Erstes Tableau
Ein uralter verfallener Tempel der Diana. Diese Ruine ist noch ziemlich gut erhalten, nur hie und da ist eine Säule gebrochen und eine Lücke im Dach; durch letztere sieht man ein Stück Abendhimmel mit dem Halbmonde. Rechts die Aussicht in einen Wald. Links der Altar mit einer Statue der Göttin Diana. Die Nymphen derselben kauern hie und da auf dem Boden, in nachlässigen Gruppen. Sie scheinen verdrießlich und gelangweilt. Manchmal springt eine derselben in die Höhe, tanzt einige Pas und scheint in heiteren Erinnerungen verloren. Andere gesellen sich zu ihr und vollbringen antike Tänze. Zuletzt tanzen sie um die Statue der Göttin, halb scherzhaft, halb feierlich, als wollten sie Probe halten zu einem Tempelfeste. Sie zünden die Lampen an und winden Kränze.
Plötzlich, von der Seite des Waldes, stürzt herein die Göttin Diana, im bekannten Jagdkostüme, wie sie auch hier als Statue konterfeit ist. Sie scheint erschrocken, wie ein flüchtiges Reh. Sie erzählt ihren bestürzten Nymphen, daß jemand sie verfolgt. Sie ist in der höchsten Aufregung der Angst, aber nicht bloß der Angst. Durch ihren spröden Unmut schimmern zärtlichere Gefühle. Sie schaut immer nach dem Wald, scheint endlich ihren Verfolger zu erblicken und versteckt sich hinter ihre eigne Statue.
Ein junger deutscher Ritter tritt auf. Er sucht die Göttin. Ihre Nymphen umtanzen ihn, um ihn fernzuhalten von der Bildsäule ihrer Gebieterin. Sie kosen, sie drohen. Sie ringen mit ihm, er verteidigt sich neckend. Endlich reißt er sich von ihnen los, erblickt die Statue, hebt flehend seine Arme zu ihr empor, stürzt zu ihren Füßen, umfaßt verzweiflungsvoll ihr Piedestal und erbietet sich, ihr ewig dienstbar zu sein mit Leib und Leben. Er sieht auf dem Altar ein Messer und eine Opferschale, ein schauerlicher Gedanke durchdringt ihn, er erinnert sich, daß die Göttin einst Menschenopfer liebte, und in der Trunkenheit seiner Leidenschaft ergreift er Messer und Schale – Er ist im Begriff, dieselbe als Libation mit seinem Herzblut zu füllen, [86] schon kehrt er den Stahl nach seiner Brust: da springt die wirkliche leibliche Göttin aus ihrem Versteck hervor, ergreift seinen Arm, entwindet seiner Hand das Messer – und beide schauen sich an, während einer langen Pause, mit wechselseitiger Verwunderung, schauerlich entzückt, sehnsüchtig, zitternd, todesmutig, voll Liebe. In ihrem Zweitanz fliehen und suchen sie sich, aber diesmal nur, um sich immer wiederzufinden, sich immer wieder einander in die Arme zu sinken. Endlich setzen sie sich kosend nieder, wie glückliche Kinder, auf dem Piedestal der Statue, während die Nymphen sie als Chorus umtanzen und durch ihre Pantomimen den Kommentar bilden von dem, was sich die Liebenden erzählen –
(Diana erzählt ihrem Ritter, daß die alten Götter nicht tot sind, sondern sich nur versteckt halten in Berghöhlen und Tempelruinen, wo sie sich nächtlich besuchen und ihre Freudenfeste feiern.)
Man hört plötzlich die lieblich sanfteste Musik, und es treten herein Apollo und die Musen. Jener spielt den Liebenden ein Lied vor, und seine Gefährtinnen tanzen einen schönen, gemessenen Reigen um Diana und den Ritter. Die Musik wird brausender, es erklingen von draußen üppige Weisen, Zimbel- und Paukenklänge, und das ist Bacchus, welcher seinen fröhlichen Einzug hält mit seinen Satyren und Bacchanten. Er reitet auf einem gezähmten Löwen, zu seiner Rechten reitet der dickbäuchige Silen auf einem Esel. Tolle ausgelassene Tänze der Satyren und Bacchanten. Letztere, mit Weinlaub oder auch mit Schlangen in den flatternden Haaren oder auch mit goldenen Kronen geschmückt, schwingen ihre Thyrsen und zeigen jene übermütigen, unglaublichen, ja unmöglichen Posituren, welche wir auf alten Vasen und sonstigen Basreliefs sehen. Bacchus steigt zu den Liebenden herab und ladet sie ein, teilzunehmen an seinem Freudendienste. Jene erheben sich und tanzen einen Zweitanz der trunkensten Lebenslust, dem sich Apollo und Bacchus, nebst beider Gefolge, sowie auch die Nymphen Dianas anschließen.
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