Riedligers Tochter

»Spinnet, Töchterli, spinnet, und Jergli, leng mer der Haspel!
D'Zit vergoht, der Obed chunnt, und 's streckt si ins Frühjohr.
Bald goht's wieder use mit Hauen und Rechen in Garte.
Werdet mer flißig und brav und hübsch, wie 's Riedligers Tochter!
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In de Borge stoht e Hus, es wachse jez Wesmen
uffem verfallene Dach, und 's regnet aben in d'Stube.
Frili 's isch scho alt, und 's sin jez anderi Zite,
weder wo der Simme Fritz und 's Eveli ghuust hen.
Sie hen 's Huus erbaut, die schönsti unter de Firste,
und ihr Name stoht no näumen am rußige Tremel.
Het me gfrogt: ›Wer sin im Wald die glücklichsten Ehlüt?‹
het me gseit: ›Der Simme Fritz und 's Riedligers Tochter‹,
und 's isch dem Eveli grote mit gar verborgene Dinge.
Spinnet, Chinder, spinnet, und Jergli, hol mer au Trieme!
Mengmol, wo der Fritz no bi den Eltere glebt het,
het en d'Mutter gno, und gfrogt mit bewegliche Worte:
›Hesch di no nit anderst bsunne? Gfalle der 's Meiers
Matte no nit besser zu siner einzige Tochter?‹
Und der Fritz het druf mit ernstliche Worten erwidert:
›Nei, sie gfallt mer nit, und anderst bsinni mi nümme.
's Riedligers suferi Tochter zu ihre Tugede gfallt mer.‹ –
›D'Tugede loß den Engle! Mer sin jez no nit im Himmel.‹ –
›Lönt de Chüeihe 's Heu ab's Meiers grasige Matte!‹ –
›D'Mutter isch e Hex!‹ – ›Und soll au d'Mutter e Hex si,
Mutter hi und Mutter her, und 's Töchterli willi!‹ –
›'s Meidli soll's gwis au scho tribe, d'Nochbere sage 's.‹ –
›Sel isch en alte Bricht, und dorum chani 's nit wende.
Winkt's mer, so muß i cho, und heißt es mi näumis, se tuenis.
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Luegt's mer no gar in d'Augen, und chummi em nöcher an Buse,
wird's mer, ich weiß nit wie, und möchti sterbe vor Liebi.
's isch ke liebliger Gschöpf as so ne Hexli, wo jung isch.‹ –
Näumis het d'Mutter gwüßt. Me seit, das Meideli sei gwiß
in sim zwölfte Johr emol elleinig im Wald gsi,
und heb Erbeeri gsucht. Uf eimal hört es e Ruusche
und wo's um si luegt, se stoht in goldige Hore
nummen en Ehle lang e zierlig Frauweli vorem
inneme schwarze Gwand und gstickt mit goldene Blume
und mit Edelgstei. ›Gott grüeß di, Meiddeli!‹ seit's em,
›spring nit furt, und förch mi nit! I tu der kei Leidli.‹
's Eveli seit: ›Gott dank der, und wenn du 's Erdmännlis Frau bisch,
willi di nit förche!‹ – ›Jo frili‹, seit es, ›das bini.‹ –
›Meiddeli los und sag: chansch alli Sprüchli im Spruchbuch?‹ –
›Jo, i cha si alli, und schöni Gibetli und Psalme.‹ –
›Meiddeli, los und sag: gosch denn au flißig in d'Chilche?‹ –
›Alli Sunntig se tueni. I stand im vorderste Stühli.‹ –
›Meiddeli los und sag: folgsch au, was 's Mütterli ha will?‹ –
›He, will's Gott der Her, und froget 's Mütterli selber!
's chennt ich wohl, i weiß es scho, und het mer scho viel gseit.‹ –
›Meiddeli, was hesch gseit? Bisch öbbe 's Riedligers Tochter?
Wenn de mi Gotte bisch, se chumm au zu mer in d'Stube!‹
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Hinter der Brumberihurst goht's uf verschwiegene Pfade
tief dur d'Felsen i. Hätt 's Frauweli nit e Laternli
in der Linke treit, und 's Eveli sorglich am Arm gführt,
's hätt der Weg nit gfunde. Jez goht e silberni Tür uf.
›O Herr Jesis, wo bini? Frau Gotte, bini im Himmel?‹ –
›Nei doch, du närisch Chind. In mim verborgene Stübli
bisch bi diner Gotte. Sitz nieder und bis mer Gottwilche!
Gell, das sin chosperi Stei an mine glitzrige Wände?
Gell, i ha glatti Tisch? Sie sin vom suferste Marfel.
Und do die silberne Blatten und do di goldene Teller!
Chumm, iß Hunigschnitten und schöni gwundeni Strübli!
Magsch us dem Chächeli Milch? Magsch Wi im christalene Becher?‹ –
›Nei, Frau Gotte, lieber Milch im Chächeli möchti.‹
Wones gesse het und trunke, seit em si Gotte:
›Chind, wenn d'flißig lehrsch, und folgsch, was 's Mütterli ha will,
und chumsch us der Schul und gosch zum heilige Nachtmohl,
willi der näumis schicke. Zeig wie, was wär der am liebste?
Wär's das Trögli voll Plunder? Wär's do das Rädli zum Spinne?‹ –
›Bald isch's Plunder zerrisse. Frau Gotte, schenket mer's Rädli!‹
›'s Rädli will gspunne ha. Nimm lieber 's Trögli voll Plunder!
Siesch die sideni Chappe mit goldene Düpflene gsprenklet?
Siehsch das Halstuch nit mit siebefarbige Streife,
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und e neue Rock, und do die gwässerti Hoorschnur?‹ –
›Jo, 's isch mer numme z'schön. Frau Gotte, schenket mer's Rädli‹ –
›Willsch's, se sollsch's au ha, und chunnt's, se halt mer's in Ehre!
Wenn de 's in Ehre hesch, soll's au an Plunder nit fehle,
und an Segen und Glück. I weiß em verborgeni Chräfte.
Sieder nimm das Rösli und trag mer's sorglich im Buse,
aß denn au öbbis hesch vo diner heimliche Gotte!
Los und verlier mer's nit! Es bringt der Freuden und Gsundheit.
Wärsch mer nit so lieb, i chönnt der jo Silber und Gold ge.‹
Und jez het sie's gchüßt, und wieder usen in Wald gführt:
›Bhüet di Gott, und haltdi wohl, und grüß mer di Mutter!‹
So viel isch an der Sach, und deshalb het me ne nogseit,
d'Mutter seig e Hex, und nit viel besser ihr Meidli.
Nu das Meiddeli isch mit sim verborgene Blümli
hübscher vo Tag zu Tag und alliwil liebliger worde,
und wo's us der Schul mit andere Chindere cho isch,
und am Ostertag zum Nachtmohl gangen und heim chunnt,
nei se bhütis Gott, was stoht im heitere Stübli? –
's Rädli vo birbaume Holz und an der Chunkle ne Riste,
mitteme zierlige Band us rosiger Siden umwunde,
unte ne Letschli dra, und 's Gschirli zum Netze vo Silber,
und im Chrebs e Spüli, und scho ne wengeli gspunne.
D'Gotte het der Afang gmacht mit eigene Hände.
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Wie het mi Eveli gluegt! Was isch das Eveli gsprunge!
Gsangbuch weg und Meie weg und 's Rädli in d'Arm gno,
und het's gchüßt und druckt. ›O liebi Frau Gotte, vergelt's Gott!‹
's het nit z'Mittag gesse. Sie hen doch e Hammen im Chöhl gha.
's isch nit usen ins Grün mit andere Chindere gwandelt.
Gspunne hätt's mit Händ und Füße; het em nit d'Mutter
's Rädli in Chaste gstellt, und gseit: ›Gedenke des Sabbats!
Isch nit Christus der Her hüt vo de Toten erstande?‹
Nu di Rädli hesch. Doch Eveli, Eveli weisch au,
wie me's in Ehre haltet, und was d'Frau Gotte wird gmeint ha?
Frili weißt's, worum denn nit, und het sie 'm verheiße:
›Wenn des in Ehre hesch, soll's au an Plunder nit fehle
und andere Sege‹, se het sie 's ghalte, wie 's recht isch.
Het nit in churzer Zit der Weber e Tragete Garn gholt?
Het's nit alli Johr vom finste glichlige Fade
Tuch und Tuch uf d'Bleichi treit und Strängli zum Färber?
He, me het jo gseit, und wenn's au dussen im Feld seig,
's Rädli spinn elleinig furt, und wie sie der Fade
unten in d'Spuhle zieh, wachs unterm rosige Bendel
d'Riste wieder no – sel müeßt mer e chummligi Sach si.
Und wer het im ganze Dorf die suferste Chleider
Sunntig und Werchtig treit, die reinlichsten Ermel am Hemd gha,
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und die suferste Strümpf und alliwil freudigi Sinne?
's Frauwelis im Felseghalt si liebligi Gotte.
Drum het's Simmes Fritz, wo 's achtzeh Summer erlebt het,
zu der Mutter gseit mit ernstliche Miene und Worte:
›Numme 's Riedligers Tochter zu ihre Tugede gfallt mer.‹
Ihn hätten alli gno, er nummen eini von alle.
Mutterherz isch bald verschreckt, zwor sotti's nit sage.
Wo sie wieder emol vo 's Meiers Tochter und Matte
ernstlig mittem redt, und will's mit Dräue probiere:
›'s git e chräftig Mittel‹, seit sie, ›wenn de verhext bisch.
Hemmer für's Riedligers ghuust? Di Vater sezt di ufs Pflichtteil,
und de hesch mi Sege nit, und schuldig bisch du dra.‹
›Mutter‹, erwidert der Simme, ›soll euer Sege verscherzt si,
stand i vom Eveli ab, und gehri vom Vater ke Pflichtteil.
Z'Stette sizt e Werber, und wo me uffeme Berg stoht,
lüte d'Türkeglocken an allen Ende und Orte.
Blut um Blut, und Chopf um Chopf, und Leben um Lebe.
Färbt mi Blut e Türkesebel, schuldig sin ihr dra!‹
Wo das d'Mutter hört, se sizt sie nieder vor Schrecke:
›Du vermesse Chind, se nimm si, wenn de sie ha witt;
aber chumm mer nit go chlage, wenn's der nit gut goht.‹
's isch nit nötig gsi. Sie hen wie d'Engel im Himmel,
mitenander glebt, und am verborgene Sege
vo der Gotte het's nit gfehlt im hüsliche Wese.
He, sie hen jo zletzt vo's Meiers grasige Matte
selber die schönste gmeiht, 's isch alles endlich an Stab cho,
und hen Freud erlebt an frumme Chinden und Enkle.
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Tuent jez d'Räder weg, und Jergli der Haspel ufs Chästli!
's isch afange dunkel und Zit an anderi Gschäfte.«
Und so hen sie 's gmacht, und wo sie d'Räder uf d'Site
stellen, und wenn go und schüttle d'Agle vom Fürtuch,
seit no's Vreneli: »So ne Gotte möchti wohl au ha,
wo eim so ne Rad chönnt helsen und so ne Rösli.«
Aber d'Mutter erwidert: »'s chunnt uf kei Gotten, o Vreni,
's chunnt uf 's Rädli nit a. Der Fliß bringt heimlige Sege,
wenn de schaffe magsch. Und hesch nit 's Blümli im Buse,
wenn de züchtig lebsch und rein an Sinnen und Werke?
Gang jez und hol Wasser und glitsch mer nit usen am Brunne!«

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TextGrid Repository (2012). Hebel, Johann Peter. Gedichte. Alemannische Gedichte. Riedligers Tochter. Riedligers Tochter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-426E-7