Zachariä, Die Poesie und Germanien

[253] [Justus Friedrich Wilhelm Zachariä:] Die Poesie und Germanien. Ein Gedicht. Berlin 1755. In 4to. auf 21/2 Bogen. Da die elende Bande jener reimreichen Antipoden des Witzes und der Vernunft an Pasquillen auf alle diejenigen so fruchtbar ist, die ihren Drachen nicht anbeten; so kann es nichts unerwartetes sein, wenn man noch hier und da einen Daniel Küchelchen von Pech und Haaren machen und es ihm in den Rachen werfen sieht, in Hoffnung daß er davon bersten werde. – – Germanien freuet sich über das Glück, welches die Musen in ihrem Reiche machen, die sich mit den Grazien um ihren Thron versammelt haben. Besonders freuet sie sich, die Poesie unter ihren Söhnen in einem Glanze schimmern zu sehen, der die Aufmerksamkeit ihrer Nachbarn endlich zu erregen mehr als hinlänglich sei. Der Poesie selbst aber scheinen diese Lobsprüche zu gütig und zu früh erteilt zu sein. Sie klagt über die sklavische Nachahmungssucht der Deutschen; und dieses sind ihre Klagen:


»Kaum fängt ein Haller an, groß, stark und schwer zu dichten,
So eilt der Tor sein Lied nach seinem Schwung zu richten;
Ahmt nur die Fehler nach; ist niedrig, dunkel, schwer,
Von harten Worten voll, und von Gedanken leer.
Läßt uns ein muntrer Geist des Tejers Laut erklingen,
So fängt halb Deutschland an Geschwätz und Tand zu singen;
Jedwede Presse schwitzt von zu viel Lieb und Wein,
Und für des Heiden Ruhm vergißt man Christ zu sein.
Erzählt ein Gellert uns, und sehn wir mit Vergnügen,
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Den ihm nur eignen Scherz und seine Leier fliegen:
So tändelt jeder Tor, kein Brief und kein Gedicht
Erscheint, daß nicht darin ein falscher Gellert spricht.«
etc.
Noch mehr aber klaget sie über ihn, den man in folgender Beschreibung erkennen wird:
»––––– ein blinder Aristarch
Der Reime Patriot, der Prosa Patriarch.
Vergebens zeichnen ihn des strengen Satyrs Schläge,
Er achtet Striemen nicht und bleibt auf seinem Wege;
Und tadelt allezeit, so bald ein großes Lied
Nicht an dem Boden kriecht und seiner Zucht entflieht.«

Hierauf nun wird sie von Germanien getröstet, welche ihre würdigern Söhne gegen die Anhänger ihres Widersachers aufstellet; und folgender Maßen schließt:


»–––Nur erst nach vielen Jahren
Ward Miltons Wert bestimmt; umsonst rast Lauder nun.
Will wider Klopstock nicht der deutsche Lauder ruhn;
So ras' er! Ihn verfolgt durch alle meine Lande
Des strengen Satyrs Spott, und Lauders ganze Schande!«

Amen! – – Wir glauben, daß wir von diesem vortrefflichen Gedichte genug angeführt haben, die Leser auf das Ganze begierig zu machen. Der Dichter hat sich nicht nennen wollen; wie aber wenn er sich auf der sechzehnten Seite eben dadurch genennt hätte, daß er sich nicht genennt hat? Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 3 Gr. Auf größer Papier 4 Gr.

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TextGrid Repository (2012). Lessing, Gotthold Ephraim. Ästhetische Schriften. Rezensionen. Zachariä, Die Poesie und Germanien. Zachariä, Die Poesie und Germanien. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E6B3-3