6. Das Lied vom eifersüchtigen Knaben
Deutsch
Die Melodie hat das Helle und Feierliche eines Abendgesanges, wie unterm Licht der Sterne, und der Elsasser Dialekt schließt sich den Schwingungen derselben treflich an, wie überhaupt in allen Volksliedern mit dem lebendigen Gesange viel verlohren geht. Der Inhalt des Liedes ist kühn und schrecklich fortgehende Handlung: ein kleines lyrisches Gemählde, wie etwa Othello ein gewaltiges, großes Freskobild ist. Der Anfang des Liedes ist mehrern Volksliedern eine Lieblingsstelle.
Es stehen drey Stern' am Himmel,
Die geben der Lieb' ihren Schein.
Gott grüß euch, schönes Jungfräulein,
Wo bind' ich mein Rösselein hin.
»Nimm du es, dein Rößlein, beim Zügel, beim Zaum,
Bind's an den Feigenbaum.
Sez dich ein' kleine Weil nieder,
Und mach mir ein kleine Kurzweil.«
Ich kann und mag nicht sizen,
Mag auch nicht lustig seyn,
Mein Herz ist mir betrübet,
Feinslieb von wegen dein.
Was zog er aus der Taschen?
Ein Messer, war scharf und spiz;
Er stachs seiner Lieben durchs Herze;
Das rothe Blut gegen ihn sprizt.
Und da er's wieder herausser zog,
Von Blut war es so roth.
»Ach reicher Gott vom Himmel,
Wie bitter wird mir der Tod!«
Was zog er ihr abe vom Finger?
Ein rothes Goldringelein.
[21]Er warfs in flüssig Wasser;
Es gab seinen klaren Schein.
Schwimm hin, schwimm her, Goldringelein!
Bis an den tiefen See!
Mein Feinslieb ist mir gestorben;
Jezt hab ich kein Feinslieb mehr.
So gehts, wenn ein Maidel zwei Knaben lieb hat,
Thut wunderselten gut;
Das haben wir Beid' erfahren,
Was falsche Liebe thut.