[651] [Aus »Sudelbuch« J]
Ich habe öfters gesehen, daß sich wo die Schweine weiden, Krähen auf sie setzen, und achtgeben, wenn sie einen Wurm aufwühlen herabfliegen und ihn holen, alsdann sich wieder an ihre alte Stelle setzen. Ein herrliches Sinnbild von dem Kompilator, der aufwühlt, und dem schlauen Schriftsteller der es ohne viele Mühe zu seinem Vorteil verwendet.
[J 3]
[651] Bei dem studio der Mathematik kann wohl nichts stärkeren Trost bei Unverständlichkeiten gewähren, als daß es sehr viel schwerer ist eines andern Meditata zu verstehen, als selbst zu meditieren.
[J 9]
[J 12]
Die Haare stehen einem zu Berge, wenn man bedenkt: was für Zeit und Mühe auf die Erklärung der Bibel gewendet worden ist. Wahrscheinlich ein Million Oktav – Bände jeder so stark als einer der allg[emeinen]. d[eutschen]. Biblioth. Und was wird am Ende der Preis dieser Bemühungen nach Jahrhunderten oder –tausenden sein? Gewiß kein anderer als der: die Bibel ist ein Buch von Menschen geschrieben, wie alle Bücher. Von Menschen die etwas anderes waren[652] als wir, weil sie in etwas andern Zeiten lebten; etwas simpler in manchen Stücken waren als wie wir, dafür aber auch sehr viel unwissender; daß sie also ein Buch sei worin manches Wahre und manches Falsche, manches Gute und manches Schlechte enthalten ist. Je mehr eine Erklärung die Bibel zu einem ganz gewöhnlichen Buche macht, desto besser ist sie, alles das würde auch schon längst geschehen sein, wenn nicht unsere Erziehung, unsere unbändige Leichtgläubigkeit und die gegenwärtige Lage der Sache entgegen wären.
[J 17]
In einer Beilage zum Freimüthigen (einer sehr guten katholischen periodischen Schrift) wird ein Gedanke, den ich selbst öfters gehabt habe sehr gut ausgedrückt: Nämlich der Mann sagt: ich bin biblisch – katholischer Christ und kein römisch – katholischer Glaubens – Sklave. Ihr tadelt mich, daß ich meiner Vernunft folge, folgt ihr denn etwas anderm? Nein, Ihr folgt Eurer Vernunft, weil sie euch lehrt, daß ihr euch der Meinung der Kirche blindlings unterwerfen sollt, und ich folge der meinigen, weil sie mich lehrt, daß ich alles, wie der Apostel, prüfen und das Beste behalten soll. Ihr haltet mich für unweise, weil ich meiner Vernunft folge, und ich euch nicht für klüger weil ihr der Eurigen so folgt.
[J 18]
Zu Aufweckung des in jedem Menschen schlafenden Systems ist das Schreiben vortrefflich, und jeder der je geschrieben hat, wird gefunden haben, daß Schreiben immer etwas erweckt was man vorher nicht deutlich erkannte, ob es gleich in uns lag.
[J 19]
[653] Man soll alle Menschen gewöhnen von Kindheit an in große Bücher zu schreiben, alle ihre Exercitia, in hartes Schweinsleder gebunden. [654] Da sich kein Gesetz daraus machen läßt, so muß man Eltern darum bitten, wenigstens mit Kindern, die zum Studieren bestimmt sind. Wenn man jetzt Newtons Schreibbücher hätte! Wenn ich einen Sohn hätte, so müßte er gar kein Papier unter Händen bekommen, als eingebundenes, zerrisse er es, oder besudelte er es, so würde ich mit väterlicher Dinte dabei schreiben: dieses hat mein Sohn anno * den *ten besudelt. Man läßt den Körper und Seele, das Punctum saliens der Maschine fortwachsen und verschweigt und vergißt es. Die Schönheit wandelt auf den Straßen, warum sollten nicht in dem Familien – Archiv die Produkte, oder vielmehr die Signaturen der Fortschritte des Geistes hinterlegt bleiben, und der Wachstum dort eben so sichtbar aufbewahrt liegen können? Der Rand müßte gebrochen werden, und auf einer Seite immer die Umstände und zwar sehr unparteiisch geschrieben werden. Was für ein Vergnügen würde es mir sein, jetzt meine Schreibbücher alle zu übersehen! Seine eigne Naturgeschichte! Man sieht jetzt immer was man ist und sehr schwach was man war. Man müßte den eigentlichen Gegenstand der Sammlung die Dinge nicht zu oft sehen lassen. Vielleicht nur erst spät sehen lassen, das übrige müßte er bloß aus Relationen kennen. Man hebt die Kinderhäubchen auf, und ich habe öfters selbst den Zusammenkünften mit beigewohnt, da man einem sehr großen, besoldeten und ansehnlichen Kopf sein Kinderhäubchen wies. Warum nicht eben so mit Werken des Geistes. Die Eltern könnten eine solche Sammlung von Bänden eben so aufbewahren, wie ihr Kind, denn es ist der Spiegel desselben. Wie sie seinen Leib zu bilden haben lehrt sie ihr Auge; wie seinen Geist, der Anblick dieser Bände. Vom 4ten Jahre glaube ich könnte man anfangen. Kein Band müßte verloren werden. Denn das Papier müssen sie doch bezahlen, und das Aufbehalten macht keine Schwierigkeiten. Ich wüßte nicht welches angenehmer und nützlicher wäre, die Bewegung aller Planeten zu kennen, oder diese Annalen einiger vorzüglicher Men schen. Die Welt würde dadurch sehr gewinnen.
[J 26]
Die Kantische Philosophie mag ein Reich aufrichten was für eines sie will, so wird sie doch, wenn sie nicht zu alten, bekannten [655] Lappereien herabsinken will, zugeben müssen, daß unseren Vorstellungen etwas in der Welt korrespondiert.
[J 28]
[656] [658]Wenn bei kleinen Personen alles Innere stark und gut ist, so sind sie gewöhnlich lebhafter als andere Menschen, weil bei gleicher Bluterzeugung weniger Masse zu versorgen ist. Zwerge und Riesen sind gemeiniglich gleich dumm, weil bei erstern die Kräfte fehlen, und bei letzteren zu viel zu bestreiten ist. Vielleicht kömmt es noch dahin, daß man die Menschen verstümmelt, so wie die Bäume, um desto bessere Früchte des Geistes zu tragen. Das Kastrieren zum Singen gehört schon hieher. Die Frage ist ob sich nicht Maler und Poeten eben so schneiden ließen.
[J 41]
[658] Es ist freilich nötig, daß, wenn die nützliche, arbeitende Volks – Klasse erhoben werden soll in Kenntnissen, die höhere sehr viel weiter sein muß um sie nachzuschleppen. Allein dieses sehr viel weiter ist relativ. Wenn unsere Gelehrten so fortarbeiten, so werden sie sich immer mehr von der gemeinen Menschen – Klasse entfernen, und der Eifer, jene nach sich zu ziehn, wird immer größer, aber auch die Verachtung größer werden, womit man jene Menschen ansieht. Der Katholike ist in dieser Rücksicht billiger als wir, er gibt das nach, was wir verlangen, daß der Niedrigere zugeben soll. Er segelt langsamer um die schlechten Segler bei sich zu behalten, wir mit vollen Segeln, und hoffen, was kaum zu erwarten ist, daß uns die Kleinen nachkommen sollen.
[J 43]
Ob ich gleich weiß, daß sehr viele Rezensenten die Bücher nicht lesen die sie so musterhaft rezensieren, so sehe ich doch nicht ein was es schaden kann, wenn man das Buch lieset, das man rezensieren soll.
[J 46]
Ich habe einmal, wo ich nicht irre in Rousseau's Emil gelesen, daß ein Mann der täglich mit der Sonne aufstund und mit Untergang derselben zu Bette ging, über 100 Jahr alt geworden sein soll. Ich [659] glaube aber, wo man eine solche Ordnung in einem Manne antrifft, da sind auch mehrere zu vermuten, und diese mögen dann die Ursache des Alters gewesen sein.
[J 49]
[J 50]
[660] Der schwächste aller Menschen ist der Wollüstling, der nach dem Leibe sowohl als der nach dem Geist, ich meine der Hurer und der Betbruder, der der mit Mädchen und der mit Religion hurt. Gott bewahre alle Menschen vor einem so hurenden Könige und Minister. Und Gott behüte einen solchen König und Minister vor vernünftigen Untertanen.
[J 59]
[661] [663]Die Träume können dazu nützen, daß sie das unbefangene Resultat, ohne den Zwang der oft erkünstelten Überlegung, von unserm ganzen Wesen darstellen. Dieser Gedanke verdient sehr beherzigt zu werden.
[J 72]
Ein Schullehrer und Professor kann keine Individuen erziehn, er erzieht bloß Gattungen. Ein Gedanke, der sehr viele Beherzigung und Auseinandersetzung verdient.
[J 73]
Ich glaube, daß der Instinkt im Menschen dem geschlossenen Räsonnement vorgreift, und daß daher manches von minder gelehrten, aber dabei gnauen Empfindern offenbart sein mag, was das geschlossene Räsonnement noch bis jetzt nicht erreichen und verfolgen kann. Es erzeugt sich tierische Wärme, und wird erzeugt werden, ohne daß man noch gnau im Stande ist zu erklären, woher sie komme. Dahin rechne ich die Lehre über die Unsterblichkeit der Seele. Es wird nach unserm Leben so sein wie es vor demselben war, dieses ist ein triebmäßiger, instinktmäßiger Vorgriff vor allem Räsonnement. [663] Man kann es noch nicht beweisen, aber für mich hat [es], zusammengenommen mit andern Umständen, Ohnmachten, Betäubungen, eine unwiderstehliche Gewalt, und hat es auch vermutlich für eine Menge von Menschen, die es nicht gestehen wollen. Kein einziges Räsonnement hat mich noch vom Gegenteil überzeugt. Meine Meinung ist Natur, jenes ist Kunst, deren Resultat alles so sehr und stark widerspricht, als nur etwas widersprechen kann.
[J 78]
[J 91]
[665] [667]Ich habe mich nach dem Strom der Gesinnungen gerichtet, und zweierlei gesucht, entweder reich oder ein Betbruder zu werden, es ist mir aber keines geglückt.
[J 98]
[J 100]
Der gemeine Mann hält bei seinem Kirchengehen und Bibellesen die Mittel für Zweck. NB. ein sehr gewöhnlicher Irrtum.
[J 102]
[667] [669]Das Höchste wozu sich ein schwacher Kopf von Erfahrung erheben kann, ist die Fertigkeit die Schwächen besserer Menschen auszufinden.
[J 109]
[J 110]
Die Katholiken verbrannten ehmals die Juden, und bedachten nicht, daß des lieben Gottes Mutter von der Nation war, und bedenken noch jetzt nicht, daß sie eine Jüdin anbeten.
[J 111]
[J 119]
[670] [673]Ich vergesse das meiste was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe, ich weiß aber so viel, beides trägt nichts desto weniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (besser)
[J 133]
[673] Ein kanadischer Wilder, dem man alle Herrlichkeit von Paris gezeigt hatte, wurde am Ende gefragt was ihm am besten gefallen hätte. Die Metzger – Läden, sagte er.
[J 139]
[674] Jacobi über die Lehre des Spinoza
Vorrede. XVII. Lessing sagt: Es gibt keine andere Philosophie, als die des Spinoza.
ibid. Der bündige Determinist unterscheidet sich nicht vom Fatalisten. Jacobi.
XXI. Herrn Jacobis Schriften über Idealismus undRealismus und Briefe an Mendelssohn führen darauf hinaus, daß wir von dem Wesen aller Wesen nichts begreifen, und seine Natur, wenn wir sie erforschen wollen nach unserer Vorstellungs – Art sogar unmöglich finden müssen.
Beide aber lehren zugleich den Glauben an diesesunbegreifliche Wesen pp (also bloß unbegreiflich? Der Glaube ist hier etwas gar Elendes. Was ist glauben? Wir müssen freilich glauben).
Jacobi hält für den ganzen Geist des Spinozismus das a nihilo nihil fit. (Ich sehe auch nicht ein, wie wir daraus, daß alles in dem Phänomen seine Ursache hat, erweisen wollen, daß das Ganze eine Ursache außer sich habe, wenn man nicht vorher erwiesen hat, daß man sich jener ersten Ursache nähere, so wie etwa bei Ausdrücken für Irrationalzahlen, das ist aber unmöglich zu erweisen. πμ)
[J 144]
[675] Warum hat Gott so viel Angenehmes in das Doppelte gelegt. Mann und Frau, das Zwei verdient Aufmerksamkeit. Ist es vielleicht mit Leib und Seele eben so?
[J 153]
[J 154]
[J 158]
Das Donnerwetter sah so fürchterlich im Anzuge aus, daß einige Leute behaupteten sie hätten würklich Cherubims – Köpfe und Posaunen heraus gucken sehen.
[J 160]
[J 161]
[J 162]
Bei unserer elenden Erziehung, wo wir in der zweiten Hälfte des Lebens wieder vergessen müssen, was wir in der ersten gelernt haben, erfordert also Simpel – Schreiben Anstrengung, und daher glaubt man endlich alles was Anstrengung erfordert sei simpel und gut.
[J 163]
[J 164]
[J 170]
Wenn ich im Traum mit jemanden disputiere und der mich widerlegt und belehrt, so bin ich es der sich selbst belehrt, also nachdenkt. Dieses Nachdenken wird also unter der Form von Gespräch angeschaut. Können wir [uns] also wundern, wenn die frühen Völker das was sie bei der Schlange denken (wie Eva) ausdrücken durch: die Schlange sprach zu mir. Der Herr sprach zu mir. Mein Geist [677] sprach zu mir. Da wir eigentlich nicht gnau wissen wo wir denken, so können wir den Gedanken hin versetzen, wo wir wollen. So wie man sprechen kann, daß man glaubt es komme von einem Dritten, so kann [man] auch so denken, daß es läßt, als würde es uns gesagt: Genius Sokratis pp. Wie erstaunend vieles ließe sich nicht durch die Träume noch entwickeln.
[J 171]
Es wäre ein denkendes Wesen möglich dem das Zukünftige leichter zu sehen wäre als das Vergangene. Bei den Trieben der Insekten ist schon manches, das uns glauben machen muß, daß sie mehr durch das Künftige, als das Vergangene geleitet werden. Hätten die Tiere eben so viel Erinnerung des Vergangenen als Vorgefühl vom Künftigen, so wäre uns manches Insekt überlegen, so aber scheint die Stärke des Vorgefühls immer in umgekehrter Verhältnis mit der Erinnerung an das Vergangene zu stehen.
[J 178]
[678] Der Deutsche holt bei Beschreibung psychologischer Dinge vieles vom Fallen, es fällt mir ein, es ist mirentfallen, es ist mir aufgefallen. Zufall, casus accidit. Beifall.
[J 180]
Der Mann machte sehr viel Wind. B. O nein! wenn es noch Wind gewesen wäre, es war aber mehr ein wehendes Vakuum.
[J 181]
Bei dem ist Hopfen und Malz verloren. B. Das setzt voraus, daß es mit ihm auf Bier angelegt gewesen wäre. Das ist es aber nicht. Es war alles Wassersuppe.
[J 182]
[J 183]
[J 185]
[679] Es gibt in Rücksicht auf den Körper gewiß wo nicht mehr doch eben so viele Kranke in [680] der Einbildung als würklich Kranke, in Rücksicht auf den Verstand eben so viel, wo nicht sehr viel mehr Gesunde in der Einbildung als würklich Gesunde.
[J 193]
[681] [683]Wenn sie auf dem Leihhause Menschen annähmen, so möchte ich wohl wissen wie viel ich auf mich geborgt bekäme. So sind die Schuldtürme eigentlich Leihhäuser, in welchen man nicht sowohl auf Meubeln, als auf die Besitzer selbst Geld leiht.
[J 208]
[683] Er hieß dieses: mit stilltätiger Gedult abwarten. Dieses ist eine große Regel. Die Menschen ändern sich von selbst, wenn man sie nicht ausdrücklich ändernwill, sondern ihnen nur unmerklich die Gelegenheit macht zu sehen und zu hören. Viele Unternehmungen mißlingen bloß, weil man die Früchte davon noch gerne erleben wollte.
[J 218]
Was eigentlich den Schriftsteller für den Menschen ausmacht ist beständig zu sagen, was vorzüglichste Menschen, oder überhaupt der [684] größte Teil denkt oder fühlt ohne es zu wissen, die Mittelmäßigen sagen nur, was jeder würde gesagt haben. Hierin besteht ein großer Vorteil zumal der dramatischen und Romanen – Dichter.
[J 222]
Wenn auch das Gehen auf 2 Beinen dem Menschen nicht natürlich ist, so ist es doch gewiß eine Erfindung, die ihm Ehre macht.
[J 226]
Man erleichtert sich, habe ich irgendwo gelesen, die Betrachtungen über die Staaten, wenn man sie sich als einzelne Menschen gedenkt. Sie sind also auch Kinder und so lange sie dieses sind mögen sie monarchisch am besten sein. Wenn aber die Kinder groß werden, so lassen sie sich nicht mehr so behandeln, denn sie werden alsdann würklich nicht selten klüger, als der Vater.
[J 227]
Ich habe irgendwo gelesen: Die christliche Moral wird überall Unterstützung und Supplement der Gesetze, da hingegen alles übrige bei der Religion Unterstützung des Aberglaubens.
[J 228]
[685] Marivaux zu einem gesunden Bettler: Könnt Ihr nicht arbeiten? Der Bettler: Ach lieber Herr, wenn Sie wüßten wie faul ich bin, Sie würden gewiß Mitleiden mit mir haben. Diese Aufrichtigkeit gefiel ihm und er gab ihm etwas.
[J 232]
[686] Noch eine neue Religion einzuführen die die Würksamkeit der christlichen haben sollte ist wohl unmöglich, deswegen bleibe man dabei und suche lieber darauf zu tragen, und gewiß sind auch die Ausdrücke Christi so beschaffen, daß man so lange die Welt steht das Beste wird hinein tragen können.
[J 235]
Ich möchte wohl wissen, was es geben würde, wenn ganz Europa einmal recht erzkatholisch wäre, keine Protestanten, die lächelten, und kluge Köpfe erweckten, und sich kein Pfaffe mehr zu schämen hätte, wenn alles so fortgegangen wäre wie vor einigen Jahrhunderten, so würde der Pabst göttlich verehrt, und sein Dreck nach Karaten geschätzt und verkauft worden sein, ja man hätte wohl gar die Bibel angefangen: Am Anfang schuf der Pabst Himmel und Erden.
[J 236]
Gott hat gesagt: Du sollst nicht stehlen, das würkt besser als alle Demonstrationen von Schädlichkeit des Diebstahls, und Gott, er sei wer er wolle, hat es ja auch gesagt, die Natur der Dinge, die dem Philosophen freilich respektabel ist, aber [dem] Pöbel nicht. Er versteht was das sagt: Gott! aber keine Demonstration. Wenn ich also sage: Es gibt ein Wesen, das die Welt erschaffen hat, oder das die Welt ist, das die Tugend belohnt und das Laster bestraft, so ist ja das alles wahr, und wie kann ich dem Volke geschwinder Ehrfurcht gegen dieses Wesen beibringen als wenn ich es ihm personifiziere? Man muß immer bedenken was auch Necker gesagt [hat], unter dem Volk gibt es keine redliche Atheisten. Der Gelehrte wird durch andere Dinge im Zaum gehalten.
[J 238]
[J 241]
Aufklärung in allen Ständen besteht eigentlich inrichtigen Begriffen von unsern wesentlichen Bedürfnissen.
[J 246]
[J 248]
[689] Es schicken wohl wenige Menschen Bücher in die Welt, ohne zu glauben, daß nun jeder seine Pfeife hinlegen oder sich eine anzünden würde um sie zu lesen. Daß mir diese Ehre nicht zugedacht ist, sage ich nicht bloß, denn das wäre leicht, sondern ich glaube es auch, welches schon etwas schwerer ist, und erlernt werden muß. Autor, Setzer, Korrektor, Zensor, der Rezensent kann es lesen, wenn er will, aber nötig ist es nicht, das sind also von 1000,000,000 grade 5.
[J 253]
[690] Die gemeinen Leute unter den Katholiken beten lieber einen Heiligen an, oder richten ihr Gebet an ihn, als an den lieben Gott, so wie sich die Bauern immer lieber an die Bedienten halten. Gleich und gleich gesellt sich gern.
[J 260]
[691] [693]Offenbarung macht nicht, daß ich eine Sache begreife, sondern daß ich sie, wenn sie Autorität hat, begreife. Aber welche Autorität kann mir etwas aufdringen zu glauben, das meiner Vernunft widerspricht? Gottes Wort allein. Aber haben wir denn ein Wort Gottes außer der Vernunft? Gewiß nicht. Denn daß die Bibel Gottes Wort ist, das haben Menschen gesagt, und Menschen können kein anderes Wort Gottes kennen, als die Vernunft.
[J 269]
Es ist wenigstens von Herrn Kant nicht freundschaftlich gegen seine Leser gehandelt, daß er sein Werk so geschrieben hat, daß man es studieren muß wie ein Werk der Natur. Bei Werken der Natur wird der Fleiß und der Eifer bei der Untersuchung durch die Überzeugung unterhalten, daß das Ganze der Untersuchung wert ist und daß man etwas seines Fleißes Würdiges finden würde, wenn man etwas fände. Allein bei menschlichen Werken ist dieses nicht zu erwarten, denn da kann es sein daß der Verfasser sich geirrt hat und daß alles auf Jacob – Böhmismus hinausläuft. Herr Kant hatte freilich schon vielen Kredit in der Welt, dafür betraf aber auch sein Buch einen Gegenstand, der an sich nicht der interessanteste für die Welt [ist], und doch mußte man Begriffe, wie den von Vorstellung, selbst aus wiederholter Lesung des Buchs kennen lernen. Die Gegenstände von Herrn Kants Buch sind freilich sehr interessant, aber das konnte doch nicht jedermann gleich wissen.
[J 270]
Lange vor der Erfindung des Pabsttums und des Fegfeuers war es schon gebräuchlich für die Verstorbenen zu beten. Ich glaube mich hat auch einmal die Liebe zu meiner Mutter verleitet für sie zu beten. Es ist dieses weiter nichts, als die Vermenschung, Vermenschlichung alles dessen, wovon wir nichts wissen und nichts wissen können, die man überall antrifft.
[J 271]
[693] Unsere Theologen wollen mit Gewalt aus der Bibel ein Buch machen, worin kein Menschen – Verstand ist.
[J 277]
Daß zuweilen eine falsche Hypothese der richtigen vorzuziehen sei sieht man aus der Lehre von der Freiheit des Menschen. Der Mensch ist gewiß nicht frei, allein es gehört sehr tiefes Studium der Philosophie dazu sich [durch] diese Vorstellung nicht irre führen zu [694] lassen; ein Studium zu welchem unter Tausend [die] nicht die Zeit und Gedult haben, und unter 100 die sie haben, kaum einer den Geist hat. Freiheit ist daher eigentlich die bequemste Form sich die Sache zu denken und wird auch allezeit die übliche bleiben, da sie so sehr den Schein für sich hat.
[J 278]
Vor Gott gibt es bloß Regeln, eigentlich nur eine Regel und keine Ausnahmen. Weil wir die oberste Regel nicht kennen, so machen wir General – Regeln, die es nicht sind, ja es wäre wohl gar möglich, daß das, was wir Regel nennen, wohl selbst noch für endliche Wesen Ausnahmen sein könnten.
[J 279]
Ich glaube, daß der Spinozist, und der Deist nur differieren wie der Newtonianer und der Eulerianer in Rücksicht auf Farbentheorie.
[J 280]
Der Glaube an einen Gott ist Instinkt, er ist dem Menschen natürlich so wie das Gehen auf 2 Beinen, modifiziert wird er freilich bei manchen, bei manchen gar erstickt. Regulariter ist er da und ist zur Wohlgestaltheit des Erkenntnisvermögens unentbehrlich (zur innern Wohlgestalt).
[J 281]
Beide Systeme führen so gewiß einen verständigen Geist auf Eins hinaus, daß man, um zu sehen ob man in dem Spinozismus richtig ist, sich des deistischen bedienen kann, so wie man sich des Augenmaßes oft zur Probe der gnausten Messungen bedient.
[J 282]
[695] [698]Ich glaube von Grund meiner Seele und nach der reifsten Überlegung, daß die Lehre Christi, gesäubert von dem verfluchten Pfaffen[ge]schmier, und gehörig nach unserer Art sich auszudrücken verstanden, das vollkommenste System ist, Ruhe und Glückseligkeit in der Welt am schnellsten, kräftigsten, sichersten und allgemeinsten zu befördern, das ich mir wenigstens denken kann. Allein ich glaube auch daß es noch ein System gibt, das ganz aus der reinen Vernunft erwächst und eben dahin führt, allein es ist nur für geübte Denker und gar nicht für die Menschen überhaupt, und fände es auch Eingang, so müßte man doch die Lehre Christi für die Ausübung wählen. Christus hat sich zugleich nach dem Stoff bequemt, und dieses zwingt selbst dem Atheisten Bewunderung ab. (In welchem Verstand ich hier das Wort Atheist nehme wird jeder Denker fühlen.) Wie leicht müßte es einem solchen Geist gewesen sein ein System für die reine Vernunft zu erdenken, das alle Philosophen völlig befriedigt hätte. Aber wo sind die Menschen dazu? Es wären vielleicht Jahrhunderte verstrichen, wo man es gar nicht verstanden hätte, und so etwas soll dienen das menschliche Geschlecht zu leiten und zu lenken und in der Todesstunde aufzurichten? Ja was würden nicht die Jesuiten aller Zeiten und aller Völker daraus gemacht haben? Was die Menschen leiten soll muß wahr aber allen verständlich sein. Wenn es ihm auch in Bildern beigebracht wird, die er sich bei jeder Stufe der Erkenntnis anders erklärt. S.p. 47.
[J 295]
[698] ad pag. 45 unten [J 295]: Ich glaube pp. Schmerz warnt uns ja unsere Glieder nicht bis zum Zerbrechen anzustrengen. Was für Kenntnisse gehörten nicht dazu dieses durch bloße Vernunft einzusehen. Es tut dem Baumeister nicht weh wenn ein Brückenpfeiler zu schwach ist und Not leidet, so kann offenbarte Religion fühlbar machen, was durch Spinozismus zu berechnen zu schwer wäre, und man darüber zu Grunde gehen könnte.
[J 302]
[J 304]
[699] Statt zu übersetzen sollten sich Köpfe die nichts Besseres zu tun wissen auf das Register-Machen legen.
[J 311]
[700] [702]Wenn wir würklich die freien Wesen wären, die man uns zu sein glauben machen will, so müßten unsere Gedanken mehr zurück würken können. Wir müßten Donnerwetter durch ernstliches Wollen aufhalten können, so aber wird unser sogenannter Geist durch die Umstände determiniert, er selbst aber kann nicht zurück würken, sondern er determiniert bloß leidend wieder den Körper pp.
[J 322]
[J 323]
Hinten hat er einen falschen Zopf eingebunden und vornen ein frommes Gesicht, das nicht viel echter war, auch zuweilen wie jener bei heftigen Bewegungen ausfiel.
[J 326]
[J 328]
Das Zimmer war ganz leer ein bißchen Sonnenschein aus der zweiten Hand ausgenommen, das auf der Erde lag.
[J 330]
[703] Meine Phantasie scheute, so wie Pferde und lief fort mit mir. Dieses drückt meinen Zustand in der Empfindlichkeit am besten aus.
[J 343]
[J 344]
[J 346]
In England wurde bei einem politischen Frauenzimmer-Club festgesetzt, daß bei wichtigen Vorfällen außer der Präsidentin nur noch zwei Personen zu gleicher Zeit reden sollten.
[J 351]
[J 353]
Die unnützesten Schriften in unsern Tagen scheinen die moralischen zu sein nachdem wir die Bibel haben, man mögte fast (die Bemerkung eines Unbekannten (T.H.W.) in Gentleman's Magazine 1789. Mai) den Ausspruch des Kalifen Omar bei dem Brand der Alexandrinischen Bibliothek gebrauchen: Entweder sie enthalten was in der Bibel steht, und dann sind sie unnütz, oder sie sind [705] darwider und dann muß man sie verbrennen. Unsere meisten moralischen Schriften sind würklich nur schöne Rahmen um die 10 Gebote.
[J 354]
[J 357]
Es gibt zwar viele rechtschaffene Christlichen, das ist gar keine Frage, so wie es überall und in allen Ständen gute Menschen gibt, allein so viel ist gewiß, in corpore und was sie als solches unternommen haben ist nie viel wert gewesen.
[J 358]
Wenn es noch ein Tier gäbe dem Menschen an Kräften überlegen, das sich zuweilen ein Vergnügen machte mit ihm zu spielen, wie die Kinder mit Maikäfern, oder sie in Kabinetten aufspießte wie Schmetterlinge. Ein solches Tier würde wohl am Ende ausgerottet werden, zumal wenn es nicht an Geisteskräften dem Menschen sehr weit überlegen wäre. Es würde ihm unmöglich sein sich gegen die Menschen zu halten. Es müßte ihn dann verhindern seine Kräfte im mindesten zu üben. Ein solches Tier ist aber würklich der Despotismus und doch hält er sich noch an so vielen Orten. Bei der Geschichte des Tieres muß aber auch angenommen werden, daß das Tier den Menschen nicht wohl entbehren kann.
[J 359]
[J 369]
[J 371]
[J 378]
[J 379]
Die französische Revolution das Werk der Philosophie, aber was für ein Sprung von dem cogito, ergo sum bis zum ersten Erschallen [708] des à la Bastille im Palais Royal. Der Schall der letzten Posaune für die Bastille.
[J 380]
[J 382]
[709] Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. Dieses ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wieder darauf. So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Dintenfleck pp. Auch die Stufenleiter in der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern in uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten.
[J 392]
[J 399]
[J 402]
[J 403]
Es ist und bleibt doch allemal eine sonderbare Redensart zu sagen: die Seele ist in mir, sie ist im Leibe, da man sagen sollte, ich bin das, man sagt ja auch nicht, die Ründe ist in der Kugel pp. Es ist bloß die Ähnlichkeit, die uns hier verführt. Gleichheit ist etwas Objektives, allein Ähnlichkeit ist subjektiv. Med.
[J 404]
[J 405]
[J 415]
[J 434]
[J 438]
[J 439]
Wenn man viel selbst denkt, so findet man viele Weisheit in die Sprache eingetragen. Es ist wohl nicht wahrscheinlich, daß man alles selbst hineinträgt, sondern es liegt würklich viel Weisheit darin, so wie in den Sprüchwörtern.
[J 443]
[J 446]
[J 448]
[J 450]
[719] S. war ein viel zu niederträchtiger Mensch, als daß es ihn lange hätte schmerzen sollen, bei irgend einer einträglichen Gelegenheit einmal öffentlich dafür gehalten zu werden.
[J 455]
[720] Man könnte die Geizhälse und Verschwender so ordnen. Leute die bei großem Vermögen so leben als hätten sie nur noch die letzten 6 Groschen in der Tasche, so könnte man auch leben als hätte man die letzten 10 Taler nur noch ohne Hoffnung andere 10 zu bekommen, und so weiter. Der Verschwender ist der der so lebt, als hätte er noch immer viel mehr als er würklich hat. Dieses könnte mathematisch behandelt werden.
[J 461]
[J 467]
[J 468]
[J 469]
[J 471]
Ich glaube, daß so wie die Anhänger des Herrn Kant ihren Gegnern immer vorwerfen, sie verstünden ihn nicht, so glauben auch manche Herr Kant habe recht weil sie ihn verstehen. Seine Vorstellungs-Art ist neu, und weicht von dem Gewöhnlichen sehr ab, und wenn man nun auf einmal Einsicht in dieselbe erlangt, so ist man auch sehr geneigt sie für wahr zu halten, zumal, da er so viele eifrige Anhänger hat, man sollte aber dabei immer bedenken, daß dieses Verstehen [722] noch kein Grund ist es selbst für wahr zu halten. Ich glaube daß die meisten über der Freude ein sehr abstraktes und dunkel abgefaßtes System zu verstehn zugleich geglaubt haben es sei demonstriert.
[J 472]
Es ist nichts gewöhnlicher, als daß man sich von der Wahrheit einer Sache überzeugt hält, sobald man die Meinung versteht, die ein großer Mann davon gehegt hat. Das sind aber ganz verschiedene Dinge. Es ist mir oft selbst so gegangen. Ich glaube, daß mancher, der sich nur durch die Schwierigkeiten des Tychonianischen Systems, und durch alle die Epizyklen durchgearbeitet hatte, dachte, nun gottlob, daß ich endlich alles ins reine habe.
[J 475]
Diejenigen Lehrer, die die größten Schüler gezogen haben, sind immer diejenige gewesen die anschauliche Theorien gehabt haben, die synkretistischen Freidenker können berühmte Leute werden, sie sind aber gewiß nie glückliche Lehrer. Es ist nichts Festes darin, für sie selbst wohl, aber das paßt für keine Zuhörer. Ein systematischer Freidenker ist freilich auch ein Systematiker. Große generelle Ideen überall anzugeben.
[J 476]
[J 482]
[725] Die beste Art Lebende und Verstorbene zu loben ist ihre Schwachheiten zu entschuldigen, und dabei alle mögliche Menschenkenntnis anzuwenden. Nur keine Tugenden angedichtet, die sie nicht besessen haben, das verdirbt alles, und macht selbst das Wahre verdächtig. Entschuldigung von Fehlern empfiehlt den Lobredner.
[J 487]
Ich habe den Weg zur Wissenschaft gemacht wie Hunde die mit ihren Herrn spazieren gehen, hundertmal dasselbe vorwärts und rückwärts, und als ich ankam war ich müde.
[J 489]
[J 493]
[726] Das Subjektive in vielen Dingen aufzusuchen. Z.E. da die Lehre Christi auf Goten fiel, mußte sie notwendig viel Gotisches annehmen.
[J 498]
[J 499]
[J 514]
In den Schriften berühmter Schriftsteller aber mittelmäßiger Köpfe findet man immer höchstens das was sie einem zeigen wollen, da in den Schriften des systematischen Denkers, der alles mit seinem Geiste um faßt, man immer das Ganze sieht und wie jedes zusammenhängt. Erstere suchen und finden ihre Nadel bei dem Licht eines Schwefelhölzchens das nur an der Stelle leuchtet und kümmerlich, wo es sich befindet, da die andern ein Licht anzünden, das sich über alles erstreckt.
[J 515]
[J 520]
Die meisten Glaubens-Lehrer verteidigen ihre Sätze, nicht weil sie von der Wahrheit derselben überzeugt sind, sondern weil sie die Wahrheit derselben einmal behauptet haben.
[J 521]
Von dem Ruhme der berühmtesten Menschen gehört immer etwas der Blödsichtigkeit der Bewunderer zu, und ich bin überzeugt, daß solche Menschen das Bewußtsein, daß sie von einigen, die weniger Ruhm aber mehr Geist haben, durchgesehen werden, ihren ganzen [729] Ruhm vergällt. Eigentlicher ruhiger Genuß des Lebens kann nur bei Wahrheit bestehn. Newton, Franklin, das waren Menschen, die beneidenswert sind.
[J 522]
Nichts beweist mir so deutlich wie es in der gelehrten Welt hergeht, als der Umstand, daß man den Spinoza so lange für einen bösen nichtswürdigen Menschen und seine Meinungen für gefährlich gehalten hat; so geht es ebenfalls mit dem Ruhm so vieler andern.
[J 523]
[J 524]
[730] [732]Das ist ein närrischer Einfall, sagt man von einer gewissen Art Einfälle, die nicht weniger als unklug sind, auch das Ding ist doch närrisch. Gewiß hat der erste Mann, der die Redensart brauchte, etwas dabei gedacht. Es kann das Unerwartete und das Seltsame in der Verbindung der Ideen bezeichnen, das Überspringende, dergleichen man bei närrischen Leuten vieles findet.
[J 529]
[732] Nach einem dreißigjährigen Krieg mit sich selbst kam es endlich zu einem Vergleich, aber die Zeit war verloren.
[J 535]
[733] Mir tut es allemal weh wenn ein Mann von Talent stirbt, denn die Welt hat dergleichen nötiger als der Himmel.
[J 539]
Bei einer undeutlichen Hand lernt man Buchstaben kennen durch Erkennung der Worte. Eben so führt der Sinn auf die wahre Bedeutung der Worte in einer Periode und endlich der Sinn des Kapitels auf den von einzelnen Perioden.
[J 540]
Es ist kein tückischeres und boshafteres Geschöpf unter der Sonne als eine Hure, da [sie] sich Alters wegen genötigt sieht eine Betschwester zu werden.
[J 544]
Eine Welt, wo die Menschen als Greise geboren werden, und immer frischer werden, endlich Kinder, die immer an Ketschigkeit zunehmen, bis man sie endlich in eine Bouteille sperrt, wo sie nach 9 Monaten alles Leben verlieren, nachdem sie so klein geworden sind, daß man 10 Alexander auf einem Butterbrod verschlingen könnte. Die Mädchen von 50 bis 60 Jahren finden ein besonderes Vergnügen daran, die klein gewordene Alte auf Bouteillen zu ziehn.
[J 547]
[734] [736]Auch die Bengelei hat ihre Genies, und wer will die Natur zur Verantwortung ziehen, daß sie dieser Gabe es verstattet sich ihrem Besitzer durch das schmeichelhafte Gefühl von Kraft und Überlegenheit und Behaglichkeit anzukündigen. Die Wege des Himmels sind finster und verwickelt, und ihre Tröstungen mannigfaltig.
[J 560]
[736] Die Vorstellung, die wir uns von einer Seele machen, hat viel Ähnliches mit der von einem Magneten in der Erde. Es ist bloß Bild. Es ist ein dem Menschen angebornes Erfindungsmittel sich alles unter diesen Formen zu denken.
[J 568]
[737] Ein Geschöpf höherer Art läßt die ganze Geschichte der Welt repetieren, so wie man die Uhren repetieren läßt.
[J 581]
[J 582]
[738] Ein Vater sagt: der verfluchte Junge macht es gerade so wie ich, ich will ihn prügeln, daß er des Teufels wird.
[J 590]
[J 591]
[J 595]
Er konnte einen Gedanken, den jedermann für einfach hielt, in sieben andere spalten wie das Prisma das Sonnenlicht, wovon einer immer schöner war, als der andere, und dann einmal eine Menge anderer sammeln und Sonnenweiße hervorbringen, wo andere nichts als bunte Verwirrung sahen.
[J 597]
Wenn man von der wenigen Übereinstimmung, die das Innere des Menschen mit seinem Äußern hat, ich meine hier der esoterische Mensch mit dem exoterischen, auf etwas Ähnliches in den Werken [740] der Natur schließen kann, so ist das ein schlechter Trost. Denn wie wenig Freunde würden Freunde bleiben, wenn sie ihre Gesinnungen im ganzen sehen könnten.
[J 600]
Es ist eine sehr weisliche Einrichtung unserer Natur, daß wir so viele äußerst gefährliche Krankheiten gar nicht fühlen. Könnte man den Schlagfluß von seiner ersten Wurzel an verspüren, er würde mit unter die chronischen Krankheiten gezählt werden.
[J 601]
[741] Der vollkommenste Affe kann keinen Affen zeichnen, auch das kann nur der Mensch, aber auch nur der Mensch hält dieses zu können für einen Vorzug.
[J 613]
[J 614]
Ein Charakter: von allem nur das Schlimmste zu sehen, alles zu fürchten, selbst Gesundheit als einen Zustand anzusehen da man seine Krankheit nicht fühlt; ich glaube keinen Charakter würde ich glücklicher durchsetzen können, als diesen.
[J 615]
Ich habe schon lange gedacht, die Philosophie wird sich noch selbst fressen. – Die Metaphysik hat sich zum Teil schon selbst gefressen.
[J 620]
[742] Die Entschuldigungen seiner Fehler nehmen sich zum Teil gut aus, sie tragen aber zur Besserung seines Fehlwurfs gemeiniglich so wenig bei, als beim Kegeln das Nachhelfen mit Kopf, Schultern, Armen und Beinen, wenn die Kugel schon aus der Hand ist, es ist mehr Wunsch, als Einwürkung.
[J 627]
Ein Mann der seinen ganzen Ruf der Neigung der Menschen zu danken hat von seinen Bekannten etwas Böses zu lesen.
[J 628]
[743] [746]Ich habe mir zur Regel gemacht, daß mich die aufgehende Sonne nie im Bette finden sollte so lange ich gesund bin. Es kostete mich nichts als das Machen, denn ich habe es bei Gesetzen, die ich mir selbst gab, immer so gehalten, daß ich sie nicht eher festsetzte, als bis mir die Übertrettung fast unmöglich war.
[J 638]
Ich habe überhaupt sehr viel gedacht, das weiß ich, viel mehr als ich gelesen habe, es ist mir daher sehr viel von dem unbekannt, was die Welt weiß, und daher irre ich mich oft, wenn ich mich in die Welt mische, und dieses macht mich schüchtern. Könnte ich das alles was ich zusammengedacht habe so sagen, wie es in mir ist, nicht getrennt, da möchte sich manches nicht zum besten ausnehmen, so würde es gewiß den Beifall der Welt erhalten.
[J 640]
[746] [748]Ich glaube es läßt sich mit geometrischer Schärfe erweisen, daß, vorausgesetzt, daß das neue Testament die Lehren des Christentums vollständig enthalte, die katholische Religion schlechterdings keine christliche genannt werden könne. Ob es irgend eine der protestantischen ganz sei laß ich unentschieden. Es läßt sich, glaube ich, eine Million gegen 1 verwetten, daß, wenn die Frage vor einer Versammlung der vernünftigsten Menschen aus allen Völkern gebracht würde, die Entscheidung dahin ausfallen würde: die katholische Religion sei so wenig die christliche als das heutige Italienische das alte Latein. Daß eigentlich in Europa die christliche Religion nirgends die herrschende sei, daß es aber hier und da einzelne Menschen gäbe, die sie hätten, aber es nicht recht laut sagen dürften, weil sie fürchten daß man selbst ihre Taten für unecht halten würde, sobald man wüßte, daß ihre Meinungen nicht von der angenommenen Lehre wären. Trinket alle daraus steht im neuen Testament.
[J 651]
Die praktische Vernunft oder der moralische Sinn, durch letztern Ausdruck wird es manchem deutlicher was man mit ersterem meint.
[J 656]
[748] Ich glaube man würde immer blühen wie die Jugend, wenn man immer so sorglos sein könnte, oder macht, umgekehrt, die Blüte sorglos?
[J 658]
Wenn es der Himmel für nötig und nützlich finden sollte mich und mein Leben noch einmal neu aufzulegen, so wollte ich ihm einige nicht unnütze Bemerkungen zur neuen Auflage mitteilen, die hauptsächlich die Zeichnung des Porträts und den Plan des Ganzen angehen.
[J 659]
Es ist zum Erstaunen wie sehr das Wort unendlich gemißbraucht wird, alles ist unendlich schöner, unendlich besser pp. Der Begriff muß etwas Angenehmes haben, sonst hätte der Mißbrauch nicht so allgemein werden können. Was haben die Alten davon?
[J 661]
[J 664]
[J 669]
Er war in der Zeugungs-Gegend ein wahrer Presbyt, und wünschte oft herzlich daß man auch für jenen Sinn Brillen schleifen könnte.
[J 671]
[750] Man kann würklich, wenn man in einem schlechten Wagen sitzt, ein solches Gesicht machen, daß der ganze Wagen gut aussieht, auch vom Pferde gilt das.
[J 675]
Jedermann ist sehr bereitwillig durch Schaden klug zu werden, wenn nur der erste Schade der dieses lehrt wieder ersetzt wäre.
[J 676]
Es gibt für mich keine gehässigere Art Menschen, als die welche glauben, daß sie bei jeder Gelegenheit ex officio witzig sein müßten.
[J 684]
[751] Sehr viele und vielleicht die meisten Menschen müssen, um etwas zu finden, erst wissen, daß es da ist.
[J 688]
Der gesunde Appetit unsrer Vorfahren, zu essen, scheint sich jetzt in einen nicht ganz so gesunden Appetit zu lesen verwandelt zu haben, und so wie ehmals die Spanier zusammen liefen die Deutschen essen zu sehen, so kommen jetzt die Fremden zu uns uns studieren zu sehen.
[J 690]
Es ließe sich etwas über Übersetzungs-Kunst schreiben, das ganz nützlich werden könnte. Ich meine die, die Sprache der gemeinen Leute, und ihre Behandlungs-Art in die eigentliche Sprache unseres Lebens zu übersetzen. Die gemeinen Leute drücken sich oft sehr fürchterlich und mit Gelächter über Dinge aus, von denen sie, in unsere Sprache übersetzt, ganz anders zu reden scheinen würden, oder würklich reden würden. Wir denken über die Vorfälle des Lebens nicht so verschieden, als wir darüber sprechen.
[J 692]
[752] Es gibt große Krankheiten, an denen man sterben kann; es gibt ferner welche die [man], ob man gleich nicht eben daran stirbt, doch ohne viel Studium bemerkt und fühlt; endlich gibt es aber auch welche, die man ohne Mikroskop kaum erkennt, dadurch nehmen sie sich aber auch recht abscheulig aus und dieses Mikroskop ist Hypochondrie. Ich glaube, wenn sich die Menschen recht darauf legen wollten die mikroskopischen Krankheiten zu studieren, sie würden die Satisfaktion haben, alle Tage krank zu sein.
[J 693]
[J 696]
Man hat vieles über die ersten Menschen gedichtet, es sollte es auch einmal jemand mit den beiden letzten versuchen.
[J 697]
[J 702]
Man ist verloren wenn man zu viel Zeit bekömmt an sich zu denken, vorausgesetzt, daß man sich nicht als ein Objekt der Beobachtung, wie ein Präparat ansieht, sondern immer als alles was man jetzt ist. Man wird so viel Trauriges gewahr, daß über dem Anblick alle Lust verfliegt, es zu ordnen oder zusammen zu halten.
[J 704]
Ein System: Jeder Mensch kömmt durch Seelenwanderung in den Zustand, den er in seinem Leben vorzüglich beneidete und wünschte, so geht alles endlich in einem Zirkel, kein Stand wird ganz leer sein.
[J 705]
Es ist eine Frage, ob wir nicht, wenn wir einen Mörder rädern, grade in den Fehler des Kindes verfallen, das den Stuhl schlägt an den es sich stößt.
[J 706]
[754] Einer der merkwürdigsten Züge in meinem Charakter ist gewiß der seltsame Aberglaube, womit ich aus jeder Sache eine Vorbedeutung ziehe und in einem Tage hundert Dinge zum Orakel mache. Ich brauche es hier nicht zu beschreiben indem ich mich hier nur allzu wohl verstehe. Jedes Kriechen eines Insekts dient mir zu Antworten über Fragen über mein Schicksal. Ist das nicht sonderbar von [755] einem Professor der Physik? Ist es aber nicht in menschlicher Natur gegründet und nur bei mir monströs geworden, ausgedehnt über die Proportion natürlicher Mischung, wo es heilsam ist?
[J 715]
Er war kein Sklave seines Worts, wie man zu reden pflegt, gegenteils war eine solche Despotie über seinen Versprechungen, daß er mit ihnen machte was er wollte.
[J 719]
[J 721]
Wir sind so eingerichtet, daß wir wohl selten gültige Richter dessen sein werden, was uns nützlich ist. In diesem Leben ist dieses der Fall, wer will uns gut dafür sein, daß es in Rücksicht auf künftiges Leben nicht eben so ist? Wen Gott lieb hat, den züchtiget er. Wie wenn es nun hieße, wen Gott lieb hat, den vernichtet er?
[J 725]
[756] Sollte es dem Könige von Frankreich nicht erlaubt sein sich zum Deputierten bei der National-Versammlung wählen zu lassen? Es wäre besser für ihn.
[J 726]
Feerei: Seele und Leib beide sichtbar darzustellen, wie eins das andere führt, hieraus könnte etwas wenigstens Unterhaltendes gemacht werden.
[J 727]
[J 731]
[757] Bei den Kirschen reift grün zu rot allmählig, dieses sieht einem Stimmen einer Saite ähnlich. So läßt der Künstler Dissonanzen zu Harmonie allmählig reifen.
[J 737]
Auf die Blüte folgt die unreife Frucht, die Blüte ist in sich eine Vollkommenheit. Eben so ist es mit dem Menschen. Der Jüngling wird für vollkommener gehalten, als der Mann von 30, 40 Jahren, und dann kömmt erst wieder ein vollendeter Zustand, die Reife.
[J 738]
Es gibt sehr viele Menschen, die unglücklicher sind, als du, gewährt zwar kein Dach darunter zu wohnen, allein sich bei einem Schauer darunter zu retirieren ist das Sätzchen gut genug.
[J 739]
[758] Die Kinder und die Narren reden die Wahrheit, sagt man; ich wünsche daß jeder gute Kopf, der Neigung zur Satyre bei sich verspürt, bedenken möchte, daß der beste Satyriker immer etwas von beiden enthält.
[J 746]
Wenn die Rhein- und Mosel-Weine gut sein sollen, so ist es nötig, daß so wenig vom Rhein und der Mosel selbst hineinfließe, als möglich ist.
[J 748]
Die Form des Schachspiels und selbst des Talmuds und der alten scholastischen Philosophie sind gut, aber die Materie taugte nicht viel. Es wurden Kräfte geübt, aber was man dabei lernt hat keinen Wert.
[J 749]
[759] Einige kommen auf einen Gedanken, andere stoßen darauf, andere fallen darauf, andere verfallen darauf (hier fehlt noch das zerfallen), auch gerät man darauf. Man sagt nicht, ich habe mich nach dem Gedankenhinbegeben. Das wäre via regia.
[J 756]
Der Satz des zureichenden Grundes, als ein bloß logischer Satz ist ein notwendiges Gesetz des Denkens, und in so fern kann gar nicht darüber gestritten werden, ob er aber ein objektiver, realer, metaphysischer Grundsatz sei, ist eine andere Frage.
[J 757]
Es gibt nur eine Pflanze und nur ein Tier und diese beide sind Eins. Das Tier, das von Pflanzen lebt, hat seine Wurzel in der Erde, also auch das Tier, das von Tieren lebt.
[J 758]
[760] Alle großen Herrn sollten so wie die Sultane eine Kunst lernen, wir leben jetzt in sonderbaren Zeiten, man kann nicht wissen ob man sie nicht einmal braucht. Der vorige türkische Kaiser schnitzte Bogen und Pfeile sehr gut, der jetzige malt Musselin für das Frauenzimmer.
[J 759]
Die Natur hat den Tieren Einsicht genug gegeben für ihre Erhaltung zu sorgen. Sie wissen sich alle sehr gut zu helfen wenn es auf diesen wichtigen Artikel ankömmt. Vaillant gibt davon sehr gute Beispiele von dem Verhalten der Tiere bei Herannahung des Löwen. Den Menschen hat sie sogar fast instinktmäßig gegen die Furcht vor dem Tode gewaffnet, durch Glauben an Unsterblichkeit.
[J 761]
[J 764]
[761] Deutschland hat viele Journale, aber es fehlt ihm dünkt mich noch an einem des Luxus und der Modein der Philosophie.
[J 769]
[J 770]
[J 786]
[J 787]
Wir wissen mit weit mehr Deutlichkeit, daß unser Wille frei ist, als daß alles was geschieht eine Ursache haben müsse. Könnte man also nicht einmal das Argument umkehren und sagen: Unsre Begriffe von Ursache und Wirkung müssen sehr unrichtig sein, weil unser Wille nicht frei sein könnte, wenn die Vorstellung richtig wäre?
[J 790]
[J 791]
[763] Mancher Schriftsteller so bald er ein bißchen Beifall erhält glaubt alles von ihm interessiere die Welt. Der Schauspiel-Schmierer Kotzebue hält sich sogar berechtigt dem Publiko zu sagen, daß er seiner sterbenden Frau ein Klistier gesetzt habe.
[J 794]
[J 803]
[J 804]
[J 805]
[J 815]
[766] [770]Die Menschen, die erst die Vergebung der Sünden durch lateinische Formeln erfunden haben, sind an dem größten Verderben in der Welt schuld.
[J 842]
Darin, daß man große Krieger bewundert, liegt etwas Natürliches, so wie in der Eroberungssucht, das erste korrespondiert mit Schönheit und Leibesstärke, das andere mit Wohlstand, es wird auch daher nie aus der Welt hinaus philosophiert werden können.
[J 843]
Der Gedanke, den ich heute im Braunschweigischen Journal gelesen habe, ist nicht übel, nämlich: daß wenn die Bibel deutlich geschrieben wäre, so würden wir in aller Art von Aufklärung noch zurück sein. Es ist aber auch ein alter Gedanke, den ich glaube ich sogar selbst einmal gehabt habe. Nathan der Weise lauft auch auf so etwas hinaus.
[J 844]
[J 845]
So wie Linné im Tierreiche könnte man im Reiche der Ideen auch eine Klasse machen die man Chaos nennte. Dahin gehören nicht sowohl die großen Gedanken von allgemeiner Schwere, Fixstern-Staub mit sonnenbepuderten Räumen des unermeßlichen Ganzen, sondern die kleinen Infusions-Ideechen, die sich mit ihren Schwänzchen an alles anhängen, und oft im Samen der Größten leben, und [770] deren jeder Mensch wenn er still sitzt [eine] Million durch seinen Kopf fahren sieht.
[J 850]
Ich sehe die Rezensionen als eine Art von Kinderkrankheiten an, die die neugebornen Bücher mehr oder weniger befällt. Man hat Exempel, daß die gesündesten daran sterben, und die schwächlichen oft durchkommen. Manche bekommen sie gar nicht. Man hat häufig versucht, ihnen durch Amulette von Vorrede und Dedikation vorzubeugen oder sie gar durch eigene Urteile zu inokulieren, es hilft aber nicht immer.
[J 854]
Eine der schwersten Künste für den Menschen ist wohl die sich Mut zu geben. Diejenigen, denen er fehlt, finden ihn am ersten unter dem mächtigen Schutz eines der ihn besitzt, und der uns dann helfen kann, wenn alles fehlt. Da es nun so viele Leiden in der Welt gibt, denen mit Mut entgegen zu gehen kein menschliches Wesen einem schwachen Trost genug geben kann, so ist die Religion vortrefflich. Sie ist eigentlich die Kunst sich durch Gedanken an Gott ohne weiter andere Mittel Trost und Mut im Leiden zu verschaffen und Kraft demselben entgegen zu arbeiten. Ich habe Menschen gekannt, denen ihr Glück ihr Gott war. Sie glaubten an ein Glück und der Glaube gab ihnen Mut. Mut gab ihnen Glück und Glück Mut. Es ist ein großer Verlust für den Menschen, wenn er die Überzeugung von einem weisen die Welt lenkenden Wesen verloren hat. Ich glaube, es ist dieses eine notwendige Folge alles Studiums der Philosophie [771] und der Natur. Man verliert zwar den Glauben an einen Gott nicht, aber es ist nicht mehr der hülfreiche Gott unsrer Kindheit; es ist ein Wesen, dessen Wege nicht unsere Wege und dessen Gedanken nicht unsere Gedanken sind, und damit ist dem Hülflosen nicht sonderlich viel gedient.
[J 855]
In einem Roman müßte es sich gut ausnehmen, des Helden Begriffe z.B. von der Erde in einer kleinen Charte vorzustellen. Die Welt würde rund vorgestellt, in der Mitte liegt das Dorf wo er lebt, sehr groß mit allen Mühlen pp vorgestellt, und dann umher die andern Städte, Paris London sehr klein, überhaupt wird alles sehr viel kleiner, wie es weiter wegkömmt.
[J 856]
[J 857]
Rousseau hat glaube ich gesagt: ein Kind, das bloß seine Eltern kennt, kennt auch die nicht recht. Dieser Gedanke läßt sich [auf] viele andere Kenntnisse, ja auf alle anwenden, die nicht ganz reiner Natur sind: Wer nichts als Chemie versteht versteht auch die nicht recht.
[J 860]
Wenn, was Leibniz geweissagt hat, dereinst die Bibliotheken Städte werden, so wird es auch düstere Straßen und Schindergäßchen geben so wie jetzt.
[J 861]
[772] A. Der Mann hat viele Kinder. B. ja, aber ich glaube, von [den] meisten hat er bloß die Korrektur besorgt.
[J 864]
Die meisten deutschen Romanen und Satyren kommen mir vor wie die Fischer-Idyllen, es wird immer bloß vom Handwerk gesprochen. Das Beste geht immer über Rezensenten, schlechte Poeten und Nachdrucker und Studenten los.
[J 865]
Man klagt über die entsetzliche Menge schlechter Schriften die jede Ostermesse heraus kommen. Ich sehe das schlechterdings nicht ein. Warum sagen die Kritiker, man soll der Natur nachahmen? Diese Schriftsteller ahmen die Natur nach, sie folgen ihrem Triebe so gut wie die großen. Und ich möchte nur wissen was irgend ein organisches Wesen mehr tun könne als seinem Triebe folgen? Ich sage: seht die Bäume an, zum Exempel die Kirschenbäume, sagt, wie viele Kirschen von den grünen werden da reift? nicht der 50te Teil; die andern fallen ab. Wenn nun die Kirschenbäume Makulatur drucken, wer will es den Menschen wehren, die doch besser sind als die Bäume? Ja was sage ich die Bäume. Wißt ihr nicht, daß von den Menschen, die das prokreierende Publikum jährlich herausgibt, [773] mehr als ein Drittel stirbt, ehe es 2 Jahre alt wird? Wie die Menschen, so die Bücher, die von ihnen geschrieben werden. Anstatt mich also über die überhandnehmende Schriftstellerei zu beklagen, bete ich vielmehr die hohe Ordnung der Natur an, die es überall will, daß von allem was geboren wird ein großer Teil zu Dünger wird und zu Makulatur, welches eine Art von Dünger ist. Mit einem Wort Deutschland ist das wahre Bücher-Beet für die Welt, die Treibhäuser, die Gärtner, ich meine die Buchhändler mögen auch sagen was sie wollen.
[J 868]
[774] [776]Eine der sonderbarsten Einbildungen, deren man fähig ist, wäre die daß man glaubte man sei rasend, und man säße im Tollhause, übrigens aber ganz vernünftig handelte. Wenn jemand einmal zu dieser Überzeugung käme, so sehe ich fürwahr nicht ein, wie man sie ihm ausreden wollte.
[J 878]
Außer der Zeit gibt es noch ein anderes Mittel große Veränderungen hervorzubringen und das ist die – Gewalt. Wenn die eine zu langsam geht, so tut die andere öfters die Sache vorher.
[J 880]
[776] Man hat Nachtstühle, die wie aufeinander gelegte Folianten aussehen. Einige Schriftsteller scheinen Gefallen an der umgekehrten Methode zu finden und Bücher zu schreiben die sich wie Nachtstühle präsentieren.
[J 886]
[777] [779]Die Kunst Menschen mit ihrem Schicksale mißvergnügt zu machen, die heutzutage so sehr getrieben wird. O wenn wir doch die Zeiten der Patriarchen wieder hätten, wo die Ziege neben dem hungrigen Löwen graste, und Kain in den zärtlichen Umarmungen seines Bruders Abel seine Saecula durchlebte (hier müssen noch mehr solche feine Geschichtchen aufgesucht werden von Sodomiterei, Betrug um Erstgeburt), oder in dem glücklichen Otaheite wo man für einen eisernen Nagel haben kann, was in Hannover und Berlin goldne Tabatieren und Uhren gilt, und wo man bei völliger Gleichheit der Menschen das Recht hat seine Feinde aufzufressen und von ihnen gefressen zu werden.
[J 896]
Die Welt ist nicht da um von uns erkannt zu werden, sondern uns in ihr zu bilden. Das ist eine Kantische Idee.
[J 898]
[J 909]
Nachdem ich vieles menschenbeobachterisch und mit vielem schmeichelhaften Gefühl eigner Superiorität aufgezeichnet, und in noch feinere Worte gesteckt hatte, fand ich oft am Ende, daß grade das das Beste war, was ich ohne alle diese Gefühle so ganz bürgerlich niedergeschrieben hatte. (sehr sehr wahr)
[J 910]
[J 919]
[J 922]
[781] Der Pater: Ihr seid Menschenfresser Ihr Neuseeländer. Neuseeländer: Und ihr seid Gottfresser ihr Pfaffen.
[J 926]
[J 935]
Die Welt jenseit der geschliffenen Gläser ist wichtiger, als die jenseits der Meere, und wird vielleicht nur von der jenseits des Grabes übertroffen.
[J 937]
Seit der Mitte des Jahrs 1791 regt sich in meiner ganzen Gedanken-Ökonomie etwas, das ich noch nicht recht beschreiben kann. Ich will nur einiges anführen und künftig aufmerksamer darauf werden. Nämlich ein außerordentlich[es] fast zu schriftlichen Tätlichkeiten übergehendes Mißtrauen gegen alles menschliche Wissen, Mathematik ausgenommen, und was mich noch an [das] Studium der Physik fesselt, ist die Hoffnung etwas dem menschlichen Geschlecht Nützliches auszufinden. Wir müssen nämlich auf Ursachen und Erklärungen denken, weil ich gar kein anderes Mittel sehe uns ohne dieses Bestreben in Tätigkeit zu erhalten. Jemand kann freilich wochenlang auf die Jagd gehn und nichts schießen, aber so viel ist gewiß, zu Hause würde er auch nichts geschossen haben und zwar gewiß nichts, da er doch nur auf dem Felde die Wahrscheinlichkeit für sich hat, so gering sie auch sein mag. Wir müssen freilich etwas ergreifen. Aber ob das nun alles so ist, wie wir glauben? Da frage ich mich wieder: was nennst du so Sein, wie du es dir vorstellst? Dein Glaube, daß es so ist, ist ja auch etwas, und von dem übrigen weißt du nichts. Dieses war auch die Zeit da ich (Gott verzeih mir wenn ich irre) zu glauben anfing, daß die Muscheln in den Bergen gewachsen sein könnten. Es war aber kein positives Glauben, sondern bloß dunkeles Gefühl von unsrer Unfähigkeit, oder wenigstens von der meinigen in die Geheimnisse der Natur einzudringen.
[J 938]
[784] Zum Teil zum Vorhergehenden gehörig: Das Wesen, was wir am reinsten aus den Händen der Natur empfangen, und was uns zugleich am nächsten gelegt wird, sind wir selbst, und doch wie schwer ist da alles und wie verwickelt! Es scheint fast, wir sollen bloß würken ohne uns selbst zum Gegenstand der Beobachtung zu machen. So bald wir uns zum Gegenstand der Beobachtung machen: so ist es fast einerlei ob wir aus dem Hainberg den Ursprung der Welt, oder aus unsern Verrichtungen die Natur unserer Seele wollen kennen lernen.
[J 939]
[J 941]
Selbst unsere häufigen Irrtümer haben den Nutzen, daß sie uns am Ende gewöhnen zu glauben, alles könne anders sein, als wir es uns vorstellen. Auch diese Erfahrung kann generalisiert werden, so wie das Ursachen-Suchen, und so muß man endlich zu der Philosophie gelangen, die selbst die Notwendigkeit des principii contradictionis leugnet.
[J 942]
Die beiden Begriffe von Sein und Nichtsein sind bloß undurchdringlich in unsern Geistes-Anlagen. Denn eigentlich wissen wir nicht einmal was Sein ist, und so bald wir uns ins Definieren einlassen, so müssen wir zugeben daß etwas existieren kann was nirgends ist. Kant sagt auch so was irgendwo.
[J 943]
Es ist doch fürwahr zum Erstaunen, daß man auf die dunkeln Vorstellungen von Ursachen den Glauben an einen Gott gebaut hat, von dem wir nichts wissen, und nichts wissen können, denn alles Schließen auf einen Urheber der Welt ist immer Anthropomorphismus.
[J 944]
[785] Wenn der Verstand reift, oder seine Regierungskräfte fühlt ohne etwas zu haben was er regieren kann, so entstehen freilich seltsame Dinge. Man fällt in den Fehler der kleinen Fürsten, und macht sich vor den Großen lächerlich. Hat man viel gelesen und besitzt wenig Regierungskunst, so macht man sich vor den Weisen lächerlich. Wenn sich denn doch am Ende einmal lächerlich gemacht sein soll: so wollte ich doch lieber vor dem Großen lächerlich werden, als vor dem Weisen, lieber vor dem Belesenen, als vor dem Denker, der mich immer nach der Art beurteilt, womit ich von meinem Vermögen Gebrauch gemacht habe.
[J 945]
Zu einem Sinngedicht.
Demokrat. Weg mit dem Adel! Verdienst allein soll mir der Weg zur Ehre sein.
Aristokrat: O schweig. So verfehlst du den Weg zur Ehre gewiß, aber geadelt kannst du wohl noch einmal werden.
Man könnte ihm den Titul: Hieb von beiden Seiten geben. Denn der Adliche, der dem andern hier sicherlich kein Kompliment macht, macht sich selbst sicherlich auch keines. Es ist also Vergleich.
[J 946]
Man ist nie glücklicher als wenn uns starkes Gefühl bestimmt, nur in dieser Welt zu leben. Mein Unglück ist nie in dieser sondern in einer Menge von möglichen Ketten von Verbindungen zu existieren, die sich meine Phantasie unterstützt von meinem Gewissen schafft, so geht ein Teil meiner Zeit hin, und keine Vernunft ist im Stand darüber zu siegen. Dieses verdiente sehr auseinander gesetzt zu werden. Lebe dein erstes Leben recht, damit du dein zweites genießen kannst. Es ist immer im Leben wie mit der Praxis des Arztes, die ersten Schritte entscheiden. Das ist doch Unrecht irgendwo, in der Anlage oder im Urteil?
[J 948]
[J 951]
Das deutsche Genie ist sehr geneigt in wissenschaftlichen Dingen statt der Sache selbst sich an die Literatur zu halten. Das deutsche Publikum, das selbst schon nach der Seite gestimmt ist, ist auch daher geneigt diese Literatoren mit dem Ruhm zu krönen, der eigentlich dem Denker und dem Erweiterer der Wissenschaft allein gehört.
[J 953]
[J 954]
Man liest jetzt so viele Abhandlungen über das Genie, daß jeder glaubt er sei eines. Der Mensch ist verloren, der sich früh für ein Genie hält.
[J 956]
[787] Ist es nicht besonders, daß die katholischen Prediger immer ihre Gemeinden vor den protestantischen Schriften warnen müssen? Die protestantischen hingegen warnen die ihrigen nie vor den katholischen. Ja wäre ich ein protestantischer Prediger, ich würde glaube ich meiner Gemeinde die Lesung der sogenannten erzkatholischen Bücher als eines der stärksten Befestigungsmittel in ihrem Glauben empfehlen.
[J 957]
Bei aller meiner Bequemlichkeit bin ich immer in Kenntnis meiner selbst gewachsen, ohne die Kraft zu haben mich zu bessern, ja ich habe mich öfters für alle meine Indolenz dadurch entschädigt gehalten, daß ich dieses einsah, und das Vergnügen, das mir die genaue Bemerkung eines Fehlers an mir machte, war oft größer, als der Verdruß, den der Fehler selbst bei mir erweckte. So sehr viel mehr galt bei mir der Professor, als der Mensch. Der Himmel führt seine Heiligen wunderlich.
[J 958]
Mehr Dinge zu erfinden wie etwa der Schnupftabak, der allerdings eine gar seltsame Erfindung ist. Es ist doch würklich, wenn man bedenkt wie viel Wohlgerüche es in der Natur gibt, eine Art von Onanie.
[J 960]
[788] Er ritt vorbei und der Morgensonne zu, von seinen Wangen glänzte den eichsfeldischen Schönen eine Gesundheit, und aus seinem Munde ihrem Kälberbraten ein Gebiß entgegen, das beiden unaufhaltsame Zerstörung drohte.
[J 963]
Aus allem erhellt die stark belegte Zunge des Verfassers, wo bloßes Abschaben wenig hilft, sondern die Reinigung tiefer geschehen muß.
[J 965]
Eine goldne Regel: Man muß die Menschen nicht nach ihren Meinungen beurteilen, sondern nach dem, was diese Meinungen aus ihnen machen. – Ich fühle, daß ich nach der Meinung der Welt hiergegen nicht aushalte, ob ich gleich vor Gott überzeugt bin, daß ich es würde, wenn sie mich genauer kennte. Also das Aus-ihnen-machen muß genau beobachtet werden.
[J 966]
[789] Ich möchte zum Zeichen für Aufklärung das bekannte Zeichen des Feuers (Δ) vorschlagen. Es gibt Licht und Wärme, es [ist] zum Wachstum und Fortschreiten alles dessen was lebt unentbehrlich, allein – unvorsichtig behandelt brennt es auch und zerstört auch.
[J 971]
Es steckte viel Anlage in dem Menschen und er trug auch zu, allein es fehlte ihm so gänzlich alles was man irgend hierbei Stöpsel nennen könnte, daß gemeiniglich, noch ehe er etwas zusammenbringen konnte, was der Mühe wert gewesen wäre in leichtem Maulwerk verdampfte.
[J 973]
Die Theorien der physischen Welt (Erde) fangen mit einem rohen Klumpen an, der immer besser wurde, die von der moralischen [790] fangen mit patriarchalischer Vollkommenheit an und werden immer ärger. Ich glaube es ist in der 2ten nicht besser gegangen als in der ersten. Daß der rohe Mensch in manchen Stücken besser ist als der gebildete, das ist nicht zu verwundern, so ist auch das Kind in vielen besser als der Erwachsene pp.
[J 974]
[791] In den Kehrigthaufen vor der Stadt lesen und suchen was den Städten fehlt, wie der Arzt aus dem Stuhlgang und Urin.
[J 990]
[792] Ich habe das Register der Krankheiten angesehn, und habe die Sorgen und traurige Vorstellungen nicht darunter gefunden, das ist sehr unrecht.
[J 992]
[J 994]
Der eine akkouchierte mit subtilem Finger die töneschwangere Flöte während der andere der dicken baßschwangern Geige mit der Faust eben den Dienst erwies. (Stil)
[J 995]
[J 996]
Schlecht Disputieren ist immer besser als gar nicht, selbst Kannegießern macht die Leute weiser, wenn gleich nicht in der Politik, doch in andern Dingen. Das bedenkt man nicht genug.
[J 1001]
[793] Er war Professor und handelte zugleich mit Holz, aber der Holzhändler ernährte hier den Professor, so wie der Herzog von Piemont den König von Sardinien.
[J 1003]
Der Ton stimmt oft die Behauptung statt daß die Behauptung den Ton angeben sollte. Selbst gute Schriftsteller, wenn sie auch gerne schön sprechen, finden sich unvermerkt zuweilen da, wo sie eigentlich nicht hin wollten.
[J 1005]
[794] Es kömmt so außerordentlich viel darauf an wie etwas gesagt wird daß ich glaube, die gemeinsten Dinge lassen sich so sagen, daß ein anderer glauben müßte, der Teufel hätte es einem eingegeben.
[J 1011]
[795] Ich habe einen Mann gekannt, der die seltsame Grille hatte nach Tische beim Obst, aus Äpfeln regelmäßige stereometrische Körper zu schneiden, wobei er immer den Abfall aufaß. Meistens endigte sich die Auflösung des Problems mit einer gänzlichen Aufzehrung des Apfels.
[J 1016]
[796] Anstatt daß sich die Welt in uns spiegelt, sollten wir vielmehr sagen, unsere Vernunft spiegele sich in der Welt. Wir können nicht anders, wir müssen Ordnung und weise Regierung in der Welt erkennen, dieses folgt aber aus der Einrichtung unsrer Denkkraft. Es ist aber noch keine Folge, daß etwas, was wir notwendig denken müssen, auch würklich so ist, denn wir haben ja von der wahren Beschaffenheit der Außenwelt gar keinen Begriff, also daraus allein läßt sich kein Gott erweisen. (»Diese Schwierigkeiten das Dasein Gottes durch die Natur auf eine Art zu beweisen, welche alle vernünftige Bedenklichkeiten befriedigte, führten ihn zurück zu einer tiefen Erforschung unseres eigenen vernünftigen Wesens, durch eine glückliche Ahndung hier die verborgenen Gründe zu treffen, worauf sich unser Glaube an einen weisen Urheber des Weltalls gegen alle Zweifel der Vernunft beständig erhielte. Und siehe! er fand was er suchte. Er fand in dem notwendigen und unveränderlichen Bewußtsein, welches wir von unserer eignen vernünftigen Kraft haben, Gründe für diesen Glauben, deren Wahrheit wir auf keine andere Weise bezweiflen können, als wenn wir an unsrer eignen Vernunft d.h. an unsrem eignen Dasein zweifeln wollten.«) Die hier eingeschlossene Stelle ist aus einer Abhandlung im Schleswig-Braunschweigischen Journal Mai 1792, die die Überschrift hat: Ideen zur Bestimmung des Urteils über den Einfluß der Kantischen Philosophie auf die Religion des Lebens. Eine Einleitung zu prüfenden Bemerkungen über Reimarus natürliche Religion pp.
[J 1021]
Er war in nichts regelmäßiger als in Dingen, die er gar nicht zum Gegenstand seiner Obhut machte, so verbrauchte er z.E. regelmäßig alle 3 Wochen ein Pfund Schnupftabak ob er gleich gar hierin keiner Regel folgte. Hatte er sich einmal im Ernst vorgenommen ordentlich darin zu sein, so würde alles sehr unordentlich darin gegangen sein.
[J 1022]
[797] Es ist schlimm genug, daß heut zu Tage die Wahrheit ihre Sache durch Fiktion, Romane und Fabeln führen lassen muß.
[J 1030]
[J 1033]
[798] Der alles was ihm vorkömmt aus dem veränderlichen Hinterhalt einer Art schwimmender Philosophie beschießt.
[J 1036]
Es ist für des Menschen Rechtfertigung hinreichend, wenn er so gelebt hat, daß er seiner Tugenden wegen Vergebung für seine Fehler verdient.
[J 1037]
Man lacht, und mit Recht, über den Versuch jenes Menschen, der seinem Pferde das Fressen abgewöhnen wollte. Es starb aber leider! grade an dem Tage, da die größte Hoffnung war, ihm die Kunst endlich beizubringen. Mit dem Klug-Werden geht das nicht bloß den Schwaben so, sondern den meisten Menschen.
[J 1043]
[799] Ich nehme der Mamsell ihre Tugend in acht, als wenn es meine eigne wäre, sagt eine alte Gouvernante.
[J 1045]
Die Allmacht Gottes im Donnerwetter wird nur bewundert entweder zur Zeit da keines ist, oder hinten drein beim Abzuge.
[J 1047]
[800] Die Natur hat die Frauenzimmer so geschaffen, daß [sie] nicht nach Prinzipien sondern nach Empfindung handeln sollen.
[J 1059]
[801] [803]Daß Gott, oder was es ist, durch das Vergnügen im Beischlaf den Menschen zur Fortpflanzung gezogen hat, ist doch bei Kants höchstem Prinzip der Moral auch zu bedenken.
[J 1071]
[J 1093]
Die Gegner der Französischen Republik sprechen immer, daß es das Werk einiger wenigen aufrührischen Köpfe sei. Hier kann man frei fragen: Was ist je bei großen Begebenheiten das Werk von vielen zugleich gewesen? Oft war es nur das Werk eines einzigen. Und was sind denn unsere Potentaten-Kriege je anders gewesen, als das Werk von wenigen? König und Minister. Es ist ein elendes Räsonnement. Selbst das Mehrere in den Köpfen hindert den Fortgang; es müssen und können nur wenige sein, wenn etwas Großes ausgeführt werden soll, die übrigen, die Menge muß allemal herübergebracht werden, man mag nun das Überzeugung oder Verführung nennen, das ist gleich viel. Auch spricht man so verächtlich von Bierbrauern, Parfümeurs die jetzt große Rollen spielen. Es gehört ja dazu nichts als grader Menschen-Sinn, Mut und Ehrgeiz. Muß denn gerade [ein] Exzerpier-Comptoir allen Mutterwitz versessen haben um ein Volk anzuführen? (bloß Gerippe des Gedankens)
[J 1094]
[J 1096]
[807] Im Namen des Herrn sengen, im Namen des Herrn brennen morden und dem Teufel übergeben, alles im Namen des Herrn.
[J 1099]
[J 1102]
Er pflegte sich und seinen Kindern so viel circenses zu geben, daß es endlich beiden am pane zu fehlen anfing.
[J 1103]
[J 1107]
[809] Das ist auch einer von denen, die glauben der Mensch wäre schon fertig und der jüngste Tag könnte nun anfangen.
[J 1121]
Viel Hasen sind der Hunde Tod, sagt der Oberförster, dem man seinen Hund aus Versehen tod geschossen hatte weil der Schützen zu viele waren.
[J 1122]
[810] [812]Es wäre vielleicht besser für das menschliche Geschlecht, wenn es ganz katholisch wäre als ganz protestantisch. Sobald aber einmal Protestantismus existiert, so muß man sich schämen ein Katholik zu sein. Denn was der allgemeine Katholizismus Gutes hätte fällt nun weg, und ihn wieder allgemein zu machen ist unmöglich.
[J 1134]
[812] [814]Wenn jemand in Cochinchina sagt doii (doji mich hungert), so laufen die Leute als wenn es brennte ihm etwas zu essen zu geben. In manchen Provinzen Deutschlands könnte ein Dürftiger sagen: mich hungert, und es würde gerade so viel helfen, als wenn er sagte doii.
[J 1147]
[J 1148]
Das herannahende Alter und die Furcht davor recht auszumalen, das allmählige Vergehn der Zähne, die einzelnen grauen Haare. Alle die heimlichen Untersuchungen darüber. Bemerkt man einen solchen Zustand recht genau, so wird man dadurch auch in den Stand gesetzt einen erdichteten eben mit dem charakteristischen Detail zu schildern. So lernt man das menschliche Herz schildern. Der Alternde tröstet sich damit, daß jüngere Leute auch schon keine Zähne mehr, und graue Haare haben, und er vergleicht sich immer mit den Besten und Vorteilhaftesten.
[J 1149]
[814] Ich möchte wohl wissen was geschehn würde, wenn einmal die Nachricht vom Himmel käme, daß der liebe Gott ehestens eine Kommission von bevollmächtigten Engeln herab schicken würde, in Europa herum zu reisen, so wie die Richter in England, um die großen Prozesse abzutun worüber es in der Welt keinen andern Richter gibt, als das Recht des Stärkeren. Was würde dann aus manchen Königen und Ministern werden? Mancher würde [lieber] um gnädigsten Urlaub ansuchen einem Walfischfang beizuwohnen oder die reine Kap-Horn-Luft zu atmen pp als an seiner Stelle bleiben.
[J 1151]
Es verdiente wohl, daß man am Ende des Jahres ein Gericht über die Zeitungen hielte, vielleicht machte dieses die Schreiber derselben behutsamer. Da die Zeitungsschreiber auch selbst belogen werden, so müßte man behutsam verfahren um nicht Unrecht zu tun. Man müßte zwei oder mehrere entgegengesetzte Blätter mit einander vergleichen, und beide mit dem Lauf der Begebenheiten. So ließ sich am Ende etwas über den Wert der politischen Zeitungen überhaupt festsetzen. Ihr Charakter, oder auch ein Vorspiel in Versen, wo die deutschen politischen Zeitungen als Personen aufträten, könnte eine gute Satyre werden. Das Politische Journal, Schlözers Staats-Anzeigen, das Ristretto, der Correspondent, der Moniteur. Sie könnten angeben, womit sie handeln. Sie könnten als Handelsleute, Contrebandiers arretiert werden.
[J 1154]
[815] Man gibt falsche Meinungen, die man von Menschen gefaßt hat, nicht gern auf, so bald man sich dabei auf subtile Anwendung von Menschenkenntnis etwas zu gute tun [zu] können für berechtigt hält, und glaubt solche Blicke in das Herz des andern könnten nur gewisse Eingeweihte tun. – Es gibt daher wenige Fächer der menschlichen Erkenntnis, worin das Halbwissen größern Schaden tun kann, als dieses Fach.
[J 1160]
Ich sehe nicht was es schaden kann dem Patriotismus für den nicht alle Menschen Gefühl haben Liebe des Königs unterzuschieben, wenn der König so herrscht, daß alles aus Liebe zu ihm und Treue [816] gegen ihn [geschieht]. Liebe und Treue gegen einen rechtschaffenen Mann ist dem Menschen viel verständlicher als die gegen das beste Gesetz. Was für eine Macht haben nicht die Lehren der Tugend wenn sie aus dem Munde rechtschaffener Eltern kommen. Gott hat gesagt, du sollst nicht töden, du sollst Vater und Mutter ehren, du sollst kein falsch Zeugnis reden pp. Gott, der Herr der Natur, dein Schöpfer hat es dir geboten, das versteht jedermann. Der Beweis aus dem Rechte der Natur ist nicht so verständlich. Jene Worte sind deswegen kein Betrug, denn es ist die Stimme der Natur und Gottes.
[J 1161]
Es fehlt nicht viel, so ordnet man die Menschen in Rücksicht auf Geistes-Fähigkeiten, so wie die Mineralien nach ihrer Härte, oder eigentlich nach der Gabe die eines besitzt, das andere zu schneiden und zu kratzen.
[J 1162]
[817] Wir nehmen Dinge wahr vermöge unsrer Sinnlichkeit. Aber was wir wahrnehmen sind nicht die Dinge selbst, das Auge schafft das Licht und das Ohr die Töne. Sie sind außer uns nichts. Wir leihen ihnen dieses. Eben so ist es mit dem Raume, und der Zeit. Auch wenn wir die Existenz Gottes nicht fühlen, beweisen können wir sie nicht. Alle diese Dinge führen auf eines hinaus. Es ist aber nicht möglich sich hiervon ohne tiefes Denken zu überzeugen. Man kann Kantische Philosophie in gewissen Jahren glaube ich eben so wenig lernen als das Seiltanzen.
[J 1168]
Glaubt etwa jemand, daß sich alte Mißbräuche auf der Welt so leicht wegwischen lassen? Die französische Revolution wird manches Gute zurücklassen das ohne sie nicht in die Welt gekommen wäre, es sei auch was es wolle. Die Bastille ist weg, und das infame [818] Insekt, das Herr von Born in seiner Monachologie beschrieben hat, ist dadurch etwas zusammengeschwefelt worden.
[J 1172]
Wenn ein Krieg 20 Jahre gedauert hat, so kann er wohl 100 dauern. Denn der Krieg wird nun ein Status. Polemokratie. Die Menschen die den Frieden geschmeckt haben sterben weg.
[J 1181]
[819] Was der Soldat für ein Tier ist sieht man deutlich aus dem gegenwärtigen Krieg. Er läßt sich gebrauchen Freiheit festzusetzen, Freiheit zu unterdrücken, Könige zu stürzen, und auf dem Thron zu befestigen. Wider Frankreich, für Frankreich und wider Polen!
[J 1182]
Man schreibt wider den Selbstmord mit Gründen die unsere Vernunft in dem kritischen Augenblick bewegen sollen. Dieses ist aber alles vergeblich, so lange man sich diese Gründe nicht selbst gefunden hat, das heißt, so bald sie nicht die Früchte, das Resultat unserer ganzen Erkenntnis und unsres erworbenen Wesens sind. Also alles ruft uns zu, bemühe dich täglich um Wahrheit, lerne die Welt kennen, befleißige dich des Umgangs mit rechtschaffnen Menschen, so wirst du jederzeit handeln wie dirs am zuträglichsten ist, und findest du dereinst den Selbstmord für zuträglich, das heißt sind alle deine Gründe nicht hinreichend dich abzuhalten, so ist er dir auch – erlaubt.
[J 1186]
[820] Die Franzosen versprachen in den adoptierten Ländern Bruderliebe, sie schränkten sich aber am Ende bloß auf Schwesterliebe ein.
[J 1192]
Ich möchte wohl wissen, ob alle die wider die Gleichheit der Stände schreiben und dieselbe lächerlich finden recht wissen was sie sagen. Eine völlige Gleichheit aller Menschen, so wie etwa aller Maikäfer läßt sich gar nicht denken, so können es auch die Franzosen unmöglich verstanden haben, denn sie reden ja überall von den Reichen. Selbst Cambon sagt in dem Rapport vom 15. Dezember, worauf das berüchtigte Dekret gebaut wurde: Nur die Reichen sollen zu den Staatslasten beisteuern. Unter den Studenten auf Universitäten findet eine solche Gleichheit statt, der ärmste Student dünkt sich so viel wie der Graf und gibt diesem nichts vor und das ist recht, ob er gleich gerne zugibt, daß er im Collegio an einem besondern Tische sitzt und bessere Kleider trägt. Nur muß er als Graf keine Vorzüge prätendieren, die ihm bewilligten läßt ihm jedermann gerne. Wollte er welche prätendieren, so wäre dieses der Weg zu bewirken, daß man ihm alle versagte. Nur die stolzen Prätensionen sind, was der freie Mensch nicht vertragen kann, er ist übrigens gar sehr geneigt wenn man ihn gehen läßt jedem [die] Vorzüge zu bewilligen, die er verdient, und was er für welche verdient, dazu hat er gewöhnlich ein sehr richtiges Maß. Jede Achtung ist ein Geschenk, das nicht erzwungen werden darf und kann. Bewilligt das Volk durch Dekrete [821] gewisse Vorzüge, so ist dieses eine Abgabe und kein Geschenk des einzelnen und diese können prätendiert werden, so sind die Vorrechte der Magistrats-Personen im Dienst. Jedermann denke doch an die Bürger seiner Vaterstadt. Wenn der reichste Kaufmann einer Stadt einen Vorzug vor dem ärmsten Schuster oder Schneider prätendierte, so möchte er übel ankommen, du hast mir nichts zu befehlen, ist die Antwort, prätendiert er ihn nicht und ist sonst ein ehrlicher Mann, so wird ihm der den Vorzug nie versagan.
[J 1194]
Deutscher Fleiß, mit diesem Titul pflegen oft Köpfe, die nicht zum Denken aufgelegt sind, ihre trockene geistlähmende Bemühungen zu belegen. Tag und Nacht lesen und sammeln hat etwas sehr Schmeichelhaftes für den Sammler, dem es an wahrer Geistesstärke fehlen muß, denn sonst schickte er sich nicht zu solchen Arbeiten, die immer etwas von Neger-Dienst an sich haben. Es ist auch nicht ohne Verdienst in jedem Sinn, wo dieses Wort auch Einnahme bedeutet, aber man sollte doch bedenken, daß ein solcher Mann immer unendlich tief unter dem kleinsten Erfinder steht. In England werden die Literatoren wenig geachtet. In Deutschland sieht man den Mann schon als etwas an, der weiß was in jeder Sache geschrieben worden ist, ja wenn man ihn um sein Urteil in einer Sache fragt, so nimmt man wohl vorlieb, wenn er einem eine Literär-Geschichte der Sache statt der Antwort gibt.
[J 1195]
Eine Wirkung völlig zu hindern, dazu gehört eine Kraft, die der Ursache von jener gleich ist, aber ihr eine andere Richtung zu geben bedarf es öfters nur einer Kleinigkeit.
[J 1196]
[822] Was doch eigentlich den Armen den Himmel so angenehm macht ist der Gedanke an die dortige größere Gleichheit der Stände.
[J 1202]
Unter die Mißverständnisse oder die falschen Darstellungen bei der französischen Revolution gehört auch die daß man glaubt, die Nation werde von einigen Bösewichtern geleitet. Sollten nicht vielmehr diese Bösewichter sich die Stimmung der Nation vielmehr zu Nutz machen?
[J 1203]
[J 1204]
[823] Mein Körper ist derjenige Teil der Welt, den meine Gedanken verändern können. Sogar eingebildete Krankheiten können würkliche werden. In der übrigen Welt können meine Hypothesen die Ordnung der Dinge nicht stören.
[J 1208]
[J 1215]
[J 1216]
Für den Verlust von Personen, die uns lieb waren, gibt es keine Linderung als die Zeit, und sorgfältig und mit Vernunft gewählte Zerstreuungen, wobei uns unser Herz keine Vorwürfe machen kann.
[J 1221]
[825] In der allgemeinen Litteratur-Zeitung wird einmal angemerkt man hätte zu Paris die Statuen einschließen sollen (1793. No 78, p. 622.) um der Barbarei ihrer Zerstörung vorzubeugen, auch an einem andern Ort (No 85 S. 675), es hätte manches bei der Revolution nicht so gewaltsam geschehen müssen. Als wenn je die Natur die Ausführung ihrer Plane der Metaphysik abtreten würde. Es wäre wohl auch gut gewesen, wenn die Städte in Kalabrien so lange in Sicherheit wären gebracht worden, bis die Natur den Kellerbau, den sie unter denselben vorhatte, vollendet gehabt hätte, das ist es eben. Ich sollte denken, wenn trotz aller Reparaturen und alles Stützens, das Gebäude doch endlich einstürzt, so lag die bessere Einrichtung des Ganzen nicht in dem Reparatur-Plan und dessen Fortgangs-Gesetz. Aus einem immer verbesserten, aber nach seinen Grundsätzen verbesserten Katholizismus konnte nie Protestantismus, und aus einer verbesserten Populär-Philosophie nie Kantische Philosophie werden. Aus einer allmählig verbesserten Cartesianischen Physik konnte nie die wahre Newtonische werden. Die größten Mathematiker [826] haben an den Wirbeln gedreht und gelenkt um sie gehen zu machen. Aber es half alles nichts, sie mußten herunter diese Wirbel und allgemeine Schwere bestieg den Thron und herrscht nun von der Milchstraße bis zur Sonne, und wird herrschen bis ans Ende der Zeit.
[J 1223]
Man hat Sagen der Vorzeit von Veit Weber. Unsere Zeitungen sind Sagen der Zeit, so sollte man sie nennen. Man hat nachgerechnet und gefunden daß 1/4 (Viertel) von jedem Blatt mit Berichtigung von alten Lügen und 3/4 mit neuen angefüllt sind. Siehe S. 141. Col. 2 [1238].
[J 1224]
[J 1226]
Ist es nicht sonderbar, daß jedermann sein eigner Arzt, auch sein eigner Advokat sein darf, sobald er aber sein eigner Priester sein will, so schreit man Jammer und Weh über ihn und die Götter der Erde mischen sich darein. Was wohl die Ursache sein mag daß sich die Götter der Erde so sehr um das ewige Wohl der Menschen bekümmern, da sie doch ihr zeitliches oft so unverantwortlich vernachlässigen? Die Antwort ist nicht sehr schwer.
[J 1227]
[J 1230]
[828] Hermeneutische Billigkeit kann jeder Schriftsteller von seinem Leser verlangen, denn diese ihm versagen, ist eigentlich Chicane.
[J 1233]
[J 1234]
Zeitungen besser Sagen der Zeit so wie man Sagen der Vorzeit hat. Nach Zeitung ist Räumung. Das letztere ist Platzmachen, so wie das erste Zeitmachen oder Zeitenmachen. Zeitungen sind öffentliche Blätter worin die neusten Begebenheiten so erzählt werden wie es [sich] für Zeit und Umstände des Orts wo sie gedruckt werden am besten schickt. Exoterische und esoterische.
[J 1238]
Ich glaube der beste Kopist und Zeichner würde einen Kopf oder eine Figur nicht gut treffen können, wenn sie ihm verkehrt vorgelegt [829] würde, und unter der Bedingung weder das Original noch seine Kopie während der ganzen Arbeit je gerade vor sich hinzulegen. Man sieht also was der Künstler tut der ein Gesicht kopiert, er liest beständig im Ganzen, und mit dem Geiste dieses Ganzen vor Augen tut er manchen Strich in der augenblicklichen Begeisterung wenn ich so reden darf, wovon er nichts weiß, und so wird die Kopie ähnlich. Man wird finden, daß dieses Lesen, dieses Zusammennehmen derselben bei jedem Unternehmen nötig ist und den Mann von Genie zu diesem Unternehmen von dem gemeinen Kopf unterscheidet. So sind bei dem Kommando von Armeen, bei Anlagen großer mechanischer Werke, bei großen Finanzoperationen oft die tiefsten Theoretiker die elendesten Ausführer. Sie haben immer das Detail zu sehr vor Augen, und das Ungemeine, das von wenigen Erkannte, das Neuentdeckte, auch das Schwere, und vergessen darüber das leichte Alltägliche, das immer oder doch wenigstens in den meisten Fällen auch das Hauptsächlichste ist. Hier fällt mir der Mathematiker ein, der gegen eine Maschine, die den Weg des Schiffes auf der See zeichnen sollte, nichts einzuwenden hatte, als daß es wegen der Ausdehnung des Papiers trügen könne.
[J 1241]
[J 1243]
[J 1245]
[J 1249]
Es ist eine herrliche Bemerkung, die ich in einem Aufsatz im Schleswig-Braunschweigischen Journal gelesen habe, daß der Pöbel in der Welt, die Sansculottes und die Großen der Erde, also die beiden äußersten Menschen-Klassen grade die sind, die von Wahrheit und Tugend am weitsten entfernt sind, und von denen auch die größten Schandtaten begangen werden. Paris hat seine Sansculottes nicht besser erzogen, als seinen Hof, der sogar einmal seinen Helden den Namen aus der verworfensten Klasse der Sansculottes gab, nämlich den von roués.
[J 1250]
Es wäre wohl gut wenn ihm jemand einmal sein goldnes Wolfs-Vlies über die Ohren zöge. Einem das Vlies über die Ohren ziehen, ist besser als Fell.
[J 1253]
[831]
[244] Es verdiente einmal recht ernstlich für eigene Haushaltung untersucht zu werden: warum die meisten Erfindungen durch Zufall müssen gemacht werden. Die Hauptursache ist wohl die, daß die Menschen alles so an sehen lernen wie ihre Lehrer und ihr Umgang es ansieht. Deswegen müßte es sehr nützlich sein einmal eine Anweisung zu geben wie man nach gewissen Gesetzen von der Regel abweichen könne.
[J 1329]
[J 1485]
[275] Ein Meisterstück der Schöpfung ist der Mensch auch schon deswegen, daß er bei allem Determinismus glaubt er agiere als freies Wesen.
[J 1491]
[276] [283]Es ist sonderbar, daß nur außerordentliche Menschen die Entdeckungen machen, die hernach so leicht und simpel scheinen, dieses setzt voraus daß die simpelsten aber wahren Verhältnisse der Dinge zu bemerken sehr tiefe Kenntnisse nötig sind.
[J 1529]
[283] Das Wort Schwierigkeit muß gar nicht für einen Menschen von Geist als existent gedacht werden. Weg damit!
[J 1534]
[284] [286]Durch das Planlose Umherstreifen durch die planlosen Streifzüge der Phantasie wird nicht selten das Wild aufgejagt, das die planvolle Philosophie in ihrer wohlgeordneten Haushaltung gebrauchen kann.
[J 1550]
Der Mensch ist ein Ursache[n] suchendes Wesen, der Ursachensucher würde er im System der Geister genannt werden können. Andere Geister denken sich vielleicht die Dinge unter andern uns unbegreiflichen Verhältnissen.
[J 1551]
[286] [290]Da Menschen sehr lange scheinbar todt sein können, so ist die Frage ob man nicht endlich lernt ihnen diese Betäubung künstlich zu geben, und sie so zu erhalten.
[J 1574]
[J 1770]
[321] [323]Es ist gewiß etwas sehr Charakteristisches in dem Deutschen ein paar Erfahrungen sogleich in ein System zu ordnen, dieses tut der Engländer nicht. Nichts hindert den Fortgang der Wissenschaft mehr, wie schon Baco und hundert andere gesagt haben.
[J 1781]
[323] [327]Was würde das für ein Gerede in der Welt geben, wenn man durchaus die Namen der Dinge in Definitionen verwandeln wollte!
[J 1806]
[327] [330]Man könnte den Menschen so den Ursachen-Bär, so wie den Ameisen-Bär nennen. Es ist etwas stark gesagt. Das Ursachen-Tier, wäre besser.
[J 1826]
[J 1849]
[J 2009]
[J 2076]
[J 2093]
[381] [393]Philosophie ist immer Scheidekunst man mag die Sache wenden wie man will. Der Bauer gebraucht alle die Sätze der abstraktesten Philosophie nur eingewickelt, versteckt, gebunden, latent, wie der Physiker und Chemiker sagt; der Philosoph gibt uns die reinen Sätze
[393][J 2148]