus Cyrene Ziegen /
Aus Paphlagonien die rothe Rebhuns-Art /
Die von zwey Hertzen lebt. Von unser Isis ward
Auch der Egyptier Geheimnůß uns entdecket /
Wie man das Feder-Vieh durch Ofen-Wårmbd' aushecket
Und wie ein zahmes Huhn Fasanen kan erziehn /
Ja was in Gallien nicht wachsen wil und blühn /
Hat sich durch Kauffmannschafft auf unsre Märckte funden /
Weil sie den Rhodanus durch Schifffahrt hat verbunden
An Nil und an die Rha / und seit der Ganges Fluß
In unsre Ligeris sein Reichthum zinsen muß.
Sie hat uns Saltz gelehrt aus Meer und Brunnen ziehen /
Hat Wůnschelruthen uns / und Wissenschafft verliehen /
Wie aus Gebůrgen Ertzt und Gold zu graben sey /
Und hundert Kůnste mehr den Galliern bracht bey.
Darum sie wůrdig ist in Ertzt und Gold zu etzen.
Hat sie uns nicht versehn mit heilsamen Gesetzen /
So ist mehr danckens werth: daß sie durch treuen Rath
Und gutes Beyspiel uns vielmehr gebessert hat.
Fůr aus muß Gallien / so lang' es Låger schlagen
Und Waffen fůhren wird / von Agrippinen sagen:
Sie sey der Låger Trost / und Mutter / unser Schild /
Der Schutz-Geist Galliens / und sein Minerven-Bild /
Der V \lcker Heil gewest. Ja weil der Rhein wird flůssen /
Wird er zu ihrem Ruhm / zu seiner Schande můssen
Bekennen: Sie / nicht er / hielt Herrmanns Einbruch ein /
Die Flucht der R \mer auf: gab die Natur den Rhein:
Daß er den Galliern zur Mauer solte dienen;
So hat's Verhångnůß uns erwehlet Agrippinen.
So wol thut Isis uns. Was aber opffert ihr
Zu seiner Danckbarkeit denn Gallien hierfůr?
Der Kummer ist umsonst. Hat Isis nicht verachtet
Ein Kalb und eine Ganß / wenn man sie ihr geschlachtet /
Ein Mahhaupt / welches doch nur schlåffrig machen kan
So wird auch Agrippin' jedwedes nehmen an /
Weil die / die alles hat / sich låßt mit Nichts bezahlen:
Weil sie ist eitel Kern / vergnůgt sie sich mit Schalen.
Weil Germanicus seine Reise verfolgte / genaß Deutschland zwar der Ruhe mit frembden Feinden /aber nicht mit sich selbst. Denn ob zwar der Graf von Nassau und Witgenstein nicht alles nach Wunsch hatten einrichten können / ließen doch beyde der Cherusker und Catten Hertzoge alles gefallen / was sie mit dem Germanicus geschlossen / und schickten in wenig Tagen ihre Genehmhabung dem Silius nach Meyntz /der inzwischen über die Legionen und Gallien die oberste Gewalt hatte. Nach dem sie auch aus Ingviomers mit gebrachtem Schreiben allzusehr vergewissert wurden: daß seine gegen den Grafen von Nassau ausgelassene Drenworte aus keiner hitzigen Ubereilung / sondern aus rechter vorsätzlicher Feindschafft hergeflossen wären / kamen beyde Hertzoge auf ihrer Gräntze zusammen / um deßwegen über der Wolfarth Deutschlandes mit einander Rath zu halten. Hertzog Arpus war der Meinung / nach dem Ingviomers Ansuchen beym Germanicus eine würckliche Feindseligkeit wäre / solten sie unverwarnter Dinge ihn auf beyden Seiten überfallen / und diese schlaffende Schlange Deutschlandes in ihrem Neste tödten. Sintemahl er in dem Schreiben an den Germanicus ihnen schon selbst mehr als den Krieg angekündiget hätte; in welchem Falle ihnen nicht obläge / ihm die Fehde wieder anzudeuten / sondern es wäre nicht weniger Rechtens / als der Klugheit gemäß / angedreuter Gewalt durch Geschwindigkeit vorzukommen. Hertzog Herrmann aber führte nicht nur wegen nahen Geblütes / sondern auch einer absondern Gemüthsneigung viel mäßigere Rathschläge gegen ihm / und sagte: daß auch in denen Fällen / wo es das [1351] Völcker-Recht nicht für nöthig hielte /löblich wäre / ehe man einen bekriegte / selbten um Vergnügung wegen angefügter Beleidigung anzulangen / und widrigen Falls ihm anzudeuten: daß man an ihm Rache ausüben wolte. Ingviomer wäre freylich wol unrecht / aber man solte auch bey zerfallener Freundschafft nicht vergessen / was uns unser Feind vorher gutes gethan hätte. Denn da nachfolgende Wolthat vorhergehende Beleidigung auswischte; warum solte auch nicht vorher gehende Gutthat das folgende Unrecht ausgleichen? Der Römische Friede würde Ingviomern vermuthlich nun ein ander Maaß zu nehmen / und lindere Seiten aufzuziehen veranlassen. Uber diß hätte er auch noch den Marbod und Vannius / von derer mächtigen Zurüstung er gewisse Nachricht hätte / am Rücken / welche den noch auff schwachen Füssen stehenden Frieden mit den Römern übern Hauffen zu werffen / weder Müh noch Unkosten sparen würden. Weßwegen ihm viel rathsamer schiene / Ingviomern zum Bundsgenossen / als auf einmal viel Feinde zu haben. Denn es bliebe doch ein für allemahl unumstoßlich wahr: daß ein Fürst weder seinen Verstand noch seine Waffen besser als die Unruhe seines Vaterlandes zu stillen / die Wurtzeln der innerlichen Zwietracht auszurotten / und den Brunnqvell bürgerlicher Kriege zu verstopffen angewehren könte. Wenn diß geschehen wäre / könte er leichte seiner Nachbarn Ehrgeitz in die Schrancken der Gerechtigkeit einzwingen / alle arglistige Anschläge wie verbreñte Fädeme zernichten. Nach diesen zweyen Verrichtungen mangelte ihm das wenigste nicht zur Vollkommenheit seiner Ehre. Er hätte nichts mehr zu seinem Ruhme zu wünschen / weniger von nöthen: daß er ein Vorbild eines vortreflichen Fürsten / und ein Wunderwerck beym Volcke abgäbe / sondern seine Tugend hätte ihren völligen Zweck erreichet / und der Hi el alle seine Gütigkeit über ihn ausgeschüttet. Hertzog Arpus warff zwar ein: daß Ingviomer bey so verrücktem Spiele freylich wol sich gezwungen sehen würde / ihre verworffene Freundschafft wieder zu umarmen / aber wer würde ihnen Bürge seyn / daß wenn sie sichs am wenigsten versähen / er mit dem sich wendenden Blate des Glückes /nicht auch seine Freundschafft ändern würde. Sintemahl bey Rachgierigen Gemüthern die Galle sich leicht ergiesse / und sie wie die Schlangen im Winter ihr Gifft mehr versteckten als wegwürffen. Gleichwol aber kam Hertzog Arpus in Herrmanns Willen / welcher jenem rieth / bey dieser Gelegenheit seinem erwehlten Eydame dem Hertzoge Jubil zu dem wieder zu verhelffen / was Marbod der Hermundurischen Herrschafft abgezwungen hatte. Diesem nach ward der Graf von Weil erkieset / zu Ingviomern zu reisen /und von ihm wegen angethanen Unrechts Vergnügung / wegen besorgter Feindseligkeit aber Versicherung zu verlangen. Dieser ward von Ingviomern wol empfangen / ihm auch alle ersinnliche Ehre angethan /gleich als wenn er wider die Cherusker und Catten niemahls was feindliches im Schilde geführt hätte. Denn der Römische Friede / und die schlechte Abfertigung seines Gesandten an den Germanicus / hatte ihm kein geringes Schrecken eingejagt / und nunmehr gantz andere Seiten aufzuziehen gelehret. Daher er auch von nichts anderm / als von Lobsprüchen beyder Hertzoge / welche Deutschland wieder vereinigt / und durch einen so heilsamen Frieden erfreuet hätten / seiner seits aber von beständiger Freundschafft zu reden wuste; auch noch für des Grafen Ankunfft an Hertzog Herrmann den Grafen von Horn / an Arpus den Ritter Brederode abgefertigt hatte / welche ihnen zu dem Frieden-Schlusse Glück wünschen / seine absondere Einschlüssung bitten und sie versichern solten: daß seine Treue bey Deutschland so feste als die zwey Angel-Sterne und der Erde Mittel-Punct [1352] stehen würde. Mit dieser Larve meinte Ingviomer dißmahl durchzukommen; er gerieth aber in so viel grössere Verwirrung / als der Graf von Weil ihm das Verlangen des Cheruskischen und Cattischen Hertzogs fürtrug / und er seine mit den Römern gepflogene Handlung verrathen sahe. Gleichwol aber bildete er ihm nichts weniger ein; als daß sie derselben innerste Geheimnüße ergründet hätten. Daher fieng er an sich über die Hefftigkeit des Grafen von Nassau zu beklagen / welcher sich nicht / als wenn er Hertzog Herrmanns Stelle verträte / sondern als wenn er der Feldherr selbst wäre / sich gebehrdet hätte. Er wäre mit ihm nicht wie mit einem Hertzoge der Bructerer umgegangen / sondern hätte ihn gleichsam wie Popilius den König Antiochus / in einen engen Kreiß eingeschlossen / diß was ihm mit Vernunfft zu suchen obgelegen / ihm mit Gewalt abzutrotzen vermeinet / und durch fürgeschriebene Gesätze einige ihm aus Ungedult entfahrne Worte heraus gelocket / durch seine Dräuungen aber ihn gezwungen hätte / sich auf solchen Fall um Freunde / und Schutz umzusehen. Der Graf versätzte: Er hätte keinen Befehl den Nassau zu verreden / welchen seine bekandte Gemüthsmäßigung ausser Verdacht sätzte / daß er nichts über seines Fürsten Befehl gehandelt haben würde. Ingviomer fiel ein: Er beschuldigte ihn keiner Untreue; aber eines Gesandten Ampt erforderte doch die herbesten Befehle seines Fürsten durch eine süsse Bescheidenheit zu verzuckern. Denn die von eitel Feuer und Schwefel angefüllten Köpfe wären nur geschickt die Geschäffte in ihren Händen zu verwickeln / nicht zu verrichen; Sie verriethen ohne Noth und für der Zeit ihrer Fürsten Absehen / jagten sie in Harnisch / und steckten die Länder in Brand. Der Gesandte antwortete: Ihm wäre leid / wenn an dieser schädlichen Klippe der Hefftigkeit / des Grafen von Nassau Ehre Schiffbruch / die deutsche Verträuligkeit Anstoß gelitten haben solte; wiewol ihm als einem Kriegsmanne / welche nicht allemahl so genau das Ampt eines Hauptmanns und Gesandtens zu unterscheiden wüsten / etwas zu gute zu halten gewest wäre / und Nassau sich am besten würde zu vertheidigen wissen. Unterdessen aber wären Hertzog Herrmann und Arpus vergewissert: daß Ingviomer nicht nur die Römer um Schutz / sondern um Bündnüß wider die Cherusker und Catten zu kriegen ersucht hätte. Ingviomer versätzte: So hätte Kulenburg die Schrancken seiner Vollmacht überschritten / und er wolte auf erweißlichen Fall beyde durch seine Bestraffung vergnügen. Der Gesandte /welcher durch Beschämung des Bructerischen Hertzogs nicht gerne das Geschwüre für der Zeit aufstechen wolte / begegnete ihm: Er möchte sich doch erinnern / was er eigenhändig an den Germanicus geschrieben hätte; also ihn nicht zu etwas nöthigen /was ihm hernach eine gleichmäßige Beschuldigung /als dem von Nassau geschehen / aufbürden dörffte. Daher würde er für ein Glücke schätzen / Ingviomern auch viel vorträglicher seyn / wenn sie mehr auf Heilung der Wunden / als dieselben mit empfindlichen Pfriemern zu ergründen bedacht wären / und Ingviomer seinen alten Bundgenossen gewisse Kennzeichen seiner Reue und Versicherung seiner Treue zu geben /vorsorgte. Ingviomern schoß hierüber das Blat / und sagte: Wenn Germanicus einige seinem Gesandten anvertraute Schreiben angehalten / eröffnet / oder entdeckt hätte / wäre von iedem wider das Völcker-Recht gehandelt worden; und also versähe er sich nicht: daß Hertzog Herrmann / oder Arpus darauf einiges Absehen nehmen würde. Der Gesandte versätzte: Wer eines andern Brieff auffienge / oder erbräche / handelte wider die gemeine Sicherheit; wenn solches aber einem Gesandten geschähe / würde das Recht der Völcker verletzt / weil nicht nur seine Person / sondern alle seine Sachen in völliger Sicherheit seyn /niemand [1353] auch aus geheimen Briefen ein Siegs-Ge pränge machen solte. Hier aber wäre vom Germanicus nichts derogleichen begangen. Denn was an einen Fürsten selbst geschrieben würde / wäre er zu verhölen nicht schuldig; sondern nach Erforderung seines Zustandes und Nutzens möchte er solche iedwedem zeigen. Weil Ingviomer sich nun im Gewissen überzeugt wuste / doch aber durch seine eigene Hand nicht überführet werden wolte / sich auch auf den Vortrag aus dem Stegereiffen etwas hauptsächliches zu entschlüssen nicht getraute / fiel er auf das Lob des Gesandten / und wünschte: daß das anfängliche Mißverständnüß von einem solchen Manne / der so wenig Galle / so viel Vernunfft / und einen Uberfluß von Mäßigung bey sich gehabt / wäre unter die Hand kommen. Denn in diesem Falle würde alles Unvernehmen in der Blüte getödtet worden seyn. Er wolte aber der Sachen / um ihm alle mögliche Vergnügung zu geben / nachdencken. Denn seine annehmliche Art zu handeln hätte eine so süsse Gewalt über die Gemüther: daß sie ihm schwerlich was abschlagen könten; uñ er hätte mit seiner Höfligkeit ihn so eingenommen: daß es ihm unmöglich fallen würde ihn unvergnügt von sich zu lassen. Der Gesandte sahe und verstand allzu wol: daß Ingviomer nach Art etlicher Fürsten die Ehre eines tapfferen Dieners zum Feg-Opffer seines eigenen Verbrechens anzugewehren / und seine Flecken an desselben schönstes Kleid zu wischen / kein Bedencken hatte; ja / daß er ihme nur jenen zu verkleinern / liebkosete. Allein er muste nur dieses Erbieten zu Danck annehmen; und / ob er wol den Grafen von Nassau noch so hoch schätzte / und wuste: daß er sich selbst vollkommen besaß / und ihn keine Empfindligkeit außer seine Verfassung und von dem Zwecke seiner Handlung zu verrücken mächtig war / sein Unvergnügen verstellen / damit ihm hernach nicht eben dieser Fehler ausgestellt würde. Folgenden Tag nam Ingviomer den Gesandten mit auf die Jagt / mit der sie sechs Tage nach einander zubrachten / ohne daß Ingviomer der Haupt-Sache mit einem Worte gedachte. Ob dieser nun zwar aufs höflichste unterhalten ward / schöpffte er doch aus der sonst beliebten Abwechselung der vielerley Jagten weniger Ergetzligkeit / als aus diesem Verzuge Unvergnügen. Den siebenden Tag kamen sie wieder nach Hofe; und als Ingviomer abermahls drey Tage stille schwieg /kam dem Gesandten dieser Aufzug verdächtig für. Daher er den Grafen von Steinfurth ersuchte: er möchte bey dem Hertzoge Ingviomer ihm verbitten / daß er ihn mit einem annehmlichen Bescheide beseeligen möchte / weil ihm beyde Hertzoge seine Verrichtung zu beschleunigen / scharff eingebunden hätten. Ingviomer ließ den Gesandten ersuchen: er möchte ihm wol seyn / und die Zeit nicht lang werden lassen. Denn dieses wichtige Werck könte nicht übers Knie gebrochen werden. Uberdiß erwartete er einige Nachricht von seinen an beyde Hertzoge abgefertigten Gesandten. Unterdessen stünde alles an seinem Hofe und in seinem Gebiete ihm zu Diensten. Der Graf von Weil aber gab dem von Steinfurth zu verstehen: auf das letzte wäre nicht zu warten. Denn er wüste: daß weder Hertzog Herrmann noch Arpus für seiner Abfertigung einige Verhör geben würde. Dessen ungeachtet ließ Ingviomer den Gesandten zur Gedult vermahnen / und ihn versichern: daß diese das Werck erleichtern / und er ihn nicht ohne Vergnügung weg lassen würde. Mit dieser Vertröstung speisete er sich etliche Zeit / und als er aufs neue Erinnerung that / sagte ihm der Graf von Steinfurth: daß Ingviomer nur den zu den Batavern abgeschickten Ritter Borckelo erwartete / welcher über drey Tage nicht aussen bleiben könte. Nachdem aber weder diß noch etwas sonst erfolgete /sagte der Gesandte dem Grafen; er hätte ausdrücklichen Befehl: daß / wenn er in acht Tagen mit einer richtigen Erklärung nicht abgefertigt würde / er unverrichteter [1354] Sache abreisen solte. Steinfurth beschwerete sich: daß man in einem so grossen Wercke / an welchem die Ehre Hertzog Ingviomers / und die Ruhe Deutschlandes hienge / einen Fürsten so übereilen /oder ihm ein so kurtzes Ziel fürschreiben wolte. Es wäre ja besser einer Sache Zeit lassen / und sie wol ausarbeiten / als sie in ihrer Rohigkeit abbrechen /oder durch allzu grosse Hefftigkeit für der Zeit reiff machen. Ubereilte Schlüsse wären so wenig tauerhafftig / als frühzeitiges Obst. Weil der Gesandte aber betheuerte: daß er von dem Buchstaben dieses Befehls nicht abweichen könte / gab ihm endlich Steinfurth zu verstehen; Ingviomer hätte ihn gemächtiget zu sagen: daß er die vermeinte Beleidigung durch eine den Fürsten anständige Erkenntligkeit abthun / hingegen sich versehen wolte: daß man von ihm keine andere Versicherung seiner Beständigkeit / welche er so vielmahl mit seinem Blute bewehrt hätte / nicht verlangen würde. Der Graf von Weil erklärte sich mit dem erstern vergnügt zu seyn. Seine Fürsten aber verlangten eine andere Versicherung / nemlich zwey Festungen an der Naval und an der Emß / und vier und zwantzig Bructerische Ritter zu Geisseln. Steinfurth sagte: dieses wären so harte Bedingungen / als kaum einem überwundenem Feinde anzumuthen wären / jedoch wolte er sie Ingviomern fürtragen. Folgenden Morgen kam er und erbot sich sechs Geissel zu geben; denn ungeachtet diese Einwilligung ihm schmertzhafft /und seinen Bructerern verkleinerlich wäre / wolte er doch Deutschlands Wolfarth / für die er so offt sein Leben aufgesätzt hätte / gerne allen seinen Ehrgeitz aufopffern. Der Gesandte ließ an seiner Forderung die helffte / nemlich die Festung an der Naval nach / verlangte also nur die an der Emß / und zwölf Geisseln /also: daß es sich zu einem gewünschten Schlusse ansehen ließ; ja Ingviomer zweiffelsfrey würcklich geschlossen hätte / wenn nur noch drey Tage keine Nachricht vom Könige Marbod eingelauffen wäre /auf welche er zeither so begierig gewartet / und destwegen den Grafen von Weil mit Fleiß so lange aufgezogen hatte. Selbige Nacht aber kam der Ritter Arnheim / den er bald nach dem Abschiede des Grafens von Nassau an König Marbod verschickt hatte / zurücke / und ob der Hertzog gleich schlieff / ließ er ihn doch wecken. Dieser ließ den Arnheim für sein Bette /welcher ihm mit einem Worte den kurtzen Begrieff seiner Verrichtung zu eröffnen begierig war; nemlich /daß er alles / was er verlangt / und noch viel ein mehrers glücklich verrichtet hätte. Weil er aber vernommen: daß ein Cheruskischer Gesandter sich bey Hofe aufhielte / hätte er mit Fleiß sich des Nachtes einfinden / und seinen Reise-Gefärthen / der bey Ingviomern ein sehr wichtiges Geheimnüß auszurichten abgeschickt wäre / drey Meilen von dar / auf einem Jagt-Hause zurück lassen wollen / damit Ingviomer von allem desto unvermerckter benachrichtiget werden könte. Die zur Unruh geneigte Freude jagte Ingviomern alsbald aus dem Lager / und nach dem er keinem Menschen als dem Grafen von Steinhorst etwas von seiner Reise vertrauet / auch den Gesandten unterdeß zu unterhalten befohlen hatte / gieng er mit dem Arnheim hinten aus dem Schlosse durch einen Garten /wohin Steinfurth drey Edelleute mit nöthigen Pferden bestellt hatte / sätzte sich daselbst auf / und ritt spornstreichs dem angedeuteten Orte zu. Sie kamen mit anbrechendem Tage daselbst an / allwo Arnheim seinen Gefärthen / nemlich den Ritter Kapliers weckte / und ihm die Anwesenheit des Bructerischen Hertzogs andeutete. Dieser fuhr halb erschrocken auf / und ward nach seiner Anlegung also fort zu Ingviomern geleitet. Nach bezeigter gewöhnlichen Ehrerbietung sagte er: daß die vollkommenste Fürstin der Welt ihn dem Fürsten Ingviomer aufzuwarten / und ihm ein gewisses Geheimnüß einzuliefern befehlicht hätte. Hiermit überreichte er dem Hertzoge in einem [1355] seidenen Tuche ein Schreiben / und eine güldene Schachtel; und erbot sich nach derselben Eröffnung noch umständlichere Nachricht abzustatten. Ingviomer eröffnete das Schreiben / und als er darinnen den Nahmen Adelgunde erblickte / gerieth er in solche Verwirrung: daß er sich vergebens bemühte seine Gemüths-Veränderung zu verstellen. Er erholete sich aber; daß er darinnen folgende Zeilen lesen konte: Großmüthiger Ingviomer / Adelgunde / um derer Liebe du dich bewarbest / befindet sich nun im Nothstande deine Errettung zu suchen. Mein unglücklicher Vater / den das Glück zu seinem Falle erhöhet zu haben scheinet / darff deiner Tapfferkeit / aber ich noch vielmehr deiner Erbarmnüß. Jener ni et mit beyden Händen deine angebotene Freundschafft an / schlage mir also auch nicht ab die mir nöthige Hülffe wider den / welcher dir ja so gram als der Tugend ist / und mich vielleicht nur darum liebet / daß er mich tödte. Jedoch wolte ich mich leicht darein schicken eine Leiche zu seyn /wenn ich nur nicht vorher dürffte eine Gefangene des lasterhafftesten Menschen werden. Weist du mich aber durch deine Treue in Freyheit zu setzen / so glaube: daß Adelgunde dieses Kleinod niemanden als dem unvergleichlichen Ingviomer aufopffern werde. Dem Bructerischen Hertzoge klopffte das Hertze fast über jedem Worte; und ob er wol darinnen nicht alles verstand / war doch darinnen für ihn schon so viel gutes entdeckt / als er jemahls gewünschet / und ihm dieses mahl nicht hätte träumen lassen. Ehe er nun vom Ritter Kapliers um ein und des andern Auslegung fragte /laß er den Brief zum andern und dritten mahl; und weil Vorwitz insgemein eine Gefärtin der Liebe ist /öffnete er die güldene Schachtel. Er ward aber hierbey gleichsam außer sich verzückt / als er darinnen das mit grossen Diamanten versätzte Bild der Fürstin Adelgunde erkennete. Dieses hatte er ihm zwar schon vorher an Marbods Hofe tieff in seine Gedancken eingedrückt / und in sein Hertze verschlossen; aber ihre Schönheit war mit den Jahren um ein grosses gewachsen / und der Pinsel seiner Liebe gab ihrer Annehmligkeit noch einen herrlichen Beysatz. Denn ob er zwar sie etliche Jahr nicht gesehen hatte / hatte doch die Abwesenheit und Zeit seine Zuneigung ehe vergrössert als vermindert. Sintemahl die Augen zwar die Fenster nicht aber die Ketten der Liebe sind / welche die Hertzen auch in der grösten Ferne gefässelt halten. Der Kreiß ihrer Würckung erstrecket sich so weit / als die Gedancken / welche in einem Augenblicke von einem Ende der Welt biß zum andern flügen / und der Seele ihre geliebte Schönheit fürbilden. Hier aber vertilgete der überbrachte Schatten gleichsam das Gemählde des Gemüthes. Er sahe diß Bild lange Zeit mit so starren Augen an / als wenn ihre Blicke Dräte wären / welche sie daran feste und unbeweglich gemacht hätten. Weil aber das blosse Anschauen so wenig als Speisen / von denen einem träumet / sättigen / küssete er dieses Bild ohne Aufhören / gleich als wenn er ihm dadurch eine Seele einblasen / und den Schatten in die wesentliche Adelgunde verwandeln /oder als wenn er ihre lebhaffte Korallen aus den Lippen / ihre Rosen von den Wangen aussaugen / und damit seine Liebe unterhalten könte. Alleine er steckte sich so wol durch sein beständiges Anschauen wie die um das Licht schwermenden Mutten / und durch diese Küsse wie der die Flamme umarmende Satyrus nur in Brand / versätzte seine Begierde in grösseren Durst /und sein Gemüthe in solche Unruh / daß er vom Ritter Kapliers mehr Nachricht einzuziehen vergessen hätte / wenn nicht der Ritter Arnheim ihn durch seine Erinnerung aus dem tieffen Schlaffe seiner Selbstvergessung erwecket hätte. Auf dessen Veranlassung aber ersuchte Ingviomer den Ritter / er möchte ihm doch von der Fürstin Adelgunde Verlangen ausführlichen Bericht erstatten. Kapliers war hierzu bald fertig und[1356] fieng an: die Fürstin Adelgunde hat unter ihren Vollkommenheiten auch diese / daß ihr Hertze denselben Gefäßen gleichet / welche den einmahl an sich gezogenen guten Geruch des beherbergten Balsams nicht von sich lassen / so lange von ihnen ein Scherben übrig ist. Meine Aufrichtigkeit und der Ubelstand dieser Fürstin zwingen mich durch Auslegung dieser Worte dem Hertzoge Ingviomer das Geheimnüß zu entdecken: daß Adelgunden von seiner feurigen Tugend / als er an ihres Vaters Hofe sich aufhielt / und um ihre Liebe sich bewarb / ein Funcken in ihr Hertze flog / welcher nach der Hand durch ihre eigene Widerstrebung so wenig als das Griechische Feuer mit Wasser zu leschen war. Es waren wenig benachbarte Fürsten / welche nicht wegen ihres Königlichen Erbtheils / noch mehr aber wegen ihres an Schönheit und Tugend bestehendẽ Eigenthums auf sie ein Auge hatten; Aber aller Liebkosungen machten ihr keine Versuchungen; ihr Hertze gleichte dem Prophiersteine /welcher das einmahl angenommene Bild ohne seine gäntzliche Zernichtung in sich nicht vertilgen / noch wie Wachs oder Ertzt in ein anders umgießen läßt. Jedoch verbarg sie diesen Zunder in ihrem Hertzen sorgfältiger / als die Elevsinischen Priester das Geheimnüß ihres Gottesdienstes; also / daß jedermañ ehe in den Egyptischen Säul-Tempeln alle Bilderschrifft ausgelegt / als in ihren Augen einiges Merckmahl der Liebe wahrgenommen haben würde. Hierbey aber lebte sie ohne die wenigste Unruh ihres Gemüthes / welche sonst die Liebe zu erregen pflegt. Denn die Vernunfft führte in allen Regungen die Ober-Herrschafft / welche keinen Sturm zu Kräfften kommen läßt / und alle Begierden an der Schnure führt. Das Glücke bließ auch so lange in ihre als in König Marbods Segel. Dieser erlangte keinen Lorber-Krantz / daß nicht die bezwungenen Völcker ihr einen von Oel-Zweigen überlieferten. Die gantze Welt liebkosete ihr als der Tochter eines mächtigen Jupiters /welche wie Pallas Waffen und Weißheit mit auf die Welt gebracht hätte. Tiberius selbst pflügte mit ihr /daß sie zwischen Rom und ihrem Vater gutes Verständnüs erhielt. Durch ihre Klugheit verdiente sie vom Marbod in wichtigsten Reichs-Geschäfften für seine Rathgeberin / durch ihre Wolthätigkeit von seinen Unterthanen für ihre Göttin erkennet zu werden. Mit Adgandesters Ankunfft aber fieng ihre Vergnügung an Abschied zu nehmen. Dieser verschlagene Fuchs gieng ihr zwar in allem an die Hand / und was er ihr an Augen ansah / mühete er sich ehe zu vollziehen / als sie ihren Willen ihm zu verstehen gab. Ja er heuchelte ihr fast mehr / als dem Könige selbst / weil er wol sahe: daß sie bey ihm viel vermochte / und ihn gleichsam in Händen hatte. Weil er sich nun so wol in sie / als in Marbod schicken konte / hielt sie ihn auch selbst als einen Werckzeug der gemeinen Glückseeligkeit werth. Denn sie verstand allzu wol: daß nicht eigene Tugend / nicht blinde oder ungefährliche Zufälle Alexandern und andere seines gleichen so groß gemacht / sondern dieselben am meisten gewonnen hätten / welche mit klugen Räthen wären versehen gewest. Ja durch das Beyspiel ihrer Tugenden brachte Adelgunde zuwege: daß sich Adgandester zwang / tugendhaffter zu seyn / als er war. Alleine diß blieb doch nur ein Fürniß ohne Wesen. Denn Diener sind nichts anders als der Zeug / Fürsten die Künstler /welche solchen zwar schöner / aber nicht besser / als er an sich selbst ist / also aus Holtze kein Helffenbein machen / und Kupffer nicht in Bley verwandeln können. Marbod erhob ihn durch seine Gnade über alle andere Diener / und machte ihn gleichsam zum Abgotte der Marckmänner / aber sein Gemüth behielt doch seine Tücke / wie übergüldetes Holtz seine Wurmstiche. Adelgunde schöpffte hierüber zwar eine kleine Eyversucht / und gerieth in Kummer: daß anderer Diener Haß und Neid / Zwytracht und Unruhe im Reiche erregen würde; [1357] jedoch ließ sie es gehen / weil Adgandester sich bey seinem Wachsthume noch begrieff / in seinen Handlungen nicht weniger Treue als Eyverspüren ließ. Nach dem sie aber inne ward: daß Adgandester die erste Bahn verließ / andere Diener kaum über Achsel ansah / und den König zu hefftigen Entschlüßungen / welche in die Länge nicht gut thun würden / verleitete; widersprach sie ihm nicht alleine etliche mahl im Rathe mit ziemlichen Eyver /sondern ersuchte auch hernach den König: er möchte doch nicht aller andern Räthe lindere und sichere Meinungen verwerffen / oder sie gar vom Rathe ausschlüssen. Sintemahl doch viel Augen mehr als eines sähen / viel andere auch ihre Treue gegen den König /und ihren Eyver für das gemeine Wesen schon würcklich erhärtet hätten. Marbod / welcher Adelgunden nicht nur als seine Tochter inniglich liebte / sondern auch als eine kluge Fürstin hoch schätzete / antwortete ihr: Sie solte ihm doch den süssen Genüß der allermenschlichsten Zuneigung / nemlich der Freundschafft nicht mißgönnen / ohne welche einem Menschen auch die Einsamkeit des Himmels eckelhafftig seyn / und ihn nach der Erde lüstern machen würde. Fürsten müsten sich ihrer Hoheit wegen ohne diß fast der gantzen Welt entschlagen / weil sie sich mit ihnen nicht dörfften gemein machen; daher sie ja das beste Recht hätten / mit einem verträulich zu seyn / mit selbtem die Zeit zu kürtzen / und um anderer Menschen Ergötzligkeit zu genüssen / den Fürsten auf die Seite zu sätzen. Alleine Adgandestern zu seinem Vertrauten zu erwehlen / hätte ihm nicht nur seine Zuneigung / sondern auch die Schwerde seines Reiches veranlasset. Sintemahl die vollkommensten Könige nicht ohne Gehülffen herrschen könten / und es ein Getichte heuchlerischer Weltweisen wäre / daß GOtt den Königen einen zweyfachen Geist einbließe. Dahero / wenn einer sich schon vermäßen solte / die Last eines kleinen Reiches alleine auf seine Schultern zu nehmen /würde ihn dessen Schwerde bald erdrücken / und die Vielheit der Geschäffte erstecken. Bey so gestalten Sachen hätte ein Fürst vielerley Diener / wie ein Künstler allerhand Werckzeug / und zwar mittelmässige Leute zu niedrigen / verständigere zu wichtigen /aber doch auch einen / welcher aller Haupt / und sein Beystand wäre / von nöthen. Dahero / wenn GOtt einem Fürsten einen Gehülffen / dem Reiche einen solchen Schutz-Geist zuschickte / welcher mit jenem die Sorgen theilte / für dieses sich verzehrte / und die Gewalt eines Menschen mit dem allgemeinen Heile des Volckes mäßigte / wäre diese Ehre ihm so wenig als der Sonne zu mißgönnen / daß sie aus allen Sternen alleine GOttes Stadthalter wäre. Denn solcher Leute würde kaum einer in hundert Jahren gebohren. Adelgunde versätzte: ihm und keinem Könige wäre diese kleine Vergnüg- und Erleichterung / dem ersten Diener auch als einem Gefärthen der Reichs-Sorgen seine Ehre nicht zu mißgönnen / welche auch dem Schatten eines Fürsten gebührte. Alleine man müste doch diesem nicht in allem folgen / und dadurch den Diener ihm gleichsam gleiche machen / sich seines Amptes und der Hoheit entäusern / dadurch aber jenem allzu hohe Gedancken einwurtzeln lassen. Marbod antwortete ihr zwar freundlich / jedoch nicht ohne eine kleine Entrüstung: Er wüste / daß er König / und Adgandester zwar ein kluger Fürst / aber doch sein Diener wäre: also solte sie keine Sorge tragen / daß er seinen Glantz durch einen Schatten würde verdüstern lassen. Also ward Adelgunde gezwungen sich zu beruhigen / und zu bescheiden: daß eine verborgene Krafft des Verhängnüsses Meister über den Willen /und die Wahl der Fürsten sey / daß sie einen offt ohne kenntliche Ursache so übermäßig lieben / dem andern ohne Schuld gram seyn. Und wäre GOtt zu dancken /wenn solche Neigung nicht aus dessen Zorne zum Verterben eines Reiches herrühret / sondern sie auf einen Menschen fällt / der noch Verstand [1358] und den Willen hat einem Lande zu dienen. Adelgunde muste also dem Lauffe dieser unmäßigen Liebe den Hang lassen / welche endlich so hoch stieg: daß alles / was Adgandester sagte / Wahrsagungen / was er wolte /gethan ward; ja Adgandester mehr den König als Marbod fürstellte / und iederman in Gedancken gerieth: daß der König ohne Bezauberung einem Diener nimmermehr so viel Gewalt enträumen würde. Es wusten die Königlichen Bedienten auch viel zu erzehlen / was sie in Marbods Kleidern und Bette für frembde Steine / für seltzame Kräuter / und wunderliche Knoten von Haaren gefunden hätten. Nirgends aber blickte seine unmäßige Gewalt mehr als bey dem Auffstande der Langobarden und Semnoner herfür. Denn ie schädlichere Rathschläge Adgandester gab / ie mehr solche von Adelgunden / und andern Dienern widersprochen wurden / ie begieriger nahm sie Marbod an; und ie unglücklicher selbte ausschlugen / ie mehr wuchs des Königes Liebe gegen diesen schädlichen Diener / daß er also vom Verhängnüße wol recht zum Untergange des Marckmännischen Reiches erkieset zu seyn schien. Ja es schien / als wenn der Himmel ihm selbst alle Gelegenheit in die Hände spielte / sich über den König zum Meister zu machen. Denn als er aus einem Panischen Schrecken / nicht so wohl für den Langobarden / als für seinem Schatten floh /kamen wir an den Bober. Ungeachtet nun dieser vom Regen starck angelauffen war / die Marsinger aus Furcht eines harten Uberzugs alle Brücken abgeworffen hatten / und daher iederman dem Könige rieth: er möchte eine Brücke bauen lassen / oder wenigstens einen Nachen erwarten; Vertrug doch seine Furcht und Flucht keinen Zaum / sondern folgte seiner durch einen Furth theils reitenden theils überschwemmenden Leibwache; Es traff sich aber das Unglücke: daß Marbods Pferd vom Strome gefaßt / fortgetrieben / und /weil es auf einen Stock kam / und sich überschlug /Marbod abgeworffen / und vom Flusse fortgetrieben ward. Adgandester / welcher ihm auf der Ferse folgte /sprang bey verspürter Verunglückung des Königs vom Pferde / schwam selbtem nach / und hatte das Glücke ehe / als iemand anders zu Hülffe kam / den König aus dem Wasser zu ziehen / und zu retten /welcher schon so viel Wasser getruncken hatte: daß er nach etlichen Stunden kaum wieder zu rechte gebracht werden konte. Marbod / als ihm seine Errettung erzehlet worden war / umarmte Adgandestern / nennte ihn seinen Schutz-Geist / und versicherte ihn: daß er diese Wolthat danckbarer erkennen würde / als er ihm immermehr einbilden könte. Er trat ihm auch nach diesem seine Königliche Gewalt gleichsam gantz ab /und behielt für sich wenig mehr übrig / als den Nahmen des Königs; welchen Adgandester nur zur Larve seiner Gewalt mißbrauchte / und ihn nicht mehr einst für seinen Gefärthen hielt / auch nicht einst diß / was im Reiche geschah / zu seiner Wissenschafft kommen ließ / sondern durch Jagten und andere Ergetzligkeiten von Geschäfften abzoh. Er ließ sich gegen Adelgunden ausdrücklich aus: daß wie Adgandester itzt sein Erretter gewest wäre / also würde sie ihn nach seinem Tode für ihren Gehülffen / und für einen Pfeiler des Reiches zu halten haben. Ob nun zwar Adgandesters That ein Zeichen grosser Treue / und ein unvergeltbarer Dienst war / so gieng doch Marbod darinnen zu weit: daß er Adgandestern die höchste Gewalt einräumte / welche nach dem Gesätze des Staats unvereusserlich und mit seiner Person unzertrennlich vereinbart war. Adelgunde ward hierüber hefftig bestürtzt / zumahl sie sich erinnerte: was für diesem für ein hoher Geist im Marbod gesteckt / und wie er wegen der Herrschafft auch mehrmahls gegen sie geeyfert hätte; welcher Veränderung Ursache sie so wenig / als warum der Magnet nicht lieber Gold als Eisen an sich züge / zu geben wuste. Zumahl [1359] sie mehrmahls selbst aus Marbods Munde gehöret hatte: daß zwischen einem Fürsten und seinem höchsten Diener allezeit ein so grosser Unterschied / als zwischen der Spitze und dem Fuße eines Berges seyn /sein Nechster weit entfernet und unter ihm seyn / und der allerliebste viel nicht können solte. Denn ob sie sich wol erinnerte: daß auch andere Könige sich einen Verschnittenen / einen Zwerg / einen Gauckler / eines Webers Weib / und dergleichen Auswürflinge des Volckes hätten beherrschen / und wie einen Zeidel-Bär herum führen lassen / so vergrösserte doch die Menge solcher Begäbnüsse mehr solch Wunderwerck / als sie es verminderte / ob es schon gemein war. Sie sahe mit dem grösten Unwillen / wie Adgandester sich numehr aufblähete / wie er unter dem Scheine der Ehren die besten und ihm im Wege stehenden Diener vom Hofe entfernete / oder sie gar durch angetichtete Verbrechen stürtzte; wie er auch die gegenwärtigen vom Könige abschnitt / ihm selbst die Augen verband / die Ohren verstopffte / seinen Meinungen kühn und vermässen wiedersprach; Vorige Anstalten verachtete / endlich ihn zur Einsamkeit und zum Eckel für Reichs-Geschäfften angewöhnte; alle Ehren-Stellen und Aempter seinen Geschöpffen / oder die ihn anbeteten / vergab; sich nicht nur mit seines Königs unmäßiger / sondern auch mit der Nachbarn schlauer Freygebigkeit bereicherte. Welch letzteres gleichsam ein Ehbruch grosser Diener ist / weil sie dadurch gewonnen werden: daß sie wie ein geiles Weib mit der ihrem Fürsten allein schuldigen Liebe / andere Fürsten betheilen / oder wenigstens bey ihrer Kaltsinnigkeit frembden schädlichen Rathschlägen nicht zu wider sind. Hingegen war er um nichts weniger / als um die Mittel sich in Königlicher Gnade zu erhalten /bekümmert. Denn er eignete ihm aus Hoffart fast allen Glantz des Königs zu; scheuete sich nicht vom Volcke alle Ehrenbezeugungen anzunehmen / die gleich keinem Diener / sondern unmittelbar dem Fürsten zukommen. Er übte unter dem Nahmen Königlichen Befehles alles aus / was ihm seine Gemüthsregungen an die Hand gaben; gleichwol aber wolte er das Ansehen haben: daß alles an ihm gelegen wäre /und er mehr / als sein König / könte. Insonderheit wolte er darfür angesehen seyn: daß alle Begnadungen von ihm herrührten; strebte also nach aller Gewogenheit / verfolgte aber seine Neider / und drückte die auffs ärgste / die ihn übergiengen / und etwas beym Könige seyn wolten. Gegen dem Könige selbst vergaß er: daß er sein Diener war / in Einbildung: er wäre sein Gefärthe / ja wolte wol gar angesehen seyn: daß er den Marbod an Klugheit weit überträffe / und er ein unentpehrlicher Werckzeug / oder vielmehr gar der Steuermann in seiner Herrschafft wäre. Wenn er ja auch etwas in Rath brachte / dorffte ihm niemand widersprechen / und was gleich allen bedencklich war /trieb er mit Eyver und Gewalt durch / gleich als wenn er um alles sein Ansehen käme / wenn nicht alles nach seinem Kopffe gienge. Gegen Adelgunden bezeugte er zwar Liebe / aber wenig Ehrerbietung / durch welche letztere Vergehung Adelgunde am allerärgsten wider ihn in Harnisch gejagt ward. Sintemahl diese Bezeugung ihr allererst auslegte / was Marbod durch seinen Vortrag gemeinet hatte / daß Adgandester nehmlich nach seinem Tode ihr Gehülffe seyn solte. Es wallete ihr hierüber unaufhörlich das Hertze / und sie machte ihr hierüber hunderterley Auslegungen / ohne daß sie die wahre von irrigen entscheiden konte. Es ereignete sich aber bald nach ihrer Ankunfft / als Marbod wegen Ausrüstung eines mächtigen Heeres wider die Semnoner / Langobarden / und Cherusker die Stände zu Boviasmum versamlet hatte: daß diese auf heimliche Anstifftung Adgandesters den König ersuchten /er möchte seiner Tochter einen Gemahl / ihm also einen treuen Gehülffen / dem [1360] Reiche eine Säule bey Zeit erkiesen. Sintemahl sein letzter Zufall im Bober ihn erinnerte: daß auch Fürsten sterblich / und die Gewißheit des Nachfolgers die festeste Veranckerung eines Reiches wäre / und vieler Ehrsüchtigen Hoffnung im ersten Käumen ersteckte. Marbod ließ durch Adgandestern die Stände versichern: er wolte sich um einen solchen Nachfolger bekümmern / welcher die Herrschens-Kunst mit auf den Thron bringen / die Hertzhafftigkeit schon durch Helden-Thaten erhärtet haben / ihm nicht verkleinerlich / seiner Tochter anständig / dem Reiche erbaulich / und allen Feinden gewachsen seyn würde. Weil auch die Stände alles verwilligten / führte Adgandester eine grosse Kriegs-Macht an die Gräntzen des Reiches / welche er selbst als Haupt führen wolte. Er erhob in diesem eitel ihm verbundene Leute zu Obersten / kriegte also das völlige Hefft des Reiches in seine Hände. Es war aber der Ruff vom Ansuchen der Stände so geschwinde nicht in die benachbarten Länder erschollen; Als Jagello der Sarmater / und Schwatopluck der Bastarnen König / durch prächtige Botschafften um Adelgunden werben liessen. Adgandester verlachte anfangs diese Werbung in seinem Gemüthe / machte ihnen daher selbst einige Hoffnung zu Erlangung ihres Zwecks /damit er aus beyder Könige Freygebigkeit so viel mehr fischen konte. Marbod / welcher in seinem Hertzen seine Tochter Adgandestern bestimmt hatte / erfuhr: daß dieser denen Gesandten geneigte Ohren gab / ward gegen ihn verdrüßlich / fieng also auch an sie zu hören. Weil er aber doch etwas für sich selbst zu entschlüssen nicht mehr mächtig war / fragte er Adgandestern / wem er unter beyden seine Tochter zu vermählen riethe. Adgandester ward über dieser unvermutheten Frage so verwirret: daß er sich mit Noth erholen konte / daß er dem Könige antwortete: Er hielte weder eine noch die andere Heyrath für rathsam. Denn ob wol die Bastarnen von Deutschen den Ursprung hätten / wären sie doch so verwildert / als die Sarmater diß von Natur wären. Daher würde Adelgunde bey keinem ihre Vergnügung / die Marckmänner aber das Unglück haben / daß sie unter eines dieser unbändigen Völcker untergesteckt werden / und ihre eigene Herrschafft verlieren würden. Marbod sahe Adgandestern groß an / und sagte: Beyde Gesandten erbieten sich gleichwol dahin / daß ihre Könige mit einer grossen Kriegs-Macht mir meine aufrührische Unterthanen zum Gehorsam bringen helffen /meiner Tochter auch die völlige Herrschafft in Händen / und ihren andern Sohn meine Länder absonderlich erben lassen wollen. Uberdiß rühmet mir Vannius der Kwaden König Britomarten der Bastarner Fürsten als einen Ausbund vortreflicher Helden; und ich selbst habe Boleßlaen den besti ten Stul-Erben des Sarmatischen Reiches nichts weniger als einige Wildnüß angesehen. Daher halte ich fürs rathsamste diese Gelegenheit nicht aus Händen zu lassen / sondern einen aus beyden Werbern zu erkiesen / um die Stände zu vergnügen / und die Feinde durch ein so mächtiges Bündnüß zu schrecken. Diese unvermuthete Antwort versätzte dem von seinem Glücke trunckenen und destwegen so viel mehr ohnmächtigen Adgandester einen solchen Streich: daß er nichts anders zu sagen wuste / als: er wolte der Sache nachdencken /und dem Könige seine Meinung eröffnen. Nach dem er nun sich die gantze durchwachte Nacht mit tausend Gedancken geschlagen hatte / fand er nichts für rathsamer / als durch Adelgunden selbst dem Könige diese Gedancken zu benehmen / von der er durch seine Kundschaffter schon ausgespüret: daß sie weder zu einem noch dem andern Sinn hätte. Daher verfügte er sich selbst zu Adelgunden / und eröffnete ihr: daß der König von ihm ein Gutachten verlangte: Ob er sie Britomarten oder Boleßlaen vermählen solte. Ob Adelgunde nun zwar Adgandestern [1361] wenig gutes zutraute / befand sie doch wegen seiner beym Könige habender Gewalt für nöthig mit seinem Kalbe zu pflügen / also ihm zu liebkosen: daß er ihrem Vater beydes ausreden möchte. Denn sie würde ehe alle andere / als einen aus diesen wilden Leuten heyrathen /und sich lieber ihres Erbtheils / als ihres freyen Willens enteusern. Sie gab ihm destwegen auch ein so gutes Auge / als er niemahls vorher von ihr bekommen hatte. Diese Bezeigung bließ ihm so hohe Gedancken ein: daß er nunmehr sich entschloß mit dem Geheimnüsse seines Hertzens nicht länger hinter dem Berge zu halten / sondern / nachdem er die zwey frembden Liebhaber auf die Seite gebracht hätte / um Adelgunden selbst zu werben. Gleichwol wolte er sich zum ersten nicht verbrennen / sondern stifftete Adelgundens oberste Hofmeisterin die Frau von Slawata an: daß sie dem Könige seiner Tochter Abscheu für dem Sarmatischen und Bastarnischen Fürsten fürtrug. Als diese mit allerhand Vorwand die Bahn gebrochen hatte / verfolgte Adgandester ihre Meinung: daß der König Adelgunden als seiner einigen Tochter / und einer so klugen Fürstin die Süßigkeit eigener Wahl ohne den Schein einer Grausamkeit schwerlich benehmen könte. Marbod hörte beyde zwar mit Verdruß an / und fuhr aus Ungedult aus: Man wird mei ner Tochter noch wol einen ihr anständigen Ehmann mahlen müssen; gleichwol aber beruhete er hierbey /sonder seiner Tochter hierüber zuzusätzen. Adgandester kam hierauf zu Adelgunden / und wuste diß / was er für ihre Freyheit gethan hätte / mit vielen Farben ihr fürzubilden. Adelgunde liebkosete ihm destwegen auf eine solche Weise: daß sie Adgandestern darmit aus seiner Verfassung brachte / und er nach einem ziemlich langen Stillschweigen / und geholeten Seuffzer anfieng: Vollkommenste Adelgunde! mächtigste Fürstin der Marckmänner / und meiner Seele! dörffte sich aber wol ein Fürst der Catten unterwinden sie anzubeten? Adelgunden kam diese vermäßene Erklärung zwar unvermuthet / sie antwortete ihm aber aus dem Steigereiffen: Ich weiß von keinem unvermählten Hertzoge der Catten / ausser einem / welcher mein Diener / nicht aber mein Anbeter zu seyn verbunden ist. Dieses redete sie auf eine so kaltsinnige und zugleich verächtliche Art: daß jedes Wort in seinem Hertzen einen Donnerschlag abgab. Nichts desto weniger machte er mit sich einen Schluß ehe Staub und Asche zu werden / ehe er mit der Schande sich derogestalt unvernünfftig vergangen zu haben / abziehen wolte. Er berieth sich mit den Wahrsagern / welche ihn wegen empfangener Geschencke nicht nur in seinem Vorhaben stärckten / sondern ihm auch nach seinem Wincken an die Hand zu gehen versprachen. Er gewaan durch diesen Hacken auch etliche Priester /welche dem Könige riethen; Er möchte ohne Erkundigung des göttlichen Willens keine Heyrath seiner Tochter entschlüssen / als an welcher die Erhaltung des Reiches / und die Wolfarth der Nachkommen hienge. Marbod / welcher unter dem Scheine des Gottesdienstes seine Herrschafft bekommen und befestigt hatte / unterwarff sich ohn einiges Bedencken diesem Rathe. Es ist in dem Reiche der Bojen / oder numehr der Marckmänner ein Brunn / dieser seltzamen Eigenschafft: daß / wenn die Einwohner bey sich ereignender Dürde daraus Wasser schöpffen / und damit ihre Behältnüsse füllen / desselben Adern nicht nur zu stärckerem Qvelle aufgefrischet / sondern durch desselben Ausdämpffung Wolcken und folgends Regen erweckt werden. Dieser Ort wird nicht alleine nebst dem denselben umgebenden Heyne für ein grosses Heiligthum gehalten / sondern man holet auch daselbst Wahrsagungen künfftiger Dinge / welche wie zu Dodona durch Erscheinungen gewisser Vögel angedeutet / von denen dazu geordneten Priestern ausgeleget / und für eine unfehlbare Warheit gehalten werden. An diesen Ort reisete [1362] Marbod mit seiner Tochter Adelgunden / opfferte mir ihr daselbst / und verlangte eine göttliche Offenbahrung / an wen er sie am glückseeligsten verheyrathen würde. Die Priester versprachen ihn seines Wunsches zu gewehren / und wiesen beyden einen gewissen Platz an / wo sie die Erscheinungen der Vögel genau wahrnehmen solten. Kurtz hierauf kam ein Adler auf eine alte Eiche geflogen /hernach flog eine wilde Gans über den Platz / und folgends setzte sich eine Aglaster auf eben selbige Eiche. Nach diesem fand sich einer von den Priestern beym Könige ein / welcher ihm und Adelgunden zu so erfreulicher Wahrsagung Glück wünschten. Marbod aber antwortete: er wüste ihm daraus nichts zu nehmen / bat also / er möchte doch mit einer verständlichen Auslegung erfreuet werden. Dieser Priester führte den König und Adelgunden zu dem Brunnen / daraus beyde ihre Antlitzer / ihre Hände und Füsse waschen musten / und von dar in eine Höle / allwo der oberste Priester auf dem Rücken mit offenen Augen /aber ohne Regung / und gleichsam gantz entzückt lag. Marbod und Adelgunde musten alldar sich auf ihr Antlitz legen und beten. Uber eine Weile fuhr der Priester auf / und fieng mit einer durchdringenden Stimme an:
Die ihr das Reich vermehrt / die Feind' erwůnscht gebåndigt /
Wißt: daß die Fůrstin nur dem wol vermåhlt seyn kan /
Bey dem der Nahme sich fångt mit dem Adler an /
Wo's Mittel ist die Gans / den die Aglaster endigt.
Der Priester führte den Marbod und Adelgunden hier mit aus der Höle; und / als Marbod sich so wenig in diese Auslegung / als in die Erscheinung der Vögel finden konte / sagte er: Es wäre niemanden bey Menschen Gedencken eine klärere Weissagung wiederfahren; sintemal ja der glückliche Bräutigam Adganster mit seinem eigentlichen Nahmen wäre ausgedrückt worden. Marbod verstand numehr die Wahrsagung /kehrte also mit so grosser Vergnügung als Adelgunde mit Schwermuth zurücke. Als der König nun wieder nach Boviasmum kam / redete er seine Tochter an: Weil sie mit ihren eigenen Ohren den göttlichen Willen gehöret hätte / daß auf ihrer und Adgandesters Heyrath der Wolstand des Reiches beruhete; dieser Fürst auch so wol seiner grossen Tugenden / als seiner hohen Ankunfft halber / ihrer würdig wäre /zweiffelte er nicht: sie würde sich zu Erfüllung seines und des Verhängnüsses willen numehr anschicken. Adelgunde / welche sich dieser Anmuthung lang vorher versehen / und die gantze Reise diese seltzame Wahrsagung überlegt hatte / antwortete ihrem Vater: Sie könte ihr Gemüthe nicht bereden / daß diß eine Göttliche Wahrsagung wäre. Denn wenn der Himmel sie Adgandestern vermählet wissen wolte / würde er ihrem Gemüthe schon eine Neigung gegen ihn / nicht aber eine solche Abscheu eingepflantzet haben. Marbod versätzte: Ob sie denn klüger als so heilige Offenbahrungen seyn / und ihren gefasten Wahn über seine väterliche Gewalt / und über die Botmäßigkeit des unveränderlichen Verhängnüßes erheben wolte? Adelgunde erschrack über verspürter Entrüstung ihres Vaters / und fieng mit einer demüthigen Bezeugung an: Sie bescheidete sich ihrer Pflicht gegen einen für sie so heilsam sorgenden Vater / und wüste: daß die ihnen nur selbst die Köpffe an Felsen zerstiessen /welche dem Verhängnüße widerstrebten. Sie glaubte aber: daß den wahrhafften Willen des Himmels zu ergründen / viel schwerer / als das Viereck eines Zirckels zu erfinden wäre; und daß die scharffsichtigsten hierinnen mehrentheils blinder als Maulwürffe wären. Denn die Boßheit der Menschen wäre so vermässen: daß sie nicht selten ihren Betrug mit dem Scheine Göttlicher Wahrsagungen bekleidete. Philippus hätte durch sein Geld zu wege gebracht: daß Pythia zu Delphis / allemahl was in seinen [1363] Kram gedienet / wahrgesagt hätte. Welches vom Demosthenes zu Athen dem Volcke offentlich wäre geprediget worden. Cleomenes hätte eben daselbst die oberste Priesterin Perialla bestochen: daß die Wahrsagerin die Spartaner wider die hernach ans Licht kommende Wahrheit beredet hätte: Demeratus wäre nicht Aristons Sohn. Der verwundete und nun fast die Seele ausblasende Gabienus hätte sich für einen aus der Hölle zurück kommenden Geist ausgegeben / und den Sextus Pompejus durch seine Wahrsagung betrogen; und Lentulus hätte in der Verschwerung Catilinens die Sibyllinischen Bücher fälschlich angezogen. Alcibiades hätte durch Unterschreibung falscher Zettel / welche vom Ammonischen Jupiter solten herrühren / die Athenienser zu dem unglücklichen Kriege in Sicilien verleitet / und die Feinde des Pisistratus hätten durch Geld einen Befehl vom Apollo an die Spartaner zu wege gebracht: daß sie Athen von selbigem Wütterich erlösen solten. Ja Lysander hätte zu Delphis / zu Dodona und beym Hammon wider die zu Sparta herrschenden Heracliden eine ihm dienende Wahrsagung erkaufft. Was nun vormahls geschehen / könte sich auch heute zutragen; und wären die Netze der Boßheit zärter als der Spinnen / daß sie schwerlich durch menschliche Vorsicht erkieset werden könten. Wann aber auch hinter Wahrsagungen kein Betrug steckte / blieben sie verborgene Rätzel / und betrügen sich diese selbst hefftig / welche sie nach dem Buchstaben deuteten. Dahero des Ammons eigene Priester bekennten: daß ihres Gottes Antworten so verdreht als seine Wieder-Hörner /schwer zu verstehen / und so ungewiß wären / als des Amphiaraus Träume Auslegung / der Ceres Sicht-Spiegel / des Hercules vier Würffel / und der Sybille zerstreute Palmen-Blätter / darauf sie ihre Wahrsagungen nicht so wohl schrieb / als mit allem Fleiße versteckte. Ja ihre Auslegungen wären offt so tunckel / daß sie einer neuen Deutung bedörfften. So hätte des Bacchus Wahrsager-Geist die Libethrier geäffet / als er ihnen angekündigt / ihre Stadt würde von einer Sau verstöret werden / wenn die Sonne des Orpheus Gebeine bescheinen würde. Denn ob sie zwar diß für unmöglich gehalten / wäre sie doch hernach von dem sich ergiessenden Flusse Sau / als ein Hirte vorher durch Umfassung der Orpheus-Säule sein Grab geöffnet / überschwemmet worden. Die Spartaner hätten sich mit einer solchen Auslegung gekitzelt / sie würden die Tegeater / und Pyrrhus er würde die Römer /Alexander aus Epirus die Brutier überwinden / Amilcar er würde Syracuse einnehmen; wären aber selbst überwunden / und Amilcar in Syracusa gefangen gebracht worden. Ja Apollo selbst hätte zu Delphis /wenn man ihm die Wahrsagungen abnöthigen wollen / sich mehrmahls verlauten lassen: daß er ihnen nichts als Lügen sagen wolte; welcher auch / wenn er wahr reden wollen / in seinen Ankündigungen künfftiger Dinge mehr als die Sonne in ihrem hi lischen Thier-Kreiße auf die Seite krümmete. Am allerzweiffelhafftesten aber wären die von Vögeln herrührende Wahrsagungen / durch welche Philomelus und die Phocenser wären durch sie hefftig hinters Licht geführet worden; Denn da der im Delphischen Tempel ihnen vorkommende Adler / welcher die Tauben von Altären weg nahm / ihnen Sieg zu verheissen schien / giengen sie darüber gar zu Grunde. Den König der Mamertiner hätten die Wahrsager versichert: er würde den andern Tag in der Feinde Läger schlaffen / welches aber durch seine Gefangenschafft wahr worden wäre. Daher auch Cato zu Rom / welcher doch in ihrer Zunfft war / von denen / welche aus der Lufft / den Winden / dem Blitze / den Vögeln / und andern Thieren künftig Ding wahrsagen / sagte: daß sie einander niemahls ohne Lachen begegneten; weil die albern Leute ihnen alle Lügen glaubten / und sich [1364] durch ihre zweydeutige Worte betrügen liessen; da sie doch daselbst in hoher Würde und Ansehen lebten / daß sie wegen der grösten Laster nicht einmahl gestrafft werden könten. Marbod brach ein: Derogestalt verwirffstu alle Wahrsagungen / derer Wahrheit doch durch so viel tausend Beyspiele feste gestellt ist. Darffstu dich wol unterstehen unser Heiligthum zu zernichten / was unsere andächtige Vorfahren von Alters her verehret / und mit grossem Nutzen um Rath gefraget haben? Welches an Alterthume dem Delphischen nichts nachgiebt / und in dritthalb tausend Jahren keiner Unwahrheit ist überführt worden. Adelgunde begegnete ihm mit tieffer Ehrerbietung: Sie hielte beydes in Ehren / diß aber bliebe doch wahr: daß die berühmtesten Heiligthümer offt mit Betruge / wie Gold mit Schlacke vermischt wären. Daher hätten die alten Weltweisen der Wahrheit ihre Wohnstatt in einem tieffen Brunnen zugeeignet; und sie wäre eine nicht minder verschämte als schöne Tochter; gienge also ins gemein verstopfft. Ihren Schleyer könte ihr aber nicht iederman vom Gesichte ziehen / sondern wir können sie von Bländwercken offt so schwer / als das rechte Auge der Welt von Neben-Sonnen erkennen. Sie würde niemand / ja sie selbst sich nicht bereden: daß hinter dieser allzusehr gekünstelten Wahrsagung nicht was betrügliches steckte / oder der Ausgang würde mit der Zeit einen viel andern Verstand /als welcher Adgandestern zugeeignet würde / an Tag bringen. Marbod fiel ihr ein: Sie hätte ja selbst mit Augen die sich zeigenden Vögel gesehen / und des Priesters Auslegung schickte sich auf Adgandestern so deutlich: daß dort an Schickung des Himmels / hier an der Ausdeutungs-Wahrheit niemand vernünfftiges zweiffeln könte. Adelgunde versätzte: Der Mensch wäre mehrmahls nachdencklich sich selbst zu betrügen / wie viel mehr aber andere. Was wäre es unmögliches / drey eingesperrte Vögel nach einander an einem Orte zu zeugen / da Psaphon etliche hundert zu singen gelehrt hätte: Psaphon ist ein grosser GOtt. Durch welchen Betrug er bey den Libyern ein GOtt worden; welchen ihm Hannon zu Carthago aber vergebens nachgethan hätte. Wenn aber auch allhier der Adler / die Ganß / und die Aglaster keine untergesteckte oder abgerichtete Vögel gewest wären; schiene doch des Priesters zusammen gestickelte Auslegung mehr Spitzsinnigkeit als Grund zu haben. Und wenn sie aus dem Grunde ihres Hertzens reden solte / käme ihr der Priester wie Iphiclus für. Denn als dieser die dem Phalantus gegebene Wahrsagung vernahm / er würde von Rhodus nicht vertrieben werden / biß er würde weisse Raben in der Lufft flügen / und Fische in seinem Becher schwimmen haben sehen; Ließ er Raben mit Kalche übertinchen / und kleine Fischlein in das ihm zum Truncke besti te Wasser spielen. Es möchte sich aber diß verhalten / wie es immer wolte /so wäre ihr doch ein für allemahl unmöglich Adgandestern zu heyrathen / sie getröstete sich auch: daß ihr Herr Vater / dessen Liebe sie mehr als keine Tochter in der Welt erkennet hätte / sie durch Zwang auf ihr Lebtage nicht unglücklich machen / sondern die Freyheit der Eh / welche man leibeigenen Mägden nicht benähme / gönnen würde. Marbod gieng hierüber im Grimme fort mit diesen Worten: Bescheide dich des schuldigen Gehorsams gegen GOtt und mir; und mache durch Eigensinnigkeit weder dich noch das Reich unglücklich. Adelgunde ward hierüber auffs höchste bestürtzt; Daher sie ihren Kummer in ihrer Hofemeisterin Drahomira Schooß ausschüttete. Diese befahl ihrem Sohne dem Ritter Stochow: er solte sich mühen die Geheimnüße dieser Wahrsagung zu ergründen. Dieser vertraute es mir / sagte Kapliers / und nahm mich zu seinem Gefärthen an. Wir reiseten mit einander zu dem Brunnen / unter dem Scheine der Andacht / konten aber nichts anders erforschen / [1365] als daß sich Adgandester / ehe der König dahin kommen / unbekandter Weise aufgehalten / und mit dem obersten Priester lange Zeit geheime Unterredungen gehalten hatte. Wir kamen auch in dem innersten Heyne zu einem Hause / darinnen die Wahrsager eine gewisse Anzahl aller nur ersinnlichen Vögel unterhielten / und war ihr Wärter so einfältig: daß er uns von freyen Stücken erzehlte: Die Wahrsager pflegten daraus zu ihren Wahrsagungen gewisse Vögel zu erkiesen. Sie hätten auch in ihren Diensten gewisse Vogelsteller /welche den Abgang allemahl ersätzen müsten. Wir fragten diesen einfältigen Menschen um allerhand gemeine Dinge / wie ein und andere Art der Vögel gespeiset würden? Hernach kamen wir darauf: Ob die Wahrsager offt von dar Vögel abholeten / und was sie neulicher Zeit für Vögel ausgelesen hätten? Dieser bekennte: daß sie solche ins gemein den Tag für den Neu- und Vollmohnden zu holen pflegten / und wären sie für dem letzten Vollmohnden um einen Adler /derer keiner im Vorrathe gewest / sehr bekümmert gewesen; so daß sie auch demselben Steller / welcher einen für dem Vollmohnden lieffern würde / drey Pfund Silber zu zahlen sich erboten; welches auch der / welcher ihn geliefert / würcklich bekommen hätte. Stochow fragte weiter: was dazumal mehr für Vögel neben dem Adler wären gebrauchet worden? und bekam zur Antwort: Nichts / als eine Ganß / und Aglaster. Wir waren über dieser Nachricht sehr erfreuet / gaben ihm ein Trinck-Geld / verfügten uns wieder in unsere an dem Heyne erkiesete Herberge /allwo wir über diß erfuhren: daß die Priester sich auf einen ziemlichen Landstrich in der Nachbarschafft verspitzten / welchen sie vom künfftigen Bräutigame der Fürstin Adelgunde / als eine neue Stifftung zu erwarten hätten. Hiermit meinten wir für Adelgunden viel genung ausgeforschet zu haben / kehrten also nach Boviasmum zurücke. Unterwegens war unser einiges Gespräche von den betrügerischen Künsten der Wahrsager / und der Boßheit etlicher Priester / welche an statt heiliger Andacht die Einfältigen durch Aberglauben bländeten / damit sie durch ihre Leichtgläubigkeit ihren Geitz und Ehrsucht vergnügten: oder an ihrer Thorheit sich erlustigten. Wann nun derogleichen arglistige Streiche wären ans Tagelicht kommen / hätte man sich nicht zu verwundern: daß ihrer viel mit denen Wahrsagereyen das Gespötte getrieben /und so viel Völcker den Delphischen Tempel geplündert hätten. Am allerwenigsten aber wäre es den Bäotiern zu verargen: daß sie zu Dodona die wahrsagende Priesterin ins Opffer-Feuer geworffen / als sie ihnen viel Glücke angedeutet gehabt / wenn sie vorher etwas gottloses stifften würden. Denn sie durch ihre Verbrennung entweder der Wahrsagung Folge geleistet / oder sie wegen ihrer Boßheit gestrafft hätten. Wir lobten bey solcher Beschaffenheit Hannibaln /welcher dem Antiochus für übel gehabt: daß er mehr einem Stücke Kalb-Fleische / als einem erfahrnen Feldhauptmanne / mehr der Zunge eines Vogels / als kluger Leute glaubte. Und wir selbst lachten: daß es Leute gäbe / welche mehr Witz in eines Ochsen Leber / als in ihrem eigenen Gehirne zu finden vermeinten. Am allermeisten aber gieng uns zu Hertzen: daß eine Fürstin / welche die Hoffnung hatte in weniger Zeit so viel Völcker zu beherrschen / nunmehr in ihrer Liebe und Eh nicht nur des freyen Willens beraubet / sondern auch dem Betruge weniger eigennütziger Leute unterworffen seyn solte. Wir kamen also zu Boviasmum an / fanden aber den Zustand mercklich verändert. Denn Marbod hatte im hohen Rathe und in Gegenwart des anwesenden Adels / Adgandestern zu seinem Eydame erkläret / und weil Adelgunde ihn dafür zu erkennen sich geweigert / sie auf dem Schlosse Libin verwahren / die Drahomira und andere / welche in Verdacht waren: [1366] daß sie selbte in ihrer Eigensinnigkeit stärckten / von ihr absondern lassen. Die Priester rechtfertigten dieses Verfahren des Königs / und schalten Adelgundens Widerspenstigkeit /welche lieber ihrer eigenen Vergnügung nachhängen /als die Wolfarth des Volckes behertzigen wolte. Weil aber Adelgunde bey jedermann sehr beliebt / Adgandester aber verhaßt war / schöpffte Adel und Pöfel über so strengem Verfahren ihres Vaters nicht weniges Unvergnügen. Dieses verursachte: daß Adgandester selbst aus Furcht eines Aufstandes nicht für rathsam befand sich des Königes Anstalt nach mit Adelgunden in selbiger Stadt vermählen zu lassen; zumahl sie ihm durch den Ritter Staditz einen Hauptmann der Königlichen Leibwache zuentbieten ließ: Sie wolte sich ehe vom Schlosse über die Felsen in die Muldau stürtzen / als ihn ehlichen. Adgandester aber ließ sich diese Dräuungen noch den Unwillen des Volckes an Verfolgung seines Vorhabens nicht hindern; weil es ihm zwar um die schöne Adelgunde / aber noch mehr um die schönere Braut der Marckmännischen Herrschafft zu thun war; und weil er den König zu seinem Willen / die Priester auf seiner Seite / das Kriegs-Volck in seinen Händen hatte / meinte er: daß keine Kräfften der Welt / sie ihm zu nehmen / mächtig wären. Es unterstanden sich zwar einige aus dem hohen Adel für Adelgunden beym Könige zu reden; aber dieser von Adgandestern bezauberte und von seltzamen Einbildungen gebländete Fürst fertigte sie schlecht ab. Um diese Zeit kam der Ritter Arnheim zu Boviasmum an; und weil er vom Hertzoge Ingviomer wider die Cherusker ein Bündnis antrug / ward er so wol von Adgandestern als dem Könige gerne gesehen / und erlangte er in wenigen Tagen alles / was er verlangte. Der König verordnete mich und den Ritter Hasenberg den Gesandten zu unterhalten; welcher denn mehrmahls gegen mich nicht so wol ein Mitleiden /als eine grosse Bekümmerniß über Adelgundens Gefangenschafft mercken ließ / und von mir allerhand Nachrichten zu erfahren sorgfältig verlangte. Weil die Verträuligkeit nun der beste Schlüssel zu anderer Hertzen ist / sagte ich ihm: daß Adgandester / allem Ansehen nach / durch erkauffte Wahrsagung des Königs Hertze gewonnen hätte / und Adelgunde / weil sie sich ihn zu heyrathen nicht beqvämen wolte / als eine Gefangene gehalten würde. Ich erzählte ihm auch die von mir und dem Ritter Stochow erforschte Vermuthungen / durch was für Künste Adgandester die Wahrsagung zu seinem Vortheil ausgewürcket hätte. Der Ritter Arnheim bezeigte mir hierfür grosse Verbindligkeit / ließ sich auch heraus: daß ihn diese Sache mehr angienge / als ich mir einbildete; und endlich als er meiner Aufrichtigkeit sich gnugsam versichert wuste / zohe er die Larve vom Gesichte / und sagte mir: daß Ingviomer sein Hertzog schon für etlichen Jahren / als er mit des Qvintilius Varus Kopffe zum Marbod kommen wäre / seine Freyheit der Fürstin Adelgunde aufgeopffert / und von ihr gewisse Kennzeichen ihrer Zuneigung erlanget hätte. Dieses Feuer loderte noch in Ingviomers Hertzen. Denn weil die Schönheit nach Eigenschafft des Blitzes die Krafft der Einäscherung hätte / bliebe in dieser Asche ihr Feuer immer glimmend / daß die sonst alle Dinge / ja sich selbst fressende Zeit das gleichsam unsterbliche Bild einer geliebten Schönheit im Hertzen nicht vertilgen könte. Nahm dem er auch vernähme: daß Adelgunde mitler Zeit in keine andere Heyrath hätte willigen wollen / zweiffelte er nicht: daß in Adelgundens Seele dieser Zunder eben so wenig erloschen seyn würde. Deñ als sein Hertzog / mit welchem er damals zu Boviasmum gewest / nebst wenigen Bructerischen Rittern die Schönheit Adelgundens in allerhand Ritter-Spielen wider den Marckmännischen Adel / viel damals sich zu Hofe befindende Römer / Griechen /Gallier / Sarmater / Pannonier und andere Ritter mit grossem Ruhme [1367] vertheidigt / und von der Königin Marmeline ihren aufgesätzten Preiß / nemlich eine Huttschnure von denen grösten Indianischen Perlen empfangen / solche aber sie Adelgunden überreicht und gebeten hätte: Sie möchte diesen durch Würckung der Tugend erworbenen Preiß zu ihrem geringsten Halsbande würdigen; hätte sie solchen zwar anzunehmen geweigert / aber doch eine Perle davon abgesondert / und Ingviomern versichert: daß so lange sie solche ihm nicht zurücke schickte / würde sie niemanden höher als ihn schätzen. Als auch Ingviomer von ihr Abschied genommen / gegen sie grosse Versicherungen seiner Liebe ausgedrückt; auch daß ihr Gedächtnüß nimmermehr aus seinem Hertzen kommen würde / betheuert hätte / wäre er mit der holdseeligsten Bezeigung von ihr erlassen / mit ihrem von Diamanten eingefaßten Bildnüsse beschencket worden; und sie hätte ihm gesagt: Seine Perle wäre von ihr in eine Muschel aufgehoben / in welcher sie fester verwahret seyn würde / als worinnen sie wäre gebohren worden. Ob zwar auch der Römische Krieg und andere Mißverständnüsse seiner Liebe nicht wenige Hindernüsse in Weg geworffen / so hätte doch Ingviomer sie durch Schreiben seiner Treue vielfältig versichert. Ich hörte diese und andere Erzählungen; woraus ich eben so wol Adelgundens Liebe ermässen konte / mit grosser Vergnügung / ja unsere Verträuligkeit verursachte uns mit einander ein Bündnüß einzugehen: daß wir Adelgundens gezwungene Eh mit Adgandestern hindern wolten / solten wir auch darüber unser Leben im Stiche lassen. Auf mein Gutachten ward auch der Ritter Stochow / und seine Mutter Drahomira / Milessau / Leipe / und Sudewitz in unser Bündnüß gezogen / und ein jeder hatte eine ziemliche Anzahl tapfferer Edelleute hinter sich / welche uns auf den Nothfall zu Dienste standen. Weil wir nun für hochnöthig hielten / Adelgunden von unserm Verständnüsse Wissenschafft beyzubringen / fand Drahomira durch Bestechung des Koches ein Mittel / welcher ihr im Brodte einen Zettel zubrachte. Wir kriegten aber auf den ersten / andern und dritten keine Antwort / biß der Ritter Arnheim ihr schrieb: daß der / dessen Andencken bey ihr durch eine Perle verwahret würde / für ihre Freyheit sein Blut aufzuopffern bemühet seyn würde. Drahomira bekam hierauf einen Zettel des Innhalts zurücke: Sie wäre erfreut / daß sich so tapffere Leute um ihre Freyheit bekümmerten; diese aber würde ihr keine Gewalt der Welt / und nichts als der Tod das Andencken ihrer Perle aus dem Hertzen nehmen. Wir rathschlagten hierauf mit einander; ob nicht ein Mittel zu finden / Adelgunden aus dem Lybinischen Schlosse zu erretten. Stochow erbot sich über die Klippen des Nachts hinauf zu klettern; und wenn die Fürstin sich nur getraute auf einer Strick-Leiter aus ihrem Fenster sich auf den Felß herab zu lassen / sie unversehrt über die Mulde zu verschaffen. Drahomira brachte durch den Koch ihr nicht nur einen Zettel zur Nachricht / sondern auch in einer Pastete eine von Seiten gemachte Leiter zu. Es lief aber dieser Anschlag übel ab. Denn als Adelgunde bey Mohnden-Scheine im herab-steigen war / ward die Schildwache auf einem Thurme des Schlosses dessen gewahr; machte Lermen / und also muste Adelgunde nicht alleine zurück steigen / sondern der Ritter Stochow ward selbst darüber gefangen; welchem Marbod oder vielmehr Adgandester durch hefftige Dräuungen zusätzte / die Urheber und Mitverwandten dieses Raubes zu vernehmen. Stochow aber blieb darauf feste stehen: daß dieses alleine seine Erfindung und Werck wäre / und ihn nichts als die Erbarmnüß eine so grosse Fürstin im Gefängnüsse zu wissen hierzu veranlasset hätte. Er ward aber in einem festen Thurme /und Adelgunde in einem andern mit eisernen Gegüttern verwahrtem Zimmer aufbehalten. Nach wenigen Tagen verständigte mich Drahomira: daß Adelgunde folgende Nacht aus [1368] dem Lybinischen Schlosse nach Bubienum geführet / und in dem uralten Heiligthume selbigen Ortes Adgandestern vermählet werden solte. Ich reisete mit denen verbundenen Rittern noch selbige Stunde aus Boviasmum / und rafften in der Eyl etwa funffzig Pferde zusammen / mit denen wir uns in einem Walde nahe der Elbe / wordurch der Weg nach Bubienum gieng / versteckten. Ließen aber den Ritter Rismberg nahe bey Boviasmum zurücke; welcher uns an besti tem Ort von dem Abzuge und der Begleitung Nachricht bringẽ solte. Dieser kam auf den Morgen zu uns / mit Berichte: Adelgunde wäre nach geschlossener Stadt mit anbrechender Nacht aus dem Schlosse gebracht / uñ von fünffhundert Reitern / welche Adgandester selbst führete / und die Ritter Talmberg / Schleinitz und Pernstein bey sich hätte; umgeben; also würde wol mit einer solchen handvoll Volckes dieser Anschlag schwerlich auszuführen seyn. Ich aber sagte: In einem solchen Wercke / wenn es schon angefangen wäre / hätte keine Reue nicht statt / sondern müste / es kostete was es wolte / ausgeführet seyn. Der Ritter von der Leipe und Milessau fielen mir bey und sagten: Wir hätten die Menge nicht zu achten / weil schwerlich die Helffte am Gefängnüsse Adelgundens gefallen / und also nicht grosse Begierde hätte durch Tapfferkeit ihre Dienstbarkeit zu verfechten. Wir blieben also nahe an der Elbe / über die sie sich auf einem Prahme sätzen lassen musten /stehen / und beschlossen sie / so bald Adelgunde über den Strom würde gebracht seyn / mit den Worten:Für Adelgundens Freyheit / anzufallen. Liebstein muste auf den höchsten Baum klettern / und Wache halten / damit wir von der Uberkunfft eigentliche Nachricht erlangten. Nach dreyen Stunden kamen sie an den Fluß; Nach dem nun die Helffte der Reiterey übergeführet war / folgte eine Senffte / darinnen Sudewitzes Berichte nach Adelgunde saß / und eine Frau von Waldstein zur Gefärthin hatte. So bald diese das Ufer erreichte / fielen wir aus dem Walde / welcher kaum dreyhundert Schritte von der Anfahrt des Flusses entfernet war / herfür / und reñten spornstreichs mit dem abgeredeten Geschrey auf sie loß / welche sich ehe des Himmelsfalls / als allhier eines Feindes versehen hatten; wusten auch zum theile nicht: ob sie bey verlautender Freyheit Adelgundens zu den Waffen greiffen solten / oder nicht / biß Adgandester sie ermahnte / sie solten für den König und seine Tochter uns als Raubern die Stirne bieten. Er befahl auch alsbald: daß Adelgunde über den Fluß wieder zurücke gebracht werden solte. Diese aber / als sie unsere Ankunfft gesehen / und von ihrer Freyheit gehöret / war schon von der Senffte gesprungen / und hatte einem Marckmanne den Spieß aus den Händen gerissen /mit welchem sie sich gegen die / welche sie wieder auf den Prahm bringen wolten / sätzte / ja als sich Adgandester ihr näherte / ihm damit eines zu versätzen mühte. Wir säumten uns inzwischen nicht / unsern zweiffelhafften Feinden unsern Ernst zu zeigen / und drang Milessow mit etlichen Rittern biß zu Adelgunden / als ich inzwischen mit dem Ritter Pernstein und Schleunitz alle Hände voll zu thun bekam. Adelgunde schwang sich dem Milessow / welcher durch Aufhebung seines Helmes sich ihr hatte zu erkennen gegeben / aufs Pferd / und wäre mit ihm glücklich entkommen / wenn nicht der für Grimm schäumende Adgandester ihm den Weg gegen dem Walde abgeschnitten /und ihn angesprenget; also Adelgunden wieder abzusitzen genöthiget / Kunnburg aber sie erwischet / und zurücke geführet hätte. Adgandester / welchen die hefftigsten Gemüths-Regungen / nemlich Liebe / Haß und Ehrsucht anfeuerten / that zwar sein euserstes /und mehr als ihm jemand unter uns zugetraut hätte /nichts desto weniger erhielten wir anfangs im Streite ziemlichen Vortheil / weil ihrer viel wider uns schläfrig [1369] oder gar nicht fochten / also / daß Adgandester und seine Führer / nach dem ihr Beyspiel nichts verfieng / ihnen die grimmigste Rache ihres Königes andeuten musten; wo sie durch ihre Zagheit seine Tochter diesen wenigen Räubern würden zu theil werden lassen. Wie nun nach und nach unsere Wenigkeit ihnen mehr Hertz machte; also wurden sie auch durch die Uberfahrt ihrer Gefärthen immer stärcker. Weil nun die meisten unter uns verwundet / und also unsre Hoffnung Adelgunden zu erlösen fast verschwunden war / ermahnte ich den Ritter Mileßow / Sudewitz und Riczan / sie solten nebst mir allein auf Adgandestern loßgehen. Denn wenn wir nur diesem das Licht ausleschten / wäre Adelgunde für sich selbst in Freyheit. Wir schlugen uns glücklich durch / und Sudewitz versätzte seinem Pferde in den Hals einen Streich: daß es mit Adgandestern übern Hauffen fiel /und er in grosse Gefahr gerathen wäre / wenn nicht Wartenberg und Mitrowitz ihn entsätzt / Hisserle aber ihm auf ein ander Pferd geholffen hätte. Hierüber kamen wir ins Gedränge / unsere Reisigen begonten gegen dem Walde zu weichen / unser einiger Trost war noch unser Degen / unser Hertze / und das beste Gewehre die Liebe zu Adelgunden / der Haß gegen Adgandestern. Derogestalt schien alles verlohren zu seyn; ja wir vier wären auch hundert mahl todt blieben / wenn nicht Adgandester befohlen hätte / uns /die wir ihm die Rädelsführer zu seyn aus den Rüstungen schienen / lebendig zu fangen. Hierüber hörten wir ein neues Geräusche von Pferden / und sahen zwey mit güldenen Waffen gerüstete Ritter mit einem Gefolge von nahe anderthalb hundert Pferden spornstreichs ankommen / welche nach Erkundigung / welches Theil auf Adgandesters Seite wäre / sich zu uns schlugen / und dem Streite bald eine andere Gestalt gaben. Denn wir kriegten mit dieser unvermutheten Hülffe bald ein zweyfach Hertze / unsere Feinde aber / derer schon sechzig gefallen / so viel harte verwundet / und alle abgemattet waren / alle Hände voll zu thun. Die zwey Führer / derer der eine einen weissen Adler / welcher einem Habichte eine Taube abjagte /der andere den Perseus auf dem geflügelten Pferde /wie er die angeschmiedete Andromeda vom Meerwunder errettete / im Schilde mit dieser Uberschrifft: Für die Freyheit der Vollkommensten / führte / wiesen mit ihren Säbeln nicht weniger Ernst als Geschickligkeit. Einer mühte es sich dem andern an Tapfferkeit vorzuthun; und also fochten beyde als Löwen / ihre Kriegs-Leute aber nach ihrem Beyspiel. Wo sie ihre Waffen hinwendeten / sahe man nichts als Schrecken und Leichen / von denen sie gleichsam Berge aufthürmten / und Bäche von Blut abströmten. Dieses er weckte auch in uns eine Eyversucht; und wolten wir /die wir die ersten in Streit kommen / nicht gerne die letzten in der Tugend / sondern gleichwürdige Werckzeuge des Sieges seyn. Die Unsrigen bekamen ihr Hertz wieder / welches unser Gegentheil mit ihrem eingebildeten Siege verlohren. Jeder fragte nach Adgandestern und wolte ihm zu Halse; gleichwol wurden alle stehende Feinde so feurig angegriffen / als wenn ein jeder Adgandester wäre. Nach einer halben Stunde brachten wir unsern Feind in Verwirrung / und bald darauf in die Flucht. Adgandester schäumte für Rache und Unmuth / und hätte für Adelgunden gerne alles Blut der Marckmänner aufgeopffert. Als er ihm aber den Sieg mit Gewalt aus den Händen reissen sahe /meinte er wenigstens die Leute zu retten / erwischte also bey so verzweiffeltem Zustande Adelgunden /und eilte mit ihr dem Prahme zu; aber ich hatte das Glücke / daß ich ihm einen Streich in Arm versätzte /und ihn Adelgunden fahren zu lassen zwang / Milessow aber diese Fürstin aus dem Gedränge und in unsere Verwahrung zu bringen. Adgandester und wenige seiner Gefärthen fuhren halb rasende über diesem Verluste zurück über die Elbe / ohne daß [1370] sie wusten /was sie für Feinde hatten? die übrigen liessen wir nach erlangter herrlichen Beute ohne Verfolgung in die nechsten Wälder gerne entrinnen. Uns erwuchs aber ein neuer Kummer / weil unsere letzte Gehülffen Adelgunden in ihren Besitz verlangten. Milessow und ich ritten mit entblösten Antlitzen zu ihnen / danckten ihnen aufs höflichste für geleisteten Beystand / getrösteten uns aber: daß / weil ihre Schilde ihren herrlichen Vorsatz Adelgunden in Freyheit zu sätzen / entdeckten / sie diese Fürstin auch derselben würden genüßen lassen. In allewege / antwortete der mit dem weissen Adler / sie wird bey uns ihre völlige Freyheit und die beste Sicherheit haben. Milessow bat: sie möchten sich bey dieser Bewandnüß zu erkennen geben; denn sie wären aller derer Diener / die für Adelgunden einen so heilsamen Vorsatz führten. Dieser hob seinen Helm auf / und fieng an: Meine Aufrichtigkeit hat keiner Verstellung von nöthen; ich bin Boleßla / des Sarmatischen Königs Sohn. Der andere mit der Andromeda öffnete gleichfals seinen Helm und sagte: Mein Antlitz und Hertze darf keine Larve; ich bin Britomartes der Bastarnen Erb-Fürst. Wir stiegen beyde von Pferden / erwiesen ihnen alle geziemende Ehrerbietung. Als wir uns nun wieder zu Pferde gesätzt / fieng Milissow an: Wir wären Marckmännische Ritter / und Adgandesters geschworne Feinde; weil dieser Zauberer ihren König bethöret /Adelgunden aber / welche den tapffersten Fürsten der Welt zu ehligen würdig wäre / unter dem Scheine der Liebe zu seiner Magd zu machen sich erkühnet hätte. Ihnen wäre auch nicht unwissend: daß der Sarmatische und Bastarnische König um sie für ihre Söhne /welche beyde Helden sie heute ihre Tapfferkeit durch unvergleichliche Thaten hätten bewehren sehen / werben lassen. Sie wünschten ihrer Fürstin den würdigsten / gönnten sie allen Fürsten / außer dem boßhafften Adgandester. Nach dem aber beyde anwesende Fürsten an sie Anspruch machten / wäre zu besorgen: daß Adelgundens Besitzthum bey ihnen nur zum Zanck-Apffel werden würde. Britomartes versätzte: Dieses hätten sie sich nicht zu befürchten. Denn nach dem ihrer Väter Gesandten so lange Zeit an Marbods Hofe gewesen / und nichts ausgerichtet / ja vielleicht einander in ihren Werbungen gehindert hätten / wären beyde Könige / der ieder des andern Schwester zur Eh hätte / auf den Gräntzen zusammen kommen / und hätten daselbst dieses Bündnis gemacht: daß ihre Söhne selbst nach Boviasmum ziehen / sich um Adelgundens Liebe bewerben / und keiner dem andern zu wider seyn / sondern dem Obsieger sein Glücke gönnen solte. Diß hätten sie einander geschworen / und würden es redlich halten. Sie hätten aber zu Welchrad der Haupt-Stadt der Kwaden erfahren: daß Adelgunde wegen des von ihr geschmäheten Adgandesters von ihrem Vater gefänglich wäre eingezogen worden. Diese Bedrängnüs wäre ihnen derogestalt zu Hertzen gegangen: daß sie sich mit einander verbunden und darzu geschickt gemacht hätten / sie durch Fürkehrung aller eussersten Mittel in Freyheit zu sätzen. Sie schätzten es auch für nichts ungefährliches / sondern für eine absondere Schickung des Verhängnüßes: daß sie sich durch den Ruff / als wenn Adelgunde schon Adgandestern vermählet wäre / nicht von Fortsetzung der Reise hätten abhalten lassen / und daß sie der Himmel gleich zu hoher Zeit Adelgunden aus Adgandesters Klauen zu erretten in die Nähe geführet / wo ihnen ein aus dem Treffen kommender Verwundeter sie gebeten hätte / etlichen Rittern / welche für Adelgundens Freyheit in gefährlichem Kampffe begriffen wären / zu Hülffe zu eilen. Ich begegnete ihm: wenn sie Adelgundens Willen ihnen zu ihrem Gesätze beliebt hätten / würde sie selbst / wo sie ihrer Freyheit und Sicherheit zu finden meinte / auszusprechen haben. Beyde Fürsten waren hiermit vergnügt / verlangten also die Ehre ihr die Hände zu küssen / sprangen nebst uns von den [1371] Pferden / und eilten zu Adelgunden / welche sie mit so grosser Leitseligkeit annahm / als diese sie mit höflichster Ehrerbietung angiengen. Insonderheit wuste sie ihre verbindliche Danckbarkeit auf die allernachdrücklichste Art gegen sie auszudrücken / als sie von mir vernahm: daß beydes zwey so grosse Fürsten wären. Diese hingegen wurden von ihrer Schönheit / welche das Gemüthe wie die Sonne das Gesichte verbländet / gleichsam bezaubert / daß nach dem sich ihre Augen ihrer Sinnen in einem Augenblicke gleichsam bemächtigten /die Vernunfft über die Gemütsregungen ihre Herrschafft verlohr. Sie sahen nunmehr: daß Adelgunde mehr ihrer selbsthalber / als wegen ihres Erbtheils geliebt zu werden verdiente. Beyde büßten durch den Dienst ihrer eigenen Augen / welche das Verhängnüß gleichsam zu diesem Verluste erkieset hat / und kein ander Gesätze / als das der beliebten Schönheit annehmen / ihre Freyheit ein. Denn ihr sehen / ihre darüber fühlende Ergetzung / und ihr Verlangen hieng wie eine Kette an einander; Hingegen waren ihre Gedancken zerstreuet / ihre Zungen gleichsam gebunden: daß sie ihre Gemüthsneigungen mit ihrer sonst fertigen Beredsamkeit nicht an Tag geben konten. Unterdessen vertraten doch beyder Augen ihre Zunge / endlich erholte sich doch Britomartes und fieng an: Das Geschrey hätte sich zwar mit den Pfeilen ihrer Schönheit ausgerüstet / und seine Ohren zu Pforten gebraucht / durch welche es ihrer Liebe den Weg in sein Hertze geöffnet / allein er erführe nun bey ihrer Gegenwart / daß das Gehöre nur eigendlich der Begierde den Eintritt öffnete / die Augen aber das rechte Liebes-Thor wären / dardurch sie sich geraden Weges der innersten Seele einverleibte. Der Ruff von ihren Vollkommenheiten hätte ihm zwar die Flügel der Adler angehefftet: daß er nicht ehe ruhen können / biß er seine Sonne ins Gesichte bekommen; nun aber stünde er ia derselben Anwesenheit in Kummer / daß sein Hertze nicht wie des Icarus Wachs von den Strahlen ihrer Vollkommenheiten zerschmeltzte. Boleßla faste sich unterdessen auch / und redete sie an: Er erführe numehr auch bey ihrem holdseligen Anblicke / daß das sich in die Ferne ausbreitende Geschrey nur kleine Sachen vergrösserte / grosse aber verkleinerte. Denn man redete zwar in aller Welt von Adelgunden so viel gutes / als man vom gantzen weiblichen Geschlechte preisen könte / aber er träffe an ihr nicht so wol einen kurtzen Begriff aller Schönheiten / als einen unbegreiflichen Uberfluß aller Vollkommenheiten an. Er wäre aus seinem Vaterlande zwar so verliebt gereiset: daß er vermeint / seine Liebe hätte schon alles Wachsthum überstiegen; Alleine diese wenigen Augenblicke / da er mit ihr etwas Göttliches zu sehen das Glücke gehabt / überzeugten ihn seines Irrthums /oder ihre Gegenwart hätte eine Krafft den Gemüthern etwas mehres als Liebe einzupflantzen. Die Würckungen ihrer Augen hätten zwar die Geschwindigkeit des Blitzes an sich / dessen Verwundungen auch das Gesichte übereilten; aber sie hätten vielmehr heilsames an sich; Denn sie machten mit ihrem Blitze lebhafft /und also wäre er festiglich beredet: daß sie nichts an sich zu nehmen fähig wäre / was einen Werckzeug ihn zu tödten abgeben könte. Adelgunde antwortete mit einem zwar freundlichen / doch die wenigste Veränderung verrathenden Gesichte: Sie würde bey Wissenschafft ihrer Fehler über so grossem Lobe beschämet /welches sie ihrer Höfligkeit und vielleicht diesem Absehen zuschriebe; daß sie ihre Tapfferkeit für nichts unwürdiges angewehrt zu haben beschuldigt werden möchten. So wenig sie nun so viel Ruhmes verdiente /so vielmehr wäre sie ihnen für ihre Hülffe verpflichtet / und wäre ihr kummerhafft / daß das Unglücke sie in solchen Zustand versätzt hätte / darinnen sie ihre danckbare Erkäntnüß mit nichts besserm als unfruchtbaren Worten zu verstehen geben könte. Britomartes versätzte: [1372] Ihre Hülffe wäre nichts mehres als eine wenige Pflicht / welche ieder Edelmann auch dem fremdesten Frauenzimmer abzustatten schuldig wäre / also für nichts von der anzuziehen / welcher er fürlängst seine Seele gewiedmet hätte / und für das gröste Glücke der Welt achten würde / wenn er durch Aufopfferung seines Blutes etwas zu Adelgundens Vergnügung beytragen könte. Und Boleßla sätzte den Wunsch bey; daß diß der geringste Dienst von denen wäre / welche er Adelgunden zu Liebe auszurichten ihm fürgesätzt hätte. Adelgunde begegnete ihnen: Weil nichts köstlichers als die Freyheit wäre / könte nichts edlers als derselben Beschirmung seyn. Daher sie auch mit Wercken vergolten / nicht mit eiteln und in der Lufft verschwindenden Worten gepriesen werden solte. So tapfferer Helden Eigenschafft wäre auch grosse Thaten zu thun / nichts davon zu reden / gleich als wenn die Zunge denen Verdiensten ihren Werth benähme / und sie die Frucht ewigen Andenckens nicht trügen / wenn sie nicht wie ander Saamwerck vorher mit Fleiß vergraben würden. Mit solchen Gesprächen hätten sie sich noch länger aufgehalten /wenn nicht Milissow erinnert hätte: daß Adgandester noch lebte / seine Liebe und Rache ihn auch nicht ruhen lassen würde. Weil er nun als erwehlter Königlicher Feldhauptmann in dem von Kriegs-Volcke ziemlich angefüllten Lande sie leicht mit grösserer Macht überfallen könte / hätte Adelgunde keine Zeit zu verspielen / sondern sie solte nun selbst ihr einen Ort zu ihrer Verbergung oder Sicherheit erkiesen. Boleßla bot ihr Sarmatien hierzu an / wo sie sicherer /als irgendswo in der Welt seyn würde. Alleine Britomartes meinte: daß das von Marckmännern noch weiter entfernte Bastarnien Adelgunden einen noch sicherern und annehmlichern Auffenthalt geben würde. Jener führte für sich / und dieser nicht weniger zu seinem besten allerhand Ursachen des Vorrechtes an. Also trennte sich allzu zeitlich ihre beschworne Verträuligkeit / welche die aller Gemeinschafft unleidliche Liebe nicht verträget / wenn sie schon Geblüte und Eyde zu befestigen vermeinen. Daher hatte Boleßla und Britomartes Adelgunden so geschwinde nicht gesehen / als sich die Eyversucht in ihre Augen und Hertzen einspielte. Einer wünschte den andern von ihr weiter als den Himmel von der Erde entfernet / welcher beschuldiget wird: daß er mit ihr eyvere /wenn er den Gegenschein seiner Sternen in Wässern erblicket. Jeder gab auf des andern Worte und Blicke genauer als ein Luchs achtung / gleich als wenn ieder Athem des andern sein Glücke / wie ein Hauch die Spiegel verdüstern / oder etwas ihrem hi lischen Antlitze entziehen würde. Es würden beyde Fürsten auch besorglich einander in die Haare gerathen seyn /wenn nicht Adelgunde sich erkläret hätte: Sie wolte lieber zehnmahl in vorige Bestrickung gerathen / als ihrem guten Nahmen so viel / als ein Sonnenstaub austrüge / Abbruch thun. Sie würde aber nicht weniger ihre Ehre kräncken / als ihren Vater beleidigen /wenn sie ausser seines Reiches einige Sicherheit suchte; aus welchem sie auch die tapffern Marckmänner /welche zwar für ihre Freyheit gefochten hätten; aber doch die Treue gegen ihrem Könige kein Haar breit zu versehren gemeinet wären / nicht führen lassen würden. Dieser Vortrag war beyden Fürsten zwar ein strenges Gesätze; weil sie aber der Marckmänner Waffen wider den / welcher sich einiger Thätligkeit anmassen würde / fertig / und die Unmögligkeit eine solche Fürstin wider ihren Willen durch ihr väterliches Gebiete mit Gewalt fortzubringen für Augen sahen; insonderheit aber ihr Neid dem andern die Verwahrung einer so köstlichen Perle mißgönnete / und ein Schwerdt das andere in der Scheide hielt / musten sie sich nur ihrem Befehle unterwerffen / sonderlich da Adelgunde selbst sich erklärte: daß sie Milissow auf sein festes Berg-Schloß bringen [1373] solte. Beyde Fürsten trugen sich biß dahin zu ihrer Leibwache an. Sie aber lehnte es damit ab: Daß ihre Begleitung sie mehr in Gefahr sätzen / und ihnen selbst viel Ungemach /aber keinen Vortheil zuziehen würde; weil sie zwar sich ihren Vater zu keiner Heyrath zwingen lassen /aber doch wider seinen Willen niemanden ehligen würde. Dieses redete Adelgunde mit einem solchen Nachdruck / daß weder ein noch der andere Fürst das Hertz hatte / darwider etwas einzuwenden; weil sie wol sahen: daß bey dieser Fürstin der Gehorsam das verdienstlichste Opffer wäre. Nur fiel hierbey dieses Bedencken für: Ob beyde Fürsten auch in Boviasmum für dem Zorne des Königes / oder vielmehr für der Rache des eyversüchtigen Adgandesters sicher seyn würden; weil doch unmöglich zu verhölen wäre / daß sie zu Adelgundens Befreyung geholffen hätten. Milissow rieth ihnen in alle Wege / daß sie sich nach Boviasmum / aber auf einer andern Strasse / die er durch einen Edelmañ ihnen wolte anweisen lassen /verfügen / und bey beyder Königlichen Väter Botschafftern sich in Sicherheit setzen solten. Denn diese dem Adgandester gehäßige Stadt würde auf allen Fall ihnen als Errettern der beliebten Adelgunde kein Leid wiederfahren lassen / wenn schon Adgandester an ihnen das Völcker-Recht verletzen wolte. Ich / sagte Kapliers / versprach auch mich zu ihren Diensten dahin zu verfügen / so bald wir Adelgunden in Sicherheit gebracht haben würden. Hiermit wurden sie gezwungen von Adelgunden Abschied zu nehmen / welcher ihnen zweymahl so viel Bitterkeiten einschenckte / als sie vorher Süßigkeit geschmeckt hatten. Die einige Eyversucht fand hierinnen ihr Labsal / weil sie der Sorgfalt / des andern Blicke zu bewahren / entübriget ward. Wir wolten also Adelgunden mit der Frauen von Waldstein wieder auf die Sänffte bringen / aber jene zohe ihre Wolfarth ihrer Gemächligkeit vor /zohe eines Erschlagenen Kriegs-Rock an / setzte einen Helm auf / gürtete ein Schwerd um / faste sich mit einem Schilde / und sätzte sich zu Pferde. Die Frau von Waldstein folgte ihrem Beyspiele / und also verfolgten wir mit allem Fleiße durch die dicksten Wildnüße unsere Reise ohne einige Hindernüße / und kamen den dritten Tag auf dem Schlosse Bezdiez an /welches von Vögeln auf die Spitze eines gähen Steinfelsens gebauet zu seyn schien: Wir meinten Adelgunden allhier in einen sichern Hafen gebracht zu haben /so wurden wir inne / daß sie dem Schiffbruche näher /als irgends vorher gewest war. Denn die Frau von Waldstein / welche sich etliche Stunden mit ihr als einer verzweiffelten geärgert hatte / ließ um Mitternacht den Ritter Melissow und mich beruffen. Wir hörten mit grosser Erstaunung: daß sich Adelgunde hätte vom Schlosse abstürtzen wollen; und traffen sie auch noch als eine Wahnsinnige an / welche auf uns tausend Flüche ausschüttete / weil wir sie aus den rechtmäßigen Banden ihres Vaters gerissen / und verleitet hätten: daß sie ihre Ehre ihrer Liebe nachsätzen solte. Die gantze Welt würde sie verspeyen: daß sie den Gehorsam gegen ihren Vater und König ausgezogen / und ihre Tugend mit dem Argwohne schändlicher Laster befleckt hätte. Wir redeten ihr ein / was wir wusten / und konten; es halff aber alles weniger /als ein Schlag ins Wasser / biß wir ihr sagten: daß wir so fertig wären sie auf den Morgen wieder in die Armen ihres Vaters zu lieffern / als wir sie aus den Klauen Adgandesters gerissen hätten. Hierauf beruhigte sich Adelgunde / und hatte sie die übrige Zeit mit einem sanfften Schlaffe hingelegt. Früh wurden wir zwey zu ihr und der Frauen von Waldstein in ihr Zimmer beruffen. Adelgunde befand sich zwar in einer tieffen Traurigkeit / aber doch bey gesätztem Verstande / und redete uns folgender Gestalt an: Eure Dienste sind zwar von solcher Beschaffenheit / daß ich nicht weiß: ob sie mehr zu meiner Unehre als zu[1374] meiner Freyheit gereichen werden / gleichwohl aber sind sie gegen mich so wol gemeint: daß ich sie euch nimmermehr vergelten kan. Ich bin nun zwar meiner Gefangenschafft erledigt / aber in viel grössern Kummer versätzt / und habe hier mehr eures guten Rathes als an der Elbe euer Tapfferkeit von nöthen. Denn dort war es nur um meine Freyheit / hier aber ist es um meine Ehre zu thun. Ich weiß wol: daß die Liebe keinen Zwang leidet; aber nicht / ob einer Tochter aus der Gewalt ihres Vaters zu flüchten sich geziemet. Wäre es nicht verantwortlicher aus den Gräntzen des Lebens / als aus dem Schrancken des Gehorsams zu schreiten? Adgandester ist mir zwar ein Greuel in Augen; aber stehet das Urthel nicht mehr beym Vater und beym Könige / als bey einer Tochter und Unterthanin / wer ihrer Liebe würdig sey? Liegt dieses Gesätze nicht allen Fürsten-Töchtern ob: daß sie nicht nach ihrer Lüsternheit Männer erwehlen dörffen / sondern die Staats-Klugheit sie ihnen müssen geben lassen? Alleine ich muß euch so wenig meine als ein Krancker dem Artzte seine Schwachheit verhölen /meine Liebe hat mich übereilet. Adgandester ist zwar nicht allerdings liebens werth. Aber ich hasse ihn nicht so sehr wegen sein selbst / als wegen seines Mit-Buhlers / der über mich mehr als ich selbst Gewalt habe. Ihr wisset aber die Eigenschafft der Liebe: daß sie sich ehe selbst einäschert / als sich des Geliebten entsätzen läst; daß sie die besessenen Hertzen nicht wie ein Herr oder König / sondern wie ein Wütterich beherrschet / daß weder Hertzhafftigkeit noch Weißheit / noch Gesätze / noch Geblüte / noch andere Verbündligkeit / ja die Ehre selbst nicht ihren Geboten zu widerstehen gewachsen ist. Diesen Kampff fühle ich in meinem Hertzen. Denn / wo ich mich nicht selbst betrüge / streitet die Ehre für Adgandestern / die Liebe aber für Ingviomern den Hertzog der Bructerer. Jenem redet mein Vater / diesem das Verhängnüs das Wort. Denn dieses leitete mich ihn zu lieben / ehe ich wuste was Liebe wäre. Seine hohe Ankunfft / seine Gestalt / seine Tapfferkeit /seine Anmuth / und andere Tugenden waren mir eitel Magnetsteine / und zohen mich so sehr / als wenn ich von eitel Stahl wäre. Das zwischen den Marckmännern erwachsende Mißtrauen entzohe mir zwar seine Gegenwart / aber es leschte mein Feuer nicht aus. Weil ich etwas mehr als irrdisches an ihm fand /hatte er bey seiner Abwesenheit einen so kräfftigen Zug in die Ferne über mich / als der Angelstern über die Magnet-Nadel. Seine Helden-Thaten flösseten durch das blosse Gehöre so viel Oel meiner Liebe ein: daß sie nun unauslöschlicher als das Griechische Feuer worden ist. Alleine kan ich wol diese Flamme entdecken / ohne daß ich dadurch meine Ehre vertilge? Werd ich dadurch nicht die Strengigkeit meines Vaters rechtfertigen / und Adgandestern von allen seinen Heßligkeiten weißbrennen? Gleich als wenn ich ihm nicht wegen sein / sondern wegen Ingviomers verschmähete? Ist es nicht billicher: daß in einer edlen Seele die Liebe der Ehre / als die Ehre der Liebe weiche? Lässet sich ohne Hoffnung etwas mit Vernunfft lieben? Was für Hoffnung aber hat ihr Adelgunde auf Ingviomern zu machen / nach dem jener das Hertze Marbods besitzet / und die Herrschafft über seinen Willen hat? Wenn aber auch dieser schon auf die Seite käme / wer ist mir Bürge: daß Ingviomers gegen mir betheurte Liebe nicht fürlängst in seinem Hertzen verschwunden und in die Lüffte verrauchet sey? Ist es nicht ein gemeiner Fehler unsers Geschlechtes: daß es sich mit den Liebkosungen der Männer / und mit eigener Hoffnung betreugt? Was für neue Anfechtungen dörfften Adelgunden durch den Sarmatischen und Bastarnischen Fürsten zuwachsen? und wer weiß /was das Unglück sonst mehr für Steine Ingviomern in Weg werffen würde / welchen Marbod zwar aus Staats-Klugheit zum Bundgenossen / [1375] aus eingewurtzeltem Hasse aber nimmermehr zum Eydam annehmen wird. Löset mir daher diese Zweiffels-Knoten auf. Helffet der sonst verzweiffelnden Adelgunde aus diesen Anfechtungen. Saget mir: ob ich in diesem Schlosse verborgen und sicher seyn könne / ohne daß ich durch diese Verhölung meine Ehre vertunckele /meine Tugend beflecke / und mein Gewissen verletze? die Augen löseten ihre Zunge mit Ausschüttung unzählbarer Thränen ab / vielleicht weil diese nachdrücklichere Redner als Worte sind / und diese zwar einen zum Mitleiden bewegen / jene aber zwingen. Wir drey sahen einander an / und iedes bildete sich vom andern ein: daß es Adelgunden beantworten würde. Endlich aber brach Milissow unser Stillschweigen / und fieng an: Gnädigste Fürstin / wenn jemand unter uns gezweiffelt hätte / daß der lasterhaffte Adgandester der rechte Unglücks-Vogel des Marckmännischen Reiches sie zu besitzen unwürdig wäre; und daß sie ihn nichts minder von gantzem Hertzen / oder aus gerechten Ursachen hassete /würde keiner unter uns wider ihn den Degen gezückt haben. So aber haben wir uns nicht gescheuet unser Blut / Ehre und Vermögen für sie aufzusätzen / und unsers Königs Rache gleichsam wider uns auszufordern; weil es zu ihrer Vergnügung und zu des Reiches Wolfarth dienlich geschienen: daß der nicht der Marckmänner Haupt würde / welcher der Anfang ihres Unterganges zu seyn scheinet. Wir wissen nicht alleine: daß sie zwey tapffere Fürsten der Sarmater und Bastarner verlangen / sondern wir hören nun auch aus ihrem Munde: daß sie an Ingviomern einen Fürsten liebe / welcher die Welt mit dem Ruhme seiner Thaten erfüllet / und Adgandesters Tugenden alle zweyfach / keines aber seiner Laster hat. Also gehe sie doch nur mit sich selbst zu rathe: ob es weißlich gethan sey / wenn es durch Adgandesters Erwehlung sich selbst erniedriget / den Marckmännern weh thut /sich dessen / was sie liebet / beraubt; damit sie sich dem zueigne / welchen sie hasset / und der sie / als er über sie noch kein Recht gehabt hat / schon zur Sklavin gemacht. Weder Recht / noch Gesätze erfordern /sich selbst zu verliehren / um seinen Feind zu bereichern. Es laufft vielmehr wider die Vernunfft / und die Ordnung der Liebe einen andern durch sein Verderben zu beglückseeligen. Ja die Ehre selbst verhänget zwar: daß man die Waffen wegwerffe / einem andern ohne Zagheit den Sieg enträume; aber sich gantz kan man ohne Schande und Untreu nicht einem Neben-Buhler dessen / den man liebet / unterwerffen. Denn wir verrathen die Falschheit unserer Liebe / so bald wir etwas in der Welt seiner Vergnügung fürziehen. Wie wir das überstandene Ungemach / wie empfindlich es gleich gewest / leicht vergessen / also dencken wir unserm künfftigen selten zur Genüge nach. Das Ubel aber ist nicht ehe ein Ubel / als biß wir es fühlen oder erkennen. Ja die schöne Adelgunde wird sich der Welt zum Meerwunder machen / wenn sie hören wird / daß sie ihr selbst Gewalt angethan / um ihren Liebhaber in Verzweiffelung zu stürtzen / und seinen Neben-Buhler zu beglückseeligen. Wie oder sätzet sie auf unsere Treue und auf die Gerechtigkeit des Himmels ein Mißtrauen? Haben wir nicht jene schon mit unserm Blute / und dieser sein Wolwollen durch Zuschickung einer wunderwürdigen Hülffe besiegelt? dieses Schloß können kaum die Vögel überflügen; und sie befürchtet sich / daß es die Menschen ersteigen werden? Wenn aber auch diß Unglücke über sie verhangen wäre / würde sie so denn mehr verlieren /als sie itzt selbst von sich stossen wil / nemlich ihre Freyheit? Welche wir uns offt mit Ehren nehmen lassen / aber niemahls ohne Schande abtreten. Man sahe es Adelgunden an Augen an: daß sich ihr Gemüthe durch dieses Ritters Zureden mercklich aufrichtete. Daher erkühnte ich mich ihr alles zu erzehlen / was der Ritter Stochow und ich für glaubwürdige Anzeigungen [1376] des von den Wahrsagern für den Adgandester gebrauchten Betruges erforschet hatten / und versicherte sie: daß die Sonne / als eine Feindin verborgener Rencke und die Ausspürer in aller Heimligkeiten /solche zu Adgandesters Beschämung würde ans helle Tagelicht legen. Ich entdeckte ihr zugleich / wie sehr der Bructerische Gesandte um ihre Bedrängung bekümmert / und der sie noch beständig liebende Ingviomer für sie Himmel und Erde zu bewegen entschlossen wäre. Weil dieser nun vom Könige Marbod für einen Bundgenossen aufgenommen / und an Glücke und Tugend Adgandestern weit überlegen wäre /zweiffelte er nicht: daß seine Ankunfft diesem sein gantzes Spiel verziehen / den König zu bessern Gedancken / und Adelgunden zu gewünschter Vergnügung bringen würde. Adelgunde säuffzete / und fieng an: Mit was für süsser Hoffnung überzuckert ihr die Wermuth meines Nothstandes? Solte ich mich von Ingviomern nicht nur eines so holden Andenckens /sondern auch seiner Hülffe zu getrösten haben? Ich erzehlte hierauf noch viel mehres / damit sich dieses Hertzogs Gesandter gegen mir ausgelassen hatte. Dieser würde auf ihren Befehl für sie alles thun / und Ingviomer selbst ihr zu Dienste durchs Feuer lauffen /und sein Blut aufopffern. Weil sie nun dessen von ihm versichert wäre / solte sie durch Eröffnung ihres Hertzens ihm einige Erkenntligkeit zeigen / und weñ sie ihn einer Botschafft würdigte / ihn durch etwas bey ihm beglaubt machen. Adelgunde ließ hierüber ziemliche Vergnügung spüren / und nam meinen Vorschlag biß auf den andern Tag zum Bedencken. Wir wurden aber noch selbigen Tag unterschiedener anziehenden und sich unter dem Schlosse setzender Kriegs-Hauffen gewahr / ja Adgandester ließ kurtz darnach das Schloß auffordern / weil er vergewissert wäre: daß die Königliche Tochter von ihren Räubern darinnen in Bestrickung gehalten würde. Nach gehaltener Unterredung aber ließ Milissow Adgandestern zu entbieten: daß sein Schloß kein Rauber-Nest / sondern ein Hafen der numehr in Freyheit lebenden Fürstin Adelgunde wäre; welche alleine darinnen zu gebieten hätte / und sich ehe nicht von dar begeben wolte / biß sie ihren Vater und König in gleichmäßiger Freyheit wissen würde. Nach dieser Abweisung ward das Schloß rings umher mit Wachen besätzt; nichts desto weniger erbot ich mich gegen Adelgunden durch Hülffe eines guten Leiters verkleidet aus dem Schlosse zu spielen / und alle ihre Befehle auszurichten. Diese enge Einsperrung bewegte sie an den Hertzog Ingviomer dieses / was ich überliefert habe / zu schreiben. Alle andere Sorge für sie / stellte sie meiner Treue heim. Um Mitternacht ließ man mich und einen Förster des Ritters Milissow in gleicher Kleidung an einem Seile und Knöbel über fünfhundert Ellen tief / auf eine Klippe herab / von welcher wir gleichsam als Gemsen über andere kletterten / und durch die ihm wolbekandten Wälder / darinnen wir einen Luchs und einen Gems schossen / und uns damit behenckten / an die Elbe / und den dritten Tag unter dem Scheine unser Wild zu verkauffen / ohne Anstoß nach Boviasmum kamen. Wir giengen daselbst in etliche gemeine Häuser / und überboten unser Wilpret mit Fleiß / daß wir in Mangel der Käuffer mit Fug in das Hauß des Bructerischen Gesandten kommen konten. Als nun dessen Dienern es gleichfalls zu theuer war / sagte ich: wenn ihr Herr von mir nur die heilsamen Mittel / darzu die Luchskreile und die Gemsen-Kugeln dienten / erfahren solte / würde er uns nicht alleine nichts abbrechen / sondern ein mehres dafür zahlen. Diese verlangten solche zu erfahren /ich aber weigerte mich / diese Geheimnüsse Dienern gemein zu machen / welche allein grossen Herren zu wissen anstünden. Hiermit brachte man mich zum Gesandten; welchem ich mich nach Abtritt der Diener zu erkennen / und ihm den Anschlag gab: er möchte sich einiger Vergnügung [1377] über denen eröffneten Künsten anstellen / und uns zum Scheine in seine Dienste annehmen. Als dieses glücklich eingerichtet ward / erzählte ich ihm alles / was sich mit Adelgunden zugetragen / und was ich bey ihr gutes für Ingviomern ausgerichtet hätte; lieferte ihm auch ihr Schreiben zu dessen besserer Verwahrung ein. Er umarmte mich für Freuden und Treuhertzigkeit / und ließ nicht ab / biß ich ihm versprach / mit anhero zu reisen / und dem Hertzoge selbst alles umständlich zu entdecken. Denn er wäre bey solchem Zustande Adelgundens seine Rückreise zu beschleunigen willens. Er hingegen erzählte mir: daß die Stadt von Adelgundens nächtlicher Hinwegführung nichts gewust hätte / biß den andern Tag / als Marbod gleich hätte aufbrechen / und nach Bubienum folgen wollen / eine flügende Zeitung sich in der Stadt ausgebreitet hätte: daß Adelgunde sechs oder sieben Meilen von dar auf der Straße mit Gewalt wäre weggenommen worden. Anfangs hielt man es für ein Getichte; weil aber der König nach Ankunfft eines ziemlich verwundeten Edelmannes wieder umdrehete /kriegte dieser Ruff mehr Glauben; und weil es jedermann für eine Anstifftung Adgandesters hielt / gerieth die Stadt in nicht geringe Bestürtzung. Diese aber verwandelte sich in ein stilles Frolocken / als des Nachtes die Gewißheit einlieff: daß Adelgunde Adgandestern wäre genommen / und er selbst verwundet worden.
Folgenden Morgen kam der Sarmatische und Bastarnische Fürst / jedoch unbekandter Weise in die Stadt / und kehrte ein jeder bey seines Vaters Gesandten ein. Diese liessen hierauf den König Marbod und andere Gesandten derselben Ankunfft wissen. Ich /sagte der Ritter Arnheim zu mir / erfreute mich hierüber / in Meinung: daß diese Adgandestern vielleicht nunmehr sein Glücke zweiffelhafft machen würden /iedoch war ich nicht ohne Kummer: daß nicht ein oder anderer Ingviomern einen Vortheil abjagen dörffte. Sintemahl in solchen Handlungen die Gegenwart doch einen grossen Nachdruck hat. Marbod ließ auch beyde bewillkommen / aber kaum drey Stunden darnach / sie zu grosser Verwirrung des Volckes mit einer starcken Wache rings um ihre Häuser besätzen. Die Ursache brach auch kurtz darnach heraus / nemlich es hätte Adgandester / welcher die Rauber mit Adelgunden in den Wildnüssen aufsuchte und verfolgte / den König vergewissert: daß diese beyde Fürsten zu dem Raube Adelgundens geholffen hätten. Der Sarmatische und Bastarnische Gesandte hätten diß allen andern Bothschafftern / und darunter auch dem Bructerischen klagen lassen: daß sie nicht alleine bewacht / sondern auch vom Marbod bedreuet würden: daß / dafern sie nicht die / welche die Ruhe seines Reiches zerstöret hätten / der Königlichen Wache aushändigten / würde sie Gewalt zu brauchen befehlicht werden. Der Römische Bothschaffter schickte alsbald einen Edelmann zum Könige / mit Ersuchen: er möchte in dieser aller Völcker Bothschaffter angehenden Sache sich nicht übereilen / ließ diese auch alle zu sich bitten. Bey ihrer Versammlung erzählte der Sarmatische und Bastarnische Gesandte einstimmig: die Fürsten leugneten nicht / daß nach dem sie von einem verwundeten Edelmanne an den Ort des Kampffes gewiesen /und gebeten worden wären / die Königliche Tochter aus den Händen derer / die sie mit Gewalt in Dienstbarkeit wegführten / zu retten / sie ihre Waffen gegen die gebraucht hätten / welche Adelgunden wären zu wider gewest. Adelgunde hätte sich gegen ihnen für diesen guten Dienst bedanckt / sie auch in ihrer Freyheit denen Obsiegern / welche sich Marckmännische Ritter gerühmet / verlassen; also dem Könige eine Freundschafft erwiesen zu haben eingebildet. Daher wäre ihr Verbrechen zum höchsten mehr nicht / als ein Adelgunden selbst angenehmer Irrthum. Alle anwesende Bothschaffter befanden diese Entschuldigung [1378] erheblich / und beyde Fürsten / nach dem sie in ihrer väterlicher Gesandten Häusern und Gemeinschafft /wären nicht verbunden / dem Könige Marbod einige Red und Antwort zu geben. Es übernam der Römische Bothschaffter Bellejus Paterculus im Nahmen aller sich ihrer beym Könige Marbod anzunehmen. Er ritt also nach Hofe / und bat bey erlangter Verhör /der König möchte die Wache von beyder Bothschaffter Häusern wegnehmen / und an die Fürsten keinen Anspruch machen / oder ihnen von dem Volcke einiges Ungemach anthun lassen. Denn ob gleich Rom mit den Sarmaten und Bastarnen keinen Bund gemacht hätte; würde er doch sich ihrer anmaaßen müssen / wenn sie gleich Feinde wären. Sintemahl allen Fürsten und Gesandten gar viel daran gelegen wäre: daß an derer keinem irgends wo / das sie wider allen Zwang / Befehl und Gewalt schützende V \lcker-Recht verletzet würde / welches aller anderer Fürsten und Obrigkeiten Bothmäßigkeit / so wol in Gewerb und Handlungen / als wenn sie etwas verbrochen haben / über sie ausleschte. Hierdurch würde auch der Hoheit und dem Rechte der Fürsten / in derer Länder sich Gesandten aufhielten / nichts benommen. Deñ wie diese ihres Fürsten Person / oder das Gesichte ihres Staats vorstellten; also würden sie auch angesehen / als wenn sie nicht in des Nachbars Gebiete /sondern in ihrem Vaterlande wären; und was sie thäten / würde für nichts anders gehalten / als was ihr Fürst selbst thäte / so lange / als er es nicht unbilligte. Daher / wenn man sie nicht leiden könte / müste man sie befehlichen / aus seinem Gebiete zu ziehen / und ihre Bestraffung bey ihrem Fürsten suchen. Marbod antwortete: den Bastarnischen und Sarmatischen Fürsten könte er für keine Gesandten ansehen / welche sich von ihren Königen vorher durch Vollmachten beglaubt machen müsten / wenn sie dem Rechte der Natur / welches Ubelthäter aller Orten zu straffen verstattet / nicht unterworffen seyn; sondern des hiervon gewisser massen abweichenden Völcker-Rechtes genüßen solten. Uberdiß wäre ihr Verbrechen ein Land-Friedens-Bruch / und ein wider ihn selbst als König begangenes Laster / dadurch sie sich zu seinen und des ReichesFeinden gemacht / das Völcker-Recht selbst am ersten verletzt / also desselben sich nicht zu erfreuen hätten. Insonderheit aber hätte er von ihren Königen / weil sie zugleich derer Söhne wären / oder auch sonst irgendswo in der Welt bey einigem Richter sich keiner Rechts-Hülffe und Bestraffung zu getrösten / er also desto mehr Befugnüs ihm selbst Recht zu schaffen / sonderlich da sie ohne sein Vorwissen und Einwilligung in sein Land kommen wären / in welchem Falle jeder Fürst ohne diß des Landes-Herrn Gefangener würde / wenn er schon niemanden beleidiget hätte. Paterculus aber versätzte: Ob schon beyde Fürsten selbst nicht Bothschaffter noch zur Zeit verträten / wäre zu ihrer Sicherheit genung: daß sie in der Bothschaffter Häusern und Gemeinschafft wären /welche nicht nur für ihre Personen / sondern für alle ihre Gefärthen / Haußgenossen / mit allen ihren Sachen unter dem Schutze des Völcker-Rechtes lebten; also daß niemand und nichts von ihnen / auch aus rechtmäßigen Ansprüchen angehalten / und gekräncket werden könte. Auf diese Sicherheit wären alle Bothschaffter dahin kommen; und hätte der König dadurch / daß er sie einmahl für Gesandten erkennet /ihnen selbst stillschweigend seinen eigenen Schutz wider alle Rechte und ungerechte Gewalt versprochen. Auf das ihnen beygemäßene Verbrechen wären die zwey Fürsten hauptsächlich zu antworten nicht schuldig; wiewol sie aus allen Umständen wahrnehmen / daß der König nicht allzu richtigen Bericht hiervon erlangt hätte; und wenn der Verlauff genauer untersucht würde / sich vielleicht ereignen dörffte: daß beyde Fürsten durch Befreyung Adelgundens dem Könige mehr einen gefälligen als widrigen Dienst zu leisten vernünfftig [1379] vermuthet hätten. Wenn aber sie gleich so grosse Verbrecher wären; so hätten doch allemahl kluge Fürsten sich ihrer eigenen Rache und Bestraffung entäusert; wenn solche gleich wider desselben Reich und Person / Verräthereyen / Ermordung und Auffruhr anzustifften sich erkühnet; also weil sie weder rechtschaffene Feinde noch ehrliche Kundschaffter abgeben können / selbst sich zu Verräthern gemacht hätten. Also hätten die Römer des Tarqvinius Gesandten / als sie gleich ihren Staat übern Hauffen zu werffen / die Freyheit der Tyranney zu unterwerffen / und viel Bürger zur Verrätherey zu verleiten / sich angemaaßt / kein Leid gethan / sondern frey abziehen lassen / ungeachtet Tarqvinius schon wäre aus Rom gejagt / seiner Herrschafft entsätzt / und also für keinen König mehr zu achten gewest / und sie sich eben so wenig als itzt Marbod /sich zum Tarqvinius zu versehen gehabt: daß er als ihr Todfeind die Werckzeuge seiner Feindschafft straffen würde. Denn der Mangel eines andern Richters rechtfertigte nicht alsbald eigene Rache; sonst würde ein ieder Beleidigter sich an den höchsten Häuptern der Welt selbst rächen können. Ja wenn ein Fürst auch schon Gesandten seiner Feinde für sich /und ihren gäntzlichen Untergang beschlossen hätte /bliebe doch jener unversehrlich; und hätten die zu Zerstörung der Stadt Carthago in Africa angekommenen Bürgermeister doch ihren Gesandten im Römischen Lager für aller Gewalt Schutz gehalten. Es verschlüge ihm auch nichts oder hübe das Völcker-Recht nicht auf / wenn Gesandten sich schon selbst an diesem Rechte durch Staats-Verbrechen vergriffen hätten. Denn in jenem Falle wäre es stärcker / als in diesem / und viel nöthiger / daß Gesandten unverletzlich blieben / als daß ihre Laster gestrafft würden. Sintemahl jene Nothwendigkeit das Heil der Welt / und die Erhaltung menschlicher Gemeinschafft nach sich züge / und ohne Sicherheit der Gesandten nimmer Friede gestifftet / sondern ewiger Krieg geführet werden würde. Daher fügten auch die wildesten Völcker Gesandten kein Leid zu; also daß die / welche dieses gemeine Gesätze der Völcker brächen / ärger als Barbern / und weniger als Menschen wären. Dafern aber einige Ubelthat sie dieser Freyheit entsetzen könte /würde es niemahls an scheinbarem Vorwand ermangeln / Gesandten an Hals zu kommen / und zu verursachen / daß keiner aus befürchteter Thätligkeit seines Fürsten Dienste recht beförderte. Wann sich also Marbod ja so sehr beleidigt achtete / solte er Botschaffter und Fürsten auf die Gräntze führen / und ihnen daselbst das Völcker-Recht aufkündigen / beyden Königen aber auch vorher die Ursache zur Wissenschafft bringen lassen. Welches allemahl billich vorher gehen / man auch selbigen König um Abforderung seines Botschaffters ersuchen / und desselben Antwort erwarten solte / wenn sein Gesandter ohne Gefahr des beleidigten Fürsten oder seines Reiches daselbst länger bleiben kan. Denn da er mehr thäte /würden beyde Könige es gar billich für eine ihnen selbst angethane Schmach zu empfinden / und solche durch Krieg zu rächen / nicht nur die rechtmäßigste Ursache haben / sondern hierzu gleichsam wider Willen gezwungen werden. Sintemahl ein hierinnen unempfindlicher Fürst sich aller Welt zum Spotte machte / und den Nahmen eines Fürsten zu führen unwürdig wäre. Sonst möchte freylich wol man sich eines regierenden Fürsten / als eines Gefangenen bemächtigen / wenn er ohne Zulassung ein frembdes Gebiete beträte / weil diß für einen gefährlichen Anschlag gehalten würde. Aber weder der Bastarnische noch Sarmatische Fürst hätten noch einige Herrschafft / Marbod lebte mit ihren Vätern in keiner Feindschafft /sondern beyde hätten vielmehr durch Werbung für Adelgunden sich mit ihm in festere Freundschafft zu verknüpffen getrachtet. Weßwegen die gantze Welt dem ohne diß mit den Semnonern / Langobarden /und [1380] Cheruskern in Krieg gerathenen Marbod unrecht geben / der Sarmatier und Bastarner Rache aber billichen würde. Marbod begegnete ihm: Weil eines Botschaffters Hauß gleichsam für den Hof seines Fürsten geachtet würde; Diente es gar billich ihm und seinen Hausgenossen zur Sicherheit / keines Weges aber Eingebohrnen oder Frembden / welche nicht in des Botschaffters Pflicht wären. Denn wie der Lands-Fürst einen Botschaffter nicht aus der Botmäßigkeit seines Königs ziehen / und seiner unterwerffen könte /also wäre es viel ungeschickter / wenn ein Botschaffter andere Unterthanen ihren Gerichten entziehen /den Lauff der Gerechtigkeit hindern / und gleichsam ein frembdes Reich seiner Gewalt entsätzen wolte. Am allerwenigsten aber könte seine Wohnung eine Zuflucht und Freystadt der Ubelthäter abgeben / welche zumahl die gemeine Ruhe störeten / ohne welche die bürgerliche Gemeinschafft nicht bestehen könte. Sintemahl auch die heiligsten Orte nur unglücklichen nicht boßhafften zur Sicherheit dienen solten; und das die Gesandten schützende Völcker-Recht nicht anderer Laster vertheidigte; Man auch mit Vernunfft von keinem Fürsten vermuthen könte: daß er durch Annehmung eines Gesandten / ihm etwas wider die gemeine Ruh und zum Abbruche seiner Hoheit hätte enträumen wollen. Insonderheit aber könte er sich nicht bereden lassen: daß wenn Botschaffter und ihre Leute das Völcker-Recht verletzten / sie solches zu ihrem Schirme genüßen / beleidigte Fürsten aber gebundene Hände haben / und mit ihnen so höflich zu verfahren gehalten seyn solten. Dieses aber geschehe ja in alle Wege / wenn sie die / welche Diener der Gerechtigkeit wären / an Ausübung derselben hinderten /oder sie gar angrieffen / tödten / aus dem Kreyße ihrer Würde schritten / wie dißmahl geschehen / zugeschweigen wenn sie Laster / für welchen die Natur Abscheu hat / begiengen; oder sie gar Aufwiegler /Kundschaffter / Fürsten-Mörder oder Verräther abgeben wolten. Denn das Völcker-Recht hübe ja das der Natur nicht auf / billichte also nicht diß / was die menschliche Gemeinschafft aufhübe / und die Annehmung eines Gesandten willigte keines Weges in diß /was den Fürsten oder das Volck in Verterben stürtzen könte. Paterculus versätzte: Was diese letztere Verbrechen belangte / müste er gestehen: daß wenn es ein Fürst genau nehmen wolte / kein Gesandter / weniger seine Hausgenossen / gantz unversehrlich wäre / sondern diese wol in Hafft geno en / auch zu Ergründung der Verrätherey / und Uberweisung verrätherischer Unterthanen für Gerichte gezogen werden könten; wiewol kluge Fürsten / welche mehr Vernunfft als Galle gehabt / sich ins gemein vergnügt hätten /bey ihren Fürsten über sie zu klagen / und ihre Bestraffung zu suchen / nachbleibenden Falls aber ihnen ihre Empfindligkeit vorzubehalten. Alleine / wenn man ja nicht so höflich / sondern nach der Schärffe verfahren wolte / müste genau unterschieden werden /ob einer nur wider die gemeine Sicherheit / oder wider das Völcker-Recht gesündiget hätte. Jenes / nicht dieses / würden die zwey Fürsten zum höchsten verletzt /und beyde Könige sich zu beschweren / keine Befugnüß haben / wenn sie schon beyde in dem Gefechte umkommen wären / weil eines Gesandten Gewaltthätigen Beginnen von iederman auf frischer That Vermöge des natürlichen Beschirmungsrechtes in alle Wege begegnet uñ er selbst solcher Gestalt getödtet werden köñe. Vielmehr aber wäre ein Fürst befugt wider ihn uñ die Seinigen sich zu Beschützung seiner Hoheit und Unterthanen / der von Gott und der Natur verliehenen Waffen zu gebrauchen / in dem er nur seinen Verstand und die Zunge / nicht aber / wie das Ampt eines Kriegs-Mannes erfordert / den Degen zu seines Herrn Diensten gebrauchen soll; wenn er aber zu dem Faust-Rechte grieffe / sich seines Amptes und Kennzeichens; also auch des Rechtes entsätzte / aus einem Botschaffter [1381] ein gemeiner Mann würde / und ihm alles übele selbst zuzuschreiben hätte. Wenn aber dieser Sturm vorbey / und das Völcker-Recht nicht verletzt wäre / könte kein Fürst wider einen Gesandten / der gleich die gemeine Sicherheit gestöret hat /weder gewaltsam verfahren noch über ihn urtheilen. Marbod fiel ihm ein: Warum aber gäben die Römer den Galliern denn selbst recht: daß nach dem ihre Gesandten / welche an statt der Friedens-Vermittelung /sich zu der Stadt Clusium geschlagen / wider die Gallier die Waffen gebraucht hätten / solche auf ihr Begehren ihnen auszuhändigen wären geweigert worden / sie Rom gar billich bekriegt / und eingeäschert hätten. Paterculus antwortete: Dieses bestärcket vielmehr der Botschaffter Meinung: daß nehmlich ein Gesandter wohl bey seinem Fürsten verklagt / aber nicht gewaltthätig gehandelt werden könne / wenn sein Fürst nicht darein willigt. Marbod fiel ein: Warum aber hat der Rath zu Rom Bomilcarn nicht auch bey seinem Könige Jugurtha verklagt / sondern ihn selbst verurtheilt und bestraffet? Paterculus versätzte: Er müste gestehen / daß die Römer damahls mehr das natürliche als das Völcker-Recht für Augen gehabt hätten. Alleine Bomilcar wäre nicht nur ein Meuchelmörder /und Jugurtha ein Eydbrüchiger Friedenbrecher gewest; und also hätten beyde vorher das Völcker-Recht verletzet. Hier aber verhielte sich alles viel anders. Marbod versätzte: Wenn die die gemeine Sicherheit störende Gesandten gleich das Völcker-Recht zu genüssen hätten / liesse sich doch diß Recht auf Britomarten und Boleßlaen nicht angewehren / welche weder Gesandten noch der Gesandten Haußgenossen sondern Frembde wären / also wegen ihrer Verbrechen allenthalben angehalten werden möchten. Denn ob sie nun wol dafür angesehen seyn solten / könte doch kein Botschaffter einen Ubelthäter für seinen Haußgenossen annehmen / um selbten wegen begangenen Lasters seinem Gerichts-Zwange und Straffe zu entziehen. Paterculus antwortete: diß würde sich hören lassen / wenn beyde Fürsten frembde / nicht Söhne der Könige wären / welche die zwey sie aufnehmenden Botschaffter abgeschickt hätten / und die ihre Vollmachten auf ihre Söhne zweiffelsfrey er streckt und verstanden wissen wolten. Uber diß erhärtete die allgemeine Gewohnheit: daß nicht nur die Dollmetscher / von denen der abschickende Fürst ins gemein nichts wüste / sondern auch die / welche ein Botschaffter nur auf seinem Wagen führen / und mit seinen Dienern begleiten liesse / des Völcker-Rechtes zu genüssen hätten / und von selbtem nicht gewaltsam weggenommen werden könten. Wie viel weniger würde sich derogleichen in der Gesandten Häusern /und wider so grosse Fürsten thun lassen / welche auf die gemeine Sicherheit zu gutem Absehen ins Land kommen / und zum Uberflusse mit bessern Schreiben / als ein Botschaffter haben könte / von beyden Königen versehen wären. Ja wenn auch nicht so gutes Recht auf ihrer Seite stünde / und ein ohne Zulassung in ein Land kommender / eben so als ein zu einem andern Könige durchreisender Gesandter in eines andern Fürsten Lande nicht unversehrlich wäre / sondern angehalten werden könte; verstünde doch Marbod allzuwohl: daß man hierinnen ehe zu viel / als zu wenig thun könte / und daß er durch die geringste Gewalt sich in zwey neue gefährliche Kriege vertieffen würde. Nach dem aber sie nicht absehen könten / wie diese zwey Fürsten des Völcker-Rechts entbehren solten; müsten sich alle Botschaffter ihrer annehmen / und würden sie widrigen Falls alle mit einander noch selbigen Tag aus der Stadt ziehen / und sich über Un recht beklagen / da er die Wache wegzunehmen sich weigerte. Marbod / wie verbittert er gleich war / ließ sich doch den Paterculus und andere Botschaffter schrecken: daß er ihnen zu Liebe noch selbigen Abend die Wache aufheben ließ; iedoch schrieb er an beyde [1382] Könige: sie möchten ihre Söhne wegen gestörten Land-Friedens zurücke beruffen. Daher er ihnen auch auf ihr Ansuchen keine Verhör geben wolte /sondern als die Gesandten sich verlauten liessen: daß kein Fürst den andern nöthigen könte einen oder den andern von seiner Gesandtschafft zurück zu fördern /sie auf Adgandesters Anstifften / bey außenbleibender Antwort / auf die Gräntze geschickt hätte / wenn nicht Paterculus ihm eingeredet / und Marbod allerhand böse Zeitungen aus seinen Ländern bekommen hätte. Unterdessen wolten beyde Fürsten nicht aus Boviasmum weichen / ungeachtet man ihnen ein schlechtes Gesichte machte; sonderlich da die Zeitung ankam: daß Adgandester den Auffenthalt Adelgundens ausgespüret / und sie in einem Schlosse belägert hätte. Denn die Liebe hilffet einem das Eisen des grösten Unrechts verdäuen / und beyde hätten Adelgunden aus Adgandesters Händen zu retten / sich zum zweyten mahl gewagt / wenn sie nur einiges Mittel hätten ersinnen können. Der Ritter Arnheim stand hierbey ebenfalls in nicht wenigen Sorgen / ungeachtet ich ihn versicherte: daß Adgandester durch aller Marckmänner Kräfften sich des Schlosses in Jahr und Tag nicht bemächtigen würde / wenn es nicht durch Verrätherey geschehe / darwider die darinnen beschlossenen Ritter wohl ihrer eigenen Gefahr halber an Wachsamkeit nichts würden ermangeln lassen. Weil nun der König sich selbst zu dem Schlosse verfügen wolte / befand Arnheim für rathsam / bey ihm Abschied zu nehmen / reiseten eine Stunde nach dem Könige aus Boviasmum; sind also durch das Hermundurische / Cattische und Marsische Gebiete glücklich anher kommen.
Hertzog Ingviomer umarmte für Freuden und Erkenntligkeit den also schlüßenden Ritter Kapliers /und versicherte ihn: daß nach dem er ihm mehr Freundschafft als kein Mensch in der Welt geleistet /und aus unverbundener Großmüthigkeit für ihn so viel gewagt hätte / wolte er auch solches so erkennen /als Kapliers jemahls wünschen / und von einem danckbaren Fürsten hoffen könte. Zu diesem Ende schniet auch er ein Stücke von seinem Zopffe ab / und gab es dem Ritter Kapliers mit der Versicherung: daß dieses ein Pfand seiner unvergeßlichen Vergeltung seyn solte. Er ersuchte ihn zugleich um seinen treuen Rath / wie er das so wol eingefädemte Werck völlig ausarbeiten möchte. Kapliers verkleinerte hingegen seine Dienste / und sagte: Es wäre kein anders heilsames Mittel zu ersinnen / als daß Ingviomer ohne einigen Zeit-Verlust selbst nach Boviasmum eilete / sein Glücke beobachtete / von der Zeit / seiner Tugend /und guten Freunden Hülffe erwartete. Der Ritter Arnheim pflichtete dieser Meinung bey / noch mehr aber seine eigene Liebe. Zwey Bedencken waren alleine noch zu erörtern übrig / nemlich wie der Graf von Weil abzufertigen wäre / und wie Ingviomer seine Reise zum Marbod sicher bewerckstelligen könte /nach dem Hertzog Herrmann und Arpus ihm schwerlich den Durchzug verwilligen würde. Uber beyden Rath zu halten / ließ Ingviomer den Grafen von Steinfurth / Zütphen und Bentheim / noch selbigen Tag dahin beruffen; unterdessen liebkosete er dem Ritter Kapliers auf alle nur ersinnliche Weise / und erkundigte die gantze Verfassung des Marbodischen Reiches. Die Beruffenen fanden sich folgende Nacht in Ingviomers Einsamkeit ein. Nach dem dieser ihnen nun sein Vorhaben zum Marbod als eine nicht mehr unter eine Berathschlagung gehörige Sache eröffnete /riethen sie einstimmig: Ingviomer solte mit dem Hertzoge Herrmann und Arpus auf alle ersinnliche Weise abzukommen trachten / es möchte auch kosten was es wolte / und die Bedingungen möchten so schwer gemacht werden / als sie könten. Denn wo man seinem Feinde nicht gewachsen wäre / gewinne man doch durch den schli sten Frieden / derer keiner ohne [1383] diß ewig tauerte / und sein Bruch allemahl Gelegenheit gäbe / das Verlohrne wieder zu gewinnen. Jedoch solte er diesen Frieden allein auf das Hertzogthum der Bructerer einzuschrencken suchen; damit / wenn er in Ansehung des Königs Marbod in den Cheruskischen Krieg eingeflochten würde / er daselbst ohne Verletzung seines Versprechens freye Hände behielte. Die Anstalt der Reise nahmen sie noch zum Bedencken; außer daß Ingviomer dem Grafen von Bentheim dreyhundert aus dem Kerne der Bructerischen Ritterschafft mit nöthigen Waffen auszulesen / anvertraute. Nach diesem Schlusse eilte Ingviomer mit dem Grafen von Steinfurth wieder nach Hofe / ließ allda den Grafen von Weil selbst zur Verhör beruffen / und verwilligte ihm sechs der vornehmsten Ritter zu Geisseln / und eine Festung an der Ems einzuräumen. Jedoch solte dieser Vergleich alleine der Cherusker / Catten und Bructerer Landschafften binden / außer denen aber ieden sich durch Bündnüsse zu versichern unverschrenckt seyn. Der Graf von Weil / welcher ihm einige Verbindung zwischen dem Könige Marbod und Ingviomer nicht träumen ließ / gieng diese Bedingung ohn einiges Bedencken ein / und ward hierüber eine Urkund ausgefertiget. Ingviomer beschenckte den Gesandten reichlicher / als in Deutschland sonst gewöhnlich war / und gab ihm mit Fleiß an die Hand: daß weil Hertzog Herrmann sich dem Verlaut nach bey denen entfernten Semnonern aufhielte /er diesen Frieden-Schluß zum ersten dem Hertzoge der Catten überbringen möchte. Erbot sich auch von freyen Stücken: daß weil der Ab- und Zufall der Langobarden und Semnoner zwischen dem Feldherrn und Könige Marbod ein gefährliches Feuer in Deutschland anzuzünden schiene / er beyde vermittelst einer an Marbod bestimmter Bothschafft zu vergleichen sich bemühen wolte. Denn bey solchem Abkommen stimmten alle geheime Räthe Ingviomers ein: daß Ingviomer mit dreyhundert Rittern / und so viel Reisigen eben den Weg des Ritter Kapliers unter dem Nahmen einer dahin gehenden Bothschafft verdeckter Weise nach Boviasmum nehmen solte. Ingviomer ließ den abreisenden Gesandten nicht allein durch sein Gebiete frey halten / und ihm alle ersinnliche Ehre erweisen /sondern auch auf den Gräntzen mit allem Fleisse kund machen: daß das verlautende Geschrey von dem Unvernehmen zwischen ihm und andern deutschen Fürsten eine verleumbderische Unwarheit wäre; und daß sie durch Verneuerung ihrer Freundschafft sich näher / als sie niemahls vorher gewest / mit einander verbunden hätten. Dieser von dem Grafen von Weil bestätigter Ruff breitete sich nach der Eigenschafft aller guten Zeitungen alsbald weit aus; also daß / nach dem in zweyen Tagen hernach Ingviomer mit seiner auserlesenen Reiterey durch das Marsische und Cattische Gebiete durchzoh / ihm nicht die geringste Hindernüs begegnete / sondern ihm jederman / theils aus eigener Neigung / theils auf des Hertzog Arpus Befehl / allen guten Willen erwieß; ungeachtet niemand wuste / daß Ingviomer darbey wäre. Dieser hatte dem Grafen von Steinfurth und Zütphen die gantze Herrschafft anvertraut / er aber führte den Grafen von Bentheim / Stirum / Horn und den rechten Ausbund der Bructerischen Ritterschafft / wie auch den Ritter Kapliers /aber unter verdecktem Nahmen / und den Ritter Arnheim bey sich / welchen er / um seine Ankunfft dem Könige Marbod zu vermelden / mit dreißig Pferden voran schickte. Dieser wie auch Ingviomer kamen zu Boviasmum glücklich an; weil aber der König und der Hof sich nicht weit von dem belägerten Schlosse Bezdiez befand / verfügte sich Ingviomer dahin /allwo sich der Sarmatische und Bastarnische Gesandte mit beyden Fürsten / wie auch Paterculus und andere Bothschaffter auf denen nahe herum gelegenen Schlössern eingetheilet hatten. Denn [1384] diese letzteren hatten es endlich in Abwesenheit Adgandesters /durch ihre Einredung beym Könige Marbod zu wege gebracht: daß er Boleßlaen und Britomarten auf einer Jagt gleichsam unversehens zur Verhöre gelassen; und weil beyde dabey eine fürtrefliche Hurtigkeit erwiesen / sich länger im Reiche aufzuhalten erlaubt hatte. Adgandester war über dieser Zulassung halb rasend worden / und hatte gegen sie als seine öffentliche Neben-Buhler einen so bitteren Haß gefasset: daß er Tag und Nacht sie zu verderben saan / und weil seine kurtze Abwesenheit von Hofe ihm schon so viel geschadet hatte / er den König Marbod gleichsam wie einen besessenen Schatz bebrütete / und iedermanne die Gelegenheit an ihn zu kommen abschniett. Gleichwol konte er nicht verhüten: daß Marbod Ingviomern aufs freundlichste empfieng / und von seinen Kriegs-Anstalten offt und viel mit ihm Unterredung hielt. Wie nun diß ihm als dem argwöhnischten Menschen unsäglichen Verdruß erweckte / also hätte er für gifftigem Hasse zerbersten mögen / als er vom Marbod selbst erfuhr: daß er ihn um seine Tochter Adelgunde angesprochen / und inständig gebeten hätte; er möchte ihr doch die freye Wahl / einen Bräutigam zu erkiesen / enträumen. Denn weil der Zwang der Liebe und Ehe mehr als das Wasser dem Feuer zuwider wäre / und die anfängliche Abscheu für einem Dinge / dem Gemüthe eine unausleschliche Feindschafft eindrückte /ja die Seelen der Menschen nicht weniger / als die Pflantzen / gantz absondere Lufftlöcher oder Oeffnungen hätten / welche aus dem Saffte der Erde nichts /als was ihrer Eigenschafft gemäß wäre / an sich zügen / begehrte er an Adelgunden keinen Anspruch zu machen / wenn sie mit einem Winck oder Finger ihm nur ihre Widersätzligkeit würde zu verstehen geben. Adgandester / da er Adelgunden anders wahrhafftig liebte / wie auch Boleßla und Britomartes / da sie Vernunfft hätten / würden sich diesem Gesätze / welches die Natur und aller Völcker Recht billigte / und unser eigener freyer Wille vertheidigte / unterwerffen müssen. Insonderheit aber würde ihm Adgandester auf den Fall / da Adelgunde ihn erwehlte / das Vorrecht nicht mißgönnen oder strittig machen können / weil er ihm schon zu Mattium im Nahmen des Königs Marbod zu dieser Heyrath Vertröstung gethan hätte. Adgandester dorffte Ingviomern öffentlich nicht verachten; weil er ihn wenige Zeit vorher bey Behandlung des Bündnüsses / gegen den Marbod so treflich heraus gestrichen hatte; sondern er bezohe sich nur auf den göttlichen Willen / welchen ihm durch eine so klare Weissagung der Himmel offenbahret hätte. Weil er aber seinen andern Nebenbuhlern sich gleichwol in Tugenden nicht gewachsen zu seyn schien / machte ers wie die Thiere / welche in Mangel der Stärcke und Hertzhafftigkeit sich mit Giffte behelffen. Daher trachtete er zwischen ihnen Eyversucht und Feindschafft zu erwecken / und durch Aussprengung allerhand verkleinernder Nachreden sie an einander zu verhetzen: daß sie selbst einander aufreiben möchten. Denn ob er zwar die Priester zu seinem Rücken hatte /und sich auf sie / wie der Bock auf seine Hörner verließ / so besorgte er doch / daß Marbod aus Staats-Klugheit seine Meinung zu ändern / und seine Tochter einem mächtigen Fürsten zu vermählen genöthiget werden dörffte. Und derogestalt war schier sein bester Trost dieser: daß wie ein Gifft das andere entkräfftet /also auch so vieler Liebe sich an einander zerstossen würde. Dieser listige Anschlag gieng ihm auch ziemlich glücklich an / denn da Ingviomer anfangs mit Boleßlaen und Britomarten gar verträulich umgegangen war / sie mit einander gejagt / und allerhand Ritter-Spiele geübt hatten / wurden sie durch die ertichteten Verläumbdungen einander Spinnen-feind / und würden sie einander in die Haare gerathen seyn / wenn sie nicht durch Thätligkeiten sich um Marbods Gewogenheit zu bringen / besorgt hätten. Mitler [1385] Zeit konte Marbod weder durch Güte noch Dräuungen Adelgunden und den Ritter Milissow bewegen sich zu ergeben. Denn beyde blieben bey ihrer Erklärung: daß so bald Adgandester der Urheber alles Unglücks aus dem Marckmännischen Gebiete verstossen seyn würde / wären sie alle erbötig / des Königs Knie fußfällig zu umfangen / und sich allen seinen Befehlen zu unterwerffen. Alleine Adgandester war dem Könige so ans Hertze gebunden: daß er ehe seine Tochter aufgeopffert / als sich eines so schädlichen Dieners enteusert hätte. Adgandester wuste hierbey unter angenommenem Scheine: daß er selbst freywillig aus dem Lande gehen wolte / meisterlich Oel ins Feuer zu gießen / und den König zu verbittern / welcher Adelgundens Erklärung für keine demüthige Unterwerffung annam / sondern als eine straffbare Hartnäckigkeit schalt / durch welche eine Tochter dem Vater / ein Unterthan dem Könige Gesätze vorschreiben wolte. Hierüber kam der Qvaden König Vannius beym Marbod an / welcher ihm zwölff tausend auserlesene Fuß-Knechte und vier tausend Reiter zuführte; welche Marbod nach den Semnonischen Gräntzen fortziehen ließ. Dieser Vannius war beym Marbod so hoch gesehen / als kein ander Mensch in der Welt / weil er der fürnehmste Werckzeug seiner grösten Siege / und mehr als seine rechte Hand gewest war. Ihre Freundschafft war grösser / als sie unter Fürsten gewöhnlich ist. Denn sie hatten einander einen Eyd geschworen: daß eines Wol- und Ubelstand an des andern angebunden / und einer dem andern ohne einige Entschuldigung seines eigenen Nothstandes mit sechzehn tausend Kriegs-Leuten zu Hülffe kommen solte / so bald er vom andern eine halbe güldene Müntze geschickt bekäme; darauf beyde Könige mit zusammen geschlagenen Händen / auf der andern Seite aber des Mercurius Stab mit zweyen gegen einander stehenden Schlangen / eben so wie auf der Müntze des versöhnten Antonius / Octavius und Lepidus gepregt waren. Nach dem Marbod nun den Vannius aufs prächtigste empfangen hatte / suchte Ingviomer / Boleßla und Britomartes ihn gleichfalls heim. Denn weil sie wol wusten / daß niemand mehr beym Marbod galt / als er / meinte ein jeder durch seine Gewogenheit beym Marbod einen guten Stein ins Bret zu bekommen. Die Gesandten bekamen auch Befehl vom Könige der Sarmatier und Bastarner / dem Marbod zehn tausend Pferde von iedem anzubieten / welche zu seinen Diensten schon in Bereitschafft stünden. Der unter seinem Förster-Rocke versteckte Ritter Kapliers hatte Adelgunden nicht nur die Ankunfft Ingviomers / sondern auch von seiner Hand die allerverbindlichste Versicherung seiner Treue und Liebe / nebst einem Schlüssel zu seinen Ziffer-Briefen überbracht; nunmehr aber befand er sich wieder bey Ingviomern / welcher ihr denn diß / was sich mitler Zeit zugetragen hatte / und insonderheit die Ankunfft des Vannius zu berichten /sich auffs neue erbot. Adelgunde wolte nach dessen Erfahrung weder Zeit noch Gelegenheit versäumen /schrieb also dem Vannius folgenden Brieff: Großmächtiger Fürst! Adelgunde / welche zeither sich und das Marckmännische Reich schon für verlohren geschätzt / schöpft nunmehr wieder Hoffnung / nach dem durch desselben Fürsten Ankunfft uns gleichsam ein neuer Glücks-Stern aufgegangen. Denn der / welcher durch seine Klugheit und Tapferkeit es hat helffen in Grund legen / wird selbtes durch die Boßheit eines verruchten Menschen nicht lassen in Koth treten. Es ist leider! Schimpffs und Schadens genung: daß Adgandester den König Marbod durch Zauberey zu seinem Diener gemacht / durch seine hitzige Rathschläge und knechtische Auflagen die Semnoner und Langobarden zum Abfalle gezwungen / das Marckmännische Reich um ein so grosses geschwächet /und alles / was über dem Sudetischen Gebürge liegt /in Gefahr gesätzt hat. [1386] Aber dieser Unglücks-Vogel hat sich damit nicht gesättigt / sondern nach dem er Adelgunden ihrer Freyheit / ihren Vater seiner Liebe /das Reich seiner Ruh beraubt / wil er Adelgunden nun auch zu seiner Magd / und die Marckmänner zu seinen Sclaven machen. Hierzu hat er den heiligen Gottesdienst gemißbraucht / die Priester durch versprochene Stifftungen bethöret / die Wahrsager bestochen: daß sie den König beredet / als wenn das Heil des Reiches an seiner und meiner Vermählung hienge. Gleich als wenn so böse Menschen nicht weniger zu Pfeilern eines Reiches / als faule Höltzer zu Säulen eines Gebäues dienten. Diese Erzehlung beruhet auf keiner blossen Muthmassung; Vannius wird in dem Wahrsager-Hayne das Behältnüs der Vögel finden; wordurch Marbod und andere Einfältige betrogen werden / und ihr Wärter wird zu sagen wissen: daß sie den zu ihrer spitzsinnigen Wahrsagung benöthigten Adler um drey Pfund Silbers erkaufft. Alleine das Verhängnüs hat dem so scharffsichtigen Marbod die Augen gebländet: daß er solche handgreifliche Betrügereyen nicht siehet / und treue Räthe nicht mehr höret. Wo er also nicht durch des Vannius Augen sehen lernet / ist es um ihn und alles gethan. Zwar um mich habe ich die wenigste Sorge. Denn man wird ehe die Stücke meines zerschmetterten Leibes unter diesen Stein-Klippen zusammen lesen / als mich mit Adgandestern vermählt sehen. Sintemahl ich durch ihn mich mit der Verrätherey selbst vereinbahren würde. Aber ach! wie gerne wolte ich mich also aufopffern / wenn dadurch nur mein Vaterland dieses Wütterichs loß würde. Alleine vergebens! Winde und Ungewitter lassen sich wol durch Jungfrauen-Blut versöhnen; solche Schlangen aber müssen von einem Hercules vertilgt werden / wie Vannius ist. Dieses Schreiben ward vom Schlosse an einem langen Fadem herunter gelassen /und von der Wache zum Könige Marbod gebracht /welcher nicht begreiffen konte / woher man im Schlosse die Gegenwart des Kwadischen Königes wüste / gleichwol aber überschickte er es ihm uneröffnet. Vannius laß dieses Schreiben mit grosser Verwunderung / und nicht ohne hefftige Bewegung. Deñ ob er zwar von ein und anderm Vornehmen Adgandesters Nachricht hatte / steckte ihm doch diß Schreiben ein grosses Licht auf; in dem die ihn zu bedienen verordneten Marckmänner / die Vannius um den Zustand Adelgundens befragt hatte / nicht heraus wolten / sondern ihre Unwissenheit vorschützten / oder die Achseln einzohen. Weil Marbod nun schon von diesem Schreiben wuste / ward Vannius zu Verhütung alles Mißtrauens genöthiget ihm solches zu zeigen. Marbod laß es mit der grösten Verwirrung / iede Zeile verursachte schier einen absondern Sturm in seinem Gemüthe / und bald erblaßt er / bald röthete er sich wieder. Nach dem er es nun durchlesen hatte / fieng er an: Dieses wären Erfindungen der Feinde und Lästerer Adgandesters / durch welche sie seine ungehorsame Tochter zur Hartneckigkeit verhetzten / sein Reich in Spaltungen / ihn aber in grössern Kummer stürtzten / als ihm alle seine Feinde verursachten. Adgandester würde wegen seiner Treue und Tugend geneidet /und wegen seines Vorzugs gehasset; gleich als es einem Fürsten nicht frey stünde einem Diener nicht mehr / als einem andern zu vertrauen / und er sich nur einheimischer nicht frembder Räthe zu bedienen befugt wäre. Die klügsten aber wären nicht für den Ausschlag zu stehen verbunden. Hingegen müsten Könige ihren Töchtern nicht weiß machen: daß sie wie Mägde unter dem Pöfel nach ihrer blinden Liebe heyrathen möchten; sondern sie hätten sich an ihrer Hoheit zu vergnügen / und sich der wolgemeinten Wahl ihrer Väter zu unterwerffen. Am meisten aber stünde ihm dieses Recht zu; weil er mit Adelgundens Bräutigame auch denen Marckmännern [1387] einen künfftigen Herrscher zu erkiesen hätte / dazu er keinen tauglichern als Adgandestern wüste / als welcher das Verhängnüß schon selbst durch eine so deutliche Wahrsagung / mit seinem eigenen Nahmen zu dieser Würde beruffen hätte. Vannius hörte den Marbod gedultig aus / bey diesen Worten aber fiel er ein und sagte: Er hätte ihm diese Wahrsagung umständlich erzehlen lassen / welche ihm anfangs sehr wunderlich vorkommen wäre; ie länger er aber dieser nachdächte / ie verdächtiger schiene sie ihm zu seyn. Nach dem die Wahrsagungen ohne diß ins gemein entweder schwer-auslegliche Rätzel oder Träume der Wachenden wären / und nicht selten Betrug zum Vater hätten / hierauf aber König Marbod seiner Tochter Vermählung mit Adgandestern am meisten gründete / hätte er wol Ursache die in diesem Schreiben an die Hand gegebenen sonderbaren Umstände genau zu erkundigen. Die Menschen wären zu arglistig: daß auch hundert Augen sich nicht genugsam vorsehen könten. Die verführischen Irrlichter beschämten die klärsten Sterne / und die trübsten Wolcken prangeten mit schönern Farben / als die vollkommensten Dinge. Marbod begegnete ihm: Uber dem / was er mit Augen selbst gesehen / dörffte er nicht anderwerts her Gewißheit einziehen. Es liesse sich auch nicht thun / durch eine so vorwitzige Untersuchung den Glauben der Priester verdächtig / und den Gottesdienst / durch welchen das Volck allein im Zaume gehalten würde / zweiffelhafft zu machen. Vannius antwortete: Der Wahrsager Betrug könte dem Gottesdienste so wenig / als ein alles verkehrender Spiegel einem wolgebildeten Antlitze Abbruch thun. Würde bey der Erforschung das Angeben falsch befunden / so würde dadurch die Wahrheit so viel mehr Liecht bekommen. Es läge gleichwol hieran die Wolfarth seines Reiches / die Vergnügung seiner einigen Tochter / und seine eigene Ehre; welche bey der Nachwelt nicht ärger beschimpfft werden könte / als durch Wehklagen über einen untüchtigen Nachfolger. Marbod versätzte: Es wäre nichts gemeiners / als daß die Wahrheit durch Unwissenheit des Pöfels und durch Verläumbdung der Boßheit verfolgt würde. Die Sonne wäre ihr wahrhafftes Fürbild. Denn man schriebe dieser eben so wohl Flecken und Verfinsterung zu / da beydes doch nur ein Betrug unser Augen wäre. Alleine beyde siegten doch über diese Dünste und Bländungen. Hierzu könte man wenig beytragen. Die Fern-Gläser betrügen uns mehr / als sie uns vergewisserten / sondern man müste nur der alles an Tag bringenden Zeit unsere Erleuchtung heimstellen. Vannius brach hiermit ab / nahm Abschied / und bat alleine: Marbod möchte der Sachen besser nachdencken; die Natur hätte mit allem Fleiße das Gehirne weicher als Wachs gemacht / damit man die ersten Gedancken darinnen leicht verstreichen / und den bessern Platz geben könte. König Vannius war aber überaus begierig zu erfahren / auf was für Grunde Adelgundens Bericht der Wahrsagung halber bestünde. Daher befahl er dem Ritter Zierotin und Wirbna: daß sie folgenden Morgen / unter dem Scheine der Andacht / mit wenigen Leuten in den nur drey Meilweges davon entfernten Heyn verreisen / und die Wahrheit zu erforschen an ihnen nichts erwinden lassen solten. Der verkleidete und von diesem Schreiben Wissenschafft habende Ritter Kapliers kriegte den Abend vorher von dieser Abschickung Wind / weil Zierotin um einen des Heynes kundigen Anweiser Nachfrage that. Nach dem er nun solche aus einem viel andern Absehen fürgenommen zu seyn muthmaste / machte er sich noch für Tage auf / und fand sich unterweges an beyde ihn übereilende Ritter / welchen er auf ihre Befragung seine eben dahin angezielte Reise entdeckte / und von diesem Heiligthume ihnen viel zu erzehlen wuste. Weil er ihnen nun von allem so guten Bescheid zu geben [1388] wuste / erbaten sie ihn zu ihrem Anweiser; Darzu er sich gantz willig erzeigte / und sie zum ersten an den Ort führte / wo die Vogel verwahret wurden. Weil sie nun den Speise-Meister derselben fast auf gleiche Art wie vorhin Stochow und Kapliers ausforschten / erzählte dieser Mensch / welcher seiner Einfalt halber / vielleicht mit Fleiß zu diesem Dienste beruffen war / diesen alles / so gut als jenen. Von dar führte sie Kapliers gegen dem Orte / wo die Wahrsager die Rathfragenden hinzustellen pflegten / den Flug der Vogel zu beobachten. Dieses war ein rundter und über die Helffte mit dichte in einander geflochtenen Buchen und Linden umgebener Platz / von dem man durch das Gepüsche nicht sehen konte / darhinter aber ragten hohe Eich-Bäume und Espen herfür. Zierotin und Wirbna waren etwa viertzig Schritte davon / als sie etlicher Wahrsager gewahr worden / welche um selbigen Ort geschäfftig waren. Nach dem sie nun auf Kapliers Erinnerung / daß die Wahrsager unwillig wären / wenn man sie störte / sich zwischen ein ander Gepüsche verbargen / und ihrem Beginnen zusahen /liessen jene eine weiße Taube flügen / weil aber diese darvon flog / noch eine andere. Diese sätzte sich auf den nechsten Baum. Hierauf liessen sie drey Sperber loß / welche auf die Taube zueilten / und als diese aufflog / verfolgten sie solche / geriethen aber darüber mit einander selbst in Kampff. Unterdessen streueten die Wahrsager Gesäme auf die Erde / banden drey andere Tauben an eine Stange an / worauf die Taube sich zu dem Gesäme funden / die Sperber zu den angebundenen Tauben zurück geflogen kamen / und selbte zerfleischten. Zierotin fragte den Kapliers / was diß zu bedeuten hätte? welchem dieser antwortete: Er verstünde es nicht / muthmaste aber; daß sie die Vogel abrichteten / weil vielleicht iemand ihm würde wollen wahrsagen lassen. Wirbna fieng hierauf an: Ich meinte die Vogel müsten für sich selbst und aus Eingeben des Himmels erscheinen. Kapliers versätzte: Vielleicht geschiehet dieses Eingeben unmittelbar den Wahrsagern / welche nach dieser weisen Leitung die Vogel hernach einem oder dem andern erscheinen lassen. Die Wahrsager erwischten hierauf ihre Vögel /sätzten sich zusammen / und trieben bey vielem Gelächter mit einander allerhand Kurtzweil. Wirbna und Zierotin musten sich also gantz stille und verborgen halten / weil Kapliers berichtete: daß sie sonst von Wahrsagern / ihres Vorwitzes halber / übel angesehen werden dörfften. Ungefähr eine viertel Stunde darnach / kam ein Wahrsager eilends gelauffen / welcher denen andern winckte; worauf sie sich mit ihren Vögeln tieff ins Gepüsche versteckten. Bald hernach kam ein mit Zimmer-Kraute gekräntzter Priester / und brachte neben sich einen wol ausgeputzten Ritter /dem er seine Stelle eben daselbst anwieß / wohin sich vorher die von Sperbern gejagte Taube geflüchtet hatte. Nach dem dieser eine Weile seine Augen auf alle Ecken hatte herum schiessen lassen / liessen die verborgenen Wahrsager die weisse Taube loß / welche sich auf vorigen Baum sätzte; nach dem aber ihr die loßgekappten Sperber folgten / flohe sie gerade gegen dem Ritter auf eine Buche / darunter er saß. Inzwischen fiengen die Sperber mit einander einen neuen Kampff an / daß die ausgeraufften Federn in der Lufft herum flogen / biß die Wahrsager hinter dem Gepüsche sie endlich durch angebundene Tauben wieder zu sich lockten. Der Priester gab hierauf dem Ritter etliche Hand voll Gesäme; als er es nun nach seinem Unterrichte auf die Erde streute / kam die Taube und fraß selbtes begierig auf. Nach diesem führete der Priester / welcher diese Vogel-Erscheinung für etwas sehr glückliches rühmte / den Ritter zurück gehen der heiligen Höle zu / welchem die andern Wahrsager / welche sich für Lachen bey nahe hätten ausschütten mögen / endlich folgten. Zierotin fragte den Kapliers: wo [1389] sie sich nun hin verfügten? Weil nun dieser berichtete: daß er itzt in der heiligen Höle vom obersten Priester die Auslegung über Erscheinung dieser Vögel zu gewarten hätte. Worauf beyde Ritter verlangten: daß sie Kapliers / solche zu vernehmen / auch dahin bringen möchte / welches er auch durch einen Umweg werckstellig machte. Als sie nicht weit von der Höle kamen / sahen sie den vom Priester geführten Ritter / welchen sie nunmehr zu grosser Verwunderung für den Fürsten Britomartes erkeñten /etliche Hand volln Weyrauch in das nahe darbey gemachte Opffer-Feuer streuen / sich aus dem nahe darbey rinnendem Qvelle waschen / und ihn folgends dem obersten Priester in die Höle folgen. Sie aber blieben in dem Eingange von ferne stehen. Als nun so wol Britomartes als der Priester eine gute weile auf der Erde gelegen hatten / richtete sich dieser gleichsam aus einer Entzückung auf / und fieng mit einer durchbringenden Stimme an:
Drey Sperber werden dir die Taube strittig machen /
Sie aber flůchtet sich aus ihren Klau- und Rachen;
Und ihre Zwytracht wird zum Vortheil dir gedeyhn.
Denn diese / die du liebst / wird deine Beute seyn.
Kapliers zohe den Wirbna und Zierotin / und gab damit ihnen ein Zeichen / sich zurück und auf die Seite zu machen. Sintemahl Britomartes sich alsbald aufrichtete / aus der Hölen gieng / um das gewöhnliche Danck-Opffer zu vollziehen / worzu auf Britomartens Befehl mitler Zeit zwey wiesse Bastarnische Ochsen waren herbey geführt worden. Zierotin und Wirbna waren des von den Priestern und Wahrsagern gebrauchten Betruges nunmehr festiglich versichert /wolten also bey diesem so sehr mißbrauchten Heiligthume keine Andacht verrichten / sondern ließen sich den Kapliers wieder aus dem Heyne führen; welchem sie drey güldene Müntzen mit dem Gepräge des Getischen Königs Cotisen verehrten / zurück eilten / und dem Könige Vannius alles umständlich berichteten. Nachdem dieser nun alles genau untersucht hatte /verfügte er sich zum Marbod / und sagte ihm: daß die Pflicht seiner Freundschafft ihn verbunden hätte / diß / was Adelgunde wider die für Adgandestern angezogene Wahrsagung eingewendet hätte / zu untersuchen. Wie ihm nun solche bald anfangs verdächtig gewest wäre / weil der Himmel in solchen Fällen / da er einem Reiche wol zu thun vorhätte / am allerersten die Gemüther zu seinem vorhabenden Zwecke zu gewinnen pflegte; also traute er nunmehr Sonnen-klar zu behaupten: daß nicht nur diese / sondern alle andere Wahrsagungen der um Rath gefragten Priester voller Betrug steckten. Marbod sahe den König Vannius hierüber starck an / und sagte: Er könte sich schwerlich bereden lassen: daß er in ein oder anderthalb Tagen die / welche von undencklicher Zeit den Ruhm unfehlbarer Warheit behauptet / einer betrüglichen Falschheit zu überweisen / genungsamen Grund gefunden haben solte. Vannius antwortete: Wie aber? wenn ich erweisen könte / daß eben der Priester / welcher Adgandesters Lied gesungen / Adelgunden einem andern Fürsten zur Beute versprochen hätte? Wie? wenn ich durch unverwerfliche Zeugen behauptete: daß die Wahrsager eine unzählbare Menge Vögel zu ihrem Betruge unterhielten / abrichteten / und durch ihre Freylassung nicht alleine die Fragenden betrügen / sondern noch darzu auslachten? Marbod versätzte: Er könte diß unmöglich glauben. Vannius ließ hierauf den Ritter Zierotin und Wirbna ins Zimmer kommen /befahl ihnen: daß sie nach ihrer Landes-Art schweren solten / über dem / was sie befragt werden würden /die Wahrheit zu sagen. Reichte zu dem Ende ihnen auch zwey Steine / welche sie in das unter dem Königlichen Schlosse vorbey lauffende Wasser warffen /und wünschten: daß wo sie was falsches berichten würden / sie wie dieser Stein versincken möchten. Hierauf erzehlten sie alles haarklein / was sie in dem Heyne gesehen hatten / erboten sich auch nicht nur allein [1390] darinnen anzuweisen / sondern alles den Priestern und dem Fürsten Britomartes unter Augen zu sagen. Marbod erstaunete hierüber / und verschwur sich: daß er selbst diesen Betrug untersuchen / die schuldigen Priester und Wahrsager als Ubelthäter straffen / und das entweyhete Heiligthum reinigen wolte. An statt des Wassers / wolte er ihr Blut zur Abwaschung ihres Greuels gebrauchen; der Erwürgten letzter Athem solte der Blasebälge / ihre eingeäscherte Gebeine der Erde / ihre lodernden Holtzstöße des Feuers / die sie peitschenden Nesseln der Kräuter / ihre Geylen aber der Eyer / welche die vier Elemente in sich beherbergen sollen / und also aller zur Reinigung erforderter Dinge Stelle vertreten. Vannius antwortete ihm: Weil seine beyde Ritter die unfehlbare Wahrheit berichtet hätten / sich auch alles also befinden würde / wäre seine entrüst- und vorgesätzte Bestraffung der Wahrsager und Priester wol der Gerechtigkeit / aber nicht der Staats-Klugheit gemäß. Denn es wäre nichts gefährlichers einem Fürsten / als sich mit der Priesterschafft zwisten; welche das Volck wie an einer Schnure und wie mit einem durch die Nase gezogenen Rincken leiten / wo sie hin wolten / und es gegen dem Fürsten aufsätzig machen könten. Sie wären bey den meisten Völckern / und insonderheit bey den Marckmännern in so grossem Ansehen: daß sie selbst nicht nur übers Volck / sondern über die Fürsten urtheilten. Zu Rom wären sie keinem Gerichte unterworffen /und dörfften sie weder dem Rathe noch dem Volcke von ihrem Thun Rechenschafft geben. Insonderheit wäre der König des Gottesdienstes / und die Vestalischen Jungfrauen keinem Gesätze unterworffen. Wenn nun Marbod sich über diese Priester einer Botmäßigkeit anmaßen würde / wäre zu besorgen: daß sie ihn als einen Verächter des Gottesdienstes / als einen Versehrer des Völcker-Rechts / und als einen Priester-Feind beym Volcke schwartz machen / und bey diesem gefährlichen Zustande die Marckmänner veranlassen dörffte / in der Longobarder Fußstapffen zu treten. Insonderheit hätten die Wahrsager gefährliche und stachlichte Zungen / ließen sich also schwerlich zäumen. Denn würffe man sie ins Wasser / so würden sie zu Fröschen / verderbte man sie in der Lufft / oder durchs Feuer / so würden sie zu Vögeln / welche durch unglückliche Wahrsagungen den Fürsten zu schrecken / und verhaßt zu machen / ihnen weder des Tages noch des Nachtes das Maul nicht stopffen ließen. Daher müste man zu ihren Fehlern ein Auge zudrücken / und mit ihnen niemals öffentlich brechen /wo man nicht mit denen / welche in ein Wespen-Nest bließen / im Unglücke gleich werden wolte. Marbod schwieg eine gute Weile stille / hernach sagte er: Wenn mit diesen Verfälschern nichts anzufangen ist /zu was für Nutzen soll mir denn die gegebene Nachricht dienen? Vannius versätzte: Zu diesem / daß er die dem Adgandester ertheilte Wahrsagung für einen sinnreichen Betrug / und die ihm zugedachte Heyrath für keine Stifftung des Verhängnüsses halten solte. Marbod fiel ein: Auf solchen Fall wäre Adgandester so wol als er betrogen worden; und anderer Verbrechen könte dem / welcher seiner eigenen Tugend halber Adelgundens werth wäre / ihrer nicht berauben. Vannius begegnete ihm: Es wäre nicht glaublich / daß Adgandester wegen der falschen Wahrsagung die Hand nicht mit im Spiele gehabt haben solte. Sintemal Adgandester beym Volcke verhaßter wäre / als Marbod glaubte; und also nicht vermuthlich / daß die Wahrsager aus eigener Bewegnüs oder Liebe / und ohne Versicherung eines grossen Gewinnes das Laster der Verfälschung begangen haben solten. Wenn sich aber einer solcher Künstebediente / von dem wäre man versichert / daß er sich mit Larven der Tugend behülffe / und ihre Vollkommenheit nicht besäße. Es gäbe wider ihn auch keinen schlechten Verdacht / daß er aus dem Cheruskischen Hofe mit so schlechtem Ruhme [1391] weg kommen wäre / und er sich so denn alsbald an die Römer gehenckt / und aus gifftiger Rache ihnen / ja denen Catten selbst / aus derer Geblüte er doch herrührte / alle Welt auf den Hals zu hetzen nie gefeyert hätte. Einem redlichen Gemüthe aber stünde nicht an / wenn es schon mit dem / der ihm Wolthaten erwiesen hätte / oder dem er durchs Gesätze der Natur verbunden wäre / zerfiele / sich für seinen Feind zu erklären. Themistocles und Camillus solten aller verstossener Diener Vorbild seyn. Beyde hatten ihrem Vaterlande unvergeltbare Dienste gethan / jener aber ward mit nicht kleinerem Unrechte als Schimpffe aus Athen / dieser aber aus Rom verjagt; Gleichwohl aber errettete dieser sein Vaterland aus Flammen und Verderben / jener aber tödtete sich mit ausgetrunckenem Ochsen-Blute / damit er wider seines nicht unter dem Xerxes fechten dorffte. Wenn ein Fürst aber einen zu einem so grossen Diener machen wolte / müste er an diesem den geringsten Fleck einiger Untugend nicht finden. Denn weil dieser ein Spiegel seines Fürsten seyn solte / würde er durch seine kleineste Flecken selber verstellet. Daher unterschiedene Könige sich über einer solchen Wahl mit dem Volcke berathen /oder solche mit Fleiß vorher ausgesprengt hätten /damit sie durch das gemeine Urthel ihre Gebrechen erforschet hätten. Wie viel sorgfältiger aber hätte ein Fürst den zu prüfen / welchen er zu seiner Tochter Manne und zum Nachfolger im Reiche erwehlen wolte. Denn dort ließe sich der Irrthum noch verbessern / wiewol es rühmlicher wäre durch kluge Auslesung den Gebrechen vorzukommen / als solche hernach verdammen. Hier aber hätte weder Reu noch Aenderung statt. Marbod brach ein: Ihm würde schwerlich zu verargen seyn / daß er ihm einen Freund und so grossen Diener erkieset hätte. Sintemahl die Glückseeligkeit selbst ohne Freunde unvollkommen; diese aber nützlichste Ergetzung des Lebens / und das gröste Gut der Fürsten wären. GOtt alleine wäre in sich selbst so reich / und könte alles ohne Werckzeug verrichten; also könte er in seiner Einsamkeit vergnügt seyn. Die Menschen aber könten ohne Freunde und Gehülffen nicht wol leben / ja gar nicht. Die Natur hätte ihnen fürnehmlich die Vernunfft und die Sprache gegeben: daß sie sich mit andern berathen könten; dahingegen andere Thiere ihrem eintzelen und blinden Triebe folgten. Denn die eigene Vernunfft schlüge sich bald zu sehr auf eine Seite / und heuchelte der ersten Zuneigung / daß sie das beste aus unterschiedenen Dingen so wenig selbst erkiesen / als ein Auge sich selbst sehen könte; sondern solche Wahl müste mehr aus anderer Urthel geschehen. Nach dem aber Weitläufftigkeit den Rathschlägen theils hinderlich / theils der Geheimhaltung schädlich wäre / hätte er nach vieler grossen Helden Beyspiele ihm einen sonderlichen Gehülffen erkohren. Also hätte Hercules nichts ohne den Jolas / Diomedes nichts ohne Ulyssen / Agamemnon nichts ohne seinen Nestor gethan. Diese Zahl und Einrichtung hätte gleichsam eine vollko ene Aehnligkeit mit der Herrschafft im Menschen; wo der Verstand den geheimen Rath / der Wille den Fürsten vorstellet / ohne daß dessen Herrschafft durch jener Erleuchtung etwas benommen wird. Er hätte sich auch in Erwehlung Adgandesters hoffentlich nicht übereilet / noch sich durch sich selbst / und durch seine eigene Einbildung betrogen /seine Gewohnheit wäre auch nicht: daß er aus Ungedult des Anlauffs / das erste das beste / was ihm ungefähr begegnete / allem andern vorzüge / und wie die Egyptier garstige Thiere aufs Altar sätzte / sondern ehe er ihn so groß gemacht / und zu seinem Eydame bestimmet / seinen Eyver / Treue und Klugheit in vielen wichtigen Geschäfften vorher geprüfet. Er hätte viel seiner tapfferen Thaten mit Augen gesehen / nach welchen Fürsten / der Pöfel aber nur nach den Ohren zu urtheilen hätten. Jene könten nicht wie diese betrogen werden. Diesem [1392] nach könte selbten niemand beschuldigen: daß er ein blosses Geschöpffe einer blinden Zuneigung und ein Wunderwerck des Glückes wäre / welches offt auch Unflat von einer Kuh zu vergülden pflegte. Vannius fieng / nach dem Marbod ausgeredet hatte / an: Er wäre so wenig willens / als er Recht hätte / dem Könige Marbod an seinen Einrichtungen Mängel auszusätzen / und seinen Anstalten Ziel und Maaß vorzuschreiben; und er würde gerne schweigen / wenn ihn seine alte Freundschafft nicht zu reden nöthigte. Dieses aber bestünde darinnen: daß ein Fürst seinen vertrauten Freund mit dem grösten Staats-Diener nicht zu vermischen hätte. Jener müste nach seiner blossen Neigung / dieser nach dem Nutze des gemeinen Wesens erwehlt werden. Denn sehr selten träffe man die Behägligkeit des Gemüthes und hohen Verstand in einem Menschen an. Daher müste ein Fürst einem jeden seinen gewissen Stand nach dem Maaße ihrer Beschaffenheit zueignen. Denn alle / die gleich grossen Glantz der Tugend an sich hätten / schickten sich so wenig als die Sonne in den höchsten Kreiß des Saturnus; sondern es müsten offt unansehliche Leute das Steuer-Ruder einer Herrschafft beobachten / wie viel unsichtbare Sterne das höchste Ziel des Himmels einnähmen. Wenn aber auch gleich Annehmligkeit und Verstand einen ausrüstete / daß er die Liebe des Fürsten / und seine höchste Würde verdiente / so wäre es dennoch nicht rathsam selbigem schlechterdings alles zu vertrauen. Denn der Mensch solte noch gebohren werden / welcher die Vollkommenheit allem seine Ausrichtung zu thun besäße. Ein Reich gleichte den Schiffen / da ein jeder seines besondern Amtes warten müste / und hätte die Natur so wenig einem Menschen alle Vollkommenheiten / als einem jeden Gliede alle Sinnen eingepflantzt. Uberdiß ereignete es sich mehrmals /daß kluger und treuer Diener Rathschläge zwar gut /aber unglücklich wären. Dieses rührete offt aus Mangel der Werckzeuge her / denen man die Gebrechligkeit so wenig an der Stirne ansehen / als verfälschtes Geld aus dem Klange erkennen könte. Ihrer viel / welche in mittelmäßigen Dingen mehr als zu viel Geist bewiesen hätten / wiesen in grössern eine unversehene Unfähigkeit; dahingegen andere durch die Grösse der Geschäffte aufgeweckt würden. Offt würden gute Anstalten durch vorsetzliche Hindernüssen der Mißgönner / oder aus unvermutheten Zufällen zernichtet. Denn der vollkommenste Diener / wenn er gleich nichts versieht / und alles thut was er soll / richtet kaum was taugliches aus / wenn er bey allen andern Dienern und dem Volcke verhaßt ist. Es werden ihm so viel Schlingen und Fallen gelegt / daß er unvermeidlich in eine oder die andere treten muß / und er mehrmals in den Armen / und unter dem Purper-Rocke seines Fürsten nicht sicher bleiben kan / solte das Volck auch selbst das Ampt eines Scharfrichters über sich nehmen. Wenn aber auch die Menschen einem Diener nicht seinen Zirckel verrücken / man auch alle Tieffen der Geschäffte ergründet / allen Bügen vorgebauet hat; so seynd ein und dem andern doch Himmel und Erde zuwider / welche alle Vorsicht in Unordnung / alle Muthmaßungen / welche ihnen diß oder jenes fälschlich fürgebildet / in Verwirrung sätzen. Ein Donnerschlag kan allen Vorrath / ein Sturmwind eine gantze Schiff-Flotte zernichten / ein Umstand die beste Gelegenheit aus der Hand spielen / eine falsche Zeitung die gröste Hoffnung ersäuffen / und das tapfferste Vorhaben hemmen; also daß es Feld-Hauptleute gegeben hat / welchen niemand einen Mangel ausstellen können; die aber gleichwol alle Schlachten verspielet haben; und es mehrmals das Ansehn gewinnet / als wenn das Verhängnüß mit Zernichtung menschlicher Weißheit seine Kurtzweil triebe. Diesemnach müste ein Fürst sich vielmahl der besten Diener / wie ein Schiffer sich des sinckenden oder auf eine Klippe[1393] getriebenen Schiffes entlaßten / wenn er sähe: daß sie entweder dem Volcke ein Greuel in Augen / oder ein Auswürfling des Glückes wären. Beydes aber schiene Adgandester worden zu seyn; dessen Rathschläge /wie wol sie auch möchten gemeinet oder erwogen gewest seyn / dennoch den Verlust zweyer ansehnlichen Völcker / und hierdurch zugleich einen gifftigen Haß der Marckmänner nach sich gezogen hätten. Daher würde dem Könige Marbod zu grossem Ruhme / dem Volcke zur Vergnügung und Adgandestern selbst zum besten gereichen / wenn seine Gewalt ehe ein wenig eingezogen / als durch eine so grosse Heyrath vergrössert / von seinem Haupte aber nicht nur die Verbitterung des Volckes / sondern auch die Feindschafft dreyer so mächtiger um Adelgunden werbender Fürsten abgelehnet würde. König Marbod danckte dem Vannius für seinen wolgemeinten Rath / welchem er seiner Wichtigkeit wegen nachdencken wolte. Mitler Zeit gerieth Adgandester in nicht wenigen Kummer /weil er sahe: daß Marbod nicht alles an ihn verwieß /sondern sich gleichsam aus seinem Schlaffe ermunterte / und sich der Herrschafft selbst wieder anzumaßen schien. Gleichwol aber that er nichts anders / als daß er in seinen Diensten sich emsiger als vor / und gegen jedermann freundlicher erwieß. Denn er verstand allzu wol: daß ein Diener / gegen den seines Fürsten Liebe lau wird / wenn er sich durch viel Künste zu erhalten bemühet / in eben das Unglück verfällt / als die / welche den geringsten Leibes-Zufällen durch überflüßige Artzneyen abhelffen wollen / und sich durch zu grosse Sorge für ihre Gesundheit frühzeitig ins Grab bringen. Oder die / welche in der Höhe aus übriger Furcht zu fallen / den Schwindel in Kopff bekommen / und desto ehe herab stürtzen. Nach dem er aber sahe: daß Marbod mit dem Vannius so verträulich umgieng /nichts aber ihm von ihren Unterredungen eröfnete; besonders Vannius Adgandestern nicht viel mehrere Bezeugung / als andern Königlichen Dienern erwieß /schwindelte ihm: daß ins geheim eine Glocke über seinen Kopff gegossen würde. Daher hielt er nicht für rathsam länger stille zu sitzen / und dem Ungewitter seinen Lauff zu lassen; sondern weil die besten aber verspäteten Mittel zuletzt bey entkräffteter Natur /oder gantz verloschener Gnade des Fürsten / keine Würckung mehr hätten / noch für sich das eußerste zu versuchen. So bald nun Vannius vom Marbod Abschied nam / verlangte Adgandester Verhör; welche dieser ihm aber abschlagen ließ / da er doch alleine den güldenen Schlüssel zu des Königs geheimen Zimmer in Händen / und sonst unangesagt hinein zu kommen / Erlaubnüs hatte. Adgandester ward nach der Eigenschafft der dem Glücke in der Schoß sitzenden Leute durch diese Abweisung so niedergeschlagen /als wenn ihm dadurch alle seine Wolfarth und Hoffnung abgeschnitten worden wäre. Die gantze Nacht brachte er ohne Schlaff zu / er schlug sich mit mehr Gedancken / als das stürmende Meer mit Wellen; sein Verstand hatte weniger Licht als damalige Finsternüß / und wuste nicht: ob er den erwarteten Tag mehr verlangen oder fürchten solte. Er ward aber nach dieser ihn qvälenden Unruh auf den Morgen sehr früh zum Könige beruffen. Dieses versätzte ihn in noch mehrere Verwirrung. Furcht und Hoffnung löseten einander ab sein Hertze zu zerschlagen / wie die Hämmer den Amboß. Gleichwol raffte er seine zerstreuete Gedancken zusammen / faßte ihm einen Muth / auf ein oder andern Fall des Königs Erklärung / welche ihm entweder alle seinen Wunsch zernichten / oder vollkommen machen würde / mit standhafftem Gemüthe zu vernehmen / gieng also mit angeno ener Freudigkeit dahin. Dem Marbod sahe der Kummer aus den Augen / und wahrsagte Adgandestern / ehe er redete / nicht viel gutes. Darnach fieng er an: Ich zweifle nicht /Adgandester sey meines Wolwollens so sehr / als ich zeither seiner [1394] treuen Dienste vergewissert worden. Diese haben mich bewogen: daß ich ihm meine Tochter Adelgunde / wie August Agrippen seine Julia zu vermählen Siñes gewest; und meine Danckbarkeit würde seine so vielmehr überstiegen haben / so viel meine Tochter mehr Tugend und Erbrecht als seine besitzet. Alleine die / welche durch falsche Wahrsagungen dieses Vorhaben zu befördern gemeinet /haben solches am meisten zu Wasser / das Volck schwürig gemacht / Adgandestern mit Argwohn und Neide / mich mit Blindheit und Unvernunfft bebürdet. Mit einem Worte: das Verhängnüß und alle Welt scheinet sich wider meine gute Neigung / und Adgandesters Glücke verschworen zu haben / und was das ärgste und unüberwindlichste ist: Adelgunde wil sich ehe vom Felsen stürtzen / als seine Gemahlin oder meine Gefangene seyn. Bey diesem Zustande lässet sich mehr nicht thun; als daß wir uns beyderseits für dem Verhängnüße beugen / als uns aus Hartneckigkeit daran den Kopff zerstossen. Ich werde zwar gezwungen meiner Tochter einen andern Mann zu geben / aber deßwegen wird Adgandester nicht aufhören mein bester Freund und Gehülffe in der Herrschafft zu seyn. Dieser mein Vorschlag wird uns beyde ausser Haß / Adgandestern in grösser Ansehen / und vielleicht in besser Glücke versetzen / für welches ich von nun an eyfriger / als niemahls vorher sorgen werde. Denn wie nichts in der Welt ist / was Adgandesters Tugend nicht verdienet / und meine Gewogenheit ihm gönnet; also hat er auch nicht so wol auf diß / was ich ihm wider Willen sagen muß / als / was ich für ihn gutes im Sinne führe / sein Absehen zu sätzen. Weil Adgandester ihm etwas viel ärgers fürgebildet hatte / nach dem grosser Diener Fall selten Staffel-weise / sondern ins gemein vom höchsten Wirbel des Glückes in den tieffsten Abgrund geschiehet /war er seiner so viel mehr mächtig ein unverändertes Gesichte zu behalten / und dem Könige freymüthig zu antworten: Er hätte vom Könige Marbod so viel Gnade genossen: daß nicht der König sein / sondern er des Königs Schuldner / und also von ihm nichts /weniger seine einige Tochter zu begehren berechtigt wäre. Des Königs eigne Wissenschafft diente ihm zu seinem besten Zeugnüße: daß seine Ehrsucht nach nichts anderm / als nach dem Wolstande des Königs gestrebt / und dieses Absehen ihm auch die sauerste Müh eines gemeinen Kriegs-Knechtes leichte gemacht hätte. Nach dem ihm aber die Gütigkeit eines so grossen Fürsten / und die Anleitung derer / welche die Geheimnüße Gottes wissen / und Dollmetscher des Verhängnüsses abgeben wolten / selbst auf Adelgunden ein Auge zu werffen veranlasset hätten / wäre er zu gehorsamen mehr verleitet worden / als daß ihn seine Vermässenheit mit der Eitelkeit so grosser Gedancken aufgeblähet haben solte. Er vergnügte sich an dem: daß er ein Cattischer Fürst / der erste Edelmann unter den Marckmännern / und des grossen Marbods Diener / aber ein Herr über alle Versuchungen des Ehrgeitzes und des Glückes wäre. Diese Vergnügung wolte er nicht um die Herrschafft der gantzen Welt vertauschen / weniger durch eine Staats-Heyrath seine Gemüths-Ruh verstören / oder einer so vollkommenen Fürstin Ungnade verschulden. Dieser zu Liebe / begäbe er sich nicht nur allen Anspruchs; sondern wäre bereit sich auf ihren Befehl über die Riphäischen Gebürge zu entfernen. Dem Könige legte er um damit andere wolverdientere zu betheilen seinen Stab und alle seine Würden zu Füssen; ja wenn ihm auch der König seine Ungnade andeutete / würde er sein Lebtage nie nach der Ursache fragen / weniger des Königs Willen zu hintertreiben sich einiger doch sonst zuläßlicher Mittel bedienen. Nur den Degen und die Ehre behielt er ihm zuvor: daß er beyde zu seines Fürsten und Wolthäters Diensten mit seinem Blute aufopffern möchte. Dem Könige Marbod [1395] drang diese Rede so sehr zu Hertzen: daß es wenig mangelte auf dem Fuße seine Erklärung umzudrehen. Er hob aber den Stab auf / gab ihn Adgandestern wieder / und sagte ihm mit Reichung der Hand: diese solte ihm ein sicheres Pfand seiner unveränderlichen Freundschafft seyn. Adgandester küste solche / und antwortete: Er könte bey ihm verbleibender Gnade des Königs nie so klein werden: daß er nicht solte vergnügt seyn. Marbod forderte hierauf den Vannius zur angestellten Jagt ab / und gab Adgandestern Anlaß ihm dahin zu folgen. Als er nun diß / was er mit Adgandestern geredet / und für Antwort erhalten hätte / dem Vannius eröffnete; Lobte er Marbods kluge Entschlüssung / noch mehr aber Adgandesters: daß er in einen so gewaltigen Streich sich so gedultig hätte zu schicken gewüßt; sagte auch: Daß er ihn nunmehr zweymahl so hoch /als vorhin / schätzte. Adgandester bezeigte sich auch auf der Jagt frölich / und so unverändert / als wenn ihm nicht das geringste widrige begegnet wäre; ungeachtet ihm sein Hertze ärger / als einem Erworgenden schlug / und er seine Loßlassung Adelgundens / tausend mahl als die ärgste Schwachheit der kleinmüthigsten Zagheit verdammte / aber solche zu wiederruffen / weder Hertze noch Verstand hatte. Nichts desto weniger wolte er bey Adelgunden mit seiner bösen Zeitung der erste Freuden-Bote seyn; schrieb also auf einem Jäger-Hause folgende Zeilen an Adelgunden: Durchlauchtigste Fürstin! die Natur und ihre Tugend hat sie so hoch über ihr Geschlechte erhoben: daß alle Menschen sie anzubeten schuldig / niemand sie zu lieben würdig ist; habe ich aber hierwider gesündigt / so ist es ein Fehler meines Gehorsams /nicht eine Versteigung meiner Ehrsucht. Ich verzeihe mich aber hiermit eines für mich allzugrossen Anspruchs / und verwandele solchen in die tieffste Ehrerbietung. Nach dem ich nun durch Aufopfferung meines Hertzens ihren gerechten Zorn mir zugezogen /gönne sie mir die Gnade: daß ich durch mein zu ihren Diensten verspritztes Blut allen Unwillen ausleschen möge. Diesen Brief gab er einem Marckmännischen Edelmanne mit Befehl: daß er solchen auf alle ersinnliche Weise in Adelgundens Hände zu bringen trachten solte. Dieser ritte unter das Schloß / und gab ein Zeichen: daß er etwas friedliches anzubringen hätte. Als die Wache im Schlosse nun hörte: daß es ein Schreiben an Adelgunden war / nahm sie es zwar; weil diese aber Adgandesters Siegel daran erkennte /schickte sie es uneröffnet zurücke. Dieses verursachte den Edelmann: daß er es an einen Pfeil band / und mit selbtem ihn in das Schloß schoß. Weil es aber auf Adelgundens Befehl wieder herunter geworffen wor den war / fand es ein nichts hiervon wissender Kriegs-Mann / brachte es seinem Hauptmanne; dieser aber händigte es dem zurücke kehrenden Marbod ein / welcher es in des Vannius Anwesenheit eröffnete und laß. Beyde Könige lobten Adgandesters großmüthige Bezeigung / Vannius gab Anlaß: daß ihn Marbod selbigen Abend bey ihrer Taffel behielt. Er kam auch dem Könige Marbod / welcher erst folgenden Morgen seiner Tochter ihre Freyheit wolte andeuten lassen /zuvor / und schrieb ihm unwissend noch selbigen Abend an Adelgunden: daß Adgandester sich freywillig alles Anspruchs an sie / wie seine eigene Hand und Siegel in der Beylage weisen würde / begeben /Marbod allen / die sie mit Gewalt aus Adgandesters Händen entführet / da sie nebst ihr sich gegen ihn demüthigten / verzeihen / und folgenden Tag allen / sie zu beleidigen / bey Lebens-Straffe verbieten würde. Auf diß sein Fürstliches Wort möchten sie trauen /das Schloß öffnen / und sich eines gnädigen Empfangs versichern. Weil nun diesen Brieff ein Kwadischer Ritter brachte / ward er von der Schloß-Wache und Adelgunden willig angenommen. Adelgunde fand in des Vannius Briefe so viel unvermuthete [1396] Dinge / als Worte. Sie laß ihn wol vier oder fünffmahl / ehe sie ihren Augen traute / daß diß / was die Buchstaben andeuteten / sein wahrer Innhalt wäre. Zu dem Ende eilte sie in Drahomirens Zimmer / wieß ihr solchen / welche sie des Vannius Hand und Siegel genau zu prüfen erinnerte; weil sie dem schlauen Fuchse Adgandester kein Haar breit traute / und dieses einer betrüglichen Fallbrücke sehr ähnlich sähe. Zumahl der innliegende Brieff eben der wäre / welchen man vom Schlosse zurück geworffen / und der zu Betrügereyen geschickten Nacht mit Fleiß zu ihrem Unglücke erkieset wäre / und der sich selbst so zu verstellen wüste / könte leichte eines andern Hand und Pettschafft nachmachen. Adelgunde aber hatte /entweder / weil man bey guten Zeitungen leichtgläubig ist / oder weil sie selbst allzu redlich und desto weniger mißträulich war / ein viel besser Vertrauen; zumal / da sie des Vannius Hand eigen zu kennen vermeinte / dieser aber viel zu ehrlich wäre / was arglistiges zu befördern. Sie ließ hierzu auch den Ritter Milessow und Stochow beruffen / welche nach grosser Verwunderung auch Adgandesters Schreiben lasen /und einstimmig befanden / iedoch auch nicht einer /sondern der erste Adelgundens / der andere Drahomirens Meinung waren. Endlich wurden sie schlüßig /den Uberbringer selbst darüber zu vernehmen. Diesem ward mit gröster Vorsicht eine kleine Pforte geöffnet / und er bey seiner Erscheinung vom Ritter Milessow für den Ritter Kotulin erkennet. Dieser versicherte die Fürstin und den Ritter: daß diß Schreiben seines Königs eigene und aus seinen Händen empfangene Schrifft wäre / er auch ihm sie zu versichern befohlen hätte: daß er ihnen für alle Gewalt Bürge seyn wolte. Der König Marbod würde auf den Morgen ihnen eben diß zu wissen thun / und es in seinem Kriegs-Heere ausblasen lassen. Also möchten sie ihren Glauben immer biß auf solche Zeit verschüben. Weil nun Milessow betheuerte: daß er dieses Ritters Treue und Redligkeit offt geprüfet hätte; war Adelgunde auf dem Schlosse nicht zu erhalten / sondern sie erklärte sich den Kotulin zu begleiten; weil es ihre kindliche Pflicht erforderte / dem väterlichen Befehle vorzukommen / und ihre bißherige Widersätzligkeit durch einen fertigen Gehorsam auszuwetzen. Dieses Vertrauen bewegte beyde und alle andere Ritter /Adelgunden zu begleiten / entweder nebst ihr / sich der Königlichen Gnade fähig zu machen / oder auf den Nothfall für ihre Freyheit zu sterben. Kotulin führete sie / Vermöge des ihm bekandten Wortes / durch alle Wachten / brachte sie in das unsern davon gelegene Schloß / und in das Taffelzimmer / daß ihrer Marbod nicht ehe gewahr ward / als biß Adelgunde für ihm / und die Ritter hinter ihr auf die Knie fielen; Sie ihm die Schlüssel des Schlosses überreichte / um die väterliche Gnade und ihre Freyheit mit einer so beweglichen Bezeugung bat: daß sie dem Marbod auch ohne seinen schon gefasten Schluß das Hertze erweichet haben würde. Je unversehener ihm nun dieses begegnete / ie durchdringender war in seiner Seele diese Demüthigung seiner Tochter. Die Thränen fielen aus seinen Augen ihr auf die Hände / mit denen sie Marbods Knie umfaste. Adelgunde laß diese flüssende Kennzeichen der väterlichen Liebe nicht so wol als köstliche Perlen / und das süsseste Labsal ihrer Seele mit ihren Rosen-Lippen auf. Marbod aber hob sie empor; und weil ihm seine Freude die Zunge hemmete / küssete er sie mit einer so hefftigen Begierde auf ihren Mund: daß er aus ihren Lippen Blut zoh. Endlich fieng er an: dieses wäre die glückseligste Nacht seines Lebens / sie / wie vorhin / seine liebste Tochter / uñ ihre Nachfolger seine treue Unterthanen zu sehen. Alles vorgegangene solte vergessen / und wer ihm iemahls daran gedencken würde / aus seiner Gnade und Gegenwart ewig verstossen seyn. Adelgunde wendete sich hierauf zum Vannius / danckete ihm für seine Zuneigung; durch welcher [1397] Hülffe sie sich nunmehr wieder frey und lebendig sähe. Der an der Taffel unten mit sitzende Adgandester erstaunte über dieser Begäbnüs. Seine Glieder wurden ihm gantz unbeweglich; sein Hertze bebete aber wie eines Sterbenden / und sein Gemüthe fühlete alle Stürme / die die wider einander streitenden Gemüthsregungen in einer Seele verursachen können. In dieser Verwirrung fiel er für Adelgunden nieder / konte aber mehr nicht sagen /als: Sie möchte die durch seine vermässene Liebe ihr angefügte Beleidigung ihm zu Gnaden wenden / weil nichts in der Welt so verführisch / als ihr Irrlicht / und daher die Vergehung so viel mehr zu verzeihen wäre. Adelgunde / welche stets ihr selbst gegenwärtig blieb / antwortete ihm: Sie würde sich ihrer väterlichen Begnadigung unwürdig machen / wenn sie gegen den an einige Rache dächte / den ihr Vater und König so hoch hielte. Sie verspräche ihm auch: daß so lange er nichts ihrer Freyheit abbrüchiges vorhaben / sie für sein Glücke nicht weniger / als für ihre Wolfarth bekümmert seyn würde. Er solte das Wort / dessen Wesen sie so sehr gekräncket / nie lassen auf seine Zunge / weniger ins Hertze kommen / so würde nichts von ihrem Leiden sich ihres Andenckens bemächtigen. Hierbey wolte sie ihn durchaus nicht für ihr knien lassen; er aber sich doch nicht aufrichten / biß ihm Marbod solches zu thun selbst winckete. Dieser hatte inzwischen befohlen / alle nur ersinnliche Freudens-Zeichen anzustellen. Daher aus allen Fenstern des Schlosses Fackeln ausgesteckt / Trompeten und Hörner geblasen / Paucken geschlagen / und Feuer angezündet wurden. Diesem Beyspiele folgete das rings herum liegende Kriegs- und Land-Volck; welches alle Berge und Hügel mit Freuden-Feuern krönte / ungeachtet die wenigsten die Ursache wusten oder errathen konten. Niemand aber war freudiger als Ingviomer /Boleßla / und Britomartes / derer ieder bey Hofe seine Gönner hatte / welche ihnen noch selbige Nacht die Auslegung dieser Freuden-Zeichen eilends zu wissen machten / und sie dadurch zu ebenmässigen Bezeugungen ermunterte. Hingegen war aller andern Traurigkeit in Adgandesters Hertze versamlet. Denn als er Adelgunden nur wieder zu Gesichte bekam / ward er mit einer so unsinnigen Liebe befallen: daß er sich wegen seiner so liederlichen Verzeihung in Gedancken tausendmahl verfluchte. Seine Ungedult zwang ihn auch sich unter dem Scheine einer Ehrerbietigen Zurückziehung für Adelgunden zu entfernen; und wie diese die Nacht gleich als im Himmel hinlegte / also fühlte er alle Versuchungen der verzweiffelnden / und bey nahe die Pein der Verdammten in der Hölle. Weil er auch seiner mächtig zu seyn / und Liebe / Neid /Eyversucht und Verdruß zu verstellen nicht getraute /nahm er von Hofe Abschied / unter dem Vorwande: daß er die Semnonischen Gräntzen und die Besatzungen besichtigen / daselbst die Korn-Häuser mit nöthigem Vorrathe versehen / und zu bevorstehendem Feldzuge gute Anstalt machen wolte.
Das gantze Land / niemand aber mehr als Hertzog Ingviomer / Boleßla und Britomartes waren unter zertrennten Verlöbnüsse Adelgundens und Adgandesters in vollen Freuden. Diese kamen auf den Morgen alsbald nach Hofe / und wünschten nicht weniger dem Könige Marbod wegen eines so glücklichen Streiches / als Adelgunden wegen erlangter Freyheit Glücke. Ja Ingviomer ließ sich auch gar heraus: daß Marbod durch diese großmüthige Entschlüssung mehr gewonnen hätte / als durch eine grosse Schlacht wider seine Feinde. Denn er hätte ihm die Gemüther aller seiner Unterthanen verknüpfft / welche er durch die allzu grosse Erhebung Adgandesters von ihm abwendig gemacht hätte / und bey einem kleinen Unglücke so leicht als die Langobarden und Semnoner von ihm würden abgesätzt haben. Hierbey rühmte er auch den gebrauchten Glimpff des Königs: daß [1398] er Adgandestern zwar der Hoffnung zu einer so grossen Heyrath /nicht aber zugleich seiner Gnade entsätzt hätte; da bey Fürsten sonst ins gemein Sincken und Untergehen an einem Fadem hienge / und sie der Diener Fall mit ihrem Blute zu versiegeln pflegten. Als diese Fürsten aber sahen: daß Adgandester sich von Hofe entfernte /waren sie nicht nur mehr als vorhin erfreuet / sondern verlachten auch seine Unvernunfft / und wahrsagten seinem Glücke vollends den Untergang. Sintemal dem alle den Rücken kehren / welcher schon seines Fürsten Antlitz nicht mehr vertragen kan. Den andern Tag brach Marbod mit dem gantzen Hofe nach Boviasmum auf / welches die Einwohner nunmehr nach seinem Nahmen Maroboduum zu nennen anfiengen / und den König nebst Adelgunden durch unterschiedene Ehren-Pforten mit grossem Frolocken /gleich als wenn er ein neues Königreich erobert hätte /empfiengen. Der König Vannius und die drey frembden Fürsten begleiteten den Königlichen Einzug; unter denen aber Ingviomer mit seinen dreyhundert Bructerischen Rittern den Preiß des prächtigsten Aufzugs / und durch seine Leitseeligkeit iedermanns Gewogenheit erwarb; zumahl er ohne diß wegen seiner weltkündigen Thaten das gröste Ansehn hatte. Fürnehmlich war er beym Vannius in grossem Ansehen. Denn die Tugend hat eine Magnetische Krafft in sich: daß / ob eine zwar die andere zu übersteigen sich bemühet / sie dennoch ein ander werth hält / und zusammen vereinbaret seyn wil. Ob nun wol Ingviomer Adelgundens Liebe versichert war / und sie ihm bey allen Zusammenkunfften ein so gütiges Auge zuwarff / welches seine Hoffnung täglich mehr befestigte; so ließ sie doch durch Drahomiren den Kapliers / und durch diesen Ingviomern warnigen: daß er ihre Liebe noch zur Zeit als ein Geheimnüß halten solte. Nichts desto weniger ließ er fast täglich seine Tapffer- und Hurtigkeit in allerhand Ritter-Spielen bey Hofe sehen / um Adelgundens Liebe dadurch zu unterhalten; welche nicht weniger als andere der Nahrung bedörfftige Dinge bey abgehender Speise vermagert und krafftloß wird. Hiermit aber unterhielt er auch zugleich den gantzen Hof; und der Marckmäñischen Ritterschafft Tapfferkeit ward durch ihn und seine Bructerer gleich als wie durch einen Schleifstein täglich gläntzender gemacht. Weil Ingviomer aber wuste: daß Vannius Adgandestern aus dem Sattel gehoben hatte / und daher urtheilte: daß er über den Marbod alles vermöchte / ließ er keine Gelegenheit vorbey / sich bey ihm ie mehr und mehr einzulieben / und endlich sprach er ihn an: er möchte ihm beym Marbod der Heyrath halber gut in Worten seyn / erhielt auch von ihm eine gewünschte Vertröstung. Mitlerzeit versäumte Boleßla und Britomartes eben so wenig Zeit und Mittel sich bey Adelgunden angenehm / und beym Marbod ansehlich zu machen. Die Sarmatische und Bastarnische Gesandten unterließen eben so wenig dem Könige zu Erleichterung verlangter Heyrath vortheilhaffte Bedingungen anzubieten; ja beyde versprachen: daß ihre Könige dem Marbod vier und zwantzig biß dreyßig tausend Kriegs-Leute zu Hülffe schicken / und auf den Fall der Noth ihm selbst mit allen ihren Reichs-Kräfften beyspringen wolten. Dieses trieben sie mit einem solchen Eyfer: daß Marbod sich endlich entweder aus Verdruß so vielen Anlauffens / oder aus erheblichen Ursachen für vorstehendem Feldzuge hierinnen ein Ende zu machen schlüßig ward. Er betrachtete alle drey Fürsten; darunter Boleßla und Britomartes einen Vortheil an Jahren / Ingviomer aber an Erfahrenheit und tapfferen Thaten hatte. An Ankunfft und andern Tugenden hielten sie einander ziemlich die Wage. Er konte sich aber mit sich selbst nicht vergleichen / wen er auslesen wolte; entweder weil ihre Fürtrefligkeit schwerer / als die der Edelgesteine zu unterscheiden war / oder weil er durch des einen [1399] Erkiesung die zwey andern ihm zum Feinde zu machen besorgte. Adelgundens Meinung wolte er hierüber nicht vernehmen / ungeachtet sie in seiner Gegenwart allen dreyen einerley Gesichte machte. Aus seinem Zweiffel sich nun zu reissen /vertraute er sich seinem Vannius / rühmte Ingviomern als einen schon herrschenden und erfahrnen Helden; hernach vergaß er auch nicht der zwey andern / und fürnehmlich der angebotenen Hülffe / und wie er durch des Boleßla oder Britomartes Wahl die Marckmännische Herrschafft von der Elbe / und der Baltischen See / biß ans Euxinische Meer erstrecken könte. Vannius danckte dem Marbod: daß er in einem so wichtigen Wercke zu ihm so grosses Vertrauen sätzte / und sein Gutachten vernehmen wolte. Ob es nun zwar in solchen Fällen / da alles an der Schnure des unerforschlichen Verhängnüsses hienge / und der menschliche Verstand gleichsam im finstern tappte /zu rathen schwer und gefährlich wäre; erforderte doch seine Aufrichtigkeit alles Bedencken auf die Seite zu sätzen; zumahl ihm es gleiche gielte / an wen Marbod seine Tochter vermählte / und er weder aus eines noch des andern Heyrath einigen Vortheil zu suchen gedächte. Seinem Bedüncken nach aber / solte Marbod alleine auf die Person und auf die Erhaltung des Marckmännischen Reiches / nicht aber auf dessen Vergrösserung oder auf die ihm angetragene Hülffe einig Absehn nehmen. Durch Erweiterung würden Reiche ehe geschwächet / als verstärcket / und gleichten solche denen unberäglichen Riesen / oder wassersüchtigen Leibern / welche inwendig wenig Kräffte /und so viel Ohnmacht haben: daß sie ihre eigene Last kaum tragen könten / und von dem ersten Stoße über ihre eigne Füsse stulperten / und zu Bodem fielen. Oder ihre eusersten Glieder wären auch so weit entfernet und zerstreuet / daß ehe die natürliche Wärmbde aus dem Hertzen dahin käme / solche gefrieren und erstürben. Das Marckmännische Reich / wenn es auch schon in gegenwärtiger Verfassung bliebe / hätte schon eine auskommentliche Größe: daß es sich für keiner Macht in der Welt fürchten dörffte. Wenn man aber solches ja erweitern könte / solte man sich hüten / etwas grössers an sich zu ziehen / als man selbst wäre. Denn so denn würde unser Reich eines andern Anhängling / wie Macedonien unter dem grossen Alexander Persiens / und würden im Wercke die Gewonnenen der Gewinnenden Meister. Dahero er auf den Fall / da Marbod seine Tochter an Voleßla oder Britomarten zu verheyrathen schlüßig werden solte / er in der Eh-Beredung dieses ausdrücklich zu bedingen nöthig hielte: daß Adelgunde als würckliche Königin der Marckmänner die Herrschafft behalten / kein Sarmatier oder Bastarner einiges Reichs-Ampt in ihren Ländern bekommen / ihr ältester Sohn bey den Marckmännern / der andere aber in Sarmatien oder bey den Bastarnen herrschen solte. Denn die Vereinbahrung beyder Reiche würde des Marckmännischen Untergang seyn. Denn wenn eines wolte zu einem so grossen Ungeheuer werden / müste es das ander / wie die Schlangen / wenn sie sich wolten in Drachen verwandeln / einander fressen. Wenn er aber auf Ingviomern ein Auge hätte / würde es dieser Vorsorge nicht bedürffen / dessen Fürstenthum ein unstrittiger Anhang des Marckmännischen Reiches würde. Insonderheit aber / solte er für Annehmung angebotener Hülffe sich ärger als für Schlangen und Hütten-Rauch hüten. Sintemahl ein Fürst ihm gleichsam selbst die Schwung-Federn ausrieße / die Nägel an Klauen abschnitte / und sich bey aller Welt verächtlich machte /wenn er seine Schwäche durch Dürfftigkeit frembde Hülffe zeigte. Es wäre eines Fürsten gröstes Unglück in den Stand zu gerathen / daß der Wolstand seines Reiches an dem guten Willen eines andern hienge /der Ursprung seiner Wolfarth aber nicht aus eigenen Kräfften herrührte. Denn weil die Schnecken [1400] mit frembder Hülffe ins gemein die Wette lieffen / würde man von einem mächtigen Feinde ehe über einen Hauffen geworffen / ehe jene ankämen / oder zu ko en sich nur entschlüssen könten. Welche Langsamkeit man denn auch niemanden sehr für übel haben könte; weil sich in eines andern Krieg zu vertieffen / zwar nichts gewisser als grosse Ausgaben /nichts ungewissers aber / als einen guten Ausschlag hätte / welcher allein von der Eigensinnigkeit des Glückes herrührte. Ja es wäre nichts seltzames: daß man dadurch den einem andern ausgezogenen Dorn selbst in Fuß stäche. Jedoch wäre der die Hülffe annehmende noch viel übeler dran. Eine kleine käme ihm wenig zu statten / und gleichte etlichen Tropffen Wassers / welches an statt die Flamme auszuleschen /solche nur lebhaffter / die Kranckheit nur rege machte / nicht heilete. Bestünde die Hülffe denn in einer grossen Macht / so wäre sie so gefährlich / als die des Feindes. Denn frembde Schutz-Flügel bestünden vielmahl an Adlers-Federn / welche alle andere durch ihre Anrühr- und Bedeckung zerrüben / oder es wären darunter scharffe Klauen versteckt / welche den Beschirmten blutiger als kein Feind zerfleischten / und die / welche sich durch weiche Lilgen zu decken vermeint hätten / sich in Disteln und Dornen eingewickelt befindeten. Denn weil grosse Gewalt weder Scham hätte / noch nach Gesätzen fragte / meinten die Hülffs-Völcker / daß sie durch ihre Wolthat die Freyheit / alles nach ihrer Wollust zu thun / verdienten. Der helffende Fürst bemeisterte sich bey dieser Gelegenheit / unter dem Scheine der ihm nöthigen Sicherheit / fester Plätze / welche er ihm mit Gewalt zu behaupten nicht getraut hätte / und behielte zu letzt solche unter dem Vorwand eines Pfand-Rechtes wegen aufgewendeter Unkosten / die er doch nimmermehr gedächte wieder zu geben. Inzwischen saugte er das Land aus / und würde doch wenig oder nichts gethan; ungeachtet sie anfangs grosse güldene Berge / lächerliche und unmögliche Dinge zu gewinnen versprochen / ihre Anschläge so hoch / als sie sie ihre Einbild- und Hoffnung verleiten können / gespannet hätten. Wenn es aber zum Wercke käme / ließen sie sich zu nichts kleinem gebrauchen / weil solches ihrer Macht und Ehre nicht anstünde; wichtige Sachen aber wolten sie nicht angreiffen / weil es schon zu spät im Jahre / und alles auf einen Streich zu wagen / unverantwortlich wäre. Wenn aber auch gleich beyde Bundsgenossen einen heissen Eyver / einander redlich beyzustehen /im Hertzen hätten / so hätte doch der menschliche Wille so wenig Bestand / als andere irrdische Dinge in sich; die Begierde erkaltete / der fürgesätzte Zweck würde ie länger ie zweiffelhafftiger / oder der arglistige Feind streuete zwischen sie Mißtrauen / die Zeit veränderte durch einen Zufall den gantzen Zustand der Sache / und also gienge es mit den wichtigsten Anschlägen / wie mit dem grossen Geschoß und andern ungeheuren Werckzeugen der Bau- und Kriegs-Kunst / welche / wenn ein Fadem zerriße / oder ein grosses Sandkorn darzwischen käme / unbrauchbar würden. Ob nun zwar derogestalt alles den Krebsgang gienge /und aus einem grossen Aufheben vergebene Lufft-Streiche würden / so erforschte doch der Nachtbar alle Gelegenheiten des Landes / alle Schwächen der Herrschafft. Das Reichthum machte ihn nach frembdem Gute lüstern / daran er sonst nie gedacht hätte. Er bestäche des andern Fürsten Diener / machte ihn als einen Unvermögenden bey seinen Unterthanen verhaßt / sämte zwischen diesen Zwytracht / Mißtrauen und Aufruhr / schlüge sich so denn zu einem Theile /erdrückte beyde / und machte sich aus einem Schutzherrn zum Wütteriche. Durch diese Künste hätte Philipp Griechenland bemeistert / auf diese Art hätte der Römische Adler seine Hülffs-Flügel über die drey Theile der Welt geschwungen / hernach aber ihnen den spitzigen Schnabel seiner Herrschsucht biß ins Hertze / und die Klauen seines Geitzes [1401] biß ins Eingeweyde eingesänckt. Daher wäre es in alle Wege rathsamer: daß ein Fürst / um sich selbst zu erhalten / entweder alle Adern seiner Kräffte und Unterthanen öffnete; oder auch mit einem stärckern Feinde / so gut er könte / mit leidlichem Verlust abkäme / als daß er sich mit ungewisser Hülffe und betrüglichen Bündnüssen / wo ein ieder ihm stillschweigend einen verborgenen Vortheil und ein Schlipfloch zuvor behielte / in grössern Schaden und Gefahr sätzte. Dieser Klugheit hätten sich die Römer mehrmahls bedienet. Denn da sie gleich durch etliche vom Pyrrhus erlittene Niederlagen in ziemlichen Nothstand geriethen / weigerten sie sich doch das von der Stadt Carthago ihnen angebotene Kriegs-Heer / welches ihnen Mago zu Hülffe führen solte / anzunehmen. Sintemahl sie ihr verlohrnes Ansehen / und die Ergäntzung ihres zerscheiterten Glückes / anderer Gestalt nicht / als mit eigenen Waffen / und durch ihre Tugend zu wege zu bringen getrauten. Marbod antwortete dem Vannius hierauf: Seine Erinnerungen wegen Vereinbahrung zweyer Reiche wären aus dem Hertzen und Brunnen der Weißheit geschöpfft; und würde er solche / wenn es mit dem Sarmatischen oder Bastarnischen Fürsten zu was werden solte / ihm seine genaueste Richtschnur seyn lassen. Weil zumahl beyde Gesandten sich von ihm alle beliebige Bedingungen anzunehmen erboten hätten. Ihm wäre auch nicht unwissend / was frembde Hülffe für Gefahr und Ungemach nach sich ziehe; gleichwol aber hielte er sie nicht schlechter Dinges für verwerflich / und wären die Beyspiele mit hunderten zu zehlen; da die / welche dem Untergange schon im Rachen gesteckt hätten / von ihren Freunden daraus wären gerissen worden. Sein Feind der herrschsüchtige Herrmann würde mit seinen Cheruskern so grosse Springe nicht gemacht haben / wenn er nicht Catten / Sicambrer / Bructerer und Chauzen zu Gehülffen gehabt hätte. Wenn er auch seine Tochter mit einem dieser Fürsten verlobte / wolte er mit GOtt wol sich nicht versehen: daß so denn von demselben was hinterlistiges gedacht / oder was gefährliches fürgenommen / sondern vielmehr für Erhaltung selbigen Reiches / welches seinen Nachkommen doch solte zu Theile werden / redlich gesorget / und gefochten werden würde. Vannius fiel ein / und sagte: Dieses wäre wol eine Vermuthung / aber nichts weniger als eine Gewißheit. Reiche und Erbschafften würden lieber besessen / als erwartet / und es würde mehrmahls Söhnen die Lebens-Zeit des herrschenden Vaters zu lang; Daher etliche um wenige Monat eher zur Herrschafft zu kommen / ihnen mit Stahl oder Giffte heimzuhelffen / kein Bedencken gehabt. Hätte sich doch ein König der Gallier zu tode gehungert / aus Furcht /daß alle Speisen von seinem herrschsüchtigen Sohne vergifftet wären. Ubrigens wären die Catten und andere deutsche Völcker nicht so wol der Cherusker Gehülffen / als Krieges Gefärthen / ja die Römer ihr allgemeiner Feind / und jenen meist näher als diesen gewest. Ungeachtet sie nun durch das kräfftige Band eigener Erhaltung so feste mit einander verknüpfft gewest / hätten sie doch sich nicht drey Jahr mit einander vergleichen können / sondern die blinde und ihrer eigenen Wolfarth vergessende Eyversucht hätte sie getrennet / ungeachtet sie aller Freyheit dadurch in gröste Gefahr gestürtzt. Daher er für eine unumstoßliche Wahrheit hielte / daß eines Fürsten von zwölff tausend Kriegs-Leuten bestehendes Heer dreyßig tausend Bundgenossen begegnen und sie austauern könte. Wenn aber ja Marbod sich wider seine Feinde mit Hülffs-Völckern zu behelffen für nöthig hielte /solte er feste glauben: daß die allerbesten dennoch nicht besser als die reinigenden Artzneyen wären; welche zwar die böse Feuchtigkeiten aus dem Leibe trieben / aber doch auch allemahl was böses hinter sich liessen. Ja seine eigene Hülffsvölcker / die er doch selbst besoldete / und in strengster [1402] Kriegs-Zucht hielte / würden doch Marbods Unterthanen empfindlich fallen. Daher riethe er ihm als ein treuer und alter Freund: er solte darbey keine zu seiner Sicherheit dienende Vorsicht aus übrigem Vertrauen ausser Augen sätzen / sondern ohne vorher gefaste Meinung die Uberlast ihrer Annehmung und die Entschüttung des ihn drückenden Ubels gegen einander wol abwägen /die Redligkeit oder die Ehrsucht seines Helffers und Feindes / und ob jener nicht vielmehr als dieser auf seine Länder Ansprüche machen könne / ob er einem andern Gottesdienste beypflichte / wol überlegen. Nach diesem muß er es dahin richten / daß die Hülffsvölcker ausser seinen Gräntzen blieben / und die feindliche Macht durch einen Einfall in sein Land zertheilten. Wenn aber ja iemahls der Krieges-Zustand erforderte / frembden Völckern sein Land zu öffnen / solte er ehe alles eusserste thun / als derer so viel einzunehmen / welchen sein Kriegs-Volck nicht zweymahl gewachsen / und er ihnen Gesätze fürzuschreiben / mächtig wäre. Alleine diß wäre noch nicht genung / sondern er müste sie auch kein absonderes Heer machen / noch von ihrem eigenen Feldhauptmanne abgesondert führen lassen / sondern die Botmäßigkeit über sie selbst bekommen / und solche unter sein Kriegs-Volck Fahnen-weise vertheilen; sie auch ohne Zeitverlierung wider den Feind führen /niemahls aber zu ihrer eigenen Besätzung einige Festungen zu Pfande oder zu ihrer etwan nöthigen Zuflucht einräumen. Wie er aber noch zur Zeit keine Noth sähe / daß Marbod wider den Hertzog Herrmann ausser ihm mehrer Hülffe dörffte / also besorgte er: daß so viel ihm einer von den zwey Sarmatischen und Bastarnischen Fürsten Beystand leisten / so viel der andere aus verbitterter Rache ihm Händel machen würde. Diesem nach wäre wol das beste von keinem Hülffe anzunehmen / und durch Verheyrathung seiner so vollkommenen Tochter ihm keinen Feind zu machen. Marbod brach ein: Auf was für Weise diß auszurichten möglich wäre? Denn er wüste schon / daß er durch fernere Hinterhaltung seines Willens er sie eben so sehr / als durch eine gäntzliche Abweisung beleidigen würde. Vannius antwortete: Der Auffschub würde freylich die Sache ehe schlimmer als besser / ja nur noch mehr Fürsten nach Adelgunden lüstern machen. Daher zielte seine Meinung auch gar nicht dahin; sondern er solte vielmehr durch eine schleunige Heyrath allen andern ihre unzeitige Hoffnung verschneiden /und nachdencken / wie es ohne eines oder des andern Beleidigung geschehen könte / er wolte mitler Zeit ebenfalls auf ein solch Mittel bedacht seyn / welches ihm Marbod allerdings gefallen ließ.
Weil Marbod nun / gleich als wenn er aus einem tieffen Schlaffe erwacht wäre / sich wieder der Herrschafft anmaste / dazu ihm Adelgunde unaufhörlichen Anlaß / der vorstehende Krieg aber gnugsame Geschäffte an die Hand gab / ließ er Ingviomern / Boleßlaen und Britomarten mit Jagten und andern Kurtzweilen unterhalten. Vannius aber machte Anstalt zu einem nachdencklichen Schauspiele / bey dessen Einrichtung er alle Zeit / welche er nicht mit dem Könige Marbod oder Ingviomern im Rathe zubrachte / mühsam anwendete. Daher es auch in wenigen Tagen zur Vollkommenheit kam / worauf er den König Marbod /die Fürstin Adelgunde / Hertzog Ingviomern / Boleßlaen / Britomarten / den gantzen Hof / und Marckmännischen Adel dazu einladete. Der hierzu bestimmte Schau-Platz war die Königliche Rennebahn /und diese auf der einen Seite mit einem prächtigen Schau-Gerüste versehen. Diesem gegen über war eine andere mit köstlichen Tapezereyen belegte / und mit einem Himmel bedeckte Biene für den König / und die Fürsten bereitet / neben welchen Vannius selbst einen Zuschauer abgab. Die einbrechende Nacht machte dem Spiele den Anfang / welche aber [1403] von zwölff tausend den Schau-Platz umringenden Fackeln / dem Tage das Licht zu nehmen schien: daß sie den güldenen und silbernen Kleidern / den Edelgesteinen und andern prächtigen Aufzügen desto mehr Glantz geben könte. Der sich öffnende Schau-Platz stellte den Himmel mit unzählbar hell-leuchtenden Sternen /die Erde in vereinbarter Schönheit des Frühlings / und der Fruchtbarkeit des Herbstes / das Meer mit sanfften Wellen / vielen Schiffen / und das Ufer voller Perlen und Korallen-Zincken für. Mit dem ersten Anblicke fiel den Zuschauern das gantze Siegs-Gepränge der Liebe in die Augen. Diese saß gantz nackt auf einer überaus grossen Perlenmuschel / welche auf vier güldenen Rädern lag / und an statt der Schwanen von zweyen Adlern / zweyen Elephanten / zweyen Wasser-Pferden / und zweyen Drachen gezogen ward; Sie hatte einen Krantz von Sternen / die Erd-Kugel zu den Füssen / den Blitz in der rechten Hand / zwischen dem lincken Arme eine Dreyzancks-Gabel / in der lincken Hand die Schlüssel zur Hölle; um den Leib einen Gürtel von allen Edelgesteinen der Welt. Um den Wagen flogen zwölff Liebes-Götter / derer Flügel von mehr Farben brennten / als sie Federn an sich hatten / und welche die Lufft so geschwinde als der Blitz zertheilten / mit ihren Strahlen aber gleichsam zwölff Schwantz-Gestirne abbildeten / und hinter sich eine Strasse von Feuer-Flammen liessen. Die Liebe ließ sich auf einem Berge nieder / und sätzte sich auf einen Königlichen Stuhl / welcher auf der einen Seite die Natur / auf der andern das Glücke aufwartete. Gegen über stand ein Altar / welches von eitel Adler-Holtze und Zimmet loderte. Die Natur drückte die Gewalt der Liebe zu denen allersüssesten Seitenspielen in folgendem Gesange mit einer durchdringenden Stimme aus:
Die grosse Göttin in der Welt /
Durch die im Himmel und auf Erden
Was Meer und Abgrund in sich hält /
Muß alles warm und freudig werden /
Die mich als Mutter speist / und dich als Amme nehrt /
Ist meiner Andachts-Glutt und deiner Opffer werth.
Es schwimmt kein Fisch in kalter Flutt
Den nicht das Saltz der Liebe säuget /
Und weil hier brennt die stärckste Glutt /
Nicht hundert tausend Junge zeuget /
Es ist kein Feuer-Wurm / kein brennend Stern so heiß /
Als ein kalt Wallfisch brennt in Nordens Meer und Eiß.
Der Krebs wirfft von sich Schal und Schild /
Und lernt aus Liebe vor sich gehen /
Es öffnen / daß der Thau sie füllt /
Die Muscheln sich in tieffen Seen.
Was an Corallen glüht / der Purper-Schnecke Blut /
Das Wasser in der Perl ist eitel Liebes-Glut.
Die Wasser-Schlang umarmt den Aal /
Und züngelt sich mit den Murenen;
Das Meer-Schwein lechst für Liebes-Qval /
Und Nereus buhlt mit den Sirenen.
Das Meer verliebet sich in Qvell' / und Flüß ins Meer /
Dem jenes rührt von dem / und diß von jenem her.
Daß Stahl und Ertzt wie Pflantzen blüht /
Qvecksilber sich und Gold vermählet /
Gold in Zinober wächst und glüht /
Und Silber-Bley zur Braut erwehlet /
Daß Schweffel / Stein und Ertzt so schöne Farben giebt /
Rührt von der Göttin her / die alles macht verliebt.
Der Blitz und Strahl in Diamant /
Und der Rubine Feuer-Flammen /
Sind nichts als heisser Liebes-Brand /
Der mehrmahls Steine schmeltzt zusammen.
Die Farben in Opal / die Anmuth in Saphier /
Das Mahlwerck von Agat / rührt allzumal von ihr.
Kein Isop wächset an der Wand /
Kein Schilff und Kraut in Sümpff- und Auen;
Kein Baum beschattet Feld und Sand /
Dem nicht die Lieb' ist anzuschauen.
Wenn sich des einen Ast ums andern Zweige flicht /
Und bittre Zehren weint / wenn man ein Blat abbricht.
Der Veilgen Blässe deutet an:
Daß sie sich ängsten wie Narcissen;
Und aus der Rosen Purper kan
Man aller Blumen Brünste schlüssen.
Der Thau ist ihre Thrän / ihr Sehnen der Geruch /
Die Mertzen-Blum ist gar des Ajax Liebes-Buch.
Es giebt Gewürme sonder Blut /
Doch nichts / was nicht von Liebe walle;
Die Drachen peinigt ihre Glut /
Daß sie von sich speyn Gifft und Galle.
[1404]Die Kröten girrn vor Brunst / der Molch schläfft Golde bey /
Die Nattern bersten gar von Lust und Brut entzwey.
Der Kefer Gold / der Würmer Licht /
Der Raupen Schmeltz / der Regen-Bogen
Und Persens Teppichte wegsticht /
Sind aus der Liebe Brust gesogen /
Ja diese selber hat nach bundter Schlangen Pracht /
Die Hauben ihr gestickt / den Gürtel ihr gemacht.
Die Schnecke setzt ihr Hauß in Stich /
Die Biene läßt ihr Honig flüssen /
Die Motte stürtzt ins Feuer sich /
Um ihrer Liebe zu genüssen.
Der Ameiß-Weyrauch ist der Liebe fetter Brut /
Der Heydechs Sterne sind der Zunder ihrer Glut.
Der Stier und jungen Rinder Streit /
Bey dem sie Horn an Horne wetzen /
Isis Merckmal ihrer Lüsternheit /
Und Brunst / der geilen Böck' Ergötzen /
Sie füllt die Adern an der Pferde mit viel Blut /
Flößt Eseln Feuer ein / gibt Schafen kühnen Muth.
Doch zwingt sie zahmes Vieh nur nicht /
Sie bändigt Löwen / zähmet Tieger /
Verbländet Luchse durch ihr Licht /
Sie ist des Krocodils Besieger.
Sie kirrt den schlauen Fuchs / den grimmen Wolff und Bär /
Und führt den Elefant / wie fette Lämmer her.
Die Nachtigaln sind durch ihr Lied /
Die Lust dem Buhlen zu versüssen /
Und alles Volck der Lufft bemüht.
Der Tauben Schnäbeln ist ihr Küssen;
Der Auerhahne Baltz / des Habichts Zirckel-Flug /
Ist ein von süsser Pein herrührend Liebes-Zug.
Der Adler der den Blitz selbst trägt /
Bückt wie die Gans sich für der Liebe /
Kein Vogel / dem das Hertze schlägt /
Ist frey von diesem Reitz und Triebe /
Der Fenix äschert sich / wie einsam er wil seyn /
Begierig nach dem Brut aus Brunst zur Sonnen ein.
Die kühle Lufft ist selbst verliebt /
Wenn sie an sich die Dünste ziehet /
Der Erde Thau und Regen giebt /
Und sie zu schwängern sich bemühet.
Wenn sie mit Flammen spielt / mit Schwantz-Gestirnen prahlt /
Mit Gold / Schmaragd / Saphier / verliebte Wolcken mahlt.
Das Feuer / das zwar alles frißt /
Zeugt Würmer doch in größten Flammen /
Nichts ist / was die Natur umschlüßt /
Mit dem es sich nicht mengt zusammen /
Sein Schwefel ist vermählt dem Blitzen in der Lufft /
Den Perlen in der See / Metallen in der Grufft.
Die Sterne sind in sich verliebt /
Drum kommen sie so offt zusammen.
Der Mohnd' erblaßt / und steht betrübt /
So offt der Sonne Liebes-Flammen
Nicht ihren Kreiß beseeln / nicht ihre Hörner mahln.
Was an Gestirnen gläntzt / sind eitel Liebes-Strahln.
Sie sind der Seelen Wohnungs-Stadt /
Die hier für Liebe sind verschwunden /
Was Jupiter geliebet hat /
Hat im Gestirne Platz gefunden.
Daß auch die Sonne stets nach neuer Buhlschafft brennt /
Macht / daß sie alle Jahr durch zwölff Gestirne rennt.
Der Himmel blickt wie Argos an
Mit hundert Augen Meer und Erde /
Sie putzet sich mit Tulipan /
Daß sie von ihm geschwängert werde.
Weil nun nichts in der Welt ist von der Liebe frey /
Geht sonder Opfferung nichts sein Altar vorbey.
Bey währendem Singen kam eine grosse Menge Fische an das Ufer des Meeres. Etliche speyeten Perlen auf den Sand / andere weltzeten Korallen / und ihrer viel Agstein / wie auch kleine Muscheln dahin / welche von anderm sich dahin findenden Gewürme aufgelesen / und auf das Altar der Liebe geschleppt wurden. Unter diesen kriechenden Thieren waren viel Schnecken / welche theils ihr Purper-Blut / theils ihre Häuser dahin ablieferten. Die Ameißen schütteten viel Weyrauch ins Opffer-Feuer / die Molche trugen Gold / die Heydächsen wolrüchendes Hartzt / die Schlangen Edelgesteine / die Nattern allerhand Ertzt herbey. Die Spinnen und Kröten legten gewisse Steine ab /die Bienen ließen Honig / die Aegeln Blut von sich fließen. Ja unter tausenderley Arten dieses Gewürmes / der Kefer / der Raupen / war nicht eines / das nicht auf oder bey diesem Altare sein Opffer absteuerte. Die flügenden Fische brachten Ambra / und allerhand andern Reichthum der Gewässer / die Vögel Adler-Holtz / Zi et-Rinden und Gewürtze / damit sie das Feuer immer mehr lodernd machten / und unter diesen [1405] stürtzte sich ein Fenix selbst in die Flamme / aus dessen Asche man einen Jungen auffliegen sah. Diesen folgten die vierfüßichten Thiere. Die Kühe und Schaffe opfferten Milch / die Hirsche ihre Geweyhe / die Gemsen kräftige Kräuter / die Elephanten ihre Zähne /die Katzen Zibeth / gewisse Ziegen Musch und Bezoar-Steine; ja alle so wol zahme als wilde und nur erdenckliche Thiere der Welt etwas besonders. Endlich erschien eine grosse Menge Jünglinge und Jungfrauen / welche fast gar mit Blumen gekleidet waren / und ihre davon geflochtene Kräntze aufs Altar der Liebe ablieferten. Diesen folgten viel Männer und Frauen des frischen- und nach diesen eben so viel des abnehmenden Alters / endlich auch Eys-graue Leute. Die ersten legten Kräntze von Weitzen-Eeren / die andern von Obst und Weintrauben / die letztern von Tannen-Laube und Epheu ab / und bildeten in einem künstlichen Tantze den lustigen Frühling / den fruchtbaren Sommer / den reichen Herbst / und den kalten Winter des menschlichen Lebens / alle aber doch ihre Andacht und Ehrerbietung gegen der alles beherrschenden Liebe ab.
Hierauf fieng die Göttin des Glückes ihren Lobgesang der Liebe / neben noch künstlichern Säitenspielen an:
So ist es Schwester ja bestellt /
Was lebet / wächst und sich beweget /
Ja was man für entseelet hält /
Wird von der Liebe doch gereget.
Die Steine buhlen selbst / Magnet hat Eisen lieb /
Doch diß ist schwacher Zug / und blinder Liebes Trieb.
Denn nichts / was nicht vernünfftig ist /
Was Schönheit nicht für Heßligkeiten /
Als Liebens werthes Ding erkiest /
Stimmt recht der Liebe güldne Säiten /
Das schmeckt nicht ihre Milch und süssen Honigseim /
Das fühlt nicht ihren Blitz / klebt nicht an ihrem Leim.
Des Menschen Seele taug allein /
Das Bild der Lieb' in sich zu pregen /
Sein Hertz ist nur ein würdig Schrein /
Solch eine Perl hinein zu legen.
Denn der Vernunfft wohnt nur Verstand und Urthel bey:
Daß Tugend und Gestalt nur werth zu lieben sey.
Zwar es verstößt manch niedrig Geist
Wenn er sein Hertz zu Pfande giebet /
Dem / was nicht lebet / und nur gleist /
Mit Golde todte Aeßer liebet /
Wenn er der Ehre Rauch für edle Schätze wehlt /
Sich sättiget an nichts / mit tummen Lüsten qvält.
Wenn er mit dem sich armt und küßt /
Was nicht kan küssen und umarmen;
Was ihm am Hertzen nagt und frißt /
Wenn er auf Schnee meynt zu erwarmen.
Was aber edel ist / vom Himmel rühret her /
Hat seine Seele nie von edler Liebe leer.
Die Tugend und die Schönheit sind
Zwey Perlen und so grosse Gaben /
Daß der / der sie nicht lieb gewinnt /
Muß weder Blut noch Fühlen haben.
Daß aber in der Welt nichts ohne Liebreitz sey /
Füg' ich der Heßligkeit Magnet und Fürniß bey.
Ich bin der ander Angelstern /
Um welchen sich der Welt-Kreiß wendet /
Der Weißheit Licht / des Reichthums Kern /
Der thumme führt und kluge bländet.
Ich zeuge Liebe selbst / wo gleich ihr Zunder fehlt /
Doch gleichwol hab ich sie zur Göttin mir erwehlt.
Ich räum' ihr Reich und Herrschafft ein /
Und unterwerffe mich ihr gerne /
Denn soll sie blind / wie ich gleich seyn /
Verdüstert sie doch Sonn und Sterne.
Ihr schneller Adlers-Flug kommt meinem Rade für /
Und was mein Arm erhöht / demüthigt sie für ihr.
Denn da die Weißheit sich verliebt /
Die Klugheit in ihr Netze fället /
Da Tugend sich gefangen giebt /
Und unter ihre Sklaven stellet.
Da Gottesfurcht ihr weicht / die doch der Sterne Lauff /
Der Sonne-Wagen hemmt / was soll sie halten auf?
Besiegt gleich Socrates den Tod /
So wird er doch besiegt von Liebe.
Ist Plato gleich ein halber Gott /
Folgt er doch ihrem süssen Triebe /
Pythagoras gestehts / und Epicur fällt bey:
Daß Liebe kräfftiger als alle Weißheit sey.
Ja Liebe schärfft der Weißheit Geist;
Ihr Kiel versetzt sie in Getichte /
Den sie aus ihren Flügeln reist /
Sie giebt ihr Nachdruck / Flug / Gewichte /
Sie flößt Gemüthern Hertz und Zungen Liebreitz ein;
Wie soll sie denn nicht mich zu zwingen mächtig seyn?
[1406]Kein Riese kan der Liebe nicht /
Kein Zwerg nicht Riesen widerstehen;
Ob Polyphem gleich Felsen bricht /
Zerfleußt er doch für Galatheen.
Ja Stärcke / die der Geist der Tapfferkeit gleich regt /
Wird Ohnmacht / wenn sie sich mit Lieb in Krieg einlegt.
Alcides kan durch Kampff und Streit
Der Erde Mißgeburten fällen.
Er dämpfft der Götter Schlangen-Neid /
Die Löwen und den Hund der Höllen /
Und was sonst Welt und Lufft für Ungeheuer heckt.
Ihm aber hat die Lieb' allein ein Ziel gesteckt.
Sie hemmt Semiramens Gewalt /
Des grossen Cyrus Siegs-Gepränge.
Es stößt an Helenens Gestalt
Sich des Trojan'schen Reiches Länge.
Und dem der Erde Frau Rom sich zur Magd begab /
Giebt eines Weibes Knecht / der Liebe Sklaven ab.
Den nicht der Erdkreiß machet satt /
Der neue Welten sucht und findet /
Viel Könige zu Füssen hat /
In Ost und West nicht Gräntzen findet.
Der die Natur zu klein / mein Rad zu niedrig schätzt /
Starrt / wenn er seinen Fuß ins Garn der Liebe sätzt.
Je mehr der Himmel flösset ein /
Den Menschen seiner edlen Gaben /
Je grösser sie auf Erden seyn /
Je mehr sie Schätz und Tugend haben.
Je mehr sie das Gelück / als Schooß-Kind armt und liebt /
Je minder es ihr Müh sie zu bemeistern giebt.
Jedoch zwingt nicht der Liebe Hand /
Nur Helden / Heilige und Weisen /
Auch Götter fühlen ihren Brand /
Und laben sich mit ihren Speisen.
Es kehrt sich Jupiter in Schwan / in Stier / in Gold /
Wird seinem Himmel gram / dem süssen Lieben hold.
Neptun verläßt die grimme Flut /
Und wird ein Pferd der Ceres wegen /
Styr kan so viel nicht Schweffel-Glut /
Als Pluto Liebes-Feuer hegen /
Apollo brennt so sehr nicht in des Löwen Kreiß /
Als wenn er Daphnen folgt ins Peneus flüssend Eiß.
Des Kriegs-Gott Harnisch / Helm und Schild
Schmeltzt auf Dionens Marmel-Brüsten /
Diane lässet Wald und Wild /
Läßt Britomartens sich gelüsten /
Und füllt ihr Silber-Horn mit Liebes-Balsam an /
Daß sie die gantze Welt damit bethauen kan.
Nach dem nun alles liebt / was lebt /
Was das Gelück auf ihren Flügeln
Biß an die höchsten Spitzen hebt /
So muß auch ich ihr Lob besiegeln /
Der Liebe zünden Hertz und fetten Weyrauch an /
Die das Gelück' allein gelücklich machen kan.
Bey währendem Singen that sich ein prächtiger Aufzug eines unzählbaren Volckes herfür. Der erste Hauffen bestand aus Schäfferinnen / und der folgende aus Schäffern. Jene führete die holdseelige Oenone /diese der ihr zu Liebe in einen Schäffer verwandelte Paris. Ihr Opffer waren Myrten-Kräntze / und ein brennendes Hertze. Zu der Liebe Füssen aber legten sie ihre Stäbe. Der dritte Hauffen bestand in einer Menge vielen Gelehrten und klugen Frauenzimmers /dessen Führerin war die annehmliche Tichterin Sappho; welchen auf dem Fusse folgte eine unzählbare Menge Weltweisen / die den Orpheus zum Vorgänger hatten. Sie hatten sich aber auch unter sich abgetheilet. Deñ Socrates / Plato / Pythagoras / Epicurus /Aristippus / und die andern Häupter hatten ihre Beypflichter bey sich. Am wunderlichsten aber schien /daß auch der weise Zeno / welcher alle Begierden aus dem Menschen zu vertilgen lehrte / und Diogenes /welcher nur mit einem Hunde / mit keinem Menschen Gemeinschafft haben wolte / darunter begriffen war /und der Liebe ihre Lorber-Kräntze opfferten. Alle legten ihre Schrifften und Federn der Liebe unter die Füsse. Denen Weisen folgten nicht unbillich eine grosse Anzahl Priesterinnen / theils Verheyrathete / theils die / welche nur / so lange sie Jungfrauen blieben /das Priester-Ampt verrichten konten. Unter diesen war auch über Vermuthen die der Hymnischen Diane zu sehen / welche Aristocrates mit Gewalt auf der Göttin Altare geschwächet hatte / dessentwegen ihn die Arcadier gesteinigt. Ihre Fürstin war die von ihrer eigenen Opfferung errettete und der Taurischen Diana gewidmete Iphigenia. Hinter diesen hielten [1407] eben so viel verliebte Priester ihren Aufzug. Ihr oberster Priester war Coresus / welcher nicht nur die unbarmhertzige Callirhoe mehr als kein ander Mensch liebte /sondern auch als die auf der Dodonischen Wahrsager-Tauben Befehl dem Bacchus aufgeopffert werden solte / sich selbst für die / welche lieber sterben als ihn lieben wolte / abschlachtete. Beyde warffen ihre Kräntze von Oelzweigen / und ein güldenes Rauch-Faß ins Opffer-Feuer; und warffen ihre Opffer-Messer der Liebe zu Füssen. Nach diesen folgte ein grosser Hauffe Heldinnen / ihre Vorgängerin war die Amazonin Penthasilea / ihre andern Häupter waren Ariadne /Panthea / Camma / Clelia; die nach ihnen auftretenden aber Hercules / und nach ihm Hector / Achilles /Perseus / Theseus / Sylla / Marius / Pompejus / und darunter auch viel deutsche Ritter. Alle diese gossen eine Schale voll Blut / und warffen ihre Kräntze von Pappeln in die Flammen. Von diesen zerbrechlichen und unfruchtbaren Baume hat Hercules sonder Zweiffel bekräntzt seyn wollen / weil seine auf einer Seiten weisse auf der andern schwartze Blätter ein Sinnebild der Tage und Nächte also der Zeit sind. Sintemahl Helden-Thaten die Unsterbligkeit verdienen / und von der Zeit nicht wie andere Dinge vertilget / sondern gekrönet werden. Ihre Lantzen aber steckten sie unter den Stul der Liebe. Nachgehends erschien eine unzahlbare Menge mächtiger Königinnen. Ihr Haupt war die für Brunst gleichsam rasende Semiramis. Unter denen andern ragten vornemlich herfür Olympias / Tamyris / Dido / Sophonißbe / Arsinoe / Cleopatra. Nach diesen prangeten eben so viel grosse Welt-Beherrscher daher / unter der Aufführung des grossen Alexanders. Unter dieser Menge war Ninus /Cyrus / Artaxerxes / Antiochus / wie auch Julius Cäsar und August / ansehlich aufgeputzt. Sie warffen ihre von Palmzweigen geflochtene Kräntze / und gossen ein Geschirre Balsams ins Opffer-Feuer / ihre Zepter aber legten sie der Liebe zu Füssen. Zuletzt hielten auch die Götter einen prächtigen Aufzug. Den Saturn brachten seine Drachen / Cybelen vier Löwen /Jupitern zwey Adler / die Juno so viel Pfauen / den Apollo vier Pferde / Cynthien zwey Ochsen / den Vulcan zwey Hunde / den Mars zwey Pferde / die Pallas zwey Drachen / den Bacchus zwey Tiegerthiere / die Ceres zwey grosse Schlangen / den Mercur zwey Habichte / die Venus zwey Schwanen. Aus dem Meere stieg der auf einer grossen Muschel mit zwey Wasser-Pferden gezogene Neptun / und Amphitrite herfür. Glaucus folgte ihm auf einem Seehunde / Proteus auf einem Meer-Kalbe / Nereus mit seinen funffzig Töchtern auf einem Wallfische / und eine grosse Menge Nymphen auf allerhand Meerwundern. Aus den Wäldern brachten die Diana zwischen ihren Jägerinnen zwey Hirsche geführt. Pan mit seinen Faunen rietten auf Böcken. Endlich zerberste auch die Erde / und kam Pluto und Proserpina auf einem von vier schwartzen Pferden gezogenem Wagen empor. Jeder streute eine handvoll Weyrauch aufs Altar / Jupiter legte seinen Blitz / Neptun seinen Dreyzancks-Stab /Pluto seine Schlüssel / Apollo seine Leyer / Mars seinen Degen / Vulcan seinen Hammer und Fackel /Bacchus seinen mit Reben-Laub und Epheu umwundenen Spieß / Mercur seinen Schlangen-Stab / Glaucus seinen Hamen / Nereus seinen Sicht-Spiegel /Proteus seine Larve / Pan seine Flöte / die Faunen ihre Pflugscharen / Cybele ihren Schlüssel / Ceres ihre Sichel / Pallas ihre Lantze / Juno ihren Zepter /Cynthia ihr Thauhorn / Venus ihren Bogen / Amphitrite ihre Gabel / Diane ihren Jägerspieß / Proserpina ihren güldenen Zweig / der Liebe zu Füssen. Als diß Opffer sich mit dem Singen geendigt hatte / hielten die Schäffer mit denen Schäfferinnen nach Schallmeyen und Flöten einen lustigen / die Weltweisen beyden Geschlechts nach Leyern einen [1408] bald ernsthafften /bald freudigen / die Priester und Priesterinnen nach Harffen / und Zymbeln einen langsamen / die Helden mit denen Heldinnen nach Trompeten und Heerpaucken einen feurigen / die Könige und Königinnen nach Violen einen prächtigen / die Götter und Göttinnen aber nach allen ersinnlichen Säitenspielen einen sehr künstlichen Tantz / worbey vier und zwantzig darzwischen tantzende Liebes-Götter einen jeden auf Befehl der Liebe wieder einhändigte / was er der Liebe zu Füssen gelegt hatte. Darnach öffnete sich das Thor eines prächtigen Pallastes. Aus diesem kam ein von zwey Löwen / zweyen Füchsen / und so viel Schlangen gezogener / mit vielen Larven und Spiegeln behänckter Wagen. Auf diesem saß die Staats-Klugheit. Sie hatte einen Krantz von Schlangen auf /einen sie biß auf die Füsse einhüllenden Rock an / in der rechten Hand hatte sie ein Ferne-Glaß / in der andern ein Bleymaaß / zu ihren Füssen lag ein Ruder /ein Hamen / ein Degen / und ein Schild / und ein Geschirre mit Wasser. So bald sie bey das Altar kam /ergrieff sie diß / schüttete das Wasser ins Opffer-Feuer / daß es bey nahe ausleschte / hernach wendete sie sich gegen der Liebe / und fieng an zu singen:
Der Liebe zündet Weyrauch an /
Was Himmel / Erd / und Meer beschlüssen.
Mir aber ist sie unterthan /
Denn alles muß mein Zepter küssen /
Wie schön die Liebe blüht / kehr ich sie doch in Graus
Und lesch als Sonne sie / wie kleine Sternen aus.
Sie machte hierauf mit ihrem Wagen dreymahl ein Rad / der Himmel aber that sich auf / aus welchem ein Phenix die Keuschheit auf einem güldenen Wagen herab geführt brachte. Sie hatte einen Krantz von weissen Lilgen auf / ein Gewand von weissem Atlas an / in der rechten Hand einen Zaum / in der lincken eine brennende Lampe. Sie kam als ein Blitz geflogen / und riß der Liebe aus ihren Flügeln einen ziemlichen Pusch voll Federn / und den Köcher mit samt den Pfeilen vom Leibe / fieng hierauf an zu singen:
Die Keuschheit kan in Einsamkeit /
Wie GOtt mit sich vergnüget leben.
Wer nun ist frey von Lüsternheit /
Der Jungfrauschafft sich hat ergeben /
Der lacht der Liebe Blitz / ihr wächsernes Geschooß /
Knipfft ihr den Köcher ab / macht ihr die Flügel loß.
Hierauf öffnete sich mit grossem Krachen die Erde. Aus dieser sprang die Eyversucht herfür / in Gestalt eines alten runtzlichten und magern Weibes / derer geschrumpene Haut kaum die Knochen umhüllte. Sie hatte wie Janus hinten und vorwerts ein Gesichte. Zwischen diesen hiengen ihre Haare ungeflochten /verwirret / und klebten von Speichel und Blute zusammen. Um ihren Hals krochen Schlangen / Nattern und Kröten. Auf ihrer runtzlichten Stirne waren die Adern ihr wie Stricke aufgelauffen. Die Augenbranen hiengen ihr über ihre tieffe im Kopffe stehende und rothe Augen. Die Wangen waren gantz eingefallen /ihre Lippen kratzblau / ihr Athem stinckend / ihr Maul war voller Zahn-Lücken. Ihre Brüste hiengen ihr wie leere Ziegen-Eyter / biß über den Gürtel / und gleichwol sog an ieder ein Molch. Darüber hatte sie noch wie Argos hundert Augen / welche wie die der Basilisken alle gleichsam mit ihrem ausgelassenem Giffte erstachen. Auf dem Kopffe stand ein Hirsch-Geweyhe. Ihre Ohren waren grösser als die der Esel /ihre Beine waren mit einer Wolffs-Haut umgeben /und sie hatte rechte Drachen-Füsse. In einer Hand hatte sie einen Feuer-Topff / in der andern ein Stücke Eiß. In der Schoos trug sie einen Salamander / welchen sie auf das Altar der Liebe schleuderte. Dieser mühete sich mit seinem ausgegeifferten Speichel / und seinem kalten Bauche das Opffer-Feuer zu vertilgen; sie aber sang mit heiserem Halse dazu:
Wo Liebe blühet / reifft und brennt /
Muß sie von meinem Athem sterben.
[1409]Durch mich wird / was sie knipfft / zertrennt /
So viel sie pflantzt / kan ich verterben.
Wo sie mit Rosen prangt / da flecht ich Nesseln ein /
Und die die Welt beherrscht muß meine Dienst-Magd seyn.
Die Liebe lächelte nur zu diesem hochmüthigen Großsprechen; gleich als wenn sie durch keine Schmähung erzürnet / und durch keine Beleidigung zur Rache bewegt werden könte. Sie grieff zwar nach ihrem Bogen / legte ihn aber wieder nieder / und fieng an zu singen:
Verwegene Vermässenheit /
Hegt Erde / Himmel / und die Hölle
Für meine Gutthat so viel Neid /
Daß sich hier wider mich geselle /
Was minder sich als Schaf und Wolff vertragen kan /
Doch ficht den Mohnd und mich kein Hundesbellen an.
Weil viel die Klugheit Augen hat /
Führt sie gleich's Bleymaß stets in Händen;
So weiß sie ihr doch keinen Rath /
Wenn meine Strahlen sie verbländen;
Sie kommt aus meinem Netz' in tieffsten Labyrinth
Wenn sie sich mit Gewalt daraus zu reissen sinnt.
Ich wil ein Beyspiel meiner Macht
Am klugen Oenomaus zeigen.
Je eifriger er ist bedacht
Hippodamiens Sinn zu beugen.
Durch Tödtung ihrer Brunst den Fall zu wenden ab /
Je mehr beschleunigt er ihr Lieben und sein Grab.
Du aber allerliebstes Kind /
Vertrautste Keuschheit / Licht der Hertzen /
Die süsser Lieb' ergeben sind /
Was tadelstu an meiner Kertzen?
Du flössest meiner Glut der Tugend Balsam ein /
Und deine Lilgen blühn durch meinen Sonnenschein.
Ihr schneeicht Haupt bewirthet Gold
Und diß ist reine Liebes-Flamme.
Dein Frost thaut in die Hertzen hold /
Und deine Milch ist meine Amme.
Je mehr sich gegen euch gleich Atalanta setzt /
Je mehr wird sie verlangt / ie reichlicher ergötzt.
Du Mißgeburt! Du Drachen-Kind!
Du Liebes Gifft! Du Wurm der Seele!
Welch Unstern bringt / welch Zwirbel-Wind
Dich aus verdammter Geister-Höle?
Verkreuch ins Finstre dich / weil du mein Schatten bist
Und niemand der nicht liebt / durch dich ihm's Hertz abfrist.
Dein stinckend Athem lescht nicht aus /
Er bläßt vielmehr auf andrer Flammen /
Du aber selbst wirst Asch' und Graus /
Und berstest durch dein Gifft von sammen.
Alceis spricht für mich / die Eyversucht erstickt
Wenn Liebe Tapfferkeit ermuntert und beglückt.
Ob mir nun zwar nicht Waffen fehln /
Dich Eyfersucht in Grund zu schlagen.
Mit mir dich Keuschheit zu vermähln /
Ins Bocks-Horn / Klugheit / dich zu jagen.
Weil Liebe sonder Zwang zu siegen aber pflegt /
Ist's besser: daß mein Feind sich selbst zun Füssen legt.
Als die Liebe ihren Gesang beschloß / stimmeten die Natur und das Glücke zusammen folgende Reymen an:
Großmächtige Gebieterin /
Beweise deine Macht und Stärcke.
Wenn du schärffst Pfeile / Blitz / und Sinn /
Vollbringstu eitel Helden-Wercke.
Bestreite Feind und Neid durch ihre eigne Hand /
Gib dem Gelücke Maaß / und der Natur bestand.
Die letzten zwey Reyme wurden von allem / was auf dem Schau-Platze Athem und Zunge hatte / wiederholet / und dieses Opffer der Liebe mit einem allgemeinen Tantze beschlossen. Der Schau-Platz verwandelte sich hierauf in ein Königliches Zimmer. In diesem erschien der König zu Elis Oenomaus / das Glücke führte ihn bey der einen / die Tugend bey der andern Hand. Jenes rühmete in einem Gesange / daß es ihn hätte vom Kriegs-Gotte lassen gebohren werden / daß es ihn zum Könige in Elis gemacht / und noch darzu die vortrefliche Eugythoe zur Gemahlin / die allerschönste Hippodomia aber zur Tochter gegeben hätte. Die Tugend aber rühmte: daß sie ihn mit so grosser Klugheit zu herrschen / einem so grossen Helden-Muthe und einer geschickten Stärcke in allerhand Streite versehen hätte. Diß / was sie beyde gesungen /drückten sie mit einem darauf folgenden Tantze aus. Als sich dieser endigte / führten sechzehn nackte Liebes-Götter so viel Griechische Helden auf; welche alle auf ihren [1410] Schilden Hippodamiens mit Golde geschriebenen Nahmen führten / und sich für dem Oenomaus mit grosser Ehrerbietigkeit neigten. Die Liebes- Götter behaupteten in einem Liede / daß die Liebe der Wetzstein der Tapfferkeit wäre / hernach strich ieder Liebes-GOtt absonderlich theils die Tugend / theils die hefftige Liebe seines Helden / gegen Hippodamien aus. Dieses erklärten sie hernach selbst in einem um den Oenomaus gehaltenen Kriegrischen Tantze / darinnen bald einer bald der andere seine Hand als ein Zeichen seiner Einwilligung erwischen wolte / also Oenomaus sich mit genauer Noth ausflechten konte. Als dem Oenomaus nun nicht alleine von diesen Helden und den Liebes-Göttern / sondern auch von dem Gelücke / und der Tugend / in dem jene des einen Schönheit / des andern Adel / des dritten Reichthum /des vierdten Herrschafft; diese eines Tapfferkeit / des andern Geschickligkeit / und andere Beschaffenheiten rühmte / auffs ärgste zugesätzt ward / ruffte er Himmel und Hölle zu Hülffe. Worauf denn der Neid zwischen denen drey Unholdinnen mit einer Pech-Fackel erschien / und mit derselben Dampffe denen tantzenden Liebes-Göttern alle Fackeln ausleschte / die Helden aber mit ihrer Anhauchung vergifftete / daß sie alle zu Bodem fielen. Der Neid schmähete hierauf in einem Gesange die Schönheit als den Bruñ aller Laster / und den Ursprung alles Ubels. Diese hätte Troja in die Asche / den Hector und Achilles mit tausend andern Helden ins Grab / Helenen zum Erhencken /den Priamus und Hecuben ins gröste Hertzenleid gestürtzt. Die den Gegen-Gesang aber habenden Unholdinnen wahrsagten dem Oenomaus; daß die Schönheit Hippodamiens Pisa / zu so wenigem als Troja wäre / Eurythoen unglücklicher als Hecuben /den Oenomaus elender als den Priamus machen würde. Im Schlusse rieth der Neid dem Oenomaus / er solte seine Tochter Hippodomia entweder tödten /oder sie entblösset an die Sonne stellen / daß sie von ihren Strahley wie eine Mohrin gebräunet und verstellet würde. Weil Oenomaus entwich / hegten die Unholden einen Tantz / darinnen sie die Macht und den Sieg des Neides über die Liebe und Schönheit abbildeten. Hiermit veränderte sich der Schauplatz in einen Garten / über welchem die Sonne im gestirnten Löwen stand / die Erde ausdörte / Laub und Graß versängte. Oenomaus war darinnen gantz alleine / gab in einem Leide seine Ungedult über sein unmäßiges Glücke zu verstehen / stellte ihm also eben den Ausgang für Augen / welcher dem allzuglücklichen Polycrates begegnet war. Als er aber alles im Garten um sich verwelcken sahe / kniete er für der Sonne nieder /danckte ihr für solche Wolthat / und bat sie: Sie möchte doch seine Tochter Hippodamia zu einer heßlichen Mohrin machen. Hippodamia kam hierzu in Begleitung ihrer Eurythoe / der Jugend / der Schönheit / und der Wollust / und gab in einem Gesange ihrem Vater die Liebes-Anfechtungen zu verstehen /und bat / daß er aus so viel würdigen Buhlern ihr doch einen zueignen möchte. Oenomaus aber hielt ihr ein: daß die Liebe das Gemüthe bezauberte / Gifft ins Hertze einsänckte / mit den Sirenen die Menschen in Schiffbruch stürtzte / und wie ein Irrlicht sie in ersteckende Sümpffe führte. Seine Gemahlin Eurythoe und die drey andern Gefärthen redeten für sie / und sie selbst zohe das Verhängnüß für sich an; welches so grosse Gewalt über sie als über die Motten und den verliebten Satyrus hätte / daß sie das Feuer als ihr Grab zwar sähen / sich doch aber darein stürtzten. Die Schiffer liebten das Meer / ungeachtet derer tausend von Wellen verschlungen würden. In den schönsten Aepffeln steckten die Würmer am liebsten /gleichwol aber blieben sie eine Lust der Augen / und eine Ergetzligkeit des Mundes. Oenomaus aber bot Zorn und Gewalt auf / welche Hippodamien entkleideten / sie nackend und an eine Säule angebunden /[1411] gerade gegen der Sonne stellten. Hippodamia fieng in diesen Banden ein erbärmliches Klagelied an / in welchem sie die Glückseligkeit Andromedens rühmte /ihr Unglück aber bejammerte / weil jene von einem Meerwunder / diese aber von ihrem eigenen Vater verschlungen werden solte. Hierauf ruffte sie die Sonne um Hülffe an / welche an Hippodamien die sie bindenden Stricke verbrennte / und folgende Reyme sang:
Wo rennt ihr blinden Menschen hin?
Soll ich / die ich des Himmels Zierde
Der Ursprung aller Schönheit bin /
Der ich beseele die Begierde /
Verstellen diß / was schön / die Liebe leschen aus?
So wilde Raserey stürtzt euch im Asch' und Graus.
Habt ihr / ihr Strahlen / Eigenschafft /
Die Schwanen-weisse Haut zu schwärtzen /
So nehm' ich euch hiermit die Krafft;
Es jammert mich von gantzem Hertzen:
Daß sich ein Vater-Hertz läßt Mißgunst nehmen ein /
Und ich ein Werckzeug soll der Heßligkeiten seyn.
Zeuch aber Mensch und Vater aus /
Du magst dein Blut in Gifft verkehren /
Sey Oenomaus Löw und Strauß /
Du wirst der Tochter nicht verwehren:
Daß ihre Seele nicht mit dem vermählet sey /
Der deinen Lebens-Drat dir schneiden soll entzwey.
Oenomaus empfieng dieses scharffe Urthel von der Sonne mit Zittern und Zagen. Die von ihr erlösete Hippodamia stimmte ihr einen Lobgesang an / darinnen sie die Sonne als eine Entdeckerin der verborgenen Warheit / als eine gegenwärtige Helfferin / und als eine Wahrsagerin der künfftigen Ungewißheiten preisete. Bey währendem Singen fanden sich die fünf Sinnen herzu / welche nach ihrem Liede einen Tantz hegten / hernach aber in einem eigenen Liede Hippodamiens Schönheit preiseten / und die ihr buhlenden Helden zu ihrer Betrachtung einladeten. Diese fanden sich alsofort ein / fiengen auch mit denen fünff Sinnen einen Zirckel-Tantz an / darinnen Hippodamia allemahl der Mittelpunct blieb. Oenomaus stellte sich hierbey bald rasend / bald verzweiffelnd / endlich kam auf einer Seite die Klugheit / auf der andern die Tapfferkeit ihm zu Hülffe. Jene raunte dem Oenomaus etwas in ein Ohr / diese aber gebot denen Tantzenden einen Stillestand / worauf ihm Oenomaus ein Hertze faßte / den Degen entblößte / und zu singen anfieng:
Weil das Verhängnüß ja befiehlt
Hippodamien zu vermählen /
Und sie so süsse Regung fiehlt /
Wil ich ihr selbst den Mannerwehlen.
Weil ihre Schönheit nun ist eines Heldens werth /
Muß der mein Meister seyn / der diß mein Kind begehrt.
Wer mich nun zu besiegen meynt /
Der muß zu Wagen mit mir streiten.
Allein mein überwunden Feind
Versehe sich der Grausamkeiten /
Die iemahls ein Busir an Gästen hat verübt /
Wer nun nicht sterben wil / der sey auch nicht verliebt.
Fleuch! Rache! bringe mir hieher
Den Marmaces mit seinen Pferden /
Den ich beflegt durch meinen Speer;
Sie müssen hier geschlachtet werden;
Daß jeder vor schau an der Rache blutig Spiel /
An Vätern / denen man die Töchter nehmen wil.
Oenomaus hatte kaum ausgesungen / als die Rache den von ihm überwundenen Marmaces / die Unholden aber zwey für seinem Wagen geführte Stutten Parthenis und Eripha zur Stelle brachten. Marmaces fiel dem Oenomaus zun Füssen / und ihm floß nicht weniger Blut aus den Wunden / als Thränen aus den Augen / mit welchen er den grimmigen Uberwinder zu versöhnen / und sein ihm abgesprochenes Leben zu erbitten vermeinte. Aber er und die Rache hatten keine Empfindligkeit; sondern diese stach ihm das Messer durchs Hertze; die Unholdiñen verscharrten die Leiche in ein Grab / und schlachteten auf selbtem die zwey Stutten ab. Oenomaus tantzte inzwischen mit der Klugheit und Tapfferkeit. Die Rache aber sätzte dem Oenomaus ihre Schlangen / als das Sinnebild der Klugheit und Rache zum Siegs-Krantze auf; behauptete auch in einem Gesange / [1412] daß die Rache süsser / als andere Wollust wäre. Zuletzt schloß sie damit sich gegen die sechzehn Helden wendende:
Kein Götter-Tranck / kein Honigseim /
Kein Himmel-Brodt / kein Safft der Reben /
Kein Zucker-süsser Liebes-Leim
Kan Menschen mehr Vergnügung geben /
Als Oenomaus wird aus derer Blute ziehn /
Die in sein Kind verliebt / und gegen ihn sind kühn.
Die Liebhaber Hippodamiens höreten diese Erklärung mit Jauchtzen und Frolocken / antworteten daher alsofort:
Wir nehmen die Bedingung an;
Wir wollen siegen oder sterben /
Weil Liebe doch nicht schöner kan
Als durch ihr Blut die Waffen färben.
Zun Waffen! Wagen / Pferd / Spieß / Pfeil und Schwerdter her!
Sind deine Köcher voll / sind unsere nicht leer.
Hierauf hielten sie einen freudigen Tantz / in welchem sie ihre Waffen artlich an einander schlugen. Nach diesem verschwand der Garten mit allem darinnen /und der Schau-Platz verwandelte sich in eine Rennebahn. Auf diesen kam der Kriegs-Gott / nicht aber wie sonst mit Tigern / sondern mit weissen aber rothfleckichten Tiger-Pferden gefahren. Dieser ließ bey Trompeten und Paucken durch drey Herolden ausruffen / daß Liebe und Staats-Klugheit um das Besitzthum der schönen Hippodamia rennen und fechten würden. Hierauf kam die Liebe auf einem güldenen Wagen mit vier Perlen-farbenen Pferden in Schauplatz. Die sie umgebenden sechzehn Liebes-Götter waren alle mit Helmen und Schilden gewaffnet / mit Pfeilen und Fackeln ausgerüstet. Ihr folgten die sechzehn Liebhaber in voller Rüstung auf so viel vierspännigen zwey rädrichten Wagen / für iedem jagte ein absonderer Fuhrmann die Pferde her; daß ieder Liebhaber desto freyer fechten konte. Alle diese stellten sich auf die eine Seite des Schauplatzes / und die Liebe in die Mitte. Hierauf kam die Staats-Klugheit auf einem von Fliegen-trappichten Pferden gezogenen Wagen gefahren. Um diesen giengen sechzehn Mägdlein mit rundten stählernen Schilden in der lincken /und mit verschlossenen irrdenen Töpffen in der rechten Hand. Dieser folgte auf einem stählernen aber übergoldeten Wagen / der einige König Oenomaus mit seinem Fuhrmanne Myrtilus / welcher vier kohlschwartze Pferde derer Nahmen Psilla / Harpinna /Ocyon und Aoratus waren / für sich herjagte / und seinen König auf die andere Seite des Schauplatzes hinter die Staats-Klugheit stellte. So bald nun Mars eine Lantze in die Mitte warf / rennte die Liebe und Klugheit gegen einander / und schossen auf einander drey Pfeile in einem einigen Kreißrennen ab / als beyde sich zurücke zohen / traffen die Liebes-Götter gegen die Mägdlein. So fertig und geschwinde nun jene nach weggelegten Fackeln ihre Pfeile abschossen / so geschickt wusten diese alle Schüsse mit ihren Schilden aufzufangen. Als die Pfeile verschossen waren / reñten Liebe und Staats-Klugheit wieder zusammen / und warf iede auf die andere drey Wurff-Spieße. Diese löseten die Liebes-Götter mit ihren ergriffenen Fackeln ab / und sätzten dadurch dem Mägdlein hefftig zu. Diese aber kehrten ihren Feinden die andre Seite ihrer Schilde / welche von eitel Spiegeln bestanden / damit sie durch den Widerschein unzählbarer Fackeln die Liebes-Götter bländeten. Nach diesem ergriffen Liebe und Staats-Klugheit ihre Schwerdter / renneten gegen einander; diese aber / weil alles an ihrem Wagen Stahl war / rennete mit allem Fleiße an eine Axe des Liebes-Wagens / und brach solche entzwey / daß er also sich nicht bewegen konte. Die Liebes-Götter hatten sich inzwischen mit Spießen gerüstet / und tasteten die Mägdlein an / diese aber schmiessen ihre Töpffe unter sie / aus derer Scherben unzählbare Nattern und Schlangen krochen / denen Liebes-Göttern sich um Arme und Beine [1413] flochten. Wordurch diese so wol zu fliehen / als die Liebe sich überwunden zu erkennen genöthiget ward. Weil die Liebes-Götter sich ihrer Schlangen zu erledigen / und den Wagen der Liebe zurück zu schieben und zu ergäntzen bemühet waren / hielten die Mägdlein einen artigen Spiegel-Tantz; die Rache aber kam und sätzte der Staats-Klugheit einen Siegs-Krantz von Pflaumen auf /worzu die Mägdlein ihr ein Sieges-Lied sangen / sie die Königin der Welt / die Mutter der Glückseeligkeit / und den rechten Atlas der Reiche priesen. Mars warff hierauf noch eine Lantze auf den Platz; worauf deñ alsofort Alcatheus mit seinem Wagen herfür rückte / und sich zum Rennen fertig machte / aber Oenomaus kam ihm wie ein Blitz auf den Hals / und durchstach ihn mit seiner Lantze ehe / als jener fast sein gewahr ward. Diesen lösete Euryalus ab / und begegnete dem sich wendenden Oenomaus. Weil jener ihn aber mit seinem Wurffspieße fehlte / leschte dieser ihm auf eben die Art wie dem ersten das Licht aus. Hiermit rückte Eurymachus auf den Platz / welcher durch der ersten Fall klüger worden war / und so bald er seinen Spieß auf ihn geworffen hatte / auslenckte / daß ihn Oenomaus nicht erreichen konte. Als sie nun zum andern mahl gegen einander rennten / faßte Eurymachus den Oenomaus zwar wol mit der Lantze / aber dieser versätzte nicht nur mit seinem Schilde / sondern traf den Eurymachus auch zugleich mit seiner Lantze ins Auge / daß er über den Wagen herab stürtzte. Crotalus wolte diese rächen / aber Oenomaus rennte ihn mit samt seinem Pferd und Wagen übern Hauffen. Acrias sahe / daß durch nahes Gefechte an Oenomaus schwerlich was auszurichten wäre / daher lenckte er seinen Wagen immer seitenwerts / und gebrauchte sich seiner Pfeile / allein des Oenomaus unter dem Rocke versteckter Pantzer hielt alles Geschoß auf; Oenomaus aber traf mit einem langen Spieße den Acrias so starck auf die Brust / daß er am Rücken vorgieng / und ihn an seinem Wagen damit annagelte. Porthaon ließ alle diese Trauerspiele sich nicht schrecken / sondern rennte dem Oenomaus hertzhafft unter Augen / versätzte auch mit dem Schilde seine Lantzen-Stöße / grief ihn also mit dem Degen an. Beyde ließen hierüber ihre Pferde hemmen / und fochten mit den Schwerdtern / gleich als wenn sie auf festem Bodem gegen einander stünden: Jeder erwieß hierinnen seine Stärcke und Geschickligkeit. Nach ziemlichen langem Streite aber verhieb sich Porthaon / welches Oenomaus ihm wol zu Nutze machte / und seinem Feinde durch einen Streich mehr als die Helffte des Halses vom Kopffe trennte. Capetus sahe mit grosser Verbitterung seinen Freund Blut und Leben ausschütten / rennte also mit grossem Eyver auf den Oenomaus loß. Dieser aber wiech ihm aus / drehte seinen Wagen auf der Stelle um / kam also dem Capetus in Rücken / und durchstach ihn von hinten zu /ohne daß er sich ihm den Tod nähern sah. Lycurgus that ein Gelübde / daß er dem Areischen Jupiter / welchem Oenomaus für seinem Kampffe allemahl opfferte / am Flusse Alpheus einen Tempel bauen wolte / da er ihm zum Siege behülflich seyn würde / hierauf rennte er mit grosser Vorsicht / und machte sich an Oenomaus mit grosser Behutsamkeit. Sie wendeten ihre Wagen als eintzele Pferde um / und fochten bald mit Lantzen / bald mit Schwerdtern / kreutzweise gegen einander. Keiner hatte auch noch dem Oenomaus mehr zu schaffen gemacht. Als Myrtilus diesen zweiffelhafften Kampff sahe / rennte er mit seinem gantz eisernen Rade mit Fleiß an das des Lycurgus /wovon es zerbrach / also daß nach dem dieser sich nicht mehr wenden konte / Oenomaus ihm einen Wurffspieß in den Nacken jagte. Hiermit kam die Reye an den Chalcadon / welchem das Hertze schon für der Todesfurcht bebte / und das Schrecken aus den Augen sahe. Daher würdigte ihn auch Oenomaus keiner Waffen / sondern im [1414] vorbey rennen erwischte er ihn bey den Haaren / zohe ihn von seinem Wagen /warf ihn zur Erde / und sprengte dreymahl mit seinen Pferden und Wagen über ihn. Tricolamus nahm dieses wahr / stellte sich daher so verzagt als Chalcadon /wie nun der gegen ihn rennende Oenomaus nach ihm greiffen wolte / zohe er den Kopff auf die Seite und verletzte ihn mit seiner Lantze an Arm. Als Oenomaus sich verwundet sahe / ward er gleichsam rasend / ergrief darmit eine knörnrichte Keule / wie die des Hercules soll gewesen seyn. Als nun Myrtilus den Wagen kurtz herum warf / und er dem Tricolomus unvermuthet auf den Hals kam / versätzte er ihm damit einen so hefftigen Streich an Schlaff / daß er vom Schwindel im Wagen zu Bodem fiel. Aristomachus ließ hiermit seine Pferde loß / in fester Hoffnung / es besser als alle seine Vorgänger zu machen. Er hatte dem Oenomaus einen Pfeil kaum auf seinen Helm geschossen / als er ihm einen Wurffspieß beym Kopffe wegjagte / und ihm mit seiner Lantze zusätzte. Die Geschickligkeit des Myrtilus / und die Geschwindigkeit seiner gelencken Pferde aber waren fähig den Oenomaus wie diß- also allemahl aus der grösten Gefahr zu reissen. Denn über diß / daß sie schneller als alle andere lieffen / im Augenblicke stille standen /und sich auf ieder Stelle im Augenblicke wendeten /hatten sie noch eben die Eigenschafft des dem Taraxippischen Neptun gebauten Altares / nemlich daß alle andere Pferde / wie behertzt sie sonst waren / dafür erschracken / und scheue wurden. Durch dieser Hülffe entwiech er allen kräfftigen Streichen des Aristomachus / und ehe dieser sich wenden konte / hatte er den Oenomaus schon auf dem Halse / welcher ihm denn von hinten zu mit seiner Lantze den Helm vom Kopffe stieß / und beym sechsten Zurennen ihm auf eben diese Weise mit dem Schwerdte den Kopff zerspaltete. Der ihm folgende Prias verlohr über dieses Helden Tode das Hertze / vergaß aller Vorsicht / ward also im ersten Rennen vom Oenomaus mit einem Wurffspieße durch die Eingeweyde tödtlich verwundet / und nach ihm Cronus mit den Händen erwürget. Aölius aber brachte noch Muth und Hoffnung in Kampff / weil er mit herrlichen Waffen / und den geschwindesten Pferden versehen war. Dahero sein und des Oenomaus Streit mehr einem Wette-Rennen ähnlich gewest wäre / wenn solches nicht die Abschießung vieler Pfeile und Wurffspieße unterschieden hätte. Aölius meynte des Oenomaus schon so lange gebrauchte Pferde zu ermüden / er wuste aber nicht /daß ie länger sie lieffen / ie flüchtiger sie würden. Nach dem sie nun alle ihre Köcher ausgeleert hatten /ergrieffen sie die Lantzen / konten aber in dreyen zusammen-Rennen einander keinen Stoß beybringen. Im vierdten aber schlug Oenomaus mit einer eisernen Keule seinem Feinde die Lantze / und mit dem andern Streiche den Arm entzwey. Also war nur Erythrus noch übrig / welchem Oenomaus das Leben zu schencken anbot / weñ er ihm schwüre an Hippodamien nicht mehr zu gedencken. Erythrus aber antwortete ihm: diß stünde nicht in seiner Gewalt / und es wäre hier nicht mehr zu handeln / sondern zu fechten. Oenomaus / welcher bey allen vorigen Gefechten keine Entrüstung hatte spüren lassen / ward hierüber voller Feuer / überfiel also den Erythrus wie ein Blitz / oder wie ein Habicht die Tauben / und nach dem er im ersten Rennen ihm seine Lantze durch die Achsel gestossen hatte / zerschmetterte er im andern ihm den Kopff / daß sein davon spritzendes Blut selbst den Sieger besudelte. Oenomaus rennte hierauf dreymahl um den Kampff-Platz / biß Hippodamia in einer Priesterlichen Kleidung herzu kam / die Tapfferkeit ihres Vaters in einem Sieges-Liede rühmte / und ihm einen Krantz von Palmzweigen überantwortete. Oenomaus befahl hierauf allen Uberwundenen die Köpffe abzuschneiden / und nach dem alle ihre Leichen mitten in ein Grab verscharret waren / [1415] ließ er auf selbten aus Rasen dem Atreischen Jupiter ein Altar bauen / und solches mit denen abgeschnittenen Köpffen besetzen. Auf diesem muste Hippodamia Jupitern drey Ochsen /und drey Wieder zum Opffer abschlachten. Hierbey ward von denen in zwey Theilen abgesonderten und gegen einander singenden Mägdlein Oenomaus wegen seiner Klugheit dem Jupiter / wegen seiner Streitbarkeit dem Mars verglichen. Hippodamia aber netzte ihre Opffer mit unzählbaren Thränen / flügelte ihr Gebete mit wehmüthigsten Seuffzern. Denn es gieng ihr nicht allein durch Hertze / daß ihrentwegen so viel edles Blut verspritzet ward / sondern sie verlohr auch numehr alle Hoffnung / von iemanden mehr geliebt zu werden / nach dem so vielen ihre Liebe zum Todten-Bette worden wäre. Sie hätte ihr auch für Verzweiffelung das Opffer-Messer in die Brust gestossen / wenn sie nicht unter den vielen Zuschauern ungefehr den Pelops erblicket hätte / welcher von ihr schon lange Zeit kein Auge verwandt hatte. Dieses hielt sie nicht allein zurücke / sondern sie konte sich an ihm nicht satt sehen / also daß sie ihrer selbst / und des Opffers darüber vergaß / und sie / daß nun alles zu Ende wäre / erinnert werden muste. Hierauf verschwand dieser Kampff-Platz / und verwandelte sich in Tempel der Venus. In dessen Schiffe oder unterm Theile lag Pelops auf den Knien / für dem Altare / wo das aus Golde und Helffenbein vom Phidias gemachte Bild der Venus auf einer Schnecke stand / klagte der Göttin seine hefftige Liebe gegen Hippodamien / und flehete sie um Beystand an / gelobete ihr auch / daß /da sie seinen Wunsch bekleiben ließe / er ihr Bild aus einem lebenden und grünenden Myrten-Baume machen lassen wolte. Inzwischen ließ er ihr ein grosses wildes Schwein / dessen hauende Zähne weit vorgiengen / wegen des von ihm ermordeten Adonis opffern /und zugleich Milch / Honig und Wein den Priestern abliefern. Wie Pelops nur sein Opffer vollendet hatte /ward er gewahr / daß auf der Neben-Seite des Tempels einer für dem Altare kniete / wo Venus auf einem Bocke riett / als welche nur das gemeine Volck anruffen dorffte / seine Seufftzer waren sehr durchdringend / und das Gesichte solte ihm bekandt seyn. Dieses veranlaßte den Pelops / daß er hinter den viereckichten Stein trat / damit Venus auch abgebildet wird /und auf sein Vorhaben Achtung gab. Als dieser betende sich nun aufrichtete / und mit einer Schale voll ausgeschütteten Weyrauch das auf dem Altar brennende Feuer heller machte / erkennte ihn Pelops für des Oenomaus Fuhrmann Myrtilus / hörte ihn auch folgendes gegen dem Altare singen:
Des Oenomaus Siege sind
Richt Früchte seiner Kunst und Stärcke;
Weil ich verliebt bin in sein Kind /
Verricht ich solche Wunderwercke.
Er erndtet aber Ruhm / und ich nur Brunst und Pein /
Trag also ihm / nicht mir / wie Bienen Honig ein.
Die Pferde gehn mir zu der Hand;
Sein Glücke führ ich an der Schnure.
Wiewol gleich frembde sind gewand /
So beben sie auf meiner Spure.
Wer nur mein Gleiß berührt / verliehrt Verstand und Muth /
So liefer ich / nicht er / der Rache so viel Blut.
Lenckt ich / Hippodamia nicht /
Des Oenomaus Roß und Wagen /
So wär' ihm längst verlescht sein Licht /
Du würdest frembde Fessel tragen.
Nun deine Freyheit denn von mir kommt wie sein Heil
Wer hat mehr Recht als ich / an deiner Liebe Theil.
Solt ich nur einmahl wider ihn
Von seinen Feinden einen führen.
Wie bald würd' er den kürtzern ziehn /
Sich und sein schönes Kind verlieren.
Ist meine Tugend nun nicht seiner Tochter werth /
Die mit so grosser Brunst noch niemand hat begehrt?
Ich wil Hippodamia dir
Für Weyrauch Seel' und Hertz anzünden.
Du wirst dein Heiligthum ia mir
Und ich in dir den Himmel finden.
Der Liebe Siegs-Krantz wird mich wie der Tugend ziern /
Traut ich den Wagen doch der Sonne mir zu führn.
[1416]So rege Venus nun den Sinn
Hippodamiens / meine Hände:
Daß mich die Tochter lieb gewinn /
Und ich zum Styx den Vater sende.
Weil man ihr Lieben soll verdienen durch sein Blut /
Gib mir nun klugen Rath / sprich mein Beginnen gut.
Diesem antwortete eine andere singende Stimme:
Es ist Hippodamia zwar
Mein Augen-Apffel / mein Vergnügen;
Kein Mensch wird ohne viel Gefahr /
Sie auch zu seiner Beute kriegen.
Geh aber zwantzig mahl andächtig um mein Haus;
Denn wil ich offenbarn / ob etwas wird daraus.
Myrtilus erhob sich / und tantzte mit Freuden zum Tempel hinaus / worauf denn Hippodamia hinter dem Altare herfür kam / für selbtem nieder kniete / und zu singen anfieng:
Verzeih' es holde Göttin mir:
Daß ich so einem geilen Knechte
Statt deiner sage Lügen für.
Irion ward geäfft um Rechte /
Als er ein Wolcken-Bild an statt der Juno küßt;
Wie soll nicht straffbar seyn / was sich mein Knecht vermißt?
Ich stamme von den Göttern her /
Und dieser Sclave darff mich lieben?
Er muß gestürtzt seyn in das Meer /
Diß Urthel ist ihm schon geschrieben.
Laß aber ihn vorher o Mutter! süsser Pein!
Ein Werckzeug meines Heils / und meiner Liebe seyn.
Weil Oenomaus dich so haßt /
Und alle meine Buhler tödtet /
Hastu gerechten Zorn gefaßt;
Daß dein Altar sein Blut anröthet.
Weil nun mein eigen Blut geht seinem Blute für /
Wil durch den Myrtilus ich dieses opffern dir.
O grosse Hertzens-wenderin!
Was thut man nicht für grossem Schmertze?
Wol leitet Lieb und Brunst mich hin?
Mir ist gepregt ein Bild ins Hertze.
Das meines Vaters Grimm die Zeit nicht tilgen kan /
Ich brennte / da ich es nur einen Blick sah an.
Ach! aber / wirstu mich diß Bild
Noch einst mein Tage sehen lassen?
Doch / kan mein Wunsch nicht seyn erfüllt;
So laß im Traume michs umfassen
Doch / was sind Träume? nichts. Ich lieb / ich weiß nicht wen?
Laß Göttin nur einmahl mich meinen Liebsten sehn.
Pelops ward durch Hippodamiens annehmliche Stimme aufgemuntert / daß er ihr singende antwortete:
Hilff Himmel! welch ein Sonnenschein
Bestrahlt die düsternen Gewölber?
Soll diß Hippodamia seyn?
Wie / oder ist es Venus selber?
Von wessen Liebe singt sie mit so grosser Brunst?
Ach! war' es Pelops! nein! du heuchelst dir umsonst;
Nein! Pelops / lasse dir nur nicht
So süsses Glück und Lieben träumen!
Jedoch der Göttin Angesicht
Scheint mir noch Hoffnung einzuräumen.
O Göttin! mahle mich ihr schöner als ich bin /
Flöß ihr ins Hertze Lieb' / Erbarmung in den Sinn.
Hippodamia wendete sich gegen dem Pelops / sahe ihn mit starren Augen an / und fieng an zu singen:
O Göttin! wer bezaubert mich?
Welch Schall durchdringt mir Marck und Beine?
Wen hör' und seh' / O Himmel / ich?
Werd' ich / wie Niobe / zum Steine?
Ist diß des Helden Geist den meine Seele liebt?
Und der sein Feuer mir selbst zu verstehen giebt.
Pelops ward hierüber gleichsam verzückt / antwortete ihr aber:
Er ist dein Pelops selbst / der sich
Zu deinem Knecht und Sclaven giebet.
Wie sehr beglückt der Himmel mich!
Daß mich der tapffre Pelops liebet.
Pelops fiel ein:
Er opffert dir sein Hertz / dem Könige sein Blut.
Hippodamia aber tröstete ihn damit:
Sein Kind sorgt für dein Heil. Faß' also kecken Muth.
Pelops seuffzete / und fieng an:
Mein Tod wird mir verzuckert seyn /
Werd' ich in deiner Hold erblassen.
Hippodamien aber fielen die Thränen über die Wangen / und sie sang fort:
[1417]Du äschertest mit dir mich ein /
Ich würde deine Leich' umfassen /
Um in der Todten Grufft zu werden deine Braut /
Doch leidet keiner Noth / der wahrer Liebe traut.
Hiervon wil ich ein Beyspiel dir /
Das keine Welt gesehn hat / zeigen.
Die Kinder-Lieb' erlescht in mir
Um dir den Himmel zuzuneigen.
Du magst behertzt in Kampff mit meinem Vater gehn /
Dein Neben-Buhler wird auf deiner Seite stehn.
Mit noch viel andern Liebes-Betheuerungen fuhren sie gegen einander fort / und endlich drückten sie solche auch in einem zierlichen Tantze aus / welchen aber des Myrtilus Eintrit in den Tempel abschnitt /und den Pelops hinter seine viereckichte Venus / Hippodamien aber hinter voriges Altar zu weichen nöthigte. Als dieser nun der Göttin seine verrichtete Andacht hinterbrachte / und von ihr beschieden zu werden bat / kriegte er von der versteckten Hippodamia folgenden Bescheid:
Dein Lieben bleibet Eitelkeit /
So lang' als Oenoma wird siegen.
Soll er nun fallen durch den Streit /
Mustu mit einem Helden pflügen /
Der eine Achsel hat von klarem Helffenbein /
Und Phrygisch Gold dir schenckt. Diß soll dir's Zeichen seyn.
Myrtilus welcher diese Antwort für eine Göttliche Wahrsagung hielt / und dessen Hoffnung sie so weit ausdehnte / als sich seine thörichte Liebe erstreckte /neigte sich gegen dem Bilde der Venus dreymahl zu der Erde / gieng also mit vollen Freuden dem Thore des Tempels zu; Allwo ihm der diß alles hörende Pelops gleichsam ohngefähr begegnete / und ihm ein ziemlich Stücke Gold / darauf die Göttin Cybele mit ihren Thürmen / auf der andern Seite ein mit Datteln behangener Palm-Baum / und darunter ein Adler gepregt war / überlieferte / mit Bitte / er möchte ihm von der Art der Göttin Venus zu opffern / Unterricht geben. Myrtilus betrachten dieses Goldstücke / und als er die Phrygische Göttin darauf erblickte / erbot er sich mit höflichster Freundligkeit ihm in allem zu dienen. Er fragte ihn auch / ob er dieses Opffers halber dahin kommen wäre / und woher? welchem Pelops das erste verjahte / und daß er aus Phrygien käme berichtete. Endlich sagte er ihm gleichsam aus grossem Vertrauen: er wäre Pelops / dessen Achsel die Göttin Ceres verzehret / und er dafür eine Helffenbeinerne bekommen hätte. Als Myrtilus diß vernahm / erwieß er ihm alle ersinnliche Ehrenbezeugung / und trug ihn gleichsam auf den Händen / bat auch um Verzeihung seines Vorwitzes / daß er die eigentliche End-Ursache seiner Dahinkunfft und Andacht zu erkundigen sich erkühnte. Pelops entdeckte ihm: daß er die schöne Hippodamia von der Grausamkeit ihres Vaters erretten / und sie in die Freyheit zu lieben / wen sie wolte /versätzen wolte. Myrtilus preisete singende diesen Vorsatz für ein nicht weniger heiliges und einen so grossen Helden anständiges Werck / und / weil er des Oenomaus Fuhrmann wäre / könte und wolte er ihm zum Siege nicht weniger beförderlich seyn. Alleine das Mittel darzu dörffte noch einer Uberlegung. Pelops solte für Berathung eines so wichtigen Werckes vor opffern / unterdessen wolte er der Sache nachdencken. Pelops wolte geraden Weges sich zu dem mitlern Altare verfügen / Myrtilus aber führte ihn zu seinem vorigen / dessen Bild in heilsamen Wahrsagungen bewehret / und von ihm selbst geprüfet wäre. Pelops verrichtete nach des Myrtilus Anweisung seine Andacht / und bekam diese Antwort:
Kein Schulter-Blat aus Helffenbein /
Kein Göttlich Blut / kein groß Gemüthe
Kan dir gewünschten Sieg verleihn;
Des grossen Fuhrmanns treu Gemüthe
Besiegt den Feind allein / dämpfft seine Zauberey /
Macht aus der Dienstbarkeit Hippodamien frey.
Pelops stellte sich über dieser Wahrsagung sehr vergnügt / kehrte zum Myrtilus / und sagte ihm nebst vielen andern Heucheleyen / daß er solche [1418] von niemanden anders / als ihm auslegen könte / und daß die Götter ihn sonderlich zu einem so grossen Gehülffen geführet hätten. Myrtilus konte sich für aufblasender Hoffart kaum mehr begreiffen / iedoch erbot er sich den Oenomaus ihm zu Liebe zu stürtzen. Hierzu aber könte er sich nicht entschlüssen / wenn er ihm nicht durch einen Eyd verspräche diß zu gewehren / warum er ihn bitten würde. Pelops stutzte hierüber / und verlangte sein Begehren für geleistetem Eyde zu wissen /weil aber Myrtilus diß verweigerte / schwur Pelops beym Geiste seines Vaters Tantalus: er wolte diß thun / was Myrtilus verlangte. Hierauf begehrte er / daß Pelops Hippodamien ihm vermählen / oder wenn er sie ja selbst zu heyrathen Lust bekäme / ihr die erste Nacht beyzuschlaffen verstatten solte. Pelops hörte des Myrtilus vermässenes Begehren mit gröstem Verdruß / er verdrückte aber seine Verbitterung / und antwortete hieraus: Es ist geschworen. Myrtilus warnigte hiermit den Pelops / er solte mit dem Oenomaus nicht auf seiner Rennebahn / sondern in einem Felde an dem Flusse Alpheus kämpffen. Denn auf jenem wäre der von ihm überwundene Marmaces beerdigt / und diß Grab hätte die Eigenschafft / daß darbey alle frembde Pferde scheue würden. Pelops danckte dem Myrtilus für so offenhertzige Nachricht / versprach ihm auch Königliche Geschencke / und daß er zu seiner Vergnügung / weil es ihm nur um die Ehre zu thun wäre / alles eusserste beytragen würde. Myrtilus schwur hiermit bey allen Geistern der vom Oenomaus ermordeten Helden / daß er den Oenomaus von seinem eigenen Wagen stürtzen / und an statt der eisernen wächsene Nägel für die Räder in die Axen stecken wolte. Pelops lobte seine Scharffsiñigkeit / und versiegelte sein Versprechen mit noch drey Phrygischen Goldstücken. Dem Myrtilus aber / wie er sich aus dem Tempel wolte begeben / begegnete Hippodamia / redete ihn lächelnde an / und sagte ihm: Ihr hätte geträumet / sie wäre die angefesselte Andromeda / er aber hätte wie Perseus sie von dem grausamen Meerwunder erlöset. Welches dem Myrtilus vollends den grösten Hochmuth einsänckte / und ihr zu antworten verursachte: daß er ihr folgenden Tag diesen Traum wahr machen wolte. Nach dem Myrtilus nun weg war / kamen Pelops und Hippodamia mit den freundlichsten Liebes-Bezeigungen wieder zusammen / und hegten mit einander einen annehmlichen Tantz /zwischen welche Cymothoe ihre vertraute Gespielin folgende Reymen sang:
Was hat der Aberglaube nicht
Für Macht in menschlichen Gemüthern!
Man sieht für seinem falschen Licht
Offt Helden und Cyclopen zittern.
Sie nimmt mit Finsternüß Verstand und Sinnen ein /
Und blendet die / die sonst scharffsichtige Luchse seyn.
Sie macht: daß Hasen Löwen sind;
Daß Zwerge Riesen sich bedüncken;
Daß Pan Dianen lieb gewinnt /
Wie sehr er mag nach Böcken stincken.
Sie bildet einem Knecht' in seine Fantasey /
Der Mohnde sey sein Weib / und schlaff' ihm ehlich bey.
Daß einer der die Geissel führt /
Sich meynt mit Kronen zu vermählen;
Und Königen an Zepter rührt /
Sich unter Helden pflegt zu zehlen.
Daß ein Thersites beut Achillen Freundschafft an /
Und diß für Wahrheit hält / was ihm kaum träumen kan.
Das Gold / der grosse Gott der Welt /
Das aller Menschen Hertz besitzet /
Das Recht und Macht zu Bodem fällt /
Das mehr als Stahl verletzt und schützet.
Das alle Schlösser sprengt / und Felsen reißt entzwey /
Kehrt Eyde / Treu und Pflicht zwar in Verrätherey.
Der Aberglaube aber bricht
Diß und der Freundschafft-Band in Stücke;
Stürtzt Fürsten / schont der Götter nicht /
Ja zieht's Verhängnüß selbst zurücke.
Der Ausgang aber lehrt: daß Meyneyd Hörner trägt /
Daß Untreu seinen Herrn / Betrug den Stiffter schlägt.
Hiermit nahm Hippodamia vom Pelops Abschied / er aber gab seinem Gefärthen dem Eurylachus [1419] einen an den Oenomaus gefertigten Ausforderungs-Zettel / und eine vom Thebanischen Amphion empfangene Wurtzel. Jenen solte er dem Oenomaus einliefern / darinnen mehr nicht enthalten war / als daß er aus bloßer Erbarmnüß Hippodamien in die Freyheit der Liebe versätzen wolte. Die Wurtzel aber / welche des Oenomaus Pferde schichtern machen würde / solte er auf das an dem Flusse Alpheus gelegene und zum Streite benennte Feld vergraben lassen. Der Tempel verwandelte sich hierauf in ein lustiges zwischen der Schlangen-weise fließenden Cladeischen Bach / liegendes Feld. Sie Sonne gieng an selbtem blutroth auf / sein Geist stieg daraus auf das Ufer / und beklagte / daß diesen Tag sein Wasser mit seines Königes Blute getrübet werden solte. Worauf sich ein dürres und runtzlichtes Weib auf den Platz fand / welche in die Erde einen Kreiß mit viel zauberischen Zeichen machte / die wunderbaren Tugenden der Kräuter rühmte /und endlich mit vielen Seegen-Sprüchen Amphions Wurtzel in die Erde grub. Kurtz hierauf fand sich eine grosse Menge Volckes aus der Stadt Pisa und selbst Hippodamia auf einem güldenen Wagen dahin. Myrtilus brachte bald darnach den König Oenomaus mit seinen gewöhnlichen Pferden auf dem eisernen Wagen dahin. Er fuhr aber nicht allein sehr langsam / sondern die Pferde / so bald sie auf den Platz kamen / schienen allen ihren vorigen Muth zu verliehren. Pelops hingegen that sich mit vier Perlen-weissen Hengsten herfür / und erklärte sich alsbald / daß die nicht weniger gerechte als schöne Hippodamia das Urtheil / wer unter ihnen für den Sieger zu halten seyn würde / fällen solte. Als Oenomaus den Pelops erblickte / schoß ihm alsbald das Blat / gleich als wenn er schon vorher sähe / daß das Verhängnüß diesen zu seinem Uberwinder erkieset hätte. Er rückte aber gleichwol näher zum Pelops / und nach dem er ihn eine gute Weile angesehen hatte / fragte er ihn: Ob er mit ihm um den Siegstreiten / oder in die Wette rennen wolte? Pelops antwortete: Er wäre zu beyden fertig / stellte also die Wahl in des Oenomaus Willkühr. Oenomaus erwehlte das Rennen / und befahl daß Hippodamia zum Pelops auf den Wagen steigen solte. Als diß vollzogen und das Zeichen zum Rennen gegeben war / ließen sie beyderseits den Pferden den Ziegel schießen. Des Oenomaus Pferde aber waren nicht weit kommen / da sie zu kollern anfiengen. Kurtz darauf fuhr das eine Rad von der Axe herab / und der umschlagende Wagen warf den Oenomaus mit dem grösten Ungestüme wider einen grossen Stein / an welchem er die Hüffte zerschmetterte / und sich an dem Kopffe tödtlich verwundete. Der ihm weit zuvor gekommene und zurück sehende Pelops kehrete mit Hippodamien um /und fand des Oenomaus Wagen ihm auf dem Halse liegen / seine Pferde zitternd und bebend / und ihn selbst voller Blut und in erbärmlichem Zustande. Pelops sprang eilends von seinem Wagen / und zohe den König unter seinem hervor / welcher aber kein Wort sagte / biß er die ihres Rades beraubete Axe wol betrachtet hatte. Wie er nun an statt des Eisens das durchgehende Loch mit Wachse gefüllet fand / wendete er sich zum Myrtilus / und verfluchte ihn als den ärgsten Verräther seine Herren und Wolthäters / hernach erklärte er den Pelops zu seinem Uberwinder /und sagte: daß er denen gerechten Göttern / welche seinen Ubermuth / und seine gegen das Verhängnüß verübte Widersätzligkeit zu straffen genungsame Ursache gehabt hätten / grossen Danck schuldig wäre: daß sie ihn von einem so tapfferen Helden hätten besiegen lassen. Er würde auch so viel vergnügter die Seele ausblasen / wenn Pelops Hippodamien für den Preiß seines Sieges anzunehmen nicht verschmähen würde. Pelops nahm diese Erklärung zu hohem Dancke an / küßete ihm die Hand / und Hippodamia die Knie. Die dazu kommenden Griechen sahen dieser[1420] seltzamen Veränderung / theils mit Mitleiden / theils mit Verwundern zu / und müheten sich ihres Königes Wagen zu ergäntzen / um ihn darauf nach Pisa zu führen. Aber Oenomaus weigerte sich auf den Wagen gehoben zu werden / welcher sein Fallbrett / und seine Baare gewest wäre / sondern verlangte / Pelops solte ihn auf seinem Wagen zu seinem an dem Cladeischen Bache bestimmten Grabe führen / wo er seine fürnehmste Stütterey / und die gröste Lust seines Lebens gehabt hätte. Also nahmen ihn Pelops und Hippodamia zu sich / er starb aber kurtz darauf / nach dem er den Pelops bey dem Geiste seines Vaters Tantalus beschworen hatte: Er solte am Myrtilus seine verrätherische Untreue rächen. Hierauf ward Oenomaus verbrennet / und seine Asche in ein prächtiges Grab verwahret. Endlich verwandelte sich der Schauplatz / und stellte den Einfluß des Flusses Alpheus in das Meer und den Lust-Wald Dianens mit einem Königlichen Lusthause / und darbey ein Altar der Venus für. Pelops und Hippodamia opfferten daselbst / danckten der Göttin in einem Lobgesange / und wurden von ihrem Priester mit einander vermählet. Hierauf hegten sie mit einander zwischen vier und zwantzig mit Fackeln gerüsteten Liebes-Göttern einen zierlichen Braut-Tantz. Nach diesem kamen Bacchus und Ceres und führten die Vermählten zu einer wolbereiteten Taffel / bey welcher die Satyren und Bacchen aufwarteten / die neun Musen aber das Lob des Pelops und Oenomaus sangen / und ihren göttlichen Ursprung /weil jener den Jupiter / dieser den Mars zum Groß-Vater hätte / heraus striechen / und von ihrer Herrschafft und Nachkommen viel gutes wahrsagten. Die Mahlzeit ward abermahls mit unterschiedenen Täntzen abgewechselt. Endlich erschien Hymen / gebot dieser Lust einen Stillestand / und deutete ihnen an: es wäre nun Zeit ins Braut-Bette / welches er unter eitel Myrten-Bäumen in Gestalt eines Zeltes am Ufer des Meeres bereitet hatte. Pelops und Hippodamia folgten dem ihnen mit einer Fackel vorleuchtenden Hymen. Als sie nun nahe ans Bette kamen / kroch Myrtilus aus dem Gepüsche herfür / zohe den Pelops rückwerts beym Arme / und erinnerte ihn seines endlichen Versprechens. Pelops fragte: in was diß bestünde / als Myrtilus nun antwortete / daß er ihm versprochen hätte / die erste Nacht ihm Hippodamiens Beyschlaff zu verstatten. Pelops versätzte: diß wäre eine Unwahrheit. Denn er hätte ihm nur geschworen diß zu thun / was Myrtilus verlangte. Wenn er nun selbst bey Hippodamien schlieffe / thäte er / was Myrtilus verlangte / und wäre seines Eydes loß. Er erinnerte sich aber nun eines andern Eydes / den er dem Oenomaus geleistet hätte / nemlich / daß er die an ihm verübte Untreue an dem Myrtilus rächen wolte. Hiermit er grief er den Myrtilus / eilte mit ihm / seines Geschreyes ungeachtet / nahe zum Meere / und ersäuffte ihn darinnen. Bey der Rückkehr legten sich Pelops und Hippodamia zusammen / Hymen zohe die Vorhänge für / die Musen aber rühmten in einem lieblichen Gesange die Gewalt und Süssigkeit der Liebe / darinnen dieses der Schluß war:
Wenn so viel Zucker wär' als Schnee /
Und so viel Bienen als der Fliegen;
Wenn alle Berge Hyblens Klee
Und des Hymettus Kräuter trügen /
Aus allen Eichen trieff' ein Honig von Athen /
Und man auf Dörnern nichts / als Feigen sähe stehn.
Wenn Milch in allen Strömen flüß' /
Und Reben-Safft aus allen Qvellen;
Wenn alle Schleen wären süß' /
Im Meere lauter Nectar-Wellen.
Wenn nur Jasminen-Oel der Wolcken Nässe wär' /
Der Mohnde nichts als Thau von Zimet flößte her.
Wenn die Gestirne schwitzten Safft /
Der Würtz' und Balsam überstiege.
Und dieser Süßigkeiten Krafft
In einen Geist und Kern gediege.
So würde dieser doch bey Liebe Wermuth seyn /
Denn diese zuckert auch das bittre Sterben ein.
[1421] Hiermit verschwand in einem Augenblicke alles / und der Schauplatz erschien / wie er vom Anfang gewest war. Die Staats-Klugheit lag für der Liebe auf den Knien / und machte diesem Schauspiele durch folgende Demüthigung ein Ende:
Verzeihe grosse Göttin mir:
Daß ich so frech und so vermessen
Mich habe widersetzet dir.
Ich hatte Maaß und Ziel vergessen /
Und an den Aberwitz der Hoffart nicht gedacht /
Die ihre Rechnungen nach langer Elle macht.
Die Klugheit bildet ihr zwar ein /
Der Erdkreiß ruh' auf ihren Händen;
Daß ihre Augen Angeln seyn
Um die sich muß der Himmel wenden.
Wenn aber sich die Lieb ihr an die Seite macht /
Ist dies' ein Tages-Licht / die Klugheit nur der Nacht.
Sie leschet aus für deiner Glut
Als wie ein Stern für Sonn' und Tage.
Und hält / wenn sie gleich Wunder thut /
Der Liebe Kurtzweil nie die Wage.
Wenn sie der Liebe Garn ist zu zerziehn gesinnt /
Verstrickt sie sich nur selbst in einen Labyrinth.
Sie bähnt durch Widersetzligkeit
Ihr nur den Weg zu ihrer Baare.
Weg! also weg! Vermässenheit!
Ich finde mich nun zum Altare
Der Liebe / zünd' ihr Oel und fetten Weyrauch an /
Die alle Finsternüß in Licht verwandeln kan.
Die Amm' und Mutter aller Welt /
Die alles muß zusammen fügen /
Die die Natur im Wesen hält /
Und bey ihr lag in ersten Wiegen.
Die Ertzt und Bäume blühn / die Wurtzeln käumen läßt /
Den Thieren Regungen / den Sternen Krafft einbläßt.
Die Himmel / Hölle / Erd und Meer /
Durch ihren Knoten knüpfft zusammen /
Und ohne die der Welt-Kreiß leer /
Die Sterne wären sonder Flammen.
Von der / was schön und gut den wahren Ursprung hat
Die mit dem Fusse dreht / der Parcen Glückes-Rad.
Die Hertzen flößet Anmuth ein /
Der Sonne Glut / und allem Leben /
Muß ja der Weißheit Mutter seyn /
Und klugen Geistern Regung geben.
Schöpff' ich nun meine Schätz' aus ihrem Brunnen her
Was brauch ich gegen sie fruchtlose Gegenwehr.
Ich unterwerffe Göttin mich /
Mein Haupt leg' ich zu deinen Füssen.
Von nun an werd' ich wider dich
Zu kämpffen nimmer mich entschlüssen.
Die Liebe gab hierauf der Staats-Klugheit einen annehmlichen Blick / und beschloß ihren Gesang / und das gantze Schauspiel mit folgenden Reimen:
Wenn Klugheit wird ihr Saltz in Liebes-Zucker streu'n
Wird diese stets verschmitzt / und beyde glücklich seyn.
Hiermit erhob die Liebe mit ihrem Wagen sich empor / und verbarg sich in eine annehmliche Wolcke / welche sich über die gantze Rennebahn ausbreitete / das Schau-Gerüste verdeckte / und alle Zuschauer mit einem wolrüchenden Balsam-Thau erqvickte. Mit diesem Schlusse brach die Morgenröthe zu aller Verwunderung herfür / weil die Annehmligkeit ihnen die sonst bange und langweilige Nacht ihnen so sehr verkürtzt hatte. Gantz Maroboduum wuste nach hingelegtem Schlaffe von nichts anderm als diesem Schauspiele zu reden / derogleichen noch nie bey den Marckmännern gesehen worden war. Die Scharffsinnigen aber müheten sich den geheimen Verstand / welchen der nachdenckliche Vannius unter diesem Schauspiele wol anzielte / zu erforschen. Ihrer viel machten daher diese Auslegung / daß unter dem Oenomaus König Maroboduus / unter Hippodamien Adelgunde / unter dem Pelops Vannius / und unter dem Myrtilus Adgandester mit seiner vermässenen Liebe / und seinem daher theils rührenden / theils noch bevorstehendem Falle abgebildet würde. Andere deuteten es anders aus / also / daß hier ebenfals nicht weniger Urtheile fielen / als Köpffe vorhanden waren / und jeder sich am tieffsten in frembder Gedancken Geheimnüsse zu sehen / sich bedüncken ließ. König Vannius hielt nach Mittage ein prächtiges Gastmahl / bey welchem König Marbod / Adelgunde / Ingviomer / Boleßla /Britomartes / alle Botschaffter und Grossen des Reiches / zugegen und alle Seltzamkeiten des Qvadischen Reiches in Uberfluß [1422] verhanden waren. Dieses währete so lange / als der Tag / mit der anbrechenden Finsternüß aber ersuchte Vannius alle seine Gäste nunmehr auch auf seinem Schauplatze den Sieg der Liebe über die Keuschheit anzuschauen.
Als diese grosse Versa lung auf der Renne-Bahn wider ihre Stellen eingenommen hatte / eröffnete sich der Schauplatz / und stellete eine Landschafft mit Wäldern / Püschen / und in der Mitte einen Tempel Dianens für. Diese Göttin kam auf einem mit zwey Hirschen gezogenen Wagen / welcher auf allen Seiten mit ihren in eitel grünen Damast gekleideten mit Jäger-Hörnern und Spießen ausgerüsteten Nymphen umgeben war. Hinter ihr brachte man viel gefällte Hirsche / Rehe / wilde Schweine / Wölffe / Füchse /Hasen / und alle fast nur ersinnliche Sorten des geschlagenen Wildes geführt. Dieses ward alles für den Tempel Dianens ausgebreitet / bey welchem ihre Nymphen ihre Diana und ihre Keuschheit in folgendem Liede preiseten:
Diane / welche Höll und Nacht
Mit ihrem Silber-Horn erleuchtet /
Die Berg' und Thäler fruchtbar macht /
Die dürstenden Geschöpffe feuchtet.
Verbindet zwar der Welt durch so viel Gutthat ihr /
Doch ihre Jungfrauschafft geht allem Lobe für.
Die andern Götter können nicht
Sich frembder Lieb' und Hülff entschlagen.
Nur sie vergnügt ihr eigen Licht
Und weiß von keinen bangen Tagen.
Sie kürtzt mit Lauff den Weg / und mit der Jagt die Zeit /
Sie findet Ruh in sich / und Lust in Einsamkeit.
Sie lacht der Juno Eyversucht /
Wenn Zevs für Brunst als Bock erscheinet.
Wenn Mulciber den Mars verflucht /
Dion' um den Adonis weinet.
Sie heget keinen Wunsch / der ihr nicht wird gewehrt /
Weil sonder Treffen ihr kein Spieß und Pfeil entfährt.
Was für ein knechtisch Stand ist doch
Derselben / die Begierd und Liebe
Hat angepflöcket an ihr Joch!
Die helle Lufft ist ihnen trübe.
Die Sonne selbst dünckt sie ein schwartzer Stern zu seyn /
Weil ihr Gemüthe stets hüllt Furcht und Nebel ein.
Die Sehnsucht frißt ihr lüstern Hertz /
Diß schlägt wie Amboß' ihre Brüste.
Ja ihr Vergnügen hecket Schmertz
Und kehrt in Wermuth ihre Lüste.
Wo Hoffnung Taffel nicht bey leeren Schüsseln hält /
So wird durch Eckel doch ihr Honigseim vergällt.
Sie wachen / wenn sie schlaffen ein;
Weil sie sich stets mit Träumen qvälen.
Sie friern bey warmen Sonnenschein;
Weil sie sich stets mit Furcht vermählen.
Ihr Geist schwimmt in der Angst / ihr Sinn ist unbestand /
Das Aug' in Thränen-Satz / die Seel in Höllen Brand.
Wie seelig aber! die ihr Heil
Durch schnöde Lust in Wind nicht schlagen!
Die nicht der Liebe strenges Seil
Wie Schlacht-Vieh an den Hörnern tragen!
Ach! welch ein Schatz ist doch ein ungefässelt Sinn!
Der der Begierden Frau / der Männer Königin.
Wie seelig! die sich über List
Treuloser Buhler nicht beschweret!
Die keine geilen Lippen küßt!
Sich nicht durch stille Glut verzehret!
Der nie kein eyvernd Mann Leib und Gemach verschleust /
Und minder Freyheit nicht / als frische Lufft geneust.
Die schöne Phryne wird ein Aas /
Und Lebens Schwanen-Kind zum Raben;
Weil sie in Eitelkeit kein Maas
Im Hertzen nichts als Unflat haben.
Die aber Brunst nicht steckt / kein Kitzel nimmet ein /
Bleibt unter Mohren-Haut doch Schwanen-weiß und rein.
Wie hoch beglücket sind nun wir
Bey unser Jungfrauschafft zu schätzen /
Die wir Diana / wiedmen dir /
Die Wollust jagen / Hirsche hetzen /
Es wagt kein geiles Aug' uns iemahls zu versehrn /
Weil sie Acteons Hund' um sich stets bellen hörn.
Wer für sich selbst nun sicher ist
Kan anderer Versuchung lachen.
Wer unsre Einsamkeit erkiest /
Darff ihm für nichts nicht Kummer machen;
Man ist sein eigen Schatz / und fast den Göttern gleich
Die Tugend unser Zweck und unser Königreich.
Wir mühn durch zaubernde Gestalt
Niemandens Augen zu verdüstern;
Uns aber sättigt Wild und Wald /
Kein irrdisch Abgott macht uns lüstern.
[1423]Weil Jungfrauschafft in sich so viel Vergnügung hegt:
Daß sie / wie GOtt / nach nichts Wunsch und Verlangen trägt.
Nach geendigtem Gesange hielten diese Nymphen einen zierlichen Tantz / in welchem sie Dianens Flucht für dem sie verfolgenden Alpheus und seine Verwandelung in einen Fluß fürstellten / zu letzt aber ihr ein Altar von Rasen aufrichteten / und bey selbtem Dianen auf einen Königlichen Stul erhoben. Die von Stärcke und Geschwindigkeit ihrer Füsse berühmte Atalanta kam zu diesem Altare / brachte mit sich eine lebende Hindin / opfferte sie Dianen / verlobte sich ihr zu ewiger Keuschheit / da sie sie wider die Gewalt ihres Vaters Schöneus / welcher sie wider Willen verheyrathen wolte / in Schutz nehmen könte. Diana versprach ihr ihren Schirm / beschenckte sie auch mit ihrem Bogen und Spisse / worauf Dianens Nymphen sie zu ihrer Schwester annahmen / mit ihr in einem Tantze die vergebene Liebe des Königs Minos gegen die Britomartis und ihre Abstürtzung ins Meer abbildeten. Zu diesem Tantze kam ihr Vater Schöneus mit vielen Satyren und wolte mit ihrer Hülffe seine Tochter Atalanta wegführen. Die Nymphen grieffen alle nach ihren Jäger-Spissen / und zur Gegenwehre. Diana aber verbot ihnen den Gebrauch der Waffen /und reichte Atalanten ihr Bild / wie sie zu Pellene verehret wird / zu / mit Versicherung / daß dieses sie wider alle feindliche Gewalt schützen würde. So bald nun Atalanta solches dem Schöneus und den Satyren vorhielt / geriethen sie in Raserey / und fielen einander selbst wie wütende Hunde so lange an / biß sie sich damit von ihnen abwendete / wofür aber alle Bäume ihre Blätter einbüßeten. Also ward der verwundete Schöneus mit seinen Satyren zu weichen gezwungen. Hierauf verwandelte sich der Schauplatz in ein waldichtes Gebürge / bey welchem Atalanta viel Arcadische Jungfrauen beredete / mit ihr zu jagen /und sich wie sie / Dianen zu verloben. Zu welchem Ende sie denn ihnen folgendes Lob der Jagt vorsang:
Wie vielerley Ergetzligkeit
Die Menschen ie erfunden haben /
Kürtzt keine besser nicht die Zeit /
Und keine kan mehr Leid vergraben /
Als wenn man Menschen nicht den meisten Abbruch thut /
Und seinen Stahl sänckt ein / in wilder Thiere Blut.
Die Spiele beym Olympus sind
Zwar die Vergnügung Griechischer Jugend /
Die allen Völckern abgewinnt /
Ihr Kampff ein Wetzstein ihrer Tugend.
Man hält von Ubungen des Pythius auch viel /
Die Jagt ist aber Ernst / und jenes nur ein Spiel.
Sie ist zwar Kurtzweil / doch ein Krieg;
Nur daß er nicht auf Menschen wütet.
Durch sie erlangt die Unschuld Sieg;
Die eben wie Alcides schüttet
Den Zorn auf Schlangen aus / und Ungeheuer fällt /
Die nur in Wüsteney verkehren Wald und Welt.
Was kan erwecken grösser Lust /
Als wenn man Löw' und Drachen tödtet?
Den Spiß jagt durch der Bäre-Brust /
Die Faust in Luchs und Wölffen röthet.
Die Gemßen übersteigt / die Elephanten zwingt /
Dianen Ebers-Köpff' in ihren Tempel bringt.
Wenn man die Hirschen übereilt /
Den Tod durch unsre Pfeile flügelt.
Mit Falcken Wolck' und Lufft zertheilt;
Und Reigern ihren Flug verriegelt.
Wenn man die Beute theilt mit vielen Wagen aus /
Zu Opffern auf Altär' und Speisen in das Haus.
Die Jagt macht hertzhafft und geschickt /
Zum Krieg' und hurtigen Geschäfften;
Klug / daß uns niemand leicht berückt /
Stärckt Glieder / mehrt die Lebens-Kräfften.
Sie raumet geiler Lust nicht Zeit und Wachsthum ein /
Wer nun die Tugend liebt / der muß ein Jäger seyn.
Auf dieser Jagt fälleten sie auch unterschiedenes Wild. Inzwischen bedeckten die beleidigten Satyren alle Brunnen und Bäche / daß als die von der Jagt erhitzten Arcadischen Jungfrauen trincken wolten / und nirgends kein Wasser fanden / sie diese beschwerliche Lust verfluchten / und Atalanten verlassen wolten. Die hierüber bekümmerte Atalanta rieff hiermit Dianen an:
[1424]O Göttin! welcher Thau-Horn kan
Den dürren Schwamm der Wolcken füllen?
Die du das Erdreich wässerst an /
Und der Natur den Durst kanst stillen.
Die du die Brunnen füllst / und auffschwellst Flüß und See /
Gib: daß aus dieser Klipp' ein Strom voll Wasser geh.
Hiermit stieß sie den von Dianen empfangenen Spiß an den nechsten Steinfelß / worauf auch alsofort ein starckes Qvell mit dem süssesten Wasser heraus spritzte / daran sich die Arcadischen Jungfrauen kaum satt trincken konten. Hierauf sungen und tantzten sie wechselsweise / in diesem druckten sie den Kampff des Flusses Achelous wider den Hercules / und die vom schönen Acis verschmähete Liebe des Polyphemus mit Gebehrden in jenem das Lob des Wassers mit folgenden Worten aus:
Nun lernen wir: daß nichts so gut /
Als Wasser ist / und so viel nützet.
Es ist / was in dem Thirens Blut
Der gröste Schatz / den man besitzet.
Kein Safft kommt ihm sonst bey / kein Balsam und kein Wein;
Ja auch kein flüssend Gold / kein trinckbar Edelstein.
Denn Wasser tränckt die Erd' und Meer /
Ertzt / Pflantzen / Thiere / ja die Sterne.
Vom Wasser rührn die Seelen her;
Steckt alles nun in diesem Kerne /
So zeucht Egypten es dem Feuer billich für /
Und Persen schlachtet ihm mit Fug manch Opfer- Thier.
Choaspens güldnes Wasser ist /
Noch Ganges diesem zu vergleichen /
Obs Pers' und Inde gleich erkiest /
Nur seinen Königen zu reichen.
Wer dieses einmahl schmeckt / verschmäht den Wein gewiß /
Eh / als der vielmahl trinckt / den Brunnen Clitoris.
Des Nilus Wassers Fruchtbarkeit
Mag Memphis beten an und krönen.
Euleens Wasser sey geweiht /
Zur Kost den ält'sten Königs-Söhnen.
Diß Wunder-Qvell benimmt iedweder Flut den Preiß /
Fleußt dort der Erde Blut / so qvillt hier Mohnden- Schweiß.
Weil diese Zucker-süsse Bach
Nu uns aus den Gestirnen flüssen;
So gib Diana ja nicht nach:
Daß andre sie / als wir genüssen.
Und setzte statt des Po sie dem Gestirne bey:
Daß sie uns hier der Tranck / im Himmel Leitstern sey.
Bey dem Schlusse dieses Gesanges und Tantzes er schien ein Königlicher Herold / welcher diesen Jägerinnen folgende Zeitung singende beybrachte:
Es hat in Oetens Berg und Wald
Ein hauend Wald-Schwein sich gefunden /
Von grausen Kräfften und Gestalt /
Es spielt mit den Albaner-Hunden /
Wie mit Kaninichen / ein fleckicht Panther-Thier /
Zwey Zähne ragen ihm wie Elefanten für.
Es reisset Pflantz und Eichen aus /
Zerhauet Netze / brennet Stricke /
Es tritt die Klippen selbst in Graus /
Zerbricht den Stahl wie Glaß in Stücke.
Es hat gantz Calydon in Wüsteney verkehrt.
Des Orneus Weinstock liegt zerwielet und verheert.
Des Königes Ergetzligkeit
Vertilgt diß Schwein mit tausend Reben /
Es liegt zernichtet Müh und Zeit /
Nichts wird auch blühn bey seinem Leben.
So ladet Orneus nun zu fällen dieses Schwein /
Durch einen güldnen Preiß / so Held- als Jäger ein.
Hiermit nahm er ohne verlangte Antwort mit angemaster Eilfertigkeit / als wenn er noch viel zu verrichten hätte / seinen Abschied. Atalanta aber nahm diese Zeitung mit grossen Freuden an / entschloß sich / ihr Heil an diesem Schweine zu versuchen / und gelobte Dianen auf den Fall des erlangten Obsieges / ein fettes Opffer zu liefern. Die Arcadischen Jungfrauen müheten sich Atalanten hiervon abspenstig zu machen; weil sie schon Zeitung hätten / daß Ancäus des Neptuns Sohn / welcher des Oeneus fürtrefflichen Weinberg hätte angelegt gehabt / von diesem Ungeheuer wäre erhauen / Meleager des Oeneus Sohn aber gefährlich wäre verwundet worden / und über diß die gemeine Sage gienge / daß dieses Schwein nicht von Natur solche Kräfften / sondern etwas Göttliches hinter sich hätte. Weßwegen auch solches nicht vom Hercules wäre erschlagen / sondern vom Berge Erymanthus / wo er es in dem grossen Schnee gefangen / zum Eurystheus lebendig gebracht worden. Aber Atalanta ließ sich diese Abmahnung [1425] nichts irren / sondern rüstete sich / diß Schwein anzugreiffen. Die Arcadischen Jungfrauen hegten ihr zu Ehren einen Tantz /darinnen sie die Siege des Hercules wider solche Ungeheuer fürstellten / und in einem Abschieds-Liede ihr eben so vieler ruhmwürdigen Thaten Ausübung wünschten. Der Schauplatz stellete hierauf das Gebirge Oeta für / daselbst fand die ankommende Atalanta eine grosse Anzahl Helden für sich / welche alle an diesem Schweine ihr Heil versuchen und Ehre erjagen wolten. Unter diesen war Jason / Theseus / Pirithous /Lynceus / Idas / Cäneus / Leucippus / Acastus / Ampycides / Oeclides / Telamon / Phyleus / Eurytion /Lelex / Echion / Hyleus / Hippasus / Nestor / Ponopeus / Pollux / Jolaus / Peleus / Protheus / Cometes. Diese wolten Atalanten / ihres weiblichen Geschlechtes halber / nicht zur Jagt lassen. Atalanta aber zuckte ihren Jägerspiß / wolte sich nicht abwendig machen lassen / und erhärtete in folgendem Helden-Liede /daß das Frauenzimmer nicht weniger als die Männer der Tapfferkeit fähig wären:
Die Zärtligkeit entkräfftet nicht
Der schöne Vorrath unser Brüste
Bläßt vielmehr auf der Tugend Licht.
Wenn ich in meinem Busem wüste /
Was / das der Tapfferkeit abbrüchig könte seyn /
Wolt' ich es schneiden ab / und glimmen Eisen weyh'n.
Wo Tugend ihren Sitz gewinnt
In Hertzen / nicht in Riesen-Beinen;
Wo eure nun wie unsre sind
Von Fleische / nicht von Ertzt und Steinen.
Wo keines knorplicht ist / Spann-Adern in sich hält /
Was für Gebrechen wird mit Fug uns ausgestellt?
Daß unser Hertz uns vielmahl bricht /
Von zarten Regungen zerrinnet /
Ist keiner Kleinmuth Merckmal nicht;
Weil diß / was beugt / vielmahl gewinnet.
Muß doch der harte Stahl zerflüßen von der Glut /
Eh' er wird Lantz' und Schwerdt / und Helden-Dienste thut.
In Männer Hertzen schwimmt kein Blut /
Das mehr als unsers Wärmbde hege;
Und euer lodernd Hertze thut
Nicht mehr als das der Weiber Schläge.
Ihr tadelt euch / wenn ihr uns Ohnmacht tichtet an /
Weil zur Geburt ein Weib mehr beyträgt als ein Mann.
Erwehlt auch die Natur uns aus /
Zur Wirthschaffts Sorg' und zum Gebähren;
So sperrt sie uns doch nicht ins Hauß /
Wil uns die Waffen auch nicht wehren.
Sie raubt uns nicht das Hertz / haut uns die Hand nicht ab /
Die Helden manches mahl genug zu schaffen gab.
Sind unsre Hände weiß und weich /
Kan man nicht an der Sonne braten;
So zwingt uns unser Feind nicht gleich /
So sind doch auch die Helden-Thaten
Nicht wilder Leute Werck / die Berge kehrn in Grauß /
Die Thürme tragen feil / und Bäume reissen aus.
Sind unsre Armen eisern nicht /
Versteinet Frost nicht unsre Glieder;
Schwärtzt's Antlitz nicht der Sonnen Licht /
So schlägt doch keine Furcht uns nieder.
Den Honig-Bienen fehlt der scharffe Stachel nicht /
Je zärter Rosen blühn / ie mehr ihr Dorn uns sticht.
Die auch von Raubthiern weiblich sind /
Sind mühsamer mit ihren Füssen;
Sie flügen schneller als der Wind /
Verfolgen schärffer ihr Entschlüssen.
Ja Tauben die man doch von Galle schätzet frey /
Wohnt / wenn sie sind erboßt / mehr Grimm als Adlern bey:
Was streit' ich aber viel für mich?
Was plag' ich mich mit diesem Wahne?
Minerva kämpfft für uns und sich;
Ja selbst die streitbare Diane.
So lange die mit Fug bleibt eine Jägerin /
So lange werff' ich Spieß und Jäger-Horn nicht hin.
Durch die liebliche Stimme Atalantens wurden alle anwesende Helden gleichsam bezaubert / daß sie nicht nur Atalanten für ihre Mitjägerin erkennten /sondern auch nach Jäger-Hörnern mit ihr einen artlichen Jäger-Tantz hegten / welcher aber durch das mit grossem Schäumen auf sie loßgehende Calidonische Schwein verstöret ward. Hätte Lynceus auch solches nicht zum ersten ersehen / würden ihrer viel von diesem geschwinden Hauer zerfleischt worden seyn / ehe sie dessen wären gewahr worden. Nichts desto weniger rennete es den Lelex und Pampeus übern [1426] Hauffen / Telamon ward von ihm ins dicke Bein / Jolas in die Hüffte verwundet. Dem Eurytion hieb es den Bauch auf / daß er seine Därmer ausschüttete. Dem Phyleus trennte es gar den rechten Fuß vom Leibe / und der gefällte Hippasus muste durch seine aufgehauene Brust seine Seele ausblasen. Theseus / Pollux / und die tapffersten Helden konten ihm wegen seiner Geschwindigkeit und gleichsam geharnschten Haut keinen Streich beybringen / und alle hatten bey nahe das Hertze verlohren / ja die meisten geriethen in die Flucht / als Meleager zwar diesem Eber mit dem Eisen einen kräftigen Fang auf die Stirne anbrachte /der Schafft aber zerbrach / daß Meleager über und über gieng. Dieser würde auch ein blutiges Opffer seiner Rache gewesen seyn / wenn nicht die behertzte Atalanta ihm einen Pfeil ins Auge / den andern durchs Hertze geschossen hätte / wovon es zu Bodem fiel /und mit so grossem Schäumen als Blutstürtzung sein Leben verlohr. So groß die Freude der vorher bestürtzten Helden war / so groß war auch ihr Frolocken. Sie preiseten Atalantens Sieg und Tapfferkeit in einem zierlichen Liede / zwischen welches sie ihre Jäger-Hörner wechselsweise bließen / endlich ihren Gesang mit folgenden Reimen schlossen:
Das Ungeheuer unser Zeit /
Die Mißgeburt der schwartzen Höllen;
Liegt nun mit seiner Grausamkeit!
Kont es kein sterblich Arm nicht fällen /
So muß die Jägerin / die dieses wilde Schwein
Getödtet / Cynthia nicht Atalanta seyn.
Hierauf hegten sie mit ihr einen freudigen Sieges-Tantz und sätzten Atalanten gleichsam als der andern Diana einen Krantz von gelben Schmaltz- oder Moß-Blumen auf / mit welchem Helichryse vom Ephesus zum ersten Dianen bekräntzet haben soll. Unter währendem Singen und Tantzen / ließ Meleager das Schwein wiegen / und befand es zwölff Centner schwer. Hernach befahl er ihm den Kopff abzuhauen /und die Haut abzuziehen / damit er Atalanten beschenckte. Diese hieng ihr diese Haut wie Hercules die Löwen- und Bacchus die Panther-Haut / über die Achsel: Der Neid fand sich inzwischen herzu / und folgte Atalanten wohin sie sich wendete / wie der Schatten dem Lichte nach / sie lachete und zischete hinterrücks die anwesenden Helden aus / daß sie nicht ein wildes Schwein hätten zu zwingen gewüst / sondern ein Mägdlein Haut und Kopff zum Siegs Gepränge des weiblichen Geschlechtes nicht so wol über das Schwein als die Männer davon tragen ließen. Diese Beschämung erregte bey unterschiedenen keine geringe Mißgunst / sonderlich da die Arcadischen Jungfrauen kamen / Atalanten mit einem Glückwunsche und Lobgesange verehrten / und selbten damit beschlossen:
Nicht bildet euch / ihr Männer / ein;
Daß Hercules nur könne dämpffen /
Des Erymanthus wildes Schwein
Und wider Löw' und Drachen kämpffen.
Denn nunmehr ist bewehrt durch Atalantens That:
Daß es Alciden auch beym Frauenzimmer hat.
Die von grossen Thaten schon berühmte Helden ließen sich den Neid / als welcher allemahl den Abgang seiner eigenen Verdienste verräthet / nichts anfechten; aber Plexippus und Toxeus die Brüder Altheens /welche des Oeneus Gemahlin und Meleagers Mutter war / geriethen darüber in eine eyversüchtige Raserey / daß sie mit ihren Waffen Atalanten den Schweins-Kopff abstreiten wolten. Diese aber vertheidigte sich mit ihrem Jägerspieße / so lange / biß Meleager darzu kam / und beyden das Eisen durch die Brust stieß. Die Arcadischen Jungfrauen danckten Meleagern für diesen Beystand / nahmen den wilden Schweins-Kopff /rühmten dessen Grösse / und riethen Atalanten / daß sie solchen einem grossen Gotte zum Gedächtnüsse in seinen Tempel liefern solte. Hiermit kamen Sielenus auf einem Esel mit vielen Satyren und Bacchischen Weibern herzu / welche [1427] Atalanten Danck ablegten /daß er die Calydonischen Gebürge wieder wohnbar gemacht / und des Oeneus Weinberg wieder anzubauen Gelegenheit verschafft hätte. Sie leschten hierauf Atalantens Durst mit einem añehmlichen Weine /und baten: Sie möchte den Schweins-Kopff in den Tempel des heldenmäßigen Bacchus abliefern. Atalanta aber hatte andere Gedancken damit / gleichwol aber brach sie aus selbtem einen Zahn / dessen Länge sich auf einen Schuch und ein vierdtes Theil erstreckte / welche denn vom Silenus angeno en / von Satyren und Bacchen mit dessen Abmäßung in einem Tantze ein seltzames Spiel gemacht / und folgends in des Bacchus Tempel mit grossen Jauchzen geliefert ward. Als diese vorbey / ließ sich die Göttin der Liebe mit zwölff geflügelten Liebes-Göttern aus der Lufft herab. Diese sprach Atalanten selbst an / sie möchte den Schweins-Kopff als den grösten der Welt zu Linderung ihres Schmertzens über dem durch dis / oder ein solch Thier ermordeten Adonis ihr verehren. Aber Atalanta schlug ihr ihre Bitte schlechter dings ab /und entschuldigte sich / daß sie ihn in ihrem Hertzen schon Dianen gewiedmet hätte. Ob ihr nun zwar die Liebe einhielt / daß sie bey Dianen mit diesem Opffer übel ankommen würde / weil sie selbst dem Oeneus dieses Schwein zur Straffe über den Halß geschicket hätte / nach dem sie unter denen Göttern alleine von ihm verachtet / und mit keinen Erstlingen der Früchte beschencket worden wäre; so lachte doch nur Atalanta hierzu / gleich als weñ sie Dianen in der Schooß säße / ja ungeachtet die Liebe sie nur um den andern hauenden Zahn ansprach / uñ ihr hunderterley Vergeltungẽ zusagte / würdigte sie ihr doch nicht einst Gehöre zu geben / sondern machte sich mit ihrem Kopfe aus dem Staube / die Liebe aber schwur beym Styx sich an Atalanten zu rächen / und befahl ihren Kindern /daß sie den Meleager / Hippomenes und andere gegen Atalanten entzünden solten. Diese schwungen sich empor / hielten in der Lufft einen flügenden Tantz /und schütteten allerhand Liebes-Blitz und brennende Rach-Fackeln auf die Erde. Der Schauplatz verwandelte sich hiermit in den Tempel Dianens / in welchem Atalanta der Göttin mit grosser Andacht und Demuth den Schweins-Kopff aufs Altar legte / und mehr ihrem Beystande als eigenen Kräfften ihren Sieg zuschrieb. Diana aber stieß solchen mit einem Fusse vom Altare / schalt Atalanten als eine undanckbare /als welche sich unterstünde ihr ein verstimmeltes Opffer zu bringen / da sie zumahl den grösten Zahn einem so wollüstigen und ihr widrigen Gotte / wie Bacchus wäre / abgelieffert hätte. Diana umnebelte sich zugleich und ihren Tempel mit einer dicken Wolcke /mit welcher Göttin und Heiligthum verschwand / und Atalanta sich in ein lustiges Gestade des Meeres versätzet sahe / allwo die in Gold und Seide gekleidete Wollust aus einer grossen See-Muschel ans Land stieg / sich Atalanten näherte / drey an dem Ufer spielende Syrenen aber Atalanten folgende Reimen fürsangen:
Wer süssem Lieben saget ab /
Ihm vorsetzt Jungfrau zu ersterben /
Der scharrt sich selber in das Grab /
Und wil aus Gramschafft Ruhm erwerben.
Er sucht Vergnügungen in Unvergnüglich seyn /
Und erndtet lieber Schleen / als süsse Trauben ein.
Er kehrt den Lentz in Winters-Zeit /
Beraubt sichs Frühlings in dem Jahre /
Das Leben seiner Liebligkeit /
Erwehlt zum Bette / Sarg und Baare.
Legt aus den Rosen sich in Disteln / Schnee und Eiß /
Und macht aus Bangigkeit sein schnödes Paradeiß.
Er hält für Schwachheit der Natur:
Daß Bäume Blüt und Aepffel tragen.
Und Feindschafft für der Tugend-Spur /
Ja wünscht sich sein selbst zu entschlagen.
Er ist der Erde gram: daß ihr die Sonne scheint
Und daß der Himmel nicht stets wie sein Hertze weint.
Er wünschte: daß die gantze Welt
Läg' unter dem gestirnten Bäre.
Daß seine Seele wie der Belt
Mit Frost und Eiß beschlossen wäre.
[1428]Daß Bienen trügen Gall an statt des Honigs ein /
Daß nichts nicht möchte schön / und Zucker Wermuth seyn.
Wie magst du dich denn / holdes Kind /
In deinen eignen Haß verlieben /
Die Augen / die voll Sonnen sind /
Durch finster Sauer-sehn betrüben?
Dem Munde Küsse stehln / dich selbst in dir verzehrn /
Und deiner Brüste Milch in Molch und Gifft verkehrn.
Entsteine selber deinen Sinn /
Und stelle dich dir selbst für Augen.
Sey selbst nicht deine Henckerin.
Laß Liebe nicht das Alter saugen
Dir Marck und Anmuth aus / und weil die Liebe dir
Selbst aus den Augen sieht / so kämpffe nicht mit ihr.
Dein Antlitz stecket voll Magnet /
Der an sich zeucht der Männer Hertzen.
Und was aus deinen Augen geht /
Ist Schwefel kräfft'ger Zauber-Kertzen.
Du zündest Griechenland durch deinen Liebreitz an /
Wie daß dein Hertze denn nur unverliebt seyn kan.
Der Lippen durstiger Rubin
Wünscht so viel Labsal aus dem Küssen /
Als Muscheln Thau an sich zu ziehn
Und Lebens Balsams zu genüssen.
Und durch die schnelle Schwulst der Brüste wird entdeckt:
Daß unter ihrem Schnee kein todtes Feuer steckt.
Drum peinige die Seele nicht /
Treib Kält und Unmuth aus dem Hertzen.
Entlarve dein vermu t Gesicht';
Und weil die Mutter süsser Schmertzen
Weiht deinen schönen Leib zum Liebes-Tempel ein /
So laß in solchem nicht die Unhold Abgott seyn!
Dieser Sirenische Gesang drang Atalanten nicht nur durch die Ohren / sondern auch ins Hertze. Sie konte ihre Gemüths-Veränderung so sehr nicht verstellen /daß es die Wollust nicht inne ward. Daher sie mit Darreichung einer mit Edelgesteinen versätzten Perlen-Muschel sie selbst singende anredete:
Ist's / Atalante Wunders werth /
Daß deine Zunge von Gerichten
Der süssen Wollust nichts begehrt?
Denn wer sehnt sich nach frembden Früchten?
Kost' aber nur einmahl der Liebe süssen Wein /
So wirst du lüsterner darnach als iemand seyn.
Atalanta streckte schon den Arm nach dieser Muschel aus / sie ward aber durch ein grausames Mord-Geschrey an Annehmung dieses ihr zugereichten Tranckes verhindert. Denn Althea verfolgte mit zerstreueten Haaren / zerkreileten Wangen / feurigen Augen / als eine rasende Unholdin ihren für ihr flüchtigen Sohn Meleager / und sprang ihm von der nechsten Klippe nach. So bald sie aber Atalanten erblickte / verdrehte sie ihre Augen / verstellte ihr Antlitz und Gebehrden /sammlete einen grossen Jäscht für dem Munde / ließ aber hiermit von Meleagern ab / und tastete Atalanten mit einer brennenden Fackel an / schalt sie eine Mordstiffterin / welche Meleagern bezaubert / und ihn ihre zwey Brüder zu tödten verleitet hätte. Atalante hielt Altheen nicht nur mit ihrem Jägerspieße vom Leibe / sondern Meleager gesellete sich auch mit liebkosenden Gebehrden zu Atalanten. Dieses verbitterte Altheen auf eine solche Weise / daß sie gleich / als wenn sie von Sinnen kommen wäre / verzweiffelt herum lief / von den Bäumen Aeste abbrach / davon mit ihrer Fackel ein Feuer machte / und mit heiserem Halse zu singen anfieng:
Ihr Parcen / die ihr uns den Drat
Des Lebens spinnet und zerschneidet /
Schaut meines Sohnes Greuel-That!
Der sich von seiner Mutter scheidet /
Auf ihre Brüder raas't / den Vater höhnt und kränckt /
Sich an ein geiles Weib durch thumme Liebe henckt.
Euch Parcen und den Himmel denckt
Was ihr mir habt für Trost gegeben /
Als ihr mir einen Stock geschenckt
Zum Pfande für des Sohnes Leben.
Ich hab ihn auch zeither als grösten Schatz verwahrt /
Vnd hätte für sein Heil nie Seel und Blut gespart.
Nun aber er mein Kind zu seyn
Hört auf / und sich zur Natter machet;
So wird mein Mutter-Hertz ein Stein /
Altheens Grimm ist aufgewachet /
Die nun ihr eigen Blut der Rache schlachten wil
Sein Lebens-Mäßstab sey sein todes Maaß und Ziel.
[1429]Legt Parcen ihm kein Gold mehr an /
Zerschneid ihm Atropos das Leben.
Vnd laß / auf daß er sterben kan /
Den Stock / den Clotho mir gegeben /
Die Rache bringen her; Zeit / gib die Flügel ihr.
Helfft mir / ihr Furien / auf Straffe sinnen für.
Mein Eyver soll ein Beyspiel seyn /
Was recht erzürnte Mütter stifften.
Erwürgen / schmettern an die Stein' /
Ersäuffen / hencken / und vergifften
Ist nur gemeiner Grimm / und nur für frembdes Blut.
Gib Rache mir den Stock. Er brenn' in dieser Glut.
Er brenn' / und Meleager auch!
Was sind doch diß für schöne Flammen!
Wie weit verbreitet sich ihr Rauch!
Nun bersten Stock und Sohn von sammen.
Nun werden sie zu Asch! Ihr Kinder kommt herbey /
Vnd lernt: wie scharff die Rach' erbooster Mütter sey.
Bey wehrendem Singen kam die Rache wie ein Blitz durch die Lufft geschossen / und händigte Altheen den von den Parcen empfangenen Stock ein / von welchem sie Clotho versichert hatte / daß Meleager so lange leben / als selbter unversehret bleiben würde. Althea warff diesen Aug enblicklich ins Feuer / bey welchem numehr auch die Unholden mit Holtz anlegen und aufblasen geschäfftig waren. So bald er nun Feuer fieng / fieng auch der weit genung davon entfernte Meleager lichter Loh an zu brennen. Atalanta eilte aus Erbarmnüß dem Meere zu / tauchte ihre Schürtze und Ober-Rock ins Wasser / und war bemühet Meleagern damit zu leschen. Aber dieses vergrösserte nur die Flamme / gleich als wenn diß Gewand in Oel getaucht wäre. Ja Atalanta selbst gerieth in Gefahr angezündet zu werden. Daher verfluchte sie die unmenschliche Amalthea / verdammte die Liebe / lobte die Keuschheit / und machte sich aus dem Staube. Amalthea aber und die Rache hegten mit denen Unholden einen Siegs-Tantz um den verbrennenden Meleager. In diesem bildeten sie anfangs den auf dem Berge Oeta von der Deianira Rocke angezündeten und für Angst sich selbst und den Uberbringer Lichas tödtenden Hercules / die darüber verzweiffelnde / und den Nessus verfluchende Deianira für / von dessen Blute / und des durch den Hercules erschlagenen Drachens Galle / der überschickte Rock vergifftet worden war. Nach diesem stellten sie die eyversüchtige Medea für / wie diese des Jasons Braut Creusa / nebst ihrem ihr zu Hülfe eilenden Vater Creon / durch einen überschickten zauberischen Rock verbrennte / und ihre eigene mit dem Jason gezeugte Kinder ermordete. Hiermit verwandelte sich der Schauplatz in andere lustige Gegend / wo Atalanta mit denen Arcadischen Jungfrauen auf eine neue Jagt Anstalt machte / es brachte die Wollust aber ihr eine grosse Menge Liebhaber über den Hals / striech eines ieden Adel / Tugend und Geschickligkeit heraus. Nach dem sie sich nun nicht abweisen lassen wolte / und Atalanten mit hunderterley Liebkosungen zusätzte / ward diese endlich theils durch eigene Vermässenheit verleitet sich zu erklären: daß der / der ihre Liebe gewinnen wolte / sie vorher im Wettelauffen müste überwunden haben / und daß ieder unter ihnen ohne Waffen / sie aber mit ihrem Jägerspisse lauffen / und alle die sie überlieffe / mit solchem durchstechen möchte. Denn / weil sie wegen ihrer geschwinden Füsse in gantz Grichenland berühmt war / meinte sie alle von diesem gefährlichen Wettelauffen abzuschrecken. Alleine die Liebe misset ihr grössere Kräfften zu / als sie hat / und also nahmen die Liebhaber diese Bedingung an / die Arcadischen Jungfrauen steckten so wol den Ansatz / als das Ziel aus / und gaben zum Lauffe das Zeichen. Der mit ihr lauffenden waren wol zwölffe / aber Atalanta /welche an Geschwindigkeit einem Rehe nichts nachgab / ließ einem nach dem andern einen ziemlichen Vorsprung / hernach aber war sie ihnen wie ein geschwinder Habicht einem Hasen auf dem Halse / und versätzte ihrer eilffen einen tödtlichen Streich / dem zwölften aber schenckte sie das Leben / mit der Erinnerung / daß er alle nach ihr lüsterne Männer warnigen / [1430] und ihnen für Augen stellen solte; wie schlecht es mit denen ablieffe / die sich an die gewaffnete Keuschheit zu reiben gedächten. Die Wollust und ihre Gefärthen zohen mit Schanden ab. Die Arcadischen Jungfrauen aber hegten einen Tantz / in welchem sie mit Gebehrden artlich vorstellten / wie Daphne sich in einen Lorber-Baum / Syrinx in Schilff verwandelt /jene also dem brünstigen Apollo / diese dem geilen Pan entgangen wäre. Darzwischen aber sangen sie Atalanten und der Keuschheit folgendes Sieges-Lied:
Ihr Helden! die ihr euch mäßt bey:
Daß eure Hertzen von Metallen /
Die Brust aus Ertzt und Eisen sey /
Für welchem alles müsse fallen.
Die ihr die Tapfferkeit nur wilden eignet zu /
Kommt / seht verwundernd an / was reine Keuschheit thu.
Wie wenig kennen diese sie /
Die sie zur Polster-Tocke machen;
Als wär' ihr Thun geringe Müh /
Ein Spiel mit angenehmen Sachen.
Als legt' ihr eigen Feind ihr Teppicht' untern Fuß /
Ihr Anfall wäre nichts als Liebreitz / Bitt / und Kuß.
Die Keuschheit muß vielmahl das Weib
Ziehn aus / und sich mit Helden schlagen /
Mit Schilden waffnen Arm und Leib /
In Händen Spiß und Messer tragen /
Offt Dräuung tauern aus mit Kercker / Folter / Pein /
Ja ein erschrecklich Tod muß ihr kein Greuel seyn.
Die Lilgen sind ein Ebenbild
Zwar ihrer Unschuld / nicht der Stärcke /
Wenn sie die Distel nicht umhüllt /
Hingegen ihren Glantz und Wercke
Mahln Rosen herrlich ab: dern Purpur schmückt ihr Haupt /
Die Dörner waffnen sie / daß sie Gewalt nicht raubt.
Der Atalanta Beyspiel lehrt:
Wie Ros' und Keuschheit können stechen.
Wer einig Blat an ihr versehrt /
Muß überwinden oder brechen.
Denn Schamröth ist ihr Schild nur wider Zung und Mund /
Wer thätlich ihr setzt zu / wird von den Dornen wund.
Wenn aber auch der Keuschheit Feind /
Mit Zucker-Pfeil- und Blumen-Schwerdtern
Sie zu bewältigen vermeint /
Ihr sätzet zu mit Bisam-Wörtern /
Wenn er ihr Pflaumen streicht / ihr Amber-Körner streut /
So siegt die Keuschheit doch nicht ohne Tapfferkeit.
Denn zu so holder Lockung schlägt
Sich die Natur mit allen Sinnen.
Ja unser eigen Hertze trägt
Vns zu dem süssen Liebgewinnen /
So geht ein Bürger-Krieg in unsern Seelen an /
Daß die Vernunfft mit Noth so vielen steuern kan.
Man wird verletzt / und fühlt es nicht /
Man leidet Schiffbruch ohn' Empfinden;
Wenn uns der Feind so sanfft anficht
Vnd Liebreitz spielt mit uns des blinden.
Es geht uns wie dem Stahl / den der Magnet nicht rührt /
Vnd der doch ohne Zwang sich fortgezogen spührt.
Durch so geheime Zauberey
Spielt sich der Liebe Gifft ins Hertze.
Braucht sie denn Perl und Gold darbey
Vnd der unleschbarn Ehrsucht-Kertze /
Greifft sie die Ehr' uns denn gar mit Verläumdung an /
So ist kein Hercules / der ihr begegnen kan.
Viel die den Löwen obgesiegt /
Die Städt' und Schlösser eingenommen /
Die mehr als eine Welt bekriegt /
Sind hier um Ihren Siegs-Krantz kommen.
Das weibliche Geschlecht hat nur den Sieges-Ruhm;
Der Wollust Meister seyn / ist unser Eigenthum.
Verdient die Jungfrauschafft nun nicht /
Mit Atalantens Helden-Thaten;
Daß man ums Haupt ihr Lorbern flicht /
Denn Ehre tingt die Tugend-Saaten.
Doch nein; der Keuschheit taug nur Gold / kein Baum- Blat nicht /
Weil jene keine Lust / diß keine Glut anficht.
Uber diesen letzten Worten sätzten sie Atalanten einen Krantz von güldenen Lilgen und Rosen auf. Hippomanes / welcher diesem blutigen Wettelauffen und diesem Siegs-Gepränge zugesehen hatte / entbrandte durch hefftige Liebe gegen Atalanten. Sintemahl diese zarte Regung durch Keuschheit / wie das Griechische Feuer durch kaltes Wasser nicht weniger als durch Oel entzündet wird. Gleichwol aber hielt ihn der erlegten Liebhaber trauriges Beyspiel zurücke / seine liebe Atalanten zu eröffnen / [1431] und es mit ihr anzunehmen. Nach dem er sich nun mit Gedancken eine gute weile geschlagen hatte / nahm er ihm für die Götter zu seinem Beystande zu erbitten. Hiermit verwandelte sich der Schauplatz in einen herrlichen Lust-Garten / welcher den auf zwölff Säulen in die rundte gebauten / und auf allen Seiten offenen Tempel der Venus umgab. In diesen verfügte sich Hippomanes /fiel für ihrem Altare auf die Knie / und opfferte ihr singende diß Gebete:
O Liebe! welcher Lauff so fern
Als Erd und Himmel sich erstrecket /
Die du bist Morg- und Abend-Stern /
Von der die Sonne wird erwecket /
Daß sie aus Thetis Schoß so rüstig stehet auf /
Der Eos Flügel giebt / beseel' auch meinen Lauff.
Gieb deine schnelle Federn mir
Vmb Atalanten fürzukommen;
Die so hochmüthig spricht von dir /
Vnd allen hat den Muth genommen.
Es liegt dein eigen Ruhm / der Welt ihr Heil daran
Zu lehrn: daß Keuschheit nicht die Liebe pochen kan.
Das auf einer Schnecke stehende Bild der Göttin gab dem Hippomanes folgende Antwort:
Welch Irrthum / was für Einfalt hält
Dich und dein blindes Hertz umgeben?
Meinstu / daß Liebe wird vergällt
Von Keuschheit / die mir giebt das Leben.
Die Lieb entspringt aus ihr / wie Perlen aus der Flutt /
Vnd wo ihr Oel nicht rinnt / ist Liebe schnöde Glutt.
Ihr Weyrauch macht die Flamme rein
Im Tempel der verliebten Hertzen /
Was anfangs auch ist Eiß und Stein
Fühlt nachmahls mehrern Brand und Schmertzen.
Vnd Atalanta wird wie Schwefel brennend seyn /
Wenn meinen Balsam ich ihr werde flössen ein.
In meinem Garten ist das Gold
Drey schöner Aepffel aufzufinden.
Daran hängt Atalantens Hold /
Vnd sie dadurch zu überwinden.
Ihr erster Anblick wird ihr hemmen Fuß und Lauff /
Den Sieg dir öffnen / ihr das Hertze schlüssen auf.
Hippomanes bückte sich für der Göttin mit andächtiger Demuth / gieng hierauf im Garten herum / und bat die Göttin singende / sie möchte ihn auf den rechten Pfad führen die beschriebenen Aepffel zu finden. Endlich fand er sie beysammen auf einem Granat-Apffel-Baume stehen. Worauf er sie folgender Weise ansang und zuletzt abbrach:
Diß muß der Schatz o Göttin seyn /
Der Atalantens Hertz soll stehlen.
Nimmt er mir Seel und Hertz doch ein /
Drum kan der Göttin Wort nicht fehlen.
Mich dünckt ich sehe schon / wie Atalantens Fuß
Mit ihrem Aug' erstarrn / und sich verspielen muß.
Vergebt ihr güldnen Aepffel mir /
Ihr Glückes-Kugeln meiner Liebe /
Daß euch ein sterblich Mensch berühr' /
Denn wenn hier euer Reichthum bliebe /
So würd' ein grosser Sieg der Göttin bleiben nach /
Mein Lieben Ohnmacht seyn / mein Leben Vngemach.
Seyd aber ihr gantz unbewahrt /
Läßt euch die Liebe nicht bewachen?
Ich find hier keine Spur noch Farth /
Ich sehe weder Hund noch Drachen.
Es sticht kein neidisch Aug' / und zaubrisch Maul mich an /
Greiff zu / Hippomanes / nichts ist / das hindern kan.
Als Hippomanes die güldnen Aepffel abgebrochen hatte / tantzte er alleine mit seinem Schatten / und stellte in diesem Tantze den Hercules für / wie er im Garten der Hesperiden den zu Bewachung ihrer güldenen Aepffel bestellten Drachen tödtete / und diese Frucht davon trug. Hierauf versätzte der Schauplatz durch seine Verwandelung den Hippomanes wieder in die Gemeinschafft Atalantens und der Arcadischen Jungfrauen. Er forderte sie auch alsofort zum Wettelauff aus / sie aber wieß ihm die aufgesteckten Köpffe der überwundenen Liebhaber / und mühte sich ihm seine Vermässenheit auszureden / weil sie mit seiner Jugend Erbarmnüß trüge / das der Diana gethane Geliebde ihr aber hernach seiner zu schonen nicht verstattete. Hippomanes aber erklärte sich / daß er sie diesen [1432] Tag entweder seiner Liebe einweihen / oder von ihren Händen Dianen geopffert werden wolte. Die Arcadischen Jungfrauen hatten mit ihm ein gleiches Mitleiden / und mühten sich / aber vergebens / ihn von seinem Vorhaben abwendig zu machen. Hiermit war das Ziel ausgesteckt / Hippomanes hatte nur seinen Vorsprung genommen / als er einen seiner Aepffel auf die rechte Seite warf / welcher Atalanten auf eine solche Weise in die Augen stach / daß sie aus dem Wege dem Apffel zulief / und ihn aufhob. Gleichwol holete sie den Hippomanes ziemlich ein /und nöthigte ihn den andern Apffel noch weiter aus dem Wege auf die lincke Seite zu werffen. Diesem lief sie noch begieriger nach / als dem ersten / weil die Lüsternheit durch Empfang eines Dinges / wie das Feuer durch Holtz nicht gesättiget / sondern nur mehr entzündet wird. Gleichwol war ihre Geschwindigkeit so groß / daß sie nach Aufhebung dieses andern Apffels / dem Hippomanes wieder auf den Hals kam /welcher den dritten Apffel schnur gleich zurücke warf. Als Atalanta sich umwendete auch diesen zu holen /rufften ihr die Arcadischen Jungfrauen zu / sie solte durch Geitz sich selbst nicht verspielen / denn Hippomanes wäre nicht ferne vom Ziele. Aber Atalanta war von Begierde blind oder bezaubert / und ließ ihr träumen / daß wenn sie noch diesen dritten Apffel bekäme / wolte sie den Zwist zwischen der Juno / Pallas und Venus / durch derselben Austheilung vergleichen /den Paris durch den eintzelnen Apffel der Eris zwischen ihnen erregt hatte. Weil nun Atalanta dem dritten Apffel nachlief / erreichte Hippomanes das Ziel /welcher alsbald mit heller Stimme zu singen anfieng:
Nun hab ich Ziel und Sieg erreicht /
Gieb Atalanta dich gefangen.
Doch dein Verlust ist ausgegleicht /
Du kanst mit güldnen Aepffeln prangen.
So bringet das Verspieln im Lieben nur Gewien /
Und reine Keuschheit kan aus Liebe Zucker ziehn.
Nicht mieß es meiner Klugheit bey /
Von mir ist nicht die List geflossen.
Daß Atalanta meine sey
Hat das Verhängnüß selbst geschlossen.
Die Aepffel / die du trägst / sind reiner Liebe Frucht /
Durch welche sie mein Heil und dein Vergnügen sucht.
Die Keuschheit der du dich vermählt /
Wird meine Liebe nicht zernichten.
Wer mit der Jungfrauschafft sich qvält /
Speist sich nur mit den bittren Früchten
Der Keuschheit / welche doch die süßten Trauben trägt
Wenn sie mit reiner Brunst sich zu vermischen pflegt.
Atalanta schien anfangs ziemlich beschämt zu seyn; sie erholete sich aber bald / und trat dem Hippomanes mit einem freundlichen Antlitze unter Augen. Ja es schien / als wenn diß in einem Augenblicke alle vorige Ernsthafftigkeit abgelegt / und sich aus einer bangsamen Wildnüß in einen Rosen-Garten verwandelt hätte; sonderlich da sie mit ihrer anmuthigen Stimme in des Hippomanes Liebe willigte:
Ja ich erkenne mich besiegt /
Mein lüstern Aug' und mein Verlangen /
Das uns meist viel Verlust zufügt /
Hat mich verleitet und gefangen.
Weil deine Liebe denn mit Keuschheit ist vermählt /
So sey durch diese Hand zu meinem Schatz erwehlt.
Diana ni für Schmach nicht an /
Mein durch die Eh verändert Leben.
Denn mit der Jungfrauschafft pflegt man
Nicht bald die Keuschheit aufzugeben.
Ich wil der Liebe nur die Nächte theilen ein /
Der Tag soll steter Jagt und dir gewiedmet seyn.
Ihr holden Schwestern gute Nacht;
Verdammet nicht als Uppigkeiten /
Daß Atalanta Hochzeit macht /
Wer kan der Liebe widerstreiten?
Wir jagen Wild / sie uns Und wenn der Himmel wil /
So werdet ihr / wie ich / seyn ihrer Pfeile Ziel.
Hippomanes und Atalanta tantzten hierauf mit einander / und drückten darinnen nicht weniger ihre Vergnügung als ihre hefftige Liebes-Regungen aus. Nach dem die Arcadischen Jungfrauen ihnen mit Fleiß zugesehen hatten / [1433] stimmeten sie folgendes Lied an /und hiermit Atalantens Liebe bey:
Wenn Keuschheit sich von Einsamkeit
Und von der Jungferschafft läßt scheiden /
Was führn wir wider Liebe Streit?
Was wolln wir ewig Kälte leiden?
Was schlüssen wir uns stets in öde Wildnüß ein
Und thun uns selber weh um andern feind zu seyn.
Wir sind viel wilder als das Wild /
Weil Wölffe / Bär' und Panther lieben /
Die Brunst ihm Hirsch / und Löwe stillt /
Wir aber nichts als Gramschafft üben.
So laßt die Wildnüs nun / die Unart legen hin /
Nach Atalantens Art / entsteinern Hertz und Sinn.
Ihr rauen Forste gute Nacht!
Wir wolln in grünen Lust-Gepüschen /
Wo Erd' und Himmel Hochzeit macht /
An Au-und Qvellen und erfrischen.
Ihr Wälder / derer Grund kein Luchs und Wolff betrit /
Beherbergt uns / und theilt uns Lust und Liebe mit.
Als die Jungfrauen kaum ihren Gesang beschlossen hatten / sprangen aus dem Lust-Walde / gegen den sie sich wendeten / zwantzig junge und nicht minder schöne als wol geputzte Schäfer herfür / welche die Arcadischen Jungfrauen durch höflichste Gebehrden und folgendes Lied zu ihrer Liebe reitzten:
Wie seelig sind die Seelen doch
Die sich bey Zeite fühlen lernen /
Die von Dianens strengem Joch'
Und ihrer Unart sich entfernen.
Wie seelig den der Geist der süssen Liebe regt /
Und der nicht Eyß für Blut in seinen Adern trägt.
Solch Feuer flößt der holde Schein
Des Liebes-Sternes unsern Seelen
Mit erster Milch der Mutter ein.
Ihr aber friert in finstern Hölen /
Und wenn der Himmel euch nicht sonderlich beglückt
So bleibt ihr biß ins Grab mit Eiß und Frost bestrickt.
Doch ist kein Hertze so Eys-kalt /
Das nicht von Liebe schmeltzt und rauchet /
Wenn sie die zaubrische Gewalt
Der dreyen güldnen Aepffel brauchet /
Worfür ein Felsen-Hertz wie Ertzt von Glut zerrinnt /
Und diß / was Spinnen-feind einander lieb gewinnt.
Denn Schönheit / Witz und Freundligkeit /
Ist's Marck in diesen güldnen Früchten.
Wen diese fordern aus in Streit /
Der muß sich geben oder flüchten.
Wie weißlich thut ihr nun / daß ihr kein Wild mehr jagt
Nun ihr schon selber Pfeil' in Aug und Hertzen tragt.
Wir aber sind das rechte Wild /
Das ihr durch Liebreitz habt erleget:
Das euer Seelen Wunsch erfüllt /
Und niemals übers Netze schläget.
Kommt / brennt und schlachtet uns / der Brand von euer Brust /
Der Tod von euer Hand ist unser Glück und Lust.
Wir sind der güldnen Zeit ihr Bild /
Nach dem ihr eifrig sollet trachten.
Ein Jäger ist zwar nicht ein Wild /
Doch minder als ein Mensch zu achten.
Ein Schäffer aber ist / zwar nicht den Göttern gleich /
Doch mehr als sonst ein Mensch / sein Gut ein Königreich.
Nach vollendetem Gesange faßte Atalanta den Hippomanes / jede Jägerin einen Schäffer bey der Hand /und hegten einen künstlichen Liebes-Tantz; in welchem Hippomanes und Atalanta allemahl den Reyen führten / oder im Kreiße das Mittel machten. Die Schäffer und Jägerinnen führten mit einander darinnen einen Streit / und brauchten sich jene ihrer Stäbe /diese ihrer Spieße zu Waffen. Hernach verwechselten sie sie mit einander / und endlich zerbrachen sie die Jägerspieße gar / in iedem Schäfferstabe aber steckte noch ein ander / welchen die Schäffer heraus zohen /und also iegliche Jägerin mit einem Schäffer-Stabe ausrüsteten. Hiermit verschwand in einem Augenblicke alles / und der Schauplatz stellte nach seiner Veränderung die Liebe auf einem prächtigen Sieges-Wagen für / an welchem Elephanten / Löwen / Pferde / Tiger / Hirsche und andere Thiere zohen; die grossen Götter / die berühmtesten Könige und Helden der Welt ihre Sieges-Zeichen fürtrugen / die Natur aber mit dem Titel der Liebes-Amme / das Glücke mit dem der Liebes-Priesterin prangte. Als sie durch eine prächtige Sieges-Pforte gefahren war / kam ihr die [1434] Keuschheit auf einem niedrigen mit Lilgen / aber zugleich mit vielen Disteln umflochtenen Wagen /welchen zwey weisse Maul-Eselinnen zohen / entgegen. Sie bückte sich gegen der Liebe mit tieffster Ehrerbietigkeit / überreichte ihr einen Pusch weisser Lilgen / und sang folgende Reime:
O grosse Göttin welcher Licht
Ist reiner als der Himmels-Kertzen.
Mir ist nunmehr verborgen nicht /
Wie fälschlich dich Verläumbder schwärtzen.
Wie sie mit Hütten-Rauch als einen Wurm dich mahln
Für dem Harpyien mit vieler Schönheit prahln.
Kein Crocodil / kein wilder Stier /
Kein Wasser-Pferd / kein Ungeheuer /
Kein rasend Wolff und Panterthier
Soll hegen so viel schädlich Feuer.
Ja Lernens Schlange soll nicht haben so viel Gifft /
Als der vergällte Neid an reiner Lieb' antrifft.
Du sollst der Vrsprung aller Pein /
Die Henckerin der Hertz- und Seelen /
Der Jugend ärgster Gifft-Pful seyn /
Ja aus des Abgrunds schwartzer Hölen.
Von Kröt- und Nattern kommt nichts schädlichers herfür /
Als diß / was man ersinnt / und Boßheit eignet dir.
Man hängt dir Koth und Vnflath an /
Weil niemand Lieb und böse Lüste
Vernünfftig unterscheiden kan;
Man machet deine Mutter-Brüste
Zu einem Geilheits-Qvell / und einer Vnglücks-See /
Kleibt Krebs' auf ihre Ros' und Molch auf ihren Schnee.
Man misset dir aus Argwohn bey /
Daß Wolff und Schaf eh als die Liebe
Mit Keuschheit zu vermählen sey.
Man macht aus ihrem fruchtbarn Triebe
Gesammter Laster Keym / die Wurtzel wilder Glut
Die alle Tugend dämpfft / dem Leben Abbruch thut.
Nach dem ich aber dich erkennt /
Find ich / daß deine Glut im Hertzen
So rein als im Gestirne brennt /
Daß du Vergnügung schaffst mit Schmertzen;
Du giebst den Sternen Oel / der Erde Saltz und Safft /
Ja auch die Keuschheit kriegt von dir Geruch und Krafft.
Denn ob die geile Wollust gleich
Mit ihren Blumen uns vergifftet.
Ihr Amber Athem machet bleich /
Ihr Irrlicht tausend Vnheil stifftet.
Ihr Glantz den Strahlen kommt der Schwantz-Gestirne bey /
Ihr Werck nur Bländung ist / und thumme Zauberey.
So kan doch diß der reinen Glut
Aufrechter Liebe nichts benehmen.
Die Neben-Sonne wird zur Flut /
Wenn die wahrhaffte Gold kan sämen.
Der Purper auf Napel fleckt den der Rose nicht.
Denn jener bleibet Gifft / der ein erqvickend Licht.
Weil meine Lilgen nun so rein /
Daß sie der kleinste Staub beflecket.
Die Rosen wol gewaffnet seyn /
Vnd' rings herum der Dorn sie decket.
So kan mir nichts an Lust / dir nichts an Vnschuld fehln /
Wenn dieser Flammen sich mit jener Schnee vermähln.
So nimm nun meine Lilgen hin /
Vm deine Rosen zu bedienen.
Großmächtige Beschirmerin!
Dein Blitz der feurigen Rubinen
Giebt meinen Perlen Glantz und diesen jenen Schein.
Dein Rosen-Haupt mag Sonn' / ich Lilge Mohnde seyn.
So wird durch unsern Heyraths-Schluß
Die Vnter-Welt zum Himmel werden.
Von Sternen wird ein Balsam-Fluß
Durch uns stets strömen auf die Erden.
Nichts gifftiges wird dich / kein Wermuth mich vergälln /
Aus Keuschheit Anmuths-Milch / aus Liebe Tugend qvälln.
Die Nattern werden ihren Tod
Hier finden / und ihr Gifft verlieren.
Kein Kefer wird mehr seinen Koth
Auf unsre Ros' und Lilgen schmieren.
Die Raupe wird uns nicht mehr fressen Blüt und Frucht /
Mich wird kein Zwang mehr qväln / dich keine Eyversucht.
So nimm nun grosse Königin /
Die Götter / Thier' und Menschen ehren /
Mich an für deine Priesterin /
Weil niemand doch der Liebe Lehren /
Vernünfftiger / als ich / Liebhabern geben kan.
Dann wird dich alle Welt als Göttin beten an.
Die Liebe stand nach geschlossenem Gesange auf /antwortete ihr mit einer hellen und durchdringenden Stimme / mit folgenden Reimen:
Komm Keuschheit / spanne neben mich /
Laß uns vermählen Ros' und Lilgen.
Ich küsse nun als Schwester dich /
Kein Zwist wird unser Bündnüß tilgen.
Da Lieb' und Keuschheit nun zusammen Hochzeit hält
So kommt die güldne Zeit / die Wolfarth erster Welt.
Hierüber reichte die Liebe der Keuschheit die Hand /küßte und umarmte sie / und sätzte sie neben [1435] sich auf ihren Wagen / welcher beyde in die Lufft empor führte / und sie in das Gewölcke versteckte. Dieses breitete sich aber über den gantzen Schauplatz und die Königliche Rennebahn aus / und regnete über alle Zuschauer mit grossem Hauffen Rosen und Lilgen / welche nun auch mit grosser Vergnügung nach Hause kehreten / nach dem die Augenbranen der Morgenröthe schon gegen Ost hervor blickten. Der Vorwitz war zwar über der Ausdeutung dieses Schauspieles sorgfältig und iedermann hielt die Fürstin Adelgunde durch Atalanten vorgestellt; aber weil noch niemand zu errathen wuste / wer das Glücke sie zu überkommen haben würde / konten sie über dem ungewissen Hippomanes nicht einig werden. König Marbod hielt folgenden Mittag ein grosses Mahl dem Könige Vannius und allen anwesenden Fürsten / welches biß zur Dämmerung tauerte / welche Zeit Vannius zu Vorstellung seines dritten Schauspieles ihm schon ausgebeten hatte / niemand auch wegen grosser Begierde den Ausgang zu sehen / solche zu verlängern geneigt war.
Als der Hof und die Zuschauer nun wieder alle Plätze erfüllet hatten / öffnete sich der Schauplatz /stellte neben einer bergichten Meer-Enge eine schöne Stadt / darinnen einen grossen Tempel / und nicht ferne davon einen Lust-Garten für / in welchem alle Bäume mit güldenen Aepffeln behenckt waren. Für diesem Garten gieng ein grosser Drache mit feurigen Augen auf und nieder / welche selbiger Gegend fast mehr Licht gaben / als der nicht mehr weit über der Erden-Fläche stehende halbe Mohnde. Vom Himmel fuhr in Gestalt eines fallenden Sternes die Eyversucht herab / und ließ sich nicht weit von dem Drachen nieder / fieng auch alsofort an zu singen:
Laßt euch nicht seltzam kommen für:
Daß mit beperlten Purper-Flügeln
Die Eyversucht erscheint allhier:
Daß sich die Sternen an mir spiegeln
Ja / daß ich als ein Stern vom Himmel fahr hiehers /
Die Höll' ist mir zu schwartz / die Erde mir zu schwer.
Mein Vaterland die Nacht hab' ich
Verwechselt mit den Himmels-Zinnen.
Denn Juno liebt und küsset mich /
Weiß ohne mich nichts zu beginnen.
Da ieder Stern ihr fast bringt Eyver und Verdacht /
Weil iede Hur ihr Mann zu einem Sterne macht.
Selbst Jupiter verehret mich:
Daß ich sie nicht zu sehr entrüste;
Vnd wenn Ixion rühret sich /
Vulcan saugt meine Milch und Brüste.
Nun ich im Himmel denn so mächtig worden bin /
Wünsch' ich mir auch allhier zu werden Gärtnerin.
Hier lieget der Begrief der Welt /
Der Garten / der die Wunder-Schätze
Der güldnen Aepffel in sich hält.
O aber seltzames Gesätze!
Das einem Drachen nur räumt die Verwahrung ein /
Diß kan's Verhängnüsses vernünfftig Schluß nicht seyn.
Nichts desto minder fällt mir bey:
Daß des Aeetens güldner Wieder
Auch unters Drachen Auffsicht sey /
Vnd wo man fährt zum Pluto nieder /
Vnd gantz Lanuvium steht unters Drachen Hut /
Dem seiner Jungfraun Hand bringt Speis' und offt ihr Blut.
Was mag der Himmel ihm doch wol
An Drachen ausersehen haben?
Zumahl auch Glück und Klugheit soll
In seinem Bilde seyn vergraben.
Des weisen Orpheus Haupt / das alle Welt hielt werth /
Ward so / wie Arolus / in Drachen nur verkehrt.
Was aber ficht mich dieses an?
Weil die den Göttern kan gebieten /
Auch das Verhängnüß meistern kan /
Ich wil und muß den Garten hüten.
So must du / Drache / nun mir weichen oder fühln:
Wie ich die Rache werd' an deinem Blute kühln.
Jedoch ists keine Kurtzweil nicht
Mit Drachen sich in Krieg einlassen;
So Löwen halten das Gewicht' /
Vnd sich mit Elefanten fassen.
Doch Drach und Elefant sind Zwerge gegen der /
Die ihre Sieges-Fahn von Göttern dringet her.
War Cadmus so behertzt und klug:
Daß er den ungeheuren Drachen
Bey des Libethris Brunn erschlug /
Als er ihn meinte zu bewachen.
[1436]Daß niemand würde nicht genoßbar seiner Flut /
Wie soll es mir diß Thier zu tödten fehln an Muth?
Der Sternen Glantz der mich bedeckt
Mit Spiegeln / bländet ihms Gesichte.
Und was in diesem Kuchen steckt /
Ist ihm ein tödtliches Gerichte.
Medeens Kräuter sind bey meinem Kinder-Spiel:
Sie schläfft nur Drachen ein; Ich tödte wen ich wil.
Wie wachsam bistu thummes Thier;
Du kommst dem Tod' und mir entgegen.
O daß die albern Menschen dir
Wahrsagungs-Krafft zueignen mögen!
Du siehst mich / und wirst blind. Nim Gifft und Honig hin.
Er frißt. Nun streckt er sich. Ich bin schon Meisterin.
Sein Wanst zerschwillt ihm wie ein Faß /
Nun wirfft er aus die Eingeweide /
Er speyet von sich alles Naß'
Auf daß sein Balg zu einem Kleide
Und langem Auffenthalt so viel geschickter sey.
Ist nicht die Eyversucht die klügste Zauberey?
Wird aber mir wol stehen an
In einer Drachen-Haut zu wohnen /
Die ich den Himmel meistern kan
Mit Purper-Spiel und Königs Kronen?
Ja wol! Denn Phöbus wird zum Drachen in Epir /
Beym Brunn' Ismenius ist Mars ein solches Thier.
In Indien verehret man
Den Bacchus in Gestalt des Drachen.
Auch nimmet Esculap' sie an /
Wenn Götter sich ansehlich machen /
So muß der Ceres Haupt / Minervens stählern Schild /
Dianens Jägerspiß mit Drachen seyn umhüllt.
So wol Saturn als Ceres mag
Mit nichts als schnellen Drachen fahren.
Die Drachen trifft kein Donnerschlag /
Sie und das Glücke sind zu paaren.
So wird mir Eyversucht wol nicht verschmählich seyn
Wenn ich in diesen Leib des Drachens wander' ein.
Man hat ihm vor schon Opffer bracht /
Altar und Priester ihm bestellet /
Ja einen GOtt aus ihm gemacht /
Vnd eh' ers Urthel hat gefället /
Was künfftig wird geschehn / hat niemand was gethan
Nun wird gantz Africa in ihm mich beten an.
Man wird des Drachen Opffer mehrn /
Mir wie der Liebe Tempel bauen /
Wenn man wird von den Wundern hörn /
Die man bey Abila kan schauen.
Ich wil durch meinen Witz erhärten: daß die Welt
Nichts für so klug und groß / als mich im Drachen hält.
Der Löw ist zwar der Sonnen Hauß /
Der Mohnde läßt ins Krebses Zeichen
Die allerstärckste Würckung aus.
Ich herrsche zwar in allen Reichen /
Vnd bin bald Hund / bald Bär / bald Hirsch / bald Luchs / bald Schwein /
Im Drachen aber werd' ich erst recht Riese seyn.
Uber diesem Singen gab der den Garten der Hesperiden bewachende Drache seinen Geist auf / welcher aber / nach dem sich die Eyversucht in selbten versteckte und ihn beseelte / sich wieder regte / aufstand / und mit feurigern Augen / als iemahls vorher leuchtete. Als kurtz hierauf sich die Morgenröthe auf der Spitze des Berges Abila und Calpe blicken ließ /fieng der Drache an Feuer auszuspeyen / und so schrecklich zu zischen / daß die Gebürge davon bebeten. Der zu seiner Speiß- und Versöhnung bestellte Priester kam zu ihm / und sätzte ihm eine Schale voll Granat-Aepffel und Datteln für / aber der Drache stieß beydes übern Hauffen / und gab mit vielen aus den Nasenlöchern geblasenen / und aus dem Rachen geschütteten Flammen seinen Grimm und Unwillen zu verstehen. Der Priester fiel für ihm auf die Knie /nennte ihn den Schutz-Geist Africens / den mächtigen Schatz-Meister des Verhängnüßes über die güldenen Aepffel / den Wahrsager künfftiger Zufälle / und einen heilsamen Gesätzgeber. Durch solche Demüthigung besänfftigte der Priester ein wenig dieses rasende Thier / welches nach vielem Schnauben ihm endlich diesen Befehl ertheilte:
Geh' in Astartens Tempel hin /
Den heut Antäus ein wird weihen /
Vnd melde / daß ich zornig bin.
Ich werd' es ihm auch nicht verzeihen
Daß er der Liebe viel / mir kein Altar gebaut /
Biß mir geopffert werd' Antäus eigne Braut.
Inzwischen ward der vorhin gleichsam in einem Nebel versteckte Tempel in einem Augenblicke oben mit einem Krantze von vielen tausend [1437] Lampen / unten mit unzählbaren Fackeln erleuchtet. Das Bild der Göttin stand auf einem güldenen Altare in der Mitte des rundten Tempels / dessen Wände von grossen Spiegel-Taffeln gemacht waren. Es hatte oben die Gestalt eines nackten Frauenzimmers / unten einen rückwerts gekrümten Fisch-Schwantz. Uber der Stirne ragten zwey Ochsen-Hörner herfür / welche einen halben Kreiß oder Mohnden machten. Auf dem Haupte hatte sie einen Krantz von grossen Rubinen / welche den Glantz der Stirne beschämten. Für diesem Bilde fiel König Antäus / und nebst ihm seine Tochter Alceis darnieder und beteten / als inzwischen die Priester auf der Seite das Opffer-Feuer mit vielem Weyrauch erfrischten. Hierauf kamen unterschiedene Priesterinnen / holeten die Alceis ab / und führten sie aus dem Tempel / zu einem überaus grossen Brunne / neben welchem zwey weiß-marmelne Säulen mit dieser Uberschrifft standen: Wir sind die / welche für dem Rauber Josua entflohen. In diesem Brunne badeten sie die Fürstin Alceis / balsamten sie ein / hernach legten sie ihr einen priesterlichen Schmuck von vielen Perlen und Edelgesteinen an / führeten sie wieder zum Bilde der Göttin / allwo sie numehro die Stelle der obersten Priesterin vertrat / und das Blut der unzählbaren Tauben / welche die Priester schlachteten / in ein güldenes Becken auffing. Alle / welche im Tempel die Andacht verrichteten / kamen für das Altar / und Alceis bezeichnete mit ihrem ins Blut getauchten Finger eines ieden Augenbranen. Der König saß nahe darbey auf einem güldenen Stule. Unter andern kam auch ein Frauenzimmer von etwan funffzehn Jahren dahin / welcher weisse Haut den Schnee / die Augen Pech / die Lippen Zinoder wegstachen; Und ihre Bildung hätte kein Bildhauer geschickter ersinnen können. Antäus hatte sie so geschwinde nicht erblicket /als seine Augen und Gebehrden seine Liebe verriethen / er folgte ihr auch auf der Fersen nach / und hielt sie im Vorhofe des Tempels mit ihrer Ansprache auf. Sie begegnete ihm höflich / und gab ihm auf seine Befragung Antwort: Sie hiesse Tingis / wäre von Mycene /und in einem Grichischen Schiffe auf Anreitzung ihrer Anverwandten zu Verrichtung ihrer Andacht dahin kommen / weil ihr geträumet hätte: Sie käme in Africa in einen Garten / darinnen sätzten ihr des Atlas Töchter einen Krantz von güldenen Aepffeln auf. Antäus nahm sie hiermit bey der Hand / und versicherte sie; daß ihr diesen Tag ihr Traum wahr werden würde. Als diß im Vorhofe geschah / kniete ein wolgebildeter Ritter in Hispanischer Tracht für der Alceis nieder /welcher / nach dem sie ihn gleich mit dem Opffer-Blute bezeichnet hatte / aufzustehen vergaß / und bey ihrer unverwendeten Anschauung gleichsam in ein Marmel-Bild sich versteinte. Als die Priester ihn nun erinnerten / andern Opffernden Raum zu machen /stand er auf / und sagte: Niemand hat so viel geopffert als ich. Denn ich lasse mein Hertze in den Händen der Priesterin meiner Göttin. Das Opffer gieng hiermit zum Ende / und Alceis hielt mit hundert Priesterinnen einen Tantz / in welchem sie der Göttin Astarte auf hunderterley seltzame Arten allerhand Ehrerbietungen bezeigten. Beym Schlusse / und da sich alles Volck aus dem Tempel verlohren hatte / kam der Priester des wachenden Drachen / und fragte die Alceis / wo er ihren Vater den König / welchen er allenthalben vergebens gesucht hätte / mit seiner Braut antreffen solte? Alceis fragte den Priester hingegen: Woher er wüste / daß der König ein Bräutigam / und wer denn seine Braut wäre? Der Priester antwortete: Er wüste nichts mehres davon / als daß sein wahrsagender Drache / welcher nicht lügen könte / ihm es entdeckt /auch deßwegen an König einen gewissen Befehl aufgetragen hätte. Alceis zweiffelte nicht mehr an der Wahrheit / [1438] verwieß den Priester in die Königliche Burg / sie aber fiel für Astarten auf die Knie / und bat mit grosser Andacht / sie möchte ihr doch die Wahrheit entdecken / und was ihres Vaters Liebe und Heyrath für einen Ausgang nehmen würde? Worauf ihr die Göttin diese Antwort gab:
Antäus ist verlobet schon /
Sein Lieben übereilt die Pfeile.
Allein des Jupiters sein Sohn
Wird endlich seine Braut zu Theile.
Nach dem er vor das Licht Anteen leschet aus /
Die güldnen Aepffel raubt / zerstöret Reich und Hauß.
Alceis erschrack über dieser Antwort / daß sie über Rücke zu Bodem fiel / die Priesterinnen sie also aufheben und mit Erqvickungen zu rechte bringen musten. Hiermit verschwand der Tempel / und der Schauplatz stellte das innerste des Hesperischen Gartens für. In diesem saß Antäus und Tingis auf der mit Rosen / Lilgen / Tulipanen / Narcissen / Hyacinthen und hunderterley andern Blumen gleichsam beschütteten Erde / umarmten und küsseten einander / gaben auch durch abwechselnden Gesang einander ihre hefftige Liebes-Regungen zu verstehen. Die Hesperiden Aegle / Arethusa / Vesta / und Erythia flochten von güldenen Aepffeln zwey Kräntze zusa en / fiengen hierauf mit dem Könige uñ der Tingis einen Tantz an / und sätzten in diesem einen Krantz dem Antäus /den andern der Tingis auf. Hierzu kam die Fürstin Alceis / welche von ferne zusah / und mit Gebehrden und Thränen so viel Traurigkeit / als jene Freude /ausließ. Antäus ersah endlich seine liebe Tochter Alceis / näherte sich ihr / und fragte: Was sie zu solcher Wehmuth veranlaste / da er ihr vielmehr eine sehr freudige Zeitung zu eröffnen hätte. Alceis aber schüttete nur mehr Thränen aus und antwortete: Diese freudige Zeitung hätte der wachende Drache schon seinem Priester / und die Göttin Astarte ihr / aber mit einem schrecklichen Ausgange seiner neuen Liebe und Ehe offenbahret. Antäus erschrack / und hatte an dessen Wahrheit nicht zu zweiffeln / weil er der Alceis Aufrichtigkeit allzusehr versichert war / und sie auch ohne Göttliche Offenbahrung von seiner so frischen Vermählung nichts wissen konte. Wie nun Antäus Astartens Wahrsagung zu wissen begierig war / sang sie ihm ihre eigene Worte für. Antäus ward hierüber noch viel bekümmerter / sonderlich da Alceis mit einer überaus kläglichen Stimme ihren Vater von einer der Göttin Astarte mißfälligen Heyrath eines frembden Weibes singende abmahnte:
Ich bin der Liebe Priesterin /
Drum ist der Liebe Süßigkeiten
Dir zu vergällen nicht mein Sinn.
Ich selber wil ihr Zucker leiten
In dein Vergnügungs Röhr / mich selber maaßen an
Zu finden etwas auf / was dich ergötzen kan.
Allein ist Africa zu kalt /
Und Sidon arm von schönen Frauen?
Daß du nach barbarscher Gestalt
Genöthigt bist dich umzuschauen.
Die Lieb ist anderwerts ein Fuß-Knecht und verzagt /
In Africa fährt sie mit Drachen auf die Jagt.
Sie ist noch bäurisch zu Mycen /
Geht dar im Hanff und Hirten-Kleide /
Zu Sidon aber ist sie schön /
Und geht in Purper und in Seide.
Diß weiß / wie man die Kost der Liebe würtzen kan /
Und färbt so gut die Lieb' als Woll' und Teppicht' an.
Weil nun die Göttin deinen Brand
Verdammt / und so viel Unheil dräuet /
So widerstrebe nicht der Hand /
Die Blitz und Gifft vom Himmel streuet.
Wer wider Götter kriegt der äschert selbst sich ein /
Und sein vermeintes Glück ist nur sein Leichenstein.
Das Reich ist dein recht Ehgemahl /
Dem iedes Kebsweib nach zusetzen.
Dem mustu opffern Hertz und Wahl /
Vergnügung / Lieb / und dein Ergetzen.
Drum schiffe deine Braut mit güldnen Aepffeln ein /
Diß wird ihr zu Mycen ein reicher Braut-Schatz seyn.
Antäus hörte seiner Tochter nicht ohne Gemüthsregung zu / stellte sich auch / als wenn er ihrem Rathe folgen / und sich der Tingis entschlagen [1439] wolte. So bald er sich aber wieder zu ihr wendete / überschüttete sie ihn gleichsam mit einem Regen ihres Liebreitzes / und fieng an zu singen:
O daß doch sonder Eyversucht /
Der Liebe Pflantz' einmahl geriethe!
So aber frißt die Natterzucht
Der Neid stets ihre Purper-Blüte.
Was hat der gifft'ge Wurm schon wider mich erdacht?
Der selbst Astartens Stern zum Schwantz-Gestirne macht.
Die Liebe / welche baut die Welt /
Die Kronen pfleget zu beglücken /
Die die Natur im Stand' erhält /
Soll diese Reich' in Abgrund drücken?
Verleumdung misset Gifft den schönsten Rosen bey
Und kräfft'ge Lieb ist ihr getraumte Zauberey.
Durch dieses Lied bezauberte Tingis den König auf eine solche Weise / daß er seine Alceis mit folgender Antwort abwieß:
Alceis mein Verhängnüs hat
Die Tingis mir schon außerlesen.
Hierwider hilfft nicht Witz noch Rath /
Wahrsagungen sind auch ein Wesen /
Das wie ein Rätzel sich läßt deuten wie man wil /
Drum setze mir kein Maaß / dem Lieben auch kein Ziel.
Alceis ward hierüber voller Wehmuth / Tingis aber und Antäus hielten mit denen Hesperiden einen lustigen Ballen-Tantz / in welchem sie einander die güldenen Aepffel kreutzweise zuwarffen / welche sie alle so geschickt aufzufangen wusten / daß nicht einer zur Erde fiel. In diesem Tantze stellte zugleich Tingis mit ihren Gebehrden des Nisus Tochter Scylla für / wie sie ihren Vater seines Purper-Haares / an welchem das Heil seines Megarensischen Reiches hieng / beraubte / und mit selbtem ihrem Liebhaber die Herrschafft in die Hand spielte / vom Minos aber verlassen / und aus Ungedult in einen Vogel verwandelt ward. Alceis sahe dieses mit verbittertem Hertzen an /und weil sie es auf niemanden anders / als sich ausdeuten konte / dieß sie sich voller Verzweiffelung davon. Bey riesem Tantze thaten gegen Sud-Westen sich hundert braune Africanerinnen / gegen Nord-Osten hundert Phönicische Jungfrauen herfür. Jene redeten bey beschlossenem Reyen den König in folgendem Liede an:
Was trifft uns nicht für grosse Schmach /
Daß unser König einer Griechin /
Uns / und gantz Africa setzt nach /
Die Schminck und Kunst doch hat bestrichen.
Ist uns're weiche Haut gleich nicht wie ihre weiß /
So heget unser Hertz viel Feuer / ihres Eiß.
Warum umarmst du nicht den Schnee /
Wenn Schönheit in der weisse stecket?
Zeuch hin an die gefrorne See /
Die weisse Bär' und Raben hecket.
Zwar Mohnd und Silber läßt sich weiß gefärbet schaun
Gold aber / und die Sonn' / ist / wie du uns siehst / braun.
Wenn du in gröster Brunst wirst seyn /
Wird dich bey deiner Tingis frieren.
Du wirst umarmen einen Stein /
Der dich nicht wärmt / sich nicht kan rühren /
Alleine wir beseeln durch Anmuth Marmelstein /
Und flößen Leichen auch Geist / Seel und Regung ein.
Der Mohren Liebes-Pfeile sind
Geschlieffen Gold / der weissen Bleyern.
Was gutes aus der Sonne rinnt /
Hilfft uns die Liebe stets erneuern.
Der Angel-Stern thaut nur auf weisser Liebe Flut /
Drum speisen sie mit Schnee / und wir mit Oel und Glut.
Nach abgesungenen Reimen hielten sie mit ihren einander zugeworffenen / und bald in die Lufft / bald auf ein gesätztes Ziel abgeschossenen Pfeilen einen künstlichen Schützen-Tantz / und drückten darinnen zugleich die tummen Regungen des in sein helffenbeinernes Venus-Bild verliebten Pygmalions aus. Hierauf fiengen die Phönicischen Jungfrauen nach ihren mit wolgestimmten Säiten bespannten Purper-Muscheln folgende Reimen an anzustimmen:
Steht dir nicht schwartze Buhlschafft an /
Bist du nach Schnee und Schwanen lüstern?
So sey doch diesen zugethan /
Die Lilg' und Ros' in sich verschwistern.
So suche nun bey uns das wahre Liebes-Bild /
Weil Perl und Purper ja rings unsern Leib umhüllt.
Hat die Natur nicht unser Meer
Mit Purper-Muscheln angefüllet?
[1440]Wie solte sie uns lassen leer /
Von dem / was Hertz und Augen füllet?
So Mund als Wangen stehn voll schönster Purper-Flut
Und unser Brüste Milch krönt höchstes Schnecken Blut.
Den Balsam trägt nur unser Land /
Wie soll der Balsam zarter Hertzen
Das Lieben uns seyn unbekandt?
Wir wissen in die Liebes-Kertzen
Der Anmuth Balsam-Oel nach Kunst zu flößen ein /
Da andre Länder noch im Lieben Kinder seyn.
Die Welt hat keine Künste nicht /
Die die Phönizer nicht erfunden /
Solt uns denn abgehn Witz und Licht /
Zu heiln Anteens Liebens-Wunden?
Wir helffen mit Rubin / Gold / Perlen der Gestalt /
Ja auch der Heßligkeit giebt unser Geist Gewalt.
Der süssen Sängerin Betrug /
Der schnellen Augen Pfeil' und Hamen /
Beseelter Küsse geilen Zug /
Der Zung' und Lippen Liebes-Saamen /
Der Brüste Schwulst und Spiel zur Seelen-Peinigung /
Erfand Phönizien zu unser Zauberung.
Nach dem Schlusse hielten sie einen künstlichen Muschel-Tantz / mit derer Stimm- und Zusammenschlagung sie ein artliches Gethöne erweckten. Sie stelleten hierinnen aber auch zugleich für / wie Paris die schöne Schäferin Oenone so hefftig liebte / nach dem er aber seine Königliche Ankunfft erfuhr / sie auf dem Berge Ida sitzen ließ / und weder mit ihren Thränen Mitleiden hatte / noch ihren Liebes-Briefen Antwort gab. Endlich tantzte das Africanische und Phönicische Frauenzimmer zusa en / und drückte darinnen mit allem nur ersinnlichen Liebreitze und anlockenden Gebehrden alle Buhlschafften des Jupiters aus. Eine stellte Danaen für / wie sie den in Gold zerfließenden Jupiter mit grosser Begierde in ihre Schooß auffienge. Die andere war Leda / welche von dem brünstigen Schwane gleichsam mit Willen überwältiget ward. Die dritte gebehrdete sich / als wenn sie wie Europa von dem verliebten Ochsen durch die Wellen des schäumenden Meeres geführet würde. Die vierdte stellte sich wie Antiope an / als würde sie von dem in einen Satyrus verwandelten Jupiter bezwungen. Die fünffte wolte es gar der Juno nachthun / wie der Kuckuk ihrer Liebe genoß. Andere reitzten den Antäus /gleich als wenn er Jupiter wäre / mit tieffer Ehrerbietung zur Liebe. Eine gebehrdete sich / sie wäre Alcmena / und würde von ihm einen Hercules gebähren. Die zweyte prangte / als wäre sie die von ihm unter die Sternen versätzte Calisto / und andere wolten die eben so hochstehende Buhlschafften Jupiters /Electra / Maja / und Taigete seyn. Fürnemlich wuste Elissa eine Sidonierin die verliebte und hernach vom Blitz umgebene Mutter des Bacchus meisterlich vorzubilden. Sechs Africanerinnen stellten eben so künstlich Amphionen / Laodamien / Jodamen / Carmen /Protogenien und die Garamantis für / und versicherten mit ihren gleichsam redenden Gebehrden den Antäus /daß sie ihm einen Zethus / einen Sarpedon / einen Devcalion / eine Britomartis / einen Endymion und einen Hyarbas gebähren würden. So viel Phönicische Jungfrauen stellten Torrebien / die Ora / die Electra /Thalien / die Themis und Mutis liebreitzende für /und wahrsagten dem Antäus / daß sie durch ihre Fruchtbarkeit ihn zum Vater Arcesilaens / des Colaxes / Dardaus / der Palischen Brüder / ja so gar einer neuen Pallas machen wolten. Antäus gerieth durch so vielfältige Versuchungen in nicht wenige Verwirrung / und in Zweiffel / wessen er sich entschlüssen solte. Als er aber nur wieder einen Blick auf die Tingis warff / bezauberte sie ihn mehr als eine Sirene mit folgendem Gesange:
Weil keine mir die Wage hält /
Werd' ich von hunderten befallen.
Ich bin der Schönheit kleine Welt /
In mir ist / was in ihnen allen.
Betrachte mich und sie: Ist Eyversucht und Neid
Der Liebe Blasebalg / so nützt mir Feind und Streit.
Du hast an mir ein gantzes Meer /
An ihnen nur viel Anmuths-Bäche.
[1441]Nichts ist an mir von Liebreitz leer /
Jedwede zeigt dort eine Schwäche.
Hat ihre Schönheit Firnß / und ihre Liebe Kunst /
So ist die Einfalt doch die beste Schminck und Gunst.
Antäus würdigte also keine von diesen zweyhundert Lock-Vögeln mehr seines Anschauens / sondern fertigte sie dergestalt ab:
Entfernet euch von meiner Lust /
Lescht euren Durst bey andern Brunnen.
Mir ist schon allzu wol bewust /
Was hier für Zucker kommt geronnen.
Wer frembdes Gut zu schmähn / sich nicht enthalten kan /
Der zeigt durch seinen Neid sein Unvermögen an.
Das hiermit sehr schlecht abgewiesene Frauenzimmer kehrte dem Antäus bestürtzt und beschämt den Rücken / und begab sich auf die Seite. Tingis hingegen fieng mit dem Antäus und den Hesperiden einen neuen Tantz an / und stellte darinnen das Urthel des Paris / in welchem er mit Nachsetzung der Juno und Pallas den güldenen Apffel der Venus / als den Preiß der Schönheit überreicht / und die Eyversucht der zwey verachteten Göttinnen / sehr lebhafft für. Als das zurück gewichene Frauenzimmer nun in gröster Bestürtzung durch einander ging / ließ sich die Eyversucht in Gestalt der Juno mitten unter sie / und munterte sie singende zur Rache wider die Tingis an:
Ihr Schönheits-Sonnen könnet ihr
So unerhörten Schimpff verschmertzen?
Man zeucht euch allen eine für /
Regt kein' Empfindung euer Hertzen?
Flößt euch die Eyversucht kein Helden-Feuer ein /
So laßt mich Juno euch ein kluges Beyspiel seyn.
Wie setzt ich nicht den Dirnen zu /
Mit welchen Zevs buhlt auf der Erden?
Kreucht Jo nicht in eine Kuh?
Calisto muß zum Bäre werden.
Der Mohnde muß zur Rach und zu Alcidens Pein
Mit Löwen / und die Welt mit Drachen fruchtbar seyn.
Wo ich und alle Welt nun nicht
Euch ewig soll verächtlich halten;
So lescht der Tingis aus ihr Licht /
Schreckt sie mit heßlichen Gestalten /
Versaltzt ihr ihre Lust durch Haß und Zauberey /
Und trennt ihr Heyraths-Band mit Gifft und Stahl entzwey.
Durch dieses Lied wurden sie von der Eyversucht gleichsam besessen / also daß sie mit der eingebildeten Juno einen hitzigen Tantz anfiengen / und darinnen alle eyversüchtige Verfolgungen der Juno / welche sie wider des Jupiters Kebs-Weiber / und die mit ihnen gezeugeten Kinder / insonderheit den Hercules ausgeübt / mit Gebehrden fürstellten / und alles diß an der einigen Tingis auszuüben dräueten. Ob nun zwar Antäus und Tingis sich durch diß Säitenwerck nichts irren ließ / sondern beyde mit Küssen und andern Liebeskosungen einander die Zeit kürtzten / so wurden doch beyde durch die Ankunfft und den Vortrag des Drachen-Priesters aufs hefftigste erschreckt. Denn dieser sagte: Er hätte den König von der aufgehenden Sonne an / im Tempel / auf der Burg / durch die Stadt / am Meerstrande / und sonst allenthalben vergebens gesucht. Numehr aber müste er ihm allhier des wachenden Drachen Zorn und Begehren / seine Braut zum Opffer zu bekommen / eröffnen. Tingis stellte sich hierüber gantz verzweiffelt / wand die Hände / räuffte ihr die Haare aus / und gab durch wehklagendes Singen ihr Hertzeleid an Tag:
Hilff Himmel! haben Drachen hier
Wie Götter Opffer zu begehren?
Was ist diß für ein grausam Thier /
Dem man muß Menschen-Blut gewehren?
Dem man noch Priester hält? Mit was hab ichs verletzt
Daß es mein Fleisch verlangt / auf mich die Zähne wetzt?
Ich bin ja nicht Andromeda /
Daß ich der Mutter Hoffarth büsse.
O ungeheures Africa!
Zahlt man so theuer wenig Küsse.
Schlingt Wallfisch / Drach und Wurm hier nichtsals Frauen ein /
Die Wunder der Gestalt / der Götter Abgott seyn?
Warum verschlang mich nicht das Meer /
Nicht Scylla / nicht die wilden Syrten?
Eh als ich thör'chte kam hieher;
Wo uns nur Schlang und Nattern wirthen.
[1442]Wo nun Antäus nicht den Drachen übertrifft /
So zöpff' er ab mein Blut / und tödte mich durch Gifft.
Antäus wuste seinem Leide zwar auch kein Ende /doch stellte er sich behertzter als er war / um seine Tingis desto kräfftiger zu trösten / oder sie nur von euserster Verzweiffelung zurück zu halten. Er gab also dem Priester folgende Antwort:
Ich selbst wil eh zum Opffer mich /
Dem grimmen Drachen übergeben;
Als Tingis meine Seele dich:
An deiner Wolfahrt hängt mein Leben.
Drum deute Priester nur dem grossen Drachen an /
Daß ich diß Kleinod ihm unmöglich opffern kan.
Daß er sich gäbe nun zu Ruh /
Wil ich ihm einen Tempel bauen /
Und zwölff Altäre noch dazu /
Ihm opffern hundert schöne Pfauen.
Kan es mit Willen auch Astartens noch geschehn /
So soll er ein Altar in ihrem Tempel sehn.
Der Priester nahm hiermit Abschied / mit Versprechen / daß er den Drachen durch diß Erbieten zu versöhnen / bemühet seyn wolte. Tingis aber fuhr in ihrem erbärmlichen Wehklagen fort:
Was ist der Drache für ein Thier /
Daß er kan Afriken gebieten?
Daß er uns schreibt Gesätze für /
Daß wir erstarrn für seinem Wüten.
Greif wie ein Cadmus ihn / und wie ein Perseus an /
Und mache: daß er nicht mehr trotz- und schaden kan.
Antäus aber antwortete ihr seuffzende:
Einfältige! schleuß Zung' und Mund /
Was wir hier reden hört der Drache;
Ja ihm ist / was geschehn soll / kund;
Er sinnet Tag und Nacht auf Rache.
Läßt Fluch und Dräuungen mit hundert Zungen aus /
Was nur sein Athem rührt / verfällt in Staub und Grauß.
Sein bloßer Ursprung schreckt uns schon /
Denn dieser Ausbund aller Schlangen
Ist's ungeheuren Typhon Sohn /
Der Jupitern selbst hielt gefangen /
Für dem die Götter flohn / den nach dreyfacher Schlacht
Kaum Blitz und das Geschooß des Phöbus umgebracht.
Der unter Etnens Felsen-Klufft
Zwar als ein Aas zerschmettert lieget /
Doch itzt noch Glut speyt in die Lufft /
Und wider die Gestirne krieget.
Nicht schwächer ist diß Thier / das unser Wächter ist /
Und welches Africa zum Schutz-Geist hat erkiest.
Es träget hundert Köpff empor /
Und wenn man einen ihm zerschnitte /
So wüchsen ihrer zwey darvor.
Und jeder Tropffen vom Geblüte
Würd' in ein Nest voll Schlang' und Nattern sich verkehrn /
Die Mohren rotten aus / und Africa verheern.
Tingis erschütterte sich hierüber / das Hertze klopffte ihr / als wenn es mit Gewalt aus dem Leibe springen wolte / und die Haare stunden ihr zu Berge. Sie fiel auch gar in Ohnmacht / als sie den Priester des Drachen mit geschwinden Schritten ihnen wieder zueilen sah. Der ankommende Priester gab dem Antäus zu verstehen / er hätte beym Drachen sein bestes gethan /von ihm aber keine lindere als folgende Antwort erlangen können:
Mein Opffer ist Antäens Braut /
Wil aber er sie ja erhalten /
Muß mir Alceis seyn vertraut.
Sonst wird des Königs Hauß erkalten /
Sonst reiß' ich der Natur Gebäud und Schloß entzwey /
Und mache dieses Reich zu einer Wüsteney.
Tingis schöpffte hierüber zwar wieder Lufft / aber im Hertzen des Königs erhob sich ein grausamer Sturm /in dem seine Ehliche- und Vater-Liebe mit einander darinnen den grausamsten Kampff anfiengen. Diesen und seine endliche Entschlüßung seine Tochter Alceis dem Drachen zu vermählen / drückte er endlich durch diese gesungene Reimen aus:
O grausamer Verhängnüß-Schluß!
Mein Hertze spaltet in zwey Stücke /
Von denen eines kalt seyn muß;
Soll meine Heyrath gehn zurücke?
Soll ich die Vater-Lieb erstecken in der Brust?
Diß tödtet die Natur / und jenes meine Lust.
Alceis hertzgeliebtes Kind /
Mein Augen-Apffel / mein Vergnügen /
[1443]Soll ich dich schlagen in den Wind?
Sollst du bey einem Drachen liegen?
Und Drachen-Eyer mir für Enckel legen ein?
Nein! nein! ich würde selbst mehr als ein Drache seyn.
So must du Tingis denn von mir /
Ich muß dich nur dem Drachen schlachten.
Doch nein! es würde sonst diß Thier
Seyn gütiger / als ich / zu achten.
Kein Drache / Wolff und Wurm zerfleischet was er liebt /
Und keine Natter sticht diß / dem sie Küsse giebt.
Nein / Tingis / ich kan ohne dich
Nicht lieben / leben / Athem schöpffen.
Der Drache fresse lieber mich;
Du magst mir / Priester / s' Blut abzöpffen.
Zerschneid der Adern Drat / und opffer ihm ihr Oel
Spann' über sein Altar mein abgefleischtes Fehl.
Hat aber nicht ein Vater Macht /
Sein Kind willkührlich zu vermählen?
Wer hat der Töchter Recht erdacht;
Daß sie / wie sie wolln / mögen wehlen?
Sie ist die erste nicht / die / was nicht Mensch ist / liebt
Die einen Schwan umhalst / und Pferden Küsse giebt.
Was hat Echidna sonst umarmt
Am Typhon als viel hundert Schlangen?
So ist Proserpina erwarmt /
Ja grosse Helden sind empfangen
Von Drachen solcher Art. Aus dieser Anzahl sind
Aristodamens Sohn / Nicotelcens Kind.
Ja dieser hat nur die Gestalt
Der Drachen / aber sein Beginnen /
Erhärtet Göttliche Gewalt.
Welch Sterblicher kan nun ersinnen /
Ob Phöbus / Esculap' in diesem Drachen steckt?
Und was für Helden-Zucht durch ihn wird seyn erweckt.
Geht / bringet meiner Tochter bey /
Daß sie mit dem gekrönten Drachen
Durch meine Hand verlobet sey:
Sie soll noch heute Hochzeit machen /
Man wird ihr so wie ihm Altär' und Priester wey'hn;
Sie soll Proserpina / der Drach ihr Pluto seyn.
Der Priester des Drachen war über dieser Erklärung wol vergnügt / noch vielmehr aber Tingis / welche vom Antäus keine grössere Versicherung seiner hertzlichen Liebe iemahls hätte wünschen können / als daß er ihrentwegen seine einige Tochter einem so abscheulichen Drachen aufopfferte. Sie umarmte ihn also mit gröster Begierde / küssete ihn mit ihren feurigen Lippen / und zoh ihn endlich zu einem Tantze auf / in welchem sie zwar die Liebe der Hero gegen Leandern ausdrückte / ihre aber gegen den Antäus jener noch fürsätzte / und daß sie seinet wegen durch die gefährlichen Syrten in Mauritanien gesegelt wäre /rühmte. Hierzu kommet Micipsa / und berichtet den König / daß Gelo / ein Fürst aus Hispanien / welcher unter dem Scheine der Andacht / sich mit einer Anzahl seines Volckes im Tempel Astartens aufgehalten / die Fürstin Alceis geraubet / sie in sein nahe darbey liegendes Schiff gebracht hätte / und mit selbter davon gesegelt wäre. Zorn und Schrecken überfielen zugleich den Antäus / daß er kein Wort aufbringen konte / sondern nur schnaubte und mit den Füssen auf die Erdestieß. Endlich lieff er im Grimme mit Pochen und Dräuungen davon / Tingis hingegen fiel in neue Bekümmernüß / daß / wenn Antäus seine Tochter dem Drachen nicht würde liefern können / sie von ihm auffs neue zum Opffer würde begehret werden. Daher sie ihre Wehmuth mit vielen Thränen ausdrückte /und in einem Trauer-Liede die Glückseligkeit Iphigeniens preisete / in dem diese ja der grossen Diana für das allgemeine Heil der schiffenden Grichen wäre geopffert worden; Sie aber solte das blosse Sühn-Opffer eines verbitterten Drachen seyn. Hiermit verwandelte sich der Schauplatz / und stellte selbter das Gaditanische Meer mit dem Mauritanischen Vorgebürge und Astartens Tempel für. In dem Meere fochte Antäus auf seinem sechzig Ellen langen Schiffe / von welchem seinem Leibe eine so ungeheure Riesen-Länge angetichtet ward / gegen zwey Hispanische / ward auch nach einem kurtzen Gefechte beyder feindlichen Schiffe Meister / brachte sie also an sein Gestade /und führte so wol seine Tochter Alceis als den Fürsten Gelo in Eisen und Banden heraus. Denn jener maaß er bey / daß sie mit dem Gelo Verständnüß gehabt [1444] hätte / und ihm willig gefolgt wäre / diesen aber schalt er einen Rauber / deutete auch diesem an / daß er ihn gleich dem Drachen opffern / jener / daß er sie mit dem Drachen verheyrathen wolte. So wol Gelo als Alceis wusten ihr vorstehendes Unglück nicht zu begreiffen / daher stellten sich auch beyde so viel ungebährdiger. Endlich ließ der verzweiffelnde Gelo folgende Worte aus:
Hat denn Antäus nie geliebt?
Versteht er nicht der Liebe Stärcke?
Wie daß er denn solch Vrthel giebt?
Wie stifftet er so grimme Wercke?
Behertzige was Lieb' und heisse Jugend kan /
Sieh uns ja nicht für Eis und dich für Schwefel an.
Ist denn mein Irrthum sterbens werth /
So lasse nicht die Vnschuld leiden.
Vnd schärffe nur auf mich das Schwerdt /
Du magst mir Hand und Kopff abschneiden.
Wirff mich dem Drachen für / verdient es meine That /
Nur straffe nicht dein Kind / das nichts verbrochen hat.
Alceis gab auch mit einer theils wehmüthigen / theils entrüsteten Stimme ihre Ungedult singende zu verstehen:
Man schlachte mich dem Drachen ab /
Man mach aus seinem Wanst und Magen
Der Vnschuld und Alceens Grab /
Ich wil diß Vnrecht willig tragen.
Seht Rachen reisse mir mein Eingeweyd entzwey /
Mir Drachen lege man mich nicht als Ehweib bey.
Ward Syrinx schlechtes Schilff und Graß
Als sie den Bock zum Buhler hatte.
So werd Alceis Leich und Aas /
Eh / als sie sich mit Drachen gatte.
Mein Laster würde ja Pasiphaen befreyn /
Weil Drachen heßlicher als glatte Rinder seyn.
Diese Worte giengen dem Antäus zwar durchs Hertze / aber die anko ende Tingis / welche den Antäus zu seinem Siege nur deßwegen Glück wünschte / wormit sie über ihn den Meister spielen möchte / verhärtete ihn durch ihren Liebreitz alsofort / daß er sein Urthel ohne Aufschub zu vollziehen befahl. Gelo ward also wie ein zum Schlacht-Opffer gewiedmeter Wieder vom Drachen-Priester gebunden / und Alceis / welche vergebens Gifft und Messer sich zu entleiben / forderte / als eine Königliche Braut aufgeputzet / und jener zu dem nicht weit entfernten Altare des Drachens getragen / diese vom Antäus geführet. Der Drache kam aus seinem zwischen denen schönsten Granat-Aepffel-Bäumen bereitetem Lager mit vielem Zischen herfür. Es fielen aber die Africanischen und Phönicischen Jungfrauen für dem Drachen nieder / lieferten ihm allerhand Vögel / viel Eyer / und mancherley Salate aufs Altar / in Meinung den Drachen zu versöhnen /daß er weder dem Gelo noch der Alceis einiges Leid anfügen möchte. Der Drache aber verschmähete alle diese Gaben / und jagte mit ausgespeyetem Feuer alle Vorbitterinnen zurücke. Hingegen erwieß er sich gegen den Gelo viel anders / als ihm Antäus oder sonst iemand eingebildet hatte. Denn er lockte ihn mit seiner Zunge / lösete ihm seine Banden auf / und liebkosete ihm als seiner Buhlschafft / ja er gab durch eine annehmliche Stimme ihm seine inbrünstige Liebe in folgendem Liede zu verstehen:
Mein Augen-Trost und süsses Licht /
Komm / komm / und lasse dich umarmen.
Fleuch mich als Hund und Schlange nicht.
Wenn du auf meiner Brust erwarmen
Von meinem Zucker wirst den Liebes-Zucker ziehn /
Wirstu so sehnlich mich verlangen / als itzt fliehn.
Der Menschen Brust ist kalte Flutt
Bey eines Drachen Liebes-Flammen.
Mein Hertz hat vielmehr feurig Blut /
Das nie von Kälte rinnt zusammen.
Ich sehe dich mit mehr als hundert Augen an /
Von denen keines nie für Liebe schlaffen kan.
Ich wache mehr als Argos wacht /
Weil ich mich niemahls satt kan sehen
An diesem / was mich lüstern macht /
Kein Wanckelmuth kan mich verdrehen /
Nicht Nacht / nicht Vberdruß mich iemahls schläffen ein /
Weil ich viel eh entseelt als unverliebt kan seyn.
Erschrick für hundert Köpffen nicht /
Du wirst so viel mehr Küß' empfangen.
Siehstu kein weisses Angesicht /
So siehstu mich mit Farben prangen.
[1445]Die hundert edle Stein' und Purper stehen hin /
Vnd Pallas weist an mich die Seiden-Stückerin.
Der Regenbogen Schmeltz und Zier /
Ist nicht so gläntzend als mein Rücken.
Wär' auch ein Drach ein heßlich Thier /
So würden ihn nicht Sterne schmücken.
Mit welchem die Natur besämet seine Haut /
Auf der man nebst Saphier Schmaragden schimmern schaut.
Auch würden sich die Götter nicht /
In Drachen wandeln und sie hegen;
Fürnehmlich sind an treuer Pflicht
Wir Drachen Menschen überlegen.
Wir haben unsr'e Lieb offt durch den Tod bewehrt /
Der Erde manchen Held durch fruchtbar seyn gewehrt.
Drum schöpff an mir / mein Gelo / Lust /
Du wirst hier mehr Vergnügung saugen /
Als aus Alceis Rosen-Brust /
Vnd ihren kohlpechschwartzen Augen.
Die meiner Eyversucht und deiner süssen Pein /
Ein stetes Opffer soll / ein frischer Zunder seyn.
Hingegen nam er die schöne Alceis mit Ungestüm hinweg / band sie bey seinem Lager / welches sein Priester ihm gleichsam als sein Braut-Bette mit den schönsten Blumen und wolrüchenden Blüten bestreuet hatte / an einen Granat-Aepffel-Baum / und deutete ihr folgende Qvaal an:
Hier soll sich deine Eyversucht
An unser beyder Wollust kräncken.
Der güldnen Aepffel süsse Frucht
Wird dir zwar auf die Lippen hencken.
Doch wirst du hungriger als Tantalus hier seyn /
Weil dir mein Priester nur wird Galle schencken ein.
Laß keinen Eckel diese Kost
Dir bitter machen und erlauben.
Die Eyversucht wärmt sich bey Frost /
Saugt Wermuth aus den süssen Trauben.
Weil dich dein Vater denn mir dachte zu vermähln /
So magst du dich nun auch mit meiner Nahrung qväln.
Jedermann hatte mit der Alceis ein hertzliches Mitleiden / das Africanische und Phönicische Frauenzimmer beklagte auch in einem Trauer Liede ihr Unglück /und schalt hingegen die Grausamkeit ihres Vaters /welcher sie selbst einem wütenden Drachen in die Hände geliefert und zehnmahl grausamer als Theseus gegen seinen Sohn Hippolytus verfahren hätte / auf dessen Verfluchung seine Pferde von einem Meer-Ochsen schichtern gemacht / und er also in Stücke zerschmettert worden. Niemand aber konte hierbey begreiffen / wie es zugienge / indem der Drache sich in seinem Lager verlohr / hingegen daselbst ein Weib erblicket ward / welche sich mit dem Gelo armete /halsete und küssete. Keinem gieng diß alles weniger zu Hertzen / als dem Antäus / und der Tingis / welche sich von dar geraden Weges in Astartens Tempel erhoben / und sich von denen Priestern als Ehleute einsegnen ließen / hierauf ward am Strande des Meeres eine prächtige Taffel bereitet / auf welche die Nereiden allerhand seltzame Fische / die Jäger vielerley Wilpret / und Pomone güldene Aepffel / und allerhand köstliches Obst auftrugen / zwölff Liebes-Götter diese neuen Ehleute bedienten / und so viel mit der Tingis angekommene Jungfrauen aus Griechenland sie mit allerhand Säitenspielen und Liebes-Liedern unterhielten. Unterdessen bereiteten die Hesperiden in dem Garten von künstlich zusammen geflochtenen Laubwercke und Blumen ihr Braut-Bette. Wie sich nun mit anbrechender Nacht der Venus-Stern am Himmel schauen ließ / standen Antäus und Tingis von der Taffel auf / und nach dem jener seiner neugebauten Stadt den Nahmen seiner Gemahlin Tingis zugeeignet hatte / verfügten sie sich in den Garten / und in ihr bereitetes Braut-Bette. Die Hesperiden aber sangen biß sie eingeschlaffen waren / unterschiedene Lieder von der Süßigkeit der Liebe. Als diese verstummeten / kam die Eyversucht in ihrer eigenen Gestalt / näherte sich dem Bette / und nach vielen Ungebehrdungen fieng sie mit einer heiseren Stimme zu singen an:
Ich habe zwar in kurtzer Zeit /
Seit Wollust mich hat angestecket /
Viel Centner Liebes-Süßigkeit
Auf meines Gelo Brust geschmecket.
[1446]Die Gramschafft aber hat mein Maul zu sehr verwehnt
So daß es sich nun schon nach Galle wieder sehnt.
Mein Hertze sagt mirs zu gewiß /
Daß Gelo helle Liebes-Kertzen
Seyn nur gemahltes Finsternüß /
Alceis steck' ihm in dem Hertzen.
Mir schlaffe nur sein Leib / ihr seine Seele bey /
Er zins' ihr seine Brust / mir nur die Heucheley.
Nun denn Alceis mich betrügt /
Wie kan ich ohne Eyver sehen:
Daß Tingis hier ruht so vergnügt?
Wie ließ ich thör'chte denn geschehen /
Daß für die Tingis mir Alceis werd gewehrt /
Die meine Qvaal und Pein durch ihre Schönheit nehrt.
Auf denn! verschwere Rast und Ruh!
Laß / Eyversucht / dich nichts nicht halten.
Schaff alle Mittel nur herzu /
Anteens Liebe zu zerspalten.
Sie falle / soltest du gleich mit zu Grunde gehn /
Gieb deinen Vorsatz nur viel Helden zu verstehn.
Durch diese wird Antäens Lust
Und Gelons Liebe sich leicht trennen.
Wird jener auf der Tingis Brust
Bald Spuren frembder Küsse kennen.
So wird die Eyversucht dem Gelo bringen bey:
Daß weder ich / noch er / Alceens Liebster sey.
Die Eyversucht schwang sich hiermit in Gestalt der Göttin des Geschreyes in die Lufft empor / und weckte mit einer durchdringenden Trompete gleichsam alle Welt auf / hernach fieng sie mit einer hellen Stimme an zu singen:
Wo irgends wo der Tugend Glut
Reitzt eines Helden Geist und Sinnen /
Der außerwehlten Schönheit Gut
Durch tapffre Thaten zu gewinnen.
Der suche Tingis heim / wo so viel Schönheit blüht:
Daß man nebst ihr beschämt die güldnen Aepffel sieht.
Hiermit kehrte sie wieder in ihr verlassenes Drachen-Hauß. Kurtz darauf lendeten an dem Meerstrande unterschiedene Schiffe an / aus derer einem der mit einer Löwen-Haut bedeckte und mit einer Keule gerüstete Hercules / ans Land stieg / gegen den Garten und Drachen fortgieng / und sich singende heraus ließ:
Wo hat Verhängnüß und Geschrey
Mich numehr endlich hingeleitet?
Hat mir hier Neid und Zauberey
Ein neues Ehren-Feld bereitet?
Ich sehe nichts als Gold hier auf den Bäumen stehn /
Vnd einen Drachen mir schnurstracks entgegen gehn.
Hier' muß des Atlas Garten seyn /
Und hier des Typhons Wunder-Drache.
Ih seh ihn Dampff und Glut ausspey'n /
Er schäumet Blutdurst / Gifft und Rache.
Diß alles aber ficht Alciden wenig an /
Der in der Wiege schon die Schlangen tödten kan.
Diß Thier kan so viel Kräffte nicht
Als Lernens Wasser-Schlange haben.
Der aber lescht ihr aus ihr Licht /
Viel Vngeheuer sind begraben.
Laß uns den Drachen nun auch in ein Aaß verkehrn /
Wie? fleucht er schon für uns? traut er sich nicht zu wehrn?
Er eilet dem Gepüsche zu /
Da wird er sich umsonst verstecken.
Denn Hercules hat keine Ruh
Biß seine Feinde Maden hecken.
Alleine seine Flucht kan nichts als Arglist seyn.
Laß' also Sicherheit dich nimmer schläffen ein.
Was für ein heßlich Weib seh ich
Aus diesen dicken Hecken fliehen /
Kan dieser Wurm verwandeln sich?
Und vielerley Gestalt anziehen?
Doch nein! dort raget er mit hundert Köpffen für /
Er liegt gantz unbewegt. Was sinnt diß schlaue Thier?
Schläfft es vielleicht? Es rührt sich nicht /
Ist es erstarrt für Furcht und Schrecken?
Man sieht in Augen mehr kein Licht /
Vnd alle viere von sich strecken.
Es fühlet auch nichts mehr. Es hat kein Leben mehr.
Was kümmerstu dich denn um dieses Aaß so sehr?
Hat es ein stiller Blitz erlegt;
Daß Hercules durch seine Stärcke
Nicht neuen Sieg und Ruhm wegträgt?
Wie / oder sind es Zauber-Wercke?
Und falsche Bländungen? träumt mir nur etwan? nein.
Diß Aaaß ist ja nichts mehr / als Knochen / Haut und Bein.
Es sey entseelt nun wie es wil /
So ist es gut / daß es erblasset.
Der Mißgunst ist gesteckt ihr Ziel /
Die diesen Garten hielt umfasset.
Und keinem Frembden ließ die güldnen Aepffel zu /
Genung: daß ich der Welt nun das Gesicht aufthu.
[1447]Hau Hercules diß Aas entzwey /
Und henck es an die Garten-Thüre /
Daß für des Drachen Raserey /
Kein Mensch mehr Hertz und Muth verliere.
Eröffne Thür und Thor / und schreib zur Nachricht an:
Daß hier die güldne Frucht jedweder brechen kan.
Hercules theilte mit seinem Schwerdte dieses Drachen Gerippe der Länge nach in zwey Theil / und hefftete jedes an eine Pfoste des Garten-Thores an. Als er nun auch dieses eröffnete / sahe er auf der einen Seite die nackt angebundene Alceis stehen / auf der andern Seite kroch der abgemergelte Gelo aus dem Gestrittige herfür. Hercules eilete jener zu / machte ihre Fässel loß / sie aber fieng mit freudiger Stimme an zu singen:
Was überstrahlt mich für ein Licht?
Welch Held / welch GOtt ist / der den Drachen
Erlegt hat / meine Band aufbricht?
Welch Perseus wil mich ledig machen?
Diß muß Alcides seyn / der durchs Verhängnüß ist
Zur Bändigung der Schlang- und Drachen-Zucht erkiest.
Gelo aber ließ sich nicht ohne untermischte Seuffzer gegen ihn hören:
Erlöse mich von Qval und Pein /
Darmit ein geiles Weib mich plaget;
Die in den Drachen kehret ein /
Und wie die Aegeln an mir naget.
Die mir durch Heßligkeit versaltzet alle Lust /
Und doch das Marck mir saugt aus Adern / Hertz und Brust.
Hercules antwortete ihnen mit einer männlichen Helden-Stimme:
Mein Sieg sey euer Heil und Frucht /
Dein Marter-Holtz des Drachen Seele /
Das dürre Weib / die Eyversucht /
Ist schon verjagt ins Abgrunds Höle.
Sie wird mit toller Brunst dich nimmermehr mehr kwäl'n /
Du magst / was Liebens werth / dir numehr selbst erwehln.
Dich aber außerwehltes Kind /
Die du viel schöner bist zu schätzen /
Als diese güldne Aepffel sind /
Wil ich allhier zur Schutz-Frau setzen;
Von deiner milden Hand soll ich und alle Welt
Empfangen was für Frucht der Garten in sich hält.
Kommt ihr Hesperiden hieher /
Kommt / und verehrt numehr Alceen.
Erschreckt für keinem Drachen mehr /
Statt dessen sie euch vor wird stehen.
Nehmt sie zu eurem Schirm / für eure Göttin an /
Bey der kein gifftig Wurm im Garten hausen kan.
Die Hesperiden kamen auf diese Erforderung schleunig herzu / sahen den aufgehenckten Drachen mit freudiger Verwunderung an / und bückten sich so wol als Alceis mit tieffer Ehrerbietung gegen dem Hercules als ihrem Erlöser / hernach aber auch gegen der Alceis. Sie und die Hesperiden sangen ihm auch zum Lobe folgende Reyme:
Wer ist der ferner zweiffeln mag:
Daß weder Mißgunst noch die Hölle
Kein Ungeheuer bringt an Tag /
Was Hercules nicht tödt' und fälle.
Meer / Berg / und Abgrund hemmt nicht seiner Siege Lauff /
Kommt / setzt ihm einen Krantz von güldnen Aepffeln auf.
Hierauf zohe Alceis den Hercules zum Tantze auf /welchen sich die Hesperiden auch beyfügten / und darinnen mit Gebehrden artlich fürstellten / wie Perseus Andromeden vom Meerwunder errettet hatte. Zu letzt setzten die Hesperiden so wol dem Hercules / als der Alceis einen Krantz von Granat-Aepfeln auf /führteen auch diese / als ihre neue Schutz-Frau / in das innerste des Gartens. Diese waren nur weg / als die Eyversucht in Gestalt einer Gärtnerin sich zum Hercules gesellete / und mit einer besondern Anmuth ihn folgender Weise ansang:
Läßt Hercules der Helden Held
Alceens Zauberey sich bländen.
Der / der den Drachen hat gefällt /
Giebt seinen Siegs-Preiß aus den Händen;
Setzt statt des Drachens die zu einem Abgott ein /
Die eines Drachens Braut und Opffer solte seyn.
Was hastu dir an ihr ersehn /
Daß die des Garten Frau soll werden;
Um den Zeus wird sein Reich verschmähn /
Und Juno sich sehn'n nach der Erden.
Giebst du aus Liebe denn diß Paradiß so hin /
So mach ein Mohren-Weib doch nicht zur Herrscherin.
[1448]Ich wil in diesem Garten dir
Was würdigers für deine Flammen /
Der Schönheit Ausbund stellen für /
Die Stahl durch Liebreitz schmeltzt zusammen.
Komm / folge meiner Spur und nim in Augenschein
Die / welche Jupiters Gemahlin könte seyn.
Hier liegt diß Wunderwerck der Welt /
Der Venus aus selbst eignem Triebe
Den güldnen Apffel zugestellt.
Hier dies' ist würdig deiner Liebe.
Der schönsten Tingis kommt des Gartens Herrschafft zu /
Dem Hercules: daß er in ihren Armen ruh.
Bey diesem letzten gantz leise gesungenen Satze wieß die Eyversucht dem Hercules die neben dem Antäus ziemlich entblösset liegende Tingis / über welcher Anblicke er gleichsam verzückt war. Nach dem er sie nun eine lange weile betrachtet hatte / und die Eyversucht ihn kaum zurücke halten konte / daß er sie nicht betastete / fieng er an:
Was seh ich? Himmel! ich vergeh!
Sind dieses Rosen oder Wangen?
Sind ihre Glieder Fleisch / nicht Schnee?
Ist mit Rubin der Mund umfangen?
Sind ihre Brüst aus Milch geronnen / und gekrönt
Mit Nelcken? die Gestalt von Kugeln her entlehnt?
Sind ihre Haare flüssend Gold?
Wie es hat Danaen befeuchtet?
Qvillt aus den Lippen Lieb und Hold?
Was ist's / das in den Augen leuchtet?
Zwey Sonnen / derer Blitz so wol in Hertzen's Eiß
Als auf des Atlas Brust den Schnee zu schmeltzen weiß.
Kein so vollkommen Muschel-Kind
Hat Sonn' und Meer ie ausgehecket;
Nach dem von Sternen alles rinnt /
Was in so schöner Perle stecket.
Ihr Schatten sticht das Licht / ihr Glantz den Demant weg /
Sie ist der Hertzen Garn / und der Begierden Zweck.
Nach ihrer himmlischen Gestalt
Muß die Natur / was schön ist / bilden.
Ihr Liebreitz hat mit sich gewalt
Zu spieln mit Riesen und mit Wilden /
Er macht Cyclopen zahm / und steckt Centauren an.
Was Wunder? daß sich nicht Alcides hemmen kan.
GOtt hat in ihr sein Ebenbild
Als wie im Spiegel fürgestellet;
Die Liebe sich in sie verhüllt /
Und Anmuth sich ihr zugesellet.
Ihr Antlitz ist ein Brunn / wo Durst der Seelen kwillt /
Den ihrer Brüste Milch mit Rosen-Zucker stillt.
Ich fühle diesen Durst und Brand /
Soll ich verschmeltzen bey dem Kwelle?
Mein Feuer nimmet überhand /
Mein Hertze bildet ab die Hölle;
Die Tingens Liebe kan ins Paradiß verkehrn /
Wenn sie dem Hercules wird einen Kuß gewehrn.
Denn nichts ist irrdisches an ihr /
Antäus unwerth sie zu küssen.
Mein eigen Vater geht mir für /
Und heißt nichts zaghafft mich entschlüssen.
Antäus liebstu dich und deine süsse Ruh /
So gönne mir dein Weib / und drück ein Auge zu.
Hercules wolte nunmehr die schlaffende Tingis küssen / die Eyversucht aber trat darzwischen / und weil Antäus aus dem Schlaffe entrüstet auffuhr / nahm sie den Hercules bey der Hand / führte ihn auf die Seite /und sagte ihm / daß sich die Liebe nicht mit solchem Sturme ausführen liesse / sondern er für allen Dingen der Tingis Gewogenheit erwerben müste. Antäus aber fieng an:
Wer reißt mir's Hertz aus meiner Brust?
Und meinen Schatz mir von der Seiten?
Welch raubrisch Vogel schöpffet Lust /
Mit mir um dich / mein Licht / zu streiten?
Bewacht kein Drache dich? Bistu noch / Tingis / hier?
Jedoch / was schrecket mich für Bländung? träumet mir?
Die Eyversucht näherte sich in ihrer Gärtner-Gestalt dem Bette / und antwortete dem Antäus:
Dein Traum hat mehr als Träum' in sich;
Du wirst die Tingis bald verlieren.
Wo kluger Rath nicht rettet dich.
Alcides wird sie dir entführen.
Wie dir von Anfang bald Astarte sagte wahr /
Denn dieser Götter Sohn ist allbereit schon dar.
Er hat den Drachen schon zerstückt /
Den Garten allen frey gegeben.
Wo er nun deinen Schatz erblickt /
So raubt er dir sie und dein Leben.
Er schlägt dem Vater nach / der aller Weiber Mann /
Und die sich weigernden mit List berücken kan.
[1449] Antäus erschrack über dieser Zeitung nicht wenig /fuhr aus dem Bette / deckte seine schlaffende Tingis mit einem seidenen Tuche zu / und fieng an:
Hilff Himmel! gib mir klugen Rath!
Wohin soll ich dich Tingis flüchten?
Weil Liebe tausend Augen hat.
Der Ruff wird alles ihn berichten /
Was sie für Schönheit schmückt / für Flammen sie beseeln.
Denn nichts läßt schwerer sich als ein schön Weib verhöln.
Die Eyversucht gab dem Antäus folgenden Rath an die Hand:
Meer / Thurm / und keine Wüsteney
Sind fähig nicht / sie zu verstecken.
Ein einig Mittel fällt mir bey:
Du must Alciden Feind' erwecken.
Weil so viel Helden nun nach Tingis kommen sind /
So setze diesen auf / dein numehr freyes Kind.
Wer alle wird durch Tapferkeit
Besiegen / soll Alceen haben.
Durch so vielfachen Kampf und Streit /
Wirstu den Hercules begraben.
Siegt er denn allen ob / so wird er sein vergnügt /
Wenn er dein schönes Kind zum Sieges-Preiße kriegt.
Antäus ließ ihm diesen Rath gefallen / befahl der Eyversucht / daß sie seine Tingis niemanden solte schauen lassen / und gieng den gegebenen Rath ins Werck zu sätzen. Die Eyversucht aber holete den Hercules alsofort zu der Tingis Lagerstadt / zohe das sie deckende Tuch auf die Seite / und erweckte sie mit folgendem Gesange:
Wer kan genungsam Ehr und Danck
Dem grossen Hercules erstatten?
Für unsers Drachen Untergang /
Den wir zu unserm Scheusal hatten.
Diß / daß er macht die Welt von Ungeheuern frey /
Erweist: daß Jupiter sein rechter Vater sey.
Wiewol er See und Land nun färbt /
Mit Drachen-Blut und Wasser-Schlangen;
So ist ihm doch auch angeerbt:
Der Schönheit sehnliches Verlangen.
Wenn er mit Riesen kämpfft ist er ein wilder Mann
Bey Frauen aber hengt nichts grausames ihm an.
Sein langer und gerader Leib /
Sein wolgebildet Angesichte /
Macht lüstern iedes schöne Weib
Das Reichthum seiner Liebes-Früchte
Reicht bey dem Thespins auch funffzig Töchtern zu /
Es rühmet Megara / was er für Wunder ihn.
Deianira schmeltzt wie Schnee
Für heisser Brunst in seinen Armen;
Und eyfert wenn ihn Jole
Auf ihren Brüsten läßt erwarmen.
Des kalten Flusses Kind / Melite / brennt und glimmt /
Wenn er auf ihrer Schooß wollüst'gen Wellen schwimmt.
Und Tingis wird vergehn für Lust /
Wenn Hercules aus ihren Augen
Wird Glut und Flammen aus der Brust /
Sie Brand wird aus den Lippen saugen.
Verschleuß dich also nicht / nim ihn zum Liebsten an;
Weil sich Alcidens doch kein Weib entäussern kan.
Die erwachende Tingis erblickte den mit seiner Löwen-Haut bedeckten Hercules anfangs nicht ohne Schrecken / als sie ihn aber von so liebreitzenden Eigenschafften rühmen hörte / und er selbst ohne Rührung der Zunge seine inbrünstige Zuneigung ihr zu verstehen gab / betrachtete sie ihn von den Scheitel biß zu der Fußsohlen. Hierüber fieng ihr Hertze Feuer / so daß sie seiner Liebes-Erklärung mit folgenden Reymen zuvor kam:
Willkommen grosser Götter Sohn!
Erlös' auch uns von Drach- und Schlangen /
So solstu deinen Sieges-Lohn
An mehr als güldner Frucht empfangen.
Die Aepffel / welche schleust des Atlas Garten ein /
Und die mein Busem trägt / soll'n deine Beute seyn.
Hercules säumte sich nicht / die wollüstige Tingis zu umarmen / und zu küssen / und darzwischen sang er mit verliebten Gebehrden folgendes:
Was überströmt für Anmuth mich?
Was spinnt die Liebe mir für Glücke?
Denn mit der Tingis wiedmet sich
Mir der Natur ihr Meisterstücke.
Denn da der Drach' erlegt / ist das Beding' erfüllt.
Gieb mir die Aepffel nun / aus denen Zucker qvillt.
[1450]Ich brenne / Tingis / ich vergeh.
Sind deine Brüste Schwefel-Kwellen?
Die Flammen krönen ihren Schnee /
So offt sie sich von Athem schwellen:
So vielmahl klopfft mein Hertz / und bringt mir schlagend bey:
Daß hier des Blitzes Brunn der Liebe Zeug-Haus sey.
Was fleußt für Zucker mir in Mund /
Durch deiner Rosen-Lippen Küsse.
Sind sie umdörnt? mein Hertz ist wund.
Der Juno Milch schmeckt nicht so süsse /
Aus der die Milch-Straß ist entsprossen. Was wird nicht
Aus diesem Safft in mir aufgehn für Sternen-Licht?
Tingis sparete ihres Ortes ebenfalls nicht ihre inbrünstige Liebe gegen den Hercules auszulassen. Sie machte sich endlich auf / und aus dem Bette / nahm den Hercules bey der Hand / und nach dem die Hesperiden ihre annehmliche Seitenspiele regten / hielt sie mit ihm einen wollüstigen Tantz / darinnen Hercules des Jupiters / und Tingis Alcmenens Liebe / und zugleich den Amphitruo unter der Person des Antäus fürstellten. Die Eyversucht holete inzwischen den Antäus wieder in Garten / und zeigte ihm von ferne des tantzenden Hercules und seiner Gemahlin verwechselte Liebkosungen; dieser stellte sich hierüber nicht wenig ungebährdig / und wolte auf den Hercules mit Gewalt loßgehen; Die Eyversucht aber hielt ihn zurücke / und ertheilte ihm folgenden Rath:
Wer um ein ungetreues Weib
Sein Leben in Gefahr wil setzen /
Versteht nicht / daß ihr geiler Leib
Ist für ein stinckend Aas zu schätzen.
Daß euer Ehre nichts ihr Ehbruch Abbruch thut /
Wilstu für ihren Koth nun setzen auf dein Blut?
Denn für Aleidens Stärcke kan
Kein Sterblicher doch nicht bestehen.
Geh; stiffte frembde Kräfften an /
Daß sie ihm in die Eisen gehen.
Weil kluge Rache ja nicht selbst ins Eisen greifft /
Das sie auf ihren Feind verholner Weise schleifft.
Die Eyversucht beschwur hierauf die drey Unholden /denen sie nach ihrer Erscheinung dem Antäus an der Hand zu stehen befahl / und der einen einen Dolch /der andern einen Strick / der dritten ein Gifft-Glaß zustellte. Hierauf fieng sie mit ihnen einen Tantz an / in welchem sie dem Antäus die empfangenen Werckzeuge zu Vollziehung seiner Rache anboten. Hierauf verwandelte sich der Schauplatz / und stellte er den Tempel Astartens und bey selbtem den Brunn und das Bild der Sonne für / welches von denen darauf scheinenden Sonnen-Strahlen einen annehmlichen Klang von sich gab. Antäus kam mit seiner Tochter Alceis und etlichen seiner fürnehmsten Hofeleute dahin / fiel für dem Sonnen-Bilde auf die Knie / und fieng an zu singen:
O Sonne! Maaß der Welt und Zeit!
Der du den Sternen's Licht ansteckest /
Die du uns alle Heimligkeit
Der ungeschehnen Ding' entdeckest /
Die du die andre Welt mit Lichte doch beschenckst /
Wenn du in unsrer See gleich ieden Tag ertränckst.
Entdecke mir auch: ob ich wol
Wem meine Tochter zu vermählen
Durchs Waffen-Looß erörtern soll?
Wilst aber du für sie selbst wehlen;
So stell ich dir es heim; weil doch der Menschen Rath
Stets blind ist / aber Gott allsehend' Augen hat.
Das Sonnenbild gab dem Antäus folgende Antwort:
Behertzter Tugend kluge Wahl
Pflegt niemahls übel auszuschlagen.
Alceis und ihr Ehgemahl
Wird mehr als eine Krone tragen.
Ihr Enckel wird die Stadt Carthago weihen ein
Die Afrikens sein Haupt / der Erde Gott wird seyn.
Antäus ward hierüber so freudig / daß er der Alceis befahl / sie solte auf einen güldenen Apfel einschneiden: Alceis dem Tapffersten / und solchen in die Versamlung ihrer Priester werffen lassen. Er wolte eben diß durch Herolden aller Orten zu wissen machen. Als nach des Antäus Entweichung Alceis über Vollziehung des väterlichen Befehls mit ihr selbst rathschlagte / und in den Apffel ihren Nahmen schon geschnitten hatte / fand sich die Eyversucht in [1451] Gestalt einer Wahrsagerin zu ihr / und fieng an:
Es ist ja kluger Fürsten Pflicht
Für sich den tapffersten zu wehlen.
Diß aber thut die Liebe nicht /
Die sich dem Schönsten wil vermählen.
Schreib: daß Alceis soll die Braut des Schönsten seyn /
Denn Schönheit schleußt in sich stets Helden-Geister ein.
Alceis folgte diesem Rathe / und schrieb auf den Apffel: Alceis dem Schönsten. Und weil sich diese Wahrsagerin zur Beförderung erbot / gab sie ihr den Apffel. Die Eyversucht wieß der aus dem Tempel kommenden Tingis diesen Apffel / welche über die Glückseligkeit ihrer Stieff-Tochter seuffzete. Die Eyversucht aber lachte sie aus / und fieng an:
Kan diese / die Alcides liebt /
Bey andrer Lust sein unvergnüget?
Der funffzigen die Fülle giebt /
Und über Drach und Helden sieget?
Was schreckt dich denn dein Mann? Schreib einem Apffel ein:
Die schöne Tingis soll des Stärcksten Beute seyn.
Tingis vollzohe alsofort den gegebenen Rath / und grub in einen andern güldnen Apffel diese Worte:Tingis dem Tapffersten. Kurtz darauf erschienen die Königlichen Herolden mit vielen Trompeten und Paucken. Nach dem nun eine grosse Menge Volckes zulieff / fieng der eine Herold mit heller Stimme an:
Ihr Helden / die ihr in der Brust
Von Zunder reiner Liebe glimmet /
Der Würdigkeit euch seyd bewust /
Wißt: daß der Kampfplatz sey bestimmet.
Zu der gewünschten Wahl der schönsten in der Welt;
Zum Hochzeit-Feyer ist schon alles angestellt.
Hierauf verlohr sich mit den Herolden alles Volck /und war niemand auf dem Schauplatze mehr zu sehen / als die Eyversucht / welche ihre Larve abnahm / die geborgten Kleider weg warf / und zu singen anfieng:
Kommt / kommt! ihr Töchter schwartzer Nacht!
Ihr Schwestern kommt / bringt Kräntz' und Schlangen
Seyd zu bekräntzen mich bedacht.
Ich mag mit keinen Lorbern prangen.
Weil meine List und Witz geht aller Klugheit für /
So kröne meine Schläff' auch nur ein listig Thier.
Wo meine Hand ihr Saltz streut hin /
Vergället sie die süsten Flammen.
Ich bin der Liebe Henckerin /
Und mische Gifft und Oel zusammen.
Ich senge reinste Hold wie Reif und Mehlthau weg /
Und Ehen zu zerstörn ist allemahl mein Zweck.
Die Unholden kamen abermahls aus der zerberstenden Erde herfür / hegten mit der Eyversucht einen freudigen Tantz / in welchem sie von Schlangen einen Krantz flochten / und ihn der Eyversucht aufsätzten. Hierauf fieng die Eyversucht abermahls an zu singen:
Die Schlangen sind zwar meine Pracht /
Mein bester Schmuck; doch mein Beginnen
Erfordert nun der Liebe Tracht /
Wo ich im Kampffe soll gewinnen /
Besteckt mit Rosen mich / verschaffet Schwanen mir /
Hüllt mich in Purper / macht mir ihre Larve für.
Die Unholden folgten diesem Befehle / und kleideten in einem neuen Tantze nicht nur die Eyversucht wie die Göttin der Liebe aus / sondern sie selbst verwandelten sich auch in Liebes-Götter. Hiermit verschwand im Augenblick alles / gleich als wenn es nur ein Traum gewest wäre / der sich eröffnende Schauplatz aber stellte eine zum Kampffe bereitete Rennebahn für / wo sich Trompeten / Krummhörner und ander Kiegrisches Gethöne tapffer hören ließ. Antäus saß zwischen seiner Gemahlin Tingis / und seiner Tochter Alceis auf einer mit prächtigen Tapezereyen geziereten Büne. Auf der Rennebahn hielt Hermes der Egyptier / Etas der Cyrener / Gorgulo der Libyer /Mergal der Troglodyten / Micipsa der Gorgoner /Hierbas der Maurusier / Hiempsal der Maßespler /Taxis der Garamanten / Hanno der Numidier / Ardegal der Mohren / Barcas der Lyho-Phönicier Fürst [1452] mit ihrẽ Waffenträgern zu Pferde aufs prächtigste ausgeputzt. Diesen näherte sich auch Gelo der Hispanier; worüber sie sich überaus entrüsteten / weil er mit einem Drachen buhlerische Gemeinschafft gepflogen hatte / und daher ihn in ihrer Gesellschafft zu leiden für unwerth hielten / ihn also ihre Waffenträger vom Pferde nehmen / und über die Schrancken werffen liessen. Weil aber Antäus den Hercules nicht sahe /schickte er allenthalben Boten aus ihn aufzusuchen /befahl auch denen Herolden / ihn absonderlich zu beruffen. Worauf er sich denn endlich in die Schrancken / aber nur zu Fuße einfand / und denen andern Liebhabern mit seinem blossen Anblicke nicht wenig Schrecken einjagte. Hierauf kam die unter dem Scheine der Liebe verlarvte Eyversucht auf einem güldenen Wagen gefahren / und warff der Alceis Apffel mitten in den Kampffplatz. Ein Herold hob denselben auf /reichte ihn den ihm am nechsten haltenden Hiempsal /dieser seinem Nachbar / und so fort. Als er an Hercules kam / warff er ihn zu Bodem / gieng auf die Seite /und lehnete sich der Tingis gegen über an die Schrancken. Wie die andern Fürsten nun zwar über des Hercules Entfernung sehr vergnügt waren / also erwuchs unter ihnen ein hefftiger Streit: welcher der Schönste wäre. Hercules fieng hierüber an: Weil er an der Beute der Schönheit keinen Anspruch zu machen hätte / käme niemanden besser als ihm das Recht zu urtheilen zu; nach dem aber etwas in einen Augen schöner als in andern wäre / wäre nichts billicher / als daß Alceis den / welcher in ihren Augen der schönste wäre / selbst erwehlete. Antäus widersprach diese Wahl / und sagte / daß Alceis nicht dem Schönsten /sondern dem Tapffersten zu theile werden solte. Hercules aber nahm den güldenen Apffel der Alceis / und erwieß ihm das Widerspiel. Antäus entrüstete sich /und sagte: Dieses wäre ein falscher Apffel / und forderte mit grosser Ungestüme von der vermeinten Liebe den für den Tapffersten bereiteten Apffel. Diese weigerte sich dessen zum Scheine / und sagte / daß Antäus diß Begehren bereuen würde. Alleine Antäus drang noch viel eyfriger darauf / daher die Eyversucht endlich der Tingis Apffel in die Mitte warff. Hercules hob ihn alsobald auf / und nach dem er dessen Schrifft gelesen hatte / ward er mit unmäßiger Freude überschüttet. Er hob seine Keule empor / zeigte allen anwesenden Helden / und zu letzt auch dem hierüber erstaunenden Antäus die Schrifft; und forderte alle die /welche wegen ihrer Tapfferkeit an der Tingis ein Vorrecht zu haben vermeinten / zum Streit aus. Aber keiner unter allen Helden hatte das Hertze / mit ihm zu kämpffen / vorschützende: daß sie nicht in die Tingis / sondern in die Alceis verliebt wären / ungeachtet Antäus demselben seine Tochter zu verloben versprach / welcher dem Hercules obsiegen würde. Weil nun niemand gegen ihn fechten wolte / fieng Hercules an: Weil ich denn der Tapfferste bin / gehöret mir die Beute der Tapfferkeit. Hiermit reichte er der Tingis die Hand. Antäus schlug sie ihm auf die Seite / und sagte: daß diß ebenfalls ein Betrug / und ein untergesteckter Apfel / und die Schrifft nicht der Tingis wäre. Hercules wieß ihr den Apffel / und fragte: Ob sie diß nicht geschrieben hätte? Als es Tingis nun verjahete / erblaste Antäus / und versätzte: Dieser Apffel hätte ohne seinen Willen nicht können ins Mittel kommen. Hercules antwortete: Hat nicht Antäus ihn herfür zu bringen / die Liebe genöthiget? Alleine Tingis ist kein Preiß des Zanckes / sondern der Tapfferkeit. Du must sie mir also entweder abtreten / oder mich überwinden. Antäus ergrieff hierbey im Grimme einen Spieß / und meinte solchen dem Hercules in die Brust zu jagen. Hercules aber wand ihm solchen alsbald aus / iedoch wolte er ihn als einen ungewaffneten mit seiner Keule nicht verletzen. Hierauf kamen beyde mit den Armen an einander / und liessen sie im Ringen so wol [1453] ihre Geschickligkeit als Stärcke sehen. Nach dem nun Antäus sehr abgemattet war / brachte ihn Hercules unter sich. Antäus aber kriegte durch Berührung der Erde seine Stärcke wieder / kam also auf die Beine / und hatte Hercules lange zu thun / ehe er seinen Feind wieder zu Bodem werffen konte. Hiermit aber bekam Antäus neue Kräfften / und würde er aller andern als des unermüdlichen Hercules Meister worden seyn. Nach langem Ringen fiel der abgemattete Antäus abermahls / alleine sein Fall war allemahl eine Ursache seines Auffstehens / und eine Verneuerung des Streites. Nach dem nun Hercules hierdurch und in Erinnerung / daß die Erde des Antäus Mutter wäre / diß Geheimnüß merckte / faste er nach wiederholetem Kampffe den Antäus mit beyden Armen / hob ihn von der Erde empor / und drückte ihm seine Brust so sehr zusammen / daß das Blut und mit diesem die Seele ihm zum Halse heraus spritzte. Er bestieg hiermit die Bühne / setzte sich neben die ihn mit Küssen empfangene Tingis. Gegen der bestürtzten Alceis aber entschuldigte er die ihm abgenöthigte Nothwehre /und verredete seine Liebe mit dem Willen des Verhängnüßes / welches durch diesen Tod sie auch aus einer strengen Dienstbarkeit errettet hätte. Sie solte nunmehr in allem wie in der Liebe ihre völlige Freyheit genüssen / und sich wider alle Gewaltthat seiner Beschirmung getrösten. Die Liebhaber erwiesen ihr auch die tieffste Ehrerbietung / unterwarffen sich ihrer Wahl und Willkühr. Alceis wischte ihr die aus den Augen rinnenden Thränen von Wangen / und fieng mit einer hertzhafften Gebehrdung zu singen an:
Mit meinem Vater soll in mir
Die Kinder-Liebe nicht verschwinden.
Er hieß mich diesen ziehen für
Der alle würde überwinden.
Schleust nun der Eltern Rath der Kinder Wolfarth ein /
So kämpfft: der Tapfferste wird mir der Schönste seyn.
Alcides aller Helden Held /
Der Jupitern als Vater ehret /
Die Tugend für die Schwester hält /
Die Nachwelt ihre Wege lehret.
Die Ewigkeit zielt an / mir Schutz und Schirm sagt zu /
Soll urtheiln / wer von euch die grösten Thaten thu.
Hiermit rüsteten sich alle anwesende Helden zu dem von der Alceis angeordneten Streite. Hermes traff zu ersten mit dem Gorgulo und rennte selbten mit seiner Lantze übern Hauffen / Micipsa aber rächete diesen Schimpff am Hermes auf eben diese Weise. Taxis meinte zwar dem Micipsa gleiches mit gleichen zu vergelten / dieser aber traff ihn so wol / daß er für todt zu Bodem fiel. Hingegen begegnete Ardegal dem Micipsa auf eine solche Weise / daß er mit samt dem Pferde hinter sich stürtzte: Etas aber beraubte diesen gleich seiner erlangten Ehre / an welchen sich aber alsofort Barcas machte / und ihm die Lantze durch die Brust jagte. Hiempsal meinte bey so seltzamer Verwechselung zwar an Barcas wieder zum Ritter zu werden / dieser aber traff ihn mit einem Pfeile durchs Hertze / ehe er mit ihm anbinden konte. Hanno rennte mit grosser Verbitterung gegen ihn / Barcas aber wendete sich seiner Lantze aus / und versätzte ihm rückwerts mit seinem Degen einen hefftigen Streich über den Kopff. Mergal lösete den Hanno ab / aber mit nicht besserem Glücke. Denn Barcas erwischte ihn bey beyderseits einander ausgeschlagenen Streichen /beym Arme / und rieß ihn vom Pferde. Weil nun alleine noch Hiarbas übrig war / stärckte er alle Kräffte an dem Barcas seine bißher erstrittene Sieges-Palmen aus den Händen zu winden. Sie machten einander eine ziemliche Zeit zu schaffen / und alle vom Barcas überwundenen wünschten dem Hiarbas den Sieg /damit nicht die Ehre ihres Uberwinders sie beschämete. Aber der Ausschlag fiel für den hertzhafften Barcas / welcher des Hiarbas Pferde einen Streich in Halß anbrachte / davon es tod zur Erde fiel / und zugleich[1454] den Hiarbas zu Bodem warff. Hercules nahm hiermit die Fürstin Alceis bey der Hand / führte sie zu dem sieghafften Barcas / und überlieferte sie ihm als den Sieges-Preiß seiner Tapfferkeit mit folgenden Worten:
Alceis nim den Barcas an /
Der dich durch Tugend hat erstritten /
Die Liebe Zeig- und Meistern kan /
Und auch den Sternen kan gebieten.
Glaub aber: daß du folgst der grossen Götter Rath /
Weil hier's Verhängnüß mit die Hand im Spiele hat.
Hercules wendete sich hierauf gegen die andern Helden und Liebhaber der Fürstin Alceis / und sang gegen selbte:
Laßt euch der Eyversucht ihr Gifft /
Ihr Helden / nicht zu Haß verleiten.
Wer auf der See der Liebe schifft /
Muß der Begierden Sturm bestreiten.
Die Liebe / die diß Paar heut in die Armen nimmt /
Hat euer Tapfferkeit schon auch ihr Theil bestimmt.
Alceis und Barcas umarmten und küßten einander mit höchster Vergnügung. Dieser reitzte sie auch durch folgende Reymen hierzu so viel mehr an:
Komm / Augen-Apffel und mein Licht!
Komm / lasse tausendmahl dich küssen /
Denn meine Sonn' ist dein Gesicht /
Und in dein Hertz soll meines flüssen.
Es schmelzt für Liebe schon / weil es der Himmel schafft;
Und meine Seele kriegt von deiner Anmuth Krafft.
Alceis begegnete ihm durch ihre zauberische Stimme mit nicht lauerem Liebreitze:
Komm / küsse mich / sieghaffter Held /
Auf deinen Lippen werd' ich schmecken
Den rechten Zucker dieser Welt /
Die Bienen nehr'n und Rosen decken.
Alceis die für dir nun ihre Segel streicht /
Hat nun am Barcas auch den süssern Port erreicht.
Hercules und Tingis wurden durch diese gleichsam anfälligen Liebesbezeugungen angesteckt; daß sie dem Barcas und Alceis alles eben so feurig nachthaten. Die überwundenen Liebhaber schickten sich auch in das dem Barcas zugehangene Glücke / und stimmeten mit einander folgendes Lied an:
Genüßt der Liebe süsse Frucht
Und laßt in euch ihr Oel stets brennen.
In uns erlescht die Eyversucht /
Weil wir des Himmels Schluß erkennen;
Daß / wo sein heilig Trieb steckt zarte Seelen an /
Neid / Haß / und Tugend selbst / den Brand nicht leschen kan.
Die vermummte Eyversucht sahe diesem glücklichen und von ihr niemahls vermuthetem Ausschlage mit innerster Hertzenskränckung zu / sonderlich da Hercules mit seiner Tingis / Barcas mit seiner Alceis nebst denen andern Helden / einen freudigen Tantz anfiengen / und alle über dieser zweyfachen Vermählung ihre Freude ausschütteten. Hierüber kam die rechtschaffene Liebe mit zwölff geflügelten Liebes-Göttern zwischen Blitz und Flammen vom Himmel herab gefahren. Die Gerechtigkeit wieß die absteigende Liebe auf einen erhobenen Richter-Stuhl an / überlieferte ihr ihre Wage und das Rach-Schwerdt. Nach dem die Liebe diesen Stuhl bestiegen hatte / trat einer von ihren Liebes-Göttern auf / und klagte die vermumte Eyversucht mit ihren Gefärthen betrüglicher Falschheit an. Die andern machten sich alsofort über sie /und ihre Gefärthen her / riessen ihnen Larven und alle frembde Federn vom Halse / und stellten die garstige Eyversucht / und die abscheulichen Unholden dem gantzen Schauplatze zu grossem Gelächter nackend für Augen. Die hierüber beschämte Eyversucht fiel in Ohnmacht / und als sie sich ein wenig wieder erholete / kroch sie auf allen vieren unter den Wagen der Liebe / ließ sich ihre Räder zerqvetschen / und fieng darunter mit einer demüthigen Stimme zu singen an:
Was hat für Hoffart mich bethört?
Daß ich der Königin der Hertzen /
Die Erde / Meer / und Himmel ehrt /
Mir träumen ließ ihr Licht zu schwärtzen?
[1455]Daß ich / des Abgrunds Brutt / sie / Sonne / tastet' an /
Für der kein Gott bestehn / kein Riese tauern kan?
Mein Schlangen-Schwantz / mein Drachen-Maul
Und die vergifften Löwen-Klauen /
Mein Athem der die Lufft macht faul /
Schafft seichten Regungen zwar Grauen /
Wo aber wahre Lieb' in reinen Hertzen brennt /
Wird Eyversucht wie Dunst durch Sonn' und Wind zertrennt.
Ich bin das Finsternüß der Welt /
Der Hertzen Gifft / die Pest der Seelen /
Der Wurm / der alle Lust vergällt.
Mit Schwefel aus des Abgrunds Hölen.
Wag mag ich thörch'te Kampff der Liebe bitten an /
Die in ein Paradiß die Hölle wandeln kan.
Ich rühme mich der Liebe Kind /
Was wil ich sie denn selbst verschlingen?
Wenn Milch aus ihren Brüsten rinnt /
So saug ich Gifft aus allen Dingen.
Aus meinen Eutern milckt man Eiter; denn ich bin
Der Liebe Mißgeburt / verliebter Henckerin.
Nach dem ich grosse Göttin / mich
Nur dir / als Sclavin unterwerffe /
So brauche milder Sanfftmuth dich;
Verkehr in Gnade Recht und Schärffe.
Hegstu Gerichte gleich / so nim es nicht genau /
Treufft deine Rutte doch von Balsam / Oel und Thau.
Verdamme mich zu Qval und Pein /
Entzeuch mir nur nicht dein Gesichte.
Wie nichts kan ohne Sonne seyn /
So leb ich auch von deinem Lichte.
Hält man mich gleich für Gifft / so ist kein Schlangen-Nest
So gifftig / das sich nicht in Artzney wandeln läßt.
Der Reiff macht vielmahl reiffe Frucht /
Man braucht den Wurm zum Scharlach färben.
Die Nessel scharffer Eyversucht
Läßt Liebes-Rosen nicht verterben.
Wär' ich bey reiner Glut ein steter Argos nicht /
Vergässe treue Lieb' offt ihre Schuld und Pflicht.
Da mein sorgfältig wachsam seyn /
Die Lieb' erhält / die Untreu zähmet /
Der Wollust nicht zu viel räumt ein /
Mehr Zunder in die Hertzen sämet;
So nim mich / Liebe / doch zu deiner Dienst-Magd an /
Weil ohne meinen Rauch doch nicht dein Brand seyn kan.
Die Liebe gab nach geendigtem Gesange ihren Lie bes-Göttern einen Winck / welche der Eyversucht eine eiserne Kette um den Hals legten / und sie damit feste machten. Die Liebe aber fieng hierauf zu singen an:
Ich solt' aus aller Menschen Brust
Mit Strumpf und Stiele dich vertilgen
Denn du versältzest alles Lust /
Und machst Napell aus meinen Lilgen.
Daß aber meine Gnad' iedwedem werde kund /
So sollstu seyn forthin der Liebe Ketten-Hund.
Die Liebe erhob sich hierauf von ihrem Stule / und beschloß dieses Schauspiel nebst ihren Liebes-Göttern mit einem lustigen Siegestantze / welche darinnen der Eyversucht auf Kopff und Halß sprangen / und mit ihr das Gespötte trieben. Die Liebe sätzte sich hierauf wieder auf ihren Wagen / welchen die Schwanen in Begleitung der Liebes-Götter empor zohen /und sich in dem gestirntem Himmel in eitel Sterne verwandelten. Nach diesem verschwand der Schauplatz / und viel tausend kleine Sterne fielen über die Zuschauer herab / welche aber / ehe sie die Erde erreichten / ausleschten / und die Lufft mit einem süssen Weyrauche und Balsam-Geruche erfüllten / also mit der Nacht dem Schauspiele ein Ende machten.
So vergnügt nun der Hof / und das Volck über diesem dritten Schauspiele war / so viel Vorwitz ließ es auch in seiner Auslegung spüren. Jederman deutete des Gelo Unfall auf Adgandestern aus / wer aber das Glücke des Barcas haben würde / die Marckmännische Alceis zu besitzen / konten sie sich nicht vergleichen. Die Liebe des Antäus / der Tingis / und des Hercules war aber allen ein unerforschliches Geheimnüs / welches die Menschen eben so wol / als das Gold in Dingen zu suchen gewohnet sind / wo derer keines verhanden ist. Auf den Mittag hielt König Vannius abermahls ein sehr prächtiges Gast-Maal /bey welchem zwar nicht König Marbod und Adelgunde / aber Hertzog Ingviomer / Fürst Boleßla / und Britomartes anwesend waren. Ein ieder unter ihnen verbarg seine Eyversucht / und alle bezeigten [1456] gegen einander grosse Verträuligkeit. Nach dem sie der Wein auch ein wenig erwärmet hatte / fieng Ingviomer seiner deutschen Aufrichtigkeit nach an: Er wäre erfreuet / daß die tugendhaffte Adelgunde nicht minder tapffere Liebhaber als Alceis / und er noch fürtrefflichere Neben-Buhler als Barcas / sie alle auch die Eyversucht wie einen Ketten-Hund gefässelt hätten. Da sie nun es so redlich als er meinten / wäre er erbötig / mit ihnen ein solch Bündnüs / wie der schönen Helena vier und zwantzig Liebhaber unter sich gethan / aufzurichten / welche ihrem Vater dem Tyndarus seine Tochter geben würde / wider alle Gewalt eussersten Kräfften nach / beyzustehen. Diß Versprechen hätten sie auch hernach dem vom Tyndarus erwehlten Menelaus wider den Rauber Helenens treulich gehalten / und sein Unrecht mit Einäscherung seines Vaterlandes gerochen. Britomartes antwortete: Er bescheidete sich wol / daß mehr nicht als einer die unschätzbare Adelgunde besitzen könte / er bildete sich aber so sehr als iemand anders in der Welt ein / Barcas zu seyn / und deßwegen wäre niemand begieriger /als er / solch Bündnüs einzugehen. Boleßla billigte nicht nur allein solches / sondern er ließ sich auch heraus: Die Liebhaber der Alceis hätten wol vom Gelücke zu sagen / daß sie nicht die Eigensinnigkeit des Antäus / sondern ihre eigene Faust zum Entscheider ihrer Liebes-Strittigkeit gehabt hätten. Ihm könte auch vom Könige Marbod keine grössere Wolthat geschehen / als wenn er wie Antäus seine Adelgunde dem / der im Kampffe das beste thun würde / zum Preiße auffsätzte. Britomartes und Ingviomer erklärten sich unverwendeten Fußes / daß eben diß ihr gröster Wunsch wäre; König Vannius fieng hierüber an: Die Tugend wäre der gerädest und sicherste Weg / so wol zur Liebe / als zu der Ehre. Daher hätte nicht nur Antäus / sondern auch Danaus ihre Töchter dem zum Siegs-Preiße auffgesätzt / welcher denen andern Liebhabern an Tugend überlegen seyn würde. Deñ wie das Saltz der Ursprung aller Fruchtbarkeit in der Erde / in Thieren wäre / in welchen eine der Saam-Adern von der / die alles Gesaltzene an sich saugte / herrührte /und solche zu den Nieren beförderte; also wäre die Tugend auch der einige Brunn beständiger Liebe. Alle ihre andere Qvellen versäugten / die Schönheit wäre eine mit der Zeit verdorrende Wurtzel; Reichthum und Würden dienten nur zu Larven der Liebe / und daher ereignete sich vielmahl / daß / wie ein vom Magnet angemachtes Eisen alle seine Krafft sich nach dem Angel-Sterne zu wenden verlieret / wenn selbtes entweder mit einem Hammer geschlagen / oder seine Geräde gekrümmet / oder die erste Krümme gerade gemacht wird / also auch solche Schein-Liebe bey Wiederwertigkeit und bey Veränderung des Glückes von allen Kräfften komme. Bey so gestalten Sachen wären sie auf dem rechten Wege / sich um die Gewogenheit einer so tugendhafften Fürstin / als Adelgunde wäre /zu bewerben / und ihr Vater König Marbod hätte auch nicht weniger Tugend in seinem Hertzen / als Gehirne in seinem Kopffe / daß seinem Bedüncken nach er sich leichter als Antäus entschlüssen würde /seine Tochter dem tapffersten zu verheyrathen. Wenn es nun ihr Ernst wäre / diß / wessen sie sich bereit erkläret hätten / einzugehen / solten sie ihren Schluß verfassen / unterschreiben und besiegeln / so wolte er hierüber König Marbods Einwilligung hoffentlich bald und ohne Schwerigkeit zu wege bringen. Keiner unter diesen dreyen Fürsten konte mit Ehren / oder wolte auch / seine Erklärung zurück ziehen; sondern sie alle unterzeichneten den vom Vannius gemachten Entwurff; daß wer im Kampffe den Sieg / auch in der Liebe Adelgunden davon tragen / die Uberwundenen auch dem Sieger wider alle Gewalt beystehen solten. Vannius war über so glücklichem Ausschlage seines Vorhabens / um welchen er gerne noch so [1457] viel Unkosten angewendet hätte / ehr wol zu frieden / verfügte sich also nach geendigtem Gast-Maale noch selbigen Abend zum Könige Marbod / und zeigete ihm mit dem unterschriebenen Vergleiche der drey Fürsten /ein Mittel / sonder ein oder des andern Beleidigung aus so bedencklicher Schwerigkeit sich auszuflechten. Marbod war hierüber so sehr vergnügt / daß er den Vannius umarmte / ihn seinen Schutzgeist nennte /welchen das Göttliche Verhängnüs absonderlich zu seinem und seines Reiches Erhaltung außerlesen hätte. Er ließ auch alsofort seine Tochter Adelgunde beruffen / und trug ihr so wol die Entschlüssung derer um sie werbenden Fürsten / als seine vorhabende Einwilligung für: daß sie dessen Gemahlin werden solte /welcher durch seine Tapfferkeit der andern Uberwinder seyn würde. Hierdurch würde sie nicht nur dem würdigsten zu theile / sondern auch alle schädliche Feindschafft / welche durch des einen Wahl und der andern Verstossung ihm und ihr zuwachsen könte /verhütet werden. Dieser Vortrag war Adelgunden ein Donnerschlag ins Hertze; welche ihr entweder mit Ingviomern zu leben / oder ohne Mann zu sterben fürgesätzt hatte. Daher warff sie ein: Das Glücke krönete ihrer mehr / als die Tugend / und ein blinder Streich hätte offt für der Tapfferkeit den Vorzug. Wenn aber auch diese schon die Oberhand behielte /so wäre die Tugend zwar ein Zunder / aber nicht das Qvell der Liebe / welche aus dem Brunnen des Verhängnüßes in unser Seele so unvermerckt geflösset würde / daß man keine Ursache dieses geschwinden Feuers geben könte. Weil nun bey den Marckmännern ieden Bürgers Tochter das Recht hätte / nach ihrem Belieben einen Mann zu erkiesen / möchte man doch ihr / als die einen so grossen Vorzug ihres Ursprungs halber hätte / diese Freyheit nicht abschneiden. Hätten doch eines ieden Baumes und Krautes Wurtzeln besondere Lufftlöcher / welche nur den ihnen dienenden Safft der Erde in sich saugten / nichts ihnen schädliches aber in sich liessen. Also wäre auch ihr und alle edle Hertzen beschaffen / welche keiner ihnen unanständigen Liebe den Eingang öffneten / und etwas widriges zu lieben über sich selbst keine Gewalt hätten. Marbod aber antwortete ihr: Das Verhängnüs hätte seine Hand nicht weniger im Kampffe / als in der Liebe / und daher würde es keinem den Sieg zueignen / als welchem es auch Adelgunden zur Braut bestimmet hätte. Sie solte diesem also den Ausschlag heimstellen / welcher ohne diß weder durch Vorsicht /noch durch Furcht zu verändern wäre. Weil sie nun alle Vollkommenheiten des Frauenzimmers ausser ihrem Mißbrauche besässe / würde sie sich auch vernünfftig in diese wolüberlegte Entschlüssung schicken / und behertzigen / daß es mit ihrer Heyrath auch um die Vermählung des Marckmännischen Reiches zu thun wäre / und der Bräutigam diesem so wol / als ihr anstehen müste. Adelgunde versätzte: Die Natur hätte ihrem Verstande so viel Licht gegeben: daß sie in ihrer Wahl hoffentlich keine blinde abgeben / noch zu ihrer Schande und des Reiches Nachtheile einen Unwürdigen erkiesen würde. Marbod begegnete ihr: Er traute ihr nichts weniger als eine solche Schwachheit zu; aber bey gegenwärtigem Zustande könte die allerbeste Wahl nicht unnachtheilig seyn / er wäre versichert: daß weil sie mit der Tugend in so festem Bündnüsse stünde / diese für ihre Zuneigung auffs eusserste streiten / keinem / der nicht ihrer Liebe werth wäre / den Sieg zuschantzen / und das von dem Himmel seinen Hang habende Glücke ihr nicht zu wider seyn würde. Adelgunde ersuchte ihren Vater / er möchte diesem Beginnen nur einen kleinen Verzug geben /biß sie / was sie darbey zu beobachten hätte / mit sich überlegen könte. Sie war aber kaum in ihr Zimmer kommen / als sie vom Hertzoge Ingviomer ein Schreiben folgenden Innhalts empfieng: Vollkommenste[1458] Adelgunde / alle Glücks-Winde blasen numehr in die Segel unserer Liebe / und ich sehe unser Schiff nun selbst gleichsam schon im Hafen / deñ meine Neben-Buhler haben gewilliget / dem Adelgunden abzutreten / welcher ihnen an Tapfferkeit würde überlegen seyn /und Vannius ist erbötig des Königs Marbod Einwilligung hierüber zu wege zu bringen. Glaube mir /meine Seele / daß mein Hertze zu enge sey / die hieraus geschöpffte Freude zu beherbergen / welcher Uberfluß ich hiermit in deine Schoos ausschütte. Denn was könte mir das Verhängnüs erwünschteres zuschicken / als die Gelegenheit mit Adelgunden den grösten Sieges-Preiß der Welt durch Tapfferkeit zu gewinnen? Niemand ist für mir so glückselig gewest /daß seiner Liebe nicht weniger die Tugend den Weg gebähnet / als die eigene Gewogenheit der fürtrefflichsten Fürstin die Hand geboten hätte. Mein Degen wird Adelgundens Wahl rechtfertigen / daß ihre Klugheit eben den / welchen die Tugend und der Himmel außerkieset hätte. Ihre Liebe aber wird Ingviomers Kräfften ein zweyfaches Gewichte beylegen / daß er nicht nur seine Neben-Buhler / sondern das Verhängnüs selbst zu überwinden mächtig seyn würde /wenn solches sich zu unsern Feinden schlagen wolte. Dieses Schreiben war aus der Feder eines so hertzhafften Fürsten geflossen / daß dessen Buchstaben gleichsam einen Trieb oder Geist der Tapfferkeit in sich hatten. Diesem nach ward die Fürstin Adelgunde dadurch derogestalt erfrischet / daß sie nicht nur in ihrem Hertzen in den bestimmten Kampff willigte /sondern Ingviomern folgende Antwort schrieb: Großmüthiger Ingviomer. Ich würde seiner Tugend / und meiner Liebe keinen geringen Schandfleck anstreichen / wenn ich über seiner hertzhafften Entschlüssung den wenigsten Sonnenstaub einiger Furcht in mein Hertze kommen liesse. Sintemahl die gantze Welt weiß / daß Ingviomern niemand an Tapfferkeit / ich aber / daß ihm niemand an Liebe vorgehe. Ich muß also Ingviomern nicht mißgönnen / diese durch jene so viel herrlicher zu machen / und bescheide mich / daß vollkommene Liebe so wenig als die schönsten Rosen ohne Waffen seyn könne. Meine Seele ist lüstern nur bald die Stunde zu erleben / da ihn seine Tugend mit Lorbern / und meine Liebe mit Rosen krönen wird; da Ingviomer seine Feinde den Stachel seiner Hertzhafftigkeit / Adelgunden aber den Honig seiner Liebe schmecken lassen wird. So bald sie diesen Brieff verschlossen / und abgeschickt hatte / kehrete sie wieder zum Könige Marbod / und erklärte sich in Anwesenheit des Vannius: Sie wäre allerdings zu frieden / daß sie dem / welcher in dem vorgeschlagenen Siege Meister seyn würde / möchte vermählet werden. Vannius lobte diese hertzhaffte Entschlüssung / und Marbod ließ noch selbigen Abend durch gantz Maroboduum bey Trompeten und Paucken durch Herolden kund thun: daß dieselbigen Fürsten / welche an seine Tochter Adelgunde einen Anspruch zu machen vermeinten / über den andern Tag auf der Königlichen Rennebahn erscheinen / und durch ihre Tapfferkeit ihr Vorrecht behaupten solten. Diese Erklärung kam denen Fürsten bald zu Ohren / und so sehr sie selbte vergnügte / so eyfrig rüsteten sie sich auf bestimmte Zeit der Welt zugleich ihre Tapfferkeit für Augen zu stellen / und den würdigsten Siegs-Preiß der Welt zu erwerben. Der Hof und gantz Maroboduum war nach diesem Kampffe begierig / und bekümmert / wen die Tugend oder das Gelücke zum Bräutigam einer so grossen und schönen Fürstin ins geheim bestimmet hätte. Die einige Adelgunde hegte in ihrem Hertzen keinen Zweifel; daß ihre Zuneigung die Tugend mit einer / das Glücke mit der andern Hand gefasset hätte. Es träumete ihr aber folgende Nacht: daß sie auf der Rennebahn einen Hahn gegen zwey andere zum Gefechte aus den Händen liesse / welcher nach langem und hartnäckichtem Gefechte [1459] zwar den andern zu Kopffe wuchse; es käme aber ein vierdter Hahn darzu / welcher einen Schlangen-Schwantz hätte / und mit diesem sich dem obsiegenden Hahne um die Beine flüchte / daß er übern Hauffen fiele / und erstochen worden wäre / wenn nicht Adelgunde ihm wäre zu Hülffe kommen. Sie erwachte hierüber / und weil ihr dieser Traum überaus nachdencklich fürkam / erzehlete sie ihn alsofort der Frauen von Sudewitz / welche /ob sie wol selbst glaubte / daß er Adelgunden nicht allzuviel gutes bedeutete / an statt der verlangten Auslegung ihre Meinung mit der denen Träumen anhängenden Eitelkeit verdeckte. Allein Adelgunde wolte sich diß nicht vergnügen / noch ihr ausreden lassen /daß dieser Traum eine Göttliche Warnigung wäre. Sie gieng daher mit dem Ritter Rysemberg und Pernstein ins geheim zu Rathe / ohne daß einig Mensch hiervon etwas erfahren konte; Ausser daß Adelgunde beym Könige Erlaubnüs ausbat / daß sie nicht mit auf dem Schau-Gerüste erscheinen und dem Kampffe beywohnen dörffte / gleich als wenn sie nach ihrer Verheyrathung so lüstern wäre. Unterdessen rückte die besti te Zeit zum Kampfe herbey. Die Schrancken der Rennebahn wurden noch für Tage mit einer grossen Menge gewaffneter Ritter besätzet. Die Fenster und Dächer aller herum liegenden Häuser wurden mit einer unzählbaren Menge Menschen angefüllet / und auf der Erde konte für ihnen auch kein Apffel zur Erde. In der Rennebahn war für den König Marbod und Vannius ein prächtiges Schau Gerüste erbauet / welch letzter so wol vom Marbod als denen zwistigen Fürsten zum Richter erbeten war. Fürst Boleßla war der erste /welcher mit zweyen Waffenträgern in den Schrancken erschien. Er ritt einen Perlenfarbenen Hengst / hatte einen gantz blancken Harnisch an / und dergleichen Helm auf dem Haupte. Im Schilde führte er einen weissen Adler / welcher in der rechten Klaue den Blitz / im Schnabel einen Rosen-Zweig / und darunter diese Uberschrifft hatte: Je verliebter / ie grimmiger. Bald hierauf ließ sich auch Britomartes auf einem Tieger-farbichten Hengste / und zweyen Waffenträgern schauen. Sein Helm und Harnisch war blau / über und über mit Sternen besäet. Im Schilde führte er einen Schwantz-Stern / mit beygesätzten Worten:Ich brenne und schrecke. Hertzog Ingviomer war der dritte / und ritt einen falbichten Hengst mit schwartzen Enden. Sein Helm und Harnisch war grün / und mit eitel Rosen beworffen. Im Schilde war ein Rosenstock / und darauf eine an einer Rose saugende Biene mit der Uberschrifft zu schauen: Einem die Süßigkeit / andern den Stachel. Neben ihm trugen ebenfalls zwey Schild-Knaben seine Lantzen. König Vannius gab diesen anwesenden Helden ein Zeichen sich ihm zu nähern / worauf sie denn gewisse Looß-Zettel aus einem silbernen Hafen nehmen musten; Welche sie denn anwiesen / daß Ingviomer am ersten mit dem Britomartes / der Uberwinder hernach mit Boleßlaen kämpffen solte. König Vannius gab ihnen auch dieses Gesätze / daß weil dieser Kampff aus keiner Feindschafft / sondern aus Liebe herrührte / und seine eigene Vergnügung nicht Rache und des andern Untergang zum Zwecke hätte / solte ieder verpflichtet seyn vom Kampffe abzulassen / wenn er durch Auffsteckung einer weissen Fahne / und durch Einhaltung des Trompeten-Schalles ihnen das Zeichen des Friedens geben liesse / welche nunmehr durch ihren Schall eine Ankündigung des Streites waren. Beyde Fürsten Ingviomer und Britomartes setzten sich gegen einander / und hatte so wol einer als der ander seinen Geist mit dem Bilde der Ehre angefüllet / welche ihnen ihre fürgesätzte Helden-Thaten versprachen. Ihr Gemüthe war voller Hoffnung den grossen Schatz zu erobern / den ihnen [1460] ihr Sieg zueignen solte / ungeachtet beyden bekümmert fürkam / daß keiner in diesem gantzen Schauplatze Adelgunden zu Gesichte bekam. Sie rennten hierauf mit ihren Lantzen wie der aus zweyen Wolcken fahrende Blitz gegen einander; Beyde aber versätzten mit ihren Schilden so künstlich / daß ihre Lantzen wie Glaß zersprangen / und in die Lufft flogen. Ihre Waffenträger reichten in ihrem wenden ihnen zwey andere zu. Ob sie nun zwar einander eben so wol traffen / als meinten / sassen doch beyde so feste zu Pferde / und ihre Harnische waren so gut /daß diese Waffen sonder einige Beleidigung oder Verrückung in Stücke sprangen. Beym dritten Rennen versätzte Ingviomer Britomartens Lantze glücklich /hingegen traff er ihn auf die rechte Achsel mit solcher Hefftigkeit / daß sein Feind sich mit genauer Noth im Sattel erhielt. Dieses aber machte Britomarten am wenigsten kleinmüthig / welcher mit Ergreiffung seines Degens sein Glücke zu verbessern vermeinte. Ingviomer aber war darmit nicht längsamer als Britomartes / und da dieser einen Tieger fürstellte / fochte jener wie ein Löw / also daß beyder Fürsten Edelleute hierüber nicht so wol zu Verbitterung als zu Mitleiden bewegt wurden / und auf das weibliche Geschlechte fluchten / welches dem männlichen derogestalt den Verstand verwirrte / daß die hertzhafftesten Leute /um ihren Feindinnen zugefallen / die Waffen auf einander wetzten / und die Hände in ihrem Blute wüschen. Weil nun beyde so geschickt als tapffer waren /wehrete das Gefechte bey nahe eine Stunde / sonder daß einer ermüdet weniger beschädigt ward. Nach so langem Streite aber bemeisterte endlich Britomarten Ungedult und Zorn / welcher / ob er zwar sonst die Kräfften vergrössert / hier gleichwol / weil er zu heftig war / Britomarten entkräfftete. Ingviomer aber /weil er Adelgundens allzuwol versichert war / kriegte bey ihrem Andencken stets wie Antäus von Berührung der Erde neue Stärcke / und blieb immer ohne einige seiner Vorsicht abbrüchige Gemüthsregungen in einem. Daher er denn bey ersehener Blösse Britomarten zwischen die Fugen seines Harnisches einen so hefftigen Streich in das Gelencke der rechten Hand versätzte / daß selbte mehr unfähig war den Degen zu halten / und ob zwar Ingviomer bey ersehener Blutstürtzung mit fernern Streichen inne hielt / Britomartes sich doch überwunden zu seyn erkennen muste. Fürst Boleßla faste hierüber einen hefftigen Eyver gegen Ingviomern / denn ob er zwar Adelgunden dem Britomartes nicht gönnete / hätte er doch diesen als seinen so nahen Bluts-Freund lieber als Sieger gesehen / und zu seinem Gegentheile gehabt. Diesem nach wolte er Ingviomern nicht viel Zeit und Lufft zum Verblasen lassen / sondern riß seinem Waffenträger eine Lantze aus der Hand / und rennte auf Ingviomern loß / also / daß dieser kaum sich wenden / ein gleiches Gewehre ergreiffen und Boleßlaen begegnen konte. Der ersten Lantzen gebrochene Spitzen flogen ohne Schaden in die Lufft; Die andern schlugen sie beyde einander aus / sie selbst aber traffen mit Brust /Pferden / und Schilden so hefftig auf einander / als wenn zwey auf einander stossende Steinfelsen einander zerschmettern wolten. Aber weder Männer noch Pferde liessen sich dieses anfechten / sondern beyde Fürsten warffen ihre Pferde herum / und auf einander etliche Wurffspieße / welche aber ihr Ziel nicht erreichten / wie es ihr Auge und die Hand abgesehen hatte. Boleßla entschloß sich also seinen Grimm auf Ingviomers Pferd auszuüben / stieß ihm also den Degen durch den Halß / wovon es in Verwirrung gerieth / gleichwol aber gab Ingviomer dem Pferde die Sporne / daß es ihn durch seinen letzten Satz Boleßlaen nahe auf den Halß brachte / und jener noch Zeit gewann seines Feindes Pferde Maul und Zunge zu zerspalten / und beyde durch einen geschwinden Sprung / ihrer Pferde Falle oder [1461] Flucht vorzukommen. Hiermit gieng der Kampff zu Fuße allererst recht an /und sie drangen mehrmahls einander so nahe auf den Hals / daß sie mit den Degenknöpffen einander auf die Brust und ins Gesichte stiessen. Weil ihre Harnische nun so gut waren / daß keine Schärffe der Schwerdter sie durchdringen kunte / untersuchten sie alle Oeffnungen einander beyzukommen; worüber denn auch Ingviomer an der Achsel ein wenig / Boleßla aber in der Seite tieff verwundet / und weil das ihm entgehende Geblüte ihn fehr abmattete / seine Streiche schwächte / Ingviomern einen grossen Vortheil zuschantzte. Dieser und die Erinnerung Adelgundens munterte ihn nunmehr so vielmehr auf / seinen nunmehr gleichsam schon in Händen habenden Sieg durch den letzten Ansatz auszumachen / bey welchem es ihm denn auch gelückte / daß er Boleßlaen noch eine Wunde im Halse versätzte / nach welcher er etliche Schritte zurück wich / und zu Bodem fiel. Ingviomer warff hiermit seinen Degen weg / lieff Boleßlaen zu / und riß ihm / damit er so viel freyer Lufft schöpffen könte / den Helm vom Haupte. Die Wund-Aertzte / welche inzwischen Britomarten verbunden hatten /kamen auch eilends herbey / machten ihm den Harnisch ab / und halffen durch unterschieden angewehrte Erqvickungen seiner Ohnmacht ab. So bald er nun wieder zu sich selbst kam / und Ingviomern für sich sahe / reichte er ihm die Hand / erklärte ihn auch für seinen Uberwinder / und den würdigsten Bräutigam der Fürstin Adelgunde. Dieser hingegen bezeugte sein Mitleiden / so wol gegen Boleßlaen als Britomarten /und ließ über seinem Siege nichts weniger als einigen Hochmuth spüren. Immittelst hatten die Bructerischen Edelleute etliche von Ingviomers Pferden ihm in die Reñebahn gebracht / sich davon eines an statt des umgefallenen zu bedienen. Ingviomer hatte davon kaum einen blauschimmelichten Hengst erkieset / und beschritten / und wolte nunmehr vom Könige Vannius seinen Ausspruch vernehmen; als ein Herold in Schrancken kam / und Ingviomern andeutete / daß noch ein Fürst zu gegen wäre / welcher seines erstern Rechtes und Tapfferkeit halber für ihm bey Adelgunden den Vorzug zu haben vermeinte / und es mit ihm durch die Waffen ausführen wolte. Dieser kam auch gleich auf einem kohlschwartzen Pferde / welcher Farbe auch alle seine Waffen zusagten / in die Schrancken geritten. Auf seinem Schilde war eine Unholdin wie ein Salamander mitten in einem Flammen-Feuer zu sehen / darüber aber zu lesen: Noch verzweiffelter. Ingviomer gab dem ihn ansprechenden Herolde zur Antwort: Er wäre zwar nicht verbunden mit einem frembden / den König Marbod nicht für einen würdigen Liebhaber seiner Tochter erkennet hätte / sich einzulassen; Weil aber Adelgunde die vollkommenste Fürstin der Welt wäre / wolte er ihm und allen / welche sich würdiger hielten diese Perle zu besitzen / durch seinen Degen diesen eitelen Hochmuth vertreiben. Er stellte sich auch alsofort seinem neuen Feinde entgegen; für welchem einer seiner Waffenträger mit einer Lantze allerhand Striche in den Sand der Rennebahn scharrete. Neben diesem rennte der schwartze Ritter gegen Ingviomern mit grossem Ungestüme und brachen sie beyde Lantzen an einander ohne einigen Schaden / als sich aber Ingviomer wendete und mit einem ergriffenen Wurffspieße seinem Feinde in die Eisen gehen wolte / ungefähr aber auf den Ort kam / wo der frembde Waffenträger in die Erde gescharret hatte / stürtzte Ingviomer mit seinem Pferde / gleich als wenn es der Blitz rührte / über und über. Das Pferd fiel seinem Fürsten auf den Leib /und qvetschte ihn / daß er nicht aufstehen konte; über diß lieff ihm das Blut häuffig aus Mund und Nase. Hierauf rennte der schwartze Ritter mit entblöstem Degen auf ihn zu / und wolte durch angedreute Ausleschung seines [1462] Lichtes ihm das Bekäntnüß abzwingen / daß er sein Uberwundener wäre. Ingviomer / welcher von seinem abscheulichen Fall kaum Athem holen konte / zwang sich doch zu reden: daß er ehe sterben /als durch diesen Zufall oder Zauberey sich überwunden geben wolte. König Vannius ließ zwar das weisse Fahn aufstecken / und die Trompeten inne halten /aber der schwartze Ritter fuhr in seinen Dräuungen fort / biß sich auff der Seite die Schrancken der Rennebahn öffneten / durch welche ein hurtiger Ritter auf einem Hermelin-farbichtem Hengste herfür sprengte. Sein Helm und Harnisch war vergüldet / in dem Schilde führte ein Storch im Schnabel eine sich windende Schlange empor / darbey stand diese Uberschrifft: Nur dem schädlichen schädlich. Der schwartze Ritter sahe wol / daß es auf ihn gemüntzet wäre / dahero muste er Ingviomern verlassen / und sich zur Gegenwehre rüsten. Der güldene Ritter aber hatte den Schwartzen mit seiner Lantze so wol gefast / daß er ihm mit der Spitze durch die Oeffnung ins Auge traff / worvon er mit grosser Blutstürtzung ohnmächtig zur Erde sanck / der Sieger sprang auch alsofort von seinem Pferde / und weil er begierig war seinen Feind zu kennen / rieß er ihm den Helm vom Haupte / und wieß hiermit allen Zuschauern / daß es Adgandester war. Dieses verursachte / daß auch der güldene Ritter seinen Helm abnahm / und sich dem gantzen Schauplatze / besonders aber Ingviomern zu grossem Frolocken für die Fürstin Adelgunde zu erkennen gab / welcher durch ihren blossen Anblick sich erholete / daß er aufstand und sie mit unbeschreiblichen Freuden umarmte / sie seine Erlöserin /seine Schutzgöttin / und die Wiederbringerin seiner Ehre nennte. Hierauf wendeten beyde sich gegen dem Vannius / und verlangten von ihm ihr Urthel. Adelgunde sätzte absonderlich hierzu: Sie versähe sich nicht / daß der dem Hertzoge Ingviomer begegnete Unfall dem zauberischen Adgandester zum geringsten Vortheile gereichen würde / nach dem sie das Glücke gehabt ihn zu überwinden / Adgandester aber sich nicht rühmen könte / als wenn er gegen Ingviomern das geringste ausgerichtet hätte. Damit aber auch die Mißgunst keinen Vorwand hätte / an dem Tuche seiner Ehre zu saugen / möchte König Vannius doch die Zauberstriche auf der Rennebahn besichtigen / und Adgandesters Waffenträger in Hafft nehmen / und hierüber befragen lassen. König Vannius erkennte hierauf: daß Ingviomern vom Fürsten Boleßla und Britomartes schon selbst der Obsieg zugestanden worden / und er nunmehr der rechtmäßige Liebhaber und Bräutigam Adelgundens wäre / an welche der sich ohne König Marbods Willen eingedrungene und von Adelgunden überwundene Adgandester keinen Anspruch zu machen hätte. Der gantze Schauplatz bezeugte durch Zuruffung tausendfachen Glückes hierüber sein Vergnügen. König Marbod stand auch selbst auf / umarmte Ingviomern / und nahm ihn mit Auslassung vieler Freuden und Vergnügung zu seinem Tochter-Manne auf und an. Weil aber Adelgunde Ingviomers Ehre von dem geringsten Sonnen-Staube einer Verkleinerung gesaubert wissen wolte / drang sie auf Einziehung der Waffenträger und auf Untersuchung der in Sand gescharrten Zauberstriche: Weil Marbod dem einmahl zum Richter beliebten Vannius nicht eingreiffen wolte / gab dieser die Sache dem Ritter Zierotin und Choltitz zu untersuchen. Ob nun gleich die in den Sand gemachten Striche nicht ohne sonderbahre Geheimnüsse zu seyn schienen / wusten doch die befragten Waffenträger / ungeachtet sie solche Striche zu vertreten / und zu verstreichen sich möglichst bearbeitet hatten / alles scheinbar zu verblümen / biß der Kerckermeister ungefähr gewahr ward / daß der eine dieser Waffenträger ein Weib wäre. Dieses vermehrete bey [1463] beyden Rittern den Argwohn der Zauberey / welche denn auch durch genaue Untersuchung endlich ihr Bekäntnüs heraus brachten: Sie wäre die Zauberin Wartburgis und hätte theils durch die in Sand gescharrten Ziffern theils durch ihre Beschwerungen zu wege gebracht / daß Ingviomer mit seinem Pferde über und über hätte stürtzen müssen. Sie bekennte über diß viel andere Boßheiten / die sie theils zu Rom in der Gemeinschafft der Zaubermeisterin Martina begangen hätte. Diesem nach wurden König Marbod und Vannius mit einander eines: daß Wartpurgis an einem verdorrten Baum aufgehenckt /Adgandester aber / welcher zwar sein Auge verlohren hatte / sonst aber nicht tödtlich verwundet war / auf dem Schlosse Libin in einem festen Thurme verwahret ward. Dieser Schluß erweckte unter den Marckmännern eine unglaubliche / und wegen beliebter Verlobung Adelgundens an Hertzog Ingviomer eine zweyfache Freude. König Marbod erlangte durch Adgandesters Verstossung / welchen alle zeither für den Ursprung alles Ubels im Hertzen verflucht hatten /sein voriges Ansehen / die Liebe beym Volcke / und die letzte Zauberey auf der Rennebahn diente ihm zu einer scheinbaren Entschuldigung; daß Adgandester ihn durch solche Künste seiner Klugheit beraubet /und seinen Willen gefässelt gehabt hätte. Diese Freude verbreitete sich gleichsam mit den Wolcken über das gantze Reich / und man sahe etliche Tage hinter einander die Spitzen der Berge mit unzählbaren Freuden-Feuern gekrönet. König Marbod machte hierauf zwar Anstalt zu einem prächtigen Beylager / aber die zu solchen Zubereitungen nöthige Zeit schiene so wol Adelgunden als Ingviomern allzulang zu werden. Daher sie ihre Sehnsucht gegen den König damit verkleideten / daß sie diese zu solchem Gepränge nöthigen Unkosten gerne dem gemeinen Wesen zum besten aufopffern wolten / weil doch Unterthanen über nichts mehr seuffzeten / als daß man den etliche Jahr von ihnen erpresten Schweiß in wenigen Tagen zernichtete. Ob nun zwar Marbod in denen Gedancken stand /daß er nicht weniger seinem Ansehen / als seiner einigen Tochter Beylager abbräche / so redete doch Vannius Adelgunden das Wort / und sagte / daß ein Fürst für sein Haus niemals zu wenig / und für des Volckes Heil niemahls zu viel ausgeben könte. Dieser Einhalt / und die einlauffende Nachricht: daß der deutsche Feldherr Herrmann bereit nach Versicherung seines Rückens / mit einer grossen Macht über die Elbe gesätzt / die Marsinger auf seine Seite gebracht hätte /und gegen denen Marckmännischen Gräntzen im Anzuge wäre / verursachte / daß den vierdten Tag nach dem Kampffe Ingviomer und Adelgunde vermählet werden solten. Adelgunde ersuchte bey dieser Erklärung den König: daß er für diesem Freuden-Tage Adgandestern / welcher für Schande schier verzweiffelte / und für heimlicher Rache sein eigen Hertze auffraß /aus dem Lande schaffen / also ihr sein trauriges Andencken aus dem Sinne / dem Volcke alle Ursache fernerer Verbitterung aus dem Hertzen reissen möchte. König Marbod / welcher nun allererst das von Adgandestern gestifftete Unheil und seine Bezauberung erkennte / hatte zwar ihm vorgesätzt / an ihm als einem so schädlichen Staats-Diener ein Beyspiel strenger Gerechtigkeit auszuüben / willigte / seiner Tochter zu Liebe / in seine blosse Verweisung und ließ ihm andeuten / daß er sich zu seiner Entfernung fertig halten solte. Adgandester / welcher vorhin so viel Anbeter gehabt / mit des Königs Gnade aber alle Freunde verlohren hatte / ließ den König durch den ihn verwahrenden Hauptmann ersuchen / er möchte ihme nur zehn Worte zu sagen / Gehöre geben. Marbod aber ließ ihn beantworten: er solte sich nur seines eigenen ihme gegebenen Rathes erinnern: daß er den nimmermehr für sein Gesichte solte kommen lassen /den er schon einmahl hätte in Hafft [1464] nehmen lassen. Daher wäre unverschämt wider diß / was er selbst verda t hätte / etwas zu begehren. Des Nachts ließ ihn Marbod auf einen Esel setzen und aus der Stadt Maroboduum führen. Das Volck ward es gleichwol gewahr / ehe er aus den Pforten kam / lieff selbtem nach / der Pöfel warff ihn mit Kothe / und hätte ihn mit Zähn- und Klauen in kleine Stücke zerrissen /wenn er von der Königlichen Wache nicht wäre beschirmet worden / die ihn an die Reichs-Gräntzen biß über die Donau zu führen befehlicht war. Von denen Königlichen Räthen gaben sich ihrer viel an / welche sich erboten durch Wahrmachung seiner Laster des Königs Ungnade gegen ihn zu rechtfertigen. Sintemahl er die Königliche Hoheit und Gewalt an sich gezogen / alle Aempter bey Hofe und im Reiche nach seinem eigenen Gefallen vergeben / von denen gemeinen Einkunfften sich und seine Geschöpffe bereichert / die hohen Würden und die Gerechtigkeit verkaufft /zwischen dem Könige und seiner Tochter Zwietracht /zwischen den Ständen Mißtrauen gesämet / kluge /tapffere / und treue Leute von Hofe und aus dem Lande verstossen / denen Land-Vögten nach Hofe zu kommen die gemeine Roth und Gefahr zu entdecken verwehret / ihre Berichte untergedrückt / den König in seinem Zimmer / wie in einem Gefängnüße eingesperret / mit frembden Botschafftern ohne des Königs Vorbewust / was er nur selbst gewolt / eigenmächtig abgehandelt / denen des Königs an andern Höfen falsche Befehle zugeschickt / viel Kundschaffter auf den König alles sein Thun / seine Reden / und Handlungen mit andern auszuspüren bestellet / dem Könige durch Arglist und Dräuungen viel Einwilligungen abgezwungen / hingegen zu des Königes Schimpffe und Verkleinerung viel seiner Verordnungen gehindert /oder gar zernichtet; mit den Feinden des Reichs heimliches Verständnüs gehabt / durch seine Grausamkeit die Semnoner und Langobarden zum Auffstande veranlasset / durch seine verrätherische oder unvernünfftige Rathschläge den König um diese streitbare Völcker gebracht / nach der Königlichen Tochter und Herrschafft durch verfälschte Wahrsagungen / Zauberey und hundert böse Künste getrachtet hätte. Alleine König Marbod hielt sich solcher Vertheidigung gegen den / welchen alle seine Unterthanen verfluchten / und der bey der gantzen Welt einen so bösen Ruff hatte /nicht benöthigt / oder wider einen schon gestrafften allererst seine Verbrechen auszuführen / gar nicht für schicklich. Am allermeisten aber hielt ihn hiervon zurücke: daß wenn Adgandester überwiesen würde / er habe weiter gegriffen / als einem Diener zustehet /König Marbod zugleich selbst gestünde / er sey entweder nicht fähig gewest / einen König abzugeben /oder er habe sein Ampt vernachläßiget. Marbod ließ also sein Volck Adgandestern nach eines ieden Gutdüncken und Gemüthsregungen verdammen. Denn auch die / welche er erhoben / oder sonst wolgethan hatte / dorfften sich nicht unterstehen für ihn ein Wort zu reden; sondern damit sie nicht schienen von ihm den Hang zu haben / musten sie zu ihrer Sicherheit von ihm schlimmer / als die Beleidigten reden. Diese Beschäfftigung des Volckes aber ward bald durch einen andern Gegenwurff nemlich durch das Beylager Ingviomers und Adelgundens unterbrochen / welche an der Mulde in einem heiligen Heyne einander vermählet wurden. Ob nun zwar darmit über Hals und Kopff geeilet ward / war gleichwohl die Ausrichtung Königlich / die Pracht auch so groß: daß alle Ausländer erstauneten / wie in so wenigen Tagen zu denen Gast-Maalen ein so unglaublicher Vorrath von seltzamen Speisen / und zu denen Aufzügen so köstlicher Schmuck und Kleidungen hätte können herbey geschafft werden. König Vannius gab mit seiner Hoffstadt diesem Beylager [1465] auch keinen geringen Glantz /und der Marckmännische / Kwadische / Sarmatische und Bastarnische Adel waren alleine genug / durch ihre ansehliche Ritterspiele aller Welt die Zeit zu kürtzen / und wenn schon irgendswo ein Abgang hervor geblickt hätte / solchen zu ersetzen. Nichts aber war auf diesem Feyer herrlicher / und denen neuen Eheleuten vergnügter / als daß Boleßla / und Britomartes nicht nur in Stand geriethen / dem Beylager beyzuwohnen / sondern sie auch Mißgunst und Eyversucht gegen Ingviomern so weit von sich entfernet hatten / als wenn sie Adelgunden ihr Lebtage mit keiner Ader geliebt hätten. Ja sie liessen von sich eine sothane Vergnügung spühren / als wenn sie selbst den Siegs-Preiß ihres Kampffes davon getragen hätten. Eine solche Krafft hat die Tugend in großmüthigen Seelen / daß sie den kältesten Neid erwärmet / und den bittersten Haß in Freundschafft verwandelt. Diesem Beylager und denen Lustbarkeiten wurden gleichwol mehr nicht / als drey Tage aufgeopffert. Denn weil täglich von Näherung des Feindes gleichstimmige Zeitungen einlieffen / brach König Marbod / Vannius / und Ingviomer / welchen seine hertzhaffte Adelgunde nicht verlassen wolte / mit dem gantzen Adel von Maroboduum auf. Die Fürsten Boleßla und Britomartes wolten bey dieser Gelegenheit nicht versäumen / denen Marckmännern zu zeigen: daß da sie aus Regung der Liebe in ihr Land kommen wären / nun aus Furcht des Feindes nicht Abschied nehmen wolten.