[224] [229][Aus »Sudelbuch« D]

Livius wußte schon nicht einmal mehr mit Gewißheit zu sagen ob die Horatier oder die Kuriatier die Römer waren.

[D 8]


In den Worten Vox populi vox Dei steckt mehr Weisheit, als man heut zu Tage in vier Worte zu stecken pflegt.

[D 10]


Es ist nicht Lasterhaß, sondern Halseisen-Furcht.oder so Wer kann in jedem Fall Tugend von Halseisen-Furcht unterscheiden?

[D 14]


[229] [234]Wenn jemand Lavatern vor die Stirne schlägt und sagt, so wache doch auf Träumer, da schimpfen die Kandidaten der Empfindsamkeit, die Bürger brummen und murren und die politischen Weisen zischeln sich auf der Straße in die Ohren, so geschäftig, so gesprächig, mit einer so geheimnisvollen Geschwätzigkeit, daß man glauben sollte die Äbtissin wäre mit Zwillingen niedergekommen oder der Erzbischof hätte den Dripper. Aber wenn jemand der gesunden Vernunft vor den Kopf schlägt, das achtet man so viel als ein Bohnenfleckgen.

[D 30]


[234] [237]Ich sehe gar nicht ab, warum wir uns einer so gewissenhaften Gnauigkeit in unsern Werken befleißigen und uns um so sehr um das mehr oder weniger in denselben bekümmern. Jeder der es uns nachtut wird immer um + x oder – x von dem eigentlichen Punkt abweichen. Zum Endzweck wird es immer gleichviel sein ob sich der Zirkel quadrieren läßt oder nicht, was schwätzen wir also? Etwa daß uns die Engel nicht auslachen?

[D 41]


Daß man sich aus heftigen Satyren nichts zu machen habe ist nicht allein wahr, das wäre eine Kleinigkeit, sondern es ist courant wahr. Der Satz ist nicht bloß echt, sondern auch courant.

[D 42]


Manches an unserm Körper würde uns nicht so säuisch und unzüchtig vorkommen wenn uns nicht der Adel im Kopf steckte.

[D 45]


[237] Allzeit: Wie kann dieses besser gemacht werden?

[D 53]


Lehre mich wie ich meinen heilsamen Entschlüssen Kraft gebe, lehre mich mit Ernst wollen was ich will, lehre Standhaftigkeit wenn [238] die Stürme des Schicksals oder ein aufgestreifter weißer Arm meinen Bau von 3 Jahren beben machen. Lehre mich dem Menschen in das Herz zu reden, ohne daß mein Ausdruck in dem brechenden Mittel seines Gesinnungs-Systems eine andere Richtung nimmt, und dann gib mir noch Horazens Geist, und dein Ruhm soll durch Jahrtausende durch schallen.

[D 54]


Wenn ich dieses Buch nicht geschrieben hätte, so würde heute über 1 000 Jahre abends zwischen 6 und 7 z.E. in mancher Stadt in Deutschland von ganzen andern Dingen gesprochen worden sein, als würklich gesprochen werden wird. Hätte ich zu Vardöhus einen Kirschkern in die See geworfen, so hätte der Tropfen Seewasser den Myn Heer am Kap von der Nase wischt nicht gnau an dem Ort gesessen.

[D 55]


[239] Eine Uhr, die ihrem Besitzer immer um Viertel zuruftDu. ... um halb Du bist – – um 3/4 Du bist ein...und wenn es voll schlägt: Du bist ein Mensch.

[D 59]


Er hatte vielen Schlachten beigewohnt, ohne eine Wunde zu bekommen, und wurde endlich von einer Bouteille Winser Breihan erschlagen, die zu fest zugekorkt gewesen war. Die Pfeife, die er dabei rauchen wollte, brennte schon.

[D 61]


Mit geschäftigem, dankverdienerischem Vorwitz.

[D 64]


Eine Fleder-Maus könnte als eine nach Ovids Art verwandelte Maus angesehen werden, die, von einer unzüchtigen Maus verfolgt, die Götter um Flügel bittet, die ihr auch gewährt werden.

[D 65]


[240] Das ist wahr, meine Schuh kann ich mir nicht selbst machen, aber ihr Herrn, meine Philosophie laß ich mir nicht zuschreiben. Meine Schuh will ich mir allenfalls selbst machen lassen, das kann ich selbst nicht.

[D 68]


Das heißt recht Eulen nach Athen oder Compendia nach Göttingen tragen.

[D 70]


Wenn er eine Rezension verfertigt, habe ich mir sagen lassen, soll er allemal die heftigsten Erektionen haben.

[D 75]


Er pflegte das die Abweichung der Leidenschaften zu nennen, wenn er etwas mit Hitze wollte, was unter oder über das Maximum der bürgerlichen Glückseligkeit fiel.

[D 77]


[241] Aber hätte der Mann nicht etwas anderes Nützlicheres schreiben können? Ja wenn ich dem Könige von England oder der Kaiserin von Rußland diente, die den Leib unterdessen reichlich speisen und kleiden, während als die Seele draußen auf der Jagd liegt; da wollte ich mir aus meinen eignen Erfahrungen sprechen, als Mensch, als Individuum in dem großen Rat über Wahrheit und Irrtum votieren, und der Mode nicht einen Fingerbreit nachtreten, sie mögte zu mir kommen. Aber wir, die wir von Hand zu Mund schreiben, wir müssen der Mode die Schleppe tragen, wenn wir eingelassen sein wollen, sie mag so schwer oder so unrein sein als sie will. Haben wir ja einen Gedanken, so darf er nicht so wie er ist ausgegeben werden, um ihn nicht überall ausgeschossen zu sehen, muß er das Gepräge der Zeit haben. Und ist das Unrecht? Wenn man nur nicht so gegen den Witz libellierte, an Witz Vergnügen zu finden ist dem Menschen angeboren und ceteris paribus ist eine schön aufgetragene Wahrheit doch immer besser als eine auf freier Faust. Den Satz: es gibt 100 Witzige gegen einen der Verstand hat, rechne ich mit unter diejenigen häufigen Sätze, die das Geschicke weislich zum Trost gepreßter Dummköpfe courant hat werden lassen, dagegen den andern zurückbehalten hat, nämlich daß es hundert Menschen gibt die weder Witz noch Verstand haben gegen einen der Witz hat. Was tadelt man gleich den Witz in einer Schrift? Mich dünkt, daß [es] erstlich überhaupt nicht menschenfreundlich und für einen Deutschen am wenigsten schön ist, ja wenn wir Mangel litten, so wollte ich es gelten lassen. Aber wem eine witzige Abhandlung nicht gefällt, der kann dieselbe Materie in einem andern Vortrage lesen. Wir haben nun fast über jedes Kapitel und jeden Paragraphen unsrer Erkenntnis ein Buch ohne Witz, wo man sich Rats erholen kann. Bekommen wir nun auch witzige, so hat man die Wahl.

[D 79]


[242] Die Komödie bessert nicht unmittelbar, vielleicht auch die Satyre nicht, ich meine man legt die Laster nicht ab, die sie lächerlich macht. Aber das können sie tun, sie vergrößern unsern Gesichtskreis, vermehren die Anzahl der festen Punkte aus denen wir uns in allen Vorfällen des Lebens geschwinder orientieren können.

[D 81]


Auch ich bin erwacht Freund, und zu dem Grad der philosophischen Besonnenheit gekommen, wo Liebe zur Wahrheit die einzige Führerin ist, wo ich allem was ich für Irrtum halte mit dem mir verliehenen Licht entgegengehe, ohne grade laut zu sagen, das halte ich für Irrtum, und noch weniger, das ist Irrtum.

[D 84]


[243] Das Erheben in den Bürgerstand.

[D 88]


[244] Men would be angels, angels would be Gods. Man hält immer das für verdienstlicher was einem sauer wird, dieses fließt aus einer Verachtung seines gegenwärtigen Zustandes, daher kommen die vielen Stümper, der Schnallengießer will die Meeres-Länge erfinden. Tue das was dir leicht wird, wovon du gern immer sprächest, wozu du gern jedermann brächtest wenn du könntest, wovon du dir deine eignen Vorstellungen machst, die andern Leuten zuweilen nicht in den Kopf wollen und die sie fremd und seltsam finden. Weiter muß man gehen, allerdings, allein es muß sich gleichsam von selbst geben, man muß glauben immer dasselbe zu tun und zur Verwunderung anderer Leute sehr viel mehr tun. Es ist ein Unglück wenn ein Mann von Fähigkeiten durch Empfehlungen von Männern, deren Begriffe von ihm etwas zu groß sind, in ein Amt kommt, wo man etwas Außerordentliches von ihm erwartet, das er noch nicht leisten kann. Es ist immer besser, daß das Amt geringer ist als die Fähigkeiten. Wer oft dasselbe tut, kommt darin weiter, aber nicht der der sich vornimmt Dinge zu tun die von seinen gegenwärtigen Verrichtungen verschieden sind. Dieses könnte mit der Einleitung gesagt werden, daß man aus Erfahrungen reden müsse, wenn man lehren wolle, sein eignes Leben auf diese Art beschreiben fruchtet mehr für andere, als hundert Kaiserhistorien. – Wenn man sagt: man müsse Geschichtbücher lesen um die Menschen kennen zu lernen, so muß man nicht glauben man verstehe jene feinen, ins Verschlagene fallenden Künste darunter, die lernt man wohl allein in der Gesellschaft, und gewiß sicherer und schneller.

[D 92]


Das was man tun muß, um wie Shakespear schreiben zu lernen, liegt viel weiter ab als die Lesung desselben.

[D 93]


[245] Aktiv- und Passiv-Visiten.

[D 98]


[246] Die Zeitungsschreiber haben sich ein hölzernes Kapellchen erbaut, das sie auch den Tempel des Ruhms nennen, worin sie den ganzen Tag Porträte anschlagen und abnehmen und ein Gehämmer machen, daß man sein eignes Wort nicht hört.

[D 108]


Wenn du in einer gewissen Art von Schriften groß werden willst, so lese mehr, als die Schriften dieser Art. Wenn du auch schon nicht deine Äste über ein großes Stück Feld ausbreiten willst, so ist es deiner Fruchtbarkeit immer zuträglich deine Wurzeln weit ausgebreitet zu haben. Ein bloßer Leser des Wieland wird nie ein Wieland werden. Ich glaube Wieland nähme es wohl selbst über sich für die Wahrheit dieses Satzes Bürge zu werden.

[D 110]


[247] [249]Bilder wie: die Offenherzigkeit schlägt der Dankbarkeit ins Gesicht.

[D 119]


Man kann sicher bei verschlossenen Augen in das erste beste Buch den Finger auf eine Zeile legen, und sagen, hierüber ließe sich ein Buch schreiben. Wenn man die Augen auftut, so wird man sich selten betrogen finden.

[D 123]


So närrisch als es dem Krebse vorkommen muß wenn er den Menschen vorwärts gehen sieht.

[D 125]


[249] Die Einwohner von Otaheite essen jeder allein, und können nicht begreifen wie es möglich sei in Gesellschaft zu essen, zumal mit den Weibern. Banks wunderte sich und fragte warum sie allein äßen, sie sagten, sie täten es weil es recht wäre, warum es aber recht wäre, wollten und konnten sie nicht sagen.

[D 130]


[250] Alles bis auf das äußerste hinaus zu verfolgen, so daß nicht die geringste dunkle Idee zurückbleibt, mit Versuchen die Mängel daran zu entdecken, sie zu verbessern, oder überhaupt zu dieser Absicht etwas Vollkommneres anzugeben, ist das einzige Mittel uns den so genannten gesunden Menschen-Verstand zu geben, der der Haupt-Endzweck unsrer Bemühungen sein sollte. Ohne ihn ist keine wahre Tugend. Er macht allein den großen Schriftsteller, scribendi recte sapere est et principium et fons. Man muß nur wollen, war der Grundsatz des Helvetius.

[D 133]


Was sind unsere Gedanken und Vorstellungen, die wir wachend haben, anders, als Träume, wenn ich wachend an meine verstorbene Freunde gedenke, so geht die Geschichte fort ohne daß mir nur einmal einfällt sie seien tod, so wie im Traum, ich stelle mir vor ich hätte das große Los gewonnen, in dem Augenblick habe ich es, der hinten drein kommende Gedanke, daß ich es nicht gewonnen habe, wird erst hinten angetroffen als eine Urkunde zum Beweis des Gegenteils. Der würkliche Besitz eines Guts gewährt uns zuweilen Vergnügen die nicht stärker sind als die uns die bloße Vorstellung, wir besäßen es, gewährt. Unsere Träume können wir sanfter machen, wenn wir des Abends kein Fleisch essen, aber die andern? – –

[D 134]


[251] Einen Gedanken zu finden, wobei sich allemal jeder Mensch der ihn hört todlacht.

[D 137]


Heutzutage machen drei Pointen und eine Lüge einen Schriftsteller.

[D 139]


Die erste Satyre wurde gewiß aus Rache gemacht. Sie zu Besserung seines Neben-Menschen gegen die Laster und nicht gegen den Lasterhaften zu gebrauchen, ist schon ein geleckter abgekühlter zahm gemachter Gedanke.

[D 140]


Die Einwohner von Uliettea sandten dem Herrn Cook ein Mädchen und ein Schwein zum Zeichen der Freundschaft. Mittel gegen beide Arten von Hunger.

[D 141]


Die Einwohner von Neu-Guinea haben nach Herrn Cooks Bemerkung etwas das sie anzünden und das fast wie Pulver abbrennt. Sie haben es auch in hohlen Stäben, und von weitem glaubt man sie schössen. Es verursacht aber nicht einmal einen Knall. Vermutlich wollen sie den Europäern nachahmen. Die eigentliche Bedeutung haben sie nicht erfahren.

[D 142]


Ein Grab ist doch immer die beste Befestigung wider die Stürme des Schicksals.

[D 143]


[252] Er hat eine Seite herunter geLavatert.

[D 145]


Wenn eine gewisse Mode-Schreib-Art aufkommt, so muß man nicht so verächtlich von denen sprechen die dieselbe mitmachen, gegenteils verdienen sie Lob, es ist das beste Mittel dem Publiko eine [253] Wahrheit beizubringen. Meint ihr denn sie würde leichter hinuntergehen wenn auch das Vehiculum nicht nach der Mode ist? Nur nützliche Dinge gesagt. Wenn die gewöhnlichen Geldpressungen kein Geld mehr geben, so muß man Lottos errichten.

[D 156]


Daß Jacob Böhm ein enthusiastischer Pinsel gewesen, will ich jedem, der es behauptet, gerne zugeben, wenn er mir erlaubt ihn dafür für einen noch größern zu halten.

[D 158]


Wenn man unverständlichen nonsensicalischen Dingen eine vernünftige Deutung geben will, so gerät man öfters auf gute Gedanken, auf diese Art kann Jacob Böhms Buch manchem so nützlich sein, als das Buch der Natur.

[D 159]


Der Mensch ist vielleicht halb Geist und halb Materie, so wie der Polype halb Pflanze und halb Tier. Auf der Grenze liegen immer die seltsamsten Geschöpfe.

[D 161]


[254] [257]Acht Bände hat er geschrieben. Er hätte gewiß besser getan er hätte 8 Bäume gepflanzt oder 8 Kinder gezeugt.

[D 175]


Ein rechtes Sonntagskind in Einfällen.

[D 177]


Die Attraktion scheint bei der leblosen Materie das zu sein, was die Selbstliebe bei der lebendigen ist.

[D 178]


[257] [261]Daß die Seele nach dem Tode übrig bleibt, ist gewiß erst geglaubt und hernach bewiesen worden. Dieses zu glauben ist nicht seltsamer, als Häuser für einen einzigen Mann bauen, darin ihrer hundert Platz haben, ein Mädchen eine Göttin und einen gekrönten Wackermaul unsterblich zu nennen. Der Mensch ist kein künstlicheres Geschöpf, als die andern, er weiß es nur daß er ist und daraus läßt sich alles erklären, und wir tun wohl diese Eigenschaft unseres Geistes allen übrigen Eigenschaften eines Geistes vorzuziehen, da wir in der Welt die einzigen sind, die uns dieses streitig machen könnten.

[D 200]


Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, das heißt vermutlich der Mensch schuf Gott nach dem seinigen. Sieh unten p. 34 [D 274]

[D 201]


Wenn die Frankfurter Rezensenten wüßten, wie sie bei vernünftigen Leuten stünden, so würden sie gewiß jeden loben, den sie verworfen wissen wollen.

[D 203]


Heutzutage haben wir schon Bücher von Büchern und Beschreibungen von Beschreibungen.

[D 204]


Himmel laß mich nur kein Buch von Büchern schreiben.

[D 205]


[261] Eine affektierte Ernsthaftigkeit, die sich endlich in einer moralischen Lähmung der Gesichtsmuskeln endigt.

[D 210]


Wir sehen mit 2 Augen nur ein Bild, so lange uns die Bilder gleich nah sind und also auch ein beiläufig gleich großes Bild auf der Tunica retina formieren. Halte ich hingegen eine Sache nahe dem einen Auge und sehe mit beiden darnach, so sehe ich es doppelt, wiederum, wenn das Bild der Sache nicht auf ähnliche Teile in beiden Augen fällt, so sehen wir es doppelt, oder drittens in beiden Augen auf Stellen, die zwar einander ähnlich liegen, aber nicht diejenigen zusammengehörigen Stellen sind, auf welchen gewöhnlich ein einziges [262] Ding sein Bild formiert. Alles dieses beweiset dünkt mich hinlänglich, daß wir alle Sachen zweimal sehen, aber ohne allen Unterschied wegen der ähnlichen Lage der Bilder gegen unsern symmetrischen Körper, und daher sie für eins halten. Sobald nun das eine Bild im mindesten vergrößert wird, zum Exempel wenn man mit dem einen Auge nach einem Objekt, und mit dem andern nach eben demselben aber durch ein nur wenig vergrößerndes Fernglas sieht, so erscheint alles doppelt. So könnte unsere Seele zusammengesetzt sein, ohne daß die Empfindungen vervielfacht würden. Wir empfinden eine Sache nur einmal, nicht weil wir eins sind, sondern weil die Sache nach der Mehrheit der Stimmen unserer sinnlichen Werkzeuge nur eins sein soll, weil wir sie einerlei ansehen und für uns als eins angesehen werden kann. Ich fürchte nur gar zu sehr, daß der Gedanke von der Simplizität unserer Seele ein geborgter Begriff ist, wir können nicht für das Individuum A empfinden, also können auch mehr Substanzen nicht einen Gedanken gemeinschaftlich haben. Die Verhältnis der Gleichheit (könnte man oben beim Auge sagen) ist vielleicht in der Seele = o so wie es in der Arithmetik bei der Zusammensetzung der Verhältnisse ist. (Kunkeliana, Possen)

[D 212]


In einer gewissen Zeitung, ich weiß nicht mehr in welcher, tut ein Rezensent einen Ausfall auf die in philosophischen Schriften heutzutage überall hergeholte Metapher wodurch sich die Verfasser das Ansehen eines tiefen Durchdenkens zu geben wüßten. Dieses ist eine mechante Art zu räsonieren, wenn sie nicht mit Beispielen belegt wird. Ich denke der Rezensent der so spricht hat einmal gelesen, daß ein Mann, den er unter sich geglaubt hat, einen Gedanken, der tiefsinniger war, als er sie selbst zu haben pflegte, gleichsam in einer Metapher die auf einmal so viel faßte als des Rezensenten ganzer Vorrat wert war weggeworfen hat, und nun weiß er sich auf keine andere Art mehr zu trösten, als daß er annimmt, seichte Denker könnten sich das Ansehen, als wären sie tiefsinnige, vermittelst Metaphern geben. Lieber hätte er sagen sollen, einem feurigen Denker sind oft die Verhältnisse, welche schwachnervige allzu behutsame Philosophen für sehr schwer zu finden und einzusehen halten, Kinderspiel. Solche Regeln wie die obigen, wodurch man mit einem Anstand von philosophischer Gewissenhaftigkeit alle Wege verdächtig zu machen sucht, die nicht der unsrige sind, sind, so viel mir [263] bewußt, das Mittel wodurch oft Rezensenten ihrer Seichtigkeit den Anstrich des Durchgedachten zu geben wissen. Nur noch ein paar solche Regeln gemacht, so wird Shakespear, nach ihnen gerichtet, nichts als ein witziger Metaphern-Placker, weil er vermutlich zu seinen Bemerkungen nicht durch den Weg des hypochondrischen Grübelns gekommen ist.

[D 213]


[264] [267]Der gute Schriftsteller ist der der viel und lange gelesen und nach 100 Jahren noch in allerlei Format aufgelegt und eben dadurch das Vergnügen des Menschen im allgemeinen wird. Das ganze menschliche Geschlecht lobt nur das Gute, das Individuum oft das Schlechte.

[D 219]


Es ist mit dem Witz wie mit der Musik, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man.

[D 223]


[267] [269]Eine halb neue Erfindung mit einem ganz neuen Namen.

[D 235]


Was auf Shakespearisch in der Welt zu tun war hat Shakespear größtenteils getan.

[D 243]


[269] Das ist eine Arbeit wobei sich glaube ich die Gedult selbst die Haare ausrisse.

[D 245]


Weil doch nun einmal Geld in der Welt dasjenige ist was macht, daß ich das Kinn höher trage, freier aufsehe, sicherer auftrete, härter an andere anlaufe.

[D 247]


Die Professoren auf Universitäten sollten Schilde aushängen wie die Wirte.

[D 248]


Swiften mögte ich zum Barbier, Sterne zum Friseur, Newton beim Frühstück, Hume beim Kaffee gehabt haben.

[D 249]


Man könnte eine Diätetik schreiben für die Gesundheit des Verstandes.

[D 251]


Jeder Mensch hat seinen Zirkel von Kenntnissen, worin er sich besser zu finden weiß als der meiste Teil unsrer Philosophen sich in den ihrigen zu finden wissen. In diesem bemerkt er das Lächerliche, das Feine, das Dumme, das Überflüssige in einem Blick, und wie kann es anders sein, wenn ich die Absicht einer Sache kenne, und habe mir eine Kenntnis der bekannten Mittel erworben, so muß es mir leicht sein das Falsche in neuen Mitteln einzusehen. Wenn ich einem Küchen-Mädchen eine Beschreibung von einem Gericht geben will, und sagte ihr daß es ein cürieuses Essen und von einem besondern Wohlschmack sei, und daß man Grütze auf den Rand der Schüssel streuen könne, so wird sie mich sicher auslachen. Viele[270] Schriftsteller behandeln ihre Materien auf diese Art, das Widersinnige ist ihnen verborgen. Wenn man also Personen etwas begreiflich machen will, so muß man sich der Beispiele aus ihrem Zirkel bedienen, und wiederum kann man aus diesen Erfahrungen lernen was man zu tun hat um eine gewisse Wissenschaft sich zu seinem Zirkel zu machen.

[D 252]


Es wäre kein Wunder fürwahr wenn die Zeit einem solchen Schurken das Stundenglas ins Gesicht schmisse.

[D 253]


Sind wir nicht schon einmal auferstanden? Gewiß aus einem Zustand in welchem wir weniger von dem gegenwärtigen wußten, als wir in dem gegenwärtigen von dem künftigen wissen. Wie sich verhält unser voriger Zustand zu unserm jetzigen, so der jetzige zum künftigen.

[D 254]


Wenn unsere jetzt im Schwang gehende registerartige Gelehrsamkeit nicht bald zu ihrem Winterstillstand kommt, so ist allerdings viel zu befürchten. Der Mensch lebt allein um sein und seines Mitmenschen Wohl so sehr zu befördern als es seine Kräfte und seine Lage erlauben. Hierin kürzer zu seinem Endzweck zu gelangen nützt er die Versuche seiner Vorfahren. Er studiert. Ohne jene Absicht studieren, bloß um sagen zu können was andere getan haben, das heißt die letzte der Wissenschaften, solche Leute sind so wenig eigentliche Gelehrte, als Register Bücher sind. Nicht bloß wissen, sondern auch für die Nachwelt tun was die Vorwelt für uns getan hat, heißt ein Mensch sein. Soll ich um nichts noch einmal zu erfinden, was schon erfunden ist, mein Leben über der Gelehrten-Geschichte zubringen? Sagt man ja Dinge vorsätzlich 2 mal, und man nimmt es einem nicht übel, wenn nur die Einkleidung neu ist. Hast du selbst gedacht, so wird deine Erfindung einer schon erfundenen Sache gewiß allemal das Zeichen des Eigentümlichen an sich tragen.

[D 255]


Eigentlich nicht der menschliche Verstand, oder das menschliche Herz, sondern das menschliche Maul ist es für was wir sorgen, das wir bilden, für dessen Erziehung bedacht wir Bibliotheken und Abtritte mit Journalen anfüllen. Polen wird geteilt, der Orden der[271] Jesuiten aufgehoben, Holstein an Dänemark abgetretten. Davon reden 10 bis 15 politische Zeitungen wie es sich gehört mit untertänigst devotester Trockenheit. Aber nun hört einmal. Bahrdt travestiert das neue Testament. Da wird in allen gelehrten und ungelehrten Zeitungen gedonnert, gezischt, geklatscht, gepfiffen und getreten, Gläser entzwei geschlagen, Bleistifte stumpf notiert, Zähne verfroren, Dintenfässer für Sandbüchsen und Sandbüchsen für Schnupftabaksdosen angesehen, Perüquen aufgehoben und darunter gekratzt, in Journalen und Annalen darüber gesprochen gedacht und nicht gedacht. Mit allem Respekt vom Publikum gesprochen, wenn mein Bedienter so etwas täte, ich dankte ihn ab oder schickte ihn ins Zuchthaus. Endlich werden sich die großen Herrn noch der bedrückten Schriftsteller annehmen. Der Grund hiervon ist eine gewisse Weichlichkeit, die ihren Grund endlich im vielen Kaffeetrinken hat. Was höhere Wesen davon denken dahin will ich gar nicht einmal denken. Aber die Handwerks-Pursche.

[D 256]


Wenn ich sage, halte deine Zähne rein und spüle den Mund alle Morgen aus, das wird nicht so leicht gehalten, als wenn ich sage, nehme die beiden Mittelfinger dazu und zwar über das Kreuz. Des Menschen Hang zum Mystischen. Man nütze ihn.

[D 258]


[272] [275]So wie gewisse Schriftsteller nachdem sie ihrer Materie erst einen derben Hieb versetzt haben hernach sagen sie zerfalle von selbst in zwei Teile.

[D 272]


Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sagt die Bibel, die Philosophen machen es grade umgekehrt, sie schaffen Gott nach dem ihrigen.

[D 274]


[275] [279]Die Bauernmädchen gehen barfuß, und die Vornehmen barbrust.

[D 303]


Wenn die Menschen nicht in Etagen wohnten, so wäre die halbe Erde schon mit Häusern angefüllt, so bauen wir schon in die Luft wo wir nicht hingehören.

[D 304]


[279] ›Der erlegt für seine Renommee Postgeld.‹

[D 315]

[280] Über den Neger-Embryo in Spiritus.

Da liegt er noch in der Stellung, worin er Leben und Tag erwartete, Leben und Tag, die dem Armen nie erschienen. Kind wie glücklich bist du, schon so früh an dem Ziel, das Tausende deiner Brüder unter blutigen Striemen, unter Leiden ohne Zahl erst erreichen.

Armer Kleiner, wie glücklich bist du, die Ruhe die du genießest müssen sich Tausende deiner unglückseligen Brüder mit Blut unter der Geißel nichtswürdiger Krämer erkaufen. Nichts, nichts hast du an dieser Welt verloren, wo deine Rechte verkauft sind, und wo dein Herr ein Krämer gewesen wäre. Auch für ihn wäre es besser gewesen, der deine Kette schon bereit hielt, er hätte wie du den Tag nicht gesehen.

[D 322]


[281] Unsere Welt wird noch so fein werden, daß es so lächerlich sein wird einen Gott zu glauben als heutzutage Gespenster.

[D 329]


Daß der Mensch das edelste Geschöpf sei läßt sich auch schon daraus abnehmen, daß es ihm noch kein anderes Geschöpf widersprochen hat.

[D 331]


[282] Einer unsrer Voreltern muß in einem verbotenen Buch gelesen haben.

[D 339]


Die Täfelchen von Chocolade und Arsenik worauf die Gesetze geschrieben sind.

[D 340]


[283] Es muß untersucht werden, ob es überhaupt möglich etwas zu tun ohne sein eignes Bestes immer dabei vor Augen zu haben.

[D 350]


[284] [286]Man kann eine Sache wieder so sagen wie sie schon ist gesagt worden, sie vom Menschenverstand weiter abbringen, oder sie ihm nähern, das erste tut der seichte Kopf, das zweite der Enthusiast, das dritte der eigentliche Weltweise.

[D 364]


Der Deutsche ist nie mehr Nachahmer als wenn er absolut Original sein will, weil es andere Nationen auch sind, den Original-Schriftstellern [286] andrer Nationen fällt es nie ein Original sein zu wollen. Der Esprit du Corps zeugt Gedanken, in einer Rezensenten-Innung hat mancher Kopf einen Einfall gehabt, den er insuliert nicht gehabt haben würde.

[D 367]


Der oft unüberlegten Hochachtung gegen alte Gesetze, alte Gebräuche und alte Religion hat man alles Übel in der Welt zu danken.

[D 369]


Die Bewegungs-Gründe, woraus man etwas tut, könnten so wie die 32 Winde geordnet werden, und die Namen auf ähnliche Art formiert werden. Brod Brod Ruhm oder Ruhm Ruhm Brod, Furcht, Luft.

[D 370]


Bei noch jungfräulicher Vernunft.

[D 375]


[287] Ich wünschte, daß sich die ungenannten Freunde etwas deutlicher erklärt hätten, denn bekanntlich gibt es eine langsam schmerzhafte Widerlegung von unten herauf und dann eine andere, wo der erste Stoß gleich der Gnadenstoß ist.

[D 383]


[288] [290]Er hat den Kelch des Stolzes getrunken.

[D 394]


[290] Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?

[D 399]


[291] Die Hottentotten nennen das Denken die Geißel des Lebens. Que des Hottentots parmi nous! ruft Helvetius! Ein schönes Motto.

[D 403]


Ich glaube kaum, daß es möglich sein wird zu erweisen, daß wir das Werk eines höchsten Wesens, und nicht vielmehr zum Zeitvertreib von einem sehr unvollkommenen sind zusammengesetzt worden.

[D 412]


Je mehr man in einer Sprache durch Vernunft unterscheiden lernt, desto schwerer wird einem das Sprechen derselben. Im Fertig-Sprechen ist viel Instinktmäßiges, durch Vernunft läßt es sich nicht erreichen. Gewisse Dinge müssen in der Jugend erlernt werden, sagt man, dieses ist von Menschen wahr, die ihre Vernunft zum Nachteil aller übrigen Kräfte kultivieren.

[D 413]


[292] [294]Wenn wir mehr selbst dächten, so würden wir sehr viel mehr schlechte und sehr viel mehr gute Bücher haben.

[D 425]


Ich wünschte sehr ein wohlgetroffenes Porträt von Christo zu haben. Hätte man doch Münzen von ihm.

[D 426]


Das ganze Zeitungs-All.

[D 431]


[294] [297]Es gibt heuer eine gewisse Art Leute, meistens junge Dichter die das Wort Deutsch fast immer mit offnen Naslöchern aussprechen. Ein sicheres Zeichen daß der Patriotismus bei diesen Leuten sogar auch Nachahmung ist. Wer wird immer mit dem Deutschen so dicke tun? Ich bin ein deutsches Mädchen, ist das etwa mehr als ein englisches, russisches oder otaheitisches? Wollt ihr damit sagen [297] daß die Deutschen auch Geist und Talent besitzen? O das leugnet nur ein Unwissender oder ein Tor. Ich stelle mich zum Beweis, wenn er sich zur Behauptung stellt. Er sei Prinz, Duc, Bischof, Lord, Aldermann, Don oder was er will. Gut das ist ein Narre oder Unwissender wer das leugnet, das nehme ich schlechtweg an. Ich bitte euch Landesleute, laßt diese gänzlich unnütze Prahlerei, die Nation die uns verlacht und die die uns beneidet müssen sich darüber kützeln, zumal wenn sie inne werden, daß es ihnen gesagt sein soll.

[D 444]


[298] Der Mann hatte so viel Verstand, daß er fast zu nichts mehr in der Welt zu gebrauchen war.

[D 451]


[299] [301]Die beiden Frauenzimmer umarmten sich aus Grimasse, und hingen zusammen wie 2 Vipern in coitu.

[D 462]


Der Satz muß noch mit einem Bruch multipliziert werden.

[D 466]


Man wird in manchen Fällen bloß aus dem Grunde nicht gestraft, oder es sieht vielmehr so aus als wenn man nicht gestraft würde weil man die Strafe an sich selbst bezahlt. Das was ausgezahlt wird wird oft einem Teil genommen und an den andern erlegt. Einer kann an dem Ruhm ein witziger Schriftsteller zu sein zunehmen, während als der Kredit, den er als ehrlicher Mann hatte, abnimmt.

[D 467]


Die metaphorische Sprache ist eine Art einer natürlichen Sprache, die man sich aus den willkürlichen aber bestimmten Wörtern baut. Deswegen gefällt sie so sehr.

[D 468]


Wenn Scharfsinn ein Vergrößrungs-Glas ist, so ist der Witz ein Verkleinerungs-Glas. Glaubt ihr denn daß sich bloß Entdeckungen mit Vergrößerungs-Gläsern machen ließen? Ich glaube mit Verkleinerungs-Gläsern, oder wenigstens durch ähnliche Instrumente in der Intellektual-Welt sind wohl mehr Entdeckungen gemacht [301] worden. Der Mond sieht durch einen verkehrten Tubum aus wie die Venus und mit bloßen Augen wie die Venus durch einen guten Tubum in seiner rechten Lage. Durch ein gemeines Opern-Glas würden die Plejaden wie ein Nebelstern erscheinen. Die Welt, die so schön mit Bäumen und Kraut bewachsen ist, hält ein höheres Wesen als wir vielleicht eben deswegen für verschimmelt. Der schönste gestirnte Himmel sieht uns durch ein umgekehrtes Fern-Rohr leer aus.

[D 469]


Bemühe dich, nicht unter deiner Zeit zu sein.

[D 474]


Er war ein solcher aufmerksamer Grübler, ein Sandkorn sah er immer eher als ein Haus.

[D 475]


Wenn der Pabst heiraten wollte, so wüßte ich ihm keine tugendhaftere Frau vorzuschlagen.

[D 478]


[302] In der Republik der Gelehrten will jeder herrschen, es gibt da keine Aldermänner, das ist übel, jeder General muß so zu reden den Plan entwerfen, Schildwache stehen und die Wachtstube fegen, und Wasser holen, es will keiner dem andern in die Hände arbeiten.

[D 483]


[303] Alles verfeinert sich, Musik war ehmals Lärm, Satyre war Pasquill, und da wo man heutzutag sagt, erlauben Sie gütigst, schlug man einem vor alters hinter die Ohren.

[D 487]


Nonsense ist in der Tat etwas sehr Betrübtes, und ein Professor der welchen schreibt sollte freundlich auf Pension gesetzt werden.

[D 488]


[304] Der Mensch hat auch einen Trieb zum Wohl von andern unabhängig von dem perfice te, klingt just als wenn ein Professor Philosophiae den Menschen gemacht hätte, mehr charmant als wahr.

[D 493]


[305] Was die Franzosen den Verstand in einer Binde tragen nennen.

[D 502]


[306] Es ist minder schrecklich einen Venerischen der voller Geschwüre ist anzusehen, als einen andern Menschen der böse Geschwüre hat, vermutlich, weil es nur von uns abhängt, ob wir von jenem Übel befreit bleiben wollen, hingegen aber das letztere uns, wie wir wenigstens glauben, auch wider unser Verschulden befallen kann.

[D 508]


Ein Louisd'or in der Tasche ist besser als 10 auf dem Bücherschrank.

[D 509]


Brydone schlägt Ableiter für die Damen-Köpfe vor. Ableiter für ihre ....wäre besser.

[D 511]


[307] Unsere meisten Ausdrücke sind metaphorisch, es steckt in denselben die Philosophie unserer Vorfahren, und doch wollen Rezensenten das dem Menschen verbieten, wie derjenige, dessen ich unten p. 25 [D 213] Erwähnung getan.

[D 515]


Wäre damals ein Zoll auf die Gedanken gelegt worden, sie wäre gewiß insolvent geworden.

[D 516]


[308] Wie werden einmal unsere Namen hinter den Erfindern des Fliegens und dergleichen vergessen werden.

[D 525]


[309] Es gibt eine gewisse Art von gekünsteltem Unsinn den der Halbköpfige leicht für tiefe Weisheit, ja wohl gar für ein Weben des Genies hält, erstimulierte Ausbrüche eines fundamentlosen Enthusiasmus, ein fieberhaftes Haschen nach Originalismus ohne Richtigkeit der Empfindung, in welchem der Frankfurter Rezensent oder der Primaner aller Orten shakespearische Inspiration zu wittern glaubt, das Rauschen von Libanons ewiger Zeder, die donnernden Tritte des Würg-Engels, und den Klang der Posaune des letzten Tages hört. Es ist nichts. Fünf gegen eins, der Mann der es geschrieben hat ist ein Tropf, der mehr scheinen will als er ist, und damit ist seine arme Seele für den Ruhm der Nachwelt hin als hätte sie das Licht nie gesehen oder den Satz des Widerspruchs nie gedacht.

[D 530]


[310] [314]Entsprechen, entsagen.
versprechen, versagen.

[D 552]


Der Herbst, der der Erde die Blätter wieder zuzählt, die sie dem Sommer geliehen hat.

[D 559]


[314] Wenn man etwas ernstlich fürchtet, so bringen die entferntesten Dinge uns den Gegenstand in den Sinn. Für einen der am Hofe lebt kann die geringste Bewegung im Gesicht nicht des Prinzen selbst, sondern sogar seiner Diener einen glauben machen man sei in Ungnade gefallen. Doch machen die Charaktere hierin einen großen Unterschied, und wer eine Zeichnung machen will hat sehr darauf zu achten.

[D 561]


Ich habe seine Stärke im Kauderwelschen beständig bewundert.

[D 563]


Ein paar Dutzend Millionen Minuten machen ein Leben von 45 Jahren und etwas darüber.

[D 564]


[315] Ich bin aus vielfältiger Erfahrung überzeugt, daß die wichtigsten und schwersten Geschäfte in der Welt, die der Gesellschaft den meisten Vorteil bringen, durch die sie lebt und sich erhält, von Leuten getan werden die zwischen dreihundert und 800 oder 1 000 Taler Besoldung genießen, zu den meisten Stellen, mit denen 20, 30, 50, 100 Taler oder 2 000, 3 000, 4 000, 5 000 Taler verbunden sind, könnte man nach einem halbjährigen Unterricht jeden Gassenjungen tüchtig machen, und sollte der Versuch nicht gelingen, so suche man die Schuld nicht im Mangel an Kenntnissen, sondern in der Ungeschicklichkeit, diesen Mangel mit dem gehörigen Gesicht zu verbergen.

[D 573]


B. Aber Remus ist doch gewiß ein ehrlicher Mann. A. Das glaube ich, der hat sonst weiter nichts zu tun.

[D 576]


Mit wollüstiger Bangigkeit.

[D 577]


[316] Verzeichnis der Druckfehler in dem Druckfehler-Verzeichnis.

[D 580]


Da sie sahen, daß sie ihm keinen katholischen Kopf aufsetzen konnten, so schlugen sie ihm wenigstens seinen protestantischen ab.

[D 581]


Er war sonst ein Mensch wie wir, nur mußte er stärker gedrückt werden um zu schreien. Er mußte zweimal sehen was er bemerken, zweimal hören was er behalten sollte, und was andere nach einer einzigen Ohrfeige unterlassen, unterließ er erst nach der zwoten.

[D 584]


[317] Endlich kam er, gnau wie er versprochen hatte nach einem Viertelstündgen, das aber fast so lang war als anderthalb der gewöhnlichen bürgerlichen Stunden.

[D 591]


Heinrich der VIII. von England fühlte nicht eher einen Beruf ein Werk über die Religion und einen Glaubens-Codex zu schreiben, bis er erst den Bullen im Kabinett und in der Schlafkammer 40 Jahr gespielt hatte.

[D 592]


[318] [321]Grade das Gegenteil tun heißt auch nachahmen, es heißt nämlich das Gegenteil nachahmen.

[D 604]


[321] Manche unserer Original-Köpfe müssen wir wenigstens so lange für wahnwitzig halten, bis wir so klug werden wie sie.

[D 605]


Von dem Elend der Menschen kann der Anfang gemacht werden. – – Ich kann es daher gar den Kindern nicht verdenken wenn sie weinen so bald sie in die Welt kommen, oder gar schon vorher, wie uns Herr Wanley in seinen Wundern der kleinen Welt in einem eigenen Kapitel dergleichen Exempel anführt, die meisten[s] aus Deutschland hergeholt sind, wo es leider schon damals so zugegangen ist wie jetzt, und diese Würmgen also so gar unrecht nicht hatten. Und wenn einige Leute die Seelen der Verstorbenen gleich nach dem Abschied wollen haben lachen hören, so bin ich gar nicht abgeneigt den Erzählungen Glauben beizumessen, maßen ich nicht wüßte, was sich besser mit jenem Weinen bei dem Eintritt vertrüge. Hingegen begreife ich auf die Stunde noch nicht was Zoroastern bewegen konnte gleich in der ersten Stunde zu lachen.

[D 607]


Wenn sie noch unter ihre Oden setzten: Die Fortsetzung folgt, so ließe ich es noch gelten.

[D 609]


Der Plan der neuen Satyre kann der werden: Deutschland hat so lange nach Original-Köpfen geseufzt und jetzt, da sie allein am Musen-Almanach zu Dutzenden sitzen, die Gelehrten-Zeitungs-Comptoire und jeder Rezensent seinen aus dem Ton Bedlam anfängt, da klagt man überall über die Original-Köpfe, kein Mensch ginge mehr wie unter Franz dem Ersten, der eine hinkte, der andere affektiere ein steifes Knie, der dritte schlüge ein Rad, der 4. Purzelbäume, der fünfte ginge auf Stelzen, der sechste mache den Hasentanz, der siebente hüpfte auf einem Bein, der achte rollte, der neunte reite sein spanisch Rohr, der zehnte ginge auf den Knien, der elfte krieche und der 12. rutsche. Ich hätte es den Original-Köpfen vorher sagen wollen, und ich rate es allen denen die es werden wollen, so zu bleiben wie sie sind. Ich habe das immer gemerkt, daß man mit [322] unserm einfältigen Publikum so am weitesten kommt. Ich wollte einmal sehen, wer mir was sagen will, wenn ich bin was ich bin, so mögte ich einmal den sehen, der mir sagen will, was ich sein soll, den sollte der Henker holen, bist du denn ein Haar mehr? Aber wenn ich originell schreibe z.E. in synkopischen Sentenzen, fluche und schimpfe wie Shakespear, leire wie Sterne, senge und brenne wie Swift, oder posaune wie Pindar, meint ihr daß ihr Dank verdienen würdet? Ich will damit nicht sagen was die Leute tun würden, wenn ihr würklich schriebt wie Shakespear, Sterne, Swift und Pindar, da fände sich wohl hier und da noch ein ehrlicher Mann der ein Einsehen hätte, aber mit Fluchen und Schimpfen, Leiern Sengen Brennen und Posaunen richtet ihr in [Ewigkeit] gegen diese Leute nichts aus.

Ich weiß nicht, ob ich lebhafter empfinde als andere Menschen, ober ob ich weniger Unrecht leiden kann, oder ob ich meiner kurzen Statur wegen, da das Blut noch ganz heiß ist, wenn es vom Herzen nach dem Kopf kommt, geschwinder Schlüsse ziehe, aber mich dünkt, es ist um alle deutsche Autoren-Freiheit schlechterdings und unwiederbringlich geschehen, wenn wir noch zwei Messen dem zügellosen widersinnigen Geschrei des deutschen Publikums Gehör geben, das doch am Ende weiter nichts als Braunkohl und Rheinwein [will]. Vor der Schlacht bei Roßbach fehlte es den Faulenzern an Romanen; wir lesen die englischen Romane, so daß wir alle Straßen in London wissen, und [den] Galgen zu Tyburn so gut kennen als den unsrigen, wir äugeln im Park und treiben der Henker weiß was in Coventgarden, und so geben wir ihnen einen Roman. Nun hat das Kind einen Roman. Wir wollen deutsche Original-Charaktere hinein. Original-Charaktere? Geht hin – ich hätte bald etwas gesagt – geht hin, sagt das erst den Leuten, die die Kinder zeugen, und denen die sie beherrschen wenn sie groß sind, und nicht uns. Nun gut, so gebt uns Gedichte. Wir geben einen Zoll breite und 6zöllige, wie sie sie haben wollen, zu Zentnern. Die Buchstaben wollen ihnen nicht gefallen, gut wir nehmen lateinische, und einige Spottvögel nahmen damals zugleich blaue und rote Farbe. Dann schmeckte die Art zu servieren, aber das freut mich, ein Spottvogel hängt an jedem politischen Zeitungsblatt, und ein anderer machte sogar Tapeten und Fidibus und Almanach der Musen und nun fehlten nur noch Sinustafeln der Musen. Aber was tat das Publikum, war [323] es zufrieden? O in Ewigkeit nicht. Es wurde nur gröber und ausschweifender in seinen Forderungen und dachte mit einer einzigen unserer Republik auf einmal die Bank zu sprengen. Es verlangte Original-Genies und Original-Werke, aber das war grade der Platz wo wir sie erwarteten, und es ist ein betrübter Beweis, wie unerfahren der deutsche Leser in der Kenntnis seines eigenen Landes ist, immer mit den Augen jenseits des Rheins oder jenseits des Kanals sieht er nicht worauf er tritt. Ich habe seit jeher geglaubt daß unter allen Nationen in Deutschland die meisten Original-Genies marschfertig lägen, weil sie aber nicht verlangt wurden, so lebten sie und schrieben so fort wie wir gemeinen Schriftsteller von der Linken zur Rechten und von Empfindung und Gedanken zum Ausdruck immer in der kürzesten Linie wie unsere Väter, allein kaum war das Wort gegeben, wer original schreiben kann, der werfe seine bisherige Feder weg, als die Federn flogen wie Blätter in dem Herbste. Es war eine Lust anzusehen, 30 Yoricke ritten auf ihren Stecken-Pferden in Spiralen um ein Ziel herum das sie den Tag zuvor in einem Schritt erreicht hätten, der der sonst beim Anblick des Meeres oder des gestirnten Himmels nichts denken konnte, schrieb Andachten über eine Schnupftabaks-Dose. Shakespear stunden zu Dutzenden auf, wo nicht allemal in einem Trauerspiel, doch in einer Rezension. Da wurden Ideen in Freundschaft gebracht die sich außer Bedlam nie gesehen hatten; Raum und Zeit in einen Kirschkern geklappt und in die Ewigkeit verschossen, und das hieß eins, zwei, drei. Da geschahen tiefe Blicke in das menschliche Herz (oft ohne Leuchte), man sagte seine Heimlichkeiten und so ward Menschenkenntnis, selbst draußen in Böotien entstund ein Shakespear, der wie Nebukadnezar Gras statt Frankfurter Milchbrod fraß, und durch Prunkschnitzer sogar die Sprache originell machte. Niedersachsen summte seine Oden und hing sich die summenden Könige an zu summen und zu stechen, sang mit offenen Naselöchern und voller Gurgel Patriotismus und Sprache und ein Vaterland, das sie zum Teufel wünscht. Da erklangen Lieder und Romanzen, die es mehr Mühe kostete zu verstehen als zu machen. Kurz die Originale waren da und das Publikum, was sagte das? Erstlich beschämt über die unerwartete Menge stutzte es, und [dann] deklarierte es feierlich, das wären keine Originale, das wären Dichter aus Dichtern und nicht Dichter aus Natur, die meisten kennten die Welt so wenig als die Welt sie, das [324] Kapital werde nicht vermehrt, sondern nur die Sorten verwechselt, bald Kupfer in Silber und bald Silber in Gold umgesetzt usw. Hier haben wirs nun Freunde. Mich dünkt, unsere Sache ist jetzt zu klar als daß es nötig wäre lang zu überlegen was zu tun sei. Gesetzt auch wir gehorchten ihnen, unsere Original-Schriftsteller ließen diese Original-Köpfe fahren und versuchten mit No. 2, so würden wir dieselbe Antwort erhalten, und gesetzt sie träfens, so wären unterdessen die Herrn müde und wollten wieder etwas Neues. Kurz heut gebrochen ist besser als morgen. Es ist klar, sie wollen uns nur herumziehen wie die Bostonianer das Parlament, bis bei schwächern Nachkommen die jetzt noch biegsame Gewohnheit zu einem Gesetz verhärtet, das uns Schriftsteller zu Hofnarren des deutschen Publikums macht. Also nicht weiter jetzt. Ich sage, ihr habt Original-Köpfe verlangt, da sind sie zu Tausenden. Es wimmelt. Ihr erkennt sie nicht und ich spreche mit freier Stirn, ich erkenne sie dafür, mein Wort ist: Erst mich dann sie und nun trette auf den Sand wer will. 2

[D 610]


[325] [327]In der Vorrede kann gesagt werden: Man wird in dem Werkchen eine allgemeine Theorie der Künste für das Jahr 1775 finden.

[D 613]


Das ist bloß Phraseologie, nichts weiter.

[D 615]


Ich kann in der Welt nicht begreifen, was wir davon haben, den Alten so bei jeder Gelegenheit gleich den Bart zu streicheln, danken können sie es uns nicht, und aus den breiten und niedrigen Stirnen und den trotzigen Gesichtern zu schließen, worüber sich jeder deutsche Pitschierstecher aufhält, würden sie nicht einmal, wenn sie könnten. Es ist fürwahr eine mächtige Ehre für uns alte Studenten, daß es vor zweitausend Jahren Leute gegeben hat, die gescheuter waren als wir. Meint ihr vielleicht wir lebten noch in den Zeiten, wo die größte Weisheit in dem Bewußtsein bestund, daß man nichts weiß? Auf das Kapital borgt man euch keinen Magistertitul, so wenig als auf den Reichtum der in der Armut besteht einen Groschen. Nein Freunde, die Zeiten haben wir verschlafen. Diese Sätze sind heutzutage nichts weiter als schöne Nester von ausgeflogenen Wahrheiten. In den philosophischen Kunstkammern gehen sie mit, in die Haushaltungen taugen sie nicht einen Schuß Pulver. Eine herrliche Ehre heutzutage überzeugt zu sein, daß man nichts weiß. Ihr könnt schon daraus sehen, daß der Satz unmöglich mehr gelten kann, oder eure Klagen über die gegenwärtigen Zeiten sind noch in einem andern Betracht widersinnig. Das könnt ihr nicht leugnen, daß wir heutzutage mehr Leute haben, die nichts wissen, und die einfältige Überzeugung davon ließe sich ihnen bald beibringen.

[D 616]


Ich übergebe euch dieses Büchelgen als einen Spiegel um hinein nach euch und nicht als eine Lorgnette um dadurch und nach andern zu sehen.

[D 617]


[327] Ich habe mit meinen Augen in einer englischen Schrift gelesen, daß die Rede eines gewissen Mitgliedes im Parlament zwar ausgearbeitet, aber sehr vernünftig gewesen sei.

[D 620]


[328] [330]Man solle nicht bloß Satyren gegen die Gelehrten schreiben, ist eine Klage, die man in diesen Zeiten oft hört, ja es ist ein rechtes Feiertags-Principium der allgemeinen Bibliothek geworden. Oder besser so: Warum schreibt man bloß Satyren gegen die Gelehrten und nicht auch gegen andere Leute? Antwort: aus derselben Ursache warum die Ärzte wenn sie die Bewegung des Herzen und der Gedärme zeigen wollen keine Studenten aufschneiden sondern Hunde. Ich wollte daß der der so fragt den ersten Versuch machen müßte. Geht hin und schreibt einmal eine Satyre auf den regierenden Kammerdiener oder den Favorit-Bastard oder eine Mätresse oder einen Oberförster, doch von Satyren will ich gar nicht einmal reden, sagt selbst die Wahrheit.

[D 633]


Es ist nicht zu leugnen, daß das Wort Nonsense, wenn es mit gehöriger Nase und Stimme ausgesprochen wird, etwas hat, das selbst den Wörtern Chaos und Ewigkeit wenig oder nichts nachgibt. Man fühlt eine Erschütterung die wo mich meine Empfindung nicht betrügt von einer fuga vacui des menschlichen Verstandes herrührt.

[D 636]


[330] Man kann, was einer erfindet, immer ansehen als hätte er es verloren, es ist nur so zu reden verlegt in seinem Kopf, wer nichts in seinem Kopf verloren hat kann nichts finden.

[D 640]


[331] [336]Die so genannten gesitteten Menschen, die unter uns zu reden die allerungesittetsten sind.

[D 659]


Es gibt in Deutschland Länder, wo die christliche Religion noch nicht Wurzel gefaßt, oder wo sie wenigstens nicht die gehörige Wartung hat und aussieht als wenn sie ausgehen wollte.

[D 661]

[336]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lichtenberg, Georg Christoph. Aufzeichnungen und Aphorismen. [Aus den »Sudelbüchern«]. [Aus »Sudelbuch« D]. [Aus »Sudelbuch« D]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-EADF-5