[70] [72]Ganymed

Was schläfst du, Bergsohn, liegest in Unmut, schief,
Und frierst am kahlen Ufer, Gedultiger!
Denkst nicht der Gnade du, wenns an den
Tischen die Himmlischen sonst gedürstet?
Kennst drunten du vom Vater die Boten nicht,
Nicht in der Kluft der Lüfte geschärfter Spiel?
Trifft nicht das Wort dich, das voll alten
Geists ein gewanderter Mann dir sendet?
Schon tönets aber ihm in der Brust. Tief quillts,
Wie damals, als hoch oben im Fels er schlief,
Ihm auf. Im Zorne reinigt aber
Sich der Gefesselte nun, nun eilt er,
Der Linkische; der spottet der Schlacken nun,
Und nimmt und bricht und wirft die Zerbrochenen
Zorntrunken, spielend, dort und da zum
Schauenden Ufer und bei des Fremdlings
Besondrer Stimme stehen die Herden auf,
Es regen sich die Wälder, es hört tief Land
Den Stromgeist fern, und schaudernd regt im
Nabel der Erde der Geist sich wieder.
Der Frühling kömmt. Und jedes, in seiner Art,
Blüht. Der ist aber ferne; nicht mehr dabei.
Irr ging er nun; denn allzugut sind
Genien; himmlisch Gespräch ist sein nun.

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TextGrid Repository (2012). Hölderlin, Friedrich. Gedichte. Gedichte 1800-1804. Nachtgesänge. Ganymed. Ganymed. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7BC2-F