Zweite Szene
Zimmer in Solinas Wohnung.
JULIO
mit dem Gesicht auf dem Tisch in heftiger Bewegung; springt auf.
Sie ist nicht da? Nicht zu Haus? Wo dann? Ich will warten und dauerte es eine Ewigkeit.
LUDOVICO
tritt auf.
JULIO.
Wo kommst du her? Was suchst du?
LUDOVICO.
Ich glaubte Graf Drullo wär hier zur Kur.
JULIO.
Hier? hier zur Kur? Graf Drullo?
LUDOVICO.
Graf Drullo, was wundert dich? Und so find ich dich, das ich nicht glaubte, und in einem Aufzug –
JULIO
in der Stellung wie oben.
LUDOVICO.
Wo bist du die drei Nächte und Tage wieder herumgefahren Wütiger?
JULIO
keine Antwort.
LUDOVICO.
Wenn du's so forttreibst, deine garstige rasende Wirtschaft, leg ich dich in Ketten und schlepp dich nach Teutschland zum Onkel.
JULIO
springt auf.
Und wenn du nicht schweigst, pack ich dich zusammen und stürz dich dem Fenster hinunter, vernünftiger Herr!
LUDOVICO.
Bist du denn ganz wütig, und von Sinnen?
JULIO.
Ja ich bin's. Zapf mir das Blut ab, verkälte es wie das deinige, erstick meine Hitze, mein Feuer, erwürg mein Gefühl; oder schaff mir einen Platz, wo ich all meine Tätigkeit, all mein Vermögen brauch; wo meine Ehrbegierde freies, unbeschränktes Feld hat, herumzutummeln, hinanzugelangen, und sie zu verdienen. O ich halt das dumme, matte Leben nicht mehr aus.
LUDOVICO.
Zerreiß das Schicksal, die Bestimmung, das Verhängnis! flieh drüber weg! über deinen Stand, worein du geworfen bist.
JULIO.
An den Begriffen sieht man, was für ein Mensch du bist. Schicksal? Bestimmung? Verhängnis? Ha, ha, ha! für was hältst du mich, mit deinem Schicksal? für eine Marionette am Draht geführt? Nein, Herr! Ich will alles tun, da soll nichts über mir, noch um mich dazu helfen, als ich! Was das für ein elender Gedanke ist für einen Menschen, der sich fühlt: sich leiten zu lassen, dahin und dorthin. Lieber mein Leben bei der Erde geblieben, als einer fremden Macht was zu [1000] verdanken zu haben. O der Drahtpuppen! Und da könnte der dümmste Kerl besser geführt werden, als der beste Kopf? Viel Ehre!
LUDOVICO.
Das sind Ideen! so geht's wenn man keinen Zweck im Leben hat, einen falschen überspannten Zweck hat. Sich einbildet, wenn man ein etwas beträchtliches Ansehn hat, man könnte Staatsminister, alles sein, und Wunder von seinem Geist und Genie glaubt.
JULIO.
Schweig, und geh deinen trägen Eselsgang, du bist und bleibst der alte Hofmeister.
LUDOVICO.
Nu wir wollen sehen, wer seinen Plan am sichersten gemacht hat; wer das Ziel erreicht!
JULIO.
Deins hängt wohl sehr hoch.
LUDOVICO.
Und nach der Art, wie du dem deinigen entgegenarbeitest brichst du zehen Hälse, und scheiterst tausendmal auf der Fahrt, eh du einen deiner übertriebenen Wünsche befriedigst.
JULIO.
Kein Wort mehr! – Mein alter, werter Vater! heute, wo Sturm meine Seele hin und her reißt, dank ich deiner heiligen Asche! Beugt seine Knie. daß du mir ein Ziel der Ruhe und Genügsamkeit aufgesteckt hast. Noch hör ich deine letzte Worte, die du sagtest, als du mich dem Handwerker übergabst, mich an dein Herz drücktest: Julio! mit diesen Gesinnungen, mit diesen Empfindungen wirst du so wenig durch die Welt kommen, als ich. Versuch's und lern's durch Erfahrung. Hast du's gesehen, und es taugt dir nicht mehr, denn kehr zu mir, und bin ich nicht mehr, so schlag deine Wohnung in der Werkstätte auf, und erwerbe unabhängig dein Brot. Dieser Mann lehrt dich's und du wirst mich segnen.
LUDOVICO.
Nun ja! Da hat er seine Schreinerei wieder im Kopf. Eine Raserei auf die andre. Da geht auch so was Tolles am Hof herum. Sucht in der Tasche. Graf Drullo sagte, es käme vom Poet, und da du unter diesem Namen bekannt bist – lies nur! Was das für Schande ist, so wütige Verse zu machen? ohne Metrum, ohne Harmonie, die so wütig sind, wie du?
JULIO.
Zeig her! Sieht 's Papier an. bist du's Zeuge der großen, seligen, innig gefühlten Stunde! Ich will dich noch einmal mit all dem Feuer vor meine Seele zaubern. Donna du bist um mich!
Liest.
Blick wonnevoll und Geists!
Ha! so hast du meine Seele,
[1001] Gefangen in der Glut,
Und wälzt sich dort in Reizen all?
Blitz zurück! Liebe heißer noch ...
Immer mächtiger ... Ich ras die Liebe.
Mark und alle Nerven glühn;
Feuer frißt das Leben auf.
Ach Taumel! Tanz und Treiben!
In Adern voll der Liebe
Schweb! Schweb! der Geist hat Ruhe nicht.
Ha! die Majestät dem Aug herab! –
Ich halt's nicht aus und Götter nicht.
Hinan! häng dich an Busen
Der Liebesgöttin!
Noch einmal saug, trink der Liebe – – –
Nicht Gift ... Götter Schwingen,
Flügel über Sonn und Welt!
Häng fest gestohlner Geist!
Daß Glut, Wonne, Liebestaumel,
Dich reiße hin; oder
Gesättigt die Liebesglut
Du stille wirst.
Und nimmer stille! Immer neu,
Stark, mächtiger, wie vor,
Jupitern und allen Göttern überhoben! – –
Sodann du Apfel glühenden Augs!
Fest und wälz im Wonnenmeer!
Punkt auf Punkt! Strahl in Strahl!
Flammen durchgekreuzt! Seel in Seel!
O weh der Blick zerschlug mich ganz!
Nun dann Leben! Leben! oder Tod!
Donna! Donna!
LUDOVICO.
Sind das nicht wahrhafte Rasereien die Verse? Pfui für ein vernünftiges Geschöpf!
JULIO.
Das wär Schande? Und daß du nichts bei fühlst keine? Und frag ich darnach wenn mir's wohl ist? Wenn du wüßtest daß ich dadurch mein Leben errettete, meinem gebangten Herzen Luft machte, das kaum mehr Raum in der Brust hatte, da ich ihr gegenübersaß und dies aufs Papier warf; wenn – geh Pharisäer und erinnere dich Roms, wo dir das Gefühl dafür genommen ward. Erinnre dich der Stunde worin der wilde Florentiner die Schande seiner Familie an dir rächte. – Ich [1002] will mich in die Welt stürzen, durchs Gedräng schlagen und hinauf! je mehr Hindernisse, je besser!
LUDOVICO.
Nun dann! treib's, wie du willst. Der Prinz und alles wird aufmerksam auf dein verstörtes Leben. Und wahrhaftig, ich dächte du hättest nicht Zeit, in dem Getümmel von Leidenschaften zu leben. Jedermann wundert sich –
JULIO.
Vetter! ich bitt dich, geh, und wart deiner Sache. Ich weiß, der Prinz hat viel zu tun für dich. Geh, und laß mich so. Mich wundert nichts, als meine Geduld.
LUDOVICO.
Der Prinz fragt, fragt nach Donna Solina. Er hat sie gesehen, kann nicht begreifen warum sie nicht an Hof käme, da sie schon einen Monat hier wäre. Man sagte ihm, daß du bisher ihr einziger Gesellschafter seiest, und du weißt –
JULIO.
Jetzt geh!
PIRRO.
Gnädiger Herr! Donna Solina kommt zu Hause.
JULIO.
Weg!
LUDOVICO.
Vetter! du endest hier! Adieu!
JULIO
allein.
Sie kommt! Und wie mir's leichter wird, und wie mir's dumpfer und schwerer wird. Er fragt! Ha dann Prinz Galbino das können Sie ja wohl! aber wenn Sie mehr wissen wollen – Sie kommt und alles schwindet. Liebe will ich. Meine Seele ist bestimmt. Liebe! Liebe! will sie fordern, und wenn sie mich vernichtete!
DONNA SOLINA
tritt auf.
Sie wieder hier Julio? Und sagte ich nicht –
JULIO.
Hier Madonna! und ewig an keinem andern Ort.
SOLINA.
Sehr kühn! Und Julio! in einem Aufzug so traurig und zerstört. Man sollte glauben, Sie hätten in einem Jahr keine Seelenruh gehabt.
JULIO.
Madonna der Aufzug der Liebe, die meine Sinne wirr gemacht hat.
SOLINA.
Den tragen Sie zu mir?
JULIO.
Mein Ziel ist hier. Schon drei lange, lange Tage und Nächte irr ich verloren in all der Liebe, die mich bald zu den Sternen trug, und bald in Verzweiflung stürzte, um dieses Haus herum. Donna! kein Pfosten, den ich nicht umfaßte, kein Fenster, dem ich nicht mein Leiden vertraute. Und keinen Blick! keinen Gruß! Sie schienen mich zu vermeiden. Sonst hatt ich noch die einzige Wonne, in Gesellschaft, in einem einsamen Eckchen verborgen zu sitzen, wo mich manchmal ein ungefähres Zu winken in den Zaubertaumel wiegte, und meinem[1003] zweiflenden Geist aufhalf. Ich vermocht's nicht länger, mich trieb's herein, unwiderstehlich zog mich's, und Donna, als ich hereintrat, bestimmte sich meine Seele. Sie ist's! Liebe! große Solina! ich weiche nicht. Liebe! Liebe!
SOLINA.
Hast du vergessen Julio, was ich dir so oft sagte, daß du ohnerachtet der großen Prätensionen die sich auf deinem Gesicht beschreiben, für meine Liebe zu schwach wärst? Steh ab Julio! laß dich weisen, steh ab! Solinas Liebe geht über dich, und du hälst die Probe nicht aus. Ich bitt dich, schau mich an, und brauch ich dir mehr zu sagen?
JULIO.
Und eben darum. Erhabene Solina! lassen Sie mich's hören! machen Sie mich zum König, zum Gott! alles werd ich durch das einzige Wort. Sie sollen sehn, was Julio wird.
SOLINA.
Närrchen du weißt nicht was du forderst. Steh ab, es wär dir besser – – was, Liebe willst du kleines Geschöpf? und Solina Pisana sollte dir sagen, sie liebte dich? Was bist denn du für Solina Pisana? Und doch so verwegen, so kühn zu begehren was noch kein Mann wagte? Wie kannst du dir einen Geist geben, wie kannst du mir Liebe geben, das alles ohne Maß? Ach! das kleine Herz, und das geteilt!
JULIO.
Geteilt? Solina, der dich gesehen, muß der nicht, all seine Seele, sein Herz auf dich werfen? Göttin! Göttin! die du auf einen Blick, Menschen über Menschen hebst! Keiner hat's gefaßt, keiner kann Solina Pisana fassen. Ha Zaubermacht! meine Seele ist trunken. Stoß mich hinaus! einen Schleier über die Majestät, oder du zernichtest mich.
SOLINA.
Ha, ha, ha!
JULIO.
Lache! Ist dir Julio zu klein? Deine Liebe, Pisanerin, Julio hat Adlersschwingen. Solina! Deine Liebe! Du sollst sagen, ich sei deiner würdig. Bei dieser hohen Miene! Du sollst stolz auf mich sein.
SOLINA.
Ha, ha, ha!
JULIO.
Lache mir Schwerter durchs Herz! Ich hab Stolz Solina, eine starke, männliche Seele.
SOLINA.
Und kannst so zu einem Weibe reden.
JULIO.
Ich red zu keinem Weib. Wärst du ein Weib, wie Weiber sind, verschmachten wollt ich im Feuer, eh ich so spräche.
SOLINA.
Ha Julio! auf! dein Genius auf! Glut in deinen Augen! was drehst du die Äpfel? will deine Seele heraus? Ha so wachs! ich liebe dich!
JULIO
fällt nieder.
[1004]SOLINA.
Fühlst du's? was taumelst du? was zitterst du? Hat dich der Donner getroffen? Noch einmal ich liebe dich. Du bist der erste Mann. Ich dachte, eher sollte mir mein Stolz das Herz brechen, als es einem von euch zu sagen. Du bist's! Hebt dich meine Liebe nicht, soll dein Geist schwinden. Sklav ewig, den Solina nicht zum Gott erhebt.
JULIO.
Mehr, mehr, ich bin's.
SOLINA.
Du weißt nicht, wie du deine Seele gebunden hast; wieviel Solina von dem fordert, den sie, wie dich, ansieht. Hör Julio! Deine Seele, dein Herz, du! du! mußt mein sein. Könnt ich mehr haben, ich müßt es haben. In der großen, weiten Welt muß nichts deinen Blick halten. Von meinen Augen mußt du leben, weben, abhängen und sein. Ist ein Fäserchen, ein Blutstropfen in deiner ganzen Maschine, das nicht durch mich wallt, soll sich Solina vor dich hinstellen, ein Blick, und du bist hin.
JULIO.
Ich schwöre.
SOLINA.
Was willst du? Mir schwören? Ha, ha, ha mir schwört man auch! Wer ist Solina, wenn deine Schwüre mehr vermögen! Hier ist Sicherheit für tausend solcher Püppchen. Deine Augen in meine! Näher! Blick in Blick! Fallen dir die Augen zu? Starr! forsche dein Geist in dem meinigen! – So Julio! ich seh du faßt mich. Sieh! alle Männer fuhren zurück, sahen sie mir in die Augen. Starr du! Du bist mehr als der König. Julio! als ich zum König kam, schlug er die Augen nieder, sah auf die Schuhschnallen. Ha dacht ich! das sind mir Königsaugen! Nun hab ich meinen Spiegel. Im ganzen Männerreich, keiner von dem ich's sagen könnte. Nimm meine Hand Julio!
JULIO.
So hebe und treibe mich, bis ich deiner würdig bin. Diesen Kuß auf deine weiße Hand, wag ich mehr, bis ich auf der Höhe steh, so stoß mich in Abgrund.
SOLINA.
Du hättest gut wagen. Diesen einzigen Kuß! Er küßt sie. Der erste seitdem mich mein Vater und meine Mutter küßten.
JULIO.
Ach Solina! laß! laß mich zu Atem kommen! Wer kann das Feuer deiner Lippen ertragen.
SOLINA.
Ich hab dir viel gegeben. Bei Gott du hast mit diesem Kuß ein Heiligtum von meinen Lippen gestohlen. – Ich will doch sehen, ob ich mich betrogen habe. Weh dir Julio! ist dir Solina nicht, was der Erde die Sonne; was der belebende Hauch der ganzen Natur. Deine Hand! ah so zittre! weh dir, [1005] wirst du der Mann nicht den deine Augen und Stirn prophezeien!
JULIO.
Donna! ich kann nichts sagen, als, heute fang ich an zu sein.
SOLINA.
Nun an Hof! und laß dich von meinem Bilde leiten. Ich will sehen, was dir Solina ist. Julio, wenn die Liebe nicht Welten in dir schafft, in deiner Seele weckt und facht, deine Stärke und Mut auf die höchste Spitze treibt! Sieht ihn starr an. Starr mich an! hast du Unternehmen in den Augen? Zeig! wir wollen doch sehen! Julio keine Schwäche! Weh dir hast du Cäsars Blicke nicht, die durchfahren und aller Herzen beugen. Ha der Junge! – wahrhaftig er sieht jovialisch! Bettel Majestät! – Starr! laß mich was Göttliches auf deiner Stirne sehn, daß sich mein Geist vor dir neige! Bei der Größe des Menschen! das war ein Blick der eine Welt zerschlüge! Was bist denn du mit Jovis Blicke, du Schnecke du! Ach Jovis Blicke und ein kleiner, unbedeutender Höfling von einem Edelmann.
JULIO.
Solina! necke mich nicht, ich bitte, schone! Verflucht, daß es so ist! Stell nur ein Rom her, wie's war, du sollst sehen, wie ich von unten hinaufsteig. Dir selbst soll's schwindlen, Stolze!
SOLINA.
Ha! ha! mir schwindlen, mein kleiner Jupiter!
JULIO.
Das soll's! Spotte nicht! reize mich nicht schärfer. Wenn ich dem Luft geben könnte, was in mir stürmt und braust himmelan! Es sei so, die Welt ist so, und alle unsre Verfassung drücke und zwänge. Ich muß einen Geist mit mir herumschleppen, der sich alle Augenblicke überwirft. Ich knirsch mit den Zähnen, nag mir 's Herz ab, verfluch alles, möcht die Welt in Brand stecken, um aus dem Schutt neue hervorzuziehn. Rasend war's, als ich mich in Rom das erstemal vor Cäsars Säule hinwarf. Wie ist's Wunder, daß sich so ein Mensch vor einen Gott hielte, wenn er alles unter sich gebracht hat, seinen Thron aufschlägt; Er, der alleinige! geschaffen der Göttliche, von Millionen Jetztlebenden und Nachkommen angestaunt zu werden. Und dem das stolze, gewisse Selbstvertrauen, das Bewußtsein ohne Eitelkeit, ohne Streben der eignen innren Größe. Größer, als alle, die er sieht. Wie sie alle schwinden vor ihm, er sagen kann: Ich allein! ich bin's! ich vermag's! Hier lebte ein Cäsar, hier war jedem die Bahn offen sich hinaufzuschwingen. Was ist diese Welt? Was tut man hier, wo alles Ziel hat, kurz und beschränkt? Stell mir ein Rom her, wie's war, laß mir meinen jetzigen Rang, du sollst sehen, wie ich von unten hinaufsteig. [1006] Solina, ich tu genug, wenn ich mich erhalt. Beug meinen Geist, anstatt ihn zu reizen. Gib ihn Tausenden, du wirst sehen, wie sie darniedertaumlen.
SOLINA.
Ich fühl den Gott, der aus dir redt. Weiter! Mein Geist ist verwandt mit dir. Deine Blicke! – Da hab ich Sonne. Du getrautest dir also hinanzusteigen, oder willst du lieber springen.
JULIO.
Wie's käme! genug ich müßte hinan.
SOLINA.
Diese Welt ist also nichts für dich? Und hier nichts? Und das Schicksal dieser edlen unterdrückten Herzogen liegt dir nicht am Herzen? Du möchtest sie nicht reißen aus den Klauen dieses hämischen Galbino? Erretten von der Bosheit dieses kalten Heuchlers Ludovicos? Befreien von den Stricken dieses kalten feinen Drullos?
JULIO.
Mein einziger Gedanken seit dem plötzlichen, schröcklichen Tod des großen Herzogs. Solina! das war mein süßer Traum. Mein Herz brannte, ich weinte oft bei der Asche dieses Edlen und schwur ihm, seine Witwe zu retten, mich für sie aufzuopfern. Und ich bin's schuldig. Er zog mich hervor, und mit ihm starb ich, all mein Einfluß, eben da ich anfing zu wachsen und mich auszubreiten. Wär ich ihm fremd gewesen, ihr Schicksal ward das meinige, da ich sie klagen hörte bei der Leiche des Herrlichen, in Tränen zerrinnen fühlte, ihre Gestalt vergehen. Sah, wie ihr und dem künftigen Nachkömmling durch harte Gewalt die Herrschaft entrissen ward. Ach Solina! in der fürchterlichen Stunde des Tods flehte er seinen hämischen Vetter, seine Witwe bei der Regierung zu schützen. Gab's versiegelt dem treuen Pasquino, dem's durch falsche Erklärung, und Drohung des schändlichsten Tods abgezwungen ward. Er riß es an sich. Und wie jetzt sein einziges Bestreben dahin geht, alles an sich zu ziehen, sie und den künftigen Stamm zu liefern.
SOLINA.
Und du sitzest still? Gott gib mir Weib, Stärke und Mut! – Ha Julio ich ahnde eine Zukunft und wie alle meine Geister sich aufmachen, und sich sehnen, zu tilgen und zu retten. Du bist still und siehst?
JULIO.
Was soll ich tun, da sie mir allen Einfluß abzuschneiden suchen?
SOLINA.
Wachen und arbeiten, sie einschläfern und dich notwendig machen.
JULIO.
Wie dann?
[1007]SOLINA.
Sklav!
JULIO.
Sklav?
SOLINA.
Ja Sklav! Fragt einer der Selbstvertrauen auf seinen Mut und Geist hat, wie er sich notwendig mache? Überbau eine Eiche, und sieh wie sie durch ihr starkes Vermögen emporstrebt? Könnte sie auch nicht gleich durchbrechen, wird der Stamm fest und dicht. Sie breitet ihre Äste aus in den weiten Umfang, raubt den umstehenden Bäumchen Sonne und Wachstum, diese sterben vor der Königin dahin. Kraft hat sie, dein Überbau liegt an ihrer Wurzel. Herrlich empor! dem Wandrer säuselt sie Ehrfurcht.
JULIO.
Sklav!
SOLINA.
Liegt hier nicht vor dir eine weite Bahn zum Ruhm? Du kannst zeigen was deine Talente vermögen. Und deine Ehrbegierde hat edlen Zweck. Und dann – Bist du nicht Sklav deiner Ehrbegierde solang du nicht suchst, ihr Gnüge zu leisten? Dein Geist ist Einbildung; oder falsche Inspiration, wenn du nicht steigst, von unten angefangen. Ha! wie er da steht! Held! Held! du bist ein Mann? Schwache Seele, Cäsar und mein Geschwätz hat dir den Kopf verdreht. Er hat einen emporstrebenden Geist und weiß sich nicht über die wollüstige Höflinge zu schwingen. Hätten mich die Götter zum Mann gemacht – sag, du seist ein Seladon, Metastasios Cäsar du!
JULIO.
Hälst du mir den Spiegel vor?
SOLINA.
Sklav!
JULIO.
Ich?
SOLINA.
Laura! ach Laura!
JULIO.
Donna!
SOLINA.
Sag wie hast du das Mädchen geliebt?
JULIO.
Donna! und ich sage, Petrarca konnte seine Laura nicht sanfter lieben.
SOLINA.
Aus meinen Augen!
JULIO.
Ach von den hohen Augen nur einen von den Götterblicken, und mein Herz hat Flügel.
SOLINA.
Du willst Liebe von mir? willst sagen du könntest meinen Geist fassen? Du!
JULIO.
Bei der Majestät deiner Augen? ich kann's.
SOLINA.
Und kannst ein halbes Jahr mit einem Mädchen leben, die nichts als Klosterideen in die Welt gebracht hat? Sag nur wie ist's möglich mit so einem Schatten von Weibe zu leben, die sich krank um dich härmen kann, wenn man mit so viel [1008] fassenden Blicken in die Welt schaut, wie du zu tun vorgibst? Wenn man jeden großen Mann aus dem Sattel werfen möchte – – –
JULIO.
Sie ist ein liebes Geschöpf, und warum sollt ich ihr die guten phantasiereichen Stunden nicht danken, da ich doch alles vergaß, was mich trübte und kümmerte! Ihr sanftes, mildes Wesen hätt mich ewig gehalten, hätten die Augenbrauen der Solina meine Seele nicht gezaubert. Da wickle sich einer los, von dem Sitz der Größe! Ah Solina! warum muß ich schweigend den Gang der Großen zusehen? Warum muß ich untätig das Leiden der Trefflichen sehen?
SOLINA.
Und bist immer ein Schwätzer, der den Busen voll Größe und Feuer hat, das all den Augenblick zerbufft, wie wenn man eine Blase zersticht. Was tut man denn mit euch schalen, leeren Äffchens? Seufzen, schwärmen? Der Mann, bei dem ich Unterhaltung finden soll, sagt ich dir oft, muß einen Geist haben, hochgespannt, ohne überspannt. Muß fähig sein, Taten zu unternehmen so groß und übersteigend, daß alle jetztlebende Männer sagen müssen: Er ist der Größte von uns allen. Geh in dich!
JULIO.
Rasend! Soll ich morden? Banditen brauchen?
SOLINA.
Kleinmütiger! Dank meiner Liebe, daß ich dich nicht den Augenblick zertrümmere. Morden? Ist das Größe des Geists, wahrer Mut, feurig Unternehmen? Haben Leute vom heiligen Feuer der Ehre getrieben, je gemordet? Kleine Seele, ist das Kunst einem den Dolch ins Herz stoßen zu lassen? Das heiß ich wahre Größe, jeden bedeutenden Menschen nach meinen Absichten zu drehen, ihn denn ruhig sitzen zu lassen, bis an sein seliges Ende, mich bewundernd und seine Schwäche erkennend. Kein Funken des wahren Edelmuts ist in dir. Ich dächte der Geist desselben sollte dich anwehen im Augenblick, da dich meine Liebe niederwarf, und du zucktest und fühltest, was ich dir gab. Herr Gott! der Mensch kann meinen und Cäsars Geist fassen, und spricht von Morden!
JULIO.
Meint ich's so? Lieber zehen Kuglen durch diese Stirne, als einem Menschen das Leben zu nehmen, meine Ehrbegierde zu befriedigen. Mich schaudert der Gedanke.
SOLINA.
Gut Julio! An Hof! und kein Zögern. Faßt ihn an der Hand. Du hast meine Liebe! und sieh du hast sie! und an dem Bewegen deiner Lippen, an dem Zittern deiner Hände – Schweig, ich bitt dich, rede nicht. Ich fühl dir's an, daß du [1009] weißt, was dir Solina gab. Ich bitt dich Närrchen, rede nicht, deine Brust ist zu voll. Julio! und dieses war wohl von keiner Seite eine Liebeserklärung nach der Mode?
JULIO.
Donna Solina! Umfaßt sie.