Personen.
- Wild.
- La Feu.
- Blasius.
- Lord Berkley.
- Jenny Caroline, seine Tochter.
- Lady Katharine, die Tante.
- Louise, Nichte.
- Schiffskapitän Boyet.
- Lord Bushy.
- Ein junger Mohr.
- Der Wirt.
- Betty.
Personen.
Heida! nun einmal in Tumult und Lärmen, daß die Sinnen herumfahren wie Dachfahnen beim Sturm. Das wilde Geräusch hat mir schon so viel Wohlsein entgegengebrüllt, daß mir's würklich ein wenig anfängt besser zu werden. So viel Hundert Meilen gereiset um dich in vergessenden Lärmen zu bringen – Tolles Herz! du sollst mir's danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwarr! – Wie ist's euch?
Mach dir Illusion Narr! sollt mir nicht fehlen, sie von meinem Nagel in mich zu schlürfen, wie einen Tropfen Wasser. Es lebe die Illusion! – Ei! ei, Zauber meiner Phantasie, wandle in den Rosengärten von Phyllis' Hand geführt –
Es soll mir nicht fehlen, das schwarze verrauchte Haus gegenüber, mitsamt dem alten Turm, in ein Feenschloß zu [1144] verwandeln. Zauber, Zauber Phantasie! – Lauschend. Welch lieblich, geistige Symphonien treffen mein Ohr? – – Beim Amor! ich will mich in ein alt Weib verlieben, in einem alten, baufälligen Haus wohnen, meinen zarten Leib in stinkenden Mistlaken baden, bloß um meine Phantasie zu scheren. Ist keine alte Hexe da mit der ich scharmieren könnte? Ihre Runzeln sollen mir zu Wellenlinien der Schönheit werden; ihre herausstehende schwarze Zähne, zu marmornen Säulen an Dianens Tempel; ihre herabhangende lederne Zitzen, Helenens Busen übertreffen. Einen so aufzutrocknen, wie mich! – He meine phantastische Göttin! – Wild, ich kann dir sagen, ich hab mich brav gehalten die Tour her. Hab Dinge gesehen, gefühlt, die kein Mund geschmeckt, keine Nase gerochen, kein Aug gesehen, kein Geist erschwungen –
Zum Orkus! du Ungestüm! – Aber sag mir nun auch einmal, wo sind wir in der würklichen Welt jetzt. In London doch?
Weiß von allem nichts, bin an allem unschuldig. – Lebt denn mein Vater noch? Schick doch einmal zu ihm Wild, und laß ihm sagen, sein Sohn lebe noch. Käme soeben von den Pyrenäischen Gebürgen aus Friesland. Weiter nichts.
In einem Feenschloß La Feu! Siehst du nicht den goldnen Himmel? die Amors und Amouretten? die Damen und Zwergchen?
Bind mir die Augen zu! Wild bindet ihm zu. Wild! Esel! Wild! Ochse! nicht zu hart! Wild bindet ihn los. He! Blasius, lieber bissiger, kranker Blasius, wo sind wir?
Um euch auf einmal aus dem Traum zu helfen, so wißt; daß ich euch aus Rußland nach Spanien führte, weil ich glaubte, der König fange mit dem Mogol Krieg an. Wie aber die spanische Nation träge ist, so war's auch hier. Ich packte euch also wieder auf, und nun seid ihr mitten im Krieg in Amerika. Ha laßt mich's nur recht fühlen auf amerikanischen Boden zu stehn, wo alles neu, alles bedeutend ist. Ich trat ans Land – Oh! daß ich keine Freude rein fühlen kann!
[1145]Krieg und Mord! o meine Gebeine! o meine Schutzgeister! – So gib mir doch ein Feenmärchen! o weh mir!
Daß dich der Donner erschlüg, toller Wild! was hast du wieder gemacht? Ist Donna Isabella noch? He! willst du reden! meine Donna!
Aufgebracht? Einmal aufgebracht? Du sollst mir's mit deinem Leben bezahlen, Wild! Was? bin wenigstens ein freier Mensch. Geht Freundschaft so weit, daß du in deinen Rasereien einen durch die Welt schleppst wie Kuppelhunde? Uns in die Kutsche zu binden, die Pistole vor die Stirn zu halten, immer fort, klitsch! klatsch! In der Kutsche essen, trinken, uns für Rasende auszugeben. In Krieg und Getümmel von meiner Passion weg, das einzige was mir übrigblieb –
Nein, ich lieb nichts. Ich hab's so weit gebracht, nichts zu lieben, und im Augenblick alles zu lieben, und im Augenblick alles zu vergessen. Ich betrüg alle Weiber, dafür betrügen und betrogen mich alle Weiber. Sie haben mich geschunden und zusammengedrückt, daß Gott erbarm! Ich hab alle Figuren angenommen. Dort war ich Stutzer, dort Wildfang, dort tölpisch, dort empfindsam, dort Engelländer, und meine größte Conquête machte ich, da ich nichts war. Das war bei Donna Isabella. Um wieder zurückzukommen – deine Pistolen sind geladen –
Mit dir mich schießen! Sieh, Blasius! ich wünschte jetzt in der Welt nichts als mich herumzuschlagen, um meinem Herzen einen Lieblingsschmaus zu geben. Aber mit dir? Ha! Ha! Hält ihm die Pistole vor. Sieh ins Mundloch und sag, ob dir's nicht größer vorkommt als ein Tor in London? Sei gescheit Freund! Ich brauch und lieb euch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine größre Narren und Unglücksvögel zusammenführen, als uns. Deswegen müssen wir zusammen bleiben, und auch des Spaßes halben. Unser Unglück kommt aus unserer eigenen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabei getan, aber weniger als wir.
Wir sind nun mitten im Krieg hier, die einzige Glückseligkeit die ich kenne, im Krieg zu sein. Genießt der Szenen, tut was ihr wollt.
Gott mach euch noch matter! – Es ist mir wieder so taub vorm Sinn. So gar dumpf. Ich will mich über eine Trommel spannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O könnte ich in dem Raum dieser Pistole existieren, bis mich eine Hand in die Luft knallte. O Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du den Menschen!
Daß ihr nichts seht! Um aus der gräßlichen Unbehaglichkeit und Unbestimmtheit zu kommen, mußt ich fliehen. Ich meinte die Erde wankte unter mir, so ungewiß waren meine Tritte. Alle gute Menschen, die sich für mich interessierten, hab ich durch meine Gegenwart geplagt, weil sie mir nicht helfen konnten. –
Ja, sie wollten. Ich mußte überall die Flucht ergreifen. Bin alles gewesen. Ward Handlanger um was zu sein. Lebte auf den Alpen, weidete die Ziegen, lag Tag und Nacht unter dem unendlichen Gewölbe des Himmels, von den Winden gekühlt und von innern Feuer gebrannt. Nirgends Ruh, nirgends Rast. Die Edelsten aus Engelland irren verloren in der Welt. Ach! und ich finde die Herrliche nicht, die einzige, die da steht. – Seht, so strotze ich voll Kraft und Gesundheit, und kann mich nicht aufreiben. Ich will die Kampagne hier mitmachen, als Volontär, da kann sich meine Seele ausrecken, und tun sie mir den Dienst, und schießen mich nieder; gut dann! Ihr nehmet meine Barschaft, und zieht.
Können sie's besser mit mir meinen? – Stellt euch vor, als wir uns einschifften, sah ich in der Ferne den Schiffskapitän auf seinem Schiff.
Dreimal schon mit ihm auf Leben und Tod gestanden, und noch läßt er mir keine Ruhe, und nie beleidigte ich den Menschen. Ich gab ihm eine Kugel, und er mir einen Stoß. Es ist grausam wie er mich haßt ohne Ursach. Und ich muß gestehen, ich lieb ihn. Es ist ein braver, rauher Mann. Weiß der Himmel, was er mit uns vorhat. Laßt mich eine Stunde allein!
So ganz zum Kind zu werden! Alles golden, alles herrlich und gut! Dieses Schloß bewohnen, Zimmer, Saal, Keller und Stall! – All des bunten, verworrnen, undeutlichen Zeugs! – Ich find an nichts Freude mehr. Glückliche Augenblicke der Kindheit, die ihr rückkehrt! Find an nichts Freude mehr, als an diesem Kartenschloß. Bedeutend Sinnbild meines verworrnen Lebens! Ein Stoß, ein harter Tritt, ein leichtes Windchen, wirft dich zusammen; aber der feste unermüdete Mut des Kindes, der dich wiederaufbaut! Ha! so will ich mich mit ganzer Seel 'nein verschließen, und denken und fühlen nichts anders, als wie [1148] herrlich es ist in dir zu weben und zu sein. – Lord Bushy! ja mein Seel! ich räumte dir ein Zimmer ein. So unfreundlich du gegen mich warst, sollst du Berkleys bestes Zimmer bewohnen. Ha! es kehrt sich doch immer in mir herum, störrischer Bushy! sooft ich rückdenk. Einen von Haus und Hof vertreiben, bloß weil Berkley fetter stund als Bushy – es ist schändlich. Und doch dies Zimmer, ausgemalt mit meiner Geschichte, steht dir zu Dienst. – Ja wer das zusammenfassen könnte, da mein Herz so klein zu ist – Ha! Ha! Lord Berkley! dir ist wohl, da du wieder zum Kind wirst! – Tochter!
Kind! Du glaubst nicht wie wohl einem werden kann. Sieh! Soeben bau ich Bushys Zimmer. Wie gefällt dir's?
Wo er sich herumtreiben mag, der feindliche Bushy! – Von Haus und Hof! Von Weib und Gut! – Bushy es kann nicht sein! – Und da mein süßes Kind um alles zu bringen. – Nein, Mylord, wir können nicht zusammen wohnen.
Wie, Miß? Schäme dich! bist du Berkleys Tochter! Bushy dienen? Bushys Magd? keiner Königin nicht. Ha! das könnte mir in tiefen Schlaf einfallen und mich toll machen. Bushys Magd Miß! Wollen Miß nicht widerrufen? Bushys Magd?
Nein, Lord! Nur nenne mich Tochter! Oh, das Wort Miß, ist ein herber Schall für Berkleys Tochter aus Vater Berkleys Mund.
Hm! gute Jenny! – Lebe unsre Lord- und Mißschaft! – Aber ich kann nicht mit ihm zusammen wohnen. Wahrhaftig, ich käm in Versuchung ihn im Schlaf zu erwürgen. – Oh, gib mir kindische Ideen! Ich find an nichts Freude mehr. All meine Lieblingssachen, meine Kupfer, meine Gemälde, meine Blumen, alles ist mir gleichgültig geworden.
Nein! Nein! o ich bin doch immer der weiche, närrische Kerl, aus dem ein reiner Ton machen kann, was er will. Und [1149] kurios ist's Kind, es gibt Töne, die mir ein ganzes, trauriges Gemälde durch einen Klang, aus meinem widrigen Leben vor die Augen stellen; und wiederum welche, die meine Nerven so freudig treffen, daß wie der Ton zum Ohr kommt, eine der Freudenszenen aus meinem Leben dasteht. Zum Beispiel, soeben begegnete mir deine Mutter in dem Park zu Yorkshire, und hüpfte so recht freudig aus der dichten Allee, wo seitwärts der Bach sich schlängelt und murmelt, wie du dich erinnern wirst. Ich hört es genau, und so das Fliegengesums im Sommer um einen. Ich wollt sie soeben herzen, und ihr was Lustiges erzählen, als du andre Saiten griffst. –
Ja, so mit nassem Aug hinauf, ich weiß wie das ist. So sah sie oft, und ihr Aug, das redete wie das deinige. O Kind! Und wie du nun die Töne wandeltest, freilich war's Bushy und Hubert. Du siehst also daß das nicht geht. Ich weiß nicht wie's ist, daß ich just in mir so ganz anders aufgespannt bin.
Ich weiß was Musik tut, was sie diesem Herzen gibt und nimmt. Sich so in eine Zauberidee hineinspielen, und wenn man sich denn umsieht ob er da ist – der! der! aller Töne Inhalt und Widerklang – der! – Herz! mein Herz!
Hm! Hm! Herz mein Herz! – Setz dich zu mir und hilf mein Schloß wiederaufbauen. Siehst du! ich hab's weit gebracht gottlob! zerschlagen und wiederaufbauen! Ha! Ha! – Nu lustig! Nimm du den rechten Flügel und ich den linken. Und wenn der Palast steht, so wollen wir die bleierne Soldaten nehmen, und du kommandierst ein Bataillon und ich eins. Wir schlagen uns herum wie Bushy und Hubert, dann machen wir Komplott, greifen das Schloß an, werfen den alten Berkley nackend mit seiner kleinen Jenny und guten Weib heraus. Stecken's an – Feuer und Flammen – he Miß!
Unglückliches Gedächtnis! daß der Himmel ruhige Vergessenheit auf dein graues Haupt träufelte, alter Berkley! Vater uns mangelt nichts, uns ist wohl. Was ist Bushy, daß der edle Berkley in seinem sechzigsten Jahr seiner denken sollte.
Ich denk seiner nicht, närrisch Kind! Was kann ich dafür daß mir's immer noch so bitter aufquillt. Ich fühl's nur so.
[1150]Ich will dir's vorposaunen wie er mit deinem Vater umging. – Laß mich mit dem Blick! Nun ja, ich wollt ich hätt ihn, er sollte ruhig und friedlich sein Haupt in meinen Schoß legen. Aber hier müßtest du stehen und keinen Schritt weichen, sonst wenn er so vor mir stünde – o Gott! du hast uns wunderbar gebaut, wunderbar unsre Nerven gespannt, wunderbar unser Herz gestimmt!
Hieß er nicht Carl? hatte blaue Augen, braune Haare, und war größer als alle Knaben seines Alters? Es war ein hübscher, wilder rotwangigter Junge. Er machte immer meinen Ritter und stritt für mich.
Geh weg! hatte ich nicht einen Sohn, einen braven, ungestümen, eigensinnigen Jungen, den ich in der schrecklichen Nacht verlor? Leben gegen Leben wo ich Carl Bushy ertapp! Wär mein Harry da, ich wollte seine Faust eisern machen, sein Herz grimmig, seine Zähne gierig, er sollte mir Welt auf Welt ab traben, bis er Berkley an Bushy gerochen hätte.
Nun da! Laß mich doch was sinnen – ja was – willst du mit, Kind! – Ha ich will auf die Parade. Ich denk der Feind soll in einigen Tagen angreifen, und dann rücken wir aus. Ha! Ha! Ich bin ein grauer, alter Kerl, gib mir nur Kindheit und närrisch Zeug! Ha! Ha! Es ist toll Miß, und gut, daß heiß, heiß bleibt, und Haß, Haß, wie's einem braven Menschen zukommt. Das Alter ist so kalt nicht, das sollen sie mir fühlen. Pack da mein Schloß zusammen, damit mir nichts verdorben wird. Adieu Miß, die Trommel geht. Ab.
Das weiß Gott, Miß, es war um Mitternacht, stockfinster, und er überfiel uns. Und wie ich morgens aus starrer Taubheit erwachte, mein Weib und keins [1151] meiner Kinder hatte, und ich schrie, winselte, und ächzte in Tönen – in Tönen – he! und so die Hände hub, zum trüben Himmel: »Gib mir meine Kinder! Mach Bushy kinderlos, daß er fühle, was das ist kinderlos!« da fand ich dich naß, kalt und erstarrt, hingst an meinen Hals, und schlugen deine zarte Hände und Beine zusammen. Miß Berkley! Ich stund da so trüb und tot in endlosem Schmerz, in endloser Freud eins meiner Kinder gerettet zu haben. Und du strichst mit zitternder Hand über meiner Stirne den kalten Schweiß hinweg. He! das war ein Augenblick Miß! Fällt ihr um den Hals, herzt sie, bleibt stumm und unbeweglich. Erwachend. Ja Miß! sieh! es greift mich so an! – Und da ein Bote: Tot deine Lady! Und da ein Bote: Verschwunden dein Harry! – Ja Miß! und dieses Haus sollte Bushy haben! Nein, bei Gott nein! Adieu Kind! weine nicht.
Nicht weinen? dein Kind nicht weinen? Lord Berkley geh jetzt nicht weg! Hier wird's so eng mein Vater!
Nein! Nein! Ich will dir die Tante und Nichte schicken. Berkley ist ein guter Soldat, und wenn er seine Späße getrieben hat, ist's ihm gut. Adieu!
Wie wird das all noch werden? o seine Schmerzen nehmen Ausbrüche die mich zittern machen. Krieg da! und meine Tränen und Bitten vermögen nichts. Wohin denn ich? – Ich fürchte – ach des Leidens so viel und noch fürchten. Und ewig dieses Herzens Verlangen? Nach dem Klavier. Nimm mich in deinen Schutz! Nur du verstehst mich, dein Einklang, der Widerhall meiner geheimen Empfindungen ist mir Trost und Erstattung. Ach jeder Ton, Er! Er! Spielt einige Passagen, endet plötzlich und fährt zusammen. Ja Er! In schwermütigen Träumereien versinkend.
Guten Morgen Miß! – ja sieh nur liebes Bäschen! habe keine gute Laune. Ein Tag voller Vapeurs. Das ewige Gekeif mit der Tante um die Kavaliers! Es ist nicht zum Ausstehn. »Er macht mir die Cour, Nichte! Er hat mir die zärtlichste Dinge gesagt.« So geht das ewig fort. Ja wenn Lady Kathrin nur bedächte, daß Winter, [1152] Winter, und Frühling, Frühling bliebe, trotz aller unserer Kunst. Haben Miß unruhige Träume gehabt? Was hängst du den Kopf? Was ist dir Kind?
Ist er störrisch? Ist er wild? Ja was wollt ihr sagen. Wenn wir nur aus diesem abscheulichen Lande wären. Nach Londen Bäschen! nach Londen! da ist der Ort des Glanzes und der Herrlichkeit. Sieht in Spiegel. Für was bin ich schön hier? Für was dieses blaue, spielende Auge? Ganz Londen würde davon reden. Was nützen mir meine Talente, meine Lektüre, mein Französisch und Italienisch? Herzen zu fangen, das mein ich, wär unser Wesen. Hier! o ich vergehe. Glaub mir, ich laß mich vom ersten Engelländer entführen, der mir gefällt.
So ganz freilich nicht. Ich bin dir ja gut, und überhaupt bin ich gut, wenn ich nur viele Liebhaber zusammen hab, um meine Gewalt auszuüben. Aber Liebchen, du fühlst selbst, daß wir nicht am Platze sind. Wieviel meinst du, daß ich gegenwärtig Liebhaber zusammen hab?
Ich kann ihrer doch nicht mehr als sechse zusammenzählen, weil ich die halben und verscheuchten auslasse. – Silly, der so lang und schwank ist, und immer die Augen fest zuhält, wenn er mit mir redet, als leimte sie mein Blick zusammen. Letzthin stotterte er mir so vor, immer mit geschlossenen Augen, und ich bohrte ihm mittlerweile Esel, die Tante lachte, als wollte sie bersten, daß er's nicht merkte. Und Boyet, der immer und ewig nichts anders sagt als: »Miß! ich liebe Sie!« Just als wenn im Diktionär der Galanterie weiter nichts stünde. Nicht einmal, Miß! ich liebe Sie zärtlich; oder zum Sterben, oder so etwas. Oh, seine Sprache ist so kurz wie seine Finger. Ich kann ihn allenfalls zum Zwergen brauchen, wenn sich einmal ein irrender Ritter hieher verirren sollte. Toby –
Ein braver Junge von feurigem Mut und Sinn! – Den Hauptmann Dudley hab ich verbannt Miß! Stell dir einmal vor – ich weiß nicht was der Narr will. Vor einigen Tagen sagte er so recht weise: Wir Frauenzimmer hätten gemeiniglich weit weniger Liebe, handelten mit weit weniger Liebe, als [1153] die Männer, und das wegen unsrer Weiblichkeiten. Was will der ernsthafte Narr damit?
Weiblichkeiten! denk doch! Weil ich etwa verdrüßlich schien, daß er dir letzthin so was sagte – ich verstund's nicht, aber er sagte es so, und sah so aus, als fühlte er etwas dabei, das ich noch keinem meiner Liebhaber abgemerkt hab. Ich bin nicht neidisch Base, du bist sanft, empfindsam, lieb, gut, ich schön, wild und launisch. – Und denn ist noch Stockley, den ich bloß um mich leide, damit er Miß Tranch nicht mehr besuche, denn die kann ich gar nicht ausstehen. Am Ende narr ich sie doch alle, und spiel sie herum wie der Knabe den Kräusel, ihnen ist doch wohl dabei. Die Liebe muß man nicht kennen, sagt Tantchen, bis man fünfundzwanzig Jahr alt ist, und dann hat's seine Ursachen. Und ich weiß auch nicht was das heißen soll, lieben.
Wenn sie mich nur amüsieren, mir die Langeweile vertreiben, meine Launen und Kapricen ausführen, ist's schon gut. Aber du weißt was Liebe ist. –
Oh, zum Sterben ärgerlich! Schnupfen, Husten, und so ein merkwürdiger Tag! Ja Ladies! – Kommt doch geschwind und macht euch zurecht. – Die Luft in diesem Lande ist mein Tod. – Louischen, du mußt dich besser zurechtsetzen. Du siehst nicht so ganz aus, wie du solltest.
Schöne Leute! o ein langer, wilder Bursche dabei, ich konnt ihm kaum am Bart reichen. Er fluchte und sah gen Himmel, als wenn er etwas so recht tief fühlte. Ich sah eben hinaus. O Ladies, es ist ein gutes Zeichen, wenn eine junge [1154] Mannsperson flucht. Engelländer sind's. Sag mir doch Louischen, wie seh ich heute aus? Engelländer sind's.
Es ist zu jung, zu alt, Tantchen. Kommen Sie, ich kann nie vor einer Stunde in so wichtigen Dingen zum Entschluß kommen. Wir wollen Konseil mit Betty halten. Engelländer! o meine Engelländer!
Weil sie nicht fortkann. Ha! Ha!Faßt sie am Arm. kommen Sie Tantchen, wir jungen Mädchen springen und hüpfen. –
Gut, meine schöne Iris! Sich umsehend. Ei! es hatt schon so was Liebes, Anlockendes im Hereintreten. Es ist einem doch ganz anders in einem Damenzimmer. Es schauert mir so anmutig ums Herz. Was schneidst du vor Gesichter, Wild?
Ich begreif mich noch nicht. So gut ist mir's, alle Gegenstände reden mit mir in diesem Zimmer und ziehen mich an, und so erschrecklich elend, so erschrecklich ungewiß. Ich spring von Gedanken zu Gedanken, ich kann mich an nichts halten. Ach! dann nur, wenn es ganz rein zurückkehrt das unendliche hohe Gefühl, wo meine Seele in Schwingungen sich verliert, in der herrlichen Ferne ihr Liebesbild erblickt, in der Abendsonne, im Mondschein – Und ach! wenn ich denn auf den schnellen Fittichen der Liebe hineil, und es schwindet, verlieret sich immer vor mir. – Ja ich bin elend, ganz in den Gedanken lebend, ich bin elend! o mir! ich glaubte in diesem andern Weltteil zu finden, was dort nicht war. Aber hier ist's, wie dort, und dort wie hier. Gott sei Dank! daß die Einbildung [1155] die Ferne so herrlich sieht, und steht sie nun am sehnlich erwünschten Punkt, wie der herumstreifende Vagabond weiterflüchtet, im sichern Glauben, dort werde der unruhige Geist alles finden. So Welt auf, Welt ab, in zauberhafter, drängender Phantasie, und ewig das Einerlei, hier wie dort. Wohl Geist! ich folge dir!
Traben die Zentauren wieder vor deiner Einbildung. – Ich bin wieder so gar nichts, mag so gar nichts sein. – Wild, es ist schändlich, was du dich ewig mit Gespenstern herumtreibst.
Hört! ihr wißt, wie ich bin. Wann die Damen einen fatalen Eindruck auf mich machen, so denkt auf eine Entschuldigung, ich zieh ab.
Und da hat man wieder seine Flegelei zu entschuldigen. Geh! mach's wie du willst. Ich bin gar nicht gestimmt für Weiber, und doch muß ich mich mit ihnen abgeben, weil sie meistens so wenig sind, und ich gar nichts. – Du bist mir zum Ekel, Wild! mir wär's lieb, wenn du mich eine Zeitlang ungeplagt ließest.
Ich kann dich nicht ausstehen. Deine Kraft ist mir zuwider, du drückst mich tot, und daß du ewig nach Phantomen rennst – ich haß dich!
Wer widersteht dir? – Junge! Junge! ich bin unbehaglicher wie du. Ich bin zerrissen in mir, und kann die Fäden nicht wieder auffinden das Leben anzuknüpfen. Laß! ich will melancholisch werden; nein ich will nichts werden. Du sahst mein edles Roß in Madrid den Karren ziehen, ich weinte aus tiefer Seele, und Isabella wischte meine Tränen. Herrlichkeit der Welt! ich kann keine deiner Blumen mehr brechen. Ja wer diesen Sinn verloren hat, wer dich verloren hat ewige Liebe, die du in uns alles zusammenhältst!
Wo die Damen bleiben? Die Bücher durchsuchend. Myladies Bücher machen mir große Hoffnung daß sie mit süßer Phantasie begabt sind. O die Romanen! o die Feenmärchen! Ach wie herrlich um all die Lügen! Wie wohl dem der sich vorlügen kann!
[1156]Venus Uranie! Paphos' Haine! Zu Lady Kathrin. Reizende Göttin dieser Insul! Ihr Anblick stimmt mein Herz zu Tönen der Liebe, und meine Nerven klingen das lieblichste Konzert.
Mylord! Eine Verbeugung. Mylord! Kokettierend. Fremde von Ihrem Wert machen uns das traurige Leben hier, leicht und angenehm. Ich habe die Ehre zu reden –
La Feu, Mylady! Zu Louise. Miß ich wünschte Sie nicht gesehen zu haben, wenigstens in diesem Augenblick nicht. Ich bin so wenig –
Also Mylord Blasius, mir ist leid, daß Ihnen mein Anblick so schwer fällt. Freilich Mylord – Eine spöttische Verbeugung. – Ha! Ha! Tantens Gegenwart macht den Herrn zum klingenden Instrument. La Vache sonnante! Ha! Ha! o das ist zum Sterben! Nu Mylord so ernsthaft? –
Ach! Sie richten auf mit einer Gottheit, mit einer Größe – [1157] Vor Mylady, mag sich schon manches Knie wund gekniet haben –
Ach hin! hin! in Liebe entzückt! Glückliches, seliges Schicksal das mich diese Bahn führte! Endlich hat dein Grimm nachgelassen, wilder Unstern! und ich fühle wieder neu das Zucken in meinen Adern – Reizende Göttin! ich wünschte mir kleine, kleine Mückenaugen um alle Ihre Reize und Schönheiten im Detail zu durchschauen.
Welcher Ton! wie angenehm munter! – Sind Mylord lange von London? o wenn Mylord etwas von London erzählen wollten!
Ja Mylady von London, und ich fühle nur was vor mir ist. London, Mylady! soll eine große Stadt sein. Ich weiß wenig von der Welt. Geboren bin ich in London. Komme von den Pyrenäen. O das sind hohe, hohe Berge! Ach Mylady und meine Liebe ist noch höher, wenn Mylady mich lieben könnten –
Sie haben Langeweile. Ich bedaure, daß ich Sie nicht besser unterhalten kann. Mein Unglück ist das immer, da nichts zu sein, wo ich alles sein sollte. Und ich liebe so stillschweigend, Miß, wie Sie sehen daß ich würklich im Fall bin. –
[1158]Lieben, Mylord? Was wollen Sie damit sagen? Stillschweigend lieben! Ach der Langeweile! Liebt Lord Wild auch so? Nicht als ob ich neugierig wäre – ich mag's nicht wissen – Wenn Sie nur munter wären!
Ja munter! (ich erinnere mich zum Sterben. Mein Herz ist so kalt, so tot, und das Mädel ist so schön und lustig. –)
Ich kriege Vapeurs – Wollen Mylords den Tee im Garten nehmen? Das Zimmer bekommt Ihnen vielleicht nicht.
Ja wie ich Ihnen sage, kommen Sie nur. O meine Göttin, ich bin vor Ihren Augen wieder alles geworden. Wer kann so viele Liebenswürdigkeit sehen, ohne daß nicht alle Fasern am Leibe lebendig werden. Ja meine Göttin! ich will Ihnen viel, viel von den Schwingungen der Liebe erzählen, die meine Phantasie über die Sonne jagen. Und Mylady! Küßt sie. ich liebe Sie!
Waren dies die Engelländer? Ferne, ferne, ewig ferne! – Gut daß sie weg sind. In stiller Schwermut verloren. Ja so, just so sah er aus, wie er da eben aus meinen Augen hervortritt, und sich vor mich hinstellt. Nach einem Ort hinreichend. O meinem Herzen so lieb! – Er bleibt so lange – Ach! ich werde Carl Bushy nicht mehr sehen, darf Carl Bushy nie mehr sehen! Und seh ich ihn nicht? Begeistert. Meine Augen sehen nach ihm, mein Herz schlägt nach ihm, und es haben ihn meine Augen, und es hat ihn mein Herz.
[1159]Mylady, darf ich? – Mylady – ja ich gehe – gehe ja schon – Immer näher tretend. aber Mylady – ich bleibe ja hier. – Und wenn Sie eine Engelländerin sind wie man mir gesagt hat, wenn Sie –
Mylord, darf ich bitten, mit wem habe ich die Ehre zu reden? Mein Vater wird sich sehr freuen einen Landsmann zu sehen.
Ihr Vater? Miß! Haben Sie einen Vater? – Ach! hier! hier! Mir ist so gut, so verwildert gut. – Ja Mylady, ich bin ein Engelländer – ein Unglücklicher – heiße Wild, und ist mir – ja Mylady in diesem Augenblick –
Wild? – Sind Sie nicht aus Yorkshire? Ihr Gesicht – Ihr – Ihr – ja Mylord aus Yorkshire, mein ich, müßten Sie sein.
Aus Yorkshire? Nein! – Mir schlägt's so in der Seele – ach hier find ich was ich in der weiten Welt suchte. Ihre Hand fassend. Sie sind ein Engel Mylady, ein herrlich, gefühlvoll Geschöpf. Zum Himmel sehend. Hast du mir noch solch einen Augenblick aufbewahrt! Lassen Sie mich's sagen! Ich fühl's so tief – Ihre Augen – ja Ihre Augen voll Seel und Leiden – und dieses Herz hier – zerrissen und tief! tief unglücklich. Ich reise hierher um mich in der nächsten Bataille totschießen zu lassen – und – und – will mich totschießen lassen.
Ja leider! – o des Menschen Leiden ist so mannigfaltig – oft so wunderbar – und dabei – Mylady's Name?
Nein Miß – ich bin – meine Zunge ist so schwach, meines Herzens so viel – ich bin – Miß Berkley – Geschwind aufspringend. der Glückliche der Sie gesehen, der Sie durch alle Welten – Nach der Türe. der unglückliche –
Carl Bushy und verläßt mich? – bist du? bist du? Nur dies Wort, ach! und laß sich denn meine Seele lösen!
Was erschrickst du? Was tötest du die Freude in meinen Gebeinen, die mich durchbebt? – Ich bin's, der dein Bild im Herzen, dich und deinen Vater in allen Winkeln der Erde suchte.
Meinen Vater! Meinen Vater! Rette dich! Er haßt Bushy und seinen Sohn. Rette dich! fliehe! Ach mich verlassen! fliehen! und habe dich noch nicht gesehen. –
Ich? Jenny! fliehen? und ich bin hier in deiner Gegenwart, hänge hier an deinen süßen Augen, und kehrt soeben die erste Freude meines Lebens zurück – fliehen? Wer reißt mich weg von hier? Alle Wildheit meines Sinnes ergreift mich! Wer reißt mich weg von hier? Wer reißt Carl Bushy von Miß Berkley? Laß deinen Vater kommen! bist du nicht mein, warst mein von den ersten Jahren der Kindheit? Wuchs mit dir auf, unser Herz, Seel und Wesen vereinigte sich. Warst meine Braut, eh du die Bedeutung des Worts verstundest. – Kalt. Ich bleibe hier, Miß! ich bleibe hier. –
Gut, Miß! ich bleibe hier. Nichts bringt mich weg von [1161] hier. Der Himmel hat ein Band um uns geschlungen, das keine menschliche Hand trennen kann. Hier warte ich den Feind deines neuen Vaterlandes ab, warte meinen Feind ab.
Was du willst, o Jenny! Fühltest du einen Augenblick die Qualen, die dieses Herz durch die Welt jagten! Ich habe mich abgearbeitet, ich wollte mich zugrunde richten. Und ach! diese Stunde noch übrig, mir diese Stunde noch übrig! und doch alles Elend? Aber ich will nichts sinnen und fühlen mehr. Ich habe dich ja, und Trotz sei geboten! Trotz sei geboten, dem Starrkopf!
Dein Vater! ja dein Vater! mein Vater – beide zugrunde. Miß! ich laß dich nicht. Es ergreift mich so ungestüm – ja Jenny du fliehst weg mit mir, verlässest dieses Land mit mir!
Und noch Haß? Immer noch der rachgierige Berkley! Und meine liebende, süße, kleine Miß! Gott sei Dank! der mir bei diesen ungestümen Sinn, so viel seiner liebsten Gabe zugeteilt hat. Ja Miß! nur die Liebe hat diese Maschine zusammengehalten, die durch ewigen, innern Krieg ihrer Zerstörung jede Stunde so nah war.
Guter Carl! du bist doch immer der wilde, gute Junge. So dacht ich dich mir. O die Jahre! die Jahre, die so hingingen! Glaubst du wohl, ich war dreizehen Jahre, du funfzehen, wir wurden voneinander gerissen, ich in diesen andern Weltteil, kam her, du warst da, ja du warst da, und wo ist der Ort in der Welt, den du nicht ausfülltest?
Und du! was denn nun? Was alles das mich plagte! Du bist's, was ich in der Welt suchte und begehrte, dieses Herz auszusöhnen. Ich fand dich, fand dich in Amerika, wo ich den Tod suchte, find Ruhe und Seligkeit in diesen süßen Augen. Umfaßt sie. Und so habe ich dich, so habe ich dich, Miß Berkley! Und halte dich, und was Wild hält – ich kann deinen Vater [1162] erwürgen, dich zu besitzen. Aber so ist's Wonne, so ist's sanft. Küßt sie.
Mylord, wollen Sie mich beleidigen? Ich bitte Sie Miß, bleiben Sie. Unmöglich kann Lord Berkley einen Menschen beleidigen, den er nicht kennt. Ich bin ein Engelländer, heiße Wild, und wollte Sie besuchen.
Ich habe gelitten in der Welt, habe gelitten und meine Sinnen sind etwas wirr geworden. Ungestüm bemeistert sich oft meiner. Ein Unglücklicher findet in der Welt so wenig Teilnehmung, ich fand sie bei Miß – Mylord und wo man das findet – ich küßte die Miß, und würde es getan haben, wenn ihr Vater gegenwärtig gewesen wäre.
Ja, Mylord, so jung und unglücklich, und unglücklicher, da es an Geduld fehlt, da das Gefühl so stark ist. Es hat mich bitter gemacht, und nur diesen Augenblick fühlte ich, daß noch Freude in der Welt ist.
Ich könnte mich für Sie interessieren. Ich bitte Sie Sir, setzen Sie sich in ein ander Licht. Diesen Zug und diesen Zug in Ihrem Gesichte kann ich nicht ausstehn.
Du könntest uns verlassen. Ich seh Mylord an, daß man aufrichtig mit ihm sein kann. All sein verwildertes Wesen spricht so herzlich.
Und wie ich sage, Mylord – Sie müssen mir vergeben. Ich hatt einen Feind, einen gräßlichen Feind, der mich in die schrecklichste Lage versetzte, worin ein alter Mann nur kommen kann, und sahe Sie Mylord, wenn ich ihn ertapp wo's sei, bin ich gezwungen ihn zu martern, bis ich diese Züge die ich an Ihnen tadle, aus seinem Gesicht verschwinden seh. Sie scheinen ein braver Mensch zu sein, weiß Gott! ich tu mir Gewalt an, Ihnen nicht um den Hals zu fallen, und Sie wie einen Sohn zu herzen. Aber auch einen Sohn verlor ich durch ihn. Und also Mylord, müssen Sie mir vergeben.
Ja in dieser Unruhe, in diesem verzweifelnden Ton, worin Sie dies sagen, ich verstehe; und wie sich Blicke durchkreuzen, die einem das Herz abgewinnen könnten. Nur Geduld! man gewöhnt sich. Und wenn Sie unglücklich sind, und Galle haben, werden wir schon einig.
Daß ich diese habe, Mylord – aber wozu das all? Nun meine Bitte an Sie! Könnten Sie einem Menschen der mir gleichsieht, erlauben, als Volontär die Kampagne gegen Ihre Feinde mitzumachen?
Bin nicht kalt, Mylord, nur grimmig über die Menschen, die so vieles anders haben könnten, die sich ewig scheren.
Hast du Sinne? Mensch! Hast du Herz? Ich bin Lord Berkley, verfolgt, verdrängt, ausgeworfen, um Weib und Sohn gebracht. Hast du Herz, junger Mensch, oder hat dich eignes Elend stumpf gemacht? nun denn, so strecke dich aus und segne die Welt! und kennen Sie Bushy?
Schämen Sie sich! glücklich? haben Sie das Mädchen gesehn? Sehn Sie meine graue Haare, meine stirre Augen! Glücklich?
Tausend Dank, Mylord! tausend Dank! he, Bushy! so bin ich in etwas gerochen! Geht's ihm recht kümmerlich? Es kann ihm nicht elend genug gehen. Nicht wahr? er hat kein Haus, das ihm Obdach gebe, keine Hand, die sein Alter pflegte?
Ich bitte Sie, gehn Sie aus meinem Zimmer. Sie sind ein Freund von ihm, und mein Feind. Haben seine Sprache, seine Mienen – und bei Gott! ich seh Bushy in Ihnen. Gehn Sie doch, wenn Sie einen alten Mann nicht aufbringen wollen.
Das sollt er nicht sein. Seine Haare sollten ihm zu stechenden Schlangen werden, und die Fasern seines Herzens zu Skorpionen. Sir! er sollte nicht schlafen, nicht wachen, nicht beten, nicht fluchen können, und so wünschte ich ihn zu sehen. Dann wollt ich großmütig sein, ihm eine Kugel vor dem Kopf geben, sehn Sie! das hat er verdient, Ewigkeit Qual zu leiden; aber großmütig wollte ich sein, Sir, meiner Miß zu Gefallen. Hätten Sie meine Lady gekannt, Mylord, die aus Schmerz starb, Wilds Hand anfassend, der sie bei den letzten Worten zurückzieht. ich weiß, Sie würden mit mir Ihre Hände aufheben und Bushy und seinen Nachkommen fluchen. Aber sagen Sie mir, Mylord, wie geht's Bushys Sohn?
Aber ich habe Hoffnung, daß sein Vater ihn nie mehr sehen soll. Habe Hoffnung, daß der junge Bushy durch Liederlichkeit seinen Körper ruinieren, und in der besten Jugend hinwelken soll. Er soll ihn nie mehr sehen. Mylord, die Freude wäre zu groß einen Sohn wiederzusehen. Denken Sie, seinen Sohn wiedersehen, was das einem sein muß, ich könnte rasend werden. Wenn ich meinen Harry, meinen süßen störrischen [1165] Jungen so manchmal in Gedanken vor mir auf seinem Klepper reiten seh, und »Vater! Vater!« rufen und klatschen – Er soll ihn nie mehr sehen! Wild, der abgehen will. Bleiben Sie doch noch, Mylord! Aber sagen Sie mir, hat Bushy Vermögen davongebracht? Mylord, wenn mir einer ewig von Bushys Unglück erzählte, ich wollte in der Welt nichts tun, als zuhören. Hat er davongebracht?
Das ist mir leid. Ich wünschte ihn bei mir um ein Pfund betteln zu sehen. Glauben Sie daß ich's ihm gäbe?
Meinen Sie? Nun, wenn meine Miß dabei stünde, vielleicht, vielleicht auch nicht. O es ist ein erschrecklicher Heuchler, der alte Bushy. Ich fürcht, er brächte mich um ein Pfund mit seiner heuchlerischen Miene. Ist er nicht ein Heuchler, Mylord?
Behüte Sir! das verbitt ich mir. Er muß so viel leiden als Bushy. Ich bitt Sie, lassen Sie ihn leiden! Lügen Sie mir vor, er litte!
Ja Mylord, leben Sie wohl. Sie haben mir viele Freude gemacht. Kommen Sie bald zu mir, diesen Abend noch zu Tische. Ich könnte Sie fast liebhaben. Wild ab. Nun ist mir's wohl. Ha! Ha! Bushy und Hubert, liegt's schwer auf euch? Gesegnet sei der König! – Geh doch! Es macht mir recht kindische Freude. Der Mensch da ist mir nur halb recht. Er hat so was Fatales und Starkes in seinem Wesen, just wie Bushy. Das weiß der Teufel! – Ich muß doch meiner Miß die Freude erzählen. Ab.
[1166]Wild ist ebenso wunderlich, so außerordentlich freudig; fährt herum, reicht nach dem Himmel, als wollte er ihn herunterziehen. Hab ihm Tränen auf den Augen glänzen sehen. Was mag der Mensch haben? Ich kann ihn nicht zum Bleiben bringen. Mir ist kalt.
Recht das ewige Fieber, wenn ich nicht ersticken will. Ich bin wieder verliebt durch den ganzen Körper, durch Adern und Gebein, durch die ganze Seele. Mir ist so heiß, ich fürcht noch aufzufliegen wie eine Bombe, und möchte sich denn mein reines Wesen erheben, und in den Busen der reizenden Lady niederlassen!
Alt? Alt? Was ist alt? Nichts ist alt, nichts ist jung. Ich kenne keinen Unterschied mehr. O ich bin auf dem Punkt, wo's einem anfängt wohl zu sein. Glaubst du wohl daß ich alles vergessen hab, als hätt ich aus dem Lethe getrunken. Mich plagt nichts mehr. Ich kann die Krücke nehmen und betteln gehen. Es muß einem endlich so werden.
Es kann einem nicht übel sein im Turm. O täten sie mir den Gefallen und schmissen mich hinein! Ich wollt mich so selig träumen, so glücklich! träumen muß der Mensch lieber, lieber Blasius! wenn er glücklich sein will, und nicht denken, nicht philosophieren. Sieh! Blasius, in meiner Jugend war ich ein Poet, hatte glühende, schweifende Phantasie, das haben sie mir so lange mit ihren eiskalten Wasser begossen, bis der letzte Funken verlosch. Und die häßliche Erfahrung, die scheußliche Larven von Menschengesichtern all, wenn man alles mit Liebe umfassen will! Da ein Hohngelächter! da ein Satan! – Ich stund da wie ein ausgebrannter Berg; ging durch Zauberörter, kalt und ohne empfangendes Gefühl. Das schönste Mädel rührte mich ebensowenig, wie die Fliege die [1167] um den Turm schwirrt. Um des Elends los zu werden, bestimmte sich meine Seele anders zu fühlen, und zu sehen wo ihr kalt bleibt. Alles ist nun gut, alles lieblich und schön!
Freilich, freilich. In einem hübschen Turm, und sah durch ein Loch das nicht größer war als ein Auge. Mit einem Auge nur konnt ich Licht sehen. Da guckte ich bald mit diesem, bald mit jenem heraus, um nicht lichtscheu zu werden. Da kriegt der Mensch Empfindungen, La Feu! da schwillt das Herz und dann dorrt das Herz – und versiegt der Mensch. Ich konnte dir einen ganzen Tag auf einen Fleck sehen – und sehen – Starr und weg. He was? In Madrid, La Feu, und in LondonBitter. gepriesen sei das Menschengeschlecht! he! sie meinten's gut mit mir. Ich war der ehrlichste Kerl von der Welt.
In Madrid tat's die Inquisition wegen meiner Equipage. Und in London, weil ich einen Kerl erschoß, der mich um mein Vermögen brachte, und mir meine Ehre dazu rauben wollte.
Laß mich gehen! ich hab mich ennuyiert. Sie ist lustig und schön, und so kalt wie Schnee, und scheint so keusch, wie Dianens Nachthemd. Sie schert einen, ich bin tot und schläfrig. Gähnend. Gute Nacht Donna Isabella! O säß ich einmal wieder zu deinen Füßen, Gütigste! Schläft ein.
Ich muß vor der Lady Fenster Wache halten diese Nacht. Es ist eine gar liebe reizende Lady, zu der man alles sagen kann, und die einen versteht ehe man spricht. Ich will doch einmal ein Feenmärchen schreiben.
[1168]Hier steh ich schon, guter Lord. Du hast mir aber weh getan! Bei den Göttern! Du bist manchmal so toll wie der Tiger, du Seekrebs! – Sieh, auf meinem Rücken liegen Beulen wie meine Faust, harter Lord!
Schinde mich! zieh mir die Haut übern Kopf, wilder Lord! bin dein Junge, bin dein Affe, dein Soley, dein Hund. Sich um ihn schlingend. Hast meinem Vater das Leben und Freiheit gegeben – Kapitän kneipt ihn. O weh, was kneipst du mich!
O Lord! Lord! mir einen Degen, und stell dich hinter mich, wenn dein Feind kommt. Guter Lord! Tigertier! toller Lord! mein Blut im Leib hat dich lieb, und klopft unter der Haut.
Füll meine Pfeife! Wer wird darüber reden? Tot Junge, tot, das ist all nichts. Fürchtst du dich fürm Tod?
Jetzt wollen wir's einmal hier versuchen. Der Tod fürcht sich vor mir. Zehen Jahre gefahren und keine Wunde, außer von dem Schurken von Schottländer.
Sanfter Junge! Du taugst für die See nicht. Halt meine Pfeife! Stell mir einen Stuhl unter die Füße! Sieht sich um. He wer ist denn da? Junge, scher mir doch die Leute ein wenig. Du bist so müßig. Ich bitt dich Knabe, zopf den Schläfer dort an der Nase, ich kann niemand schlafen sehn, bis ich ruhig bin. Und der Schreiber dort, der so um sich fährt – plag ihn! Der Mohr zupft Blasius an der Nase. Hält dem La Feu von hinten die Feder, als er eben schreiben will.
Das ist wenig. Kommen Sie, Herr Alles! wir wollen uns ein wenig baksen, daß meine Gelenke in Ordnung kommen.
O weh, du Zentaur! das ist nichts für die Phantasie – Setzt sich nieder. »Lieblich strahlt dein Auge!« Die dumme Reimen! Auge, lauge, brauche, sauge. »Aus denen Lieb ich sauge.« Ja so –
Junge, laß mir keinen Menschen ruhig! und fürchte dich nicht. Je toller du's machst, je besser. Zopf mir den Schläfer, Knabe!
Das gefällt mir. Ich will zum General ohnedies erst. Hab ein hübsches Schiff mitgebracht. Ich verlaß mich auf Ihr Wort. Gut, daß ich dich find, Sir Wild. Komm Knabe!
Der Hund! Wie führt den der Satan her? Es ist der Schiffskapitän oder der Teufel. Muß doch den Wild aufsuchen. Gönnt mir den Schlaf niemand!
So will ich's Ihnen zeigen. He Schottländer! mich soll der Donner erschlagen, du darfst Gottes Luft nicht mit mir einziehen. Ich hab vom ersten Blick einen solchen Haß auf dich geworfen, daß meine Faust nach Degen und Pistol greift, wenn ich dich von weiten erblick. Geschwind Knabe, mein Gewehr!
Du weißt Kapitän, daß du grob und beleidigend bist, [1171] und daß ich dir dann nichts schuldig bleib. Du zwangst mich, dir in Holland eine Kugel zu geben, und bei meiner Seel! es schmerzte mich, da ich dich sinken sah, so um nichts und wieder nichts.
Deine Kugel stak tief, aber eine Kugel die im Fleisch sitzt, ist keine Kugel, und zündet nur die Lebensgeister an. Glaub mir, wann du niederfällst, pfeif ich dir ein Sterblied, das meine Matrosen pfeifen, wenn der Sturm am tollsten wütet.
Weil ich will, und muß. Weil du für mich ein so krötenmäßiges, fatales Ansehen hast. Weil, wenn ich dich seh, meine Nerven zucken, als wenn mir einer den widrigsten Laut in die Ohren brüllte.
Ich kann dir sagen, daß ich dich leiden kann. Demohngeachtet – wenn mir's kein Ernst ist, um des Spaßes halben. Ich hätt heute nicht nötig mein Leben wegzuwerfen, doch weil du brav bist, und wir nun einmal nicht an einem Ort zusammen leben können, und ich jetzt hier leben muß –
Das ist hübsch! Weißt du was? Schottländer! ich muß jetzt zum General, wir wollen's bis morgen versparen.
Nu daß ich Langeweile habe, kann ich Ihnen sagen, daß mir in meinem Leben keine abgeschmacktere Kerls vorgekommen sind, als die zwei Fremden, kann ich Ihnen wieder sagen.
Abgeschmackte Kerls? ha! ha! La Feu! der englische süße Mylord La Feu! der Cherub unter den Männern! Ha! [1172] Ha! Nichtchen, ein prächtiges Geschenk, wenn du mir ihn preisen hilfst. Setz dich nieder, wir wollen alle seine liebenswürdige Eigenschaften durchgehen, und so die Nacht mit seinem Lobe hinschleichen sehen, und, wenn die Sonne kommt, von neuen anfangen.
Ja der Wild, Tantchen! der Wild! haben Sie ihn gesehen? Ich sah ihn vorhin durch die Büsche schleichen. Der Wild, Tantchen!
Sie sind, glaub ich, etwas verdorrt, matt und ausgetrocknet. Glanz und Feuer sah ich wenigstens nicht drinnen.
Merkst du nicht was ich sagen will? o er spricht, die Liebe macht Poeten, und die Poeten vergleichen so. Augen Glanz, Sterne Glanz! – und seine Haare!
Wir sind ja noch nicht über seine Augen einig. – Der Blasius hat mich um all meine Munterkeit gebracht mit seiner dummen Langeweile. Hab ich denn schon aufgehört auf die Männer zu wirken?
Eine Perücke? Ha! Ha! Amor in einer Perücke! Wie kannst du nur so wenig aufmerksam bei solchen Schönheiten sein? Nein, dein Geschmack ist der beste nicht.
Laß mich allein, du kleiner Eigensinn! und Tante mußt du mich auch nicht immer nennen, wenn ich so in einem Liebesgespräch begriffen bin. Sag lieber: Mylady!
Tantchen! wissen Sie auch daß ich den Wild gesprochen hab? Er kam diesen Gang herauf, und konnte und wollte mir nicht ausweichen. Ich tat ganz fremde, und bat um seinen Namen. Da stotterte er so verwirrt, er hieße Wild, als wär's eine Lüge. Ich habe so meine Gedanken drüber. Und daß er bei Miß Berkley so lange allein war. – Er ist verliebt in sie, bei allen Sternen! verliebt in sie! Er ging so kalt von mir weg, und strich an mir vorbei wie ein rauher Wind.
[1173]Find ich dich nicht meine Liebe? Wo bist du, daß ich diesen Gesang zu deinen Füßen lege? dir vorsing das Loblied deiner Reize? kränze dein duftendes Haar!
Ach dieser Ton entzündet mein Blut Herbeieilend. Ach Mylady! Stunden irr ich herum in liebestrunkner Phantasie. Hab dir einen Kranz geflochten, Venus Urania! Wandle nun in den Hainen von der Liebe bekränzt. Bekränzt sie.
Freuen? Ja freuen! In der Liebe freut sich alles, ohne Liebe trauert alles. Ich habe Denkmale der Liebe gestiftet, die nie verwesen werden, sollte auch mein Herz verwesen.
Ja Mylord, eine Bitte an Sie. Wollen Sie uns wohl sagen den wahren Namen Ihres Begleiters, des Wilds!
Ja, ich hab kein Gedächtnis, Mylady! Ich mein, er jagte einmal einen Bedienten fort, der's verriet. Mir hat er's glaub ich verboten.
Ei behüte! das muß niemand wissen, als Sie. – Kommen Sie doch, lassen Sie uns den Reihen der Liebe im Mondschein tanzen.
Die Nacht liegt so kühl, so gut um mich! Die Wolken ziehen so still dahin! Ach sonst wie das alles trüb und düster war! Wohl mein Herz! daß du dies Schauerhafte wieder einmal rein fühlen kannst! daß die Nachtlüftchen dich umsäuseln und du die Liebe wehen fühlst in der ganzen stillen Natur. Glänzet nur Sterne! ach Freunde sind wir wieder worden! Ihr werdet getragen mit allmächtiger Liebe, wie mein Herz, und flimmt in reiner Liebe, wie meine Seele. Ihr wart mir so kalt auf jenen Bergen! und wenn meine Liebe mit euch sprach, drängten sich volle Tränen hervor, ihr schwandet aus den nassen Augen, und ich rief: »Jenny, mein Leben! Wo bist du blieben, Licht meiner Augen?« So hing ich oft an dir, Mond! und dunkel ward's um mich, da ich nach der reichte, die so ferne war. Ach daß alles so zusammengewebt, zusammengebunden mit Liebe ist. Wohl dir! daß du wieder das Rauschen der Bäume, das Sprudeln der Quelle, das Gemurmel des Bachs verstehst! daß alle Sprache der Natur dir deutlich ist. – Nimm mich auf in deine liebliche Kühle, Freund meiner Liebe! Sich unter einem Baum legend.
[1175]Nacht! stille Nacht! laß dir's vertrauen! Laßt's euch vertrauen, Wiesen! Täler! Hügel und Wald! Laß dir's vertrauen, Mond und all ihr Sterne! Nicht mehr nach ihm weinend, nicht mehr ihm seufzend, wandle ich unter deinem Licht, sonsten trauriger Freund! Nicht mehr klagend antwortest du mir, Echo, daß du keinen andern Widerhall, als seinen Namen kanntest. – »Carl!« Hallt das nicht süß durch die Nacht? »Carl!« nicken meine Blumen mir nicht freudig zu? Eilen nicht die Winde herbei, meinen Ruf zu seinem Ohr zu bringen? Ihr sollt euch freuen mit mir, einsame Plätzchen! Will dir's vertrauen, düstrer Ort, Indem sie ihn gewahr wird. und dir, der du dort im Schatten vergraben liegst, lieblicher Lauscher!
Hänge an deinen Augen. Laß mich atmen! gib mir doch, daß ich fühlen könnte, sagen könnte, was das ist, dieser Augenblick. O traurige Nächte all, wie seid ihr verschwunden! Hast sie alle getilgt, Himmel, hast mich hieher geführt! – Miß! liebe Jenny! was ist dir? Rede, meine Liebe! was verbirgst du mir deine süße Augen?
Und auch! die Tränen des Kummers. Wild! was hast du gemacht? O weiche doch, Licht! – Unglücklicher, was hast du gemacht?
Dich zu verdienen. Laß diesen Rock! es ist mir so wohl drinnen worden. Laß! und auch diesen Wunsch befriedigt.
[1176]Laß sie kommen! ich seh dich wieder. Springt herunter. Bleibt am Fenster in tiefen innern Gefühl stehen. Morgen! ja morgen! und was denn nun, wenn ich ausgestreckt liege. Hat doch dieses Herz alles gefühlt, was Schöpfung schuf, was der Mensch fühlen kann. Oh, diese Nacht! diese Nacht! und der morgende Tag! Ich seh dich wieder! und dein Bild, das bei mir bleibt, das mich hinüberführt – ich seh dich wieder. Starr zum Himmel. Ich seh sie wieder! seh dich wieder, wie jetzt! So fest, wie das Band, womit du umwunden bist! ich seh sie wieder! Liege hier und meine Brust erweitert sich.
Haben Sie's gesehen, Tante? er war's und sie! Sie waren's, sag ich. Sahen Sie ihn? sahn Sie sie? Sehn Sie ihn! O ich möcht den Mondschein wegziehen, der garstige Mensch!
Was Mylady? Sie wollen gehn? Und die Nacht wird immer phantastischer. Die Sphären klingen immer reizender.
Morgen Bataille – ha! ha! ha! das nenn ich doch was, wenn einmal Bataille ist. Halt dich brav, alter Lord! schläft sich gut die Nacht! – ha! ha!
Mylord! der Wirt sagte mir, daß ein Engelländer oben wohne, ich konnte nicht zu Bett gehen, ohne Sie zu sehn.
Willkommen. Ich hab Ihnen ein Kompliment gemacht als ich einlief. Ein reiches englisches Schiff, Mylord. Übrigens ich bin müd.
Es freut mich doch – Sieht ihn starr an. Ja Mylord, es freut mich. – Wär ich einmal zu meinem Ziel gelangt. Fahr die ganze Welt durch. –
Harry! ist das nicht? hast du seine Seele, hast du sein – Harry! ich mein ich müßt ihn aus dir herausrufen.
Mein Harry! he mein Junge! drück ich dich denn in meine Arme! o mein Harry! es ist mir so freudig, meine Augen werden dunkel.
Ja doch, du bist's. Du hast das Wilde, Stirre der Berkleys. Das rollende Drohaug, das Feste, das Unerschütterliche, Entschloßne. He Harry! Harry! Laß mich doch nur recht freuen. Ein so tapfrer Seemann, mein Harry! Uns ein Schiff mitgebracht und mein Harry!
Ich werde toll für Freude noch. Ich muß ein wenig ausruhen. Die Freude schwächt mich so, und meine Glieder tragen sie nicht mehr.
Wenn du nur nicht, wenn du nur nicht – Du bist ja da. Ich habe nichts gelitten. – Nein sitzen kann ich nicht. Caroline! Caroline! Miß! Miß! um Gottes willen Miß!
Harry! Caroline! Sie sind da! Zum Himmel. Hast mir sie wieder gegeben! diesem Herzen sie wieder gegeben! ich kann ja nicht weinen jetzt, da steht er – o mein Harry!
Ja ich kann's nicht sagen für Weinen und Freude. Harry! Ach ihr könnt nichts hervorbringen, so freut's euch. Ha! Ha! Alter! was du da siehst – o meine Kinder! Umfaßt sie. Nun geb der Himmel dir auch deinen Sohn wieder alter Bushy!
Du sollst mit mir zufrieden sein. Lieber Bruder. Lieber Harry! wie ließest du uns so lange nach dir weinen? –
O meine Mutter, Mylord! ich seh meine Mutter nicht. Hab ihr so vieles mitgebracht, und dir Miß! Wo ist meine Mutter?
Ja tot! beim Himmel ein Engel Gottes! o ich möchte wahnsinnig werden, daß meine Lady nicht hier steht mitten unter euch, wie ein beschattender erquickender Baum, ihre Hände auf eure Häupter legte und so euch segnete. Das sanfte, liebe Weib! sahst du herab wie dein alter Lord auf Dornen lag, den rauhen Pfad des Kummers ging? Sieh jetzt herab! – daß sie nicht dasteht mitten hier! Verflucht sei Bushy! Laß ihn seinen Sohn nie mehr sehen, durch ihn verlor ich sie!
Gerochen Vater! an Bushy und Hubert. Ha! ich war ein kleiner Junge und fühlte was sie uns taten, und rächte Euch eh ich Euch fand.
Ich will sie aufwecken. He Miß! Miß! der Bushy unser Feind! er ist tot! wachst du auf? Ich wachte von den Toten auf, riefst du mir das? Wir sind gerochen. Miß!
Noch eine Freude, Mylord! noch eine Hauptfreude! Sein Sie lustig, ich vergeb Ihnen, daß Sie so aussehen. Mein Sohn hat den alten Bushy erschlagen. Er ist tot, Mylord! mein Freund! – Nu keine Freude! was sieht Ihr Aug so gradehin? Mylord!
Ich ließ ihn, weiß Gott! bei einem der gräßlichsten Stürme, die ich auf der See erlebt, mit Hubert in einer kleinen Barke auf die See setzen. Es war Nacht und donnerte fürchterlich, pfiff so melodisch brüllend über der See, daß mir 's Herz gellte, und was mich verdroß, sie mucksten nicht. Hätten sie gebeten und gefleht, bei allen Elementen! ich hätt sie vielleicht aufgehangen, oder auf eine wilde Insel ausgesetzt, denn es kam eben eine Ladung von Wellen daher, der ich meinen Hund nicht vertrauet hätte. Sie waren aus meinem Gesicht verschwunden, wie sie kaum in die Barke stiegen. Nur bei den Blitzen sah ich sie in der Ferne kämpfen, und es heulte so bitter um mich, daß ich die Freude nicht haben konnte, sie von der See verschlingen zu sehn, und ihr Geächze zu hören. Aber der Sturm spaßte nicht.
[1181]Tut's das Mylord, und was denn mir? Ha so erwache doch in mir – bist du denn so erstarrt – so hin – he! he! he! kalt Miß! he! Miß! Erwache mit mir! he! he! he! Es ist wirklich kalt!
Nimm deinen Degen! he! nimm deinen Degen! oder ich würge dich in diesem Fieber, und freß dir's Herz aus dem Leib. Und dir Alter! he! kalt! und friert mich? Zucken meine Finger? he! und wachsen ans Gewehr, und will nicht eher ruhen, bis du daliegst, und ich dein Leben aus deinem Blut sauge. Kalt ich?
Was hat das Mädel mit dem Schottländer? Willst du weg! Laßt's Euch nicht wundern, Vater, wir haben uns mehr geschlagen, habe ihm ewigen Haß geschworen.
Guten Abend, Bruder! – was sollen die Degen? Ei Gott! das kann einen erschrecken – und es freut mich dir in der Person Sir Wilds Carl Bushy den Bräutigam deiner Tochter vorzustellen.
Rechtfertigt sich nicht mein Gefühl? Waren die Eindrücke, die er auf mich machte, nicht wahr? – Du hast zu lange gelebt!
Sie haßt dich, da sie weiß wer du bist. Geht Miß bald aus meinen Augen? – Harry! ich konnte ihn nie ausstehen, was machen wir mit ihm? Caroline, Berkley umarmend. Nein ich tu ihm nichts. Harry!
So laß mich dir doch zu Füßen fallen, großer Alexander! der du mit einem Schiff voll Leute, zwei alte Greise überwältigen kannst. Das sind Trophäen! Und haben nicht einmal ihre Hände gegen dich aufgehoben? ihren Mund nicht geöffnet? Daran erkenn ich Bushy. Soll ich dir nun das Siegeslied anstimmen? Das will ich, bei Bushys Blut hier! Das will ich, tapferer Held! Ein Schiff voll Menschen und zwei alte schwache Männer! ha! ha! ha! o Schurke! Schurke! welch große Taten!
[1183]Freilich! mehr noch! Memme. Alter! freu dich doch einen solchen Sohn gezeugt zu haben! Freu dich seiner Taten: bei Gott sie sind groß. Und große Taten verdienen große Belohnungen. He! He! Wart nur Kapitän! Balladen will ich drüber absingen in Londens Straßen, sobald die Mordgeschichte zu Ende ist. He! He!
Mann! wenn du nicht so grimmig aussähst, wollt ich dir etwas zeigen, das ich einem von den alten Männern gestohlen habe. Ein Bildchen von einer Weißen ist's. Ich zerriß meine krause Haare über den Alten, so weh tat mir's. Der Alte war gut. Das ist's!
Hatte mich so lieb! Ich war krank und acht Tage hielt er mich in seinen Schoß, und drückte meinen heißen Kopf, labte mich bis der Kapitän ihn fand.
Das all! Nu Junge! – Das Bild ansehend. Mutter! Mutter! meine Mutter! holdselige! Ist doch nichts von Liebe mehr in mir, o entzünde den letzten Funken, und laß ihn auch noch in Rachgierde und Grimm auflodern! He meine Mutter! zur andern Stunde! Ich danke dir Knabe!
Mitten im Sturm! was sitzt ihr da? Sinnt ihr auf Meuchelmord? Kapitän! ich will brav sein gegen dich. Gut war's, daß du erzähltest, wie niederträchtig du gehandelt hast, sonst hätt ich dich soeben in voriger unbegreiflicher Kälte niedergestoßen. Ich will dich nicht unbewaffnet angreifen, und so morgen. Aber schlafen kann ich nicht bis du daliegst ausgestreckt, und dann will ich dich mit Freudengebrüll in die See schleppen, bei Carl Bushy!
Ja Alter! ja! in die Bataille. Gute Nacht, Knabe! Zum [1184] Mohren. Wenn ihr euch einfallen laßt, mich mit einigen Hunderten diese Nacht zu überfallen, so kommt nur, ich bin wach.
Ich ruh nicht bis der Mensch aus der Welt ist. Er drückt mich wo ich ihn seh, und ich bin sein Feind von Anbeginn, eh ich ihn kannte.
Er ist ein Bushy! das ist genug. Aber laß den Bushy jetzt Bushy sein und komm an mein Herz, du mein Leben!
O unter dem Himmel hier mein Leben verhauchen diese Stunde! – Mir ist gut jetzt, da ich den Gedanken wiederum fest kriegt hab, da er zu Empfindung, zu tiefem Gefühl worden ist. Gesegnet seist du Erde, die du dich uns mütterlich öffnest, uns aufnimmst und schützest! Ach! wenn denn der Mond dämmert, die Sterne flimmern über mir, der ich eingewiegt liege, in tiefem süßen Schlaf. Ich werde noch dieses Gefühl haben. Du wirst mir dasein, ich werde dir dasein. Laß denn den Sturm hinfahren, die Winde heulen über mir, du gibst Ruhe deinem Sohn. Gütigste Mutter, meine Pilgrimschaft ist zu Ende, habe die Dornen betreten, habe auch Freude genossen, hier bin ich wieder!
Liebe, Unglückliche alle die ich verlassen hab, weinet nicht nach mir, vergeßt mich! Ich konnte euch nicht geben, keine Ruhe, keine Hülfe, ich hatte nie. Vergebt mir! Wie tausendmal war mein Herz zerrissen, wie tausendmal bebte meine Seele, wenn ich so unterlag den Menschen, so unterlag dem Grimm des Schicksals, und ich hier nicht wegkonnte, da nicht [1185] wegkonnte. Die Berge zu übersteigen hatt ich Mut genug, aber früh schnitten sie mir die Schwingkraft entzwei. O wer des Herzens, des Gefühls zu viel hat hier! O weh! – liebliche Lüfte gebt mir Liebe noch! La Feu! ich fühl diesen Augenblick nichts von Unbehaglichkeit. Ich fühl eine Stunde, wie sie die fühlen müssen, die eben die Erde verlassen wollen, und die ich immer als die herrlichste dachte. Mein Herz ist so bebend – aber die vorübergehende Fieberhitze – ach die Krankheit der Seele! – Gute Nacht Bruder! Gute Nacht Bruder Wild! und alle gute Seelen, die hier und dort seufzen! – Dank für diesen Augenblick! – Gute Nacht!
Was ist aus mir worden? Ist alles so anders um mich geworden? ha alles erstorben! – Vater! mein Vater!
Kein Antwort von mir! Ich bin euch und der Welt nichts, bis ich Rache habe! schreckliche Rache! Geht ihr bald! Und du! hast du Gewalt über deine Zunge? Geht weg, wenn ihr mir nicht unterliegen wollt!
Laßt mich doch in der tauben Fühllosigkeit, worin ihr mich seht! Blasius und La Feu ab. Wild, dem Fenster der Miß gegenüber bleibend.
[1186]Nein liebe Miß! alle Glieder zittern mir. Man hört immer noch schießen. Aber so stark nicht mehr. Sie meinen, wir siegten. Oh, Gott! es kommen so viele Verwundete! gar schöne Leute, Miß! da war eben einer mit einem halben Kopf. Das Herz möchte einem brechen.
Laß mich nur allein. Ach jeder Schuß, den ich hörte, traf einen von ihnen, traf mich. Laß mich nur, liebe Betty!
O diese Nacht! diese Nacht! und dieser Morgen! Wie haben nur meine zarten Fibern gehalten! ich begreif's nicht. Wo kam diese Stärke her? War auf dem Punkt mit ihm zu fliehen, ihn Rache nehmen lassen und dann mit ihm fliehen! Wie kam dieser Gedanke in meine Seele? und daß er sie so ganz erfüllte? Ach, wie er so vor mir stund in peinigendem, grimmigem Schmerz, sein Leiden, seine Sinnen trüb, und denn wild machte. – Ihn in aller dieser Qual von mir zu lassen! und jetzt vielleicht zerbrochen seine Stärke, erkaltet sein Herz. – Carl!
Ich kann keinen finden von ihnen. Ach mein Lord, mich allein gelassen! Und kann auch den guten andern Lord nicht finden, dem ich so viel zu erzählen habe. Ich armer Knabe! ich!
[1187]Ja, liebe Miß! wie ich aufwachte, war mir recht lustig, da hatt ich eben die ganze Nacht meinen Vater, den Zuckai, und meine Mutter besucht. Du kennst ihn nicht. Ei du solltest ihn kennen, und wie ihn die Nachbarn liebhaben, und die Feinde fürchten. Sie wollten mich nicht fortlassen, und gaben mir zu essen allerlei. Jetzt bin ich traurig.
Gute Miß! wo sind wir dann? Was knallt denn so immer fort? Weißest du denn nicht, wo der Lord ist, mit dem mein Lord und der Alte so bös ist? Er war so traurig wie du, und ich wollte ihn lustig machen.
Ja ich. Wie er heißt, weiß ich nicht. Aber wegen seinem Vater. Dir darf ich's nicht sagen, gute Miß! ob du mich schon nicht verraten würdest, weil du gut bist. Ich hab sie angetroffen. Heisa! drückte mich der Alte! Sieh einmal Miß, er küßte mich, und meine Wangen waren naß, da ward meine Brust dick drüber, daß ich nicht Atem genug hatte. Er ist gar gut, der Alte.
Still Miß! still! du könntest mir's eben ablauschen, und ich plauderte alles. Dein Vater ist ihm nicht gut, und des Kneipens, Schlagens, Tretens wäre kein Ende für mich. Horch! es kommt jemand. Das ist gut. Ich will den Lord suchen.
Ich will dir weinen helfen, gute Miß! ach ich habe oft zu weinen! wir Schwarzen lernen weinen gar früh von euch, aber ihr lacht dann!
O goldne Zeit! O Herrlichkeit! Ach der ewige, der ewige Frühlingsmorgen in meinem kranken Herzen! Sehn Sie nun, meine Liebe! mein ganzes künftiges Leben, möcht ich so eben, fern von allen Menschen, in einen poetischen, arkadischen Traum verwandeln. Wir säßen an einer kühlen Quelle; unter [1188] den Schatten der Bäume, Hand an Hand, besängen die Wunder des Herzens und der Liebe. Und, Mylady! das wär das einzige Mittel, all meine vergangne tragische Situationen zu vergessen. Wir wollten nicht über die Menschen klagen, nicht bitter von ihnen reden, wie Blasius, ewiger Friede in uns, mit uns, und allen, dauernde Freude sollte um uns herrschen. Was mir die Menschen getan haben, vergeb ich ihnen so herzlich, als ich Sie liebe. Sehn Sie, Lady, mir hatte der Himmel Empfindungen gegeben, mit denen ich unmöglich bei den Menschen fortkommen konnte. Freilich haben sie mich abgeschliffen, aber Mylady, diesem Herzen blieb noch ein Winkel unverdorben. Und da trat's nun hervor, und der Himmel vergeb's dem, der mich störe, und das verkehrt nennet!
Ach so will ich meine ganze Empfindung in Ihre Seele legen! Meine Diana! einen süßen, sanften Traum wollen wir träumen, immer so süß wie der erste Kuß der Liebe. Nur phantastisch! Blumenreich!
Ich bin willens ein Schäfer zu werden. Das war mein Gedanke von lange her. Nur fehlte mir's an einer Schäferin, die hab ich in Ihnen gefunden, liebliche Seele!
O Mylord! und Schäfchen, einen Schäferhut, Schäferstab, Schäferkleid weiß mit rot! Ich hab noch solche eine Maske aus London mitgebracht. Ich sterbe für Freude bei denen süßen Gedanken.
Ich kleide mich in einen unschuldigen Schäfer. Wir kaufen uns eine Herde. Wild schenkt uns einen von seinen Hunden. Und so wollen wir das Leben wegphantasieren. Ewig in Friede, ewig in Liebe leben! o der Seligkeit!
Behüte! ganz geistig, ganz phantastisch. Das ist der Reiz davon. Nur stößt sich's an etwas. Was vor Namen wollen wir denn annehmen in unsern unschuldigen Stand?
Ja Mylord! diese Namen haben mir immer in den Poesien wohlgefallen. Ich Phyllis! Lassen Sie uns doch geschwinde Anstalt machen.
[1189]O Tante! Ich habe Kopfweh. Mir ist nicht wohl, und Blasius ist wieder so stumm wie ein Fisch, und wenn er ein Wort spricht quält er einen. Er spricht gar von Heuraten.
Ich sag ja nur, wir hätten die besten Eigenschaften darzu. Weil wenn wir beisammen sind, ich Langeweile habe und Miß Langeweile hat. Diese zu haben und zu ertragen, gehört ja zum Ehestand. Unsre Virtuosität besteht darin, also –
Was sprechen Sie wieder? Überhaupt muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihrer völlig müde bin. Sie haben mich durch Ihr fatales Betragen ganz aus meinem Wesen gebracht, ich bin mir selbst ärgerlich worden. Sonst war ich lauter Freude, lauter Heiterkeit, ein Tag wie der andre, aber Sie verderben alles, gehn Sie nur!
Miß! Wahrlich Ihr Gesicht ist mir oft ein guter Sonnenschein! lassen Sie mich's manchmal anblicken, nur reden Sie nicht.
Ich hab dir viel zu erzählen, gar viel. Hör, wir wollen ein Schäferleben führen. La Feu ein Schäfer, und ich eine Schäferin.
Nun wohl, und ich will Eremit werden. Ich hab eine schöne buschichte Höhle ausgespürt, da will ich mich mit meinem noch übrigen Gefühl hinein verschließen, und das Leben von neuem anfangen, das wir auf den Alpen verlassen haben.[1190] Himmel und Erde sind mir Freunde worden diese Nacht, und die ganze Natur.
Der Teufel soll mich holen, eh ich noch einmal zu Lande fechte. Zu Wasser, Vater! bei allen Elementen, wer schwimmen kann, schwimme, und bleib vom Lande weg. Nehm mir doch einer die Kugel aus der Wade! Der Donner erschlag den Landkrieg! Nehm mir doch einer die Kugel aus der Wade, das Ding zieht verflucht, hab mich stark verblutet und kann kaum mehr stehen.
Gut daß sie abziehen. O Neptunus dein Seehund! Sie schossen teuflisch auf unsern Flügel, Vater! Wild muß einen Bund mit dem Satan haben. Die verdammte Gegenwart, Festigkeit und Starrheit im Menschen – die dumme Kugel! Vater! geht mit auf mein Schiff, wir wollen für die Kolonien kapern. Der verdammte Wild!
Wollt aber lieber geschlagen sein. Bushy hat die meiste Ehre davon. Der tat Teufelsdinge mit seinen Freiwilligen. Daß dich der Donner mit der Kugel! Ich kann mich heute nicht mit ihm schießen.
Kümmre dich nicht, Harry! Du bist brav. O Miß! nimm mein altes Haupt an deine Brust. O wie herrlich hier zu liegen! Es war mir so närrisch in dem Feuer heut. – O meine Kinder! ich kann die Freude nicht mehr ertragen, ich fühle daß ich am Ende meiner Laufbahn bin.
Faß Herz, Junge! und hol mir die Kugel aus der Wade. Sieht's genau an. Es ist neben eingegangen! Bei Gott, Berkley! Eine Ehrenwunde! Küß deinen Sohn! he meine Schwester!
Miß! liebe Miß! – He, schon da Mylords! Verdräng das Gefühl, Wild! – Guten Tag! So komm ich dann um dich abzuholen, Kapitän! Meine Wunde ist tief, und wenn ich nicht ersticken will, muß ich Rache haben.
Setz dich zu Pferd! He Feiger! wenn du mich auf deinem Schiff hättest, nicht wahr? Ich zerreiß dich wie ein wildes Tier, wenn du nicht zur Stunde kommst.
Hm! bin ich wieder so verworren! so schwach! – He! Harry! Du sollst dich nicht mit ihm schießen. Was? mit dem Sohn eines Feindes? ha! und warum? weil du deinen Vater gerochen hast? Geschworen sei's bei dem Schatten meiner lieben Lady! Du sollst nicht! Hat sein Vater mich um alles gebracht, um Ruhe und Glück! Ich will meine ausgeweinte Augen eher ausreißen, ich! Du sollst nicht! ha! komm nur!
O Miß! Miß! dieser Tag war gut. Der half meinem Herzen in etwas heraus, aber so wie ich hieher komm, und so wie ich hier steh vor dir in diesen Gefühlen – Jenny! warum mußt ich zurückkehren? Warum verschont bleiben? und sah so viele [1193] um mich hinsinken. Ich muß Rache haben, Miß! von deinem Bruder! fühle Grimm hier, fühle Liebe hier – fühlst du Jenny, siehst du? ich steh so an dem Abgrund des menschlichen Beginnens – am Ende des menschlichen Gefühls, denn es reißt hier, Miß! Auf die Brust zeigend, und zerspringt hier!Auf die Stirne zeigend. Und hier dein Bild, das ich nicht will, und immer mehr, immer heißer will – Jenny, alle Qual! alle Liebe!
Ist denn nichts da das rette? Ist denn nichts da das helfe? – Komm hier in meine Arme, lieber Geängsteter! Laß dir Ruhe geben. Laß dir Liebe geben! Nur diese Blutgierde, diese Rachgierde nicht! Vergib meinem Bruder! nein, du kannst nicht. – – – Carl! so still und tot – – und ich so ganz ohne Rettung unglücklich. – Ich wollte soeben meine letzte Stärke aufbieten. Sie schwindet hin, und ich! – ach ich hatte den, nach dem ich rief und seufzte! – er ward mir gegeben! Carl! und so endet's?
Verbirg deine Tränen! Verbirg dein Leiden! Verbirg mir deine Liebe, nein, gib mir Liebe, daß ich bis auf den zerstörenden Augenblick lebe und empfinde. Es hat mich schon so taub und fühllos gemacht, und nur das Teilnehmende deiner liebenden Augen löst die Starrheit auf, und läßt mich in dem erschrecklichen innern Zerreißen etwas fassen, woran ich halten kann. O Jenny! wie kann das dein Bruder sein! Der Mörder! – O es ist Sünde, es vor deine Ohren zu bringen, ich fühl wie es deine Nerven trifft – es will nicht mehr über meine Zunge, es ist mir so tief im Herzen, und spannt meine Brust aus. – He! so sollst du haben, lechze! und lechze! und hast ja all meine Sinnen gefangen – Miß! Miß! was ist dir dann?
Laß mir's nur noch dunkler werden vor den Augen, und schwerer hier. Ich geh zu Ende, so gern zu Ende – Du zerstörst so gewaltig.
Lord! Lord! find ich dich endlich? – Ach! habe dir zu erzählen. Lieber Lord! – schick nur die Miß weg, lieber Lord!
O Lord! Lord! ich wollte dir vom alten Mann reden, [1194] der mich liebt, und den ich liebe. Es ist ein grauer Kopf, nicht tot! Leise. glaub mir! bei allen Göttern! ich hätt mich lieber mit ihm in die See gestürzt – er ist nicht tot!
Sie leben beide. Sei nur freundlich, und dann will ich dir's erzählen. Ach! der Schiffslieutenant, ein guter Mann, nahm sich ihrer an. Ich bettelte so lange zu seinen Füßen, bis er einwilligte. Wir belogen den Kapitän, als wären sie in die Barke gesetzt, und die Barke schwamm doch leer weg. Ha! ha! ha!
Wir versteckten die Alten in einen kleinen, kleinen Winkel, und ich stahl ihnen Zwieback und Wassers satt. Aber nur verrat dem Kapitän nichts, und du auch nicht, Miß! er würde mich fortjagen, oder totpeitschen.
Hab ich das wieder funden! Jenny und seinen Vater umarmend. Herz! Herz! wie wohl kann dir werden! Diese Silberlocken! Dieser Anblick! Hab ich das all wieder!
Sie haben mir erlaubt, mein Vater, die in allen Winkeln der Erde aufzusuchen, die meine Seele hatte. Ich hab sie gefunden – Jenny! meine Jenny! Habe sie gefunden, und jetzt erst fühl ich wieder, was ich gefunden habe.
Berkleys Jenny! o die ich Tochter nannte, eh noch Haß uns schied, und immer liebte, komm in meine Arme! Wohl mir, Dank dir für alle Stunden, die du mir sonsten mit deiner Liebe versüßtest, und Dank dir für diese Liebe, Miß! Und Dank dir schwarzer, guter Junge, daß du mich dieser Stunde aufbehalten hast! Weißt du Carl, was du dem Knaben schuldig bist? Er beschrieb dich mir in deinem Leiden, deine Angst, ach! wie leicht erkannt ich dich! – hat er dir erzählt?
Nun Miß, und immer meine Tochter! die Liebe hat meinen Sohn gut geführt. Wo ist Berkley? bist du ausgesöhnt, Carl? führt mich doch zu ihm!
O mein Vater! soeben war ich im Begriff – Lassen Sie uns fliehen und nicht weiter reden. Ich vergeb's dem Alten, und dem Kapitän, da Sie da sind. Jenny! wirst du uns verlassen?
Seid ihr ruhig. Ich will mich Berkley darstellen, was kann ihm mein Anblick Zorn einjagen, er muß ihn versöhnen. Hab ich ihn doch gesucht, und da ich ihn finde – ich bin da, bleibe da, Carl!
Warum nicht? Friede und Ruhe ist in meine Seele gekehrt, sie wird auch zu Berkley einkehren. Ich hab nichts gefunden in all meinen Verirrungen, als dies, und habe alles gefunden.
[1196]Wo bleibst du denn, he? – Was hier, Miß? – Indem er Lord Bushy gewahr wird. Ist das Traum? he, Mylord Bushy, bist du Fleisch und Bein?
Anschläge des Friedens und der Liebe. Will seine Hand fassen, er hält sie zurück. Reue meines vergangenen Lebens: Vergessen der wilden Leidenschaften! Mylord! ich hab alle Sünden auf mich genommen, hab eine Pilgrimschaft vollendet hier, voll Kummer und Leiden, laß mich hier die Fahne der Ruhe aufstecken!
Hund du toller! Und hält Miß so fest in seinen Armen. Da knall sie mit nieder, und aller Welt Anmut liegt begraben für mich. Sieh das Mädchen an so schön und gut, und so häßlich in Bushys Armen. Liebe Miß! will dich locken! mit Liebe locken! willst du nicht bald kommen, schöne Miß! willst du wohl! Komm doch, liebes, sittsames Kind zu deinem alten Vater! Du nur allein kannst seine Nerven sanft und mild stimmen, das fühl ich soeben. Komm doch nur, ich will die Bushys ruhig ziehen lassen.
Pfui Miß! schäme dich! Ich bitt dich, Mädchen, bring mich nicht auf. Miß! ich bitt, ich flehe dich, und meine graue Haare, mein alter Kopf, halt's nicht mit meinen Feinden, und komm geschwinde zu mir! Komm doch, Kind! Du pflegtest und wartetest mich, ich will jetzt dich pflegen und warten. He Miß! soll ich wahnsinnig werden, Miß? Soll ich Ekel und Haß für mein Kind kriegen? Dich verfluchen und die Welt? es wird mir toll ums Herz, Miß!
Berkley, wir nannten uns einstens Bruder. Lebten in Freundschaft und Liebe. Ein böser Geist trennte uns. Mir ist die vorige Empfindung längst zurückgekehrt, sollte es bei dir nicht geschehen können? Bruder!
Dein Haß ist mir schwergefallen, jetzt verdien ich ihn nicht mehr. Sieh ich stehe am Rande des Grabes. Gedanken der ewigen Ruhe haben längst meine Seele gefüllt, und geben mir Stärke, je mehr mein schwacher Körper zusammensinkt. Berkley, da lügt man nicht, und ich tat's nie. Hier, wo Wahres vom Falschen getrennt wird, sag ich dir, daß ich unschuldig bin am Verheeren deines Hauses, an deiner Verbannung. Der es tat, liegt längst im Tale des Todes verschlossen. Ruhe seiner Asche! sein Name und seine Triebfedern sollen nicht über dieses Herz kommen.
[1198]Es ist hart, Berkley! mein Angesicht spricht für mich, und meine Offenheit, die mich viel gekostet hat. Unser Unglück war Mißverständnis, daß wir nach einem Ziel trieben, unsere Interessen sich aneinander stießen, meine zu hastigen Leidenschaften, und deine noch feurigere. O Mylord! was erhielten wir! was wurden wir beide? Laß uns alles gut machen, laß uns in Liebe leben!
Komm, Bushy, die Allee hinab, ich will versuchen, ob ich mich mit dir vertragen kann. Ich kann dir noch über keine meiner Empfindungen Wort geben, haß dich noch, und – es fällt mir so vieles ein – Komm nur! Ab.