Georg Philipp Harsdörffer
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Erklärung deß Tittel-Bildes
Erster Band
Widmung
Dem Hoch-Wolgebornen Herrn / Herrn CHRISTIAN / deß H. Röm. Reichs Grafen von RANZOW / Herrn auff Barmstätten / Breitenburg / Lindewit /Giesingholm / etc. Rittern / dero zu Dennemarck /Norwegen / etc. Königl. Mayest. Hochgeheimen und Land-Raht / Statthaltern in dero Fürstenthümbern /und Gouverneurn zu Steinburg / in Dithmarschen und Langelandt.
unter
Den Hochlöblichen Fruchtbringenden
Dem Gezierten.
Seinem Gnädigen Grafen und Herrn.
Zuschrifft
Hoch-Wohlgeborner Graff /
Gnädiger Herr /
In der Welt ist das schönste Buch die Welt selbsten. Der schönste Theil dieses Buches ist der Mensch /welcher nicht sonder Vrsachen die kleine Welt genennet wird / und das schönste Capitel in besagtem Buche / ist das / welches von der Menschen Thun und Wandel zu handlen pfleget.
Die Betrachtung der herrlichen unnd Wunder vollen Geschöpffe deß Allmächtigen / ist eine Kette /welche uns niedrige Menschen gleichsam zu deß Höchsten GOTTes Allmacht ziehet / und zu danckschuldigen Preiß fůr seine hohe Wolthaten anhält /und ist solcher Betrachtungen kein Geschöpff fähig /als der Mensch / der nach dem Ebenbild GOTTes anfänglich erschaffen / unnd nach deme er sich solches frevelich verlustig gemachet / das Gewissen / nechst der Freyheit seines Willens und seiner Wercke behalten / daß er das Gute von dem Bösen unterscheiden /jenes thun unnd dieses meiden kan; Massen ihm der Fluch und Segen gleichsamb für Augen lieget / und in seiner freyständigen Wahl beruhet / ein GOTT- oder dem Satan wolgefälliges Leben anzutretten und zu vollführen. Dieser freye Wille deß Menschen ist die Hertzwurtzel der Tugenden und der Laster / welche zeitige oder unzeitige / gute oder böse Frůchte bringet. Andere Geschöpfe folgen ihrer natůrlichen Neigung / halten ihren ordentlichen Lauff / wie die Sterne / fördern ihr Wachsthumb wie die Blumen unnd Kräuter / pflegen sich zu nehren und zu mehren wie die Thiere: Aber dem Menschen allein ist eine unsterbliche Seele gegeben / welcher er durch sein Wol-oder Vbelthun / das ewige Leben / oder den ewigen Todt / nach diesen hinfallenden Eitelkeiten / zuziehen kan / dessen alle andere Geschöpfe nicht fähig sind.
Solche Wercke der Menschenkinder sind von Anfang der Welte beobachtet / unnd andern zu růhmlicher Nachfolge / oder nutzlicher Warnung / auffgezeichnet worden. Die Haubt-Wissenschafften haben sich hierunter Gebots-weise bemühet / unnd schreibet uns das Wort GOTTES die Lehren eines Christlichen Wandels vor. Die Rechte weisen uns / wie man auß gleich-begebenden Fällen / gleiche Vrtheil und Gesetze geben soll. Die Artzney-Kunst lehret deß Leibes Gesundheit handhaben / und wann sie verlohren /wider erlangen.
Was nun diese Haubt-Wissenschafften mit Lehren und Gesetzen außwürcken / das thut die Geschichtschreibung mit Exemplen und Beyspielen / deßwegen sie auch der Spiegel guter und böser Sitten / das Liecht der Warheit / die Richtschnur menschliches Leben / unnd diese Welt ein Schauplatz genennet wird / darauff nicht nur Könige / Fürsten und Herren /wie in den Trauerspielen / sondern auch Edle / Burger / Bauren / wie in den Freudenspielen erscheinen / biß solchen offt veränderten Personen / der Todt die Larvenkleider endlich außziehet.
Hieraus wird sonders zweiffel erhellen / wohin der Titel gegenwertigen Bůchleins absiehet; nemlich die Begebenheiten der Privat-Personen vorstellig zu machen / welchen / wie fast allen Menschen / etwas besonder-merckwůrdiges in ihrem Leben begegnet / daraus die Nachwelt eine Lehre oder Warnung zu schöpfen haben möchte / und ist der erste Theil dieser ringschätzigen Arbeit bey vielen so beliebt gewesen / daß in gar kurtzer Zeit alle Exemplarien verkaufft und solcher nun zum fünftenmahl auffgeleget worden.
Weilen nun besagter erster Theil dieses Schauplatzes mit E. Hochgr. Excell. ansehnlichen Nahmen herrlichst gezieret / und desselben Pforten mit dero uraltadelichen Wappen behänget worden; als geruhen sie gnädig dero hohe Gewonheit ferners zu erstrecken / und dieses vollständige hundert Lust- und Lehrreicher Geschichte gnädig an- und aufzunehmen; massen mich solches das unter-dienstliche Anvertrauen / welches zu E. Hochgr. Excell. angeborner Hoheit / anererbter Dapferkeit / klugen Erfahrenheit / in allen Ritterlichen Vbungen / Künsten / Sprachen / und allen viel andern hochlöblichen Tugenden / ich beharrlich setze / ungezweiffelt versicheret. Hiermit E. Hochgräfl. Excell. deß Höchsten Obschutz / mit Anerwünschung allem selbst verlangten glücklichen Ergehens /befehlend / verbleibet
Deroselben
Gehorsamer und Dienstergebener Knecht
G.P.H. unter den Hochlöblichen Fruchtbringenden genannt Der Spielende.
EPIGRAMMA Ad petantiquæ, togâ & sago Illustrissimæ RANZOVIORVM familiæ
INSIGNIA.
RANTZOVIUS
per anagramma.
VIRTUS ZONA.
Evolutio.
Fußnoten
1 videantur Genealog. Hieron. Henninges, & Ristii præfat. der Friedens-Posaune. edit Hamb. 1646.
Vorrede
Vorrede.
Der weise König Salomon in seinem Prediger am 12. Cap. vers. 12. saget: Viel Bücher machens ist kein Ende. Zielend sonders Zweiffel auff unsre letzte Zeit /von welcher wir lesen in der Weissagung Danielis am 12. vers. 4. Daß in selber viel kommen werden / unnd grossen Verstand finden. 1
In der Grundsprach stehet fůr kommen / ein Wort 2 das so viel heisst / als hurtig hin und widerlauffen /alle Winckel aussuchen / kundschafften und erforschen / allermassen solches von denen gesaget wird /welche David ausgesändet / 2. Sam. 24. v. 28. Dieses Wort hat eine gute / und dann auch eine böse Deutung; als 2. Par. 16. v. 9. wird es gebraucht von der Vorsehung und Allwissenheit Gottes: In dem Buch Job am I. Cap. v. 7. wird es von dem bösen Feinde gesagt / dz er das Land durchzogen habe. Es wird auch eben dieses Wort gebraucht von denen / die von einem Meer zum andern umlauffen / unnd deß Herrn Wort suchen / und doch nicht finden / Amos 8. vers. 12.
Wie nun dieses Wort zweydeutig / so kan auch das Wörtlein viel 3 von der Anzahl / und dem Innhalt der Bücher und derselben Verständniß erkläret werden. Nicht weniger Zweiffel verursachen folgende Wort: grossen Verstand finden 4 Dann finden nach der edlen Grundsprache so viel ist / als vermehren / hauffen /und bedeutet auch zancken / mit Worten streiten / in welcher Meinung dort der Prediger sagt / 1. Cap. am 18. vers. Wo viel Weißheit (oder Verstand) ist / da ist viel gremens / (oder streitens) das Wörtlein aber /welches hier Verstand heist / wird so wol guter Meinung / fůr eine heilsame nutzliche Wissenschafft / als böser Meinung / fůr einen falschen unnd irrigen Wahn genommen.
Aus besagtem erhellet / das der Prophet Daniel von dieser unsrer Zeit / in welcher deß Bůcherschreibens kein Ende / und das schwätzige Alter der Welt nicht ersättigen kan / weissaget; wie viel gute und böse Bücher geschrieben / und die nutzlichen und unnutzlichen Wissenschafften durch viel nichtige Streitschrifften vermehret werden sollen; in welchem man sich doch mehr deß viel Wissens / als eines guten Gewissens befleissigen werde. Die Juden geben diese Wort also: viel werden sich verwageln (erkůhnen) unnd wird sich grössen der Verstand.
Daß diese Zeit auf uns geerbet / ist aus denen allen Orten ůberfůllten Buchläden zu ersehen. Vor Jahren haben die geschriebenen Bůcher mit fast Königl. Vnkosten můssen zusammen gebracht werden / welche jetzund durch die Druckerkunst um ein Spottgeld zu erkauffen sind; und ist solche / ausser allem Zweiffel durch sonderliche Göttliche Vorsehung / biß zu diesen letzten Zeiten verborgen geblieben / in welchen das Wort Gottes ausgebreitet / und alle Kůnsten und Wissenschafften zu höherer Vollkommenheit erhaben / und mit vollem Schein an das Liecht gesetzet werden solten. Wir stehen gleichsam auff einem hohen Berg / sehen oder können zurucke in die vergangenen Zeiten sehen; beobachtende / was zuvor geschehen /und mit lang gedultiger Bemůhung ist erfunden worden: sind auch schuldig unsren Nachkommen mehr /oder ja so viel in Geist- und Weltlichen Schrifftgůtern zu hinterlassen / als wir von unsren geehrten Vorfahren ererbet haben; und solcher Gestalt soll auch deß nutzlichen Bůcherschreibens kein Ende seyn.
An meinem geringsten Ort ist der gute Vorsatz jüngst in Druck gegebener Gesprächspiele gewesen /die liebe Jugend von bösen Geschwetz / welche gute Sitten verderben / ab- und zu nutzlicher Zeitvertreibung anzufůhren. Nach dem aber besagte Spiele in VIII. Theilen zu Ende gebracht / hab ich diesen grossen Schauplatz / oder (wie H. Lutherus die Theatra genennet) das Spielhaus Lust- und Lehrreicher Geschichte / eines- vnd dann jämmerlicher Mordgeschichte anders Theils / zu Nachfolge der Tugenden /und Fliehung der Laster / zu eröffnen beginnen / unnd also einen mehrern Spielvorrath / so wol frölicher als trauriger Erzehlungen / beyschaffen wollen.
Weil nun solcher Arbeit erster Theil in L. Erzehlungen bestehend / sehr wol beliebet worden / wie in der Zuschrifft Meldung beschehen / folgen hiermit noch CL. und also zusammen CC. denen auch noch das dritte hundert mit der Zeit angefůget werden könte. Gott der Stiffter alles Guten verleihe / mit den erfreulichen Friedens-Zeiten / die nutzliche Fortsetzung aller löblichen Friedenskůnste; dessen vätterlichen Obschutz wir hiermit den Leser / und uns seiner beharrlichen Gewogenheit wolmeinend befehlen.
Fußnoten
1 Dieses ist ins gemein / und nicht von der Propheceyung allein zu verstehen / wie Conradus Grasserus in der Vorrede über das 9. Capitel Danielis f. 6. 7. 8. auß der Grundsprach erweiset / und von allen Wissenschafften / welche schrifftlich verabfasset worden /außleget.
2 וטטשי Ieschetetu, circumcursitare alacriter, omnia perimari, pervestigare, untersuchen / durchforschen.
3 םיכו
4 הכות העד
Send-Schreiben
[1] Send-Schreiben.
Den grossen Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte betreffend.
Edler und Ehrnvester.
Hochgeehrter / Großgůnstiger Herr Gevatter: Es ist E.E.E. ohne einiges Beybringen / wol bekant / daß der Mensch / wann er zu etwas gutes gelangen solle / zu demselben durch Lehrhaffte Anweisungen muß angefůhret werden. Wie E.E.E. in dero herauß gegebenen unterschiedlichen Schrifften stattlich dargethan.
Es haben aber verständige Männer allezeit darfůr gehalten; solche Lehrsame Anweisungen seyen noch viel nachdrücklicher und beweglicher / wann sie mit vorgegangenen Thaten bescheinet und gleichsam außgebildet wůrden.
Schlagen wir die Heilige Schrifft auff; so finden wir ingleichem hin und her viel von Exempeln: welche wann sie gut sind / uns zur Nachfolge; wann sie aber böß sind / vns zum Abscheu fůrgestellet werden.
So man fromm ist; bringts ewiges Lob: denn es wird beede bey Gott und den Menschen / [1] gerůhmet: wo es ist; da nimt man es zum Exempel an: sagt der redliche Jůde / Philo, in seiner Weißheit. IV. 1. 2.
Solches Trůbsal ließ Gott ůber Tobiam kommen: daß die Nachkommen ein Exempel der Gedult hätten /wie an dem heiligen Hiob: stehet in den Büchlein Sirachs / II. 12.
Der fůrnehme Schrifftgelehrte Eleasar / ein betagter / und doch sehr schöner Mann / sagte / gleich fůr seiner Marter: Ich will jetzt frölich sterben / wie es mir alten Mann wohl anstehet / und der Jugend ein gut Exempel hinter mir lassen: daß sie willig und getrost /um deß herrlichen Gesetzes willen / sterben: I.B. der Maccab. VI. 26.
Von der standhaftigen Mutter der sieben Söhne /welche sie unverzagt /wegen der Göttlichen Warheit hinrichten liesse / lesen wir in dem folgenden VI. Cap. v. 20. Es war ein grosses Wunder an der Mutter / und ist ein Exempel / das wol wehrt ist / daß mans von ihr schreibe.
Von dem freywilligen vnd reichen Allmosen der Corinthier schreibet der hochverdiente Heydenlehrer Paulus: Euer Exenpel hat viel gereitzet / II. Cor. IX. 2. von sich selber setzet er: Mir / fürnehmsten Sünder ist darum Barmhertzigkeit widerfahren: auff daß an mir fůrnemlich Jesus Christus erzeigete alle Gedult /zum Exempel denen / die an ihn glauben solten / zum ewigen Leben. Tim. I. 15. 16.
[2] Der Apostel Jacobus vermahnet die hin und her zerstreuete zwölff Geschlechte Israel: Nehmt meine liebe Brüder / zum Exempel deß Leidens und der Gedult / die Propheten / die zu euch gered haben / in dem Namen deß Herrn: V. 10.
Der liebliche Hauß-Zuchtlehrer Sirach sagt Befehlsweise / von allen solchen guten Exempel ins gemein: Sehet an die Exempel der Alten / unnd mercket sie: Wer ist jemals zu Schanden worden / der auff Gott gehoffet hat? II. 11.
Von den bösen Exempeln / sagt er also: Die sich an Huren hängen / werden wild / kriegen Motten unnd Wůrmer zu Lohn / unnd verdorren / den andern zum mercklichen Exempel XIX. 3.
Von dem hochmůtigen / und zu letzt an den liechten Galgen gehängten Haman lieset man in den Stůcken Esther / V. 23. daß er ein Exempel sey / wie Vntreu gestraffet werde.
Der wolgeprůfte Apostel Petrus schreibet; GOtt hatt die Stätte Sodoma und Gomorra zu Aschen gemacht / umgekehret und verdammt: damit ein Exempel gesetzt den Gottlosen / die hernach kommen wůrden: II. Ep. II. 6. welches der treue Judas widerholet / in seinem Sendschreiben / v. 7.
[3] Von den Hartnäckigen und unglaubigen Juden erinnert vorgedachter Paulus: So lasset uns nun Fleiß thun / einzukommen zu dieser Ruhe: auff daß nicht jemand falle in dasselbe Exempel deß Vnglaubens: Ep. an die Ebr. IV. 11.
Weil dann die Exempel / auff beeden Seiten / so einen mächtigen und kräfftigen Nachdruck haben: Als haben E.E.E. eine sehr löbliche und nůtzliche Arbeit verrichtet / in dem sie auß dem alltäglichen Menschlichen Leben / viel nachdenckliche fröliche und traurige Exempel / so sich theils zu unsrer Vätter / theils zu unsren Zeiten begeben (welche sonst gemeiniglich in Wind geschlagen werden) zusammen gesammlet / und dieselbige zu fruchtbarer Beobachtung / jetzo ans Tagelicht kommen lassen.
Ich trage keinen Zweiffel / gleich wie E.E.E. kein anders Absehen hat / dann dem Nechsten nach allen Kräfften zu dienen: Also werde es auch derselbe / mit danckbarem Nachrum / stetig erkennen: wie denn gegen E.E.E. ich mich / meines Orts / zu aller Můglichkeit / schuldigst befinde. Empfehle hiemit E.E.E. Gottes vätterlichen Obhut / zu langwirigen erwünschtem Wolergehen. Geschrieben den 21. Brachmonats 1648.
Johann Michael Dilherr
Erster Theil
Register der Geschichte des 1. Theils
Register
Der Geschichte des 1. Theils
1. Das gluckselige Almosen
[5] (I.)
Das glůckselige Almosen.
Es ist bekant / daß vorzeiten zu Rom ein Löw auf dem Schauplatz eines leibeigenen Knechtes verschonet / weil er ihm bevor einen Dornstachel auß dem Fusse gezogen Fast dergleichen Danckbarkeit soll zu Eingang dieses Schauplatzes vorgestellet werden /welche zwar von keinem grimmigen und dummen Thiere / sondern von einem Soldaten / deren Verfahren zu Zeiten viel grausammer und unmenschlicher /als der Thiere zu seyn pflegt / geleistet worden.
2. Cyran eines Kauffmans zu Poitirs Sohn / wurde von seinem Vatter / wegen Handelssachen nach Tours gesendet / und als er sich darauff hielte / begenet ihm auff eine Zeit / ein armer Soldat / und bittet um ein Christliches Almosen Cyran hatte eine natürliche Neigung zu der Wolthätigkeit / und dabe den Armen willig / und ohne Ansehen ihrer Person; weil er wuste /daß alles was wir haben / Gottes Gaben / und wann uns Gott nichts ertheilen solte / als was wir Seiner Majestät mit unser Frommkeit und Wůrdigkeit abverdienen / wir gewißlich alle würden darben und manglen müssen; ja die Allerreichesten solten solcher gestalt wol die ärmbsten Bettler werden.
3. Diesem verarmten Soldaten ware es fast ergangen / wie jener gedichter / daß die Boßheit auff ihrer Wanderschafft in einem grossen Wetter bey dem Frieden herbergen wollen / von demselben aber nicht ein gelassen worden / und nachgehends von der Frommkeit / als eine unbekante gleichfals [6] außgeschlossen; endlich aber von der Barmhertzigkeit seye auff- und angenommen worden. Also hat auch diesem Wanderer Cyrans Barmhertzigkeit und Almosen ein Obdach verschaft / als ihn sonsten wegen seines verhassten Standes und bösen Lebens niemand herbergen und hausen wollen. Cyran wolte ihm einen Stieber zuwerffen / als er aber in dem Beutel eine mehrgiltige Müntz behändiget / gedenckt er bey sich selbsten / dieses Stück ist dem armen Tropfen beschehrt / mich wird es nicht darben machen / und wirfft es also dem Soldaten auß gutem Hertzen zu / mit dem Wunsch / daß er ein bessers Handwerck / als biß anhero treiben möchte. Ob der Betler das Almosen wol / oder übel anleget /gehet den milden Geber nit an / und stehet jenem die Verantwortung / diesem die Belohnung bey GOtt bevor.
4. Der arme Soldat bedancket sich der reichen Gabe / und beklaget seinen elenden Zustand / in welchem nichts als spate Reue zu gewinnen; wünschet hingegen daß ihm GOtt die Gelegenheit / seinem Wolthäter zu dienen / widerfahren lassen wolte / welcher ihm gleichsam das Leben durch dieses Almosen geschencket. Cyran helte wol sagen mögen / wie jener Reiche / dem man für sein Almosen das ewige Leben gewünschet; sprechend; so spät es möglich ist: massen selten Glück dabey / wann einem die Soldaten dienen. Und sagt gleicher Meinung Quevedo: Ich hüte mich für der Höflichkeit deren / die mich prügeln wollen.
5. Als kurtze Zeit hernach Cyran nach Hauß raisen wollen / wird er unter Wegs / in einem kleinen Wald von dreyen Raubern angefallen: Der eine ergreifft des Pferds Zaum / die andern werffen ihn herab / und führen ihn in die djckste Büsche / nehmen ihm sein Gelt /seine Kleider / und alles was er um und an hatte. Nach dem solches geschehen / berathschlagen sie / ob sie ihn ermorden sollen? und halten die zween solches für das sicherste / weil sie sonsten von ihm verrathen /und den Schergen in die Hände fahen möchten. Probin aber war dieser / dem Cyran das Almosen gegeben / wolte [7] darein nicht willigen / sondern beredet seine Gesellen / daß sie ihn an einen Baum binden /und ihre Hände in seinem Blut nicht wachsen solten. In dem sie ihn außziehen / und anbinden / sagt Probin dem beraubten Cyran in das Ohr / er wolte zu Nacht kommen / und ihn widerum loß machen.
6. Hier hat es recht nach dem Sprichwort geheissen: Leyd und Freude sind einander zur Ehe gegeben; gestalt unschwer zu gedencken / wie betrübt Cyran in erzehltem Zustande / und wie erfreuet er gewesen / als sich Probin für den zuerkennen gegeben /welchen er kurtz zuvor mit einem milden Almosen begabet hatte. Nach dem nun die Rauber darvon / und Cyran angebunden hinterlassen / hat ihn diese Noth von Hertzen beten / und seine Hoffnung auff GOttes Barmhertzigkeit stellen lehren / welcher er sich in seinem Gewissen versichert; dieweil er auch von Probin unnd vielen andern Barmhertzigkeit gethan.
7. Als nun die düstre Schattennacht herbey kommen / hörte Cyran um sich die Wölffe erschrecklich heulen / welche ihm nicht geringe Furcht einjagten /und an den verzögerten Hülfe nach und nach zweifflen machten. Ja / er wünschte ihm vielmals den vorangedrauten Todt / damit er nur nicht von den wilden Thieren zerrissen und zerfleischet werden möchte.
8. Der Wolf ist ein grausames und zugleich ein listiges Thier / welches schwerlich zufangen / und weil es Mißtrauisch wachtsam / höret / loset / und sich wol vorsiehet / daß es auch sein Geruch nach kein Aas /sonder grosse ümbsicht / anfället; lässet sich aber leichtlich verscheuen und in Furchte bringen. Als nun besagter massen die Wölffe heulten / und die Felsen solche Stimme vervielfältiget / gedencket Cyran nicht anderst / als er seye den Raubern entkommen / und diesen mörderischen Thieren aufbehalten worden; weil er vermercket / daß sie ihm nach und nach näher kommen / und er noch entlauffen noch sich vertheidigen kunte.
9. In dem er höret Probin schreyen / und reucht einen angefeurten Lunden / welchen er / die Wölffe zu scheuen / mit genommen. Nach dem nun Cyran voll Hoffnung geantwortet / und [8] Probin zu ihm gekommen / hat er ihn loß gemacht / und mit sich auß dem Wald geführt / benebens Entschuldigung / daß er sich von seinen Gesellen nicht zeitlicher abstehlen / und gethanem Versprechen Folge leysten können.
10. Cyran war nach außgestandener Todes Furcht (wiewol auch die Furcht für sich ein Tod kan genennet werden) wol zufrieden / und konte nicht genugsame Wort finden / seine Danckbarkeit außzudrucken; nahme ihn mit sich zurucke / und bote ihm die Helfte seines Vermögens an / wann er mit ihm nach Pottiers raisen / und diese Nahrung / welche ein böses End nehmen müste / fahren lassen wolte. Probin antwortet / daß er zwar entschlossen / das Soldatenwesen zu verlassen / und sich nicht mehr von dem Raub zu ernehren willens / wie ihn zu thun die Noth eine Zeit hero gezwungen; So grossen Verlag aber / als ihm Cyrian angebotten / habe er zu seinem künfftigen Stand nicht vonnöthen; weil er endlich gesinnet eine Pilgerschafft in Welschland anzutretten / seine begangene Sünden zu bereuen / und hernach ein Einsidel- Leben zu führen.
11. Bey diesem würcklichen Danck ließ es Probin nicht verbleiben / sondern bietet Cyran seinen Antheil von dem ihm abgenommen Gelde wider dar / welches er aber nicht angenommen / und ihme hingegen noch viel ein mehrers versprochen; daß also beede mit bester Vergnügung voneinander geschieden / und Cyran ihm unverhofft einen guten Freund gemacht mit seinem Mammon. Die zween andern Gesellen Probins /sind wenig Monat hernach / durch Cyrans Pferd und Mantel erkant / und eine Höhe auffzusteigen genöthiget worden / von welcher sie mit einem Strang wider herab gefallen.
12. Die Hauptlehre dieser Geschicht hat David vermeldet in dem 41. Psalm / da er rühmet / daß GOtt die Barmhertzigen rette zu der bösen Zeit / sie erquicke auf dem Todbette / sie erhalte bey Leben / und nicht gebe in die Hände ihrer Feinde / etc. ja GOtt behält die Wolthaten / wie einen Sigelring / wie Sirach im 17. Cap. redet / in dem wir durch solche GOttes Ebenbild gleichen / und werth gehalten werden / für dem Angesicht [9] deß Höchsten. Der ist in seinem Reichthum arm / sagt jener / der sich der Armen nicht erbarmet / und wird am jüngsten Tag die Verfluchung hören müssen / weil er GOtt in seinen Gliedern nicht trauen und leihen wollen / wie Salomon meldet in Sprüchen am 19. Die Hunde / welche dem armen Latzaro die Schwären lecken / werden widerum geniessen der Brosamlein göttlicher Barmhertzigkeit.
2. Der Practicant
(II.)
Der Practicant.
Es ist kein Wunder daß man diese Leute mit keinem woldeutendem Wort in unsrer Sprache nennen kan; weil die alten Teutschen so ehrliche auffrichtige Biedermänner gewesen / daß sie von dergleichen meuchellistigen Sachwaltern und Gerichtlichen Leutbetrügern nichts gewust / und ihr Geschlecht mit den Römischen Gesetzen oder vielmehr derselben Mißbrauch eingeschlichen. Man nenne sie aber Practicanten /weil sie das unrechte Recht practiciren und außwürcken können / und ihr Leben mit ander Leute Verderben zu suchen pflegen. Ehrliche und Gewissenhaffte Rechtsgelehrte sind hierunter nicht verstanden.
2. Ein solcher Gesell war Wolffgang. Ich will nicht sagen / ob er ein Sachwalter bey Gericht / oder ein gemeiner Schriftsteller gewesen; allein war er ein Meister den Recht ein wächserne Nasen zu drehen / und selbe gar hinter die Ohren zu setzen / wann er wolte. Das Runde kunte er viereckigt / und das Viereckigt rund machen / nach dem die Sache den Beutel füllte. Darbey war er eines frölichen Gemüts / und růhmte sich seiner Bubenstücklein / als ob er einen grossen Sieg erhalten / wie auß etlichen derselben nachgehends zu verstehen seyn wird.
3. Es hatte ihm einer / welchen wir Innocent nennen wollen / etliche Fahrnissen verkaufft / und zu der Bezahlung Zeit und Ziel gesetzet: nach dem solche verflossen / knipffet Wolffgang einen Verzug an den andern / nach der bösen Zahler Gebrauch / [10] unn gibt jm zu letzt nichts mit einander. Nachdem er nū dieses Glaubigers Gedult mißbraucht / und also zureden verbraucht / wird er zu der Bezahlūg bedraulich angestrengt / und endlich bey Gericht verklagt. Wolffgang wartete seiner an diesem Ort und sagte ihm zuvor / dz dieser Haußrath sein Hauß auff fressen würde / welches aber der Glaubiger nicht glauben wolte / weil er eine gerechte Sache hatte / und einen gerechten Richter zufinden hoffte.
4. Der Practicant laugnete für die Schuld / und gabe vor / der Kläger hätte ihm solches / als ein Pfand eingesetzet / und so viel Vorlehen darauff empfangen / weil aber die bestimmte Zeit verflossen / und das Pfand vertagt / were es nunmehr sein eigen Gut. Der Kläger schreyet über diesen Betrüger Rach / unn sagt / das er solches / als ein ehrlicher Mann nit vorgeben könne / sondern die Unwarheit sage / als ein leichtfertiger / etc. Hierüber beklagt Wolffgang seinen Glaubiger / daß der ihn an seinen Ehren angegriffen / und erbiet sich mit einem Eydschwur zuerhalten / daß er lieber 300. Reichsthaler müssen / als diese Befleckung seines ehrlichen Namens leiden wolte / etc.
In so schwebendem Streite verliert Innocent seine Zeit / welche er zu seinem Gewerb anwenden sollen; er verliert seine Ruhe / in dem ihm diese Sache Tag und Nacht in dem Sinne lage; er verlierte sein Gelt /welches er seinen Sachewaltern / Anwaltern und Schreibern geben musste; er setzet seinen ehrlichen Namen in Mißtrauen / welches er auff dem Platz hatte / in merckliche Gefahr. Inzwischen wird er täglichs mit vielen Schrifften / Gegenklagen / Nebenpuncten /Zeugen verhören / Fragstücken / Versicherungs begehren / und dergleichen Händeln heimgesucht / welche ihn nicht weniger plagten / als die Frösche und Mäuse den König Pharao / und die Heuschrecken das Land / in der Offenbarung Johannis / die sich voll Taues trincken / und bey dem Sonnenschein zu singen pflegen / wie wir hören wollen.
[11] 8. Hierdurch wurde der unschuldige Innocent in äusserste Armuth gesetzt / und ist auß dem Glaubiger Wolffgangs Schuldner worden / der ihn doch darzu bedraut / nach dem er durch den Obsig Rechtens an den Bettelstab gebracht / er wolle ihn in der Gefängniß verfaulen machen. Es war aber der Unterscheid /daß Wolffgang seine Sache selbsten führen / und sonder Unkosten zancken kunte: Innocent aber muste diesen verdrießlichen Handel von seines Gegners Gesellen und Freunden teuer erhandlen / und wurde doch von ihnen verrathen und verkaufft.
Wolffgang erzehlet diese Sach seinen Trinckbrüdern durch folgende Fabel. Der Wolff / sagt er / hat von einem Aas ein Bein mit eingegessen / welches ihm in dem Halse stecken geblieben / und ihm grosse Schmertzen verursachet; rufft deßwegen dem Kranich / er solte ihm solches mit seinem langen Schnabel wider herauß ziehen / er wolte ihm redlich lohnen. Der Kranich saumet sich nicht / ziehet ihm das Beinlein herauß / und erheischet den versprochenen Lohn. Der Wolff gabe zu der Antwort / er solte seinen Lohn seyn lassen / daß er sich rühmen könte / er hette seinen Kopff in deß Wolffs Rachen gesteckt / und unverletzt herauß gezogen. Er wolte zuverstehen geben /daß die / so sich an seines gleichen Partitenmacher reiben / von Glück zu sagen / wann sie mit dem Leben darvon kommen / und sich nit gar zu todt gremen.
8. Ein Kärner führte Wolffgang auff eine Zeit etljche Fässer Wein nach Hauß / welche er gekaufft /und erheischte seinen Lohn. Wolffgang gabe ihme zu trincken / vermeinend / daß er damit bezahlt seyn solte; der Kärner aber will das Gelt haben welches er ihme versprochen: Wolffgang lachet seiner und hält ihn hönisch / wie dergleichen Federfechter zu thun pflegen. Der Karnmann fängt an / nach löblichem Gebrauch solcher Leute / schröcklich zu fluchen / und den Herrn Wolffgang zu schelten / der alsbald die darbey stehende zu Zeugen anschreyet / und darüber den Kärner Gerichtlich beklagt / daß ihm die Rechtfertigung Wagen und Pferde verschlingt. Nach lang verlauffener Zeit / wird der Kärner zu Kirchenbuß /[12] Wideruffung der Scheltwort / Abtrag der Schäden /und noch um eine Summa Gelts gestrafft / daß der arme Tropff darüber entlauffen müssen.
9. Dieses Siegs rühmte er sich bey seines gleichen mit folgendem Gedichte. Einem Wolff wurde auff eine Zeit von den Hunden hart zu gesetzet / daß er verwundet / und dem Raub nicht mehr nachgehen kunte. Als er nun eine Gemse von ferne siehet / bittet er sie / sie wolle ihme doch zu trincken holen / und ihn darmit laben. Die Gemse bringet ihm das Wasser / und fragte / wo er wolle zu essen darzunehmen. Der Wolff ergriffe die Gemse / und speisset sich darmit. Also wolt er sagen / ich hab den verschlungen / welcher mir zu trincken gebracht.
10. Dieser Wolffgang hatte ein Landgut zu sich gerafft / und als ihm ein Bauer in der Nachbarschafft nicht fronen wollen / hat er sich mit dergleichen Rechtshändel bald gerächet. Er stellte also einen andern an / der bey Gericht einen Schein vorzeigte / wie ihm jener 6. Metzen Korn geliehen / und nun darfür zu laugnen nicht errötete. Der Bauer sahe daß Wolffgang die Hand mit in dem Spiel hatte / und die Sach führte / liesse ihm den Schein vorlesen / und als er hörte / daß solcher nur auff 6. Metzen lautete / danckt er GOTT daß die Summa nicht grösser / und erbotte sich alsobald zu der Bezahlung / wiewol er nichts schuldig. Ist also noch am besten darvon kommen.
11. Dieses erzehlte er seinen Gesellen in folgender Fabel. Das Rehe / sagte er / heischte etliche Metzen vorgeliehenes Korn von der Geise / in Gegenwart deß Wolffs. Die Geiß gestehet der Schuld / wiewol gantz unschuldig / und bittet Zeit zu der Bezahlung. Als die erstimmte Zeit herbey kommet / erbietet sie sich solches Getreid in deß Wolffs Gegenwart zu entrichten /wol wissend / daß der Wolff wegen seines Raubens und Stehlens für Gerichte nicht erscheinen dörffte, für deß Wolffs Richterstul aber würde das Getreid sonder Fleisch nicht verzehret werden.
12. Dieser Wolffgang verlachte die Edelleute / weil sie [13] viel Mittel das Gelt zu verzehren / aber keine dasselbe zugewinnen hätten. Die Bauren / sagt er / sind ihre Unterthanen / der Edelleute aber sind der Schreiber ihre Bauren. Meine Feder trägt mir mehr Gelt und Zins / sagt er / als die fruchtbarsten Felder und Wiesen. Hierüber erzehlt ihm einer vom Adel folgendes Lehrgedicht / weil er wuste / daß er sich damit belustigte. Der Adler rühmte sich auff eine Zeit / daß er der schönste unter allen Vögeln were / und keiner durffte ihm / aus Furcht widersprechen; sondern mussten ja sagen / oder stillschweigen. Der Pfau aber sagte / ja / dz der Adler aller Vögel König / und der schönste / wann man seinen krummen Schnabel und eingreiffliche Klauen betrachtete. Wolffgang verstunde wol was der Edelmann meinte / und erzehlet folgendes aus Heil. Schrifft.
12. Die Baumen versammleten sich / einen König unter ihnen zuwehlen / und es wolte noch der Oelbaum / noch der Weinstock die königliche Hoheit annehmen / sondern der Dornbusch / welcher sich mit vielen Blühten brüstet / aber kein nutzlich Frucht noch schattige Blätter bringet / nahm das Königreich an: es gienge aber Feuer auß dem Dornbusch / und verzehrte die andern Bäumen. Er wolte sagen / daß seine stachlichte Dornreiche Schreiberey Feuer unter den Edelleuten anrichtete / und selbe verzehrte.
14. Nachdem nun Wolffgang sich angefült / mit dem Raub seiner Nachbarschafft / hat er unter andern zween vom Adel aneinander gehetzt / und den Kläger in grosse Weitläuffigkeit geführet. Diese beede werden endlich durch fridliebende Leute vereiniget / und sehen wie sie von diesen Wölffen / als die einfältigen Schaffe gezwacket waren worden; entschliessen sich deßwegen seinen Betrug und vielfältige Bubenstücklein angebührigen Orten anzumelden / jn aber durch ihre Laqueyen persönlich brügeln zu lassen. Welches beydes zu Wolffgangs höchster Beschimpffung erfolget / daß er darüber erkranckte / und auß Unmuth jämmerliches Todes gestorben.
[14] 15. Dieses erinnert mich der Fabel von zweyen Hunden / welche sich miteinander gebissen / als sie aber den Wolff kommen sehen / haben sie sich vereinigt / und denselben zugleich angefallen. Die Erfindung solcher Lehrgedichte ist ein Theil unsrer Gespräch-Spiele / wie zu lesen in dem CCLXXXI. Die Hauptlehr ist / daß man sich für Gewinn- und Zancksichtigen Leuten hůten soll / welche unter dem Mantel der Gerechtigkeit viel Ungerechtigkeit zu üben pflegen. Wer Pech anrührt / besudelt die Hände; wie der /so mit diesen Widerrechtlichen Dientenschmierern rechtlich zu thū hat / sein Gewissen beflecket.
3. Die ungleichen Ehegatten
(III.)
Die ungleichen Ehegatten.
Es möchte jemand gedencken / daß ersterzehlte Geschichte vielmehr unter die traurigen / als frölichen zu rechnen / weil Wolffgang ein böses Leben geführet /und nicht wol gutes Ende nehmen mögen. Wann man aber im Gegensatz die vereinigten Edeleute betrachtet / und daß das gantze Land dieses reissenden Unthiers entleidiget worden / muß man bekennen / daß in diesem wie vielen folgenden Fällen die Guten mit den Bösen / und das Glück mit dem Unglücke vermischet ist. Jener wolte behaupten / daß die Comet- oder geschwäntzte Sterne allezeit gutes bedeuten / nemlich den Obsieg eines / oder deß andern Theils: also ist selten ein Geschicht / da es nicht etlichen wol / und etlichen übel ergehet / wie auch folgende zu vernehmen geben wird.
2. Gordia / eine reiche adeliche Wittib / lage in einer benamten Statt in Franckreich kranck an der Wassersucht. Sie ersparte nichts / was zu Verlängerung jhres Lebens diente / unn war sie mit Aertzten /Barbierern / Apotheckern und Warterinnen umgeben /welche sich von jhrem Vberfluß zu bereichern verhofften / vnd nicht weniger mit der unersättlichen Geltsucht / als Gordia mit der Wassersucht / behafftet waren.
[15] 5. Unter andern fande sich zu dieser Krancken ein Chymist / benant Rigobert / welcher seine Kunst in einer Zahnbrechers Büchsen meisterlich zu marck brachte / und die krancke Gordian beschwätzte / daß sie die andern alle abschaffete / und sich seinen Verordnungen allein vertraute / massen viel Köche den Brey versaltzen / und viel Artzte zum Grab beförderen.
4. Gordia befande sich nach und nach von dem schweren Wasserfluß entlastet / und bey solcher Genesung / daß sie nicht weiß / welcher gestalt sie seinen Fleiß danckbarlich vergelten und erkennen solte. Sie hette gerne mit dem alten Tobia gesagt: Wann ich dir die Helffte meiner Güter gebe / so were es nicht genug für deine Wolthat. Mit solchen Worten aber hat sie zurucke gehalten / weil sie den Artzt für einen solchen Engel angesehen / der das erbieten nicht außgeschlagen.
5. Gordia hatte vier Kinder / zween Söhne und zwo Töchter / deren ein Sohn und Tochter in den Geistlichen Stande versorget / der ander Sohn und Tochter aber solten weltlich bleiben / und den Gütern vorstehen. Richobert hatte einen einigen Sohn / Namens Philorme / welchen er zu dem studieren aufferzogen /und zu einem Rechtsgelehrten machen wollen. Diesen gedachte er wol anzubringen / und ihn mit Ausbertin /der Gordia Tochter zu verheuraten; allermassen er ihr zu verstehen gegeben / daß ihre Kranckheit noch nicht geendet; sondern die Zweige von diesen bösen Stammen vermittelst der Artzney abgekürtzet / die Wurtzel aber noch nicht völlig außgerissen.
6. Es ist weltkündig / daß in Franckreich die Aemter und Ehrenstelle teuer verkauffet werden / und ob sie wol nur darzu tüchtigen Personen gedeyen solten /so findet sich leider mehrmals das Widerspiel / und wie der Prediger redet / daß auch Narren sitzen in grossen Würden / Knechte (dem Verstand nach) auf Rössen reiten / und Fürsten (mit fürstlichem Gemüt begabte) zu Fusse gehen / wie Knechte. Also verhoffte Richobert mit dem erheuratem Gelt ein solches Amt zu kauffen / von welchem sein Sohn die Zinsse doppelt benützen könte.
[16] 7. Gordia liesse ihr diese Heurat wol gefallen / und verhofte ihren Artzt mit solchem fahrenden Haab zubezahlen / welches keiner sonder einen schweren Beutel zu der Mitgabe anzunehmen pfleget / und befahle ihrer Tochter / sie solte sich gegen diesem jungen Advocaten freundlich bezeugen / und als ihren künfftigen Hochzeiter ehren. Ausbertin aber wolte dieses Neulings keine Gunst haben / und hatte sich bereit an einen andern tapfern Edelmann ergeben / der sie nach ihrer Mutter Tod ehelichen solte.
8. Gordia war in diesem Fall nicht zuverdencken /daß sie ihren Artzt durch solche Heurat ihr mehr und mehr zu verbinden gehoffet / und erinnere ich mich hierbey / daß König Ludwig der eilffte dieses Namens in Franckreich seinen Artzten und Barbieren nicht nur seinen Leib / sondern auch die höchsten Aembter seines Königreichs zu verwalten anvertrauet; deß ungezweifelten Versehens / sie solten solches dankbarlich erkennen / welches aber schlechtlich beschehen / und hette solche Ehe den Tod Gordia vielleicht befördert /damit das Gütlein dem Artzt unnd seinem Sohn in die Hände gefallen were; wann die Heurath besagter massen ihren Fortgang gewonnen.
9. Harduin der Außbertin Buler / bemühte sich den junge Schrifftling auß dem Sattel zu heben / und riehte seiner Liebsten / sie solte ihrer Mutter zu Gemüte führen / daß sie keine leibeigene Magd were / welche man an statt der Bezahlung dem Artzt übergeben möchte; sie solte ihm seinen Sold mit Gelt und nicht mit ihren Kindern bezahlen / etc. Er aber an seinem Ort wolte der Sache auch Rath zu schaffen wissen.
10. Harduin war ein Soldat / unnd führte auff eine Zeit Philorme für die Statt spatzieren / mit ihme wegen Ausbertin zu sprechen / sagend; welcher gestalt er von vielen Jahren hero dieser Jungfrauen aufwarte / und ihrer Gegeliebe versichert were / deßwegen wolte er ihn bitten / daß er darvon abstehen / unn sich anderweits bewerben solte / Philorme antwortete darauf / wie er von Gordia Verlaub und Versprechen /daß diese ihre Tochter ihm solte beygeleget werden /unnd daß Ausbertin [17] schuldig ihrer Frau Mutter zu gehorsamen nach den Gesetzen / welche in Geistlichen unnd weltlichen Rechten solches vermöchten und haben wolten; deßwegen er auch nicht zu weichen gewillet / etc.
11. Harduin versetzet hierauf mit der Hand /schlägt den Legisten zu Boden / tritt ihn mit Füssen /und haut ihm den flachen Degen etlichmals über das Haubt / daß Rigobert sattsame Ursachen / Harduin wegen verübten Frevels zubeklagen / und seinen Sohn von zugefügten Wunden zu heilen. Unter schwebenden Recht begegnet Harduin Rigobert selbsten / und wird von ihm den Sohn gleich gehalten / und viel gefährlicher verwundet; Hierüber führet er eine neue Klag / und bittet diesen Edelmann in Verhafft zunehmen / kan es aber nicht erhalten.
12. Als einst Philorme bey Nacht seiner vermeinten Hochzeiterin eine Music brachte / begegnet ihm Harduin widerum / und gibt ihm einen tödlichen Stich /daß man ihn wenig Tage hernach zu Grabe getragen. Ausbertin erlangte auch endlich von Gordia die Einwilligung / daß sie sich mit Harduin trauen lassen /als welcher sie von einem beschwerlichen Menschen erlöset / und sie zu Lohne besser verdienet / als der Artzt / so ihrer Mutter der Wassersucht abgeholffen.
13. Die Lehr wollen wir in folgende Fabel setzen. Ein Löw bate den Ratzen / er solte den Strick / an welchen er gebunden / abnagen / er wolte ihm zu Lohn geben / was er begehren würde. Der Ratz thut es / und heischet deß Löwen Tochter zur Ehe / verhoffend mit dieser Königlichen Heurath zu hohen Ehren zu kommen. Der großmütige Löw williget in sein Begehren / damit man ihn keiner Undanckbarkeit beschuldigen könne. Als nun die Hochzeit herbey kommen / legte die Löwin seine Patte ungefähr auf den Ratzen / und zertrückte ihn: Also erlangte die Heurath ihre Endschaft. Ausbertin war eine Adeliche Jungfrau / unn Philorme einer vō der Federn / d'ohne diese Bulschaft länger hätte leben können. Der Poet sagt dieser Meinung:
Wer sucht zu freyen sonder Weh /
Nehm seines gleichen zu der Eh.
4. Der weise Mohr
(IV.)
Der weise Mohr.
Es ist nichts über Buhler List / sagt das alte Sprichwort. Der Můssiggang macht sie Tag und Nacht sinnen / wie sie zu ihrem Verlangen gelangen können /und ist Jungfrauen hüten / ein vergebliche Arbeit /dann es hülfft nicht / oder es bedarff es nicht: daß also jene zu Anfang deß dritten Theils der Gesprächspiele recht gesungen.
Umbsonst ist all' Hut und Wacht
Néhm ich mich nicht selbst in Acht.
Daß diesem also / wird auch nachgesetzte Erzehlung beglauben / so sich in Hispania zu Xeres / einer Statt in Andalusia begeben.
2. In erstbesagter Statt / zwo Meilen von der Baya de Cadis gegen Africa / oder dem Morenland über gelegen / wohnte ein Rittersmann / Namens Mantica /welcher vermählet war mit einer Tugendsamen Frauen / daß er nicht Ursach hatte / ihre Keuschheit in bösen Verdacht zu ziehen / doch hielte er darvor / daß solche gleich einem köstlichen Balsam in einem Kristallinen und leichtgebrechlichen Gefäse / welche sich am besten verwahren liesse / wann man nicht daran stiesse. Er glaubte kaumlich seinen Augen und seinen Schlüsseln / mit welchen er sich versperrte / noch viel weniger vertraute er seinen Dienern / sondern erkauffte leibeigene Mohren / welche die Sprache nicht verstunden damit sie seiner Gemahlin keine Mähre hin und wider tragen möchten.
3. Mit dieser schönen Gefangenen zeugte er etliche Kinder / welche doch alle gleich den Früchten / so von der Sonnen nicht bescheinet werden / unzeitig abfiehlen / und in ihrer Blüte dahin sturben: ausser einer Tochter / die in dem Schatten gleichsam auferzogen /und wegen ihrer weisen Zärtlichkeit / mit dem Helffenbein / mit der Milch und dem Schnee kunte [19] verglichen werden. Nach ihrer Mutter Todt wurde sie von Mantica gleichsam in einer Gefangschafft gehalten /und keiner andern Weibsperson anvertrauet / weil er solches Geschlecht durchgehender Untreue beschuldigte.
2. Ob nun Mantica seiner Tochter von d'Keuschheit / Einsamkeit und Erhaltung ihrer Ehre geprediget / ist leichtlich zu erachten. Die Mohren mussten ihre Hüter seyn / und solche verkauffte und vertauschte er alle Monat / damit sie die Sprache nicht lernen / und ihr als stumme Leute Speiß und Tranck bringen solten. Sie musste aber doch zu Zeiten in die Kirchen gehen /und Messe hören / welches benebens ihrem Vatter geschehen / und zwar unter vielen Schleyern / daß sie schwerlich gesehen werden mögen.
5. Je mehr eine Sache verbotten / je mehr Lust wird zu derselben gleichsam gebotten: je tieffer das Gold in der Erden verborgen / je emsiger trachtet man darnach: je tieffer die Perlen unter dem Wasser liegen / je mehr Werth misset man denselben bey. Charite war in ihrem Schloß verschlossen / und wuste doch jederman von ihrer Schönheit zu sagen / und mehrte solches das flüchtige Lobgericht / als eine Sache / welche man so selten schauen könte / als den Schatz zu Venedig.
6. Eufranor und Inigo waren die ersten Buhler /welche sich umb Charitte anmeldeten / deren dieser reich / und vermeinet Mantica eine grosse Ehre zu thun / in dem er seine Tochter begehrte: jener aber war ein armer Edelmann / musste von ferne stehen /und durffte seine Augen so hoch nicht auffheben. Inigo bringt seine Werbung mit stoltzen Worten vor /daß Mantica ein grosses Mißfallen / in dem er der Jungfer aufwarten / aber zugleich auch ihrem Vatter Gesetze vorschreiben wollen; Deßwegen er auch schlecht gehalten / und fast abgewiesen worden.
7. Eufranor hingegen erweiset seine Demuth und Ehrerbietung / so offt ihm Mantica mit seiner Tochter zu Gesicht kommet / und trachtet nach Gelegenheit /mit Charite zu reden / welche er auff keine Weise finden können. Nach langem Bedencken macht er Kundschafft mit einem von den Mohren / [20] die ihr zu Dienern bestellet waren / und erhandelt durch eine gute Verehrung die Gelegenheit / daß er an sie schreiben und das Brieflein durch Salameles den erkaufften Mohren / überbringen kan / darauff erhält er gute Vertröstung.
8. Nach dem er nun der Sache solcher gestalt einen erwünschten anfang gemacht / lässet er bey Mantica um Charite anwerben / da bekommt er runde Neinwort / weil unter Inigo und seinem Reichtum keine Gleichheit; hingegen aber gedacht er diese seine einige Tochter Hirtan / einem reichern Herrn zu geben /welcher bereit sich in Handlung hatte eingelassen. Diese nun zu hindertreiben und zu unterbrechen / erdachte Inigo folgende List.
9. Er zoge Salameles / deß vorberůhrten Mohren Kleider an / schwärtzte sein Angesicht / und seine Hände / und kommet also in das Schloß zu der schönen Charite / und spricht ihr mit solchen Worten zu /daß sie ihn zu lieben / seinen Seitenbuler aber zu hassen beginnet. Nach genommenem Bedacht entschleusst sie sich auß der Gefängniß zu entfliehen /allermassen nach wenig Tagen zu wercke gerichtet worden / und weil Salameles mit der Jungfer gemisset worden / konte Mantica keinen andern Gedancken schöpfen / daß dieser schwartze Mohr Urheber solcher That / und wuste nichts von dem weisen Mohren / der den Streich gethan. Jederman lachte dieses betrübten und beraubten Vatters / daß er den pechschwartzen und Nachtfarben Gesellen mehr vertrauet /als den Christlichen Dienern.
10. Eufranor meldet sich bey Mantica an / und verspricht die Charite zu suchen und wider zu stellen /wann ihm Mantica selbe zum Weibe versprechen würde. Inigo und Hirtan nahmen ihr Begehren widerum zurucke / weil sie hörten / daß Charite von einem Mohren entführet / und sonders Zweiffel geschwächet worden were. Dieses machte Eufranors Sache gut /und ergreifft Mantica die Gelegenheit / welche ihm zu Rettung seiner und Charite Ehe angebotten würde.
11. Nachdem nun Eufranor das Versprechen erhalten / [21] wuste er bereit / wo Theogene sein Bruder sich mit Charite auffhielte: eilte deßwegen sie widerum zurucke zu führen / und den Mohren frey zu lassen.
12. Solcher Gestalt hat der listige Eufranor diese Gefangene auß der Gefangschafft mit ehelicher verbindniß erlösst / und erhalten was er sonsten nicht bekommen mögen. Nach Verfliessung 9 Monat wird Charite ihrer weiblichen Bürde entbunden / und bringt einen Mohren zur Welt / deßwegen Mantica nochmals in seiner Meinung bestärcket worden / daß Eufranor / der weisse Mohr / nicht Vatter darzu / welcher wol wuste / daß solches von der Einbildung der um sie gewesenen schwartzen Gesellen herkommen können; deßwegen er sie dann entschuldiget und sei nem Schwervatter die begangene Liebslist eröffnet /welcher ihm gewünschet / dz er fort und fort mit seiner Tochter Mohren zeugen möchte / wie auch erfolget / und ob sich zwar Mantica den Wunsch reuen lassen / hat er doch keine andere Enenckelein gesehen: als Mohren / so lang er gelebet.
13. Die Lehre kan seyn / daß man der Jugend nicht zu viel / und auch nicht zu wenig Freyheit lassen soll; und gleich wie man den Pferden den Zaum nicht zu lang muß schiessen lassen / noch zu hoch tragen /sondern gleich halten; so soll man auch die Kinder aufferziehen / daß sie nicht scheu werden. Die grosse Freyheit der Weibsbilder in Franckreich bringt so manches Unheil / als ihre Versperrung in Welschland. Jungfrauen / sagte jener / sind wie das Quecksilber /jemehr man sie innen halten will / je mehr sie auslauffen / und ist es nicht vonnöthen / oder es bedarffs nicht.
14. Es kan auch allhier der Eltern Fluch bemercket werden; und gleich wie die Mütter durch die Einbildung ihren Kindern Zeichen anhängen können; so kan auch der Vätter Fluch sie in nicht mindres Unheil stürtzen / wann sie gleichsam / als die Götter ihrer Kinder / Strahlen auß ihrem Munde wider sie schissen lassen. Der Mutter Segen bauet den Kindern Häuser /aber deß Vatters Fluch reisset sie wider ein.
5. Die Jungfrauen Rauber
[22] (V.)
Die Jungfrauen Rauber.
Wie die Gerechtigkeit zwo Waagschalen hat / nemlich die Redlichkeit und Mildigkeit; also hat die Ungerechtigkeit List und Gewalt / kan jene die Sache nicht erheben / so muß dieses Gewicht eingeleget werden / das alles überträgt. Wo der Fuchsbalg nicht dienet / da muß man die Löwenhaut gebrauchen. Ein Exempel der verliebten Listigkeit hat der weise Mohr erwiesen; deß Gewalts Beyspiel wird auß nachfolgender Erzehlung zu vernehmen seyn.
2. Graf von Albedeliste / ein vornehmer Spanischer Herr / wurde von dem Hof zu Madrid / als Königlicher Statthalter in die Insulen Baleares / welche das Königreich Majorca genennet werden / abgefertiget. Dieser Herr war ein Schutzhalter und rühmlicher Beförderer der Gerechtigkeit / und den groben Bewohnern ernannter Insulen sehr scharff / wie auch ihre übermachte Laster harter Bestraffung vonnöthen hatten. So bald er nun diese hohe Verwaltung angetretten / läst er das Herrnlose Gesindlein zusammen treiben /und nach Befindung ihres Wandels / miesten Theils auf die Galeren schmitten. Unter andern aber hat er ein sonderliches rechtmässiges Urtheil gefället / in nachgehender Begebenheit.
3. Zween vom Adel / Alfrede und Henrichmond /hatten eine vertreuliche Kundschafft und Gesellschafft miteinander: Ich sage Kundschafft / dann die sich verkuppeln mit Stricken und Ungerechtigkeit / böses zu thun / können keine Freunde genennet werden / die allein die Tugendliebe verbindet. Alfrede hatte seine bulerische oder vielmehr lüstrende Schalcksaugen auf Iliriam eine schöne Jungfrau geworffen / und war solches seinem Gesellschaffter unverborgen / welcher ihm alle möglichste Hülffleistung versprochen.
[23] 4. Albanio / der Jungfrauen Vatter / hatte Iliriam in behutsamer Aufsicht / und eiferte sehr ob ihrer Zucht /wie bey den Hispaniern der Gebrauch ist. Alfrede wolte wol einen Buhler / aber keinen Freyer geben /und konte kein Mittel ersinnen / sein bößliches Vorhaben außzuwürcken. Er streicht um das Hauß herum / aber Iliria erscheinet nicht an dem Fenster / noch in der Kirchen / noch weniger in Gesellschaft.
5. Der guldene Haubtschlüssel / sagt man / sperrt alle Thüren: Diese wolt Alfrede auch versuchen / und zwar durch eine alte Vettel / welche versprache Iliriam in deß Alfrede Hände zuliefern / nach dem nemlich die ihren mit Ducaten gefüllet worden. Der Jungfrauen Sinn konte sie zwar keines wegs von der Tugend wendig machen / aber doch hat sie solche in einen Garten zu kommen beredet / von dar sie mit Gewalt entführet werden können / wie dann auch nachgehends beschehen / und sie / uneracht alles Widerstands / in Henrichmonds Schloß / welches er auf einem Berg in der Insul Minorica hatte / gebracht worden.
6. Wie man eilet über einen unflätigen Weg zu gehen / so will ich auch eilen mit wenig Worten zu sagen daß Iliria von Alfrede Henrichmond / mit Gewalt ist genothzüchtiget / und am Leib geschändet worden / wiewol sie in ihrem Hertzen und Willen unbefleckt geblieben. Ihre Traurigkeit war ohne Trost /weil solches nicht von einem sondern von allen beyden geschehen / daß also diese Schand durch keine Verehlichung ausgelöschet werden kunte. Und hörte dieser Frevler an statt der Liebswort / alle die Schmähung / welche ein ergrimmtes Weibsbild in dergleichem Falle außstossen kan.
7. Inzwischen gibt GOtt / der ein Rächer ist solcher viehischen / ja mehr als viehischen Unthaten / Albanio in den Sinn / daß er den begangenen Fall dem Königlichen Statthalter anmeldet / und um gnädige Handbietung / in Underthänigkeit ansuchet. Er hatte auch in sichere Kundschafft gebracht / daß Iliria in Minoricam auf Henrichmonds Schloß geführet worden; deßwegen alsobalden die Schergen mit etlichen Soldaten dahin abgeschicket / so die Jungfrau mit ihren Raubern [24] in Verhafft gebracht / und für den Grafen zur Verantwortung gestellet.
8. Der Graf machet diesen Ausspruch / daß einer unter ihnen Iliriam freyen / der ander aber sie / ihrem Stande nach / außsteuren solte. Beede erbieten sich zu der Außsteuer / aber keiner will die Geschwächte freyen. So müßt ihr beyde sterben / sagt der Graf / und alle eure Güter sollen ihr eine Decke seyn Hierüber verstummten beede / und war dieses endlich die Gnade / daß sie losen musten welcher das Leben lassen solte; der andre muste sie freyen / und Iliria deß verstorbenen Güter zu einer Aussteuer haben.
9. Hier setzte man dieser Gesellen vermeinte Freundschaft auff die Prob; beede wurden feig /wegen deß bösen Gewissens. Henrichmond erzehlet zu seiner Entschuldigung / wie Alfrede der Urheber /und allein verliebt gewesen / dem er vergeblich abgewehret. Alfrede hingegen erzehlte / wie die Missethat Rathgeber unnd Thäter Henrichmond gewesen / ohn welches Schloß und Behausung alles verblieben were / etc. Deßwegen er dann Iliriam heurathen solte / er aber wolte sie aussteuren.
10. Der Graf beharrt sein ausgesprochenes Urtheil /daß nemlich der / so sie außsteuren würde / sterben müste. Als sie dieses hörten / wolten sie beede Iliriam freyen / aber vergebens / sie müsten um den Tod würffeln / unnd hatte Alfrede die geringste Schantz /deßwegen ihm folgenden Tages das Haubt für die Füse geleget wurde / und seine Güter der Iliria zuerkant. Henrichmond aber hat die Geschwächte willig gefreyet / und sich über dieser Heurat nicht wenig erfreuet / weil er Zeit noch keinen Lust zu sterben hatte.
15. Der Königl. Statthalter hat ihm auch ernstlich anbefohlen / er solte Iliriam also halten / daß sie über ihn zu klagen nicht Ursach haben möchte; auf welchen Fall er ihn mit gleicher Straffe / als Alfrede anzusehen / nicht unterlassen würde. Dieses Gebotts hette er aber nicht bedürfft / weil Iliria sahe / daß sie andrer Gestalt nicht wider zu Ehren kommen mögen /hat sie sich gegen Henrichmond so huldreich erwiesen / daß sie in einer friedlichen Ehe ihr Leben zugebracht.
[25] 12. Jederman lobt deß Grafen Ausspruch / wie dorten Salomons Urtheil / welches er unter den zweyen Weibern / die umb das lebendige Kind gezancket / gefället / massen Alfrede gleichwol der Jungfrau-Rauber gewesen / und mehr / als Henrichmond gesündiget /und hat dieses Gerücht den in Wollüsten fast ersoffenem Adel / eine grosse Furcht verursachet. Es ist auch hierauß zu erlernen / wie GOtt die mit Unrecht betrübten / wider erfreuen / und ihnen Recht verschaffen kan / ob es wol vor Menschlichen Augen das Ansehen / als ob alle Hülffe verlohren were. Selig ist der alle seine Hoffnung auf diesen Helffer setzet.
6. Die obsiegende Einfalt
(VI.)
Die obsiegende Einfalt.
Der Liste und dem Gewalt wird mit Fug entgegen gesetzet die Einfalt / welche den Kindern zugeschrieben unnd mit der Tauben verglichen wird; da man hingegen die List der Nachteulen / und den Gewalt dem Adler / Sperber und Raubvögeln zueignet. Diese Tauben-Einfalt soll mit der Schlangen Klugheit verbunden seyn / das ist: die Redlichkeit soll fürsichtig wandlen / weil die betrügliche Welt aller Orten ihre Fallstricke gelegt hat / und der blinden Einfalt meuchelartig nachzustellen pfleget / allermassen aus nachgesetzter lustiger Erzehlung zu betrachten seyn wird.
2. Zu Bergamo / einer benamten Statt in der Lambardia / wohnte eine Wirth oder Gastgeb / welcher den Ruhm hatte / daß er ein redlicher und einfältiger Mann were: allermassen die Landsart mehr von den Teutschen / als andrer Italianer Sitten mit sich bringet / und hingegen die Genueser / ihre Ehre in dem Betrug zu suchen pflegen. Isidorus / der Wirt / hatte unter andern Gästen einen Soldaten / (welchen wir Hermetem nennen wollen) von Genua / ohne Sold und Dienst / der doch einen als den andern Weg wol essen / genug trincken / und nicht übel schlaffen wolte.
3. Nach dem dieser Hermes etlichmals seine Mahlzeiten [26] geborget / etlichmals bezahlet / und ihm also ein Vertrauen gemachet / bezeichnet er seine Schuld für jede Mahlzeit mit dem Dolchen an die Thür / und solches thäte er vielmahl / daß der Stiche nicht wenig / und mit der Schuldforderung überein stimmten. Der Wirt erheischet sein Gelt / der Soldat ziehet ihn von einem Tage zu dem andern auff / und zahlt nichts miteinander.
4. Nach dem endlich Hermes deß Isidori Gedult verzehret / beklagt er jn für dem Stattrichter / welcher allezeit ein Venetianischer Edelmann ist / und bittet den Soldaten zu Abstattung seiner Zehrung anzustrengen. Hermes läugnet für die Schuld / und sagt / daß er bey dem Wirt zwar gezehret; aber jedesmals bezahlt /und würde Isidorus ihm / als einen Fremden und Soldaten so viel nicht hinauff geborgt haben: Der Richter fragt: wie der Wirt sein Schuld erweisen wolle? Er antwortet: Mit des Schuldners eigenhändiger Verschreibung. Hermes versetzt / daß er die Schuld hundertfach bezahlen wolle / wann Isidorus einen Buchstab von seiner Hand vorweisen würde; massen ihm wol wissend / daß noch er schreiben / noch der Kläger lesen könne.
5. Der Richter befihlt / er solt die Schuldverschreibung vorzeigen / und also den Beklagten überweisen /wann er nit wolte sachfällig werden. Isidor bittet kurtze Zeit solche zu holen und eilet nach Hauß / hebt die Thür auß ihren Anglen / und bringt sie für den Richter / sagend; dieses ist deß Soldaten Schuldverschreibung / diese etliche Zeile hat er mit seiner eissern Federn geschrieben / welche er hierzugegen an der Seiten trägt / auf den Stillet deutend: so viel der Stich /so viel Mahlzeiten ist er mir schuldig.
6. Der Richter ziehet deß Soldaten Stillet auß der Scheiden / und probiret / ob die Löchlein mit eben diesem Eisen gemacht worden / nach befindung der Warheit / welche er zugleich in deß Klägers einfältigem Angesicht gelesen / achtet er diesen Beweiß für genugsam / und legt dem Soldaten die Bezahlung auff. Hermes findet einen Freund / der ihm so viel Gelt / als er schuldig / leihet / und bezalet den Wirt völlig.
[27] 7. Nach diesem fast lächerlichem Handel sucht er wider Kundschafft zu Isidor / und zehret ferner bey jm als ob dieses alles nicht were vor gangen. Damit er aber die Schuld-Verschreibung nicht wider für den Richter bringen könne / zeichnet er die Zechen mit dem Dolchen in die Mauren / und als sich die Schuld gehäuffet / läugnet er abermals dafür / und wird deßwegen wider beklaget.
8. Wer einmal betrogen hat / der ist verdächtig /wann er redlich handelt / und wer zu lügen pflegt /dem glaubet man auch die Warheit nicht. Der Richter kante nun diesen leichtfertigen Gesellen / und glaubte leichtlich / daß er eine neue List ausgesonnen. Der Wirth sagte / daß die Schuldbekantniß über diese letzte Post verschlossen were / und mit Oberherrlichen Insiegel verwahret / wolte aber der Richter gnädigen Befehl ertheilen / daß jemand von Gerichtswegen das Siegel eröffnen möchte / so wolte er die Schuldverbrieffung sehen lassen.
9. Der Richter war ein frölicher Mann / und wolte selbst mit gehen / und sehen wie die Sache beschaffen / fande auch daß mit eben dieser eisern Federn / auff die Mauren / wie zuvor auff das Holtz / die Schuld geschriben; deßwegen dann Hermes zu der Bezahlung beurtheilt worden / und dieweil er nicht wolte in die Gefängnuß gehen / musste er seinen Mantel / Degen und andres Gerätlein / welches auff gut Soldatisch sehr leicht / verkauffen / und den Wirt befriedigen.
10. Nachdem er nun durch diesen Wirt in einen armen Zustand gesetzet worden / ersinnet er eine Gegenklag / und sagt / daß Isidor 1. einen Platz demantelieret / der ihm zuständig / und von grosser Wichtigkeit gewesen. 2. daß er ihn schmertzlich verwundet. 3. daß er ihn seines Gewehrs beraubt. Der Richter wolte diese Rähtsel verstehen / und fragte wie er es meinte. Der Platz / sagte der Soldat / ist mein Leib / den hat der Wirth demanteliret / in dem er mich hat meinen Mantel zu verkauffen genötiget. Die Wunden / welche er mir gehaut / ist mein Mund / den er zuvor mit Speiß und Tranck gefüllet / und hat er mir den Degen neben der Seiten [28] weg gestossen / weil ich selben auch verkauffen / und ihm darmit zahlen müssen. Die lustige Erfindungen haben dem Richter so wol gefallen /daß er ihm einen Zehrpfennig verehret / und Isidor hat sich seiner auch erbarmet / und ihm eine Beliebung gethan / damit er widerum nach Hause kommen können.
11. Als ich dieses schreibe / hat sich vor einer Stund / ein fast trauriger Fall allhier zu Nürnberg zu getragen / welchen ich / weil es eine abgelaugnete Schuld gleichfals betroffen / hieher setzen will. Ein Beck heischt an einen Bauren anderhalben Reichsthaler / so er seinem Vatter vor 20. Jahren geliehen / der Bauer ist der Schuld nicht geständig / und gehen beede auff deß Burgermeisters Hauß zu. Der Kläger hat keinen Beweiß / ausser dem Eidschwur / sondern bittet unter wegs Gott / daß er ein Zeichen an ihm thun solle / wann seine Anforderung falsch und erdichtet. Der Bauer beharrt / daß er ihm nichts schuldig / bevor sie nun vor dem Burgermeister entschieden werden / fält der Beck auff der Gassen nieder und ist rein todt / daß man ihn weg tragen muß / wie ich ihn mit Augen gesehen.
12. Die Lehr ist leichtlich zu fassen / daß nemlich die Falschheit und der Betrug von Gott hier zeitlich und dort ewig gestraffet werde. Es ist die gröste Kunst ein ehrlicher Mann seyn / dessen Mund und Hertz überein stimmet / und die Wort und Wercke gleich lauten / welches der lieblichsten Music kan vergliechen werden. Wie in recht erworbenem Gut der Segen ist / so ist hingegen in unrecht erworbenem Reichthum der Fluch / der auch das rechtmässige Gelt aufffrisset: daher die alten Teutschen gesagt: was hilfft viel Gelt haben / wann der Teuffel den Schlüssel darzu hat? der es nemlich gewinnen / und widerum schändlich durchbringen hilfft.
7. Die glückliche Vnbedachtsamkeit
[29] (VII.)
Die glückliche Vnbedachtsamkeit.
Die Ebreer haben ein Sprichwort: Die Warheit hat starcke Füsse und bestehet; die Lügen hat schwache Füsse und fället bald. Dieses ist auß vorgehender Erzehlung beglaubet worden / soll aber mit nachgehender noch ferners ausfündig gemachet werden; allermassen auff einen Lehrsatz unterschiedliche Geschichte gebracht werden können / wie in den Gesprächspielen angeführet / zu lesen.
2. Die Statt Embden ist eine von den Gelt- und Volckreichsten Stätten / welche die Natur mit Anfuhrten versehen / und zu dem Gewerb gleichsam gewidmet / daß es billich heißt; grosse Stätte / grosse Sünde / weil unter einer grossen Menge Volcks die wenigsten fromm zu seyn pflegen / daher sie auch gleichsam Freyplätze sind / dahin sich die Vbelthäter begeben /und unerkandt in Sicherheit leben mögen. Solcher Hoffnung sind in besagte Statt zween Jünglinge geflohen / welche zu Cobelentz einen reichen Kauffmans Sohn / bey Nachts auff der Gassen ermordet. Die Schergen grieffen nach den Thätern / deren einer da /der ander dort hinauß geloffen / wie die Hüner / wann sie den Hachten sehen.
3. Pomponatz hatte die andern angeführt / und war der forderste an den Reyen / deßwegen auch der erste in der Flucht gewesen; wol wissend / daß er auch ausser Land nicht wol sicher / weil deß Entleibten Vatter viel auff gute Kundschafft und Außspähung der Thäter wenden würde. Marcel sein Vatter riethe ihm /er solte nach Embden / dahin er auch handelte / und gibt ihm Brieffe mit / nicht zwar / als seinem Sohn sondern als einem Diener / der sich wol und ehrlich verhalten hätt.
4. Durch diese Schreiben kommt Pomponatz in Dienst eines sehr vermöglichen Kauffmanns / welchen wir Apponal nennen wollen. Bey diesem hält er sich fleissig / getreu / verständig / und also / daß ihm der Handel meinsten Theils vertrauet wurde. Damit er aber seines reichen und [30] geitzigen Herrn Gunst je mehr und mehr gewinnen möchte / setzet er seinen Lohn und alles was ihm sein Vatter heimlich zuschickte /mit auf / suchte aber darunter eine andre Sache / wie zu verstehen auß folgender Erzehlung.
5. Fortunia / Apponals Tochter / ware nach Art der Friesländerin frey auferzogen / und hielte mit diesem ihres Vattern vertrautsten Diener mancherley Gespräch / welches deß Cupido schärffster Pfeil mit guten Ursachen kan genennet werden. So viel und offt diese beede miteinander zu reden kommen / so finden sie doch jemehr und mehr zusprechen / und können niemals alles sagen was sie gedencken. Hierdurch füget sich eine solche Liebesneigung / daß Pomponatz auß Unbedacht herauß bricht / und wie Simson der Delila / dieser Fortunia sein Geheimniß eröffnet / wie er nemlich Marcellus Sohn. Dieses machte die Liebe /welche die Jungfer gegen Pomponatz getragen /leichtlich glauben / daß sie sich an ihn mit ehelichen Versprechen heimlich ergeben.
6. Inzwischen nun Pomponatz vielleicht einen Handel mit seiner Vertrauten geführet / welchen ihm sein Herr nicht befohlen hat / findet sich Triphon / seinem Außgeben nach / ein vornehmer Herr / welcher mit prächtigen Kleidern / vielen Dienern und kostbaren Zehrung ein grosses Ansehen hatte / und Fortuniam zu ehelichen begehrte. Der Vatter wuste diese einige Tochter nicht besser anzubringen / als bey diesen Gelderischen Herrn / und versprache sie halb und halb /weil sonderlich Triphon keiner andern Aussteur / als der Jungfrau Schönheit begehrte / etc.
7. Dieser Triphon war ein Meister unter den Beutelschneidern / und hatte mit seinen Gesellen zu Lüttig bey 7. in 8000. Kronen an Geld und Kleinodien entwendet; damit er aber nicht möchte außgespähet werden / hat er sich als einen Freyherrn auffgeworffen / unnd den Raub in Wolleben verzehret / der Hoffnung / Apponal werde ihn endlich wol ernehren müssen / wann er nur sein Tochtermann werden könte; gab ihm deßwegen zu verstehen / man müsse die [31] Heurat in der Stille halten / damit seine Eltern nit einträchtig würden / daß er / der Herrnstands seye / eine Kauffmanns Tochter freyen solte.
8. In was Nöthen Fortuna und Poponantz / ist leichtlich zu gedencken. Als die Heuratsnotel außgesetzet und Apponal seine Tochter mit dieser Zeitung erfreuen verhofft / sagte sie mit vielen Thränen / daß sie ein Hertz und einen Leib / welchen sie zweyen zugleich nicht ergeben könte; sie were einem andern versprochen / und könne Tryphon nicht zu theil werden. Apponal will über dieser Bekantniß rasend werden / und wissen / wer denn der jenige seye / den sie diesen Freyherrn auß Unbedacht vorgezogen.
Fortunia versetzte / daß sie alles / was sie gethan nicht mit Unbedacht / sondern mit reiffen Vorsinnen zu Wercke gerichtet / und bittet ihren Vatter / er wolle nicht scheiden / was GOtt zusammen gefüget / und were sie entschlossen / lieber zu sterben / als Triphon zu heurathen; allermassen sie hierdurch einen Ehebruch zu begehen benothsachet werden würde.
9. Endlich bricht sie herauß / und erzehlet wer Ponponantz seye / und wie sie sich mit ihm ehelich verbunden. Apponal hielte ihn für einen Betrüger / und untreuen leichten Gesellen / der durch solchen erdichten Stand ihm seine Tochter zu verführen gedächte; er zörnet sich also / und lässet Poponantz in Verhafft setzen / um ihn zu gebührlicher Straffe zu ziehen. Die Tochter aber / weil sie ihm ungehorsam / unnd seinen Knecht dem Herrn Triphon vorziehet / will er nicht mehr vor seinen Augen sehen.
10. In dem nun Ponponantz auß der Gefängniß seinen Vatter berichtet / wie es ihm ergangen / fallen dem Apponal die Schuppen von den Augen / und erfähret er wer Triphon ist / massen einer seiner Diener ein Kleinod zu Gelt machen wollen / und dardurch die Rauber deß vorbesagten Schatzes entdecket. Dieser deß Triphons Gesell bekennet alsobald / wie es hergangen / und daß er zu solcher That von seinem Herrn [32] verleitet worden / der den Anschlag gemacht / und noch viel von den Edelgesteinen in Händen hätte. Auf diese Bekantniß kommt Triphon mit seinen Helffers Helffern in das Gefängniß / und von dannen an den liechten Galgen.
11. Marcell hingegen schreibet an Apponal / mit welchem er lange Zeit gehandelt / und giebt seinen Sohn wahres Zeugniß / daß er wider aus dem Gefängnuß errettet / und mit Fortunia getrauet wurde daß also mit beederseits Einwilligung und Gutbefindung /eine andre Heuratsnotel / als mit Triphon dem Betrüger aufgerichtet / und Pomponatz / Fortunia und Apponals Unbedachtsamkeit noch einen glückseligen Außgang gewonnen; massen Marcell nachgehends seinem Sohn Landshuldigung erhalten / und ihn in volle Sicherheit gesetzet.
12. Diese Geschicht erinnert mich an den Schencken und den Becker / welche beede in Verhafft gekommen / der eine aber wieder zu seinem Ampt gelanget / der ander / nach Josephs Propheceyung / mit dem Strang erwürget worden. Hierbey konte man betrachten die wunderliche Fügniß dieser beeden Entfernten / und durch erzehltes Unglück zum Ehestand verbundenen Gatten. Einmal ist und bleibt gewiß /daß Gott sonderlich zu erstbesagtem Stand auch seine Heiligen wunderlich führet.
8. Der Keuschheit Ehrenkron
(VIII.)
Der Keuschheit Ehrenkron.
Unter allen betrüglichen Händeln / ist der unverantwortlichste der / welche unter Eheleuten vorgehet /weil sie absonderlich gegeneinander zu beharrlicher Treue für GOttes und seiner Kirchen Angesicht verpflichtet sind. Ob nun wol zu Zeiten ein guter Betrug zu ersinnen / als wann die Mutter dem Kind zum besten ein Unwarheit sagt / so sind doch solche Fälle sehr selten / und ist nicht böses zu thun / wie der Apostel redet / daß gutes darauß erfolge: man soll nicht Leder stelen / und die Schuhe um Gottswillen geben / wie wir Teutschen zu reden pflegen; weil solches Almosen den Galgen [33] verdienet / etc. Was nun von folgendem Fall zu halten / wollen wir dem verständigen Leser zu beurtheilen heimgegeben haben.
2. Miniat ein Handwercksmann zu Mantua / hatte täglich einen Haußkrieg mit seinem Weib / daß sie unfruchtbar / und er sich deßwegen unter seiner Gesellschafft müsse schertzen lassen. Olivetta hette mit jener Matrona sagen können: Bin ich GOtt / daß ich mir kan Kinder schaffen? Wann Gott lässet das Graß aus der Erden wachsen / und es nicht gelegen ist an dem der pflantzt und an dem der begeusst / so wird sein Gedeyen noch viel nothwendiger seyn zu Fortpflantzung der Menschen Kinder / welche mit den Bäumen der Gerechtigkeit verglichen werden. Einsten sagt sie / daß Miniat gleich were den Hunden / welche in den Stein beisen / der sie verletzt / da doch solcher unschuldig / und von starcker Hand muß geworffen werden / wann er schaden solle. Ihr sagt sie / gebt mir die Schuld / als ob ich ein unfruchtbarer Stein / da doch Gott mich verworffen / dessen Rechte alles ändern kan. Ich achte mich für den verfluchten / unfruchtbarn und unnützen Feigenbaum / welcher aber deßwegen noch nicht abzuhauen / und ins Feuer zu werffen / weil noch Krafft und Safft vorhanden: lieber lasst ihn noch ein Jahr stehen / etc.
3. Miniat aber wolte diese Entschuldigung nicht für gültig achten / und erzeigte sich als ein Löw in dem Hauß / mit fluchen / plagen / und schlagen / daß die arme Frau der Gedult wol vonnöthen hatte / und noch Fried noch Anstand erlangen möchte. Sie wusste wol / warum ihr der Mann gram war / sie konte aber die Ursach noch wenden noch enden.
4. Als sie einsten ihr Anliegen einer andern in der Nachbarschafft klagte / wurde ihr wolmeinend geraten / sie solte sich schwanger stellen / dick ankleiden /und einen neugebornen Findling an Kindsstatt annehmen; ja sie wurde ferners unterrichtet / wie sie den Leib mit warmen Wasser auffblehen könte. Die Artz ney-gelehrte wissen / daß kein Anzeigen der Schwängerung ist / welches sich nit auch bey andern Weiber-Kranckheiten finden möge / und daß hierinnen ein richtiges [34] Urtheil zu fällen den Erfahrnen fast schwer falle die Unerfahrnen aber / wie Miniat / sind wol zu betrügen zu dem pflegen wir leichtlich zu glauben /was wir wünschen und verlangen.
5. Olivetta folgt dem Rath / und fande ihren Mann so bald freundlicher / als sie von der angemassten Schwägerung Anregung thäte. Nach Verlauff geraumer Zeit bringt Filiere / die listige Nachbarin / ein Töchterlein in der Olivetta Hauß / und hilfft Miniat bereden / daß er solches mit Olivetta gezeuget / welches er gerne glaubte / und aus allen vorgehenden Umbständen / und behörigen Anstellungen gar nicht Ursach hatte ungleichen Verdacht zu fassen: erfreute sich also über diese Erbin / daß er sein Weib mehr liebte und besser hielte / als zuvor niemals beschehen.
6. Bevor wir aber weiter gehen / müssen wir zurucke sehen / wer diese Fortunata / Miniats vermeintes Töchterlein gewesen. Ihr Vatter Agrippin / ein Kauffherr zu Mantua / hatte etliche Schiffe aus dem Meer /nechst der Anfurt Genua verlohren / und deßwegen seinen Gläubigern nicht enthalten können / daß er nach und nach verkaufft / was ihm übrig geblieben /sich darmit auf die Flucht begeben / und zu Otranto einer Stadt und Landschafft in dem Neapolitanischen / nidergelassen. Portia seine Ehefrau kame mit dieser Tochter Fortunata darnider / und weil sie nit hinter ihrem Manne zu bleiben gesinnet / das Töchterlein aber ohne Gefahr und Ungelegenheit nicht mit ihr nehmen konte / hat sie solches an vorbeschriebenem Ort zu einem Findling machen wollen / damit sie aber mit der Zeit solche ihre Leibesfrucht erkennen möchte / hat sie etliche Zeichen beygebunden / und in einer gewickelten Schrifft der Ziehmutter grosse Belohnung versprochen.
7. Fortunata wurde kaum an besagten Ort gebracht / als Filiere zugegen solche gegen einer Verehrung abgeholet / und ihr wegen grosser Menge der Bastart /nicht auffgehalten worden / gestalt die Ziehmutter dem baaren Gelt und nicht der Verschreibung auf solches zehrendes Pfand getrauet. Fortunata war Miniats Hertzenfreude / sie wuchse / [35] und nahme nach und nach zu an doppelter Schönheit / deß Verstands und deß Leibs; ja es schiene / als ob Gott das gantze Hauß / wegen dieses Kinds segnete / wie dorten Labans Nahrung wegen Jacobs Dienst zugenommen / und sich reichlich vermehret.
8. Olivetta hielte Filiere für die weißte Frau / so da lebte / und lachte ihr in die Faust / daß der Betrug so wol angeschlagen. Wie die geimpften Zweige von fremden Safft Sprosser und Blätter bringen / so hatte auch die liebe Olivetta und Fortunata würckliches Wachsthum nicht anderst / als ob sie warhafftige Mutter / die sie als ihre leibliche Tochter zu Gottesfurcht und aller Tugend angewehnet.
9. Das Glück / welches wandelbarer ist / als der Mondschein / machte Agrippen in dem Spiel wieder reich / in welchem er sein Gelt verlohren hatte: Ich wil sagen / daß er mit seiner Kauffmanschafft über Meer wieder erarnt / was er zuvor eingebüsset hatte /in dem ihm das Meer gleichsam wieder außgespeyet /was er zuvor von seiner Haab verschlungen gehabt. Bey so neugrünendem Zustande erinnerte sich Portia ihres hinnterlassenen Töchterleins / und begehrt solches durch Schreiben an die Verwalterin deß Findlings-Hauß / welche Fortunatam verstandener massen gleichsam verkaufft / und deßwegen geantwortet / daß ihr damals anvertrautes Kind gestorben / darüber sich Portia aus mütterlichem Hertzen sehr betrübet.
10. Es war aber Fortunata in dem Leben / und ein schöner Fels (wann also zu reden verlaubt ist) an welchem viel ihrer Freyheit Schiffbruch leiden mussten. Ihre Schönheit / sage ich / erweckte viel Liebhaber /welche ihre Tugend und Armut in unziemlichen Beginnen wieder einschlaffen macht / daß allwahr / was Silius der Poet sagt:
Haud facilè emergunt, quorum virtutibus obstat res angusta domi.
Den der Armuth Last beschwert /
schwingt sich selten von der Erd?
Wiewol etliche verhofften deßwegen zu Kauff zu kommen / und sie durch Beschenckungen zu Ungebühr zu verleiten / aber [36] alles vergeblich / dann diese Festung keinen Esel mit Gold beladen wolte einlassen. Ehrlich ist reich genug / und hat eine zeitliche und ewige Belohnung.
11. Tullio einer von ihren Bulern / ein junger Edelmann zu Mantua / als er sahe / daß er zu Fortunata Liebe nicht gelangen kunte / als vermittelst der ehelichen Treue / entschleust sich sie zu freyen / wiewol ihr Stand und Herkommen mit den seinen nicht einschluge / und seine Eltern darein niemals verwilligen würden: Jedoch verhoffte er solche Hinderung mit der Zeit zu überwinden / und setzte also seinen blinden Begierden beharrlich nach.
12. Florian / ein Parmesanischer Graf / hielte sich damals zu Mantua auff / und verliebte sich gleichfals in Fortunata schönes Angesicht / und weil sie ein schlechtes Mensch / verhoffte er leicht zu Streich zu kommen / befande sich aber sehr betrogen / und musste erfahren / daß sie auf keinerley Wege zu seinen sündlichen Willen zu bewegen. Der Graff hat nichts weniger in dem Sinn / als diese Handwercks Tochter zu ehlichen / sondern suchte seinen Lust um die Bezahlung / wie er vielleicht bey andern Dirnen zu erhandlen gewohnt / aber alles vergebens / Fortunata hält ob ihrer Frommkeit.
13. Miniat achtete für seine grosse Ehre die vielfältigen Weiber / und Aufwarter seiner vermeinten Tochter. Ich sage Weiber / dann keiner in eines ehrlichen Mannes Hauß ohne diesen Titel einigen Zutritt haben können. Miniat gehet den Weg aller Welt / mit ihm die Nahrungs-Mittel zu Grunde: Sein Weib und Tochter leben in grosser Armut / daß Olivetta fast willens ihre Tochter wiederum in deß Armen Hauß zu bringen / wo sie hergeholet worden. Hier hatte der Satan ein halb gewonnenes Spiel / und vermeinte Fortunatam /unter dem Schein ihr Leben mit nothwendigen Nahrungs-Mitteln zu erhalten / um ihre Ehre zu bringen /viel wolten dieser Armen Handreichung / für Hertzensneigungen leisten / sie hat aber ihre Ohren verstopft / wie eine kluge Schlange / die von dem Beschwerer beschworen wird.
14. Olivetta wolte Fortunatam auf den Weg der Wollüster [37] führen / und hatte den Lohn deßwegen von unterschiedlichen empfangen: Sie aber wolte nicht folgen / und kamen beyde hierbey zu streiten. Bey vielen Wortwechslen / nach der Weiber zancksüchtigen Beredsamkeit / bricht die alte herauß / daß Fortunata nicht ihre Tochter / sondern ein Findling / deren Eltern unbekant / und möge sich hingegen / wo sie herkommen / weil sie klüger wolle seyn / als ihre Pflegmutter / und sich ihrem Gehorsam entziehen / etc.
15. Nun war die unglückliche Fortunata aller menschlichen Hülffe entnommen / aus ihrer vermeinten Eltern Behausung gestossen / und solches wegen ihrer Tugend und Keuschheit. Aber GOtt der aus deß Löwen Rachen / und aus dem glüenden Feuerofen erretten kan / verlässet niemand / von dem er nit zuvor verlassen wird. Der Graf Florian hatte die Sonnen-Kronen in Olivetta Händen leuchten lassen / und von ihr erkaufft / was nit feil ware / ja sie hatte versprochen / ihre Tochter in deß Grafen Schlaffkammer zu bringen / da er alsdann wol wissen werde / wie ferners zu verfahren / und solches hat sie auch durch sondre List in das Werck gerichtet / bevor sie sich verstandener massen mit Olivetta entzweyet.
16. Florian kunte der Fortunata noch mit Schmeichelworten / noch mit Gewalt nichts anhaben / sie thäte möglichsten Widerstand / und schrie so erbärmlich / daß die gantze Nachbarschafft ihr zu helffen eilte. Florian muß sich verkriechen und aus dem Staub machen / weil er befürchtet / daß ihn der tolle Pöbel wegen so frevlen Ansinnens / in der Hitze nidermachen dörffte.
17. Von der Zeit an hatte Fortunata ein grosses Lob erlangt / daß sie von jedermann die Keusche ist genennet worden: Florian aber hatte keinen Ankläger / und deßwegen auch keinen Richter / sondern es ist dieser Handel für einen Schertz erzehlet worden / ob sich wol Fortunata über ihn allein / und aus kindlicher Ehrerbietung nit wider Olivetta / von welcher sie verrahten und verkaufft worden / offentlich beschweret. Tullio kame auch der Fortunata Ruhm zu Ohren / und [38] wurde dardurch je mehr bewogen / ihre Schönheit /die mit so seltner Tugend verbunden / brünstiglich zu lieben.
18. Nach solchem endete sich dieser Betrübten Trangsal und Armut. Agrippin / Fortunata Vatter /war zu Otranto todes entschlaffen / und hatte von vielen Kindern Irenicam eine eintzige Tochter hinterlassen / und selbe nechst seinem getreuen Weibe Portia zu Erbinen aller seiner reichen Verlassenschafft eingesetzet. Diese Portia nun wolte ihr Vatterland vor ihren Ende noch einmal begrüssen / machte alles Vermögen zu Gelt / und begab sich auf den Weg nach Mantua.
19. Wir leben wol in der guldenen Zeit / weil jederman nach Gold trachtet / und solches allein hoch achtet / deßwegen auch Irenica viel Freyer bekommen /ob sie zwar nichts liebwehrtes / ausser besagtem Metall / welches alles beschönet / eigentumlich hatte; daß man sie billich für ein gemahltes und mit Gold beleuchtes oder außgeziertes Bad hette halten können. Als nun Portia nach Mantua kommen / gehet sie in das Findelhauß / und fragt wo vor vielen Jahren ihr vertrautes Töchterlein hin begraben worden. Die Person / welcher sie es eingehändiget / ware tod / der solches wider außgehändiget worden / nemlich Filiere /war auch verstorben. Zu allem Glücke aber hatten es diese beeden einer andern von ihren Freundinen gesagt / wie es mit diesem Kind hergegangen / und von dieser hat Portia den wahren Verlauff der gantzen Begebenheit gründlich erlernet.
20. Portia bespricht hierüber Olivetta / unn wird die Warheit aus den finstern Brunnen an das Tagliecht gezogen. Was Freude diese Mutter über ihrer betrübten Tochter / ist mit Worten nit außzudrucken. Kurtz zu schliessen / Tullio hat von seinen Freunden Verwilligung erhalten / diese nunmehr auch mit Reichthum / wie zuvor mit Tugend und Schönheit begabte Fortunatam zu heuraten. Hierüber haben sich mit Portia alle fromme erfreuet / ausser ihrer jungen Tochter Irenica / die vermeinet einige Erbin alles Vermögens zu seyn / unn hat deßwegen wider ihre Schwester gemurret / gleich wie dort der Bruder deß ungeratenen Sohns / aus solcher wiederum gefunden worden.
[39] 21. Die Lehr ist unter andern / daß Gott die seinen zu rechter Zeit unter den Scheffel der Trübsal hervor zu ziehen weiß / und sie auf den Leuchter hohen Ansehens zu stellen / wann sie nur in seiner Furcht bleiben / die Tugend und nicht die Welt lieb gewinnen. Die Tugend der Keuschheit ist wie die Stadt auf dem Berg gelegen / die nicht kan verborgen bleiben; allermassen in den Geschichten Josephs und der Susanna zu sehen / welche / wie diese Fortunata / in der Versuchung beständig verblieben / überwunden / und die Kron der Ehren hie zeitlich und wie zu vermuthen ist /auch dort ewig darvon getragen.
9. Das ungeratne Wahlkind
(IX.)
Das ungeratne Wahlkind.
Filium adoptivum nennen wir ein Wahlkind / welches erwehlet und angenommen worden / an Kindesstatt auferziehen. Etliche nennen solche einen anerwünschten Sohn / nach dem Lateinischen. Ob nun wol solche Wahl mehrmals blind / und dergleichen Kinder in ihrer zarten Jugend auß andern Ursachen fälschlich eingeschleicht werden / so bleibt es doch darbey / daß solche von Gott erwehlet scheinen / von diesen oder jenen erhalten und ernehret zu werden. Also fürchtete Abraham / er werde seines Dieners Eleazars Sohn zu seinem Erben wehlen müssen / in Ermanglung andrer von heiligen Saamen gebornen Kinder. Man möchte aber sagen / daß keine Wahl in dem / das nur allein ist / wie jener Sohn zu seinem Vatter gesagt / als ihnen zwey Eyer aufgetragen worden / und er eines davon genommen: Wehlet mein Vatter. Der Vatter aber geantwortet / was soll ich wehlen / da nur eines von den Eyern noch übrig. Der Sohn versetzte: solches zu nehmen oder nicht. Weil nun die folgende Erzehlung mit vorhergehender eine Vergleichung / als welche beede von den Wahlkinder handlen / wollen wir uns solches Worts / mit Goldast dem Pflegvatter der Teutschen Sprache / gebrauchen / und zu anderer mehr verständigen Nachsinnen gestellet seyn lassen /wie etwann / die mit [40] einen bessern Wort zu nennen /so man an Kindsstatt annimmet.
2. Boldo / ein Venetianischer Edelmann / hatte sich durch seine wolgelaiste Dienste so belobt gemacht /daß er von vollem Raht das Königreich Candia zu regieren benennet worden. Es war ein alter Mann von 50. Jahren / und hätte sich aus dieser Bedienung gerne gewunden / doch wegen der Gesetze / deß beschwerlichen Ambts / wie zuvor andrer angenehmerern / nicht entbrechen können.
3. Dieser Boldo hatte eine Gemahlin / Namens Eufemia / welche damals auf schweren Fuß nicht zurucke bleiben wollen / unterwegs aber vor Ungemach deß Meers so sehr erkranckt / daß sie zu Cephalonia anländen / und eine Zeit alldar still liegen müssen / biß Eufemia genesen / und eine junge Tochter auf die Welt gebracht / die ihre Mutter aus der Welt gleichsam gejaget / daß man sie nach wenig Tagen zu Grabe tragen müssen.
4. Damit nun dieses Kindlein nicht mit verderben möchte / wurd ihm eine Seugamme und Warterin /von Zanto bürtig / bestellet / Namens Gregoria / deren Mann einen Soldaten gegeben / und sein Handwerck verlassen hätte. Es ist bewust / daß die Soldaten / wie die Fische nit leichtlich wider aus der Reussen entkommen / wann sie sich einmals fangen lassen: also war ihr Mann in einer Besatzung / und ob er zwar frey zu werden trachtete / hat er doch den Schlüssel zu seiner Gefängniß / mit Fug und Ehren nicht finden mögen; diesem nach verhoffte Gregoria / durch Boldo / Mittel zu finden / Priscian ihren Mann loß zu würcken / und liesse sich bestellen zu der Pflege und Wartung Alexandrinæ seines Töchterleins: schiffte also mit dem Venetianischen Edelmann und ihrem Töchterlein / Prisca genant / auf Candia zu / dessen Stadthalter Boldo seyn musste.
5. Nach wenig Wochen sturbe Prisca / der Gregoria Tochter / vielleicht weil es zu bald entwehnet worden / und versorgte sie die kleine Alexandrinam mit mütterlicher Liebsneigung und Leibsnahrung / daß Boldo darüber ein vätterliches [41] Wolgefallen / und nach Art der Venerischen Venetianer gegen dieser Gregoria brünstig entzündet wurde / als welche ihm viel schöner von der Natur gezieret zu seyn bedunckte / als die geschminckten Angesichter / so er in der grossen Lust-Stadt hinterlassen. Gregoria aber wolte keines wegs dieses Alten Thorheit Gehör geben / und als ein Eheweib mit der Sünde eines so schändlichen Ehebruchs / ihr Gewissen beschweren.
6. Nachdem nun Boldo nit erlangen kan / was er wil / bedraut er Gregoriam mit Gewalt / daß sie zwar bessere Wort außgeben muß / inzwischen aber zu entfliehen Gelegenheit sucht. Die Liebe / welche sie zu Alexandrina und ihrer selbst eigenen Ehre getragen /erregten einen grossen Streit in ihr / und weil sie noch diese noch jene lassen wil / miedet sie eine Fregata /oder Jagtschiff / und segelt mit gutem Wind nach Zanto / sich alldar mit ihrem hertzlieben Raub / der kleinen Alexandrina zu verbergen.
7. Boldo schicket nach Cephalonia / Gregoriam zu suchen / sie war aber nicht zu betreiten / und wie die kleinen Vögel ein kleines Nest vonnöthen haben /schwerlich zu finden und leichtlich zu bergen; also kan man geringe Leutlein nicht wol erkundschafften. Wegen seiner Tochter liesse sich der alte Venetianer auch trösten / weil ihme solche mehr Beschwerniß /als Freude verursachte / und hette er darfür einen Sohn und Erben seiner Güter gewünschet. Die Liebe /welche er zu Gregoria getragen / war gleich einem Irrwisch / dessen Liecht bald verlasche / und hiesse es recht / aus den Augen und aus dem Sinn; Zu dem ist Candia oder Cypern an den Venus Bildern so wol versehen / daß er den Durst bey andren Quellen leschen können.
8. Nachdem Boldo seine Zeit zu Candia erstanden /kehret er wieder nach Venedig / und weil er nicht sonder Weiber leben konte / heuratet er Emiliam / eine edle Jungfrau / seinem Stand und Herkommen gemäß. In dem überfluß aller Behäglichkeit ermangelte diesen Eheleuten ein Erb männliches [42] Geschlechts / und musste Boldo befürchten / daß seine Güter seinen Seiten Freunden / denen er nit gar hold / zu theil werden möchten. Emilia erwünschte nit weniger den Haußsegen / als ihr Alter / und verhoffte vermittelst solcher Frucht die Benutzung einer reichen Verlassenschafft.
9. In dem fügte sich / daß Boldo von dem Edlen Raht zu Venedig in Friul verschicket wird / bevor seinem Abraisen stellet sich Emilia / als ob sie schwanger were / fället in eine Ohnmacht nach der andern /und machet Boldo glauben / was sie aus vorbesagten Ursachen erdichtet hatte. Boldo hatte Eufemiam auf dem Meer verlohren / und wolte nun Emiliam nit in gleiche Gefahr setzen / hinterlässet sie deßwegen zu Venedig / und vertrauet sie einer alten Warterin / welche ihr nach Verlauff sieben Monden / einen Knaben aus dem Findelhauß zubringet / und nennet ihn Cassan / nach dem Namen eines berühmten Heiligen zu Venedig.
10. Boldo erfreuet sich nach seiner Widerkunfft über dieses Kind / welches von jedermänniglich für Boldo Sohn gehalten wird. Es ist schwer einen guten Vogel von einem bösen Ey zu ziehen; dieser Bastard hat von Jugend auch die böse Art an sich genommen /und auf keinerley Weise / der Tugendlehre statt geben wollen. Mit zuwachsenden Jahren mehrten sich auch seine Laster / und wurde keine böse That in der Stadt begangen / welcher Urheber oder Mithelffer Cassan nicht gewesen were. Kurtz zu sagen / dieses Wahlkind / oder dieser Einkömmling war Boldo und seines gantzen Geschlechtes grösste Schand / und spottete aller vätterlicher und mütterlicher Erinnerung / Vermahnung und Bestraffung.
11. Als nun Cassan / zu Erfüllung seines Sündenmasses / eine offentliche Dirne zu heuraten / und sich alles Sönlichen Gehorsams zu entbrechen willens /zörnete Boldo billich über diesen unbedachtsamen Frevler / leget sich auch in solchem Grimm / der das Geblüt zugleich in dem Leib aufwallen und sieden machet / zu Bette / und erkrancket / wie wir hernach melden wollen.
[43] 12. Inzwischen hat Gregoria zu Zanto Alexandrinam / für ihre Tochter Priscam dargegen / und nachdem ihr Mann seiner Dienste erlassen worden / und sein Schneiderhandwerck wiederum getrieben / haben sie beede viel Kinder erzielet / daß ihnen diese Einkömmlinge fast überlästig worden. Gregoria fält in eine tödliche Kranckheit / und eröffnet ihrem Beichtvatter / wie es mit Alexandrina daher gegangen / und daß sie bey ihren Lebenszeiten ihrem Mann diesen Betrug nit zu entdecken / erhebliche Ursachen / unter welchen die vornehmste / daß sie allen bösen Verdacht / als ob sie Alexandrinam mit Boldo in Unehren erzeuget / gerne vermeiden wolte.
13. Der Beichtvatter räht / daß Priscian Alexandrinam nach Venedig führen / und Boldo ihrem Vatter selbsten überantworten solte / welches er auch / nachdem Gregoria verschieden / unverzögert zu Wercke gerichtet / eben zu der Zeit / als Boldo und Emilia über Cassan eiferigst erzörnet gewesen / wegen vorerzehlter Syrena / die ihn samt einem grossen Gut zu sich zu ziehen getrachtet. Boldo erkante Alexandrinam an dem Angesicht / welches Eufemia seiner ersten Gemahlin eigentlich gleichte / gabe deßwegen dem Schneider eine gute Verehrung / und liesse ihn wieder ziehen.
14. Als nun Cassan diese für seine Schwester und Miterbin nit halten wil / sondern solches für einen listigen Fund außschreyet / ihn den Antheil seiner Erbschafft zu minderen; mit Bedrauen / er wolle Alexandrinam und Boldo / ja seine eigene Mutter / wann sie ihm zu wider seyn würde / ermorden lassen: bricht Emilia herauß / daß dieser Cassan nit ihr Sohn / sondern ein Findling / deßwegen er alsobald aus dem Hauß gestossen / mit der gedachten Dirne in elender Armuth / sein Leben zubringen musste; welches gewißlich nit beschehen / wann dieses Wahlkind nicht so übel gerahten / und seinen vermeinten Eltern mehrern Gehorsam / wie er wegen empfangener Wolthaten schuldig gewesen / erwiesen hätte.
15. Alexandrina aber / so die Tugend und Keuschheit von Mutterbrüsten gesogen / wurde mit einem vornehmen Venetianischen [44] Edelmann getrauet / und erwiese sich gegen Emilia so wolthätig / als gegen ihrer leiblichen Mutter. Hierauß erhellet abermals die Gewißheit / daß die Tugend endlich / nach außgestandener Trübsal / ihre Belohnung nit ermangle: das Laster hingegen oft nach Verlauff langer Zeit zu gebührlicher und wolverdienter Straffe gezogen werde.
10. Der unerkante Bruder
(X.)
Der unerkante Bruder.
Die Armut ist kein Laster / sondern ein Art deß Außsatzes: dann gleich wie die Gesunden die Aussätzigen und Siechen fliehen; also vermeiden die Reichen der Armen Gesellschafft. Wann der Reiche aufstehet zu reden / so höret ihm jedermann gerne zu; wann aber der Arme den Mund aufthut / so fragt man: Wer ist der? Der Reichthum kennet die Armut nicht / damit sie solcher nicht zu Hülff kommen darff; und scheinet / daß deß Armen Mangel ein Sand- und Brandmahl seye / welches ihn verächtlich mache da doch etliche /wiewol nicht viel Arme / ein bessers Leben führen /als die Reichen insgemein. Das Geblüt / sagt man in dem Sprichwort / trüget nicht: aber die Armut straffet das Geblüt gleichsam Lügen / wie aus nachgehender Geschicht zu verstehen seyn wird.
2. Hygin und Delio / Brüder und Kauffherrn zu Meiland / (ich sage Herren / dann der Orten die Kauffmannschafft den Adelstand nicht vernachtheilet / wie in Teutschland) hatten mit einer Gesellschafftshandlung grossen Reichthum erworben / und wurden endlich / nachdem sie sich beederseits verheuratet /gedrungen / ihr Gewerb abzutheilen: Darvon Delio seinen Antheil versilbert / und sich nach Palermo erhoben / alldar eine absonderliche Handlung anzufangen / und seinem Weibe zu Gefallen / in ernannter Stadt häußlich zu wohnen. Hygin der Erstgeborne hatte mit seinem Eheweib viel Kinder erzielet / 2. Söhne und etliche Töchter / Rospe und Antoniel. Die Söhne begaben sich gleichfalls auf die Handelschafft /und weil Delio zu Palermo keine [45] Kinder hatte / begehrte er einen von seines Bruders Söhnen an Kindsstatt aufzuerziehen.
3. Hygin schickte ihm Antoniel / den Jůngern / und verhoffte / daß er mit der Zeit auch Delio Erb werden solte / wie auch erfolgt; gestalt er von Delio als ein Sohn gehalten / in seinen Geschäfften verschicket /und seinen Nutzen glücklich geworben / daß sich Delio Vermögen reichlich gemehret / und er nicht Ursach das seine / so ihm Antoniel sammlen helffen / an einem andern zu verwenden.
4. Antoniel war in dem zehenden Jahre / aus seinem Vatterland nach Palermo gesendet worden / daß er sich seiner Geburtsstatt schwerlich erinnert / und die Sprache und Sitten eines gebornen Sicilianers angenommen hatte / zu dem hatten ihn die vielfältigen Raisen in Africa und Græcia verschlagen und vorsinnig gemacht / daß ihm in diesem sein Bruder / der allezeit hinter dem Ofen sitzen geblieben / nicht zuvergleichen. Nach etlichen Jahren geht Hygin den Weg aller Welt / und verlässt viel Kinder / daß ob wol Antoniel nach Meiland zu raisen begehrt / seines Erbtheils habhafft zu werden / hat ihn doch Delio nit von sich lassen wollen / und ihn vertröstet / ein mehrers als sein Antheil betreffe / zu hinterlassen / wie er auch in Verfassung seines letzten Willens gethan / und nach verlauff etlicher Monden diese Welt gesegnet.
5. Ob nun wol Antoniel reichlich begütert / so hat er doch / aus Geitz / oder süssem Verlangen / sein Vatterland wieder zu sehen / eine Raise nach Meiland angetretten / und ist mit den Florentinischen Galeren nach Livorno / von dar nach Genua geschiffet; beladen mit vielem Gold und Silber / seinen Bruder Rospe und andre Geschwisterig zu verehren / benebens auch in Handelssachen sich mündlich mit seinen Bekanten zu berathschlagen / und berichtet solches alles guter Meinung seine Befreunde; sonderlich aber Rospe.
6. Als er nun unterwegs / fallen ihm thörichte Gedancken ein / nemlich er wolle probiren / wie seine Verwandte gegen ihm gesinnet sind. Seine Eltern waren todt; er erinnerte [46] sich nur seines Bruders / welchen er durch den Briefwechsel kennte; von den andern Gesippten wuste er wenig. Dieser Meinung bedeckte er sich mit alten Lumpen / kommet nach Meiland zu Rospe / und erdichtet folgende Begebenheit.
7. Mein Herr Rospe / sagt er / Ihr sehet für euren Augen den armen und Elenden Antoniel euren leiblichen Bruder / welcher sich kaumlich erinnert / dieser seiner Geburtsstatt. Hygin unser Vatter hat mich / wie ihr wisset / zu Delio seinem Bruder und unserm Vetter nach Palermo gesendet / der mich als einen Sohn aufferzogen / und in seiner Handlung für einen Diener gebrauchet. Ich habe ferne Raisen verrichtet / und an meiner Treu und Fleiß nichts ermanglen lassen / welche er auch zu erwidern gewillt / mich zu seinem Erben eingesetzet hat / wie ihr auß meinen Brieffen werdet verstanden haben. Nach seinem tödlichen Hintritt aber haben sich mehr Schulden gefunden / als die Verlassenschafft abzuführen vermögt / und hab ich einer schmählichen Gefängschafft durch die Flucht entkommen müssen; massen auch ich nit wenig Schulden in Sicilia hinderlassen. Von den Kauffleuten kan man mit Fug sagen / daß keiner vor seinem Todt glücklich zu schätzen / und decket solcher die Karten auff / welche man zuvor durch nachsetzen und darauff bieten / hat verbergen können. Ihr wisset lieber Bruder / in was gebrechlichen Gefäsen wir unser Glück tragen / wie leichtlich wir von den Freunden betrogen / von den Feinden beraubet / und von dem Meer gefähret werden. Diesem nach bin in ich leider gedrungen worden / meinem Erbtheil von unserm Vatter Hygin abzuholen / mich darmit deß Hungers zu erwehren.
8. Diese Rede hat Antoniel mit so guter Art abgeleget / daß Rospe nicht Ursach gehabt an seinen Worten zu zweiflen. Ob nun wol sein Hertz Zeugniß gegeben / daß dieses Antoniel sein Bruder / hat ihm doch solches der Geitz der Gestalt erhärtet daß er ihn darfür nicht erkennen wollen / sondern als einen Landbetrüger mit vielen betraulichen Worten abgewiesen. Antoniel aber hatte hierüber sein [47] Freudenspiel / und flehete je mehr und mehr seinen Bruder; bittend er solle ihm Feder und Dinten geben / er wolle mit seiner Hand erweisen / daß die Schrifft seinen Briefen /welche er vor diesem an ihn abgegeben / gantz gleich werde.
9. Rospe fürchtet die Warheit / und wolte ihn nit zu dieser Prob kommen lassen / damit er ihm nit einen Theil von der vätterlichen Verlassenschafft zuschreiben möchte: Laufft also zu der Obrigkeit / und bringt zuwegen / daß Antoniel als ein Betrüger in Verhafft genommen wird. Als nun diese beede Brüder gegeneinander abgehöret werden / findet sich die Warheit /und ziehet Antoniel die Bettlers-Larven ab / lässet seine Diener aus dem Wirtshauß kommen / und erweiset / daß er solches alles seinen Bruder zu versuchen gethan / und daß er der reiche Antoniel wäre /welchen Delio zum Erben aller seiner Güter eingesetzet. Uber diesen Beweiß zeigte er seines Vattern Hygius / und Rospe Briefe vor / und wurde auch von an dern fremden Kauffleuten erkennet.
10. Also ist Antoniel der Verhafft erlassen worden / und verehrte seinem Bruder die halbe Verlassenschafft ihres Vatters. Nachdem er nun eine geraume Zeit sich zu Meiland aufgehalten / und von dem Parlament zu Palermo noch fernere unlaugbare Urkunden erlanget / hat er sich wieder dahin erhoben / und seinem Bruder die Reu / so Gewinnsichtigen Verfahrens hinterlassen / uns aber die Lehre / daß man arme Freunde nicht verachten / sondern daß unsere Christliche Liebe bey ihnen mit Trost- und Hülffleistung anfangen soll. Das Unglück ist eine Prob der wahren Freund / wie Petrarcha sagt / daß der Wein Freunde mache / aber die Thränen selbe bewähren / und ist eine Prob rechtschaffner Demuth / seinen armen Freunden rathen und helffen / oder ja dieselbe für gesippte und verwandte erkennen / wie David sagt: Wer bin ich HERR / und was ist meines Vatters Hauß /daß du mich von der Herde genommen / und über dein Volck zu einem König gesetzet. Also hat Joseph der Königliche Stadthalter in Egypten seine arme Brüder nit [48] verschmähet / welche doch Hirten und seinem Volck ein Greuel waren. Wer die seinen / wann sie gleich arm sind / nit versorget / ist ärger als ein Heyd / und hat den Glauben verlaugnet / sagt der Apostel Paulus und Johannes: Man soll nicht lieben mit Worten und dem Munde / sondern mit dem Wort und in der Warheit / etc.
11. Die beständige Vnbeständigkeit
(XI.)
Die beständige Vnbeständigkeit.
Die Unbeständigen werden verglichen mit den Wolcken ohne Wasser / mit den Wellen die der Wind beweget / und sonderlich mit dem Angesicht deß Monds / welches ohne unterlaß ab und zu nimmet / ob zwar solche Veränderung nur zu gewissen Vierteln beobachtet wird / daß wir sehen / wie er gewachsen / und nicht wie er wächset: wie er abgenommen / und nicht wie er abnimmet. Jener Edelknab deß Hertzogens von Luna hat über den Mondschein seines Herrn Wappen geschrieben:
wol wissend / daß er alsdann wieder abnehmen werde / welches er nit wünschen wolte. Es haben auch etliche bemercket / daß in allen Sprachen die Sonne männliches Geschlecht / und der Mond weibliches: Weil aber die Teutschen allein sagen / die Sonne / der Mond / und nit der Sonn / die Mond beschehe / weil die Weiber bey den Teutschen den Meister spielen.
2. Die beständige Unbeständigkeit deß Monds /wird / wie erwehnt / zu betrachten seyn in der Geschichte / welche wir von Lucrina anführen wollen /und solche hier der vorgedachten Kauffleute Wechselglücke nachsetzen / nicht zweifflend / es werde solche Vergleichung zu Ende der Geschichte / nicht sonder Schicklichkeit erhellen.
3. Antiochus ein Frantzösischer Edelmann in der Normandie hatte unter andern Kindern eine Tochter erzeugt / welcher er den Namen Lucrina gegeben /eine unglückselige [49] Weibsperson / von der Wiegen an / biß in das Toden-Grab. In ihrem Mannbaren Jahren wurde sie wie Jephte Tochter aufgeopfert zu Versöhnung grosser Feindschafft und Rechtfertigung / welche ihr Vatter geführet wider Tirinte / einem Edelmann in seiner Nachbarschafft. Dem er etliche Felder und Wiesen strittig gemachet.
4. Dieser Tirinte war ein Wittber / und hatte etliche erwachsene Kinder / die ihm von der Keuschheit solten geprediget haben; doch ließ er sich durch Mittelspersonen bereden / Lucrinam zu heuraten / und die strittigen Stücke / die er vorhin in Besitz hatte / an statt der Aussteuer / oder deß Heuratguts zu behalten. Lucrina hatte von diesem alten Edelmann niemals anderst / als von einem Feinde reden hören / und truge so wenig Neigung zu seinen grauen Haaren / als er wegen seiner unartigen Sitten / zu ihrer Schönheit; doch führet er sie nach Hauß / eines beschwerlichen Handels abzukommen; weil seine Söhne und ihre Brüder vielmals über dieser Strittigkeit einander für den Klingen sehen wolten.
5. Gezwungener Eyd ist Gott leid. Das Ehegelübt ist eine solche eidliche Verbindniß / deren Zwang viel Ungemach und einen traurigen Außgang zu haben pflegt. Es begange sich der alte Tirinte mit der jungen Lucrina so übel / daß sie keine fröliche Stunde bey ihm / viel traurige aber von ihren Stiffkindern erdulten muste / zu dem wurde sie jährlich befruchtet / und ihre Kinder von den andern / als unehliche und unächte Kinder gehalten / welches das getreue Mutterhertz mit nicht wenig Gall und Gegenhaß angefüllet / und haben ihre Klagen bey Tirinte kein Gehör haben wollen / als der seinen Söhnen erster Ehe / noch darzu recht gegeben.
6. Bey Zuwachsung solches Unheils / befürchtet sich Lucrina mit guten Ursachen / daß wann Tirinte sterben solte / ihre Stiffsöhne das eingebrachte Gut wider strittig machen / und zu ihnen reissen würden: massen alles ligende Haab von ihren mütterlichen Herkommen. Deßwegen trachtet sie ihre Forderung außfindig zu machen / damit ihre Kinder wissen[50] möchten / was sie zu suchen. Uber dieses Vorhaben ergrimmet Tirinte / daß er es / wie zuvor / nit bey bösen Worten verbleiben lassen / sondern sie mit harten Schlägen aus dem Hauß gejagt / und die Rechtfertigung mit Antilochs Söhnen wider angefangen / wo ers mit ihrem Vatter ersitzen lassen /
7. Lucrina ist zu ihren Brüdern geflohen / welche sie freundlich aufgenommen / und diesen Frevel an Tirinte feindlich zu rächen versprochen; massen dann auch erfolgt; als sie ihn auf dem strittigen Erbtheil angetroffen / und nach langem Gefecht verwundet / daß man ihn nach wenig Tagen zu Grabe tragen müssen. Lucrina hatte zwar nit Ursach diesen Fall sehr zu betrauren / doch war ihr leid / daß solches von ihren Brüdern herkommen / und daß ihre Kinder es würden büssen müssen.
8. Lucrina war eine schöne / höfliche / junge Wittib / und gefiele Milon einer Parlaments-Person / in der Nachbarschafft / einem sehr reichen / und noch mehr geitzigen Mann. Dieser war alt und hatte doch niemals heuraten wollen / weil ihn seine Kranckheiten / oder vielmehr die Liebe der Freyheit abgehalten: In dem Alter wolte er diese Wittib vielmehr zu einer Warterin seines Ziperleins / als zu einem Weibe seines Ehebetts ehlichen / und weil Lucrina in grosser Armut lebte / liesse sie sich leichtlich bestellen / diesem halb todten und halb lebendigen (also nennet man die jenigen / welche mit unheilsamen Kranckheiten behafftet sind) zu dienen / und verhoffte eine reiche Belohnung nach seinem Absterben.
9. Es hatte ihr aber Tirinte nicht weniger Verdruß und überlast / als dieser Geitzhals ihm selbsten aufgebürdet. Wann er den Schmertzen deß Ziperleins empfande / muste sie Schelt-Trau und Zanckwort hören; wann er ein wenig Ruhe / lage er über seinen Schultbüchern / und ruckte ihr täglich fůr / daß sie ihm nichts zugebracht / und er sie doch ernehren / kleiden und unterhalten müste / etc. Dieser Geitzhals war wie ein Ratz in der Goldgruben / der niemand nutzet als in dem Tod / da man das Gold in seinem Eingeweid zu finden pfleget.
[51] 10. Nach Milons Absterben / wurde Lucrina mit dieses Reichen Ersparung getröstet dann ob er sich wol selbsten gerne zu einem Erben eingesetzet hätte /so hat er doch niemand / nach ihm getreuer erfunden /als diese seine ehliche Warterin / die er auch zu seiner Erbin seiner Güter benennet / und ihr befohlen / wol Hauß zu halten / ob er gleich nit zugegen seyn werde. Dieses Milons Vermögen fande sich viel grösser / als man nit vermeint / und war Lucrina Glück gleichsam in dem Vollmond / dessen hellen Schein viel verwunderten / und nicht wenig desselben Einfluß zu geniessen verhofften.
11. Lucrina wurde durch dieses Sonnen Metall viel schöner / weil ihr Hertz erfreuet / und aller außgestandnen Traurigkeit vergessen hette. Wie aber ein schwaches Hirn den starcken Wein nit ertragen kan; also ist der blöde Weiber-Sinn beharrlicher Glückseligkeit nit fähig. Dametes ein vornehmer Herr mit vielen Kindern und Schulden beladen / führte ein ansehliche Hofstadt: hatte viel Knechte / Pferde / Hunde und ein geringes Einkommen. Dieser gedachte sich bey dieser reichen Wittib wiederum zu heilen / und Lucrina / die nach der Weiber Art / nicht wenig ehrgeitzig war / willigte leichtlich in dieses Herrn gethane Werbung.
12. Milons Gelt hatte einen freygebigen Verschwender gefunden; das liegende Haab wolte verpfänden / weil die bewegliche Güter nach und nach verzehret waren. Hierwider eiferte Lucrina / mochte aber dem Mann / so wenig / als den abnehmenden Mond / nicht wehren; sondern hören / daß sie durch ihn zu hohen Ehren gelangt / und seinem Stand und Herkommen nit gleichen mögen / wann sie nit der Reichthum darzu gewürdiget / etc. Kurtz zu sagen /Lucrina musste erfahren / daß man auf hohen Stülen übel sitzet. Wolte sie nit alle Tag einen Haußstreit haben / so musste sie ihrem Herrn nichts einreden; biß endlich der Tod diesen Krieg beygelegt / und sie von so herrlicher Dienstbarkeit befreyet.
13. Aus dem Schiffbruch und Außwurff ihrer Güter hat sie noch viel gerettet / daß sie noch wo nicht reichlich / doch [52] ehrlich zu leben hatte. Den ersten Mann hatte sie genommen genötiget / den andern freywillig / wegen seines Gelts; den dritten aus Ehrgeitz / und den vierdten bulet sie aus Lieb / welches war Alcippe / ein sehr wolgestalter Jüngling / von seinem Bruder aber nach dem Recht der ersten Geburt /alles Haabs entsetzet. Dieser liesse sich nicht lang zu anständiger Heurat bitten; sondern verzehrete bald gar / was von Milons Verlassenschafft noch übrig / daß Lucrina noch in dem ersten Kuß-Jahre in die äusserste Armut gesetzet / und gedemütiget wurde / in dem sie sich zu ihren Kindern erster Ehe / welche sie in ihrem reichen Ehrenstande verachtet / begeben muste / die sie doch als eine Mutter / aufgenommen / und in ihren betagten Jahren wol versorget.
14. Dieses war das vierdte Viertheil der ?artigen Unbeständigkeit / und Lucrina Zu- und Abnehmen. In der Jugend wurde sie von Alten / und in dem Alter von Jungen geliebet / und hatte eine Prob gethan fast aller Eitelkeiten dieser Welt / nemlich der Liebe /Reichtums / Ehre und Wollust / welches alles so nichtig und flüchtig / als deß Menschen Leben selbst / von dem jener recht gesagt / daß wann man von unserm Thun die Eitelkeit absondern wolte / daß nichts nit würde überbleiben.
15. Nechstbesagtem ist auch eine feine Lehr kindlicher Schuldigkeit / welche ihre liebe Mutter nicht entgelten lassen etlicher unbedachtsamer Worte; sondern sie in ihrem Alter versorget / weil sie nach Sirachs Erinnerung / nicht vergessen / wie sauer sie ihrer Mutter worden sind.
12. Die geschwinde Veränderung
(XII.)
Die geschwinde Veränderung.
Gott / sagt jener Kirchenlehrer / lässet das übel zu /damit er das gute darauß erzwinge / und wie der Fischer in trüben Wassern der Trübsal / errette / die sonsten verlohren gehen. Also machen die Apothecker aus den Schlangen die Artzney wider den Gifft / und das Spießglas / welches Gifft in sich hat / dienet zu den allerverzweiffelsten Kranckheiten. [53] Daß diesem also / ist theils aus Lucrina Geschichte zu ersehen /und soll noch ferners aus folgender Erzehlung geschwinder Veränderung erhellen.
2. Maximina ein vornehmes Fräulein bey Hof zu Paris erzogen / wurde vermählet mit Temiro einem jungen Grafen / und von ihm auff sein Schloß geführet / da ihr die Zeit in der Einsamkeit so lang / daß sie mit der Gesellschafft ihres Eheherrn und Schwervatters keineswegs vergnüget: sondern nach Paris und derselben wollüstigen Weltgrossen Statt täglich neuen Ergötzlichkeit zurucke gedachte. Dieses Verlangen eröffnet sie Temiro / welcher sie zu den Haussorgen anmahnet und versprach / uff begebene Gelegenheit / sie nach Paris zu führen.
3. Der lasterhaffte Müssiggang ist der Anfang deß Untergangs / Maximina war nicht gewohnt einiger Sorge / als sich zu belustigen / zu haben / und ob sie wol in solchem Zustand nichts anders wünschen kunte / als Gesellschafften / so wolte sie doch mehr Leute haben / die sie ehren / ihr aufwarten / und mit vielem höflichen Gespräche unterhalten solten / nach der Art dergleichen Hofdocken.
4. Temiro nahme Maximinam mit sich nach Paris /verbliebe alldar etliche Tage / und brachte sie wieder zurücke auf sein Schloß; dieweil er sahe / daß der Lufft zu Hof Hauptwehe verursachte / und er die Ursachen zu der Eiferkranckheit nicht selbsten befördern wolte / welcher Schmertzen fast empfindlicher ist / als der Tod selbsten. Maximina war darmit nit zu frieden / und wolte / daß ihr Herr seine Sache dahin richten solte / daß sie sich stetig zu Paris aufhalten könte. Aber vergebens.
5. Als nachgehends eine Unruhe in Franckreich entstunde / muste Temiro mit andern die Waffen ergreiffen / und die Gemahlin seinem krancken Vatter /oder vielmehr seiner Gemahlin ihren am Stein und Zipperlein darnider ligenden alten Schwervatter befehlen. Maximina war nit gewohnet der Krancken zu pflegen; doch hielt sie die Noth / welcher die Poeten Nägel vom Diamant zuschreiben / daß sie ihr Leben mit grossem Verdruß zubringen muste / biß sie endlich verstanden / [54] daß ihr Ehegemal Temiro an einen Fieber erkranckt / und von dem Schlag gerührt / gestorben. Dieser jungen Wittib Traurigkeit war dem Ansehen nach groß / in der Warheit aber eine Hoffnung / aus dieser Gefängschafft zu entkommen / und durch diesen Stand ihre lang verlangte Freyheit wieder zu erlangen.
6. Maximina hatte in ihrem Ehestand kein Kind gezeuget / und als sie ihres eingebrachten Guts habhafft worden / hat sie sich nach Paris begeben / und unter ihrem Leidkleid ein Hertz voll Freuden geheget. In ihren Augen / gekrausten Haaren und prächtigen Trauergewandt / war leichtlich zu vermercken / daß sie eine von den jungen Wittweibern / welchen der Apostel räht / daß sie wieder freyen sollen. Zu ihrer Mutter und ihren Brüdern die etliche Meil von Pariß wonhafft / wolte sie sich nicht begeben / sondern ein freyküriges Leben führen / ohne Aufsicht und Oberherrn.
7. Ein Schiff kan in dem grösten Sturmwetter /grössere Gefahr nit haben / als ein so schwaches und Gebrechliches Gefäß in vielfältiger Gelegenheit zu sündigen. Viel Buler waren um diese freundliche Wittib / deren unter andern der Han im Korb seyn wollen Esner ein junger Wittber / der 2. Jahr in dem Ehestand gelebt. Es war dieser noch der schönste / noch der reichste / aber der höflichste und tapfferste unter allen / ein Soldat von Kindsbeinen / und ein vollkomener Hofmann / daß sich Maximina durch viel aufwarten gewinnen lassen / und jm eheliche Treue halb und halb versprochen; dessen sich Esner aller Orten berühmt / andre abzuschrecken / und sich darmit groß zu machen / wie dann schwer ist zu lieben / und klug zu seyn.
8. Maximina gab nit allein diesem Esner Gehör /sondern auch vielen Hoffschrantzen / die wie die Immen um dieses Honig herum schwärmeten. Esner vermeinte daß ihm hierdurch abgienge / was den andern beygelegt wurde / und eiferte also um die / welche noch nit sein war. Maximina aber wolte ihr nicht einreden lassen / und befürchtete / daß ihr künfftiger Ehemann sie von Paris wegführen / und auf seiner Festung / welche ihm von dem König anvertraut / gleich [55] wie ihr erster Mann auf seinem Schloß gethan / in Gefangschafft halten würde; da sie doch lieber die letzte zu Paris / als die erste an einen andern Ort seyn wolte deßwegen räth sie Esner er soll seinen Dienst verkauffen (also reden die Frantzosen / welcher Königreich Stückweiß feil ist) und zu Pariß wohnen.
9. Wie die Eydex ihre Spur / die sie mit den Füssen gemacht / mit dem Schwantz verschlägt / so sagte Esner zu Maximina / daß er ihrem Raht folgen wolte /gegen andre aber ließ er sich vernehmen / er wolte sie nach der Trauung / wol einzusperren wissen / und auf seiner Festung in Sicherheit halten / welches der Maximinæ durch andre wiederumb zugetragen worden; daß sie die Neigung gegen ihn fallen und fahren lassen solte / als erfolgt.
10. Wann der erste Kauffer abstehet / ist mit dem andern leichter zu schliessen / und hatte Adraste / ein gewesener Edelknab bey König Henrich dem dritten in Franckreich / (unter welches Regierung sich dieses begeben) Maximia ehliche Neigung so bald nit verspüret / daß sie nicht der Sache einig / und ohne grosse Begängniß zu ehlicher Verbindung geschritten. Andraste war mit den König in Polen gewesen / hatte grosse Versprechung bey Hof befördert zu werden /und zu Paris zu bleiben / welches alles Maximina benebens seiner Person sehr beliebte / und weil sie Esner nichts schrifftliches versprochen / die Wort aber der Höflichkeit nicht bündig / ist sie ohne ferners Bedencken zugefahren / und hat diesen Andraste geheuratet / bevor Esner dessen einträchtig worden.
11. Als nun alles in möglichster Stille vergangen /und die jungen Eheleute noch zu Bette liegen / schicket Esner seinen Edelknaben zu Maximia / und lässet sie fragen / wie es ihr ergehe / ob sie noch wol auf /und wann es ihr nit zu entgegen / wolle er kommen sie heimzusuchen. Die Kammerdienerin meldet diese Bottschafft der Frauen an / sie lässet den Edelknaben für das Bett kommen / und befihlt ihm / er solle seinen Herrn in ihrem Namen viel gutes vermelden / und ihm dancken / wegen deß freundlichen Angedenckens: Sie habe nunmehr sich geheuratet / [56] und einen Mann gefunden / der noch mit ihr eifern / noch sie in eine Festung gefangen führen werde / sondern zu Paris bleibe; deßwegen er nun eine andere zu lieben suchen könne / und verbleibe sie in Ehren unn Gebühr seine demütige Dienerin / etc.
12. Der Edelknab war über dieser geschwinden Veränderung mehr bestürtzet / als (wie man zu sagen pflegt) über einen Erdbeben / eilt deßwegen seinem Herrn diese böse Zeitung zu bringen / und ihm zu sagen / daß er Andraste den neuen Ehemann in dem Bette bey Maximina ligend sehen. Wie bestürtzt Esner über diese Begebenheit / ist nit wol außzureden: Er gedachte sich zu rächen / wuste aber nit an wem? Andraste hatte ihn nit beleidigt / sondern das Glück so ihm günstig gewesen angenommen: Maximina hat ihn beleidigt / was Ehre aber hat man sich mit Weibern zu rauffen?
13. Nach langen Bedacht schickt er Maximina eine Schalen voll Zuckerwerck / und unter demselben ein Fedebriflein an Andraste / befehlend dem Edelknaben / er solte ihm bedeuten / daß er seinen Theil unter dem Zucker auch finden würde. Andraste / welcher in der Schul der Tapferkeit erzogen war / verstunde die Sprache / liset die Außforderung / wolt sich auch nicht weniger verliebt als ritterlich bezeugen / und findet sich auf den benennten Platz / wird aber von Esner mit zweyen Stössen zu Boden gerennet / daß er den Geist aufgeben / und Esner flüchtig gehen müssen.
14. Hierüber hat sich Maximina so sehr bekümmert / daß sie die Welt verlassen / und den Rest ihrer Tage in einem Kloster zubringen wollen / in welchem sie /nach vielen außgestandenen Kranckheiten den Geist aufgeben / und zu Eingang ermeldte Lehre mit ihrem Exempel bestättiget.
13. Der Falschheit Bestraffung
(XIII.)
Der Falschheit Bestraffung.
Was zuvor von Esner gesagt worden / daß er ein anders versprochen / und viel ein anders willens gewesen / ist eine gemeine Sache zu unsrer Zeit / in welcher fast alle Redlichkeit entwichen / und der Lügen und Trügerey den Platz geraumt. Die Ursach ist leichtlich zu erachten: der Satan der ein [57] Lügner ist von Anfang / hat seine Werck in den Kindern dieser Welt. Ihre Zungen sind zweyschneidige Schwerter /welche tod schlagen die einfältigen und unschuldigen Hertzen / und werden endlich zu gebührender Straffe gezogen / wann sie am sichersten zu seyn vermeinen /wie aus nachgehender Geschichte ein Beyspiel zu ersehen seyn wird.
2. Zu Marsilien hielte sich Nisa / eine schöne Jungfrau und eintzige Tochter Cinthio eines reichen Edelmanns / sie hatte unterschiedliche Werber wegen ihrer Schönheit und Tugend / unter welchen der mit dem schwersten Metall / ich wil sagen / Licidas der reichste / die andern alle weg gewogen / und von Cinthio zu einem Eydem erwehlet worden / dieser Edelmann hatte Mangel an den Augen / daß sein Angesicht fast verstellet war / und deßwegen von Nisa übel angesehen / ungeacht er derselben mit möglichster Ehrerbietung aufdienete.
3. Hingegen truge sie ehrliche und eheliche Neigung zu Selvage einem Edelmann alten Herkommens / deme es ergangen wie den alten Häusern / welche deßwegen übel versehen / weil sie alt und nach und nach von der Zeit zu Grund gerichtet worden. Dieser war von gutem Geschlecht / aber schlecht und arm /weil seine Vorfahren so viel verzehret / daß ihm wenig übergeblieben. Solches aber betrachtete Nisa nicht / sondern liebte seine Person / ob sie gleich von den Gütern deß Glücks entnommen war.
4. Dieses waren die 2. Seitenbuhler der schönen Nisa / deren der eine ihre / der ander ihres Vatters Gewogenheit erlanget / und war zu erwarten / welcher die Braut heimführen würde. Were es nach jrer Meinung gangen / so hätte Selvage gewonnen / aber deß Vatters Wille hielte ihren Willen in Zaum / daß sie verzögerte / was sie nicht unterbrechen vermochte.
5. Cinthio hatte eine Pfleglinge in sein Hauß genommen / von seinem armen Freunde / der ein zeitlang zuvor gestorben / Namens Livia / welche als eine Befreundin für Nisa Dienerin und Gespielin gehalten wurde. Die Armut hatte Livia unter dem Schatten dieser Behausung / als in eine Freystadt getrieben / und aus einer armen Magd in einen leidlichen [58] Stand gesetzet / daß sie Ursach gehabt / sich darmit zu begnügen / und ihr Wolthäterin nicht zu betrügen / wie folgen wird.
6. Diese Livia muste wissen / was mit Licidas und Selvage vorgienge / und ware sie von Cinthio befehlt / Nisam zu bereden / daß sie ihren Eltern gehorsamen / und Licidas heuraten solte. Licidas und Selvage aber gaben ihr beede Gelt / sie solte auf ihren Wege seyn /und versprache sie allen dreyen Theilen zu dienen. War sie bey Nisa / so redete sie übel bey allen beeden / und verhoffte einen oder den andern für sich darvon zu bringen. War sie bey Cinthio / so klagte sie über Nisa / daß sie ihren Bitten und Vermahnungen nicht statt geben wolte: War sie bey Licida / so redete sie übel von Selvage / und bey Selvage übel von Licida.
7. Diese listige Livia gleichet dem Raben in der Fabel / welcher den Wolff und den Hund miteinander zancken sahe / und sich darüber freute / weil er verhoffte / es solte einer oder der ander erbissen / und ihm zur Speise werden: Es hat sich aber der Hund mit dem Wolff verglichen / unn ist deß Raben Hoffnung zu schanden worden. Also ergange es fast dieser Livia auch / in dem sie die Rechnung machte; Licidas nimmet Nisa / so ist Selvage mein: oder Nisa nimmet Selvage / so ist Licidas mein.
8. Nisa bittet ihr Gespielin Liviam sie soll ihr doch bey Cinthio das Wort sprechen / daß er ihren Willen nicht zwingen wolte / und betrachten daß sie Licidas nicht lieben könte / ob er gleich reich; hingegen aber sich mit Selvage / welcher adelich und arm / wol begehen würde / etc. Livia versprache ihre Dienstleistung / und ihr Verlangen äussersten Vermögen zu fördern / hatte aber nichts weniger in willens.
9. Als nun Cinthio mit Livia zu reden kommet /verbirgt sich Nisa hinter die Tappeten / und hörte wir Livia ihrem Versprechen zuwider / ihre Verheuratung mit vielen falschen Vorgeben zu hintertreiben gedencket / daß Nisa erzörnet / sich nicht länger verbergen kan / und hervor springt / dieser Doppelzünglerin die Augen außzukratzen / daß Cinthio Fried bieten / und dieser Zweykampff unterkommen musste.
10. Hierdurch wurde der Livia Falschheit eröffnet /und [59] sie aus dem Hauß gejaget. Nisa aber liesse sich bereden / daß sie sich zu Folge ihrer Eltern Willen /an Licidas ehelich ergabe / und Silvage sahe sich von der Livia Versprechen betrogen / vermeinend Ursach zu haben / sich an ihr / nach der Italiäner Art / zu rächen. Wie aber?
11. Er lässet ihm ein grosses Messer schleiffen /verwartet sie Nachts / und schneidet ihr eine Schrammen über das gantze Angesicht / daß sie die Zeit ihres Lebens diese Bestraffung ihrer Falschheit / tragen müssen / und war dieser Schnitt also beschaffen / daß er die Zunge verletzet / und den Mund von einem Ohr biß zu dem andern ergrössert. Solcher Gestalt ist sie gestraffet worden / mit dem sie gesündiget hat.
12. Diese Geschichte beglaubet das Sprichwort /welches saget: Untreu trifft seinen eignen Herrn / und redet der königliche Prophet David wider niemand öffter / als wider die falschen Zungen / die Gott und Menschen ein Greuel / und haben gewißlich solche Leute den Glauben verlaugnet / in dem sie ihren Trug und Verrähterey nit nur für den Menschen / sondern auch für Gottes Augen zu verbergen vermeinen / oder sich selbst fälschlich bereden / daß ihm Gottloses Wesen gefalle / welches beedes straffwürdig ist.
14. Das großmütige Vertrauen
(XIV.)
Das großmütige Vertrauen.
Wie das Weisse neben dem Schwartzen heller scheinet / und eine schöne Jungfrau unter den ungestalten lieblicher anzuschauen; also leuchtet die Tugend neben den Lastern. Diesem nach wollen wir der vorbesagten Falschheit und ihrer Bestraffung entgegen setzen die großmütige Treue / Glauben und Vertrauen / mit ihrer Belohnung.
2. Zu Zeiten Henrich deß Vierten / deß so wol in Worten als Wercken / grossen Königs in Franckreich / hat sich begeben / daß die Uneinigkeit wegen der Religion den Brand deß Kriegs in alle Landschafften gestecket / und die Gemüter der Brüder und besten Freunde entzweyet. Zu jetzt ermeldter Zeit war ein Edelmann in Bretagne / Theonas genannt / [60] eine Festung von dem Printzen anvertraut / daß dardurch die gantze Landschafft sich wider den König zu entpören gezwungen.
3. Dieser Theonas hatte einen Sohn / den wir Salvium nennen wollen / welcher seine Tapferkeit zu erweisen / auf die Königischen Völcker vielmals ausgefallen und gute Beuten eingebracht: Mars und Venus sind zween Planeten / welche sich wol zusammen finden / und junge Krieger / geben alte Kriecher / wann sie mit Kranckheiten / so theils von Ungemach der Waffen / und theils von dem Wollust der verbulten herkommen / überwunden und zu Boden gerichtet werden.
4. In bedeuter Stadt wohnte auch Arcadius / ein alter Soldat / von geringen Mitteln / der hatte eine Pfleglinge / Lyonelle oder Löwine benamt / eine Tochter seines verstorbenen Bruders / welcher dieser einigen Tochter grossen Reichtum hinterlassen. Ihr Nam war dem Gemüt nit ungleich / welches ein schönes und fast männisches Angesicht beglaubte. Diese Heldin und Huldinne wurde von Salvio dem tapffern Rittersmann bedient / der die eheliche Treue zu Belohnung verhofft / allermassen auch Lyonelle nicht weniger Gegenliebe verspüren liesse / und kunte sie keine grössere Ehre verlangen und erlangen / als mit deß Obersten Sohn vermält zu werden.
5. Der Handel hatte auch erwarten Außschlag gewonnen / wann nit Arcadius solchen unterschlagen /weil er der Pflegtochter Güter in Handen / und nach Gebrauch der bösen Gerhabere ihr bestes suchte /welches ihm durch ihre Verheuratung aus den Händen würde gewunden werden. Solches konte der Lyonella nicht verborgen seyn / und machte sie leichtlich die Rechnung / daß ihr Vetter keinen Mann für sie suchen würde / wann sie nicht selbsten darnach trachtete.
6. Als nun die Werbung angebracht wird / gibt Arcadius zur Antwort / seiner Pflegtochter Vermögen sey also beschaffen / daß sie dergleichen Gedancken noch nit haben könte / zu dem wollen die Kriegsläufften nicht zulassen / daß man die Jungfrauen den Soldaten verspreche / deren Glück eine böse Viertelstund fällen könne / etc. Also wurde die Sache [61] auf die Harre gespielt / und auf ungewisse Zeit ausgestellet.
7. Zu diesem fügte sich noch eine andre Hinterniß /daß nemlich dem Arcadio / als einem versuchten Soldaten von dem Printzen eine Stadt anvertrauet wurde /in deren Festung oder Schloß Zoticus Oberster war: Dahin führte Arcadius seine Pfleglinge / und sein gantzes Haußwesen. Die Abraise war eiligst angestellet / und daß die beeden verliebten sonder Abschied voneinander geschieden / welche doch die Hoffnung wieder zusammen zu kommen etlicher massen getröstet / ob sie wol solcher keine Ursach andichten noch derselben Zeit und Gelegenheit ersehen kunten. Die Unbeständigkeit der Jugend / welche nicht weiter dencket als sihet / hielte beede in beharrlichen Furchten.
8. Der Printz wolte daß diese beede Obersten des Schlosses und der Stadt / miteinander in gutem Vernehmen bleiben solten / weil ihm an diesem Platz sehr viel gelegen / und durch ihre Uneinigkeit leichtlich könte gefähret werden. Zoticus hatte bey sich einen jungen vom Adel von altem Herkommen / welcher in Kriegssachen solte unterrichtet werden. Diesen ersahe Lyonelle / und solte seine Verheuratung mit derselben / das Band seyn der Einigkeit / zwischen gedachten zweyen Obersten; Gestalt darunter gehandelt / und beederseits Freundschafft darein zu willigen nicht abgeneigt.
9. Lyonelle sihet dieses Wetter von ferne / und schreibet Salvio in was Gefahr sie stünde / wann er nicht kommen und sie retten würde. Durch dieses großmütige Vertrauen wurde deß jungen Rittermanns Liebe noch brünstiger / daß er keine Gefahr sich aufhalten lassen / seiner Liebsten Befehl zu gehorsamen. Wie aber?
10. Der Ort war 10. oder 12. Meil Wegs entlegen von der feindlichen Besatzung / dahin Salvius zu raisen hatte / deßwegen er wegen Eil und Sicherheit die Nacht erwehlete / und unter Wegs von einer andern Feindsparthey nach gethaner Gegenwehr sich gefangen geben muste. Floris der Oberste in selber Festung hielte ihn nicht als einen Feind / sondern als einen Gast / mit aller Höflichkeit und Ehrerbietung / [62] vermerckte aber wol / daß Salvius Traurens voll / und wurde von seinen Dienern berichtet / wie er die gantze Nacht mit Seufftzen und Klagen hingebracht.
11. Als ihn nun Floris hierüber besprochen / und ihn sein Anliegen zu eröffnen mit vieler Höflichkeit gebetten / hat er dieses Innhalts geantwortet: Das Glück ist wol blind zu nennen / wann es mich durch die Gefangschafft bey einen so tapffern und höflichen Rittersmann betrüben wil / dessen Lob durch deß Gerüchts Trompeten aller Orten erschollen. Was mir heut widerfahren / kan allen andern redlichen Soldaten morgen auch begegnen: Den Tod hab ich mehrmals ohne Schrecken unter Angesicht gesehen / so hab ich auch bey meines lieben Herrn Vattern Lebszeit / von Gelt und Gut nichts zu verliehren: Ich bin noch kranck noch verwundet an dem Leib / aber mein Hertz ist verletzt / gefangen / und in dieser Sicherheit gefährt / das zu verliehren / was mir in dieser Welt das liebste ist / etc.
12. Nach dem nun Floris alle Umstände befragt /erzehlte ihm Salvius aus großmütigem Vertrauen /was ihm Lyonelle geschrieben / weiset ihm die Briefe / und benetzet dieselbe mit vielen Thränen / welche mit Recht das Blut der verwundten Hertzen können genennet werden / und von den Augen rinnen / als durch welche solche Wunden geschlagen worden. Floris hatte in seiner Jugend der gleichen Anfechtung gehabt / und bedingte mit Salvio 200. Kronen Lößgelt / stellet ihn aber alsbald auf freyen Fuß / und begnüget sich an seiner gegebenen Treue / sich in 14. Tagen wieder zu stellen / darfür ihm Salvius nicht sattsam dancken kan / und gibet ihm Floris etliche Reuter zu / die ihn biß an deß Feindes Schildwacht sicher geleitet.
12. Salvius ist so bald nicht angelangt / daß solches Lyonelle erfahren / ihm Gelegenheit gegeben mit ihr unterrede zu pflegen / und entschlossen mit ihme zu entfliehen: jedoch daß Salvius zuvor schwören müssen / sie nicht zu berühren / biß sie im Beywesen ehrlicher Leute / miteinander / nach Christlicher Gewonheit / getrauet worden / wie er auch gethan und gehalten / deßwegen diese beeden keuschverliebten Glück und Heil nachgefolgt. Lyonelle ziehet sich besser zu bergen Mannskleider [63] an / und fliehet mit Salvio / nimmet mit sich ihren Schmuck / bey tausend Kronen wehrt / und weil die bestimmte Zeit deß Salvij Widerkunfft in Floris Festung herbey nahete / wolte Lyonelle sich mit ihm in der Gefängniß einstellen /und ihren Schmuck zu dem versprochenen Lösegelt darbieten / welchen aber Floris nicht annehmen wollen / sondern aus großmütigen Vertrauen beede Verlobte und Verliebte loß / und sie zu ihrer Trauung sicher begleiten lassen.
14. Arcadius und Zoticus wurden über dieser Flucht klagbar bey dem Printzen / kunten aber keinen Verhülff haben / weil zu befahren / Theonas und Salvius möchten sich in deß Königs Schutz begeben. Zoticus und Palestre / der Lyonelle vermeinter Hochzeiter / wolten Theonas und Salvium fordern lassen /wurden aber von dem Printzen verhindert / und muste Arcadius seinen Willen zu Lyonelle Verheuratung geben / welche Ursach gewesen / daß Theonas Stadt /durch Floris wider unter deß Königs Gehorsam gebracht worden.
15. So mächtig ist das Vertrauen bey den Großmütigen / hingegen aber ist das Mißtrauen eine Quelle der Verrätherey. Großmütig und höflich ist mehrmals beysammen / wie im Gegenstand Unhöflichkeit von dem tyrannischen Pövelvolck gehegt wird. Die Großmütigkeit wird füglich verglichen mit einer stählen Klingen / welche sich beugt / aber nicht bricht / und ist diese Heldentugend bey unsrer verderbten Kriegszucht fast selten / deßwegen auch so viel mehr zu růhmen und zu beobachten.
15. Die vergoltene Treue
(XV.)
Die vergoltene Treue.
Etliche Erzehlungen können unter einem Titel stehen /gleich wie alle Tugenden gleichsam an einer Ketten hangen / deren jede ein absonderliches Glied machet /und im Gegensatz auch ein Laster an dem andern hanget / massen hiervon Meldung zu finden / in dem CCLXXXI. Gesprächspiele / da ein jedes in der Gesellschafft einen absonderlichen Titel über die Geschichte vorschlägt / und in [64] dem CCLXXII. Spiele /sechs Erzehlungen unter dem Titel Gespenster beygebracht worden. Wie aber ein Unterscheid an der Zahl und dem Innhalt; also bemühen wir uns auch die Titel zu ändern / daß keiner zweymahl in dem gantzen Werck vorkommen soll / massen auß erstbesagter und folgender Begebenheit zu ersehen seyn wird.
2. Florus und Hyacintha / Veris Sohn und Tochter /waren in aller Dürfftigkeit geboren und erzogen / jedoch von Jugend auff zu der Tugend und allem guten angewehnet / daß diese mit Lyonelle / jener mit Salvio / dessen wir zuvor gedacht / etlicher massen eine Vergleichung haben mögen. Veris hielte sich in seines Herrn Hause / und wurde ihm und seinem Weib viel anvertraut. Nach dem nun seine Kinder erwachsen /erlangt er die Verwaltung seines Schlosses / und derer darzu gehörigen Burgerschafft / welche er mit solcher Teue versihet / daß sein Herr und er Gottes Segen reichlich verspührten.
3. Florus deß Veris Sohn gehet seinem alten Vatter zu der Hand / und verhält sich wohl / daß ihm nach seligem Absterben seiner beeden Eltern die Verwaltung anbefohlen wird. Seine Schwester hielt ihm Hauß / und war nichts geringes an ihr zu sehen / als die Bekleidung / dann ihr Angesicht so wol gebildet /ihr Verstand so klug geartet / und ihre Reden so schicklich / das wenig Jungfern in den Stätten dieser Hyacintha gleichen möchten.
4. Die Tugend ist eine Flamme / welche sich nicht bergen lässet / sondern auff alle Begebenheit herfür leuchtet / und sich verwundern machet. Nicht wenig Liebhaber fanden sich um dieses Bild / und verwundete solches auch Calpurnium / den jungen Edelmann / dessen Verwalter Florus war. Die Heilung solcher Schmertzen war nicht zu hoffen / weil das Eheband zwischen so ungleichen Personen keines Wegs zu bemitteln; sondern suchte Calpurnius Gelegenheit mit dieser Dirne sündlich zuzuhalten / und unterliese keine Weise noch Wege / welche er zu seinem Verlangen vorträglich erachtete.
Hyacintha vermerckte auß ihres Herrn Worten /was [65] er böses in dem Sinne / und bittet deßwegen ihren Bruder / diesem Beginnen Rath zu schaffen /unnd angetraute Gewaltthätigkeit zu unterbrechen; massen der Edelmann die Löwenhaut anziehen wollen / als er mit dem Fuchsbalg nichts erhalten können / ob er wol Hebin Flori Haußknecht / zu Beförderung seiner Liebe erkaufft / der die Hyacintha zur Ungebühr zu verleiten / fleissig und emsig bemühet war.
6. Florus wurde bey so beschaffenen Sachen beweget / seine Schwester auff eines Edelmans Schloß in die Nachbarschafft zu flehen / da sie eine edle Frau in ihre Beschirmung angenommen. Hierüber wurde Calpurnius in Zorn so betrübt / daß er Florum von dem Dienste geschaffet hette / wann er allein zu gebieten /und er seinen Vatter nicht fürchten müssen; Deßwegen spannt er andere Saiten auf / und gibt für / es solle Hebin Hyacintham freyen / und sprache deßwegen dieser Kupler Florum an / und solches mit so verdeckter List / daß der gute Mann vermeint es seye Ernst / und were die Gelegenheit der Hyacintha wol anständig.
7. Hyacintha aber wolte diesem Schwetzer keinen Glauben zustellen / sondern bate Florum / er solte ihm einmal für allemal das Neinwort geben / und daß sie keine Neigung sich zu verehlichen / vorwenden /wie er auch gethan. Hebin hielte diesen Korb für eine Verachtung und Schande / so er nicht könne ungerochen lassen / und bedraut Florum / der sich aber vor seinen Worten keineswegs entsetzte / und den Angriff erwarten muste.
8. Nachdem diese Senne an Calpurnij Bogen auch nicht halten wolten / und Hyacintha in einer Freystatt / darvon sie nicht zu bringen / besinnet er eine andre List / und vermeint sie in dem Feld anzutreffen / und darvon zuführen. Als ihm dieses auch mißlungen /und wegen andrer die darzu kommen / Hyacintha sich auß seinen Händen mit der Flucht gerettet / bittet sie ihren Bruder Florum / sie in Manns-Kleidern davon zuführen / welches er auch / nachdem er sein geringes Vermögen zu Gelt gemacht / gethan und mit ihr auff Namur / [66] von dar nach Bastogne in das Lützelburger Land entwichen.
9. GOtt / der sich der unschuldig-verfolgten annimmet / schickte daß Florus von Sylvester / einem Grafen / für einen Kammerdiener angenommen wird / und Hyacintha für einen Edelknaben / da sie sich redlich und fleissig verhalten / daß Sylvester ein gnädiges Belieben ob ihren Diensten gehabt / und begabe sich eine Gelegenheit ihre Treue absonderlich zu beglauben / unnd noch mehrere Gnade zu erlangen / folgender Gestalt.
10. Sylvester wolte seine Kinder Ardeliam und Olanum an Herman und Bertham / Leandri Sohn und Tochter verheuraten / und hatte die Sache auf der andern Seiten bey den Eltern vergewissert / und von sei nem Sohn / der ein Soldat / und den rechten Schenckel im Kriegswesen verlohren / unnd seiner Tochter schuldigen Gehorsam erwartet. Olanus aber und Arthelia wolten nicht darzu verstehen / wegen unterschiedlicher Ursachen. Ob sich wol hinckende Herman alle Tritte seiner Tapferkeit erinnerte / und solches Ehrenmahl in seines Königs Diensten erlangt; so wolte doch die Artelia keinen hinckenden Mann haben / und solcher Wahn wurde von Tage zu Tage in diesem schwachen Werckzeuge stärcker: Olanus hatte einer andern sein Hertz ertheilt / und war deßwegen nicht fähig Bertham zu lieben nemlich Cicilia einer edlen Jungfrauen / deren Schönheit in seinen Augen /allen andern vorzuziehen; weil sie aber nicht reich genug / wolte sein Vatter nicht zugeben / daß er sich mißheuraten solte / böse Tage unnd gute Nächte haben.
11. Hierunter wurde nun Tigarin (also nennet man Hyacintham in deß Edelknaben Gestalt) gebraucht /eines Theils von dem Vatter / er solte den Olanum von der Cicilia zu der Bertha wenden; und theils von dem Sohne / besagter Cicilia Huld zu erlangen. Tigaris der geglaubte Edelknab / wolte noch einen noch den andern erzörnen / sondern verhielte sich so bescheiden / daß der Vatter wol vermerckte / wie er [67] seinem Befehl gehorsamte / und der Sohn dir Ursachen /so Tigaris wider seine Neigung angeführt / für giltig achten muste.
12. In dem nun Tigaris oftmals zu Cicilia geschicket wurde / und seinen Befehl mit angenehmer Höflichkeit abgelegt / verliebte sich Cicilia in Hyacintham / und lässet von Olano ab / welches er zu hinterbringen / und ihn mit Umständen zu erzehlen nicht unterlassen / dardurch auch die Liebesflamm gegen dieser Jungfer erkalten machen / und seinen Bruder Florum / der ihr an Gestalt und Schönheit nicht gar ungleich / an ihre statt zu stellen / als welchem sie zu einem Weibe reich genug gewesen.
13. Benebens diesem Streit von aussen / hatte Hyacintha der liebliche Edelknab dergleichen Anligen zu Hause / in dem ihn Ardelia nicht minder als Cicilia liebte. Dieses eröffnete Hyacintha ihrem Bruder Floro / und auf dessen einrathen Silvestre / welcher gebetten / er solte Bertham bereden / daß sie von ihm ablasse /unnd ihre Liebe auf Herman wenden solte. Solches außzuwürcken hat Tigarim der Bertha eröffnet / daß sie ihres Geschlechts und eine Weibsperson were /deßwegen sie ablassen / und hingegen den tapfern Herman lieben solte / wie auch erfolgt.
14. Nach dem nun Tigarim in Hyacintham verwandelt worden / hat sich Lucio ein Edelmann in der Nachbarschafft gefunden / der seiner Eltern neulich beraubt / zu seinen vogtbaren Jahren kommen / vnd nun eigenes Willens worden. Dieser lobte und liebte Hyacintha schönen Verstand / begehrte sie an jhren Bruder Florum / und steurte sie Silvester / wegen wol geleister Dienste reichlich aus / nach dem sie nemlich allerseits verstanden / auß was Ursachen sie Mannskleider anzuziehen gezwungen worden.
15. Also hat Hyacintha den Ehrenlohn der Zucht darvon getragen / uns zu lehren daß die Tugend endlich überwindet / und die Treue welche man in Diensten erwiesen / durch sonderliche Schickung GOttes reichlich vergolten werde: Wann sich aber Hyacintha zur Ungebühr verführen hätte lassen / were sie ohne allen Zweiffel zu Schand und Spott [68] worden / und hätte vielleicht in Armut und Elend ihr Leben verschliessen müssen.
16. Der erdichte Todsfall
(XVI.)
Der erdichte Todsfall.
Recht sagt jener Altvatter / daß der Streit wider die böse Begierden des lüstenden Fleisches alltäglich /der Obsieg aber selten erhalten werde. Die Jugend /welche ins gemein fleischlich gesinnet ist / lässet sich von ihren sündlichen Neigungen dahin verleiten / daß sie auß dem Laster eine Tugend zu machen pflegen: welche aber ihr Gefäß rein behalten / und nit verunehren / als einen Tempel Gottes / wie der Apostel redet /denen gehet ihr Liebe wol hinauß / da die andern ihr Ungebühr zu spat bereuen. Dieses nothwendige Lehrstück haben wir an Hyacintha gesehen / und soll auch ferners / durch nachgesetzte Erzehlung beglaubet werden.
2. Tarpano ist eine Statt an dem Meer gelegen in Sicilia / welche einen guten Hafen hat / und zu der Kaufmannschaft sehr bequem ist. In dieser waren zween reiche Bürger wonhaft / Namens Americ und Mosco / welche so vergallte Feindschaft gegeneinander geübet / daß sie ihre Freunde auf keinerley Weise haben vergleichen können. Wie aber der Kinder Seelen unmittelbar von Gott eingegossen werden / also sind sie der Eltern Neigung nicht allezeit anhängig /aber derselben Laster unterworffen / wie auch hier Emilio Americis Sohn / Septimiam deß Mosco schöne Tochter brünstig geliebet / ob er zwar selbe nur sehen / niemals aber / wegen ihrer Eltern beederseits Todfeindschafft / mit ihr reden können. Septimia hingegen war Emilio nicht abgeneigt / und suchte Gelegenheit sich ihres Wahns / den sie wegen dieses Freyers Liebe gegen sie gefasset / zu versichern.
3. Endlich haben diese beede durch Zeichen und Schreiben einander zu erkennen gegeben / daß die Vereinigung ihrer Eltern / durch ihre Verehlichung bester massen könte zu Werck gerichtet werden; gestalt zu solchem Ende Gott ihre Hertzen zu ehrlicher Liebsneigung aus sonder Schickung bewogen / [69] unnd daß beederseits Güter hierdurch vereiniget / unnd alle Strittigkeit / so darvon erwachsen / aufgehoben werden könte.
4. Ihre Liebes-Flamme war lange Zeit unter den Aschen der Verschwiegenheit verborgen / doch sahe man etliche Füncklein der Verliebten Augen blincken / und wurde der Eltern Zorn / wider ihre Kinder dardurch brünstigst angefeuret. Erstlich thäten sie beederseits denselben ernstlich Verbott / alle Kundschafft zu unterlassen: Die Liebe aber / welche so starck ist /als der Tod / kunte die Wort leichtlich überwünden /unn auf viel listige Weise Brieffe und Beschenckungen wechseln; dann wie der Eltern unverschuldter Fluch ohne Würckung ist / also findet auch ihr ungerechtes Gebot keinen Gehorsam.
5. In dem nun diese verliebte Hertzen lieber dem Gott der Freundschafft als Feindschafft opffern wolten / werden sie von den aufgestellten Außspähern ihrer Eltern verkundschafftet / und Emilio in ein Gefängniß / wie auch Septimia in einen alten Thurn / als ob beede Vätter solches mit einander abgeredet / zu gleicher Zeit geleget; damit alle Unterhandlung abgesondert / und unterkommen werden möchte.
6. Ist die Liebe ein Feuer / das sich in den Schweffelstrimigen Kiselsteinen bergen kann / so wird es auch wol durch die Mauren einer Gefängniß dringen. Beede Vätter beworben sich ihre Kinder mit guten Heuraten zu versorgen. Americ lässet Emilio etliche vorschlagen / und bedeuten / daß solche der Ausgang seiner Verhafft seyn könne / er lachet aber dieses Vortrags in seinem Hertzen / und hat so viel Verstands /daß er wol ein andere Thier zu finden verhoffet.
7. Auf der andern Seiten gebrauchte sich Mosco noch einer grössern Tyranney / in dem er nach vieler Vätter Gebrauch / seine Tochter versprochen / bevor er ihr ein Wort darvon gesagt / und den künfftigen Ehegatten vorstellig gemacht: denselben aber hat er gewehlet nach der Sonnen der Finsterniß guldnen Stralen; ich will sagen / nach dem Reichtum / und war der Septimia künfftiger Hochzeiter ein alter Gauch welchen das Alter so ungestaltet / daß er vielmehr eine Artzney [70] wider die Liebe / als die Ursache derselben genennet werden mögen.
8. Als nun Mosco mit seiner Tochter hiervon redet / als von einer geschehenen und richtig abgehandelten Sache / wider welches sie nichts zu sprechen / bricht sie herauß und spricht: Wann mich dieser Alte / ohne mich / nehmen kan / so muß ich ihm zu theil werden /wann ich aber ein Wort darzu sprechen soll / so werde ich nein sagen / und weil er so alt und stinckend / als ein Todengrab / sol er mich nicht haben / als in dem Tod. Mit dieser Antwort wurde Mosco von der beständigen Septimia abgefertiget / uneracht aller Widerrede / Bedrauung und Schläge / deren sich der Zornige Bößwicht nicht enthalten mögen.
9. Es machte aber Mosco die Anstellung zu der Hochzeit einen weg als den andern / und gedencket sein Kind zu schuldigem Gehorsam zu bezwingen. Dieses hörte Emilio in dem Gefängniß / und erwünschte die Freyheit / mit so viel mehrerm Verlangen / als er beförchten muste Septimia liesse sich endlich den Gewalt überwinden; eilte dewegen Dromede seines Vattern Knecht / der täglich zu ihm geschicket wurde / mit Versprechen und Geschencken zu gewinnen / daß er ihm zu seiner Freyheit behülfflich seyn solte.
10. Emilio stellet sich / als ob er an dem Seitenstechen schmertzlichst darnieder läge / und eines Artzney Verständigen vonnöthen hätte / welcher ihm auch alsobald zugesendet wurde. So bald er in das Gefängniß kommt / ziehet ihm Emilio und Dromede seinen langen Rock ab / und nötigten ihn / daß er sich stillschweigend in das Bette legen must. Emilio hatte ihm einen falschen Bart bringen lassen / mit welchem er sampt dem Rock dem Doctor gleich verstellt / auß der Gefängniß entkommen.
11. So bald nun Emilio erledigt / bringt er ein Geschrey aus / daß er sich auf das Meer begeben / und nach Rom abgesägelt. Inzwischen aber lässet er einen Goldregen auf die Thür der Gefangenen Septimia trieffen / und durch denselben ein Briefflein / in welchem er seinen Zustand eröffnet / und [71] wie die Sache durch einen Schlafftrunck ferner anzustellen / berichtet / etc. Schicket ihr auch nach etlichen Tagen denselben zu / welcher / als ein Schlüssel / ihre Gefängniß eröffnen solte.
12. Septimia lässet ihren Vatter ruffen / nimmet in seiner Gegenwart das Träncklein / und sagt / daß sie ihr / wegen seiner verübten Tyranney / Gifft bey gebracht / und ihre Freyheit durch den Todt bald erlangen werde. Mosco wolte ihr durch Artzney den Gifft wider vom Hertzen treiben / sie wolte aber nichts mehr über die Zunge lassen / sondern fiele als todt in einen sehr tieffen Schlaff. Als nun Mosco solches gesehen / hat er sie in der Stille in das Grab legen lassen / welches ein Gewelb und von Emilio deß Nachts eröffnet / daß sie also von den Todten errettet / in einem Schiffe nach Venedig abgefahren / da sie sich mit einander trauen lassen.
13. Jederman hält Septimiam für todt / und Emilio für verlohren; ihn aber drange die Noth / daß er in Sicilien abraisen / und Lebensmittel zu holen benöthiget war. In dem starbe Mosco jähen Todes / daß er seinen letzten Willen nicht ordentlich verfassen konte; deßwegen die schöne Septimia nach Tarpano wider kommen / und gleichsam auß dem Grabe aufferstanden /doch dergestalt / daß sie von jhren Freunden noch wol erkant worden / welche von der Warheit überzeugt /sie für die rechte Erbin halten musten / Emilio wegen begangenen Jungfer-Raubs hefftig anklagten.
14. Dieser gesellet sich zu Americ / welcher nicht zulassen wolte / daß solche Verlobniß ohne sein Verwilligung bindig / und ihn deßwegen zu enterben bewogen wurde. Emilio aber und Septimia fallen dem Königlichen Statthalter zu Füssen / und erlangen die Gnade / daß Septimia uneracht ihrer Freunde widersetzen / in Besitz ihrer vätterlichen Verlassenschafft gelangt / die Enterbung Emilio auch für nicht erkennet worden.
15. Entlich zahlt Americ auch die Schuld der Natur / und verzeihet / auff vorhergehendes Zusprechen /seinem Sohn Emilio und desselben Weib / daß also die Feindschafft zwischen [72] den zweyen Häusern auff gehoben / und ihre Güter und Gemüter völlig gesammt vnd vereiniget worden.
16. Es ist dieses ein sonders Exempel der beständigen und ehrlichen Liebe / die alle Gefahr überwindet /wann sie zu einem guten Ende ziehlet. Die Eltern welche ihrer Kinder Willen / wider Gebühr zwingen / erleben selten Freude an ihnen / verursachen aber viel Hertzenleid / und müssen doch endlich geschehen lassen / was Gott will. Daher der alten Teutschen Sprichwort sagt: Die Ehen werden in dem Himmel beschlossen / und auff Erden vollzogen: Was mir Gott gönnet kan mir S. Peter nicht nehmen.
17. Der Schönheit schöner Todt
(XVII.)
Der Schönheit schöner Todt.
Die Schönheit / welcher in vorgesetzter Erzehlung Meldung beschehen / ist eine Gabe / welche die Weibspersonen so hoch als ihr Leben achten / viel wünschen nicht längere Jahre / als in welchen sie solcher Beschenckung der Natur prächtigst geniesen /und wollen lieber todt als ungestalt seyn. Eine Kranckheit oder das Alter / welches sie um ihre Schönheit bringt / ist niemals willkomm / weil sie wissen / daß über den schönen alten Weibern die weissen Raben fliegen; ich will sagen / daß solche ohne Wunderwerck nicht anzutreffen. Die Lentzenjahre verschleussen mit der Kindheit / der Sommer inbrünstiger Liebe / das reiffere Alter weiset zwar einen lieblichen Herbst / der Winter aber ist keines Schminkens fähig / welchen die Runtzel nicht solten überwinden / und die trieffenden Augen nicht abwaschen. Alte Spiegel sind den alten Weibern falsch / und fragten sie gerne: Weß ist dieses Angesicht / wann sie dann sehen müssen / daß solches ihnen zustehet / so möchten sie das unhöffliche Glaß gern lügen straffen /und zu Stucken werffen.
2. So vielmehr war zu loben Portiana Eutichi eines Edelmanns Eheweib / welcher seine Güter zu Lehen truge von Crescentian einem Hertzogen in Catalonien. Eutichus / ein verständiger Mann / setzte kein Mißtrauen in sein Weib / ob sie wol von ihrer sehr vielen / wegen ůbertreflichen Schönheit / gehöfelt wurde.
[73] 3. Crescentian der Hertzog verliebte sich in diese schöne Vasallin / oder Unterthanin / und sparte noch freundlicher Wort / noch freygebige Beschenckung /diese ehrliche Frau zu verunehren. Er gelobte ihren Mann zu hohen Diensten zu befödern / ihre Güter zu mehren / ihre Kinder zu versorgen / und im Ende zu thun / was ihm befehlen würde. Diesem allen wolte sie kein Gehör geben / sondern beantwortet so gnädiges Anerbieten mit demütiger Bescheidenheit / daß der Hertzog je mehr und mehr enzündet wurde.
4. Als er nun mit gutem nichts richten kunte / ziehet er stärckere Seiten auff / und drauet / daß er mit Gewalt nehmen wolte / Was sie ihm mit Willen zu ertheilen versagte / und nach dem sich dieser Löw sehr grimmig gestellet / ist sie entsprungen / und hat ihre Schönheit die Ursach solcher Gefahr aus dem Weg geraumet. Wie aber?
5. Sie wäschet das Angesicht mit Scheid- oder Kupferwasser / und machet es blattericht und verbrennt / als ob sie den Aussatz gehabt / daß sie mehr ein Artzney wider die Liebesbrūst als desselben Entzündung seyn können. Crescentian hatte ein Abscheuen für ihr / und seine unziemliche Flammen sind mit diesem Wasser außgelöschet / oder ja von Portiania geschieden: Hingegen aber hat er dieses Tugendweib sehr gerühmt / und was er versprochen / einen als den andern weg vollständig gehalten: ihren Mann befördert / ihren Kindern Unterhalt verschafft / und sich nicht als ein Oberherr / sondern als ein getreuer Freund gegen sie verhalten; welches alles / wann sie in sein sündliches Beginnen verwilliget / wol verblieben were.
6. Ihr Mann liebte auch deßwegen nit minders ihr schönes Gemüt / welches unter dem heßlichen Angesicht herauß geleuchtet / und von ihm schätzbarer geachtet wurde / als zuvor die leiblich-liebliche Gestalt: er erfreut sich täglich / wann alle / die von dieser That gehört / sie zu schauen kommen / und beede glückselig gepriesen / in deme sie eine so friedliche Ehe besessen / die das Tugenband mit einer so löblichen und weiblichen Helden-That verknůpffet.
[74] 7. Diese Nachfolge solte vielen schwer unnd unthunlich fallen / massen die entfliehende Eitelkeit dergestalt wehrter gehalten wird / als sie nicht ist. Ein jeder Tag bricht eine Blum von solcher Zier / und kan ihre Tyranney nicht lang dauren / weil sie meinst in dem Wahn bestehet / und noch der Zeit keine Jungfrau gefunden worden / die allen und jeden wolgefallen. Gleich wie Gott straffet / welche sich ihrer Schönheit übernemen / also begnadiget er auch die jenigen / die solcher zu sündigen nit mißbrauchen. Hiervon ist viel zu lesen in den Gesprächspielen und sonderljch in dem XIII. und XX.
18. Der kindliche Gehorsam und Vngehorsam
(XVIII.)
Der kindliche Gehorsam und Vngehorsam.
Merckwürdig ist / daß unter allen Gebotten GOttes nur das vierdte die Verheissung hat / daß dieselben Nachkommen lang leben sollen auf Erden; darauß zuschliessen / daß GOtt die jenigen deß Lebens unwürdig achte / welche ihren Eltern schuldigen Gehorsam nicht erweisen. Dieses wollen wir in einem doppelten Gemähld vorstellen / daraus zu ersehen seyn wird /die Erfůllung erstermeltem Göttlichen Gebotts.
2. Ein sehr reicher und vornehmer Herr in Franckreich hatte sein Vermögen in freyen und starcken Händen / als der längst seine vogtbare Jahr überschritten / und erwiese in allen seinem Thun / daß niemand mit besserm Recht Reichthum besitze / als welcher denselben mit Verstand handhaben kan. Unter andern Tugenden hielte er seine betagte Mutter in grossen Ehren / und wuste nicht genugsam demütige Wort unnd Geberden zu finden / seine Unterthänigkeit zu erweisen. Er sagte mehrmals zu ihr wie Salomon zu Bersaba: Bitte / meine Mutter / ich will dein Angesicht nicht beschämen / und soltestu die Helffte meines Königreichs bitten: befahle auch seinem Rentmeister / er solte ihr verabfolgen lassen / was und wie viel Geldes sie begehren würde.
[75] 3. Als diese Mutter einsten von ihrem Sohne ein gewisses Gefäll zu ihrem Unterhalt begehrte / hat er ihr solches versagt / weil sein gantzes Vermögen /und nicht nur desselben so geringer Theil in ihren Händen / und zu ihren Diensten stünde. Er hat zu Zeiten bekennt / daß er seine Frau Mutter in seinem männlichen alter so sehr fürchte / als vor Zeiten in seiner Kindheit / und wann er von ihr ein Wort höre /so nehme ers mit schuldigster Unterthänigkeit an / als ein Gebott von einem König / dem er zu gehorsamen verpflichtet.
4. Als ihm zu Ausgang des Jahrs sein Rentmeister eine Rechnung ablegte / fand er eine grosse Post /welche er seiner Frau Mutter hatte eingehändiget und befragte sich deßwegen / wohin solche möchte seyn verwendet worden? Der Rentmeister zeigte einen Schein deßwegen vor / und sagte / daß ihm nicht oblege / Rechenschafft darvon zu heischen / er hette aber verstanden / daß solches Gelt den Armen in einem Spital außgetheilet worden were / als er solches vernommen / hat er ihr noch so viel auszahlen lassen.
5. Es hat auch Gott seinen Segen über diesen Herrn und sein gantzes Haus reichlich aus geschüttet / und ihn mit grossem Gut / einer tugendsamen Gemahlin /wohlgeratnen Kindern und langem Leben begnädiget /daß er mehrmahls mit Jacob gesagt / er seye nicht werth aller Barmhertzigkeit deß Herrn.
6. Dieses Exempel kindlichen Gehorsams / wollen wir entgegen stellen / dem Ungehorsam Mularts /einer Wittibe / Namens Cantiaville / übelgearteten Sohns. Diese hatte in dem ersten Jahr ihres Ehestands ihren Mann verlohren / unn mit jr erzeugt erstbenamten hinderlassenen Sohn. Ob sie zwar noch jung und Gelegenheit hatte sich anderweit zu verheurathen / hat sie doch auß Liebe zu ihrem Kind solches unterlassen / und demselben keinen Stieffvatter über den Hals ziehen wollen.
7. Mit was mütterlicher Vorsorge sie diesen einigen Sohn aufferzogen / ist schwerlich auszusagen: Er aber war gleich einem Waldesel von Jugend auff / der mit Füssen nach seiner Mutter schlägt / die ihn säuget und nähret. Die [76] Söhne wähnen / daß das Weibliche /als schwächere Geschlecht / sie nicht regieren und ziehen könne / und vermeinte Mulart er wüste alles viel besser / als seine Mutter / nach dem Gebrauch der freveln Jugend / die zu mancher Wissenschaft kommen wäre / wann sie nicht vermeinet hette / daß sie schon lang darüber hinauß geschritten.
8. Wie übel sich Mulart in der Kindheit und Knabschafft angelassen / ist zu erzehlen unnöthig / und hoffte die Mutter / er werde mit zuwachsenden Jahren sich bessern / und reiffere Früchte eines guten Lebens bringen. Aber vergebens. Alle gute Vermahnungen waren von ihm verlacht / und spottete er seiner Mutter / so offt sie ihm Einhalt thun / und die Unkosten zu aller üppigkeit zurucke halten wolte. Lügen / stehlen /borgen / spielen / fressen / sauffen war seine tägliche Arbeit / so bald er die Jünglings Jahre erreicht / gesellet er sich zu treuhertzigen Dirnen / die ihn aus der Mutter Hauß und Bottmässigkeit zu sich zu ziehen /bemühet waren.
9. Die Mutter wolte ihren Sohn gerne abhalten /und ermahnte ihn mit wolmeinenden Worten / er solte sie ja nicht ferner betrüben / und wann er sie als eine schwache und verlassne Wittib nicht fürchten wolte /so solte er doch Gott fürchten / etc. Dieses und dergleichen höhnte er für eine alte Fabel der müssigen Weiberlein / die nicht wissen / wie jenem jungen Blut um das Hertz ist / etc. Ja er wünschte seiner Mutter längeres Leben nach dieser Welt / und sagte / daß gleich wie es Eltern gebe mit Kindern beladen; also gebe es auch Kinder mit Eltern beladen. Wann er einen um seinen Vatter weinen sehen / hat er gesagt /daß er weinen solte / wann er noch in dem Leben were.
10. Mulart wolte sich in den Ehelichen Stand begeben / weil er aber durch sein ärgerliches Leben in der gantzen Statt berüchtiget / wolte ihm keine Mutter ihre Tochter anvertrauen / weil er derselben so wenig achten würde / als seiner leiblichen Mutter. Er hatte kaum das 18. Jahr erlangt / als das Wort Gottes mit ihm erfüllet wurde / und er als ein böser unfruchtbarer Baum auß dem Lande der Lebendigen abgehangen /[77] unnd sonders Zweiffel in das ewige Feuer geworffen worden.
11. Ein schwindsüchtiges Fieber hat ihn / als eine verzehrende Flamme / nach und nach außgedörret /daß er Zeit gehabt sein Unrecht zu erkennen und zu bereuen / daß ein so böser Sohn einer so wolthätigen Mutter gewesen / und daß dieses die Ursach seines frühzeitigen Todes. Catniaville betrauerte ihren Mulart / wie David den unartigen Absolon; dann wie ungeraten die Kinder sind / so haben sie doch in ihrem Hertzen einen Fürsprecher und Fürbitter / der ihnen Gnad erlanget / so offt sie solches begehren.
12. Ob wol diese Exempel keine besondere Umstände und nicht selten sind / so habe ich sie doch wollen auffmercken / den bösen Kindern zu einer Warnung; den frommen aber zu einem Trost. Welche ihre Eltern nicht fürchten / die sie sehen und hören /wie solten sie Gott fürchten / den sie nicht sehen. Wehe denen die also in Unbußfertigkeit dahin sterben.
19. Der danckbare Knecht
(XIX.)
Der danckbare Knecht.
Das Sprichwort trifft nicht allezeit ein / welches saget: viel Knechte / viel Feinde. Es finden sich auch in dem geringen Stand hohe und tugendliebende Geister / die sich über Verhoffen empor schwingen / und ihrem Herrn offt getreuer sind / als die Ordnung der Liebe / so bey sich selbsten anfängt / erfordert: ich will sagen / daß etliche Knechte bey ihren Herren Leib und Leben / Gut und Blut auffsetzen / wie auß nachgehender Erzehlung zu vernehmen seyn wird.
2. Roderico / ein Spanischer Herr / der seinem König grosse Dienste geleistet / wurde endlich einer Verrätherey fälschlich beschuldiget. Die Spanier sind sehr getreue Leute / und so wol gegen ihren Herrn /als gegen ihre Freunde / das man ihnen zu trauen gute Ursach hat. Doch sind sie Menschen / und kan ein ungefähres Unglück die Lügen und Verleumdung für scheinbare Warheit geltbar machen / wie auch geschehen / daß Roderico von Hoff entweichen / und sich auff Einrathen seiner Freunde / deß Königs Ungnade zu entfliehen / in eine andere Statt begeben müssen.
[78] 3. Diese seine Abwesenheit mehrte sein Verdacht /und ermangelte es niemals an den Hoffschrantzen /die sich auff den Unterdruckten groß machen wollen /und nach der Abwesenden Aembter streben. Diese falsche Glücks-Freunde bringen es dahin / daß Roderico das Leben abgesprochen wird / ob er wol keine Schuld / ausser gar zu grossen Reichthum hatte / der dem König dardurch heimgefallen.
Glück ist ein Glas das leicht zerbricht /
in dem es gläntzet daurt es nicht.
4. Dieser Roderico hatte einen getreuen Diener /Namens Ferrier / welchen er wegen wolverhaltens zu seinem Hoffmeister gemachet / und über alle seine Güter gesetzet hatt. Dieser hatte sich von langen Jahren her mit Ehren bereichert / viel gespart und wenig verzehrt / und theils auch durch Roderico Freygebigkeit ein ziemliches Gütlein gesamlet: Massen nichts neues / daß die Herren verarmen und die Diener reich werden / nachdem diesem oder jenem das Glück günstig oder ungünstig ist.
5. Dieser Ferrier nun hatte seines Herrn Geheimniß alle erlernt / und gewust daß er unschuldig an bezüchtigter Verrätherey / und wolte deßwegen nicht von ihm aussetzen / sondern alles sein Vermögen bey ihm wagen. Erstlich sendet er ihm seine Barschafft / nachmals das Gelt / welches er aus seinem beweglichen Haab / so er versilbert / erlöset / und bemühet sich mit Gefahr seines Lebens / die Unschuld seines Herrn zu erweisen. Aber vergebens.
6. Hierbey liesse es der getreue Knecht nicht verbleiben / sondern verkauffte auch sein Hauß und Hof /und bringt solches Gelt seinem Herrn / von welchem er sein Auffnehmen gehabt / und erbietet sich für einen leibeignen Knecht zu dienen / wann ihm mit Verkauffung seiner Freyheit geholffen seyn würde. Wie diese Danckbarkeit von Roderico auffgenommen worden / ist leichtlich zu gedencken.
7. Endlich aber haben sich die trüben Wolcken widerum geheitert / und ist durch sondere Schickung GOttes der die [79] Unschuldigen zu retten pfleget / Jean Garcias / deß Roderico Ankläger / der berührten Verrätherey überzeuget / und Roderico als seines Königs getreuer Diener erfunden worden. Nach solchem hat der König Roderico in höhere Ehre als zuvor gesetzet / das abgenommene wider erstattet / und ihme seine Besoldung mildiglich gemehret / daß er Mittel gehabt seinen getreuen Ferrier aus dem Schaden zu heben /und die erwiesene Wolthat danckbarlich zu erwidern; wie er auch gethan / und zu thun schuldig gewesen.
8. Dieses Exempel hat billich nicht sollen verschwiegen bleiben / und der Nachwelt zu lobwürdiger Folge hinderlassen werden. Man findet wenig fromme Knechte / weil viel böse Herrn sind. Wann wir sie als leibeigne halten / so müssen sie uns als ihre Eisenmeister hassen: thun wir ihnen guts / so werden sie uns nichts böses thun. Wann wir sie lieben / so werden sie zu der Gegenliebe beweget werden / und gewinnet das Laster einen bösen Außbruch / wie im Gegenstand die Tugend ein erfreuliches Ende erwartet.
20. Die scharffe Gerechtigkeit
(XX.)
Die scharffe Gerechtigkeit.
Die Könige / Fürsten und Oberherrn sind Vätter deß Vatterlandes; welche ihre Schame / Schand und Fehler entblössen / werden dem Fluch deß Gottlosen Chams nicht entgehen. Sind sie Menschen und irren mannigfaltig / haben sie deßwegen GOtt / und nicht ihren Unterthanen / Rechenschafft zu geben / denen das Richteramt nicht anbefohlen / und welche auch den wunderlichen zu gehorsamen pflichtig sind. Diesem nach wollen wir folgende That von scharffer Gerechtigkeit benennen / so vielleicht bey mindern Personen einem Undanck gleichen könte / und selbe vorerwehnter Danckbarkeit entgegen setzen.
2. Gonzalvo Fernandes von Cordua / der tapfere Held / hat dem König in Hispanien das Neapolitanische und Sicilische Königreich wider unterwürffig gemacht / nach dem es die Frantzosen geraume Zeit zuvor besessen gehabt. Er hat [80] sich in Feldschlachten und Belägerungen ritterlich / klug und unverzagt erwiesen / daß er el grand Capitaneo, oder der grosse Hauptmann oder Feldherr benamet worden; benebens auch hat er der Freundlichkeit in solcher Hoheit nicht vergessen / und solche seinen Feinden / wie wir schaltweiß erzehlen wollen / widerfahren lassen.
3. Als die Frantzosen Caijeta / die letzte Festung so sie in dem Neapolitanischen gehalten / auffgegeben /hat er sie mit Pferden und Eseln zu Abführung ihres Gerätleins versehen / und als sie sich verlauten liessen / sie wolten bald mit einem mächtigen Heer widerkommen / und was sie jetzt verlohren / wider gewinnen; Hat er darauff freundlich geantwortet; Die Herren kommen wider wann sie wollen / mit der gleichen Höflichkeit will ich sie allezeit wider ziehen lassen.
4. Dieser Gonzalvo hat in Hispanien Mondolia ein schönes Schloß (die aldar wegen Mangel der Steine unnd deß Holtzes selten sind) von seinen Eltern ererbet / und seines Namens Angedencken damit zu verewigen / erneuet; Massen nichts beharrlicher in dieser Eitelkeit / als die Gebäue / in welchen wir gleichsam der Erschaffung deß höchsten Gottes nachahmen. Nach dem er mit seines Bruders Sohn / weil er keinen Erben hatte / ruhig darinnen zu alten gedencket / fügte sich folgendes Unglück.
5. Don Pedro von Cordua / deß besagten Herrn Vetter und künfftiger Erbe / hatte von einer Hofdirne Gelt geborgt / und nach Gebrauch der bösen Zahler /sie von Zeit zu Zeit aufgezogen / daß sie endlich gezwungen worden / ihn zu beklagen / und für Gericht laden zu lasen. Der Fron- oder Gerichtsbott kommet in das Schloß / als eben Gonzalvo bey Hof / und verkündiget Pedro unter Augen / für Gericht zu erscheinen / und wegen deß entlehnten Gelts Rechenschafft zu geben.
6. Hierüber ergrimmt Don Pedro so sehr / daß er dem Gerichtsbotten / welcher auff der Stiegen gestanden / mit dem Fuß einen Stoß gibt / daß er hinter sich hinab schlägt / unnd weil die Stiegen hoch / etliche Wunden in das Haubt fället. Dieser Frevel kommt alsobalden nach Hof / und nimmt sich [81] d' König deß Gerichtsbotten an / als ob an jm selbst solche Thätlichkeit verübet worden were. Gonzalvo eilet nach Hauß und heisset seinen Vettern das Leben mit der Flucht retten / und in Portugal entweichen / welches damals noch seinen eignen König hatte.
7. Er ist kaum entronnen / so fallen deß Königs Hof-Soldaten ein / und wollen den Frevler handfest machen / weil er aber nicht mehr zu betretten / kehren sie wider zurucke und zeigen solches dem König an. Der König gebietet Gonzalvo / er soll seinen Vettern stellen / Gonzalvo wuste wol / daß deß Königs Zorn ein Bott deß Todes / und schriebe nach Lißbona / daß Don Pedro solte widerkommen / wo er sich auch möchte aufhalten. Auff unterschiedliche Briefe erfolgt keine Antwort / ob wol der König beharrlich darnach fragte.
8. Als nun der Thäter nicht kan zu der Stelle gebracht werden / befihlt der König / man soll das Schloß deß Gonzalvo Fernandetz / als den Ort / in welchem der Frevel geschehen / niderreissen / und zu einem Steinhauffen machen. Der Ritter Gonzalvo thut Königl. Majest. einen unterthänigen Fußfall / bittet umb sein Schloß / und erbietet sich eine ansehnliche Geldstrafe für seinen Vettern zubezahlen / oder solches S.M. gantz und unabgebrochen zu überlassen. S.M. solle ihn doch der lang und viel geleisten Dienste geniessen / und seiner als deß unschuldigen /wegen nit begangener Mißhandlung / mit so harter Strafe verschonen / etc.
9. Der König verspricht ihm ein andre Statt / nemlich Loxo dafür zu geben / und müsse der begangene Frevel mit keiner andrer Abstattung / als mit Niderreissung besagtes Hauses gebüsset werden. Uber so strenger Gerechtigkeit / hat sich Gonzalvo so sehr betrübet / daß er das Leben auffgegeben / und sind nach seinem Tode / alle Güter dem König / und nicht dem nechsten Erben / heimgefallen.
10. Was hiervon zu halten / wollen wir dem Leser zu beurtheilen heimgeben / und bemercken allein /daß die Obrigkeit und jre bediente keines Wegs zu schertzen noch zu beschimpfen / und daß die Spanier durch solche Strengigkeit ihnen einen unsterblichen Namen zu machen vermeinen. Wie es Don [82] Pedro ferners ergangen / meldet der Spanische Scribent / auß welchem wir es erzehlen / nicht.
21. Der doppelte Korb
(XXI.)
Der doppelte Korb.
Warum man sagt / daß der einen Korb bekommen /welcher abschlägige Antwortet von seiner Liebsten erlangt / ist fast schwer zu besinnen. Vielleicht ist es so viel; Nimm einen Korb und kauf am Marckt ein andre. Durch den Korb lässet man fallen / was man verleurt / und pflegen die Niederländer von solchen zu sagen / er habe ein blaues Schienbein erloffen / das ist / er habe zwar grossen Schmertzen darob / es werde aber so bald vergehen / als wann man sich an ein Schienbein stosset. Weil nun dieses auch eine Art deß Undancks / wann man liebet / und daß solche Liebe nicht erkennet wird / so wollen wir hier einen doppelten Korb anfügen.
2. Zu Verona der lustigen Statt in dem Venetianischen Gebiet / war ein Vatter- und Mutter-beraubter Wäise / genannt Geminio / mit den Gütern deß Glücks aber / und Adelichen Ehrenstand war er vor vielen andern bereichert / daher ihm auch die Gelegenheiten zu sündigen / mit solchem guldnen Schlüssel gleichsam eröfnet und aufgeschlossen worden. Die Jugend / die Freyheit und der Reichthum pflegen zum Müssiggang / der Wollust und stoltzen Mut zu verleiten / und mit zuwachsendem Alter ermanglen nicht die Weiber / das Spielen und Gastreyen halten / dardurch man mit Freuden von den Vermögen / an den Bettelstab kommen kan.
3. Wie dorten zu Rom sich die Erden auffgethan /und auß dem Loch einen schändlichen geschwefelten Geruch von sich gegeben / biß sich Curtius hinein gestürtzet; Also finden sich auch dergleichen Gruften aller Orten in Welschland unnd verbleiben offen / ob gleich ihrer viel mit Haab und Gut darinnen verderben. Geminio war ein Italiäner / das ist vō Natur der Unzucht ergeben / und führte ein solches ärgerliches Leben / daß man billich sagen mögen / daß ein Abgrund der Sünden den andern rufft: Er verschlemmte seinen Reichthum / den seine Eltern [83] mit so grossen Sorgen gesamlet / wie dorten der verlohrne Sohn / ungeacht ihn Priscillian darvon brüderlich abgemahnet /und ihm gerathen / er solte sich verheurathen / und mit einer solchen Haußartzney seine Leibskranckheit nach und nach zu erwünschter Heilung bringen.
4. Dieser Priscillian war deß Geminio Vatters alter Freund / und doch nicht von gar zu grossen / doch ehrlichen Mitteln; verhoffte deßwegen ein gutes Werck zu thun / wann er diesen Schlemmer und Vergeuder / durch Marcellinam seine schöne / Verstand-und Tugendreiche Tochter / von dem bösen Leben Ab- und Einhalt thun könte. Marcellinia hörte so viel Nachtheiliges von Geminio / daß sie nichts gutes von ihm hoffen kunte, aber doch williget sie darein / ihrem Vatter zu gehorsamen. Gott / der die Frommen schützet / liesse solche Heurat nicht geschehen / wie ferner zu vernemen.
5. Priscillian lässet Geminio die Heurat durch eine dritte Person vorschlagen / und bedeuten / daß er diese Jungfrau / und mit ihr sein Geschlecht / Gut und Ehr erhalten könne / wann er nur selber wolte. Geminio aber lachte hierob / und lobte die Türcken / die nicht eine / sondern viel Weiber zu haben pflegten; zwar sagte er / ist es bey uns noch besser / dann wir sie nicht länger behalten / als wir wollen. Setzte auch verächtlich hinzu / wie Freyen die gröste Dienstbarkeit mit sich bringe / und daß die Ehlich werden / sich selbst zu leibeigenen Knechten ihrer Weiber machen /etc.
6. Weil ihm sein Verstand so verruckt / daß er der schönen Marcellina einen Korb giebt / hat ihn Priscillian auff den Weg der Gottlossen müssen gehen lassen / da er dann / wie vor gedacht / viel und mancherley Grufften angetroffen / die er mit Gelt außfüllen wollen / sie aber ihn hingegen mit Neapolitanischer Müntz angefüllet. Hiervon sagen die Spanier Sprichwortsweiß / daß der Jugend Freud / deß Alters Reue häge / oder eine wollüstige Jugend / ein unlustiges Alter bringe (mozedad gozada, viejez arrependita) und hat jener recht über das Bildniß einer Hoffdirne geschrieben:
Hinc subitæ mortes, atque intestata senectus.
[84]
So bring deß Lebens End /
und seltne Testament.
7. Geminio hatte das dreissigste Jahr noch nicht erlangt / und alle seine Leibskräfften waren verweibt /voller Kranckheiten und Geschweren / an den Gliedern und Gůtern / welche mit Schulden nicht weniger als mit Unflat behafftet waren. Seine Schmorotzer und Suppenfresser / machten es wie die Schwalben und Mäusse / wann sie verspüren / daß ein Hauß zu hauffen fallen will: Diese suchen warme Wohnungen / wie jene wol angefeurte Kuchen. Die leichtfertigen Dirne aber sind gleich dem Gewürme / die von den todten Leichnam lauffen / von welchen sie kein Blut mehr saugen können. Sie sind gleich dem Wintergrün / der die Mauren verdirbt / welche ihn auffgeholffen.
8. Also hat Geminio seinen Leib den Wundärtzten /sein Vermögen aber den Glaubigern unterwürffig gemacht / welche beyderseits unbarmhertzig mit ihm verfahren müssen / weil sich der Krancke nicht mässig halten wollen / und wegen langer Gewonheit nicht gebürlich bezeugen können. Hierbey erinnert er sich seiner Freunde treuhertzigen Vermahnungen aber viel zu spat. Die Ehre / das Gelt / die Gesundheit / die Jugend / und alles was in diesem Leben süß seyn mag /war dahin. Er wolte bey etlichen anwerben / und zu Heuraten suchen / fande aber an allen Orten abschlägige Antwort / daß er für einen Korb / welchen er der Marcellina gegeben / viel unterschiedliche haben müssen.
9. An statt der Diener / wurde er mit seinen Glaubigern umgeben / die ihn mit der Gefängniß bedrauet /welche ihn durch vorbesagte Kranckheit bereit angefässelt hatte / daß er gebogen / entfärbt / ohne Haar /ohne Zähn / stinckend unnd halb verfaulet; so gar /daß man ihn / als einen der in allen Wollüsten gelebet / mit Fug lebendig todt nennen mögen.
In diesem Zustande erinnerte er sich Priscillians gethanen Anerbietens / hatte aber vergessen / was er damals zur Antwort gegeben / fügt sich deßwegen zu besagtem Vatter der Marcellina / und begehret seiner Jungfer Tochter Priscillian [85] hette sie lieber todt / als bey diesem offnen Scheusal sehen wollen / noch in frischem Angedencken tragend / wie spöttisch er zuvor sein wolgemeintes Anbringen beantwortet / und bedanckte sich der Ehre / so er seiner Freundschafft anzuthun gewillet / lobte seine Eltern / sein Geschlecht / und sagte ferners / daß seine Tochter solches Glücks nicht fähig / welches ihr wol zu anderer Zeit hette können bescheret seyn / etc.
11. Geminio unterbricht Priscillians Rede / und sagt: Mein Herr / andre Zeit macht andre Leut / und ändert die Gelegenheit / etc. Was zuvor geschehen /soll künfftig verbleiben / und hab ich nun verraset /und die Laster der Jugend alle verlassen / (dasselbe hingegen ihn verlassen hatten) hierüber gehen sie in dem Garten spatzieren / und dringet Geminio auff eine endliche Antwort / weil Priscillian beharret / daß er ihm und seiner I. Tochter mehr Ehre anthun wolle /als sie nicht würdig / etc.
12. Endlich erzehlet Priscillian folgende Geschicht / seinen Korb damit zu bedecken: Ein Venetianer /sagte es / ist unlangsten auf dem Weg nacher Padua bey eines andern Pallast vorbey geritten / und weil ihn der Herr desselben zugeruffen / er solte doch seine Einkehr bey ihm nehmen / wolte doch der Raisende nicht / ob er zwar inständig gebetten / und ihm das am Himmel schwebende Wetter bedeutet.
13. Nach dem er ein Stück-Wegs hinter sich gebracht / überfällt ihn der Regen / daß er wider zu ruck eilet / ůber Nacht bey vorberührten Edelmann zu verbleiben. Als er nun an die Thür klopfft / wie einer auff den es regnet / wurde er von dem Fenster aus befragt /was er wolle; Mein Herr / sagte er / es reuet mich /daß ich zuvor eure günstige Einladung nicht angenommen. Der ander antwortet: und mich reuet es auch / daß ich den Herrn geladen. Macht damit das Fenster zu / und lässet den andern in dem Regen halten. Geminio kunte die Außlegung dieser Erzehlung leichtlich finden / und hat also mit einer langen Nasen /daran ein grosser Korb hangen mögen / wider abziehen müssen.
14. Ach daß die Jugend wüsste / was zu ihrem Frieden [86] diente / oder glaubten daß schädlich seye /was ihnen wol gefället? Wie bald solten sie sich abwenden von dem Weg der Sünder / und nicht tretten auff den Weg der Spötter / die / wie leichte Spreuer /vom Winde weggewehet werden. Aber es ist leider für ihren Augen verborgen / biß sie mit Angst / als mit einem Wall umgeben / und ihnen fast kein Gebein auff dem andern gelassen wird.
22. Die rühmliche Verrzweifflung
(XXII.)
Die rühmliche Verrzweifflung.
Wie das männliche Alter durch die Ehrsucht / und daß die mehrbejahrten durch den Geitz gefähret werden /als ist die Fleischeslust der Fels / an welchem die Jüngern Schiffbruch deß Glaubens leiden: aller massen wie auß vorhergehender und auch nachfolgender Erzehlung zu verstehen.
1. Luciā / ein Soldat / der seine Tapferkeit unter deß Marggr. Spinola Kriegsheer viel Jahr lang erwiesen / daß er von der geringsten Soldatenstelle / biß zu eines Haubtmannsplatz aufgestiegen / und sich umgesehen / sein Glück durch den Ehestand Ancker fest zu machen; massen die Venus und der Mars sich in dem Hauß der Jungfrauen leichtlich zu fügen pflegen.
2. Ich sage im Haus der Jungfrauen / und verstehe dardurch die Klöster / welche in Flandern solche Nonnen verwahren / die ehelich werden können / und mit viel weniger ärgerniß die Keuschheit freywillig halten / als an vielen andern Orten gezwungen. In so beschaffenem Kloster hatte Lucian eine Jungfer ersehen und geliebet / Namens Gedula; bey ihr auch alsobald solche Gegenneigung verspüret / daß ihr beeder wünschen das Band ehelicher Trauung gewesen.
4. Der Jungfrau Eltern wurde dieser freyer angemeldet / welche ihn betrachtet / als einen Fremden /und einen Soldaten dem sie ihre Tochter abzuschlagen genugsame Ursach hatten / und verbotten deßwegen der Gedula / sie solte Lucians müssig gehen / welches sie zwar zu thun versprochen / aber unter diesem Aschen die Liebesbrunst keines Weges außleschen lassen. Wie der Hunger viel tausend Mittel finden kan sich zu vergnügen so ermangelt es auch den verliebten nit / ihr Verlangen zu ersättigen.
[87] 5. Der Eltern Willen zu beugen scheinte fast unmöglich / von einander abzulassen / noch viel unmöglicher. Was Rath wann ein Blinder (als ein Verliebte) den andern (Verliebten) führet / werden sie nicht beede in die Gruben ihres Verderbens fallen? Kurtz /und ohne kürtzliche Umstände die Sache zu sagen / so hat sich Gedula vermittelst einem schrifftlichen Eheversprechen zu unehrlicher Vergnügung bereden lassen / unn nicht bedacht / dz dieses Werck der Finsterniß an das Liecht kommen / und sie in alles Unheil stürtzen werde. Törichte Adamskinder: Solte der nicht sehen / der das Aug gemacht hat / solte der nicht hören / der das Ohr erschaffen / und ihr vermeint eure Schande mit geringen Feigenblättern zu bedecken? Ob die Berge über euch fielen euch zu verbergen /und euch die Hügel verhülten / so soltet ihr doch noch eure Wort / noch eure Wercke / noch eure Gedancken vernichten können. Euer Gewissen ist ein Ankläger und der Richter / welcher euch verdammet.
9. Die Sünde hat unter andern auch diese böse Eigenschafft / daß sie erstlich bedencklich fället / nach und nach aber / als eine Gewonheit ungescheut verübet wird. Also hat auch bey Gedula die Lust empfangen / unnd nach unnd nach eine Frucht erzeugt / so die Mutter in Verzweiflung gestürtzet. Der Schatten der Süssigkeit war entwichen / und die Bitterkeit der Würcklichen Trübsal nahete herzu. Die Wollust /sagte jener / gibt uns zwar Immen-Hönig / aber der Stachel bleibt nicht zu rucke / sondern durchgallet den Geschmack. Wie die so mit Thränen säen / mit Freuden ernden werden / also müssen auch die / so mit Freuden säen / mit Thränen einsamlen.
10. Damit wir aber die beliebte Kürtze nicht überschreiten / ist ferners zu melden / daß das Schmertzenkind Bononi sich in Gedula Leibe durch die Kleider sehen lassen / und war diese Celipso noch unter der Diana keuschen Jungfrauen / welche sie alsobalden ihren Eltern nach Hause / dieselben aber in das Gefängniß geschicket. Der Vater will sie für seinen Augen nicht leiden / damit er sich nicht an ihr vergesse. Die Mutter will ihr die Augen auß dem Kopfe kratzen. Die Obrigkeit / welche deßwegen angeruffen wurde / lässet Lucian / den Thäter [88] suchen / ihn als einen Kirchenrauber und Jungfrauenschänder zu straffen / der sich aber auß dem Staub gemacht / und bey einem seiner Freunde ausser der Statt aufgehalten.
11. Nach dem ersten Fall Evä haben ihren Töchtern die Entschuldigung nicht ermangelt / unnd schutzte Gedula für das Eheversprechen / auf welches sie getrauet / darein ihre Eltern nicht willigen wolten. Hiermit aber wird sie nicht gehört / sondern in eine finstre Gefängniß geworffen / biß sie jrer Weiblichen Bürde erlediget / und dann ferners zur Strafe gezogen werden solte. Was Klagwort diese verlassne Ariadne angestimmet / ist leichter zu gedencken / als zuschreiben: Solte Lucian ihre Klage gehöret haben / er würde nicht unterlassen können / wie Orpheus / diese Eurydice auß der Höllen und Hölen dieser Gefängniß eussersten Vermögens zu retten. Man fragt wegen seiner Person nach / und sagt man von diesem frembden Frantzosen so viel böses / als von einem Hund / den man erträncken will. Wann ein Fremder sündiget / so findet ihn die Gerechtigkeit leichtlich zu Hause; wann er aber von einem Einheimischen beleidiget wird / ist sie schwerlich anzutreffen.
12. Nach dem nun Gedula fast ihre Augen außgeweinet / und sich gespeiset mit grosser Masse voll Thränen / hat sie die Mutter Schmertzen empfunden /und ein todtes Kindlein zu der Welt geboren; Welches dann nicht zu verwundern / weil die Frucht unzeitig /und gleichsam von dem Regen ihrer Augen / abfällig gemacht worden. Als nun die Hebamme dieser betrübten Mutter das Kind zeiget / wirfft sie es auff die Erden / verflucht die Undanckbarkeit seines Vatters /der sie schändlich betrogen unnd elendiglich verlassen / sie zerschmettert die Hirnschalen an der Mauren /und befärbet die Erden mit den zarten Blute. Ja sie klagte sich selbsten an / daß sie eine Kindermörderin welche den Todt verdienet / und wünschte ihr keine Stund mehr zu leben.
13. Der Kläger / welcher sich selbsten beklagt /findet bey den verständigen Richter selten Glauben /und nach dem die Hebamme beständig außgesagt /daß das Kind tod auff die Welt kommen / hat man leichtlich vermerckt / daß solches Vorgeben [89] aus Verzweiflung herrühre / etc. Doch ist das Geschrey außkommen / Gedula werde bald offentlich enthaubtet werden / weil sie ihr eigen Kind ermordet etc.
14. Diese Zeitung ist Lucian zu Ohren gelangt / der sich dann aus rühmlicher Verzweiflung entschlossen /sich bey der Obrigkeit anzugeben / als der Stiffter alles dieses Unheils / und weil er mit seiner Vertrauten nicht leben soll / mit ihr zu sterben: Wie er dann auch solches in das Werck gesetzet / und sich in der Gefängniß eingestellet / sein Leben zu verlieren. Uber diese beede Verliebte und biß in den Todt betrübte verwunderten sich die Richter und Schöpffen höchlich / und weil beede den Todt verlangt und gebetten /haben sie ihnen in solcher Verzweiflung das Leben geschencket / und der Gedula Eltern sind durch diese treue Bezeugung ermildet worden / dz sie in solche Verehlichung gewilliget / ihrer Tochter Ehre und Leben zu erretten. Nach dem nun Gedula Lucians Liebe durch solche Probe erkennet / hat sie ihn verziehen / und sich mit ihm trauen lassen.
5. Der Scribent / welcher diese Geschicht auffgezeichnet / setzet hinzu / daß sich alle Jungfrauen an dieser Gedula spiegeln sollen / und ja nicht verschertzen / was sie die Zeit ihres Lebens nur einmal verlieren können. Eine Jungfrau / sagt er / ist eine schatzbare Perle / wann sie aber solchen Nahmen vernachtheilt / so ist sie ein Perle das in dem Essig verschmiltzt / oder in dem Kot vertretten wird. Ihre Ehre wird stinckend / und ihr Ruhm verfaulet / ja sie wird zu schanden werden / daß man mit Fingern auff sie deutet / und ihre Eltern / von denen sie das Leben empfangen / ihr den Todt anwünschen.
Die ist klug und recht gelehrt / so sich an andrer Schaden kehrt.
23. Das Eheliche Fegfeuer
(XXIII.)
Das Eheliche Fegfeuer.
Der Herr von Belley / ein beredter und berühmter Frantzösischer Bischoff / aus welches Schrifften wir nicht allein den grossen Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte / sondern auch viel Erzehlungen in diesem Wercklein [90] übersetzet / schreibet unter andern /daß ihm nachfolgendes begegnet.
2. Als er in der Fasten / nach seiner Gewonheit geprediget / hat er unter andern auch viel Hugenotten oder Calvinisten zu Zuhörern gehabt / und unter denselben einen Rittmeister / der sich bey dem Könniglichen Statthalter / so damals in der Haubtstatt seines Bistums mit seinem Regiment zu Roß gelegen / aufgehalten. Dieser / nach dem er von dem Fegfeuer predigen hören / liesse sich verlauten / er wolte wünschen / dz er mit dem Herrn Bischoff solte sprechen kommen / er wolte ihm eine Frage für geben / auff welche er nicht solte antworten können.
3. Der Königliche Statthalter wuste / daß dieser ein ungelehrter Soldat / der Bischoff aber ein sehr freundlicher und hochgelehrter Mann / lässet deßwegen Zeit und Ort benennen / wo diese zween sich miteinander von besagter Sache unterreden solten / und hat sich der Herr Belley nicht gescheuet / sondern vielmehr gefreuet seinen Gegner anzuhören / und denselben zu lehren oder von ihm zu lernen.
4. Als nun beede in Anwesenheit vieler von Adel sich mit einander über dem Fegfeuer unterreden solten / so bedingte der Hugenot / daß der Herr von Belley auff seine Frage / mit Ja / oder mit Nein solte antwortten; Dann er were kein Doctor nicht / der viel Subtiliteten verstünde / und wolte ihm eine Frage fürlegen /auß welcher genugsam erscheinen würde / daß kein Fegfeuer / sondern nur ein Himmel / und eine Hölle /etc.
5. Der Herr von Belley sagte / daß er die Frage anhören / und alsdann sich mit der Antwort wolte vernehmen lassen / und daß er schuldig were Rechenschafft zu geben / von dem was er prediget / und dasselbe bester massen zu verfechten. Andere Umstände und höfliche Vorbereitung dieses Gesprächs wollen wir mit stillschweigen übergehen / damit wir die uns vorgesetzte Kürtze nicht überschreiten.
6. Deß Rittmeisters Frage war diese: Ob der Schecher am Creutz / zu welchem der HERR Christus gesagt / heut [91] wirstu bey mir im Paradiß seyn / in das Fegfeuer gekommen / oder nicht? Hierüber solte der Herr Bischoff mit ja oder mit nein antworten. Der Bischoff gibt ihm die Wahl heim / und sagte / daß die Frage mit ja und nein könne beantwortet werden / wie er selbsten wolle.
7. Der Rittmeister vermeinte / daß er gewonnen /und versetzte / daß er solte Ja oder Nein wehlen / weil ihm als sein Gegner obliege eine richtige Antwort zu ertheilen. Der Herr von Belley sagte / daß nit alle Fragen mit Ja / oder mit Nein können beantwortet werden. Hierüber lachte nun der Rittmeister und ruffte die Umstehenden zu Zeugen / daß der Herr Bischoff nicht antworten könne / und nun dieses Außflucht suchte. Wol / sagte er / ich will euch fragen / antwortet mit Ja / od' mit Nein? seit ihr niemals in der Statt Rom gewesen? Der Rittmeister sagte / Nein. Darum ist keine Statt Rom. Der fromme Schecher ist niemals in dem Fegfeuer gewesen / darum ist kein Fegfeuer. Also sagte der Rittmeister / antwortet der Herr mit Nein? Der Herr von Belley sagte / daß auß dieser Frage nicht folge was er vermeine.
8. Der Rittmeister will sich nicht lassen abweissen / biß ihn endlich der Bischoff fragte: Wann wird eure Frau aufhören euch zu schlagen? Antwortet mit Ja /oder mit Nein. Hierüber erzürnet sich der Rittmeister / und gehet mit mehr Fluchen als sonsten die Hugenotten gewohnt sind / darvon alle Anwessende aber begunten zu lachen / daß der Uberwinder / den Feind unwissend so hart getroffen und in die Flucht geschlagen. Dieser Rittmeister war von geringer Ankunfft /hatte sich durch seinen Degen zu solchem Dienst gebracht / und ein alte / reiche und grundböse Frau geheuratet / eine Kron von einem gronenden Weibe / die so schön / als ein Krancker Spanier seyn mag / welche ihn übel gehalten / und als ein lebendiger Hausteuffel / mehrmals mit der Offengabel und Feuerzangen gestossen und gebrennt / daß er ihr entlauffen müssen /und die Gedult zu erlernen tägliche Gelegenheit gehabt.
9. Dieses wuste der Bischoff nicht / und als er ihn fragte / [92] wann sein Frau würde auffhören ihn zu schlagen / hette er mit Warheit nicht antworten können /daß ja noch nie angefangen / welches noch ja noch nein gewesen / sondern er hätte müssen antworten /daß er nicht wisst / wann er wider in solches eheliche Fegfeuer kommen würde. Die Soldaten aber haben in der Zeit an / den Rittmeister vom Fegfeuer genennet /darüber er sich dann nicht wenig erzürnet.
10. Ob zwar auß der auffgegebenen Frage nicht das folget / was dieser Rittmeister schlissen wollen: so lässet sich aber darauß abnehmen / daß Gott auß seiner unendlichen Barmhertzigkeit / die armen Sůnder /ohne Genugthuung der Wercke / sonder Abfegung der Mißhandlungen / seelig mache. An keinem Ort der gantzen H. Schrifft / wird man lesen / daß der Herr Christus oder seine Apostel gesagt: Nach dem Todt wirst du in das Fegfeuer kommen / und darinnen bleiben / biß man für dich genung Seelmessen lessen wird / hastu aber einen Ablaßbrieff gekaufft / so kanstu etliche hundert Jahr ehe herauß kommen. Hat Christus durch sein Leiden für uns völlig genug gethan / so wird kein Fegfeuer seyn / in welchem man die Sünde büssen muß. Zwischen der Hölle und dem Himmel ist eine grosse Klufft befestiget / daß der Reiche Mann nit kan zu Abraham / noch Abraham zu ihm kommen. Es ist aber nicht unsers Vorhabens wider oder für das Fegfeuer zu fechten.
11. Als ich mich zu Rom auffgehalten / hatte der Papst Urban der Achte deß Nahmens / deß Hertzogen von Bethune Frantzösischen Gesandten Edelleuten /auff viel tausend Jahre Ablaß geschenckt / deren ein jeglicher seinen Antheil solches Kirchen Schatzes so gering geachtet / daß sie auff ein Zeit darum gewürffelt / und solche alle einer allein gewonnen. Die Italianer pflegen in dem Sprichwort zu sagen / daß die frommen und schönen Weiber der Augen Paradeiß /die Bösen und Ungestalten ein Hölle deß Gemüts /beederley aber ein Fegfeuer deß Beutels zu seyn pflegen.
24. Das Affterkind
[93] (XXIV.)
Das Affterkind.
Wann du Honig findest / sagt der weise Mann / so geniesse es mit Mässigkeit / damit es der Magen deuen /und nicht wider geben möge. Der Geyer / in der Fabel / hat zu viel von eines andern Thiers Eingeweid gefressen / und solches mit dem seinen wider herauß göcken müssen / und der Fisch schlucket mit dem Anbiß auch den Angel ein. Ungerecht Gut hat Adlers Federn / welche auch das Wolerworbene auffressen. Also hat Jesebel deß Naboths Weinberg begehrt / und das Königreich verlohren / und straffet Gott noch heut zu Tage / auff viel unerwarte Weise alle / die Güter mit Unrecht an sich bringen / wie auß nachgesetzter Erzehlung ferners zu verstehen seyn wird.
2. Nechst Heydelberg ist ein kleines Stättlein / benamt Hirschhorn / darinnen wohnt ein reicher Edelmann / welchen wir mit seinem Vornamen allein /Ludwig / nennen wollen. Dieser hatte seine Jugend mit aller Uppigkeit zugebracht / derer Werckzeuge der Reichthum und Müssiggang zu seyn pfleget / auch endlich mit reifferm Verstand auch Alter sich geheurat / damit er einen Erben erziehlen möchte / und sein grosses Vermögen nicht lachenden Freunden / denen er nicht hold gewesen / hinterlassen müste.
3. Nach dem er nun sich mit Plaudilla / einer schönen Jungfrauen / aber schlechter Ankunfft / und noch schlechterer Einkunft / verehlichet / hat er jre Tugend / Bescheidenheit / Freundlichkeit und Dienstleistung brünstig geliebt / ob sie wol der Päbstischen Religion zugethan / und darvon nicht zu bringen gewest. Als sie nun in erwünschtem Stande mit einander leben /und sich wol begehen / kommt der Todt / und will das Band dieser Ehegatten mit seiner Sensen entzweyen /doch lässet er Ludwig so viel Zeit / daß er sein Hauß beschicken / und in seinem letzten Willen Plaudillam zu einer Erbin seiner eigen Güter einsetzen kan: Die Mannslehen aber / deren am meisten / muste er /wider seinen Willen / an seine nechste Vettern fallen lassen.
[94] 4. Plaudilla fande sich zwar auff der Meinung / daß sie schwanger / es waren aber die Anzeigen so gar zweiffelhaftig / daß man nichts gewisses davon sagen können. Nach dem Tod Ludwigs haben seine Vettern die Hand auf die Güter / und ihnen angefallene Lehen geschlagen / ungeacht Plaudilla / gebetten / sie solten Jahr und Tage zuvor vorbey streichen lassen / und erwarten / ob sie nicht Gott mit Leibesfrucht segnen würde. Aber vergebens.
5. Plaudilla kommt darnider / und bringt ein todes Kind auff die Welt / welches sie leichtlich auß der Welt getrieben und viel tödliche Schmertzen gekostet. Die Vettern vertheilen unter sich die Güter / und beginnen auch der Plaudilla zu entziehen / was ihr Ludwig in seinem Testament zugeeignet hatte. Gott der ein Schutzherr ist / der die Wittib / und ein Vatter der Waisen / machte diese Geitzhälse auff eine seltne Weise zu Schanden / und bezeugte / dz er gerecht unn seine Gerichte gerecht.
6. Nach dem Kindbett befande sich Plaudilla mit einem auff geschwollenen Leibe / welches die Artzneyverständige den bösen Feuchtigkeiten / und einer angesetzten Wassersucht zuschreiben wolten / und riethen ihr / sie solte nach Baden ziehen / und durch die gesunden Wasser desselben Orts / den Leib erwärmen / erweichen / und erleichtern; Welches sie auch unverzögert zu Wercke gerichtet.
7. Zu Baden hielten sich damals auff der Churfürst von Mäintz / und Churfürst von Sachsen / daß wenig Raum in allen Herbergen / und Plaudilla bey einem schlechten Bürger kaumlich unterkommen konte. Deß folgenden Tags nach ihrer Ankunfft / fühlte sie Kindswehen / und als die Wehmuter oder Amme herbey gebracht wurde / gebiert sie einen schönen jungen Sohn zu der Welt / von dem wir diese Geschicht / das Affterkind benamet haben / als welches sieben Monden nach seines Vatters Todt / und 10. Wochen nach dem ersten Kindbett auf die Welt gekommen.
8. Dieses ist alsobalden für die Churfürsten / als ein sonderes Wunderwerck gebracht worden / und hat der damahlige Churfůrst zu Mäintz / selbsten zu Gevattern stehen wollen / [95] und der Churfůrst zu Sachsen hat diesem Affter-Kind tausend Reichsthaler verehren lassen / unnd benebens an Chur-Pfaltz geschrieben /daß die geitzigen Freunde deß verstorbenen Ludwigs /die Güter raumen / und der Plaudilla wegen ihres jungen Sohns Ferdinands völligen Besitz überlassen müssen. Etliche erzehlen diese Geschichte mit wenig andern Umständen / und soll die Amme einen Betrug damit verübet haben / und eines Můllers Sohn für den jungen Hirßhorn eingeschleicht und angegeben haben / der auch nichts adeliches im Gemüt und Geberden erwiesen / ohne Erben verstorben / und seinen Vettern die Güter nach seinem Tod lassen müssen.
9. Dieses Wort Affterkind (zu Latein Posthumus) ist eines von den fast vergessenen / und wird bey Luthero Goldast und Heinisch gefunden. Also sagen wir: Affterdarm / Afftermontag / Afftergeburt / Afftersabath / Afftertheilung (subdivisio) Affterreden / Affterlehen / Affteranwald: Dann Affter ist so viel als nach /hinter / folgend. Werden wir also fälschlich beklagt /daß wir neue Wörter aufbringen / wann wir die alten woldeutenden und nothwendige Reden unter der Banck herfür ziehen und gebrauchen.
10. Die Lehre ist leichtlich zu verstehen / daß nemlich Gottes Hand niemals verkürtzt ist / den seinigen zu helffen / ob wir gleich mit unsern Sinnen solches nit begreiffen oder ergründen mögen. Er / sagt ein Gelehrter / ist der alte Haußhalter / laß ihn machen / und glaub nur daß er dir helfen wolle / unnd helfen könne: Er wird es thun zu der Zeit / weiß er viel besser als du / etc.
25. Der verzweifflende Spieler
(XXV.)
Der verzweifflende Spieler.
Die Spanier vergleichen die Augen auff den Würffeln mit den Pillullen / welche in geringer Zahl genommen / einen gantzen Beutel purgieren. Sie verbieten zwar ihren Kindern das spielen nicht / aber das widergewinnen / unnd nicht wollen verlohren haben / dardurch man sich in gar viel grossem Verlust setzet /und wer alles haben will / der verleurt alles.
[96] 2. Zu Alicant / einem Meerhafen in dem Königreich Valentz in Hispanien / lauffen die Schiffe von allen Orten ein / als von Sicilen / Genua / Livorno /etc. und auf denselben unterschiedliche Völcker / Lügenkrämer / und Spitzbuben / etc. Gleich wie in Africa unterschiedliche Arten der Thier bey dem Brunnen zusammen kommen / und sich miteinander vermischen / also findet man an dergleichen Orten vielerley Lumpengesindlein / welche sonderlich ihren Durst stillen bey den Zechen / und alldar viel wunderliche Abentheure außbruten / darbey auch das verwägene Spiel die ordentliche Kurtzweil ist.
3. Die Spanier haben unter andern auch dieses Laster / daß sie sehr leichtfertig zu spielen pflegen / daraus viel Unheil / Armut und Todschläge entstehen. Diesem war auch ein Castillaner / Namens Geron /sehr ergeben / weil ihm eines Theils das Glück / anders Theils der Vortheil seinen Beutel reichlich füllte / daß er also auf der hohen Schul Siquenza seine Zeit mit solcher Gewinnsucht (in dem er den Gewinn mit Karten und Würffeln gesucht) zubrachte / und die Bücher den Motten überlassen.
4. Nachdem er nun deß Ortes überdrüssig / und seine Eltern ihm den Verlag nicht ferner herschiessen wollen / macht er sich auf / und raiset nach Valentz die Haubtstadt in dem Königreich / von dar durch Arragon und Catalognen / und komt nach Alicant. Sein Wechselbrief war die Karten / welche ihn aller Orten machten Gelt geben / daß er sich darauff verliesse /als ob das Glück Lehen von ihm hette / und ihm als eine Vassallin zu gehorsamen schuldig were.
5. Dieser Spitzbub oder Leutbetrieger / hatte noch diesen guten Gebrauch an sich / daß er die Armen seines Gewinns theilhafftig machte / und wann er einen betrogen hatte / gab er zwar nicht vierfach wieder wie Zacheus / aber doch den vierten Theil nothdürfftigen Leuthen. Daß dieses Almosen deß Galgens werth /und Gott keinen Gefallen an den übel gewonnenen Gaben / sondern einen Greuel und Abscheu darvor habe / ist aus Heil. Schrifft genugsam zu ersehen. Doch [97] ist das Gemüt gut / welches vielleicht Gott ansihet / gleich wie er den Eifer deß Sauls ihm gefallen lassen / bevor er Paulus worden / weil er vermeint GOtt zu dienen / und um das Gesetz zu eifern.
6. Zu Alicant findet Geron einen Schiffhaubtmann /einen listigern Spitzbuben / als er war / und der den Betrug viel artiger bedecken können. Dieser lässet Geron viel Gelts gewinnen / und nachdem er vermeint reich zu seyn / und nicht bedachte / daß er arm werden könne / gebraucht er auch seiner Kunst / und gewinnet den armen Castillaner ab so viel er hatte / den Mantel und den Degen / ja seine Haut / verstehe von Elendleder / aus welcher er ihm ein Kleidung machen lassen / jedoch ist ihm das flehentliche Elend und die äusserste Armut übrig geblieben.
7. Als ihn nun der Haubtmann der Gallern / besagter massen demanteliret / fragte er ob er mehr spielen wolte? Der Castillaner sagte ja / aber auf Borg / dann er dem Wůrffelknipfer seine Stücklein noch nit abgesehen hatte. Kurtz zu sagen: Geron spielte gegen 50. Cronen zwey Jahr in Knechtschafft die Ruder zu ziehen / und verleurt seine Freyheit / in dem er gehofft /sich herauß zu reissen / und allen Verlust widerumb zu holen.
8. Das Gelt war so bald nit verlohren / so wil man ihn in die Fessel schlagen doch erhält er die Gnad /daß man ihn etliche Tage noch frey gehen lässet / biß die Schiffe abseglen / und er inzwischen Zeit hätte /an seine Eltern zu schreiben oder einen Freund zu suchen / der ihm die 50. Kronen vorstreckte.
9. Er wird aller Orten fleissig verwahrt / daß er nit entlauffen konte / der Brief an seine Eltern war wol bald geschrieben / aber der Freund mit dem Geltleihen wolte sich nirgend finden / und war er ein verzweiflender Spieler / der das spielen verfluchte und die Würffel und Karten verschwören wolte / wann er nur einmal aus diesem Unglück kommen könte. In dem er aber kein Mittel seiner Entledigung ersinnen kan / verzweiffelt er und nimmt Strick / oder Halfter /steigt auf den [98] Boden und wil sich erhangen; erträglicher haltend / den Halß / als die Füsse in Banden zu haben / weil jenes den Tod / und dieses ein elenderes Leben / als der Tod / mit sich brächte.
10. In dem er mit diesen Gedancken umgehet / und einen grossen Nagel mit einem Stein in die Wand schlagen wil / hört er an dem klopffen / daß die Wand hohl / und als er sie auffbricht / findet er einen grossen Sack mit Goldstücken / welchen der Wirth dahin verborgen hatte.
11. Mit was frölichem Angesicht Geron diesen Schatz angesehen / ist leichtlich zu glauben: Er nimmet alsobald das Gelt und die Edlen Gesteine / giebt seinem Haubtmann die 50. Kronen / und gehet mit dem Rest durch / mit dem endlichen Vorsatz / die Zeit seines Lebens nicht mehr um Gelt oder Geltswerth zu spielen. Er fragte nit wem solcher Schatz angehörig /und wuste wol / daß es nun sein entnommenes Gut /und wann er schon darüber hätte sollen an den Galgen kommen / so würde es ihm doch leidlicher gewesen seyn / als die erbärmliche Ruderbäncke zu betretten.
12. Bevor er ihm mit diesem ungerechten Mammon Freunde gemacht / und in dem Wirtshauß verstrickt war / gange er den gantzen Tag traurig und sehr gebuckt / daß ihm einer seiner bekanten fragte / was hast du / daß du so traurig bist; darauff er geantwortet: Ich hab nichts / darum bin ich so traurig / dann mein Gelt / meine Kleider / meine Freyheit / ja alle Hoffnung ist verlohren. Wie solte ich können frölich seyn?
13. Als er nun das Gelt entwendet / hat er den Strick oder die Halfter liegen lassen / an welche er sich Judaisiren wollen. Lampo / der Wirt / ein Ertzschinder / der noch den seinen / viel weniger den Armen gutes zu thun pflegen / wolte noch etliches Gelt den verborgenen beylegen / und fand / daß einer seinen Schatz mit dem Strick vertauschet. Wie hefftig dieser Geltfraß erschrocken / kan niemand als ein Geitziger bey sich abnehmen. Kurtz / er verzweiffelt /und hangt sich an den Strick / daß er in wenig Zeit erworget; dergleichen Exempel bey Livio auch genugsam zu lesen ist.
[99] 14. Geron kommt wieder nach Haus / und weil ihm Gott so gnädig aus Nöthen geholffen / welcher kein böses Werck ungestrafft / und kein gutes unbelohnt lässet / hat er jm Freunde gemacht mit dem ungerechten Mammon / und seinem Gebrauch nach reichlich Almosen gegeben.
15. Hierauß ist zu lernen / daß das Spielgelt unter das ungerechte Gut zu zehlen / welches nicht auf den dritten Erben kommet / sondern dem ersten Gewinner eines grossen Unglücks sicheres Pfand ist. Das Glück / sagen die Spanier / ist eine Weibsperson / die den jungen Leuten Gunst erweiset / und sich auch wol in die Narren verliebt; jedoch allezeit mit großem Unbestand / daß der sich auf so flüchtige Gewogenheit verläßt / nach dem Schatten greifft / und sich auf einen Rohrstab steuret / der ihn durch die Hand drucket. Aus dem Geltsüchtigen Spielen erwächset wenig Gutes / aber sehr viel Böses / als Verlust der Zeit /Verlust deß Gelts / Verlust guter Freunde / und mit einem Wort die Reue / welche an statt solcher Zeitvertreibung ins gemein zu erfolgen pfleget.
16. Diesem nach ist besser man unterlasse das spielen gar; oder man spiele um so geringen werth /daß der Verlust niemand reuen / noch der Gewinn erfreuen könne. Andern das Gelt / welches er oder der seinigen bedörffen / abzuspielen / vergleichen die Juristen mit einem Diebstal / und überfährt man zum wenigsten das Gebott: Du solst dich nicht lassen gelüsten!
Ende des ersten Theils.
Zweiter Theil
Register der Erzehlungen deß II. Theils
Register der Erzehlungen
Deß II. Theils.
26. Der schmähsuchtige Sohn
[102] (XXVI.)
Der schmähsůchtige Sohn.
In der Italianischen Gesellschafft / zu Venedig / welche sich die Einstimmenden (unisuoni) genennet / ist unter andern diese Frage aufgegeben worden: Ob der Neid die Tugend hindere oder befördere? Hierauf hat einer durch folgendes Sinngedicht / welches wir zu Anfang dieses zweyten Theils auf unsern Schauplatz stellen wollen / seine Meinung artig verhůllet / Ich /sagte er / habe das Tugendbild Minervä von Marmolstein zu hauen angefangen und mit dem Maissel gestaltet die Stirn / die Augen / die Nasen / die Wangen; als ich aber die Zungen und Lippen außarbeiten wollen / so hab ich einen so harten Kies angetroffen / daß nicht allein der Werckzeug darüber verbrochen / sondern auch etliche Funcken darauß gesprungen / welche mir ein Buch verbrennt / das mir Biantes verehret / mit dem Titel:
Also sagte er ferners / ist leichtlich zu erachten /daß die Zunge / wann sie auch von harten Marmol seyn solte / der Tugend vielmehr nachtheilig / als schädlich seye. Von dem Nutz und Schaden dieses besten und bösten Gliedes hat der fromme Jesuit Jeremias Drexel / in seinen Phaethon viel geschrieben / und ist auch eine feine Erfindung hiervon zu lesen in dem CXXV. Gesprächspiel
9. und an viel andren Orten mehr / zu welchen auch nachfolgendes billig gezogen werden mag.
2. Ein guter Haußvatter führte ein mässiges Leben /und baute durch die kleine Kuchen ein grosses Hauß; ich wil sagen / er sparte durch Nüchternkeit seinen Kindern redlich so viel ihm möglich; Doch dergestalt / daß man ihm noch Geitz / noch Schinderey konte nachsagen. Er war gleich der arbeitsamen Omeyß /welche einen guten Vorrath einzutragen [103] pfleget / und auf das künfftige vorsorget: Wie nun solches nit zu schänden / so konte man doch von ihm sagen / daß er in dem Reichthum arm gewesen / gegen andern zu erachten / welche in ihrer Armut reich sind / sich begnügen lassen / und frölicher zu seyn pflegen / als dieser halb-geitzige Avy / welchem so wol ermangelt /was er hatte / als was er nicht hatte.
3. Sein Sohn Epimachus war eines viel andern Sinnes: Er wolte wol leben / wol bekleidet seyn / und zerstreuen / was der Vatter zusammen scharrete / daß also dieser Sohn der löcherichte Sack / zu seines Vatters Reichthum war / und viel für seliger hielte / den Wirten und Spielleuten geben / als von den Bürgern und Bauren nehmen. Der Vatter gabe ihm zu seiner Notturfft eine ehrliche Unterhaltung / aber viel zu wenig ein böses Leben zu führen / weil er zum Uberfluß / aller Orten aufgeborgt / und so viel Schulden gemacht / so viel er Glauben gefunden.
4. Dieser ungeratne Sohn gabe sich für einen Ertzfeind deß Geitzes aus / und sonderlich verlachte er seinen Vatter / daß er so hindisch und schinderisch; Wann ihm das Gütlein in die Hände kommen solte /wolte er adelicher darmit verfahren / wie sich dann das alte Gold sehr wol schickte / in der jungen Leut Hände / etc. Avy hette dieses einige Kind gerne zu der Haußhaltung gezogen / und hat nicht unterlassen ihn von seinem vergeudischen Leben abzumahnen / aber vergebens.
5. Einsmahls fande sich Epimachus in einer Gesellschafft / und sange von seinem Vatter nachfolgendes Liedlein.
6. Also war diesem Gesellen der Tag zu kurtz um zu trincken / und die Nacht nit lang genug üm außzunüchtern. Wie der Geitz eine Wurtzel ist alles übels; so ist gewiß die Trunckenheit ein Stamm der böse Früchte trägt / wann man ihn lässet groß werden / daß daher Hader / Mord / Unzucht / Kranckheiten / Armut / und ein unordentliches Leben / daß Gott mißfället und dem Teuffel wol gefället / zu erwachsen pfleget.
7. Diesem Unheil zu steuren hat Avy / nach vielen Vermahnungen / so Epimachus in den Wind geschlagen / ein anders Mittel ergriffen! Nemlich allen seines Sohns Schuldnern angesagt / daß er für ihn noch zahlen / noch Bürge stehen wolle: Sie sollen ihn lassen in Verhafft nehmen / und die Bezahlung herauß pressen. Nachdem er auch erfahren / wie spöttlich er von ihm singe und sage / hat er allen Unterhalt zurucke genommen / und ihn in dem Elend herum ziehen lassen /wie den verlohrnen Sohn: Da ihm dann der Hochmut vergangen / und ein jeder Schuldner / mit welcher Waaren er sich zuvor auf trauen bekleidet / seine Federn von diesem Vogel wider genommen / daß er da gestanden / wie die Krohe in der Fabel.
8. Nachdem er aber sich wol zu verhalten versprochen / hat ihn sein Vater zu Gnaden wieder angenommen / und mit diesem Lehrgedicht unterwiesen: Ein Fluß / sagte er / hat sich einsten wider seine Quelle erhoben / und geklagt / daß solche noch zu der Lincken noch zu der rechten weiche / und dasselbe so klein und ohne Fische für nichts zu achten gegen ihm / der die Wälder und Felder (deß Epimachi Schmarotzer verstehend) träncke / die Fische / (Wirt und Gasthalter) ernehre / und mit senem Gelispel der Schäferin belustige / etc. Wider diesen undanckbaren Fluß hat sich die Quelle erzörnet / und ihr Fluten zuruck gehalten / daß der Fluß bald außgetrocknet / und ihm das Gereusch / die Fische und aller Safft entgangen. Also sagt er ferners / habe ich dein undanckbares Gemüt /dir zu erkennen gegeben / und deine schmähsüchtige Zunge / durch [106] Zurucknehmung meiner Gutthätigkeit /schweigen machen / und kan es noch thun / so offt du meiner zu spotten erwiedern wirst. Wann ich dir nichts ersparet hätte / soltest du in dem Bettel müssen herum ziehen / etc. Du bist wie der Weinberg / welcher Herlinge bringet / an statt der guten Trauben. Du bist wie die ungezognen Füllen / die nach denen schlagen / so sie ernehren / etc.
9. Mit diesen und dergleichen Vermahnungen hat der alte Avy seinen Sohn wiederumb zu recht gebracht / daß er ein besseres Leben angefangen / und in der Haußhaltung seinem Vatter nach geartet / welcher ihm täglich dieses Sprichwort fürgesagt: Was man erspart / ist bald und redlich gewonnen.
10. Solche Verschwender sind nit ungleich denen betrüglichen Kaufleuten / welche viel aufborgen / und endlich mit einem paar Schuhe alle Schulden bezahlen. Die Gesetze sind solchen Leuthen viel zu gelinde / und ist unter ihnen und den Raubern der Unterscheid / daß diese wilde / und jene heimliche Diebe / diese auf den Strassen / und jene auf den Städten rauben /diese den Unschuldigen mit Gewalt und jene mit Betrug an den Bettelstab bringen. Vielleicht aber hat kein Rauber allein jemals so viel Beute gemacht / als ein entloffener Kauffmann / und werden die Strassendiebe an den Galgen gehangen / die aber noch wol in Ehren gehalten: Doch ist ein Unterscheid zu halten unter denen / welche aus Unglücksfällen ihres Haabs belustiget werden / und unter denen / welche mit Fressen und Sauffen das ihrige und das entlehnte durchbringen / wie Epimachus von dem wir erst geredet. Redliche Kaufleute haben sich der unredlichen nit anzunehmen / und werden so wol / als andre / unschuldiger Weise betrogen.
11. Diesen Unterscheid hat beobachtet Don Pedro Gyran / Hertzog von Ossuna / und Königlicher Stadthalter zu Neapoli / als ein reicher Schlemmer alles sein und seiner Glaubiger Vermögen / so viel ihm vertrauet worden / durchgebracht / hat er ihn in ewiger Gefängniß / mit Wasser unn Brod abspeisen lassen / sagend: Weil er mit dem Leib gesündiget / [107] so soll er auch mit dem Leib büssen. Durch dieses Exempel sind ihrer viel kärger worden.
12. Dergleichen ist auch merckwürdig von Morosino einem Venetianischen Stadtrichter zu Verona /welcher seinen Diener / der das Gelt mit spielen und bösem Leben durchgebracht / mit Ruten hat lassen außhauen. Als ihm aber der Diener gesagt / daß es sein eigen und nicht seines Herrn anvertrautes Gut gewesen / welches er verschlemmet. Wol / antwortet Morosino / darum laß ich dich auch nur mit Ruten aushauen / hettest du mein Vermögen / und dir vertrautes Gelt angegriffen / so wolte ich dich hencken lassen.
Viel Geldes verzehren und wenig erwerben / ist Ursach das meinste fast eiligst verderben.
27. Das Glückskind
(XXVII.)
Das Glückskind.
Diesem unartigen Sohn wollen wir entgegen setzen ein rechtes Glückskind / welches sein Vatter an seinem Wolergehen keines Wegs hindern können / weil seine Tugend / gleich der Sonnen Stralen / alle Hindernissen durchgebrochen / und mit der Warheit an den Tag geleuchtet / wie umständig folgen soll.
2. Herodian ein Edelmann zu Verona in der Lombardia / nach dem er lange Zeit vertreuliche Freundschafft gepflogen mit Asintrit / fasset er wegen eines eifersüchtigen Verdachts / eine fast tödtliche Feindschafft wider ihn. Die Italianer sind in ihren Gemütsneigungen / in Freund- und Feindschafften übermässig ungehalten / und sagte jener recht / daß der schärffste Essig von dem stärcksten Wein / die ärgste Feindschafft aber von der besten Freundschafft entstehe / Ob nun wol der Argwohn falsch und zwischen Asintrit und Apollonia / Herodians Weibe keine Ungebühr vorgegangen / so hatte doch der Mann die grüngläserne Eiferbrillen schon aufgestecket / und sahe auch das / was nit zu sehen war. Wer eines Welschen Frau ansihet / der rühret seinen Augapfel an /wer mit ihr redet / der verräth ihn / und lässet er in dieser Sache nicht mit ihm handlen.
[108] 3. Wie er nun nit erforschen konte / was nicht war /hat er doch nicht unterlassen auf Rache zu gedencken / und lässet durch einen Koch Gifft zu bereiten / welchen Asintritt von der Mittagmahlzeit dieser Welt / zu der Abendmahlzeit in die andre schicken solte. Der Koch nimt das Gelt von Herodian / ist aber so gewissenhafft / daß er zeitliche und ewige Strafe befürchtet / und Herodian das Gelt wider geben wolte bedenckt sich endlich besser / und eröffnet Asintritt den Meuchelmord / welchen Herodian an ihn zu verbringen gewillet.
4. Asintrit verehret ihm doppelt so viel / und gedencket sich an eine gantz listige Weise wieder zu rächen. Er nimmt mit Vorwissen dieses Kochs einen Schlaftrunck / und lässet das Gerücht erschallen / wie ihm Herodian mit Gifft hinrichten lassen; inzwischen muß der Koch die Flucht geben. Er wohnte kurtze Zeit auf seinem Landgut / und lässet durch seine Freunde Herodian Gerichtlich anklagen / daß ihm sein böses Gewissen daß Reißaußspielen macht / und weil er nach unterschiedlichen Ladungen nicht erscheinet /wird wider ihn / als einem Ungehorsamen / verfahren / unnd er zu dem Tod verurtheilet.
5. Asintrit hatte eine Raise in Teutschland gethan /und kame nach geraumer Zeit wider nach Hause / mit Verwunderung aller / die ihn zuvor gekant hatten /und ihn als einen von Todten erstandenen / ansahen. Als nun der Sachen Verlauf eröffnet worden / ist Herodian auf empfangenen Bericht wider heim kommen / mit nit weniger Freude / als Beschimpfung.
6. Apollonia kommet darnider / und bringet einen jungen Sohn zu der Welt / welchen wir Frontin nennen wollen / und die Haubtperson dieser Erzehlung seyn lassen. Herodian konte sich von dem Eiferübel noch nit heilen / sahe dieses Kind nit anders an / als wann es in dem Ehebruch erzeuget / und Asintrits Bastart were / lässet ihn deßwegen auf dem Lande erziehen / und als er ein wenig lauffen kunte / giebt er seiner Knechte einem Gelt / daß er das Kind erträncken solte.
7. Der Knecht nimbt zwar das Gelt / erbarmet sich aber [109] über den unschuldigen Knaben / und bringt ihn zu einem Schneider in einer entlegnen Statt / daß Herodian nicht wol einige Zeitung von ihm erfahren mögen. Frontin wird zu allem gutem / und sonderlich zu der Gottesfurcht auferzogen / und lernet das Schneider Handwerck / und raiset nach Padua / da er zu Procor einem Teutschen Herrn in Dienst kommet /welcher ihn mit sich in Schwabenland führet / und für einen Kammer-Diener gebraucht.
8. Procor hatte eine Schwester / welche nach dem sie ein Jahr mit Ihrem Ehegatten gelebet / als eine Wittib / an ihres Vatters Hause wider kommen / und einer anderweiten Heurat erwartet. Diese verliebte sich in Frontin / und wolte ihn beschwätzen / daß er sie heimlich oder offentlich zur Ehe nehmen solte. Frontin wuste wol / daß solche Vermessenheit mit dem Tod möchte abgestraffet werden / und dz keiner diese glüende Kohlen / sonder starcke Zangen anrühren könte.
9. Procor und alles Haußgesind sahe leichtlich /was zwischen Esther und Frontin fürgehen möchte /weil sie sich ungescheut vernehmen liesse / sie könte nun zu der andern Ehe schreiten eignen Willens / und hätte nicht Ursach andre darum zu fragen / wie zuvor / als sie noch eine Jungfrau / etc. Procor schaffte deßwegen Frontin hinweg / und gabe ihm einen Zehrpfenning / daß er wol zu frieden / und wiederum darmit nach Padua raisen können.
10. Frontin beklagt daß er seines Herren Dienst /wegen seiner Schwester Gunst verlustiget werde / und in dem er Urlaub nimmet / beklagt sich Esther noch vielmehr / daß er so feig und sie zu verlassen gedencke / da sie doch mit ihm biß an der Welt Ende zu raisen nicht erroten wolte. Nach dem nun Frontin die Gefahr solcher Flucht genugsam erwogen / hat doch die Liebe anderseits das Gegengewicht gehalten / und ihn einwilligen machen / daß Esther ihm in Mannskleidern biß in ein Grentzstatt Welschlands gefolgt /und sich mit allem ihren Geschmuck / und was sie sonsten mit nehmen können / beladen. Da sie sich miteinander trawen lassen / und der [110] stillen Wasser /so viel süsser zu seyn pflegen / nach Verlangen genossen.
11. Frontin war begierig / Sicherheit wegen / weiter in Italien und an dieses Ort zuziehen / wo er seine Kindheit zugebracht / weil er daselbst allein Kundschaft hatte / und truge sich zu / daß er unter andern in dem Findlingshause fraget / ob nit ein Knab vorhanden / den er zu einem Diener gebrauchen möchte /etc. Verstehet aber daß ein Mann von Cremona Nachfrag hatte / ob nicht ein Knab in dem und dem Jahre were dahin gebracht worden / welcher hernach zu einen Schneider kommen / etc. Der Spitalmeister des Orts berichtet / daß ihm selbes Jahr ein Kind angebotten worden / welches er aber nicht annehmen wollen /und habe es ein Schneider umb Gottes Willen aufferzogen / etc.
12. Es findet sich / kurtz zu sagen / der Nam / die Kleider / das Jahr / und alle Zeichen / welche auch an solchen Orten pflegen aufgeschrieben zu werden / und daß Frontin Herodians Sohn / welcher nach seinem tödlichen Hintrit grossen Reichthum / und nur 2. Töchter hinterlassen. Apollonia / seine Mutter / war noch in dem Leben / und hat ihn für ihren Sohn erkennt / mit seinem Weibe in das Hauß genommen /und als einen künftigen Erben gehalten. Welches alles Frontin seinem Schwager und gewesenen Herrn Procor zugeschrieben / der sich dann nicht wenig ob so glücklicher Gelegenheit erfreuet hat; und so viel mehr / weil seine Schwester in Teutschland nit leichtlich eine so reiche Heurat solte getroffen haben.
13. Hierauß ist zu bemercken Herodians schädlicher und schändlicher Eifer / deß Kochs Gottesfurcht /deß Asintritt Hinterlist / deß Vatters Unbarmhertzigkeit / deß Dieners Verstand / Procors Danckbarkeit wegen wolgelaister Dienste / der Esther unbedachtsame Liebe / und im Ende das Glückskind eines unglückseligen Vaters; Welches alles vielleicht nit erfolget / wann Fortin nit zu der Gottesfurcht angewehnet worden were: Wie dann solche zu allen Dingen nutz ist / und hat die Verheissung dieses und deß zukünfftigen Lebens.
28. Deß unbekanten Danckbarkeit
[111] (XXVIII.)
Deß unbekanten Danckbarkeit.
Wie die Danckbarkeit ein allgemeines Lob / welches alle Tugenden begreifft; so ist / wie Seneca vermeinet / die Undanckbarkeit das gröste Laster / welches alle Schandmahle bemercket. Die Großmütigen können leichter eine Unbilligkeit erdulten / als eine Wolthat sonder Widergeltung: Daher ein Soldat / dem Julius Cæsar das Leben geschencket / sich beklagt / daß er ihn genöthiget / Undanckbar zu leben und zu sterben. Die Wolthätigkeit ist ein so grosser Saamen / daß er auch in steinern Hertzen Frucht zu bringen pfleget; deßwegen etliche gewolt / man soll den Undanckbaren an dem Leben straffen / wie zu lesen in dem CCLXXX. Gesprächspiele. Die Danckbarkeit eines Unbekanten / welche wir zu erzehlen gewillet / ist so seltzam / daß man es mehr für ein Gedicht / als für ein Geschichte halten solte / wann solche in der Stadt Löven nicht genugsam bekant were.
2. Es ist nicht leichtlich gehöret worden / daß ein Kind drey Vätter gehabt / dieser aber von dem wir reden / hat einen natürlichen und zween Zieh- oder Pflegväter bekommen / solcher Gestalt: Zween Studenten zu Löven / von der grossen Stadt Gand bürtig / hatten sich auf besagter hohen Schule eine geraume Zeit aufgehalten / die Gesetze und das Recht zu studieren: Pflegten aber vielmehr ohne Gesetz und Unrecht zu leben / wie bey vielen noch der Gebrauch.
3. Diese so wir Nicer und Gangreich nennen wollen / hatten gewisse Nachrichtung erlangt / daß etliche andre von ihren Bekanten eine Wilprets Pasteten bestellt / welche ihnen die Magd des Pastetenbeckers um ein Uhr in der Nacht bringen solte / willens sich auf gut Studentisch lustig darbey zu erweisen. Nicer und Gangreich machten den Anschlag die Pasteten unterwegs aufzufangen / und den andern die Nachwart zu lassen; der Poß aber gienge wider sie hinauß.
4. Sie verwarten die Magd bey einem Eckhauß / da sie vorbey gehen muste / und nahmen von derselben ein in weisses Tuch eingehülltes schweres Stück / daß sie für die Pasteten / [112] in ein Serviet oder Handtuch gewickelt / angesehen / und tragen es nach Hauß / solche miteinander zu verzehren. Als sie nun die Beuthe beschauen wollen / finden sie ein schönes fast neugebornes Kind / welches vielmehr zu essen haben wolte / als zu essen taugen konte. Wer war bestürtzter als diese zween? Die Magd / welche ihnen dieses Pastetenkind willig gelassen / war nit mehr zu betretten: Sie fragen in der gantzen Stadt nach / wo dieses Wildpret möchte herkommen seyn; können aber nichts gewisses erkundschaften.
5. Entlich wollen sie das Kind / unter den Findlingen zu ernehren / aushändigen / man wil es aber nit annehmen / und machen sie sich verdächtig / daß einer oder der andre Vater darzu seye; wollen es aber doch nicht unerbärmlich Hungers sterben lassen / sondern es wird ihnen von J. Lipsio gerathen / sie sollen diesen Pflegling einer Ziehmutter anvertrauen / und für ihrer beeder Sohn auferziehen. Dieses thun sie /und haben den Schaden unverschulder Weise / wie auch das Gespött / aller die von solcher Pasteten sagen hören.
6. Nachdem nun diese Studenten wiedernach Gand ziehen musten / nahmen sie diesen ihren Sohn mit sich / und wolte ihn einer dem andern nicht überlassen / weil sie ihn mit gesamten Unkosten unterhalten /und das Kind gegen beede gleiche Liebesneigung verspüren liesse. Als Theodon (also haben sie ihn genennet / weil er ihnen von GOtt geschencket) grösser wurde / gab er zu erkennen / daß er von guter Art /und von keinen schlechten Eltern herkommen. Er lernet wol / hielte sich bescheidner als sein Alter mitbrachte / und weil ihn ein jeder bey sich haben wolte /werden sie endlich rähtig / den Knaben zu einem Kauffherrn zu bringen / und richteten auch solches mit gewissem Beding zu Wercke.
7. Theodons Herr handelte viel in Hispanien / und nam diesen Jüngling mit sich / daß er nach und nach die Kundschaft erlangt / und nach etlichen Jahren zu Lisbona / als seines Herrn Sachwalter / oder Factor zurucke verbleibt. In dem er nun die Handelschaft genugsam verstehen lernen / und sein Herr verstirbt /bringt er die Kundschaft an sich / und [113] gedencket sich zu verheuraten / wird aber von dem frühzeitigen Tod dahin gerafft / daß er kaumlich Zeit / den erlangten Reichthum durch einen letzten Willen außzutheilen.
8. Seine Verlassenschafft war zehen tausend Ducaten / welche er allen seinen Ziehvättern verschaffet /mit Bitt / daß sie 2000. Ducaten seinen Eltern geben wolten / im Fall selbe wiederum solten gefunden werden / welches aber nie geschehen / und er also unbekant / aber nicht undanckbar gegen seine Wolthäter verblieben. Also bleibet das Gute nicht unbelohnt /wie das Böse nicht ungestrafft.
29. Die Bekehrung der Verliebten
(XXIX.)
Die Bekehrung der Verliebten.
Der Glaub / sagt der Apostel / ist nicht jedermans Ding / sondern der jenigen / welche GOtt solcher Gnadengabe würdiget. Ist diesem also; So kan solches innerliche Geschenck / durch äusserlichen Gewalt nit erzwungen werden / sondern die Tyranney machet zwar Heuchler / bekehret aber niemand / wie hiervon ümständig berichtet Lipsius contra Dialogistam. Wann einer traurig ist / und man verwundet ihn daß er soll frölich werden / wird nicht sein Traurigkeit dardurch vermehret. Wie soll der Krieg / aller Sünden / Schanden und Laster Werckzeug / das Mittel seyn der Gottesfurcht? Daher hat Henrich der Vierte dieses Namens König in Franckreich verständig gesagt: Es ist besser zwo Religionen und den Frieden / als keine Religion und den Krieg haben. Wir gehen aber zu weit ab von unserm Vorsatz / welcher durch nachfolgende Geschicht beglauben wird / daß Gott unterschiedliche Mittel der Bekehrung / so der Menschen Vorsinnen nicht ergreiffen kan.
2. In der Insel Negropont / welche ist ein Theil deß Griechenlands / daß von dem Großtürcken beherrscht / und von den Christen bewohnt wird / hielte sich ein Saignac (oder Türckischer Stadthalter) Namens Ibraim oder Abraham. Dieser hatte unter seinen grossen Hauffen Frauen / welcher sich dieses Volck zu ihrem Wollust gebraucht / eine Griechin / Sophia benamt /die er wegen ihrer Schönheit [114] und Freundlichkeit über alle andre lieb unnd wehrt hielte.
3. Die Türcken zwingen niemand zu ihrem Gesetz /und hat der kluge Schalck Mahomet / durch solche Freylassung deß Gewissens / sein Reich Volckreich und mächtig gemacht; wol wissend / daß der Glaub eine Schuldigkeit gegen Gott / und nicht zu der Menschen Gebott stehen soll. Dergestalt / daß Sophia eines Türcken Weib / und doch Christlicher Religion verblieben. Diese schöne Mutter erzeugte noch eine schönere Tochter / so sie Lisenam genennet / unnd zu der Christlichen Religion / wiewol heimlich / auferzogen.
4. Es fügte sich aber daß Ladislaus / ein Polnischer Edelmann / nach dem er ferne Raisen verrichtet / in dieser Insel anlanget / und weil er etliche Briefe bey Ibraim abzulegen / wird er von ihm freundlichst empfangen / welches sonsten dieser stoltzen Wüterich Gebrauch nicht. Er führt ihn in sein Frauenzimmer / wie in einen Roßstall / und fragte / welches Pferd er reiten wolte. Hatte aber eine böse Brunst / nach der Greuelsünde Morgenländischer Völcker / gegen Ladislaum in seinem Hertzen / und gedachte diesen Polen / welcher schön von Angesicht / weisse Haar hatte / unnd ein wolgestalter Jüngling war / anderst zu gebrauchen.
5. Ladislaus hätte ihm gerne Lisenam erwehlt /weil er aber gehört / daß sie deß Saignacs Tochter /und von seinem Eheweib geboren / hat er auch der andern Kebsweiber / keine beschlaffen wollen. Nicht weniger Neigung hat sich bey sich Lisena gegen diesen Polen befunden / und ist ihm durch Cassandram eine Christin und leibeigne Magd aus Manfredonia bürtig / solches genugsam bedeutet worden.
6. Ladislaus kauffte damals Eckuver / einen Knecht / welcher ihm unwissend / mit dieser Cassandra gute Kundschafft hatte / und weil Ladislaus dem Saignac nit zu willen werden / sondern seine Weg fortzusetzen willens / lässet er von Lisena und Sophia vermittelst ihrer Kammermagd / Urlaub nehmen; beede bitten ihn die Anstellung zu machen / daß sie mit ihm in der Christen Land kommen möchten / unnd wolten sie sich [115] in Körben von dem Thurm / in welchem sie verschlossen lagen / herunter lassen / und mit ihm und Eckuver entfliehen.
7. Ladislaus / welcher sich auch heimlich darvon machen wollen / nimmt diese Gefertin samt der Cassandra erfreulich an / und bestellte Eckuver ein Jagtschif / seglen also die benamten Personen samt noch andern leibeignen Christen mit gutem Vorwind nach Corfou / und von dar nach Sicilien / und kamen nach Monfredonia / von dar aus Cassandra entführet / unn von ihren Eltern mit hertzlicher Freuden empfangen worden.
8. Saignac erfuhre nicht ohne Betrübniß / daß sein Weib / seine Tochter und Magd / mit allen ihren kostbaren Schmuck / unnd etlichen leibeignen Knechten entflohen; schickte nach sie zu suchen und wieder zurucke zu bringen / aber vergeblich / dann der Wind ihnen so günstig / daß sie nit ereilet werden mögen.
9. Solcher Gestalt ist Lisena mit dem Namen Elisabeth getauft / und von Ladislao / wie auch Cassandra mit Eckuver verheuratet worden. Sophia aber hat ihre Kleinodien zu Gelt gemacht / und theils ihre Tochter mit gegeben in Polen / dahin sie samt ihrem Mann gezogen / theils aber mit ihr in ein Kloster genommen /darinnen sie die übrigen Tage ihres Lebens in Gottesfurcht verschlossen.
10. Also führet Gott ihrer noch viel aus dem Diensthauß der Heydenschaft / welches gleichsam Egypten ist / dessen Trübsal nach dem himmlischen Jerusalem soll verlangen machen / dahin wir durch den Jordan der heiligen Taufe raisen müssen; heisst es also nach deß Poeten Außspruch:
Wer fromm verbleibet für und für / Dem blüt das Glück stets für die Thür; Doch muß er auch in solchem Garten / Der reiffen Früchte Zeit erwarten.
30. Die ungleichen Zwillinge
(XXX.)
Die ungleichen Zwillinge.
Gombert und Roffroy / Zwillinge von Poitirs bürtig /waren zwar von einem Geblůt gebohren / 9. Monden in einem Leibe gelegen / und fast in einer Viertelstund auf diese Welt kommen; aber doch so ungleichen Sinnes / als Jacob und [116] Esau mögen gewesen seyn / deren Gestalt deß Leibs auch keine Gleichheit gehabt.
2. Gombert war in seiner Jugend ein feiner Knab /Lehrbegierig / sittig / fleissig / und erwiese mehr Bescheidenheit / als fast die zarten Jahre zuliessen. Sein Bruder hingegen war unbedachtsam / konte und wolte nichts erlernen / sondern mit spielen / hin und wider laufen / und andern unnützen Possen seine Zeit vertreiben. Weil er aber gezwungen wurde / dieses und jenes zu fassen / so war seine Gedächtniß ein löcherichter Beutel.
3. Dieser Zwillinge Vater war ein Burgersmann /von grossem Reichthum / der seine Kinder zu denen Sachen auferziehen wolte / zu welchen sie von der Natur gewidmet waren / wie alle verstandige Väter thun solten. Also hat GOtt geschaffen / daß ein jeglicher Baum Frucht bringen solte / nach seiner Art /und wird man nicht Feigen lesen von den Disteln /noch Trauben von den Hecken. Die wilden Thiere dienen wol in den Häusern / und die heimischen Thiere in den Wälden. Die Kinder sind den Eltern allen Gehorsam zu leisten schuldig: Die Eltern aber sollen ihren freyen Willen (darinnen deß Menschen Vollkommenheit bestehet) wider ihre Neigung / wann solche zulässig / nicht befesseln und bezwingen.
4. Also hat dieser Vater / Gombert zu dem studieren / und Roffroy zu dem Soldaten Wesen / auferzogen / daß beede nach ihrer Art glücklich fortkommen. Nach ihres Vaters Tod / haben sie das Erb mit ihren Schwestern getheilt / und haben diese beede von Jugend auf mit einander gezancket / in dem der eine gehasst / was der andre geliebt / und der andre im Widerspiel geliebt / was dieser gehasset. Gombert war verzagt / einsam / fleissig / und satzte über seinen Büchern; Roffroy hingegen behertzt / täglich in Gesellschafft / leichtsinnig und ein Liebhaber der Waffen.
5. Gombert hatte die Gesetze studieret / und so viel erlernet daß er andern als ein Fürsprecher und Sachwalter für Gericht bedient war: Dieses mißfiele dem andern Bruder / welcher ein grosser Herr seyn wolte /und ihm riete / er solte ihm [117] ein hohes Amt kauffen. Gombert aber folgte nicht / sondern bliebe bey seinen kleinen Mitteln / und heuratet eine sehr häußliche Frau / die alles fleissig zusammen hielte / was der Mann erworben / und beygetragen.
6. Roffroy hingegen hält sich bey Hofe auf / und dienet einem Fürsten auf seinen Unkosten / mit etlichen Knechten und Pferden / verhoffend grosse Dienste / mit welchen man ihm das Maul täglich aufgesperret; daher machte er von seinem liegenden Haab ein Stůck nach dem andern zu Geld / welches sein Bruder an sich brachte. In dem nun Roffroy nichts mehr als den Krieg verlangt / der vielen die Staffeln zu hohen Ehren / durch die Leichname der Erschlagenen machet / begiebt sich ein Unruhe in dem Reich /da er verhoffte grosse Dienste zu erlangen; aber das Glück hat ihn als einen Neuling zurucke gesetzet /daß er auf eine Zeit / in einem Turnier auf seinen Schild mahlen lassen / ein Wasserrad mit Schöpfeimern und diesem Beywort:
Hofnungs leer / und Schmertzens voll.
7. Der Krieg geht bald zu Ende / Roffroy Vermögen ist durchgebracht / und hat er zu der guldnen Ernde / welche er ihm eingebildet / nit gelangen mögen. Also waren diese Brüder gleich dem Krieg und dem Friede / so sich zu gleicher Zeit nit stellen mögen. Er komt wieder nach Hauß nach zehenjährigen Hofdiensten / und bringt mehr Reue / als Gelt mit sich: Er ist arm / sein Bruder hingegen / welchen er so offt verachtet / reich / der ihn nun wieder hilffloß liesse / und den Titel von Schenckungen in seinem Recht nicht studieret hatte.
8. Einsten setzte er ihm nach dem Essen dieses Lehrgedicht für: Der getreue Hund / sagte er / begegnete auf eine Zeit dem Löwen / welcher in dem Wald hin und her liefe / und suchte seinen Hunger zu stillen / unnd redete ihm zu / daß er sich dem Menschen untergeben solte / der ihn mit Speiß und Tranck wol versorgen würde / daß er ohne Mühe sein Leben zubringen könte; gleicher Weise wie auch ihn sein Herr wol hielte und keinen Mangel liesse. Der Löw sagte / daß er kein so geringes Thier / welches sich an eine Ketten wolte gefangen [118] lassen legen / wie der Hund / und fast so viel Schläge / als Bissen Brod erdulten könte. Er hingegen belustigte sich mit jagen / wie die Könige auf Erden / und nicht eben Hungers sondern Lusts wegen / wiewol er nicht allezeit begegnete / was er wünschte.
9. Dieses verstunde Roffroy gar wol / weil er aber seines Bruders vonnöthen hatte / und sein Unrecht erkante / nahme er es nit ůbel auf. Hierbey erinnerte ich mich / daß dort ein Hofmanne zu Diogene gesagt: Wann du schmeicheln köntest / wie ich / so würdest du so schlecht nicht leben: Darauff er geantwortet: Und wann du so schlecht und mässig leben köntest /als ich / so würdest du deinem Herrn so Knechtisch nicht schmeicheln. Der für sich zu leben hat / ist sein selbsten Herr und König / und ist der Mittelstand billich für gulden zu halten / der vielen Veränderungen nicht unterworfen ist.
10. Zu andrer Zeit erzehlte Gombert seinem Bruder folgende Fabel: Die Mucken hat auf eine Zeit mit der Omeissen gezanckt / sagend / daß sie in der Luft schwebe wie ein grosser Vogel / der Fürsten und Herrn Gast were / in warmen Orten und bey guten Speisen und schönen Blumen sich aufhielte: Da hingegen die Omeiß in kleinen Orten der Erden wohnte /den Sommer arbeiten / Wasser trincken und elend leben müsste / ja ein bäurisch Thierlein gegen dem Adel der Mucken zu rechnen. Die Omeiß sagte hingegen / daß sie einen gewissen Sitz / wohnte in ihrem eignen / unnd keinem frembden Hause / daß das Korn und Wasser ihr eine liebe und gesunde Speise seye /so sie durch ihre Arbeit / und nicht durch den Müssiggang erworben / daß sie sicher in dem Schatten und die Mucken in stätiger Gefahr schweben müsste / und jederman beschwerlich were / Ja sie hätte in dem Winter zu leben / wann die Mucken nach der Sommer-Wärme sterbe / oder ja als tod darnider liege. etc.
11. Roffroy hätte wol antworten können / daß die Omeissen die Gärten verderbten / und viel Advocaten von ander Leute Ungerechtigkeit lebten: Aber er wolte seinen Bruder nicht beleidigen / sondern beklagte sich wider sein widerwertiges [119] Glůck / und sein undanckbares Vaterland / das seine Dienste nit erkenne / da er doch sich über seine Thorheit beschweren sollen / und seines Unglücks eigener Werckmeister gewesen. Also verkauffte er was er noch übrig hatte /und rüstet sich in Teutschland für einen Soldaten zu dienen / da die Tapfern Stösse / die Verzagten Unziefer zu Lohn bekommen. Wie es ihm ferner ergangen /wird nicht berichtet.
12. Es erinnert uns diese Erzehlung der zweyen Hunde / von welchen Plutarchus Meldung thut / daß der eine zu dem Haußwesen / der ander zu der Jagt auferzogen worden / und ob sie gleich einer Art von einer Bürde / doch ein gantzes ungleiches Leben geführet / daß der eine feist unn in Ruhe gelebt / der andre von dem Wolf zerrissen worden. Viel sicherer unn Gott gafälliger ist der gering Stand / als hohe Ehr oder derselben Hoffnung mit grosser Gefahr und bösem Gewissen sitzen.
31. Der betrogne Geitz
(XXXI.)
Der betrogne Geitz.
Es sagt das teutsche Sprichwort: Der Geitz sey sein selbst Stiefmutter / ich wil sagen / daß er auch sey seine eigne Höllle. In dem der Geitzige niemand gutes thut / auch ihm selbsten nit / kan er wol einer gehässigen Stiefmutter / oder einem Esel verglichen werden /der mit Wein und Brot geladen ist / desselben aber nit geniesset. Wann aber einer viel zu gewinnen vermeint / in dem er verliert / kan man wol sagen / daß ein solcher ihm keine Freunde machet mit dem ungerechten Mammon / und daß ihn niemand aufnehmen wird in die ewige Hütten; Sondern daß er seinen Theil dahin /und dort sein Gelt schmeltzen wird bey dem Fürsten dieser Welt / welcher ist der höllische Pluto: hier aber wird seine Höllen-Plage angehen / in unaufhörlicher Traurigkeit / wie aus folgender Erzehlung nachgehends zu verstehen seyn wird.
2. In der Normandia / einer Landschaft in Franckreich / welche von den alten Nordmännern oder Schweden ihren Namen erhalten / haben die Innwohner den Ruhm / daß sie durchtriebene verschlagne Leute / die alle andre zu überlisten pflegen. Klug seyn ist kein Laster; aber die Klugheit übel anwenden [120] und böses dardurch außwürcken / das wird von keinem Verständigen gelobet werden: wie aber die Liecht-Kertze nit schuldig / daß die Mucken die Flügel verbrennen; also ist zu Zeiten der Betrug dem Geitz zuzumessen / und nit dem / der dieses oder jenes verursachet.
2. Candre und Rigobert zween von Adel gleiches Stands / aber wegen deß Rechts der Erstgeburt gantz ungleiches Einkommens. Candre rüstet seinen Brudern aus / mit einem Pferd / Knecht / und 50. Cronen in dem Beutel / daß er sein Glück in Kriegswesen suchen solte / welches er aber unferne davon bey einer adelichen / tugendreichen / aber Geltarmen Jungfer zu finden vermeint / daß die Dürftigkeit mit Fug sein nächster Nachbar hette können genennet werden.
3. Dieser Rigobert hatte sich nun jung verheuratet /und die Mittel einer grossen Anzahl Kinder zu bekommen / massen sich sein Weinstock üm den Tisch so reichlich und reiflich von Jahr zu Jahr außgebreitet / daß er vor den Aesten nit wol in die Schüssel langen können. Unter andern aber hatte er 2. mannbare Töchter / welche er gerne verheuratet gesehen hätte / und ermāglet es jnen an Buhlern gar nit / aber wol an Freyern; weil keiner gerne diese Wahr ohne Gelt kauffen / ich wil sagen / sich ohne Außsteuer in eheliche Verlöbniß einlassen wollen.
4. Diese zwo Jungfrauen hätten können verglichen werden mit einem der Schifbruch erlitten / auf einem Felsen / die Augen aufhebet und um sich sihet / ob nit ein Schif komme / und ihn weiter von Hunger / und näher zum Brotkorb führe. Es wolte aber niemand erscheinen: Die Liebe hatte keine güldne Flügel / daß sie sich biß zu dem Ehestande solte schwingen können. Doch fügte sich eine unerwarte Gelegenheit /vielleicht weil diese Jungfrauen ein untadeliches Leben führten.
6. Candre hatte mit andren jungen Edelleuten in der Nachbarschafft einen Streit / wegen ihrer Grentzen /und kommet von den Worten zu Streichen / daß er einen zu Boden stösset / als er bereit auch schmertzlichst verwundet worden. Man hatte zu selber Zeit solches Mordfechten in Franckreich von neuen hoch verbotten / daß Candre in Flandern entfliehen musste / unn in Gefahr [121] stunde seine Güter zu verlieren; deßwegen ersinnt er diese List.
7. Rigobert solte vorgeben / Candre were an seiner Wunden / weil der kalte Brand darzu geschlagen / gestorben / seinem Weib ihr Wittumb aushändigen /sich in die Güter setzen / und als der nächste Erbe alles nach seinem Willen regieren und führen / biß auf bessere Zeit / da er wider Landshuldigung und deß Königs Gnade zu erlangen verhoffte. Dieses hat Rigobert / als der nechste Erbe / so meisterlich gespielet /daß auch seine Haußgenossen nicht anderst vermeint /als were die Sache bemeldter massen beschaffen / und ist der Vater deß Entleibten durch deß Candre vermeinten Tod besänfftiget worden / daß er ihm ferners nicht nachstellen lassen / noch auf seine Güter geklagt.
8. Die Mucken / welche aus der alten Kuchen fliehen / flegen in grosser Anzahl zu / wann das Feuer wieder groß wird. Luciana und Marca die beede Töchter Rigobert / hatten bey so gewändten Glück viel Freyer / und stellte sich der Vater / als ob er Ursach hätte / sich mit seinen Kindern stoltz zu machen. Endlich aber giebt er sie / auf die Hoffnung künftiger Güter / sonder Heurat gut Eduard und Maglor / zweyen geitzigen von Adel / welche wol zu leben hatten /biß der Vater sterben würde.
9. Diese Geitzhälse vermeinten sie hätten wol gefischt / als Candre wegen einer kapfern That von Printzen von Uranien Vorschrift an dem König in Franckreich erlangt / und durch seine Freunde deß Ermorden Vatter versöhnen lassen / daß er ihn als einen der sich vertheidiget / und den Fall bereuet / verziehen / und er also den Besitz seiner Güter an Rigobert aber willig abgetretten.
10. Wie nun die Fische leichtlich in die Reussen /aber schwerlich wieder herauß kommen / also mussten die beede geitzigen Tochtermänner in dem Eheband bleiben / in welche sie sich aus falschem Wahn begeben. Candre verehrte seinen Bruder ein Stück Geltes / wegen der wolgeleisten Dienste / und erzeugete bernoch selbsten Söhne / welche seine Lehenserben worden.
11. Also mussten sich diese beede begnügen lassen mit der Schönheit und der Höfligkeit ihrer Ehefrauen /unnd das [122] Sprichwort erfahren / daß man mit Lügen und List-Heuraten flifftet / und heisset es / trau /schau wem? Die Weiber soll man mit den Ohren unnd nit mit den Augen nehmen / das ist: Wann sie ein gutes Gemüt und Lob-Gerücht haben / so ist nicht darauff zu sehen / ob sie gleich noch schön noch reich.
32. Die Vorschickung
(XXXII.)
Die Vorschickung.
Nach dem vor Zeiten in dem Pabsthumb die Geistlichkeit alle die Weltlichen Güter zu sich gerissen /haben sich etliche Geschlechte verglichen / Vorschickung zu stifften / die ewigen Zeiten bey ihren Nachkommen Männlicher Linien verbleiben solten. Daher noch aller Orten dergleichen Vorschickung zu finden /welche mehrmals grosse Rechtfertigung verursachen /in dem andere / deren Vermögen auf flüchtigen Fuse stehet / ihre Güter solcher Gestalt bey ihren Nachkommen fast machen / und gleichsam dem wanckelbaren Glücke aus den Händen winden wollen. Deßwegen die Portugäsen ein Gesätz gemacht / daß keine Vorschickung länger / als biß in den dritten Grad gelten solle / da dann der Besitzer Macht hat / solche wieder aufzuheben / oder auf seinen Nachkommen fortzustellen. Dieses ist auch in etlichen Reichs-Städten der Gebrauch.
2. In einer grossen Stadt in Franckreich an dem Garonna Fluß gelegen / lebten zween Brüder in grossen Vertrauen Domus / der älteste hatte eine Tochter und einen Sohn / Constantin genant. Der andere Poncian hatte keine Kinder / unnd war die Vorschickung auf den ältsten deß Geschlechts gerichtet. Nach dem Domus verstorben / ist die gantze Verwaltung auf Poncian gefallen / welcher vielmehr Constantius Vatter / als Vetter und Vormund gewesen / und hat er das Vermögen solcher Vorschickung so weißlich benutzet / daß er die Tochter aussteuret von den Abzinsungen /und das Haubtgut unvermindert erhalten.
3. Constantin aber war einer von den bösen Buben / der vielmehr ein Verzehrer als ein Vermehrer seiner väterlichen Verlassenschafft seyn wollen / und sich täglich beklagt / [123] daß ihm sein Vetter den Zaum zu hoch führe / und nie genugsam Lufft lasse. Als nun Poncian sahe / daß Constantian das Gütlein lieber haben / als erwarten wolte / und befürchten müsste /es würde in seinen Handen nit lange dauren / fahrt er zu und heuratet eine junge adeliche Jungfrau / der Hoffnung einen Sohn und Nacherben mit ihr zu erzeugen / welches wegen Constantin / als der letzte deß Geschlechts / nicht freye Hand haben möchte / den Nahmen und die Stifftung zugleich unter zu drucken /weil sonderlich Constantinus also beschaffen / daß keine Kinder von ihm zu erwarten.
4. Calixta / Poncians Weib fande sich geschwängert / befürchtet aber daß sie eine Tochter auf die Welt bringen möchte / und macht deßwegen die Anstellung / daß auf solche Begebenheit ihr Kind mit einem neugebornen Knäblein außgetauscht werden solte / wie dann auch von Mura / mit ihrem Söhnlein Lupold geschehen.
5. Mura / die besagte Mutter Lupolds / nahme für ihre Tochter an Vigilian / Poncians Tochter / der Hofnung / daß diese beede mit der Zeit zusammen heuraten / und reiche Leute werden solten. Also ziehet Poncian und Calixta Lupold für ihren Sohn auf / und Constantin wurde nit wenig über solchen Einkömmling betrübt. Dieser Betrug war zwar wol gemeint /mochte aber nit verschwiegen bleiben / weil Lupold und Vigila widereinander gleichsam ein angeborne Feindschafft trugen: Ob wol Calixta ihren vermeinten Sohn oft bedrauet / als er zu seinen Mannbahren Jahren gelanget / daß er alles sein Haab verlieren würde /wann er Vigiliam nicht wolte heuraten.
6. Die Liebe ist ein freywilliges Thun deß Gemüts /und wil ungezwungen seyn. Der Gestalt hat sich Vigila / so wol als Lupold nach andern annemlichen Gelegenheit sich zu verehlichen umgesehen / und ihren Eltern hierinnen nit gehorsamt. Endlich musste die Hinderlist offenbar werden / weil sich vielleicht Constantin von seinen bösen Leben bezehrt / und Busse gethan.
7. Calixta war ein Weib / das ist / sie hatte einen Mund der nit schweigen kunte / und sagte ungescheut / daß Lupold nit ihr / sondern der Mura Sohn / Vigila hingegen ihre Tochter [124] were. Constantin wurde also zugeeignet was ihm gebühret / und gabe der Vigilo eine Außsteure ihrem Stande gemäß. Nach dem nun Pontian bald hernach verstorben / ist er in vollen Besitz der Güter gekommen / und hat mit reifem Alter besser Haußhalten lernen.
8. Die Lehre ist / daß Gott der Höchste Handhaber der Gerechtigkeit / den Armen Recht schaffet in der Noht / und daß der Betrug gleichet dem Weiberschminck / der endlich mit deß Betrügers Schand und Spott an den Tag kommet.
33. Der Friedfertigen Rechtfertigung
(XXXIII.)
Der Friedfertigen Rechtfertigung.
Wann jemand eine Artzney erfinden könte / welche die Strittigkeiten und darauß erwachsende Rechtfertigungen heilen möchte / so solte er mehr Danck verdienen / als die Ratzen und Mäusefänger / oder die Quacksalber / welche Pulver und Zetlein für die Würmer in dem Leib verkauffen. Was sind doch die Rechtfertigungen anders / als Würmer und Ratzen /die gantze Häuser und Geschlechte untergraben /nagen / plagen / und mehrmals zu Grund richten. Wider dieses Unziefer dienet nichts ersprießlicher /als ein billicher Vergleich / der durch Zuziehung Friedliebender Leute getroffen wird. Ich sage / ein Vergleich / der alles eingleichet / und das krumme Recht richtet / einen solchen Vergleich helffen gewissenhaffte Rechtsgelehrte selbst vermitteln / und legen gleichsam solche Axt an die Wurtzel / allen Zanck und Zwiest gäntzlich aus- und aufzuheben: Gewinnsüchtige Dintenschmierer hingegen / suchen und saugen wie Blutegel das Marck aus den Beinen und Beutlen / und ist leichtlich zu erachten / wessen Geistes Kinder sie sind / wann Gott ein Gott deß Friedens / der Satan ein Stiffter deß Unfriedens / und ein Fürst der Welt ist / die im argen liegt. Selig sind die Friedfertigen / unselig aber die Zanck und Streit befördern.
2. Calupan und Frodoberte / Geschwistrige Kinder / welche miteinander in unzertheilten Güter friedlich und schiedlich gelebet / wurden wegen etlicher Gefälle strittig / massen [125] die Kinder der Eltern Einigkeit selten erben / und das Wasser je weiter es sich von der Quellen entfernet / je mehr es trüber und glum zu werden pflegt. Als sie nun abtheilen wollen / und die Gemeinschafft der Güter / als eine Mutter der Uneinigkeit / aufzuheben vermeinen / finden sie den Streit /wo sie den Frieden gesucht / daß sie darüber in eine Rechtfertigung geraten.
3. Die Sachwalter oder Advocaten / Gerichts Anwälte / Procuratorn / Schreiber / Gerichtsbotten /Feder- und Dintengenossen / sahen diese beede fetten Kühe auf ihre Weid kommen / und verhoften sie zu melken / biß sie mager wůrden. Calupan hatte etlicher in dieser Leute Händen gesehen / und gewust wie es hergehet: fasset deßwegen einen Schluß / seinem Kopf allein zu folgen / und keinen Rechtsgelehrten /die das Feuer nicht außleschen / sondern aufblasen /darüber zu Rath zu ziehen / und lieber viel zu rucke zu lassen / als solchen Einbuß den Raubvögeln der Gerechtigkeit zu vergönnen.
4. Mit diesem Vorsatz spricht er seinem Gegner folgendes Innhalts zu: Hertzlieber Vetter / du weist in was brüderlicher Einigkeit / und gutem Vernehmen /unsre beede Vätter miteinander gelebet / daß es ihnen auch darüber wol ergangen / und ihre Güter mit Zeitlichem aufnehmen gesegnet worden. Warum wollen wir nicht auch solches Vertrauen auf uns erben lassen? Warum wollen wir durch unsern Zweyspalt uns selbst Heil und Segens berauben? Du weist das alte Sprichwort:
Fried und Einigkeit vermehrt.
Was der Zanck und Streit verzehrt.
Ich lege dir also drey Mittel zu unsrer endlichen Vergleichung vor / mit Bitte / aus denselben eines zu wehlen.
4. Erstlich / daß wir in der Gemeinschafft verbleiben sollen / wie biß anhero / und lassen sich unsre Einkünfften besser abtheilen / als die unbeweglichen Güter. Diese Gemeinschaft soll ein Band seyn unsrer Freundschaft und Vertreulichkeit. Ist dir dieses nicht angenehm / so wollen wir beederseits [126] von unseren Freunden Friedliebende und verständige Leute zu Beyständen erbitten / und sie die Abtheilung machen lassen; Wann wir dann die Theil gleichwürdig befinden / so wollen wir das unpartheische Loß darum werffen / und solches zum Richter wehlen / weil es fällt wie der Herr wil. Solte dir aber auch dieses nit gefällig seyn / so wil ich dich selbsten zu meinem Richter leiden: Ich habe so ein gutes Vertrauen zu dir / daß du nichts wirst begehren / was mir zustehet: nimm alles / und gib mir was du selbsten wilt / unnd was dir dein Gewissen sagen wird / das mein Antheil seyn möchte.
6. Frodobert hat sich über diesem friedfertigen und aufrichtigen Vortrag so sehr erfreut / daß er seinem Vettern um den Hals gefallen / ihn geküsset / und ihm das gantze Gut überlassen / seinen Antheil darvon zu wehlen. Nach dem dieser friedfertigen höfliche Rechtfertigung eine Zeitlang gewäret / haben sie den ersten Vorschlag ergriffen / und sind in der Gemeinschafft der Güter verblieben.
7. Wolte GOtt daß alle Strittigkeiten solcher Gestalt verglichen würden / so müssten ihrer viel / die solche papierne Streitkunst erlernet / Hungers sterben; Dann nach der Spanier Sprichwort (necios y porfiados hazen ricos los letrados) nur die Narren unnd Halßstarrigen die Rechtsgelehrte ernehren / verehren und bereichern / welche wie die Wundärtzte von ander Leute Schaden leben. Ja sie sind wie die Cadmi / so mit den Drachenzähnen Krieg außsäen.
8. Hierbey fället mir ein was Paulus Spinola zu Genua geraten / daß die Genueser Savonam nicht leichter und verantwortlicher verderben könten / als wann sie alle ihre Rechtsgelehrten und verdorbne Kaufleute hinschicken würden / welche die Stadt bald außzehren könten. Diesen Rathschlag setzte er bey folgende Fabel: Ein Vogler richtete seine Garne; Den fragte die Ambsel / der einfältigste unter allen Vögeln / was er machen wolte? Der Vogler sagte? daß er eine Statt bauete. Nach dem er nun [127] gerichtet / und sich hinter den Busch verborgen / wil die Amsel solche neue Statt besehen / und wird darüber gefangen. Als ihr nun der Vogler den Hals wil herumb drehen /sagte die Amsel / wann du so verfahren wirst / so werden wenig Bürger in deiner Statt wohnen.
9. Diesem setze ich nach die fast lächerliche Rechtfertigung / wegen deß Gugugs. Zween Gevattern gangen miteinander über Feld / und hören einen Gugug schreyen. Der eine sagte / daß der Gugug wegen deß andern schreyen müsse: Der andre sagte / daß er ein ehrliches Weib / und daß dieses Geschrey ihn betreffe: Uber diesen Zanck kommen sie für den Richter. Der Richter weiste sie zur Schrifftlicher Handlung /weil die Sache Ehre und einen guten Namen betreffe /etc. Nach dem sie nun viel Gelt verrechtet / ergehet das Urtheil / daß der Gugug nicht geschryen wegen deß Klägers / auch nicht wegen deß Beklagten / sondern wegen deß Richters Urtheilgelds / wegen der Advocaten / Procuratoren / Gerichtschreiber und Fronbotten / etc. Gebühr. Dieses Urtheils haben sich beede Partheyen bedanckt / und Abschrift begehrt. Hierauß ist das Sprichwort erwachsen / daß wann einer ohne Ursach eine Rechtfertigung anfängt / daß man zu sagen pflegt / es hat ihm der Gugug geschrien.
10. Der gelehrte Schalck Rabalais räht / daß man um die streitigen Sachen würffeln soll / weil man /sagt er / auch die besten Händel verlieren kan / wann entweder der Richter / oder der die Sache vorträget /(Referens) oder der Advocat / oder der Procurator /oder die Parthey selbsten das nothwendige und dienliche zu der Sache verwarlosen. Im Fall aber auch einem durch den Würfelfall Unrecht geschehen solte; so ist es doch viel erträglicher / als so grosse Unkosten aufwenden / so beharrlichen Haß und Feindschafft tragen / viel versaumen / den Schreibern zu Gnaden gehen / unnd mit unablässigen Sorgen Tag und Nacht gequälet werden. Diese Leute schreiben mit den Adlersfedern / welche alle andere aufzehren /und sihet man / daß die Schweitzer sich bey halb [128] unrechten Urtheil besser befinden / als wir bey unsern Rechtfertigungen.
34. Die vätterliche Vermahnung
(XXXIV.)
Die vätterliche Vermahnung.
Der Sterbenden Reden soll man billich beobachten /weil solche / wann sie anderst fromm gelebt / gleichsam deß ewigen Lebens Vorgeschmack zu geniessen beginnen / oder ja aller Falschheit entnommen / zu sagen pflegen / was ihnen um das Hertz ist. Sonderlich aber sollen die Kinder ihrer Eltern letzte Wort in unentfallenen Angedencken behalten / und ihre Lehren nicht aus dem Hertzen lassen / wann sie nicht wollen / daß es ihnen ergehen soll / wie Remolin / in nachfolgender Erzehlung.
2. Adimar / ein reicher Frantzosischer Edelmann /hatte das 45. Jahr erreicht / und in seinem männlichen Alter Editam / eine Jungfer seinen Stande gemäß / gefreyet / mit welcher er in aller Zufriedenheit glückselig gelebt. Unter andern hatte er auch wolerzogene Kinder / und wuste fast nichts / als die Beharrlichkeit in so vergnügtem Stande zu erwünschen.
3. Als er auf eine Zeit in Gesellschafft andrer von Adel die Zeit vertreibt / hört er einen Soldaten / Sanctor benamt / überaus grosse Streiche vorgeben / daß Adimar sich deß Lachens nicht enthalten kan / und heraus bricht / in Namen der Gesellschafft zu sagen /wir thun dem Herrn den Gefallen und glauben es. Hierüber zörnet Sanctor / daß man einen Zweiffel in seine Wort setzet / welche doch wahr / und die er mit dem Degen zu verfechten erbietig.
4. Die andren Anwesenden wollen wider Fried machen / und sagten / daß sie es glaubten / weil sie es nicht gesehen / dann was man sehe / das wisse man; was man aber erzehlen höre / das glaube man / ob es gleich fremd und selten laute. Hiermit wil sich Sanctor nit befriedigen lassen / weil Adimar mit lachendem Munde und spottweiß / es nur zu Gefallen glauben wolle / und ihn also verdeckt Lügen gestrafft.
5. Adimar entschuldiget sich / und sagt / daß man nit alles [129] so genau / und was wol gemeint übel aufnehmen müsse / etc. Hierüber erzörnet Sanctor noch vielmehr / weil er ihm noch darzu Gesetze fürschreiben wolte / wie er sich verhalten solte / und sey er ein Soldat / der einen solchen Hofmeister die Spitzen von dem Degen zu Lohn gebe / etc. Die Beywesenden bringen beede voneinander / und vergleichen die Sache so gut sie können.
6. Folgenden Morgens forderte Sanctor den Adimar für die Klingen. Adimar hielte für eine sattsame Ursach die Befedung / verlässet sich auf sein gutes Gewissen / und nachdem kein Glimpf verfangen wil /entblöst er den Degen / und jagt ihm den Schnarcher durch den Wanst / daß er zu Boden sancke. Also bezahlet der / welcher liederliche Händel anfängt / seine Thorheit mit Verlust seines Lebens / und haben die alten Teutschen recht gesagt: wegen einer bösen Viertelstunde / soll man den Degen tragen allezeit / selben aber ohne erhebliche Ursachen nicht aus der Scheiden ziehen / und sonder Ehre nicht wieder einstecken.
7. Ob nun wol Adimar der außgeforderte Theil /und gezwungen worden / daß Sanctoris Hochmut zu dempfen / und seine Ehre zu retten / hat er doch flüchtig gehen müssen / und ist ihm im Bildniß das Haubt abgehauen worden / welches er durch den Verlust seiner Güter schmertzlich empfunden / zu deme auch sein hinterlassne verwittibtes Weib / aus Traurigkeit gestorben / seine Kinder aber haben von dem übrigen Haab bares Gelts zusammen gebracht / und dem Vatter nach langen Jahren die Landshuldigung wieder erlanget.
8. Das vorbesagte Wolergehen hatte sich nun geendet / und waren dem alten Adimar nichts übrig / als etliche Schuldbrief / welcher wegen er klagen / und mehr Gelt aufwenden musste als er hatte; ich wil sagen / er musste Schulden machen / und alles Vermögen verpfänden / die andren Schulden einzubringen. Wer dir deinen Mantel nehmen und Gerichtlich aberhalten wil / dem gieb den Rock darzu / oder laß ihn dahinten / wie Joseph / so wirst du am besten darvon kommen. Adimar erhielte alles was er begehrte /ausser der Bezahlung. [130] Der Schuldner solte ihn befriedigen / welcher doch ohne Gelt war / und heist es nach dem Sprichwort: wo nichts ist / da hat der Käyser sein Recht verlohren.
9. Adimar hatte nun das 50. Jahr überschritten /aber doch war er noch bey geruhlichem Alter und zimlichen Kräfften. Wie nun wir Menschen uns nit leichtlich können lassen wol seyn / als hat Adimar noch mehr Unheil suchen müssen / in dem er sich verliebte in Falcidiam / eine an Schönheit reiche / an Vermögen sehr arme Jungfer. Nachdem er nun solche gefreyt / und vielleicht mehr geliebt / als einem alten Mann gesund ist / hat er den Tod bey sich verspürt /und seinem Sohn Remolim diese Lehren vor seinem Abschied ertheilt.
10. Erstlich sagte er / verheurate dich nit wegen der Schönheit; wann du es nit mit dem Leben büssen wilst / wie ich. Zum zweyten / so führe doch keine Rechtfertigung / sondern laß dir lieber Unrecht thun. Drittens / so rauffe und balge dich mit keinem / ausser abgetrungener Schutzwehre / wann du ein gutes Gewissen behalten wilst. Nach diesen Vermahnungen hat ihm der Tod die Augen zugedruckt.
11. Remolin hatte zwar versprochen / dieses alles getreulich zu halten / ist aber demselben nit nachkommen. Kurtze Zeit hernach verliebte er sich in Getuliam / eine sehr schöne Weibsperson / und wird unter ihnen eine Heurat schrifftlich beschlossen; bevor aber der Hochzeittag benennet worden / meldet sich auch bey dieser Getulia Arsace ein viel reicherer Mann als Remolin an / und neiget sich die Jungfer von jenem zu diesem / weil er ihr auf einmal mehr schencken konte / als der andre in Jahr und Tag einzunehmen hatte.
12. Remolin wil diesem einen Einspruch thun /weil er der erste Kauffer / ob gleich der andre mehr darum geben wil / und kommet darüber in eine Rechtfertigung. In dem nun diese Sache für Gericht schwebet / begegnen sich diese beede Hunde / und zancken über einem Bein / mit solchem Grimm / daß sie einander außfordern / und Remolin darüber ermordet wird. Also wurde dieser Sohn ob den Ungehorsam der vätterlichen Lehren gestrafft / und ist seine [131] Thorheit in diesem noch gut gewesen / weil sie nicht gar lang gedauret. Die drey aber / für welchen Adimar seinen Sohn so vätterlich gewarnet / sind die Laster der Jugend / deß männlichen und mehr bejahrten Alters /und wird alles nicht unrecht der Chimia oder Goldmachkunst verglichen / da der verleurt / welcher damit reich zu werden verhoft.
35. Der Gestriegelte
(XXXV.)
Der Gestriegelte.
Man sagt nicht sonder guten Grund / daß Gottes Mühlen langsam / aber sehr klein zu mahlen pflegen. Der Verzug der Straffe / wird mit deroselben Grösse und Schärffe ersetzet / wann das Sündenmaas erfüllet / und man mit den Lastern / als Tugenden / noch darzu prangen wil. Die beleidigte Gedult wird feuerbrennender Eifergrimm / und so barmhertzig Gott ist gegen die Bußfertigen / so unbarmhertzig ist er auch gegen die verstockten und frevlen Sůnder.
2. Ein solcher Gesell war Opilius ein Frantzösischer Rittmeister / welcher sich in unterschiedlichen Treffen sehr wol gehalten / und vermeint er seye unsterblich / weil er etlichmals der Gefahr entronnen. Nachdem er nun zu Friedens-Zeiten den Degen an den Nagel hangen müssen / hat er liederlich durchgebracht / was er zuvor in den Krieg leichtfertig erworben. Bey Tag lag er in den Spielhäusern / zu Nachts in den Frauenhäusern / und verachtete alle / die kein solches Leben führten.
3. Unter andern hatte er eine Kauffmanns-Frau zu seinem Willen beredet / und sich in Gesellschafften offtmals berühmt / er setze Anaclet / ihrem Mann / die Ochsenkron auf; man solte ihm ein Hirschgewey auf das Hauß stecken / weil sein Frau eine freye Wildbahn.
4. Unter allen Tugenden wird allein die Keuschheit mit dem Namen der Ehre genennet / und die Unkeuschheit / mit dem Namen der Schande. Nachdem nun deß Soldaten Ehrenrühriger Ruhm dem Kauffmann zu Ohren kommen / tröstet er sich zwar: daß er keine Schuld hette / an der Gebrechlichkeit seiner Frauen / deren er wegen seines Gewerbs nicht [132] hüten können. Weil er sich aber an den Rittmeister nit reiben darf / spricht er seinem Weib zu / daß sie zu einem bösen Gerücht Ursach gebe / und wann sie mehr mit Opilio reden würde so werde er verursachet werden / sie als eine Ehebrecherin von sich zu jagen /oder der Obrigkeit zu bestraffen übergeben.
5. Eudoxa lässet ihre Wolredenheit in schänden und schmähen hören / und weil sie auf deß Rittmeisters Schutz trotzet / nennt sie ihn einen alten Narren /der die jungen Weiber einsperren wolle / und erzeigt sich so herrisch / daß er ihr mit der Hand das Maul stopft / und ihr Fůnffingerkraut auf die böse Zunge leget / mit fernerer Bedrauung / er wolle sie und ihren Anhang besser striegeln / wann er sie beysammen finden werde.
6. Eudoxa bedachte bey ihr / daß Opilius ihrem Mann die Stösse mit Wucher widergeben / und ihm das striegeln einträncken solte. Opilius begegnet Anaclet / und verhebt ihm / daß er seine Frau / wegen seiner geschlagen / und wann er es mehr erfahren würde / so solte er wissen / daß er ihn zu stücken hauen wolte. Der Kaufmann sagte / daß er seine Eln mit seinem Degen nit messen könne / und habe ihm seine Frau Ursach darzu gegeben / welcher er sich nicht anzunehmen; es were dann / daß er das böse Gerücht /welches von ihm und seinem Weibe erschollen / beglauben wolle.
7. Hör / sagt der Soldat / du hast dich vernemen lassen / du wollest mich und deine Frau striegeln /wann wir miteinander reden werden. Glaub mir aber /daß ich zu ihr kommen wil / wann es mir gefält / und wann ich in deim Ehebett liegen werde / solst du nicht das Hertz haben / daß du mich einmal aufweckest. Ich wil dich zuvor abwischen wie die Pferd / eh du mich striegeln solst / und mit diesen Worten ergreift er einen Stock / und hätte dem Kaufmann seinen Rücken gemessen / wann er nicht entsprungen.
8. Bald hernach findet sich Opilius wieder zu der Eudoxa / und wird von Anaclet und noch dreyen seiner Freunde / die ihm einen Beystand geleistet / in seinem Ehebett ergriffen / ohne Wehr / Dolchen und Pistol / welches er auf dem [133] Tische liegen lassen / und sich keines Feindes versehen / weil Anaclet sich gestellet / als ob er wegen seines Handels über Lande verraisen müssen. Opilius hatte auch das Hembd ausgezogen / und wurde aus dem brüllenden Löwen / als er sich übermannt gesehen / ein gedultiges Lamm.
9. Anaclet hatte nun seinen Ehrenschänder in seinen Mächten / und ließ ihm die Füsse binden / gab ihm einen Strohwisch in die Hand / und nöthigte Opilium / daß er ihn darmit abwischen möchte wie ein Pferd. Ob sich nun Opilius entschuldigte / so muste er doch solches wider seinen Willen thun / und ihn über den Rucken und über das Haubt fahren / dardurch er Anaclet keinen Schmertzen verursachet / und um Gnade gebetten.
10. Nachdem solches geschehen / bindet er ihn mit allen Vieren an die 4. Bettseulen / und ziehet einen grossen Striegel / mit langen spitzigen Zähnen herfůr /und striegelte Opilium dergestalt / daß ihm noch die Nasen in dem Angesicht / noch das was ihn zu einem Mann machte / noch eines Thalers groß gantze Haut an dem Leib gelassen. Als er mit diesem fertig / striegelt er auch gleicher Weiß seine Ehebrecherin / und lässet beede in ihrem Blut liegen / daß sie zween Tage hernach mit grossem Schmertzen den Geist aufgegeben.
11. Diese That ist von der Obrigkeit nicht gebilliget worden / weil sie zu grausam / und Anaclet zwar nicht an dem Leben / jedoch mit Verweisung deß Landes gestraffet worden. Daher soll das Sprichwort kommen / daß man sagt: Er wird dich striegeln / etc.
12. Fast dergleichen erzehlet man von einem Glaubiger / dem sein Schuldner bedraut / er wolle ihn kratzen wann er ihn nit bezahle: darauf der andre geantwortet: so wil ich ihn beissen. Als aber dieser Schuldner in deß Glaubigers Hände kommen / hat er ihn genöhtiget / daß er ihm die Nägel abschneiden / und also wegen deß Kratzens versichern müssen: Nachdem es geschehen / hat er ihm alle Zähne lassen außreissen / damit er auch wegen deß Beissens gesichert seyn möchte.
[134] 13. Die Gesetze lassen zu / daß ein Ehemann / der sein Weib auf handhaffter That in dem Ehebruch ergreifft / selbe aus rechtmessigem Zorn erwůrgen mag. In dem alten Testament hat man solche Dirne gesteiniget / und solte billich das sechste und siebende Gebott mit gleicher Straffe beleget werden; ja viel schärffer / weil man Gelt und Gut wieder geben / die Ehre aber nit erstatten kan. Wann die geilen Hängste /welche nach andre Weiber wyhren / solche Strigler vor Augen hätten / so würden sie gewißlich den Muth sincken lassen.
36. Die ungetreuen Diener
(XXXVI.)
Die ungetreuen Diener.
Der Herr und der Knecht sind solcher gestalt miteinander verbunden / daß dieses Fehler jenem / und jenes Fehler diesem beygemessen wird. Ein getreuer Knecht ist ja so selten / als ein getreuer Freund / der gleich so wol schuldig ist / seines Freundes Nutzen zu suchen /und Schaden zu warnen. Was der Knecht veruntreut /hat der Herr nicht nur zu büssen / sondern auch bey dem gemeinen Mann zu verantworten / an dessen guten oder bösen Nachrede ihm nit wenig gelegen ist. Hierinnen kan der Herr auch durch stillschweigen gar zu gütig seyn / und durch Nachsehen sein gantzes Haußwesen gefähren / oder wol gar mit seinen Dienern unter der Decke liegen / daß man recht sagt: Wie der Herr ist / so ist auch der Knecht. Zu was Ende dieses angeführet worden / soll aus folgenden Geschichten erhellen.
2. Einer von den vornemsten Herren in gantz Franckreich / welchem der König viel Regimentsachen anvertraut / hatte einen klugen Geheimschreiber / oder Secretarium / der in armer Gestalt zu ihm in Diensten kommen / aber in kurtzer Zeit so reich worden / daß er Güter kauffen / und Häuser bauen können / wie dann der Reichthum so wenig als das Feuer lang kan verborgen bleiben / daß man es nit solte wissen und erfahren / sonderlich aber bey geringen Leuten /denen es wol zu der Nahrung gehet. Gut macht Muth /Muth macht übermut / übermut selten gut thut.
3. Also gieng es diesem Schrifftling auch / und damit er [135] sich dem Neid etlicher massen entziehen möchte / gab er für / daß solches alles seines Herrn /und werde nur in seinem Namen gehandelt. Die andren Diener hatten die Gelegenheit nicht / den Leuten die Hände so gäng und geb zu machen / und trachteten diesen aus dem Sattel zu heben; sagten deßwegen ihrem Herrn / unter was Schein dieser so viel liegendes Haab an sich brächte.
4. Der Herr wolte das falsche Vorgeben wahr machen / und sahe ihn übel an / suchte auch Ursach / ihn einer Verrätherey in deß Königs Sachen / zu beschuldigen / und bedraute ihn mit der Gefängniß. Der Schalcksknecht wuste wol daß er unschuldig / und warum es zu thun / wolte es deßwegen machen wie der Castor / und den Beutel von sich werffen / welchen der Herr / als einen Schwammen außtrücken würde.
5. Dieses Vorhabens thut er seinem Herrn einen demütigen Fußfall / und bekennet / daß er sich in seinen Diensten stattlich bereichert / weil er aber sehe / daß ihm solche Güter nicht anstehen / und von seiner Begnädigung herkommen / welche ihm nun Ungenade erworben; also wolte er alles sein Vermögen hiermit außgehändiget haben / und seinen Herrn bitten / er solle ihm so viel darvon wieder geben / als er ohne Schaden und Nachtheil handhaben könne.
6. Wie alle Wasser aus dem Meer kommen / und wieder in das Meer eilen / also muste das Gut dahin gelangen / wo es ursprünglich hergekommen. Der Herr nahme dieses Erbieten an / und eignete ihm alles würcklich zu / was er zuvor unter seinem Namen betrüglich erhandelt: gibt ihm aber so viel / daß er mit weniger Neid ehrlich zu leben / und seinen Stand /nach wolgeleisten Diensten führen könte. Hiermit war die Anklag der Verrätherey gefallen / und der Herr lobet den ungerechten Haußhalter / daß er klüglich gethan. Hingegen aber wurde diesem Fürsten sehr übel nachgeredet / daß er solcher Gestalt bößlich gewonnenes Gut an sich gebracht / welches doch alles zu Nachtheil der Königl. Kammer erworben worden /und war der gemeine Verdacht / daß er an [136] den Beschenckungen / so seine Diener den Leuten aus den Händen zu winden pflegten / Theil haben müsste.
7. Ein andrer geitziger Herr / welchen wir nicht nennen wollen / hatte dergleichen Partitemacher an seinem Hof / und bemerckte / daß er ihm einen fast täglich lobte / und zu Bedienung eines damals ledigen Ambts / vorschlüge; faßt deßwegen den Argwahn /sein Schreiber müsste eine gute Verehrung bekommen / oder noch zu erwarten haben / wann selbes N. das Ambt gedeyen würde.
8. Auf eine Zeit fragte er / was ihm doch der N. versprochen / wann er ihm das Ambt zuwegen brächte? der Schreiber wuste wol / daß sein Herr den Handel verstünde / und würde schwerlich glauben / daß er / als einer von der Federn / jemand umsonst loben solte: Sagte also / er hätte ihm mehr nit / als ein paar seidner Strümpfe versprochen. Der Herr schicket seinen Diener von sich / unn lässt den / so deß Ambts begehrt erfordern / fragend / was er seinen Schrifftling verheissen / wann er den begehrten Dienst bekommen würde; er solte die Warheit sagen / so solte ihm der Dienst gedeyen. Dieser bricht herauß / daß er ihm 500. Kronen versprochen. Wol / sagte der Herr /bringt mir das Gelt / und das Ambt soll euch hiermit gegeben seyn: Er war mit der Parschaft fertig / und holte es zur Stund.
9. Bevor nun der Schreiber wieder nach Hauß kommet / lässt der Herr zwey paar seidner Strümpffe holen / und sagt ihm / daß N. bewustes Ambt erhalten / und ihm diese Verehrung zugeschicket. Diese Sach hat nit können verschwiegen bleiben / und ist solcher geitzige Ranck / zu deß Herrn höchster Beschimpfung außgeschlagen / daß er sich bey Hofe mit leiden müssen / und einsten mit einem andern / der ihn darmit geschertzet / in einen Streit geraten / darinnen er das Leben eingebüsset.
10. Es ist zu zweifeln / ob dem Herrn oder den Knechten mehr Schuld beyzumessen. Deß Menschen grösste Feinde sind seine Haußgenossen / unter welchen man auch wol die Laster verstehen könte / welche in der grössten Herrn Palästen / unter den Verdeckten / oder wie jener redet / mit Falschheit tapetzirten Zimmern / zu wohnen pfleget. Weh denen / zu welchen [137] GOTT durch den Propheten sagt: Ich habe der Armen Blut in dem Saum deines Rocks gefunden.
37. Der Zauber-Ring
(XXXVII.)
Der Zauber-Ring.
Daß die Zauberer über der Gottlosen Leiber einen Gewalt haben / beglaubet die Erfahrung; daß sie aber der Menschen Willen solten beherrschen können / welchen auch GOtt der HErr frey lassen wollen / das schwebet noch in beharrlichen Zweiffel. Man findet von Liebesgeträncken / und allerhand seltzamen Bezauberungen; es würcket aber der tausend Künstler mehrmals durch natürliche und uns unbekandte Ursachen: massen alles was geschihet / entweder natürlich / künstlich oder übernatürlich ist. Welcherley Würckung nun folgendes zuzuschreiben / wollen wir deß Lesers Verständniß zu beurtheilen hinterlassen.
2. Bassian / ein Edelknab bey einem grossen Herrn in Franckreich / war mit so seltner Schönheit und wolverständigen Sitten begabt / daß ihn solcher Lobbrief der Natur bey jederman Huld und Gunst zuwegen brachte. Benebens diesem war auch sein Verstand / und seine Rede wol geartet / und so lieblich / daß man von ihm sagen können / er trage die guldenen Aepffel seines Verstandes in den silbern Schalen seines Leibes / und gleiche dem Edelgestein / welches in reines und lauteres Gold gefasset.
3. Nachdem die Knaben-Jahre verschlichen / hat ihn der Herr bey sich behalten / und als einem andren von Adel Unterhalt verschafft / mit Versprechen / ihn nach Begebenheit ehst zu befördern. Ob er nun einem Paris gleich gesehen / so hat er doch sich in bald erfolgten Krieg / als ein Hector erwiesen / und deß Frauenvolcks wenig geachtet / deßwegen er auch nicht gewohnt gewesen / die Haare zu krausen / oder sich sonsten aufzuputzen / das doch alles seine Schönheit vielmehr gemehret / als gemindert.
4. Zu Friedens-Zeit war die Jagt sein Krieg wider die wilden Thiere / bey denen er auch sicherer gewesen / als bey dem heimlichen Frauenvolck / aus denen ihrer etliche die Augen [138] auf diesen schönen Jäger geworffen / welcher aber sich von keiner wollen fangen lassen / und dardurch ihre Begierden brünstiglich vermehret. Kurtz zu sagen / er lebte in der Zeit / in welcher sich sieben Weiber um einen Mann reissen.
5. Unter diesen war Irena / welche ihn mit Worten und Schreiben täglich verunruhet / von ihm aber erstlich mit Höflichkeit / nach und nach aber verächtlich ab- und zugewiesen wurde. Diese fast verzweiffelte Irena / ergreifft endlich ein verzweiffeltes Mittel / und fragte eine alte Zauberhex zu Rath / welcher Gestalt sie Bassians Liebe theilhafftig werden könte? Die Alte thut ihr gute Vertröstung / und gibt ihr etliche Tage hernach einen Ring von schwartzem Horn / mit einem gelben Stein / der so bald er an jrer Hand erwarmet / Bassians Gemüt verändert / und ihr nachzulauffen gezwungen.
6. Er musste hoch achten / welche er zuvor verachtet und wann Irena sich wol in acht genommen hätte /solte diese Liebe mit dem Ehestand seyn ersättiget worden: Weil aber solcher Stand von GOtt kommet /hat er durch böse Zauberstücke nicht mögen außgewürcket werden / und wie diejenigen / welche künstliche Feuerwercker sind / sich selbsten meistentheils verbrennen: also verderben auch die / welche Hülfe bey Zauberkünsten suchen / und den Satan zu Hülffe nehmen / der niemand dienet als zu Schaden.
7. Als nun Irena sich über der Veränderung Bassians mit Crysolita ihrer Gespielin bespracht / und erfreuet / kan sie nicht mehr verschweigen / als was sie nicht weiß / und eröffnet das Geheimniß mit dem schwartzen Ring / den sie an dem Finger truge. Als hernach Irena entschlaffen / ziehet ihr Crysolita den Ring von dem Finger / und erfuhre so bald morgens /daß Bassian brünstig in sie verliebet war.
8. Irena wolte den Ring wieder haben / und zanckt mit ihrer Gespielin / daß darüber das Geheimniß an den Tag kame / und auch den andern Hofdocken unverborgen war. Crysolita gabe den Ring einer andern /Namens Datia / zu welcher sich Bassian / alsobald wendete / und ihrer vergessen / [139] als ob er sie niemals gekennet. Sie gaben auch den Ring zu mehrerer Probe einer häßlichen Kammermagd / und Bassian eilte dieser aufzuwarten / und ihr freundlich zuzusprechen.
9. Irena / welche Bassian ohne Schertz liebte /wolte ihren Zauberring wieder haben / und hatte ihn kaum an die Hand gebracht / da sich Bassian wieder zu ihr gekehret / und ihr alte Liebe erneuret. Der Fürst und die Fürstin haben vernommen / was sich mit Bassian und dem Ring begeben / wollen es deßwegen nit leiden / sondern nöhtigen Irenam / daß sie den Ring in das Feuer werffen muß / darüber sie und die andern zwo fürwitzige Hofdocken ein so grosses Geprässel hören / als ob der Hagel und Donner das Schloß zu Haufen schluge. Irena erschrickt und fällt in eine Ohnmacht; man labt sie / daß sie wieder zurecht kommet / den fünfften Tag aber hernach stirbt sie an einem hitzigen Fieber / in welchem sie abenteurliche Sachen gefabelt / und fast gantz von Sinnen kommen ist.
10. Bassian hatte sich diefer Sachen aller weniger erinnert als eines Traums / daraus zu schliessen / daß vielmehr die äusserlichen Sinne geblendet / als sein Willen betaubet worden. Crisolita und Datia sind zwar auch eine Zeit kranck gelegen / beede aber wiederum genesen / weil vielleicht niemand mehr gesündiget als Irena. Die Zauberin ist durch die Obrigkeit zu dem Feuer verdammet worden.
38. Der listige Rath
(XXXVIII.)
Der listige Rath.
Es ist fast nichts in dieser Welt / das nicht schändlichst solte mißbrauchet werden / und je besser die Gabe Gottes / je böser und grösser ist der Mißbrauch. Die heilige Schrifft wird mißbraucht durch alle Ketzereyen Essen und Trincken; durch Wollust unn überfluß; die Kleider zu Stoltz und Pracht; deß Menschen Verstand durch List und Trug. Diese letzte Gabe ist unter den allerübertreflichsten / wie aus dem Gegenstand zu ersehen / daß ja kein grösseres Elend / als wann ein Mensch seiner Vernunfft beraubt und unsinnig wird. Unter den [140] Mißbrauch und listigen Gebrauch deß Verstands ist folgende Begebenheit billich auch zu zehlen.
2. Die Genueser haben den Ruhm / daß sie sehr listige Leute sind / daher das Sprichwort sagt / daß zu Genua sey ein Wasser ohne Fische / viel Bäum ohne Früchte / der Lufft ohne Vögel / Weiber ohne Schamhaftigkeit / und Männer ohne Treu und Glauben / die auch Honig aus den Steinen erzwingen können / wie sie in dem Sprichwort reden. Zu einem solchen Fuchsen hatte seine Zuflucht ein reicher Kauffherr / der wegen einer grossen Post angeklagt wurde / wie folgen soll.
3. Ein Kauffmann zu Florentz hatte sich mit andrer Leute Vorlehen für einen reichen Mann halten lassen /herrlich gelebt / und nach seinen Tod wenig hinterlassen / daß der Schulden mehr / als zu bezahlen / nach dem Sprichwort: Es ist nit alles Gold was gleisset. Dieser hatte drey Söhne / die noch viel Bretter aus dem Schifbruch ergriffen / und sich gerettet / daß ihnen die Armut nit über den Kopf zusammen geschlagen.
4. Die Noth hat ein Weib / das heist Verkauff / und erzeugt einen Sohn / der heißt Gib wolfeil. Also machten sie zu Gelt / was sie kunten / und entflohen nach Genua / bevor der Ubelstand ausbrache / und hatten sie bey zehen tausend Kronen zusammen gerafft / und ihres Vatters Glaubigern das Nachsehen gelassen. Ihre Freystadt suchten sie bey Vespasian /einem reichen Handelsmann zu Genua / der mit ihren Vatter viel gehandelt / und wegen seiner Anforderung vergnüget worden / damit er ihnen rahten und helffen solte / welches er auch zu thun versprochen / und nach Möglichkeit gehalten.
5. Erstlich räht er ihnen / sie solten das Gelt welches sie ihm zu getreuen Händen vertraut / nit zertheilen / damit der Fluß / welcher in viel Bäche abgetheilet werde / nicht verseige und außtrockne / daß sie auch zu thun bewilligt / und Vespasian gesagt: er solte keinem / ohn der andren Einwilligung / einigen Heller verabfolgen lassen. Zum andern solten sie unter seinem Namen handlen / damit ihr Gelt wegen der vätterlichen Schuld versichert / so wolte er sie lehren von der Abnutzung dieses Haubtguts wol und ehrlich (nach Gebrauch [141] der Genueser / wolte er sagen nüchtern und mässig) leben / daß sie in kurtzer Zeit reiche Leute werden solten.
6. Also verblieben diese drey Brüder in brüderlicher Einigkeit / und folgten deß Alten Raht. Setzten sich in eine geringe Behausung / hielten das gantze Jahr Fasttäge / und machten Gold mit den Zähnen /ich wil sagen / sie erůberigten viel mit Hunger leiden. Inzwischen lernen sie nach und nach wie der Wucher zu erjagen / wie andre Kauffleute einander überlisten /und führt sie ihr Lehrmeister getreulich an / daß sie nach Beschaffenheit der Sachen wol bestunden.
7. Mincio der Mittlere unter diesen dreyen Brüdern / war zwar in der Handlung den andern gleich / hatte aber etwas mehrers absonderlich aus ihres Hauses Grundfall errettet / und wolte seinen Antheil allein haben / der Hoffnung mehr damit zu gewinnen. In dem er mit diesen Gedancken umgehet / fällt ihm bey / daß er wol alles haben / und seine Nahrung über Meer suchen möchte / hat deßwegen ein ferners Absehen / und wunderliche Anschläge zu selben zu gelangen / massen der Geitz ihm zu Sinne brachte / wie er seinen Bruder listig bestelen möchte.
8. Er sagte einsten zu seinen Brüdern / daß Vespasian sich verdächtig machte / in dem er ihr Gelt nutze / ihnen darvon gebe / was er selbsten wolte / und den besten Gewinn für sich behalte / nach der Ordnung der Liebe / welche von sich selbsten anfahe. Der Handel über Meer sey gefährlich / und ein Spiel in welchem der am meinsten verliehre / so alles gewinnen wil: Es solte sicherer seyn / das Gelt an ein liegendes Haab zu wenden / und dardurch das wandelbare Glück gleichsam anzuanckern /
9. Passerin und Alde seine Brüder liessen ihnen diesen Vorschlag gefallen / und befragten sich / wo etwann ein Landgut zu verkauffen / und finden eines /Namens Cerial zwischen Albenga und Luan / deß Hertzogs von Oria Flecken gelegen / welche um 4000. Ducaten gebotten worden. Mincio bittet seine Brüder / daß sie den Ort besehen solten / und wolte er hernach dingen / und wo möglich / wol einkauffen /Diesen Vorschlag eröffnen sie Vespasian / der solches für wol gethan hält / [142] und saget / daß alle ihre Parschfft verhanden / und dahin wol könte verwendet werden / massen er ihn nicht mehr wünschte / als ihren Nutzen zu schaffen.
10. Dieses nahme Mincio wol in acht / und sagte auf eine Zeit / daß sie ihren Haußzinß zahlen müssten / unn weil die andern 2. nach Cerial abfahren wolten /unn bey Vespasian vorüber giengen / sagten sie zu Vespasian / er solte ihm verabfolgen lassen / was er begehren würde. Auf dieses Wort nimmt Mincio gegen einen Schein die 10000. Kronen / und tritt in ein Schiff / welches nach Sicilien Segelfertig lage /wol wissend / daß seine Brüder in vier oder fünff Tagen nicht wiederkommen würden.
11. Nachdem nun Passerin und Alde zurucke nach Genua kommen / ihren Bruder nit zu Hauß finden /und von Vespasian verstehen / daß er zu Außzahlung der erkaufften Güter / das Gelt alles weggenommen /und ein Papierlein dargegen hinterlassen / sprechen sie Vespasian hart zu / warum er ihm so viel abfolgen lassen / da ihr Befehl nur auf 50. oder 60. Kronen vermeint gewesen / welches aber nicht außgedruckt worden / und beschuldigten ihn / er lege mit Mincio unter der Decke / und habe Theil an ihrem abgetrogenem Gute.
12. Hierüber kommen sie für den Richter / und klagen Vespasian / auf daß er wider ihren Befehl das Gelt alles verabfolgen lassen / und begehren ihre 2/3 weil Mincio für mehr nit als seinen Antheil zu befehlen gehabt / und beruffen sich auf den Schein / welchen Vespasian gegen den 10000. Kronen außgehändiget / in welchem er sich verschreibt / keinen ohn den andern / das zu treuen Händen anvertraute Geld /auszuzahlen.
13. Unter andern fragte Vespasian einen Hochgelehrten / dem Titel nach / aber mehr zahnbrecherischen als Gesetze erfahrnen Doctor zu Raht. Dieser Zenon (also war sein Nam) pflegte die unheilsamen Schäden zu heilen / und gab ihm einen listigen Einschlag / welchen alle andere / die er zuvor hierüber befragt / nit ausgesinnet. Er sagte / daß er gegen 100. Kronen an seine Stell stehen / und die Sache erhalten wolle / durch das Erbiten wann Passerian und Alde ihren Bruder Mincio / vermög der Handschrifft wieder stellen würden / so wolte er ihnen ihr Gelt [143] noch einmal bezahlen / weil er keinen ohn den andern einigen Heller auszuhändigen schuldig.
14. Weil nun die Brüder Mincio nit stellen könten /ist Vespasian von der Klag gelediget worden / und das Urtheil ergangen: Werden Klägere ihren Bruder wieder stellen / und zu Ausantwortung der 10000. Kronen einwilligen machen / Krafft deß Beklagten Handschrifft / so soll selber die strittige Summa ihnen dreyen ins gesamt zu bezahlen schuldig seyn / mit Vergleichung der Schäden.
15. Also gehet es nach dem Sprichwort: Unrecht Gut kommet selten auf den dritten Erben / und haben diese Brüder ihres Vatters Glaubigern entwendet /was ihnen wieder ist entwendet worden. Ob Mincio sich darmit bereichert / meldet der Italianische Scribent nit / vermuthlich aber ist er mit demselbigen Schiff / welches / wie Bericht einkommen / hernach untergangen / auch ersoffen / oder ja um solchen Reichthum kommen / daß er wenig fröliche Stunden darbey gehabt. Die Betrüger sind gern Goldmacher /sie wollen das Kupffer und Bley in Gold verwandlen /und verwandlen das Gold und Silber in Rauch und Aschen.
39. Die großmütige Danckbarkeit
(XXXIX.)
Die großmütige Danckbarkeit.
Wie in dem Gebet der beste Eingang ist die Danckbarkeit gegen Gott / so dienet auch bey Fürsten und Herrn / welche Götter genennet werden / die Danckbarkeit Gnad und Hulde zu erwerben. Ist solche in den Worten angenehm / wie viel mehr wird sie in den Wercken beliebet werden / die so viel stärcker sind /als die Männer gegen den Kindern zu rechnen. Diese Tugend findet sich bey allen großmütigen Herren /welche die Mittel haben getreue Dienste danckbarlich zu erkennen / und mit milden Beschenckungen zu erwidern / wie aus folgenden Erzehlungen beobachtet werden kan. Undanckbar ist hingegen das Pövelvolck.
2. Alexander von Medicis / ein sehr löblicher Herr / wurde von Pabst Clement zu Käyser Carln dem V. dieses Namens [144] gesendet / wegen etlicher wichtigen Regiments-Sachen mit ihm zu handeln. Dieser Gesandte wolte sich nun wie der grosse Alexander halten / und verschenckte an den Käys. Hof so viel / daß ihm in Flandern / wo sich der Käyser aufhielte / das Gelt zu kurtz werden wolte / und konte er seine viel Diener und Pferde / sonder Nachtheil nicht plötzlich von sich schaffen / so geschwind auch keinen Wechsel von Florentz erhalten / daß er also fast in Nöthen.
3. Ein reicher Kauffmann zu Antwerpen bringt diesem Cardinal 50000. Kronen / und bittet solche von ihm abzunehmen / und nach seiner guten Gelegenheit wiederum zu bezahlen / sonder Bedingung der Zinsse oder Auffwechsels. Ob dieses ein Dienst / ist leichtlich zuerachten.
4. Wie nun die Kauffleute alle aneinander hangen /und einer den andern zu borgen und vielmals zu betrügen pflegen / hat sich begeben / daß auch dieser Kauffmann / durch etliche andere entloffene / sehr zurucke gesetzet worden / und in das Abnehmen geraten / daß er gezwungen worden / seine Zuflucht zu diesem Fürsten zu nehmen. Alexander von Medicis gibt ihm seine 50. tausend Kronen wieder / und noch 50. tausend zu Bezeugung der Danckbarkeit / wegen deß grossen Vertrauens zu seiner Person: Lässet es auch hierbey nicht verbleiben / sondern leihet ihm über die 100. tausend / noch 50. tausend Kronen auf Jahr und Tage / ohne Verzinsung. Dieser Kauffmann hat wol sagen können / daß er eine fruchtbare Erden angetroffen / in welcher er nicht kärglich gesäet / und reichlich eingeschnitten.
5. Dieses machet mich eingedenck der H. Fucker zu Augspurg / welche vorernannten Käyser mehr als Fürstlich bewirtet / und unter andren ihm ein Feuer von Zimmetrinden und Rauchwerck angezůndet / und als der Käyser rühmte / daß er dergleichen kostbares Feuer nie gesehen / haben sie einen Wechselbrief /welchen der Käyser ihnen zu bezahlen schuldig gewesen / und auf 100. tausend Kronen verlautend /S.K.M. zu underthänigen Ehren / in das Feuer geworffen / und die Schuld erlassen.
[145] 6. Der Käyser aber wolte sich so teuer nicht wärmen / hat das Gelt zu bezahlen befohlen / sie zu Freyherrn gemacht / und ihnen eine Insul von den Fortunatis verehret.
7. Wer seinem Nächsten gutes thut / der nit danckbar seyn kan / als mit dem Willen / dem wird es Gott wieder vergelten / welcher auch einen kalten Trunck Wassers nit unbelohnt zu lassen versprochen / und jener armen Wittib Schärfflein höher geachtet / als aller andren Reichen mehr schätzbare Gaben.
40. Das unverständige Verfahren
(XL.)
Das unverständige Verfahren.
Jener Weise hat recht gesagt / daß eine ehrliche Jungfrau nicht nur alles böses meiden / sondern auch den Schein und Argwahn / böses von ihr zu gedencken /nach Möglichkeit verhüten soll; dann was hilfft doch unschuldig seyn / und ein böses Gerücht haben / welches ihr an einer guten Heurat hinderlich seyn kan. Wer aber nicht Ursach zu böser Nachrede gibt / der hat ein gutes Gewissen / und wird sein Glück noch wol erwarten.
2. In Franckreich / wurde in der Picardia geboren Eduina / welcher unverständiges / ich wil nicht sagen / unehrliches Verfahren zu folgender Anmerckung Ursach gegeben. Dieser Eduina Mutter war eine fromine alte Frau / die sich vielmehr von ihrer Tochter regieren lassen / als daß sie derselben mit Verstand Einhalt solte gethan haben / und ist die Liebe / so die Eltern gegen ihre Kinder tragen / mehrmals beschaffen / wie der alten Affen / so ihre Jungen in dem Liebkosen erdrucken.
3. Also vermeinte diese Mutter / ihre Tochter werde von allen die sie ansehen / so hertzlich geliebt / als von ihr / und daß jederman diese aufgehende Sonne anbete. Hierdurch wurde Eduina so stoltz / daß sie alle / die ihres Stands waren / verachtete / und also gleichsam ihren Fall liebte / in dem sie gar zu hoch zu steigen sich gelusten liesse. Es ist schwer zu Ehren zu kommen / schwerer sich in selben zu handhaben / und so schwer als unmüglich / die verlohrne Ehr wieder zu erlangen.
4. Leubat / ein junger / reicher und tapferer Freyherr war [146] der ersten einer / so dieser Eduina aufwartete / und hätt sie auch mit diesem eine glückselige Heurat thun können / wiewol seine Freunde sich darwider gesetzet / und nicht zulassen wolten / daß er eine vom Adel heuraten solte; Er aber wolte sich nicht lassen wendig machen / sondern beharte in dieser Liebe /weil er brünstige Gegenneigung verspürte / welche das stärckste Band der mit gleichem Pfeil verwundten Hertzen. Weil aber Eduina aus eitler Ehrsucht diesen Aufwarter halten wollen / hat der Dienst nicht lang bestehen können / welchen sie mit mündlicher und schrifftlicher Gewogenheit belohnet; jedoch sonder Verletzung ihrer Ehre / daß es doch bey etlichen das Ansehen gehabt / als ob diese beede verlobte Heuratsleute wären.
5. Es begabe sich / daß der Königliche Stadthalter nach Amiens kommet / und mit ihm sein Sohn / ein sehr schöner höflicher und wolbegabter Jüngling /welchen wir Pergentin nennen wollen. Dieser hatte um sich die prächtige Bekleidung / vor- und hinter sich viel Diener und Knechte / bey sich auch nicht wenig Gelt / welches Hönigsafft dieses Bienlein entschuldiget / daß sie sich auf solche Blumen setzen /und die geringeren Kräutlein verlassen wollen.
6. Die Zeitvertreibung dieses Hofmanns ist leichtlich zu erraten / spielen / tantzen bey Frauenzimmer in Gesellschafft seyn / ware diesem alltägliches Brod; aber dergestalt / daß sie solches lieber gemahlt sehen wollen / als sich darmit ersättigen / und ihnen zu einer Speise machen; dann er wuste wol / daß unter allen Frauenzimmer keine / so ihm zu einer Gemahlin werden könte / wegen deß Standes grosser Ungleichheit: könte er sich aber bey einem fremden Feuer wärmen /so gienge er wieder darvon / und lachte darzu.
7. Pergentin nun höfelte Eduinä / welche ihm mit ihrer schönen Gestalt / und wolgestalten Worten grosses Vergnügen leistete. Morgens sahe er sie in der Kirchen / Mittags in Gesellschafften spatziren fahren und reiten / Abends auf dem Tantz / nach den Sitten der Frantzosen / die sich kützlen / damit sie zu lachen Ursach haben. Daß also Leubat zurucke stehen / [147] und diesen Einkömmling den Platz raumen muste. Eduina hatte ein Quintlein oder Pfündlein mehr Weiberstoltz eingefasst als eine andre / und hatte zuvor den Ruhm /daß sie die schönste und verständigste / nun aber auch den Namen der glückseligsten überkommen / weil ihr ein solcher Herr aufwartete.
8. Pergentin Höflichkeit verwandelte sich nach und nach in warhafftige Liebe / und war selbe so blind /daß sie sich zu weiden in die eheliche Dienstbarkeit wolte leiten lassen / welches der Königliche Stadthalter ersehen / und ihn darvon abzuführen bemühet war; wie auch Leubat / der ihm das Gras unter den Füssen nicht wolte lassen abschneiden / und wurde von der Eduina mit guten Worten besänfftiget / die eine freye Wahl behalten wolte / damit sie nicht zwischen zweyen Stühlen nidersitze.
9. Pergentin ziehet zurucke / wird aber von Eduina wieder herbey gebracht / und mit so holden Worten gleichsam bezaubert / daß er seiner selbst nicht mächtig / und mit Leubat / den sie auch nicht wolte fahren lassen / zu eifern begunte. Also vermeinte sich Eduina zu erhalten / dardurch sie sich verderbt. Leubat wolte sie gar oder nicht haben: Pergentin hingegen / kan keinen leiden / der ihme die Schuhe außtretten wil; ob er zwar mehr begünstiget als der andre / den er gegen seiner Person verachtet sahe.
10. In solcher Begebenheit hat Eduina sich entschliessen können / verständig zu verfahren / auch einen so bald nit gestillet / und mit sanfften Worten zu frieden gestellet / daß der andre nicht einen kläglichen Krieg angefangen. Das gebrechliche Schifflein schwebte Anckerloß zwischen zweyen widrigen Winden. Sie konte keine Gleichheit halten / daß beede mit ihr zu frieden / und vermeinte einer / der andre were besser in dem Hof. Endlich bricht Leudat / und bemühet sich hefftig Pergentin auch von ihr wendig zu machen / als von einer unbeständigen / welche deß Hasses viel würdiger / als der Liebe. Solches auszuwürcken rühmt er sich geheimer Begünstigung / [148] welche er von Eduina nie erhalten / weiset ihre Geschencke /Briefe / und neigt dardurch Pergentin / daß er ein böses und ungerechtes Urtheil von dieser Jungfrauen gefället.
11. Als nun Eduina gesehen / daß Leubat ihrem Angel entkommen / trachtete sie Pergentin mit höflichem Gewalt ihr eigen zu machen / und ihn zu bewegen / daß er Leubat soll ermorden lassen / weil er für der Klingen sich in Gefahr begeben würde / welches ihr leid were. Pergentin verspricht solches in das Werck zu richten / wann sie hingegen ihm zu Willen werden wolte. Die Rachgier dieses Weibsbilds ist so brünstig / daß sie sich zu verderben verspricht / ihren Feind zu schaden / und war nur die Frage / welches am ersten solte in das Werck gerichtet werden.
12. Pergentin und Leubat waren zu selber Zeit vertraute Freunde / und hatte dieser jenem seine Heimlichkeiten eröffnet / daß er nicht Ursach / sich mit ihm zu entzweyen / sondern ihm vielmehr zu entdecken /mit was mörderischen Gedancken Eduina umginge /und wie er sie zu verlassen entschlossen: Weil er leichtlich erachten können / daß sie dergleichen Rathschläge auch wider ihn / wann er ihr in allen nicht gehorsamen würde / ergreiffen möchte.
13. Solcher gestalt hat Eduina einen doppelten Korb bekommen / und ist eine sehr alte Jungfrau wider ihren Willen worden / gleich einem Baumen ohne Frucht / dessen Blätter fallen / und der Stämmer außdorret. Zu Vollziehung ihres Unglücks / hat sie sich mit einem jungen und armen Gauchen / Specios genant / verehelichet / der sein Liebes-Feuer in so altem Aschen bald außgeleschet / und ihr alles Vermögen durch die Gurgel gejaget.
14. Die Lehre kan seyn von der Unbeständigkeit der Tochter deß Unverstandes / daß solche ein schlechtes End zu nehmen pfleget. Wie der Schütz /welcher keine stete Faust hat / nicht leichtlich den Zweck treffen kan; so kan ein jeder seines Glücks Werckmeister seyn / wann er die Tugend beständig liebet / und die Laster hasset / als welche Zanck /Streit / Haß / Neid und endliche Reue nach sich ziehen.
41. Die freye Leibeigne
[149] (XLI.)
Die freye Leibeigne.
Es ist heut zu Tage fast die grösste Klage über Knechte und Mägde / daß ihrer viel rathsam gehalten / man solte die Leibeigenschafft wieder einführen /damit man das Gesindlein besser in Furchten halten könte. Welcher Gestalt aber solches zu Wercke zu richten / daß die Freygebornen Leibeigne werden / ist von tiefem Nachsinnen. Wir wollen diesem kurtzen Eingang eine Geschicht nachfügen von einer freyen Leibeignen / deren es in ihrer Dienstbarkeit nit übel gelungen.
2. Zu Siponte / einer Stadt in Calabria / an dem Meer gelegen / die jetzund Mondfredonia genennet wird / war geboren Lucio / welcher in seinen Jünglings-Jahren von Gelasio seinem Vatter / nach Perugia / deß Pabsts hohe Schul geschicket worden / dem Studieren obzuliegen. Wann man einen Neapolitaner nennet / so warnet man fast einen jeden / er solle sich vor einem Betrüger vorsehen: weil sie listige Köpfe /und von sehr reinem Gehirn; unter allen aber sind die Calabreser die klůgsten. Dieser Lucio wolte seiner Landsleute Ruhm auf sich nit ermanglen lassen / und erweisen / daß er so witzig / als ein andrer / und dar durch alles zu erhalten vermöchte / was vielen so schwer als unthunlich fallen solte.
3. Unferne von einer Wohnung hielte sich eine Jungfrau / mittelmässiges Standes / die durch ihre Mutter und zween Brüder Ene und Berthold bewachet und beobachtet wurden. Diesen Platz belägerte Lucio / und weil der Ort schwach / daß er deßwegen übel zu verwahren / ist er nach kurtzem Widerstand von ihme überstiegen worden / und hat die Wacht der Eroberung endlich müssen innen werden / weil der Feind eine Besatzung eingeleget.
4. Die Brüder gedachten sich an diesem Jungferschänder zu rächen / betrachteten aber / daß ihrer Schwester dardurch nicht gerathen / und daß niemand eine solche Dirne / welche nit mehr Kauffmanns Gut ist / mit dergleichen Aussteuer freyen würde. Diesem nach entschliessen sie Lucio zu [150] tödten / oder zu nöthen / daß er ihre Schwester wieder zu Ehren brächte. Welches auch kurtz zu sagen / beschehen / und haben die Löwen den Fuchsen in seinem Bau gefangen / wie die Fabel lautet.
5. Lucio wurde der Dolch an die Gurgel gesetzt: Er hätte lieber drey Weiber genommen / als daß er einmal hätte sterben sollen. Wie andre Heuraten erstlich freywillig / nachmals aber nothdringlich und bindig zu seyn pflegen / also ist dieses erstlich gezwungen /nachmals aber freykürig worden / und war Lucio so verliebt / daß er leichtlich einen Schluß nehmen können. Dieses alles liesse sich noch thun / weil sich Lucio zu Perugia aufgehalten. Wie aber ferners?
6. Es kommt die Zeit / daß Lucio soll nach Hauß ziehen / und kunte leichtlich die Rechnung machen /wie angenehm er bey seinen Eltern / wann er dieseMusam von der hohen Schul mitbringen würde / welcher wegen er so viel Gelt verzehret. Er sagt zu seiner Sylvia (also ward seine neulich geehlichte Liebste genennet) wie die seinen zu Hause gesinnet / und bittet sie / daß sie sich für eine Leibeigne Magd außgeben solte / welche er erkaufft / und seiner Mutter mitbringe. Also / sagt er / können wir ungeschieden seyn /und meinen Eltern kan der Handel mit guter Gelegenheit eröffnet werden.
7. Sylvia ist Lucio in allem gehorsam / und erzehlt / genommener Abrede gemäß / vorgebend / das ist eine Griechin / welche von ihrer Kindheit an in Italia auferzogen worden / und machte sich durch ihre Demut bey Lucio Mutter beliebt / um nit wieder / wie sie fürchten müsste / verkauffet zu werden. Lucio wohnte ihr so selten bey / daß ihre Liebe dardurch in brünstigen Kräfften dem gantzen Hause unwissend verbliebe.
8. Es fügte sich aber / daß Gelasius / Lucio Vatter sich in diese freye leibeigne verliebet / und wie die Kindliche Liebe jenen Stummen Sohn Crösi reden machen / so musste auch Lucio herauß brechen / und seinem Vatter sagen / daß diese seine Schnur / welche er für eine Knechtin gehalten; wiewol er solches zuvor Vrtica seiner Mutter eröffnen wollen / [151] welche mit Sylvia zu eifern Ursach bekommen. Dieser Zeitung aber wil Urtica gantz keinen Glauben zustellen /sondern verkaufft Sylviam / als eine Leibeigene / an einen von ihren Befreunden / und trachtet Gelasius sie durch die dritte Person wieder zu erkauffen / und bey einem seiner Vertrauten zu unterhalten.
9. Dieses alles zu unterbrechen / stellet Lucio Sabiniam seinen Freund an / welcher einen glaubwürdigen Brief vorweiset / daß ihme Sylvia von Lucio noch nicht bezahlet worden / und daß die Zeit solcher Bezahlung verflossen / nach welcher ihm Sylvia wieder heim gehen solte. Mit diesem Beweiß stellet er seine Klage an / und wird ihm diese Leibeigen vermeinte zugesprochen.
10. Nachdem aber die gantze Sache von Perugia aus / nach ihrem warhafften Verlauff berichtet worden / hat Gelasius seinen Sohn enterben wollen; weil er sich wider seinen Willen geheuratet. Er hingegen solches vielmehr seiner unziemlichen Brunst beygemessen / und deßwegen klagbar werden wollen / biß endlich der Streit durch Urticam gestillet / Sylvia für Lucio Eheweib angenommen / und von dem gantzen Hauß lieb und wehrt gehalten worden. Es hat auch diese Widerwertigkeit zu stärckerer Verknüpfung der Ehelich verliebten gedienet / und kan uns lehren / daß / wiewol selten / einen guten Ausgang gewinnen kan /was keinen gar löblichen Anfang gehabt. Ich sage selten / dann sich darauff zu verlassen / ist eine sträffliche Ermessenheit.
42. Der Klugheit Obsieg
(XLII.)
Der Klugheit Obsieg.
Ob sich wol vielmehr Gesunde finden welche durch die Krancken angestecket werden / als Krancke / die durch die Gegenwart der Gesunden genesen solten; so geschiehet doch zu Zeiten / daß die Laster / welche deß Gemüts Kranckheiten sind / durch das Gespräch und die Gesellschafft Tugendliebender Personen geheilet / oder ja gemindert werden. Ein Mühlsack kan den Kohler nicht weiß machen / aber wol [152] etliche Kennzeichen anhangen / darbey man sehen kan / daß er in der Mühl gewesen ist. Hat den stinckenden Laster einen so starcken Geruch / daß es dardurch schaden kan; warum solte die wolrůchende Tugend nicht viel stärcker seyn? Die Ursach ist / weil die Menschen viel mehr zu dem Bösen / als zu dem Guten geneigt sind / wie wir aus nachgesetzter Erzehlung zu ersehen haben werden.
2. Ein Frantzösischer Herr hatte zwo Töchter / die sowol wegen ihrer Schönheit / als altadelichem Herkommen nicht wenig Aufwarter und Lobsprecher erlanget. Anaxarchus (also wollen wir diesen Vatter nennen) hatte dieser seiner Kinder Gemüter von langer Zeit hero erlernet / und wuste wol / daß sie so widerig / als Feuer und Wasser. Edelberta die ältste /war sanfftmůtig / still / sittsam / bescheiden / und sonderlich Gottsfürchtig / daß sie fast allen Schmuck für überflüssig gehalten. Invenella aber die jüngere /war eines unruhigen Sinns / frisch / frölich / stoltz /und bemühet / ihr Schönheit durch prächtige Bekleidung scheinbarer zu machen / daß ihr der Name einer kleinen Närrin / welchen ihr ihr Vatter / als einem Kind gegeben / beharrlich verbleiben.
3. Die älteste lachet selten / die jüngste fast unaufhörlich / und wolte haben / man solte sie lernen mit dem Degen und Pistolen umgehen / damit sie ein Jägerin geben / und solcher Königlichen Lusts theilhafftig werden möchte. Edelberta bliebe hingegen zu Hauß / wartete dem Gottesdienst und ihrer Kunstarbeit ab / daß sie ihr Vatter die verständige und gute Haußhalterin genennet. Beede aber verhielten sich also / daß auch der Neid keine Ursach finden mögen /ihnen übel nachzureden / und sie in kein böses Geschrey zu bringen.
4. Unter vielen / so diese Jungfrau begehrt / waren auch Valens und Levin / beede von gleich hohem Stande / deren der erstgenennte in der Blüt seiner Jugend sich in allerley Wollust und Uppigkeit herauß gelassen / viel verzehrt / nicht wenig verspielt / einen Theil weggeschenckt und hingegen an andren Orten aufgeborgt. Zu dem hatte er so wunderliche [153] Quinten und Einfälle / daß man in allen Gesellschafften seiner zu lachen hatte. Dieser Valens wurde von Anaxarcho der Edelberta zugetheilt.
5. Levin hatte ein viel trauriges Gemüt / er war tiefsinnig / fleissig über den Büchern / und wurde für einen von den verständigsten bey Hof gehalten. Juvenella fragte / als man ihr diesen Herrn angetragen /ob ihr Herr Vatter Bley und Quecksilber zusammen mischen wolle? Sie wolte mit ihrer Schwester wechslen / weil gleich und gleich sich besser gatte / und die Vögel gleicher Federn miteinander zu fliegen pflegen.
6. Anaxarchus aber sahe diese Sache durch ein andres Glas an. Er gabe Valens die ältste / unn Levin die jüngste / und wurden ihre hochzeitliche Begängnissen auf einen Tag angestellet / und prächtigst vollzogen. Als nun Anaxarchus nach Hof kame / und der König ihn befragte / warum er so ungleiche Heuraten gestifftet? hat er mit gebührender Höflichkeit geantwortet: Er habe die Verständige dem Narren / und die Närrin dem Verständigen gegeben / der Hoffnung /daß eines Mangel mit deß andern Klugheit gemässiget werden möchten.
7. Also erfolgte auch mit nachgehender Zeit / daß Valens sich von der Edelberta klugen Erinnerung /und reiffen Vermahnung zu einem bessern Leben anführen / Juvenella hingegen mit zuwachsenden Jahren verständiger / von ihrer rasenden Thorheit wendig und von Levin zu einer guten Haußhalterin gemachet worden.
8. Also hatte die Klugheit Anaxarchi obgesieget /und gleichsam Feuer und Wasser in dem Saltz der Weißheit vereiniget / und uns eine Lehre hinterlassen / daß aus der Ehegatten Ungleichheit nicht allezeit ein böser Außgang zu schliessen / und wie das Weib durch den frommen Mann geheiliget wird / also wird auch der Mann durch das fromme und Gottselige Weib gleichsam gerechtfertiget / daß also die Welt und der Haußstand durch die Widerwertigkeit gleichsam verbunden / beharren.
43. Die angenehme Straff
[154] (XLIII.)
Die angenehme Straff.
»Die Bestraffung ist ein Salat / darzu man mehr Oehl als Essig gebrauchen soll. Die gröste Gerechtigkeit /ist die gröste Ungerechtigkeit. Der Immen-König hat keinen Stachel / welchen die andern Hönigvögelein in ihre süsse Arbeit eintauchen. Die Liebe und Wolthätigkeit bindet stärcker als die Furcht.« Wen Gott in das Regiment gesetzt / der soll sich nicht als ein Teuffel erweisen / sondern vielmehr jenes Barmhertzigkeit / als dieses Unbarmhertzigkeit nachahmen / wie wir Teutschen auch in dem Sprichwort zu sagen pflegen: Gestrenge Herren regieren nicht lang.
2. Dieses hat wol verstanden der berühmte Marschal von Brissac / als er an statt deß Königs in Franckreich / ein Heer in Welschland geführet / und sich so wol durch Verstand als Tapferkeit beliebt und belobt gemacht. Unter andern aber ist sonderlich merckwürdig / was sich in der Belägerung Vigual / in Montserat begeben.
3. Er hatte die Mauren besagter Stadt mit den schweren Stücken gefället / doch dergestalt / daß sie noch schwerlich zu übersteigen / deßwegen der Kriegraht versamlet und berathschlagt wurde / was ferner vorzunehmen seyn möchte. Es wird der Schluß gemacht / man solte mit den groben Stücken den Fuß der Mauren gar zu Grund legen / und wann solches geschehen / mit Trompetenschall das Zeichen zu einem allgemein Haubtstürmen geben: Bevor aber soll kein Soldat bey Lebensstraff / anfallen.
4. Boissy einer von den behertzten Haubtleuten in dem gantzen Heer / sahe in den Lauffgräben / daß über die Mauren / nach seiner Meinung / wol zu kommen / und spricht seinen Soldaten zu / sie solten folgen / und mit ihm Ehre einlegen / ob gleich das Zeichen mit der Trompeten noch nicht erschallet; und erstiege also die Mauren / treibet die Besatzung ab /machet nider / was sich ihm entgegen setzet / daß der Herr von Brissac gezwungen worden / ihn zu entsetzen / und zu den Stürmen blassen zu lassen.
[155] 5. Daß hierauf eine Plünderung / und endliche Zerstörung deß Orts erfolgt / ist leichtlich abzunehmen. Die Soldaten / deren Verstand mehr in den Händen /als in dem Hirn ist / lobten Boissy / als den Ursacher solches Sieges / und so reicher Beuten. Der Feldherr aber und alle hohe Befehlshaber / achteten diese glückselige Vermessenheit mehr Straf- als Ruhmwürdig / weil er den ergangenen Befehl überschritten /und sich samt seinen gantzen Fahnen in unzeitige Gefahr begeben.
6. Damit aber die tapfere und unbedachtsame That der Kriegszucht kein Nachtheil bringen möchte / hat sich der Herr von Brissac / nach etlichen Tagen befragt / wer der erste in der Stadt gewesen (als ob er nicht wüste / was Boissy gethan) und desselben Tapferkeit gerühmt / auch mit möglichster Beförderung danckbarlich zu erkennen versprochen. Boissy war zugegen / und drengt sich so bald hervor / dem Marschall die Hand zu küssen / und einer solchen hohen Gnade fähig zu werden / wird aber von dem Gewaltiger Handfest gemacht / in die Eisen geschlossen / und mit dem Strang bedraut / aus vorgemeldten Ursachen.
7. Hier hatte Boissy Zeit zu gedencken / daß ihn sein Glück hoch erhaben / wie der Adler die Schildkrotten / damit sein Fall viel gefährlicher seyn möchte. Nach dem er nun eine Zeit in Verhafft gewesen /lässt der Feld-Marschall sein Heer mustern / und nachdem solches geschehen / Boissy aus der Gefängniß herfür ziehen / und Standrecht (also genennt / weil man darbey zu stehen pfleget / und die Sache mehrmals aus dem Stegraif verabschiedet / da das Sitzen reifes Nachsinnen bedeutet) über ihn halten.
8. Boissy wird zwar zum Tod verurtheilt / jedoch mit der Richter Vorbitte / daß man ihm Gnade soll widerfahren lassen. Boissy ist zu sterben entschlossen / und bittet allein / daß solcher Tod ihn durch seine Brüder / und nicht durch den Nachrichter / angethan werden möchte.
9. Boissy / sagt der Marschall / du sihest in was Angst dich deine [156] blinde Tapferkeit oder vielmehr Verwegenheit gesetzt hat. Behertzt seyn / ohne Gehorsam ist mehr sträfflich als löblich. Weil du dich aber selbst deß Todes würdig achtest / wil ich glauben /daß du als ein Unverständiger verurtheilt worden; nun aber von mir / als ein klügerer Soldat / frey und loß gesprochen zu werden verdienet hast. Ich schencke dir das Leben / und diese guldene Ketten / welche dich erinnern soll deiner Gefängschafft / und daß du deinen vorgesetzten Befehlshabern zu gehorsamen verbunden / und nicht eigenwillig / sondern nach dem sie dich beordren werden / deine Schuldigkeit erweisen solst.
10. Hierbey liesse es dieser kluge Herr nicht verbleiben / sondern schenckte ihm auch ein Pferd / Pistolen / und aller andrer Zugehör / nahm ihn auch samt allen seinen Soldaten unter sein Leib-Regiment /und hielte ihn lieb unn werth. Dieses ist bey dem gantzen Heer erschollen / und hat den gemeinen Soldaten eine Furcht eingejagt / und zu schuldigem Gehorsam angehalten / welche ihres Feldherrn hohen Verstand und Freygebigkeit nicht sattsam ausloben können.
11. Wann man die Kriegszucht zu unsren Zeiten betrachtet / ist selbe leider fast gefallen / weil die Bezahlung / welche derselben Band ist / ermangelt theils wegen der außgezehrten Länder / theils wegen der hohen Befehlshaber Geltgeitz / und der Soldaten grosser Dürfftigkeit / die mehrmals nicht Wasser und Brod haben / da man doch denen auf den Tod liegenden armen Sündern nicht weniger geben kan.
12. Wann GOtt die Gemüter so vieles unverständigen Soldaten Pövelvolcks nicht sonderlich regierte /sie solten sich so vielem und stetem Ungemach / als da ist / Regen / Frost / Hitz / Schantzen / Wachen /Ziehen / Hunger / Durst und daraus erfolgenden Kranckheiten nicht unterwürffig machen / wann man ihnen auch richtig doppelten Sold zahlen würde / da sie doch solches alles fast ohne Geld außdauren.
44. Der Schiffbruch
[157] (XLIV.)
Der Schiffbruch.
Jener Käyser hat als ein Heyd recht gesagt daß der unversehne und unerwarte Tod der allerglückseligste /weil dardurch die Furcht deß Todes / welche das erschrecklichste unter allen erschrecklichsten ist / einen so geschwind sterbenden Menschen nicht berucket; Da hingegen ein lang kranckliegender / und in Todesnöthen schwebender Mensch / grosse Hertzenqual leidet; daher der übertreffliche Verulamius recht erinnert / daß man / wann ja der Mensch sterben müsse / bedacht seyn soll / wie er mit wenig Schmertzen sterbe /und setzet solche Euthanasiam Physicam unter seinedesiderata. Der Tod für sich selbsten ist ein Augenblick / in welchem Leib und Seel geschieden wird; die Furcht deß Todes aber / und die Leibesschmertzen /welche das Hertz brechen machen / dauren mehrmals lange Zeit.
2. Ist nun eine Sache in der Welt / in welcher uns das abscheuliche Todesbild offt zu Gesicht kommet /so ist es die Schifffahrt / in deren man zween Finger breit / so dick nemlich das schwancke Fichtenbret ist /von dem Tod daher schwimmet; deßwegen der Poet sich verwundert und fragt:
Wer war doch erst so kühn / der mit der Segel Zelt /
und mit des Ruders Pflug befurcht der Wellen Feld /
Der niemals satte Geitz / hat solchen Weg gefunden /
und dem erhabnen Mast die Flügel angebunden.
3. Dieses hat auch erfahren Samson ein Kauffmann zu Marennes / einer Stadt in Sainctauge in Franckreich / dessen Reichthum mit den Schiffstricken verbunden gewesen / wie jener von dergleichen fahrenden Haab geredet. Samson hatte sich bald bereichert /bald wieder arm und darbey / wie die Spitzbuben /bald gewinnen / bald verlieren / nach dem das Glück laufft / und wie sie zu reden pflegen / einer den Fall hat. Es ist die Armut ein so unerträglicher Last / daß man selben zu entfliehen keine Gefahr scheuet / und mehrmals den Tod findet / wo man zu leben Mittel suchet.
[158] 4. Nachdem nun Samson ein Schiff mit dem besten Wein von Guyenne beladen / stösset er von dem Lande / willens in Engelland zu seglen / und guten Nutzen mit so beliebtem Rebensafft zu schaffen. Das Meerwasser / als ein Feind deß Weins / hat sich diesem Vorhaben mit einem grossen Sturm widersetzet /und Samsons Schiff bey der Insel Bresac / an den Felsen oder Klippen Roquebonne zerscheitert / daß niemand als besagter Kauffmann mit 4. oder 5. Schiffleuten darvon kommen / und ihnen von allem Vorrath und Kauffmannswahren nichts übrig gelassen worden / als der Reichthum der Armen / ich wil sagen / die Hoffnung das Leben zu retten; wiewol solche schlecht / weil dieser Fels von allen Schiffleuten / auf viel Meil Wegs geflohen wird.
5. Wie aber die Schafe / welche dem Wolff entkommen / von dem Fleischer geschlachtet werden; Also waren diese Schiffer ausser der Gefahr des Meers / in Furchten Hungers zu sterben. Sie waren /wie leichtlich zu erachten / naß / müd und matt; ihre Speise war der Lufft; ihr Läger der harte Fels / ihre Decke der Himmel / und verfolgten sie die zween unersättlichen Schuldfordrer unsers Lebens / der Hunger und der Durst / welche sie keines wegs / an so öden Orten / befriedigen kunten.
6. Nachdem sich das Meer gestillet / fanden sie an dem Ufer etliche Muschelfische / welche ihre Kost waren und noch mehr Durst verursachten / den sie mit dem gesaltzenen Meerwasser keines wegs leschen könten. Kurtz zu melden / Samsons Gesellen erkranckten / und sturben nacheinander / daß er / als der stärckste / allein überbliebe / wie Vlysses in deß Polyphemi / ich wil sagen / deß Todes Höllen oder Herberg.
7. Samson hatte gute Zeit / an das böse Stündlein zu gedencken / und weil er sich seines Lebens verziehen / hat er sich Christlich entschlossen / auf die Barmhertzigkeit deß grundgůtigen GOttes / mit gantz herrlichem Vertrauen wol zu sterben. GOttes getreues Vatter-Hertz hat diesen Samson nicht lassen versuchen über sein Vermögen / sondern ihn [159] erhöret / und aus der Noth gerissen / weil er ihn angeruffen. Der den jungen und von ihren Eltern verlassenen Raben ihre Speise giebet / vermittelst deß Morgentaues / der kleinen Mücklein und Würmlein / hat auch dieses Samsons nich vergessen; als ihn der Durst nicht weniger gequälet / als dort den Samson / welcher die Philister mit dem Eselskienbacken erschlagen / und eine Springquelle in demselbigen gefunden.
8. Er fande fast täglich an dem Ufere einen Fisch /aus dessen Leib er ein wenig Wasser gesogen / das etlicher massen süß gewesen / dardurch er sich deß Dursts erwehret / und so lang / nemlich über vier Wochen / erhalten / biß endlich etliche Fischer / die / wie die Jäger / alle Einöden durchsuchen dahin kommen /und ihn bey dem Leben erhalten / daß er noch zehen Jahr hernach zu Morennes gelebt / und seine Handelsschafft zu Lande angestellet / da ihn ihrer viel gesehen / welche mir dieses erzehlet haben.
9. Durch dieses Unglück ist Samson ein frommer und Gottsförchtiger Mann worden / und hat erfahren /was dorten David sagt: Die Anfechtung lehret auf das Wort mercken / ja er hat die Psalmen Davids in seiner Angst mit grosser Andacht beten gelernet / von welchem jener recht geschrieben / daß sie in solchen Nöthen müssen gebrauchet werden / welchen sie sind gemachet worden.
45. Der subtile Kirchenraub
(XLV.)
Der subtile Kirchenraub.
Nachdem Prometheus das Feuer vom Himmel geraubt / ist nichts so heilig das nicht solte entheiliget werden. GOtt siehet vom Himmel auf der Menschen thun /und die Gottlosen bleiben nicht vor ihm. Wann der Haußvatter wüste / zu welcher Zeit der Dieb kommen würde / solte er nit wachen? GOtt aber weiß es / und sihet auf das nidrige. Wie solte er dann ungestrafft lassen / alle die seinen Tempel / als sein Hauß / das ihm zu ehren gebauet worden / berauben?
[160] 2. Zu Paris haben vor wenig Jahren die Augustiner-Mönchen ein Jubelfest gehalten / bey welchem völligen Ablaß gegen der Gebühr / zu erwerben. Unter einer grossen Menge zusammen geloffnen Volcks /muß sich auch eine grosse Unordnung finden / welche den Beutelschneidern ein halb gewonnens Spiel an-oder in die Hand gibt; dann dieses Handwerck einen schlechten Verlag vonnöthen hat / und so bald die Arbeit geschehen / hat der Meister das baare Gelt in den Händen.
3. Bekant ist / daß das Almosen in eine Schüssel geworfen / und wann selbe voll / in einen großen Stock gestossen wird / darvon hernach die Nohtdurfft verschafft / und unter andre Arme außgetheilet zu werden pfleget. Auf diesen nun von zweyen Tagen deß Jubelfests her wol angefülltem Stock / machten fünff kühne Helden unter den Beutelschneidern / die nur auf grosse Streiche bedacht / diesen listigen Anschlag.
4. Auf den Abend gehen sie in die Kirchen / und einer unter ihnen fällt / zu Folge genommener Abrede / zu Boden / als ob er von der Pest / welche damals sehr regierte / plötzlich gestorben. Die andern werffen einen Mantel auf ihn / und sagen / daß er die Pest an dem Hals gehabt / aber doch vor seinem Tod den Ablaß seiner Sünden gewinnen wollen / daß sie ihn nicht zu Hauß behalten können.
5. Die Mönchen gehen beseits / als welche keinen Lust zu sterben hatten / wie auch andre / so in der Kirchen waren. In dem nahet die Nacht herbey / und der Prior bietet ihnen Gelt / wann sie diesen ihren Gesellen wegtragen würden / damit ihre Kirchen nicht verschreit / und sie deß Almosens beraubt / verarmen möchten. Sie begehrten eine Laiter / Stricke / und nehmen etliche Kronen zu Lohn: tragen aber keinen Verstorbenen / sondern den Geldstock / mit dem Mantel bedecket / aus der Kirchen / und hilfft der / so zuvor als todt nidergefallen / tragen / weil sich der fünffte darvon gemacht / daß nicht mehr als vier gesehen worden.
6. Als nun diese Raubvögel das Gelt vertheilt; den[161] Stock verbrent / in dem die Mönchen ihre Kirchen außräuchern / den bösen Lufft zu vertreiben / und als sie die Ablaßpfennig zehlen wollen / und nicht gefunden / haben sie ihre Pflegere in Verdacht gehabt / als ob sie solchen entwendet hätte: weil aber der Beweiß solcher Untreue schwer / hat keiner der Katzen die Schellen anhengen wollen; daß niemand wissen mögen / wo dieser Stock / mit so grosser Baarschafft hingekommen.
7. Es begab sich aber / aus sondrer Schickung deß gerechten GOttes / daß der jenige / welcher den Todten bey der Abnahm gespielet / mit der Pestilentz würcklich bestraffet wurde / und in der Beicht bekennet / daß er einer von den Kirchenraubern / der der Augustiner Almosen stehlen helffen / und ist also nach dieser Bekantniß / Gott weiß wie / dahin gestorben. Die andren aber sind wegen andrer Diebsliste in Verhafft / und an den Galgen kommen.
8. Was für ein Geist diese Belials-Kinder treibt /ist leichtlich zu erachten / für eine kurtze und hinfallende Freude / welche sie an dem ungerechten Mammon haben / müssen sie ewiges Hertzenleid erfahren. Wer das Heilige mit unheiligen Händen anrühret / wie Usa und Eli Kinder / werden deß Höchsten schwere Zornhand empfinden / und nit entfliehen / wann sie auch Flügel hätten der Morgenröte. Die Gerechten aber welche Tempel sind deß H. Geistes / werden grünen wie die Cedern auf dem Libano / wie die Palmen an den Bach gepflantzt / deren Blätter nicht verwelcken / und Frucht bringen zu rechter Zeit.
46. Der beschwerliche Tochtermann
(XLVI.)
Der beschwerliche Tochtermann.
Auf dem Schweitzer-Gebürg / welches mit dem Hertzogthum von Saphoyen gräntzet / war häußlich angesessen ein armer Edelmann / welchen wir Sabellicum nennen wollen. Dieser war gleichsam an einen Felsen gebunden / wie Prometheus / den die Armut /als der ärgste Raubvogel / das Hertz nagete / und den Magen plagete. Vier Monat [162] konte er das gantze Jahr über sein Feld sehen / welches die übrige Zeit mit Schnee und Eis bedecket war. Von der Unfruchtbarkeit deß Lands / ist leichtlich zu schliessen / bey was Vermögen er müsse gewest seyn.
2. Zu Zeiten begabe er sich herunter / in die Dörffer und Flecken deß Thals / und hörte daß eine reiche Tochter daherum zu verheuraten / deren Vatter ein wenig mehr als ein Bauer / unn ein wenig weniger als ein Bůrger / welcher theils von seinem Ackerwerck /theils von einer kleinen Handlung ein feines Vermögen gesammlet / und Argolinam seine einige Tochter ehrlich außzusteuren / nicht abgeneigt war.
3. Solche war nun eine Heurat für diesen Edelmann / der deß Gelts bedürfftiger als einer Edlen; er bedachte sich nicht lang / und brachte seine Werbung der gestalt an / daß ihn Argolina mit einer ehrlichen Außsteuer zu theil wurde. Es erfreute sich ihr Vatter einer so hohen Freundschafft (von dem Berg herab) und schätzte seine Tochter für glückselig / daß sie ein edle Frau werden solte.
4. Ein Theil deß Heuratschatzes gienge auf die Kleidung und Ausstaffirung / ein Theil auf die Hochzeit / da man dann viel und wol essen / und nach Lands-Gebrauch / nicht wenig oder schlecht trincken musste: Dergestalt bliebe diesem Edelmann nicht viel über / daß er dardurch hätte können gebessert seyn.
5. Guibert hatte viel Weinberge / und ein Hauß mit aller Nohtdurfft versehen / daß sein Tochtermann Ursach nahme / ihn vielmals heimzusuchen / und mehr in dem Thal / als auf seinem Berg zu essen. Seinem Weibe war die Einsamkeit verdrüßlich / wolte allein nit zu Hause bleiben / und kame ihren Mann zu holen / oder vielmehr mit ihm bey ihrem Vatter zu zehren /daß er erfahren musste / er habe sich seiner Tochter nicht entladen / wie er vermeinet / sondern sich mit einem Tochtermann noch mehr beladen.
6. Der gute Alte war eines frölichen Gemüts / unnd pflegte zu sagen / daß ihm mehr Flüsse fielen (verstehe von [163] dem Berge / auf welchen sein Eidam wohnte) als zuvor niemals / und weil sie bald dieses / bald jenes zu entlehen pflegten / sagte er / daß diese Flüsse allezeit etwas pflegten mit wegzuflössen / und in einen Abgrund (wiewol auf einem hohen Berg) zu versencken.
7. Er hatte einen Sohn drey Meil von seiner Geburtsstadt / Namens Marcus / solchen fragte er zu rath / wie er doch dieser edlen Beschwerung entkommen solte? Sein Sohn sagte ihm / daß solche nicht zu überwinden / als mit der Flucht / und räht / daß sich sein Vatter zu ihm begeben soll / und sein Haußwesen verändern. Diesem Raht folgte der alte / damit ihm nur die Flůsse so offt nicht fallen solten.
8. Sabellicus kame also zu seinem Schwager /wurde das erste mal wol / das zweite mahl schlecht /das dritte mahl noch schlechter empfangen / und endlich wieder auf seinen Berg verwiesen / da er sich von eignem Rauch / so klein er auch ware / nehren / und mit mehr Kindern als Ducaten bereichert / für sich leben musste.
9. Hieher ist zu erzehlen folgendes Lehrgedicht: Ein Igel bate in der Kälte / es solte ihn doch das Kaningen in sein Lager oder (wie es die Jäger nennen) Bau lassen / damit er sich den Winter durchbringen könte / und nit erfrühren möchte. Das Kaningen nahme ihn freundlich auf / wiewol mit der Bescheidenheit / daß er kein Ungelegenheit machen / und es mit seinen Stacheln nit berühren solte; dieweil seine Haut zart / unn leichtlich könte verwundet werden. Der Igel kreucht in den engen Bau / und lässet seine Stachel schiessen / daß sich das Kaningen beklagt /endlich dem unverschämten Gast weichen / und ein ander Loch graben must / sich zu verbergen. Nach dem der Sommer kommen / und der Igel wieder zu Feld gezogen / hat das Kaningen dem Wiselein geklagt / wie undanckbar der Igel verfahren / und um Beystand gebetten / wann auf den Winter der Igel widerkommen möchte. Das Wiselein hat sich für den Bau geleget / und als der Igel vermeint wiederum allda außzuwintern / ist er nicht eingelassen worden.
47. Der starcke Soldat
[164] (XLVII.)
Der starcke Soldat.
Die Turnier sind heut zu Tage abgeschaffet / weil man das Schiessen mit Pistolen und Handrohren erfunden /und der grossen Stärcke deß Leibs nicht mehr vonnöthen hat. Großmütig kan auch ein schwacher seyn /der aus seinem Kranckenbett / mitten unter Schmertzen den Muth nit sincken lässet. Die Stärcke deß Leibes aber / ist eine sondere Gabe Gottes / die zu äusserlichem Ansehen dienet / und meinstentheils mißbraucht wird. Wann aber ein starcker zugleich behertzt ist / kan er zu Kriegszeiten unsterbliches Lob erwerben / wie aus nachfolgender Erzehlung zu ersehen seyn wird.
2. Ferdinand d'Avalos / Marggraf von Pesquiera hat im Namen Käyser Karls deß V. lange Zeit den Krieg in dem Meyländischen geführet / wider König Frantzen in Franckreich. Dieser Feldherr hatte unter seinem Heer einen Spanischen Soldaten / genant Lupon / der so groß und starck war / daß er ein Pferd zu boden werffen / und überlauffen können. Er hatte auch sehr viel Speise zu seiner Unterhaltung haben müssen / welche die grosse Hitze seines Magens wol verdeyet / und ihme seine Kräfften erhalten.
3. Wie man sonst in dem Sprichwort sagt: Gut macht Muth / also hat ihn auch diese gute Stärcke mutig und kühn gemachet / daß sich ihm niemand mit Ringen / Rauffen und Schlagen widersetzen dörffen /und deßwegen nich wenig Neider hatte. Er war von seinen Befehlhabern geliebt / und unter dem gantzen Heer vor allen andern / an seiner grossen Länge erkant / wie Saul unter den Israeliten.
4. Dieser wurde auf eine Zeit außgeschickt / Kundschafft von dem Feinde einzuholen / und nahme zu solchem End mit sich etliche seiner Gesellen mit Feuerrohren; als er nun der verlohrnen Schildwacht ansichtig wird / laufft er allein so schnell auf selbe zu /daß er den Frantzosen / welcher eine kleine Person war / auf die Achsel fasset / bevor er seine Musqueten / [165] so er bereits gestellet / behändigt / und ihn / wie der Wolff ein Schaf darvon trägt.
5. Dieser Schildwächter (wiewol man sich der Schild nit mehr gebraucht) hat nit anderst vermeint /als daß ihn der Teuffel holte / weil sonderlich der Spanier ein pechschwartzer Gesell / und diese Art die Wachten wegzunehmen / ungebräuchlich; zu dem hatte dieser Gefangener den Gebrauch solches vielmals zu wünschen / daß ihm glaublich vorkommen /daß solches einmahl erfüllet und erhöret worden.
6. Die andern Soldaten / welche nacheilen und den Raub einholen solten / wurden von Lupons Gesellen zuruck gehalten / daß dieser Spanier den Frantzosen zu deß Marggrafen Füssen nidergeleget / darüber dann nit wenig Gelächter bey allen Umstehenden erfolgt / und hat dieses zweyfüssige Postpferde / von deß Feinds Zustand einen lebendigen Brief gebracht /darnach die Rahtschläge gerichtet worden.
7. Hierbey erinnere ich mich einer fast lächerlichen Begebenheit / welche sich gleichfalls zwischen einem Spanier und Frantzosen zugetragen / und sich hieherzu erzehlen wol fügen soll.
8. Ein Frantzos / von Bigorne bey Pampelone bürtig / studirte zu Alcala Henares bey Madritt gelegen /und gange auf eine Zeit mit seinem Doctor an den Fluß Mancenares spatzieren. Als sie nun müde / und sich in das Gras gesetzet / wurden sie gewar eines Omeishauffen / welchen sie betrachteten / und sagte der Doctor / ob es in Franckreich auch Omeisen gebe? Der Frantzos sahe die Einfalt dieses ungewanderten Schulfuchsens / und sagte: daß ihm beliebe mit seinem Diener zu schertzen / er wüsste wol / daß dieses keine Omeisen / etc. Der Doctor behauptet / daß diese Spanische Omeisen / und fragte / wie dann gewißlich die Frantzösischen gestalt weren? Der Frantzos sagte / daß die Frantzösischen Omeisen so groß weren / als die Füchse oder Hunde / und weren gantz wilde und bissige Thier / die Hörner hätten / wie die Gemse. Der Doctor verwunderte sich hierüber sehr / und [166] sagte /daß sonder Zweiffel dergleichen Thiere gewesen /welche die Zwerge (wie Lupon die Schildwacht) weggetragen / nach Beglaubung der Griechischen Geschichten / und verwunderte sich / daß Plinius nichts darvon geschrieben / setzte auch darzu / daß gewiß solche Omeisen der Tragloiten Schätze verwahrten /etc. Hieraus haben die Studenten ein Sprichwort gemacht / daß wann einer was unglaubliches erzehlet /sie geschrien Hormigas de Francia!
9. Die Lehr soll seyn / daß man nicht zu leicht glaubig und auch nicht zu unglaubig seyn / sondern alle Sachen zuvor wol betrachten / und lieber in Zweiffel lassen / als verächtlich darvon urtheilen soll. Die Natur hat dem Menschen zwey Ohren / zwey Augen und nur einen Mund gegeben / zu bedeuten / er soll mehr hören und mehr sehen / als richten und beurtheilen. Was unsrer Unwissenheit schwer zu glauben vorkommet / kan doch waar seyn / und ist niemand / der alles gelesen / gehöret und erfahren hat; er findet doch noch allezeit einen andern / der ein mehrers weiß und kan.
48. Die Spaniolisirten Perlen
(XLVIII.)
Die Spaniolisirten Perlen.
Es haben die Spanier und Frantzosen im Gebrauch /daß sie wunderseltzame Titel über ihre Erzehlungen setzen / den Leser dardurch aufzumuntern / und zu fleissiger Bemerckung anzureitzen. Wir folgen ihnen auch in diesem Stücke / jedoch mit Bescheidenheit /damit wir denen / die solches Gebrauches unwissen sind / nicht ungleiche Meinung verursachen / und vielmehr für lächerlich / als bedachtsam angesehen werden. Bevor nun der Leser diese Geschichte vernommen / so wolle er von dem Titel nit urtheilen /sondern deß Ends erwarten: da erhellen wird / daß die Perlen / von welchen wir reden / mit Fug spaniolisirt mögen genennet werden / gleich wie man sagt distillirt / was durch die Distillirgläser gezogen wird / marmorirt / was den [167] Marmol gleichet / peralisirt / was ein Penal / wie die Neuling auf den hohen Schulen / trügen.
2. Zu Neaples einer Haubtstadt der spanischen Königreiche / von welcher die abscheulichste Kranckheit den Namen bekommen / hat ein Spanischer Haubtmann / den wir Belisarium nennen wollen / (weil er eines Schwammens hoch vonnöthen gehabt / wie wir hören werden) mit Marcosia einer reichen Liebskrämerin gute Kundschafft / jedoch der gestalt / daß in dero Festung niemand eingelassen wurde / als die Esel mit Gold beladen.
3. Als nun Marcosia Belisario das Marck in seinem Beutel gekostet / und er jede Nacht die Reue theuer bezahlen müssen / ersihet er auf einem Abend der Marcosia ihre Perlen-Schnur / welche sie von sich auf den Tisch gelegt / diese beginnt er sich selbsten zu schencken / als er zu Nachts aufgestanden / die Schnur zerrissen / und ein Perle nach der andern / als Zucker-Erbsen eingeschluckt / sich darauf wieder zu seiner Lais in das Bett gemacht / daß sie es nit vermercket.
4. Zu Morgens stehet Marcosia auf / misset alsobalden ihrer Perlen / und konte keinen andern in Verdacht haben / als den Spanier / der allein die Nacht über bey ihr gewesen; massen die Thür biß Morgens verschlossen geblieben. Sie machet erstlich einen Schertz darauß / und erheischet ihre Perlen / welche der Haubtmann vielleicht verstecket; Der Haubtmann aber stellt sich ergrimmt / daß sie einen solchen Helden für einen Dieb halten wolle / und als sie mit Liebkosen die Warheit herauß locken wil / vermehrt sie seinen Zorn / und muß viel Drauwort dargegen anhören.
5. Dergleichen Dirne haben allezeit einen Beystand von erwegenen Gesellen / die ihnen im Nothfall zu Hülffe kommen und sie vertheidigen. Solchen Braven oder Meuchelmördern / deren zween in eben ihrem Hause wohnten / ruffte Marcosia / welche auf Italianisch gewaffnet / das ist / biß an die Zähne mit Eisen bedecket / alsobalden erschienen / und ihre Klage wider Belisarium angehöret.
[168] 6. Der Haubtmann / der zuvor gebrüllt wie ein Löw / wird so bald gedultig wie ein Lamm. Er lässt sich aller Orten besuchen / und weil sie ihm den Dolchen an die Gurgel setzten / bekennet er / daß er die Zahlperlein verschlungen / und in seinem Leibe / aber nicht in den Kleidern bey sich hab; mit Versprechen /er wolle solche wiedergeben / wann man ihm nur Zeit darzu lassen würde.
7. Marcosia truge Verlangen ihren Schmuck / unzerschmoltzen wieder zu haben / und ob sie wol den Haubtmann versperrt / hat er sich doch so gestreng erwiesen / daß Marcosia die Zeit lang worden / und deßwegen ein starckes Purgierträncklein holen lassen / den Spanier solches einzunehmen genöhtiget / und endlich wie die Henne / oder der Han in der Fabel /die Perlen in dem Mist gefunden. Ob sie durch diese Spaniolisierung schöner worden / wie sonsten in der Tauben Mägen zu geschehen pfleget / kan ich nicht wissen / der Spanier aber hat für diese Artzney sein Gelt / Degen und Mantel zurucke lassen müssen / und ist von seinen Bekanten mit diesen distillirten Perlen nit wenig vexirt worden.
8. Die Lehre ist aus folgendem Lehrgedichte zu fassen. Der Geyer hatte sich von dem Ingeweyd eines Aases überfüllet / und als er es nit verdeyen mögen /ist er gezwungen worden / solche mit seinem Ingeweyd wieder zu geben. Darzu ist seine Mutter kommen / sagend: so ergehet es / mein Sohn / wann man mehr zu sich nimmet / als man ertragen kan. Man verlanget fremds Gut / und verleurt sein eignes.
49. Der betrogene Zauberer
(XLIX.)
Der betrogene Zauberer.
Wer einmal sein Vertrauen von Gott ab / und auf GOttes Feind / den Satan gesetzet / der ist verflucht /und muß sich endlich betrogen finden. Die andre verzaubern und verblenden / sind selbsten die bezaubersten und verblendsten Leute / welche mit falscher Müntz bezahlet werden: ob sie ihm wol treulich und mit Verlust ihrer Seelen Seligkeit dienen: O ihr Blinde / sagt jener Kirchenvatter / die ihr die abscheuliche [169] Welt und den Fürsten der Finsterniß liebet / und hasset hingegen das schönste Liecht ewiger Warheit. Jederman nennet ihn einen Betrüger / und ihr trauet ihm; jederman sagt / daß er verführe / die ihm folgen /und ihr laufft ihm nach. O ihr blinde und bethörte Leute / wolt ihr das Ewige gegen dem Zeitlichen verlieren? Wolt ihr GOtt zu einem Schutzherrn anrufen /den ihr verachtet / und sein Wort in den Wind geschlagen.
2. Zu Bauge an dem Schweitzer-Gebürge / wurde ein Mann eingezogen / wegen verübter Zauberey / und nachdem er vieler Unthaten überzeuget / ist er zu dem Strang und hernach zu dem Feuer verurtheilet worden. Ein Geistlicher vermahnet ihn beweglichst / er solte sich zu dem Tod bereit machen / und seine Seele nicht in ewiges Verderben setzen / etc. Er aber verstopffet seine Ohren / wie ein Schlange vor dem Beschwerer.
3. Weil es nun das Ansehen hatte / er wolle mit Verzögerung der Busse sein Leben fristen / ist er zu Folge ergangenen Urtheil zu dem Hochgericht geführet worden / ihm zu weisen / dz es Ernst / und daß solche Verstockung diene Gnade zu erlangen. Er aber hatte gelachet / gespottet und vernehmen lassen; er sey versichert / daß er nicht erhangen könte.
4. Jederman wartete mit Verwunderung / wie es doch diesem Vbelthäter ergehen würde. Der Geistliche sprach ihm zu / er sehe den Tod für Augen / er soll doch noch seine Sünde bereuen / und könte leichtlich abnehmen / daß nun keine Hinderung mehr eintretten könte / ihn von dem Galgen zu retten: Er antwortet / daß er wol mit dem Leben darvon kommen werde.
5. Als er nun mit dem Hencker die Leiter hinauf stiege / sagte er / wir werden beede viel eher herab kommen / als du nicht vermeinest: wie dann auch geschehen / daß der Galgen gebrochen / der Hencker und der Dieb zu Boden gefallen / und doch niemand sehen können / wie solches zugegangen und geschehen mögen. Der Zauberer lachte / und vermeinete /daß er bereit gewonnen habe.
[170] 6. Der Bannrichter befahle alsobald / man solte ihn an den nechst darbey stehenden grossen Baum hangen; darůber erschracke der Bößwicht / und fielen die Schuppen der Finsterniß von seinen Augen / daß er deß Satans Betrug ersehen kunte / welcher ihm versprochen er solte nicht an Galgen kommen.
7. Er beichtete offentlich für der gantzen Gemeine /weil der Satan / wie er sagte / von ihm gewichen / dz er den Bund / welchen er mit ihm gemachet / widerruffen können / und bereitete sich zu einem seligen Sterbstündlein / begehrte auch wegen seiner übermachten Sünden lebendig verbrennt zu werden; welches aber der Bannrichter nicht in Befehl hatte / und deßwegen das gefällte Urtheil vollziehen lassen.
8. Also kan der Heilig Geist in einem Augenblick die Felsenharte Hertzen der Sünder verschmeltzen /und die Verführten zurecht bringen / ja die in den Schatten der Finsterniß und deß Todes sitzen / kan er in einem Nu zu dem ewigen Leben ruffen. Wer aber auf Barmhertzigkeit sündiget / über den wird ein unbarmhertzig Gericht ergehen / darfür uns Gott gnädig behüten wolle.
50. Die Phariseerin
(L.)
Die Phariseerin.
Hütet euch vor dem Sauerteig der Phariseer / sagt unser Erlöser / welcher ist Heucheley / und eins Wolffshertz unter den Schafskleidern. Darum ist das Schwanenfleisch zu essen verbotten / weil es weisse Federn / aber ein schwartzes Fleisch hat / und jener Zöllner gange gerechtfertiget in sein Hauß / als er seine Sünde bekennet; der Phariseer aber / welcher sich seiner guten Wercke rühmte / hatte noch nicht ein Gebott völlig gehalten. Also wurde jenes Weib in deß Phariseers Hause / welche eine offentliche Sünderin /nicht verdammet / wie der Phariseer / der Christum geladen / daß er ihn fienge in seiner Rede / und bey sich selbst gesprochen: Wann dieser ein Prophet were / so [171] wüste er / wer und welch ein Weib das ist / die ihn angerühret / dann sie ist eine Sünderin: Ich aber /sagte er bey sich bin kein Sünder / sondern heilig und rein: Aber GOttes Gedancken sind nicht wie der Menschen Gedancken. Er kennet das Hertz / die Menschen aber den falschen äusserlichen Schein / wie an nachgehender Phariseerin zu ersehen seyn wird.
2. Es hatte sich Agathina / eine offentliche Metze zu Venedig / nach Verona erhoben / und alldar viel leibeigne Knechte durch ihre Schönheit erworben /unter welchen so wol fremde / als einheimische sich in ihrer Dienstbarkeit glückselig geschätzet / und ihren Reichthum vermehren helffen. Wann die Ehre in äusserlichen Schein und Ansehen zu suchen / hätte man keine ehrlichere Frau finden können / als eben diese / massen sie in Kleidern / Worten und Geberden ihre Handthierung meisterlich zu verbergen wissen.
3. Unter vielen Lastern hatte Agathina die Tugend deß vorbesagten verzweiflenden Spielers / daß sie den Armen viel gutes zu thun pflegte. Ob wol GOtt dergleichen unreine Opfergaben hasset / und einen Eckel darvor hat / so bitten doch die Armen für ihre Wolthäter / daß sie GOtt zu Gnaden wieder annehmen wolle; ich sage zu Gnaden / nicht aus Verdienste / dann sonsten die Gnade keine Gnade wäre.
4. Nachdem nun Agathina ihr sündiges Leben erkennet / und darvon abzustehen gewillet / füget sich /daß sie / wegen ihres Reichthums / einen ehrlichen Gesellen heuratet / weil sie wuste / daß sie der Buhler Anlauffen nicht abhalten würde können / als durch eine Mauren (verstehe deß Klosters) oder durch einen Mann / dem sie mit ehelichen Pflichten allein verbunden / und aller andrer müssig zu gehen gehalten seyn möchte.
5. Wie die Pferde / welche follesweis / die Wölffe erschrecket / allezeit scheu sind. Also hatte Agathina /so bald sie aus dem Rachen deß Höllenwolffs gerissen / und nun ein neues Leben angefangen / einen Abscheu vor aller Unreinigkeit / [172] und vertraute ihr Gewissen einem verständigen Beichtvatter / Namens Julian /welches diesen verlohrnen Groschen wieder gefunden / und das verirte Schaf zu der Heerde gebracht.
6. Ob sie bey solchem Zustande / ihrer natürlichen Neigung nach / viel reichliche Almosen in der Armen Hände verborgen / ist leichtlich abzunehmen / und war sonderlichen Anzeigen ihrer wahren Busse / daß sie allen äusserlichen Schein und Kleiderstoltz fahren lassen / sich still und eingezogen in Worten und Geberden verhalten / und alle Mannspersonen / ausser ihren Ehevogt geflohen; die Sünde und derselben Verdacht gäntzlich zu vermeiden. Wann die Raisenden spat auf sind / so eilen sie desto emsiger zu der Herberge. Agathina hatte ihre zuvor begangene ärgerliche und vierfältige schwere Sünden mit spater doch ernstliche Reue betrachtet / und den Tod täglich vor Augen gehabt / welcher der Weg ist zu dem himmlischen Vatterland / dahin sie mit brünstigem Verlangen söhnlich getrachtet.
7. Unter den Beichtkindern deß Vatter Julians waren auch Taciana / eine Adeliche / ehrliche und Gottsfürchtige Frau / wie sie darvor von jederman gehalten wurde / und dem äusserlichen Ansehen nach eine noch lebende Heilige war. So leicht es ist / der Menschen Augen zu blenden / so unmöglich ist sich für Gott dem Hertzenkündiger zu verbergen. Diese redete von täglichem fasten / und füllte sich mit besten Speisen an; sie lage auf ihren Knien zu beten / und hatte ihre Gedancken von den Worten entfernet; sie gabe Almosen / bestellte aber Zeugen und Trompeter darzu / die ihr Almosen rühmten für den Leuten.
8. Diese Phariseerin ärgerte sich an Agathina / weil sie wuste / daß sie zuvor an dem Hurenzoll gesessen /und sich dardurch bereichert. Sie konte sich nicht enthalten / ihrem Beichtvatter zu verweisen / daß er diese Sünderin aufnahm / und mit ihr zu reden sich entblödete; setzte auch darzu / daß er sich verdächtig / und selbst verwerflich machen würde. Julian [173] berichtet sie /daß er verpflichtet / die Irrenden auf den rechten Weg zu weisen / und (wie Eliasar dem Isaac) unsrem Heiland die Seelen zu zuführen / deren etliche weiß und reinlich / etliche schwartz und büssend / aber doch Gott angenehm / weil sie mit dem Blut deß Lamms abgewaschen und gereiniget worden. Christus were in die Welt kommen / die Sünder und Sünderin seelig zu machen / und nicht die Frommen / massen er auch solches erwiesen an dem Samaritanischen und Cananeischen Weiblein / der Purpurkrämerin / der Magdalena und vielen andern mehr.
9. Mit diesem Bericht war Taciana übel zu frieden /und danckte GOtt / daß sie nit wäre wie andre Leute /und machten ihr ein Gewissen / einen solchen Beichtvatter zu haben / der die Schanddirne vertheidiget /und sich vielleicht ihrer Sünden theilhafftig machte. Dieses war Muckensäugen und Kamelverschlingen /wie hernach folgen wird.
10. So bald Taciana der Agathina ansichtig wurde /gienge sie aus der Kirchen / wann sie zu beten niderkniete / so stunde sie hingegen auf / und setzte den Fuß ferne von ihr / daß Julian bewogen worden ihr zu zusprechen und zu bitten / sie wolte diese betrübte /und reuige Sünderin nicht mehr betrüben / und sich ja nicht heiliger zu seyn beduncken lassen / als unser Heiland selbsten / welcher sich nicht gescheuet mit den Sündern das Brod zu brechen / und sie mit seinen Gesprächen zu heilen / etc. Man solle die Sünde /aber nicht die Sünder hassen / nachdem sie ihr Unrecht erkennen / und Busse zu thun gewillet sind.
11. Dieses alles hat der Taciana Verdacht gemehret / daß es mit Julian und Agathina nicht recht müsse hergehen / deßwegen sie vorbesagter Verachtung / die üble Nachrede und falsche Verleumdung beygesetzet /und sie in der Stadt für eine Ehebrecherin außgeschrien / welches alles Agathina mit Gedult und Demut / als eine Bestraffung bevor verübten Ubels /ertragen.
12. Als einsten die beede einander nechst dem Beichtstul [174] begegneten / und Taciana nicht entweichen kundte / lässet sich Agathina gegen ihr vernehmen /daß sie erkenne die Schande / welche ihr nachgesagt were / und solche / vor ihrem Ehestand beschehen /nicht ablaugne; selbe aber nunmehr schmertzlich bereue / und an der Barmhertzigkeit Gottes keines wegs zweiffle. Deßwegen bittet sie / Taciana wolte ihr auch Gnade widerfahren lassen / und sie in dem Hause Gottes / in dem Bet- und Bußhause / soviel Christlicher Liebe würdigen / daß sie nicht wie biß anhero /sich ihrer Gegenwart entziehen / und sie / als eine verbannte Person / fliehen solle. Es were ja die Christliche Kirche ein Acker / darauf auch das Unkraut befindlich / ein Meer darinnen unterschiedene Fische /und ein Garten von guten und bösen Fruchtbäumen. Gott lasse seine Sonne aufgehen über gute und Böse /und halte kein Ansehen der Person / etc.
13. Agathina wolte diesem Gespräch nicht abwarten / und beförchtete / daß die Wort aus einem unreinen Munde / ihre reine Ohren befleckten / kehrte sich deßwegen von ihr / und drenget sich durch die Leute darvon. Die Heucheley unnd Gleißnerey ist ein Schmincke oder Anstrich / welches kurtze Zeit wäret /und die Personen / so solchen gebrauchen verächtlich und lächerlich machet. Die Warheit / welche nicht aus Christlicher Liebe gereget wird / kommet aus falschem Hertzen / und wird man uns messen / mit dem Maß / mit welchem wir andren messen.
14. Diese Phariseerin hatte den Scheffel ihrer Sünden erfüllet / und muste nun offenbar werden / was in Verborgen lage. Ihr Mann Vital war alt und reich /und hatte sie gefreyet / sonder andre Aussteuer / als ihre Schönheit / welche er mit allen Tugenden geschmuckt vermeinet / in dem sie sich mit falscher Gottesfurcht geschmincket / und wie die Sonnenblumen / ihre Augen zwar nach dem Himmel gerichtet /mit den Wurtzeln aber in der Erden verblieben.
15. Taciana Mann war alt / wie gesagt / hatte aber einen jungen Kutscher / welcher seines Herrn Mangel ersetzte. [175] Dieses Feuer konte nicht lange Zeit verborgen bleiben / man sahe etliche Funcken darvon scheinen / welche dem Vital / nach der Italianer Eifersinn /unter das Gesicht leuchten mussten deßwegen er sich vergewissern / und dieses Zweiffels / durch eine erdichte Raise entledigen wollen.
16. Der Mann ist kaum aus der Stadt / wie Taciana vermeint / daß sie nicht ihrem Kutscher / aus den Sprüchen Salomonis zugeruffen: Komm laß uns genug bulen biß am Morgen / und laß uns der Liebe pflegen / dann der Mann ist nicht daheime / er ist einen fernen Weg gezogen / und hat den Geltsack /wol gespickt / mit sich genommen / etc. Aber weit gefehlt.
17. Vital ergreifft diese Ehebrecherin in der Schandthat / und nöthiget Tacianam / daß sie den Kutscher selbst ermorden muß / nachmals zwinget er die Magd / welche zu diesem Handel geholffen / daß sie ihrer Frauen den Dolchen in die Brust stossen musste / und er durchsticht die Kuplerin / zeigt der Obrigkeit den gantzen Verlauff an / und wird aller Straffe erlassen.
18. Wie dieser Phariseerin Nam hierdurch offenbaret / und sie in der gantzen Stadt viel Nachredens verursachet / ist leichtlich zu gedencken / und wird noch heut zu Tage erfüllet / was Paulus von der letzten Zeit zuvor gesagt / daß darinnen kommen werden viel / die in Gleißnerey Lügenreder sind / Brandmahl in ihren Gewissen haben / Spötter / die in ihren eignen Lüsten wandeln / und den Schein haben / eines Gottsfürchtigen Lebens / aber die Krafft verlaugnen / etc. Aus welchen Worten leichtlich zu schliessen / warum GOtt so sehr zörne über die böse Welt / weil er nemlich einen Greuel hat an hohen Augen / falschen Zungen / an den Hertzen / die mit bösen Tücken umgehen / und den Füssen / die behend sind Schaden zu thun /welches alles zu unsrer Zeit für eine kleine oder keine Sünde geachtet wird.
Ende deß zweiten Theils.
Dritter Theil
Register der Geschichte deß Dritten Theils
Register
Der Geschichte deß Dritten Theils.
51. Die ungluckseligen Spieler
[178] (LI.)
Die unglůckseligen Spieler.
Wie die Griechen den leibeignen Knechten Wein zu trincken gegeben / ihren Kindern die abscheuliche Trunckenheit / durch selber Ungebärden vorzustellen; Also wollen wir hier etliche Laster auf unsren Schauplatz führen / und deroselben ungestallte / mit andrer Exempel außbilden; daß der verständige Leser solche zu fliehen und meiden / auch andre darvor warnen und abmahnen möge; massen solche Beyspiele beglauben / daß wer die Gefahr liebet / und auf den Sündenweg seinen Fuß beharrlich fortsetzet / zu seinem Verderben eile / und darinnen endlich umkommen müsse.
2. Das Laster deß gewinnsüchtigen Spielens / wird füglich mit der Trunckenheit verglichen: eines Theils /wegen der unbesonnenen Blindheit / in welcher so wol die Spieler als Säuffer reuiges Belieben tragen; anders Theils wegen der unterschiedlichen Gemütsbewegung / welche diese schändliche und schädliche Kurtzweil mit sich zu bringen pfleget. Der Wein und der Würffel (etliche setzen das dritte W. das Weib darzu) erweisen deß Menschen natürliche Neigung. Ein Zorniger wird seine Gall nicht verbergen können /unnd wann er bezecht oder verspielt zu Zancken unnd Hadern suchen / sich auch deß Fluchens nicht enthalten. Ein Melancolischer wird sich klug beduncken und [179] eine Trauerklage über seinen Verlust anstimmen. Ein Geblütreicher wird nit unterlassen sich in aller Begebenheit frölich zu erweisen. Welches Leib aber mit vielen bösen Feuchtigkeiten angefüllet / der wird zu Bette eilen / und die Ruhe der Wein- und Würffel-Kurtzweil vorziehen.
3. Wie nun die Neigung deß Menschen / und der Beschaffenheit seines Leibs / ohne Betrübniß oder Kranckheit verborgen / und nit wol erkantlich ist; also kan man auch / ohne besagte Gelegenheit welche die Hoffnung deß Gewinns / leichtlich an die Hand giebet / von den äusserlichen Ansehen kein sicheres Urtheil fassen / und wissen was er in dem Schild führet. Daher eine verständige Mutter ihrer Tochter diese Lehre gegeben / sie solte keinen heuraten / welchen sie nit zuvor truncken / oder mit Unglück spielen sehen. Wann er ihr dann zu solcher Zeit wol gefallen würde / möchte sie mit ehlicher Verlöbniß sicherlich verfahren.
4. Weil nun dieses Laster fast bey allen Völckern sehr gemein / wollen wir etliche merckwürdige Exempel vermelden / und erzehlen mit was List der Satan /wol wissend warnach die Vögel gelüstet / viel unverständige junge Leute / in solch Stricke bringe / und zu endlichem Seelen-Unglück veranlasse. Ich sage See len-Unglück / weil aus dem Lust zu spielen und kurtzweilen ein Geitzspiel / Hader / Feindschafft /Mord / Zauberey und Dieberey / wann es aber wol abgehet / Armut und Bettlerstand erfolget.
5. Zu Pariß / der berühmten fast Weltgrossen Stadt lebt noch heut zu Tage ein sehr alter Spieler / Namens Gallet / und zwar in grosser Dürfftigkeit und Elend. Dieser hatte König Henrich dem Vierdten dieses Namens / in Franckreich / auf einem Jahrmarck zu St. Germain / mit gebührender Ehrerbietung drey Würffel und 100. Kronen vorgewiesen / mit Bitte / daß S. Majestät ihm die Gnad erwiesen / und mit ihm spielen wolte.
6. Der König wuste daß dieses ein berühmter Spieler / wolte ihm dieses Laster zu verstehen geben / und willigte darein: jedoch sagte er: Du solst wissen / daß ich König bin / und [180] du ein armer Gesell: 100. Kronen ist zu wenig / und biete ich dir noch 300. darzu. Gallet antwortete: Wol / E. Majest. ich halte diese 300. Kronen / und biete noch so viel 600. nemlich darzu /daß also in allem jedes Theils 1000. Kronen stehen.
7. Hierüber wunderte der König: sagend: Glaub mir daß ich noch so wol 1000. Kronen / als du 1000. Stieber zu verspielen. Ich halte was du in das Spiel gebotten / begehre aber ärgerniß zu vermeiden / nicht zu spielen. Hierauff versetzte Gallet / so habe ich gewonnen / und wird E. Majest. gnädigst geruhen / mir das Gelt zahlen zu lassen. Der König sagte: Ja / du solst die 100. Kronen haben; gedencke aber an mein Wort / daß ich dir sagen wil: Du bist diesem leichtfertigen Laster deß Spielens ergeben / und wirst die Zeit deines Lebens ein Bettler seyn und bleiben.
9. Wie nun aller Spielgewinn ein Unterpfand bald folgenden Verlusts ist; Also hat auch dieser Frantzos nit allein die 100. Kronen / so erkühnlich von dem König gewonnen / sondern noch viel ein mehrers /und endlich alles sein Vermögen / Hauß und Hof wieder verspielet daß er endlich mit dem Karten- (welche einer den Paßbrief zum Spital füglich genennet) und Würffelspiel / in Armut geraten / und sein gröstes Belieben hat / wann er andre spielen sihet; weil er nit mehr zusetzen kan / und im Wercke erfährt daß das Alter bereut / was die Jugend erfreut; massen das unreecht erworbene Gut nicht fasselt oder wurtzelt / sondern nach dem Sprichwort / leicht gewonnen leicht zerronnen / heisst.
9. Ein Spieler zu Meyland hat alles sein Haab verspielet / biß auf seinen Mairhof / den er feil gebotten /und mit dem darauß erlösten Gelt / wieder zu gewinnen verhofft. Weil aber die darzu gehörigen Felder schlecht / und er keinen Kauffer finden mögen / inzwischen aber zu spielen begirigst trachtet / hat er die Ziegel von dem Hause abheben lassen / selbe verkaufft / das Gelt verspielt / und das gantze Gebäu von dem Regen in Grund verderben lassen: Nach dem Sprichwort; wer sein Dach nicht verwahret / verwahret sein Hauß nicht. Dieser Kauffmann ist endlich in eine tödliche und fast [181] verzweiffelte Traurigkeit geraten / und hat in seinem letzten Willen versehen / daß man seinem todten Leichnam die Haut abziehen /über ein Bretspiel spannen / aus seinen Gebeinen aber Würffel machen solte; damit er sich auch in dem Tod (wo möglich) mit spielen erlustigen könne.
10. Die Hispanier haben ein Sprichwort (Quien jugò jugara.) Wer einmal gespielt hat / und das Glück gehabt Gelt zu gewinnen / der unterlässet nit /öffter zu spielen. Viel haben das Spielen hoch verschworen / und deßwegen zu Rom mit grossen Unkosten Ablaß und Entbindung solches Gelübds zuwegen gebracht / weil ihnen solches zu halten unmöglich. Daß etliche ihre Freyheit / ja für andre um Leib und Leben gespielet / ist bekant. Viel sind darüber in Verzweiflung gerahten / daß / nachdem sie Gelt geborgt /oder auch wol entwendet / und dasselbe verspielt /sich selbsten um das Leben gebracht / wie Ventura Betran ein Spanier zu Rom gethan / der bey den Spielen essen und trincken vergessen / (den Schlaff deßwegen zu brechen / ist gemein) und endlich alles Vermögen / seiner Freunde vorlehen / ja Treu und Glauben verspielet / sich hernach aber in die Tyber gestürtzt und ersäufft.
11. Aus besagtem ist zu erlernen / was die unsinnige Spielsucht für Unheil mit sich bringe. Die edle Zeit / welcher Verlust unwiderbringlich / wird dem Studieren oder Regimentsgeschäfften entzogen. Gott wird durch fluchen / das bey dem verlustigten Theil selten verbleibet / beleidiget. Der Gewinner beraubet sich und den Armen / weil er das ihm verkauffte Gut / darüber er nit Herr ist / und zu dem Almosen gehört verspielet: oder der Nechste wird durch das spielen ehrlich bestohlen: massen das ein Diebstal zu nennen /was man wider deß Besitzers Willen hinweg nimmet. Das Glück wird lästerlich für einen Gott aufgeworffen Falschheit / Trug / Haß / Feindschafft und unordentliches Leben (in dem man aus der Nacht Tag / und aus dem Tage Nacht machet) ein böses Gewissen / Armut und selten ein gutes Ende erfolget / aus so Gewinnsüchtigen und niemals ersättigten Geitzspielen: Deßwegen [182] die Jugend billich darvon abzuhalten / und die Gesetze mit guten Ursachen / das Spielgelt als ein unrechtmässig erlangtes Gut / dem verlustigten Theil /wieder zu sprechen / auf Spielschulden auch alle Oberherrliche Hülffe verbieten.
52. Die glückseligen Spieler
(LII.)
Die glückseligen Spieler.
Wie die kürtzte Thorheit die beste ist also ist der glückseligste Spieler der bald auffhöret / er habe gleich gewonnen oder verlohren. Wir reden hier nicht von solchen Spielen / welche um Lust / oder gar um geringes Gelt / ohne vorerzehlte Befahrung / geübet werden / und gleichsam eine Ergetzlichkeit sind / die zwischen schwerer Kopf- und Handarbeit eingeschaltet wird / sondern von Gewinnartigen hohen Geltspielen: Dann andre / in gewisse Maß nicht verwerfflich /und noch zum Theil ein freundliches Gespräch / in welchem der Verständigen gröste Kurtzweil bestehet /zulassen können. Die Endursach machet hierinnen den Unterscheid / wie fast in allen andern Sachen.
2. Ob nun zulässig um Gelt zu spielen / ist von vielen umständig außgeführet worden. Viel wollen solches für ein strafbares Mittel halten / welches wieder die Liebe deß Nechsten lauffe; viel lassen einen geringen Satz / der noch bereichern noch verarmen machet zu; andre wollen / daß man den Gewinner das Gelt abnehmen und Armen Leuthen außtheilen soll / in welcher Meinung der Kirchenlehrer Augustinus ist /in seinem 54. Sendschreiben an Macedonium.
3. Wir lassen nun solches alles an seinem Ort beruhen / und erzehlen etliche Geschicht von glückseligen und klugen Spielern die zwar Gewinnens wegen zu spielen angefangen / ihre Thorheit aber erkannt / und zu rechter Zeit solche leichtsinnige Wagniß verlassen; in der That erfahrend / daß ihr Vermögen so lang für ihr Eigenthum nicht zu halten / biß sie solches dem Spielglück entzogen und der Karten und Würffelgefahr entnommen.
[183] 4. Andrino / ein vornehmer Herr in Franckreich /hatte seiner Liebsten eine güldne Ketten von etlichen 100. Kronen verehret / in Hoffnung nach erlangten Hofdiensten sich mit ihr ehlich zu verbinden: Inzwischen aber noch eine Raise in Italien anzutretten vorhabens; massen er sich auch darzu mit Pferden und Dienern außgerüstet / und nun wegfertig / anständige Gesellschafft erwartet. In dieser Hoffnung findet er sich in einer Spielgesellschafft / welche erstlich aus Kurtzweil / und ein geringes / nach und nach aber um grosses Gelt zu spielen beginnt. Andrino hat den Unfall daß er seinen Zehrpfenning / seine Pferde / und alles was nur Gelts wehrt hatte verspielet. Mit was frölichem Gemüte ist unschwer zu gedencken.
5. In diesem Unglück erinnert er sich der güldnen Ketten / welche er seiner Liebsten verehrt / und fügt sich so bald zu ihr / die Ketten abzuholen / und mit solcher seinen Verlust aus dem Unglücks-Brunnen zu ziehen / wie dann auch erfolgt. Seine Vertraute / welche ihm das Hertz gegeben / wolte ihm die Ketten / so sie von seiner Freygebigkeit empfangen / nicht versagen / weil sie vermeinte / daß er solche als ein Muster seiner Befreunden einem / weissen wolte / und liesse also dieses Liebespfand willig verabfolgen / unwissend / daß solche in das Spiel solte gewaget werden.
6. Andrino versetzte die Ketten gegen etliche 100. Kronen paar Gelt / und hat das Glück / daß er das seinige mit grossem Wucher wieder gewonnen / die Ketten außlösen / und seiner Hochzeiterin wieder einhändigen kan. Nachdem er nun sein Gütlein aus diesem Schiffbruch gerettet / hat er sich eidlich verlobet / die Zeit seines Lebens nicht mehr um Gelt oder Geltswehrt zu spielen / und weil er dieser Seuche nicht ergeben / sondern durch böse Gesellschafft darzu verleitet worden / hat er gethanes Gelübd leichtlich gehalten / und nach Verlauff kurtzer Zeit eine andre Raise angestellet / und seine Liebste zu Kirchen und Strassen geführet. Dieses hat der König gehört / und ihm lang hernach zu spielen angebotten / er aber hat sich mit gethanem Gelübd entschuldiget / unnd ist deßwegen nicht allein darbey gelassen / sondern auch [184] als ein kluger und glückseliger Spieler höchlich gerühmet worden.
7. Ein Cardinal hat auf eine Zeit mit einem reichen Abbt primirt / und in den vier ersten Karten bekommen ein siebne und ein Aeß gleicher Farbe / welches zusammen macht 37. darauf hat er gebotten 50. Kronen / welche der Abbt mit siebne und sechse gleicher Farbe 39. Augen machende gehalten / und noch 100. nachgebotten. Nachdem sich nun der Cardinal bedacht / hat er die 100. Kronen gehalten / zwey Blättlein weggeworffen / und zwey andre genommen /unter welchen eine sechse seiner Farbe / daß er also gemacht 55. deßwegen er die 300. Kronen / als seinen gantzen Rest gebotten. Der Abbt besiehet seine Karten / und hat eine vierte gleicher Farbe mit dem Vorigen erhalten / und also gemacht 53. hierüber bricht er vor Freuden herauß / ohne Beantwortung deß hohen Auffbotts / und sagt 53. der Cardinal vermeinte daß er noch so viel darzu gebotten / und sagt / ich halte es um 55. hierüber wurden diese beyde strittig / und musten bekennen / daß sie sich beede übereilet / und Spielblind die Zahlen der Karten für Silberkronen benamet.
8. Noch ein viel schwererer Spielstreit hat sich zu Pisa begeben / unter zweyen Studenten Guidone und Macrimo / Guido fasse vor der Hand / und stunde bereit viel in dem Spiel. Jener gange auf Fluß; dieser liefe auf Primira. Bevor man das letzte mal die Karten herum gibet / sagte Guido: wir wollen das Geld in dem Spiele theilen. Macrino antwortet: ja / wann ich keinen Fluß mache. Als nun das Spiel fortgeführet wird / hatte Macrino keinen Fluß und wolte das Gelt theilen. Guido aber ist eine Primira eingeschlagen /und wolte das Gelt allein haben. Hierüber hat der Jurist Cavalcant ein langes und ausführliches rechtliches Bedencken gegeben / welches zu lesen ist in seiner letzten decisione.
9. Diese Spieler nennen wir deßwegen glückselig /daß sie nit alsobald wider einander ergrimmt / und in dem Zorn einander ermordet / sondern die Strittigkeit Spielverständigen zu beurtheilen heimgestellet / welche das Gelt / nach vorangezogener [185] Beurtheilung deß H. Kirchenlehrers Augustini, Armen Leuten zugesprochen / und dardurch den Streit geendiget.
10. Dieses ist vielleicht verantwortlicher / als die That eines Frantzösischen Grafens des Bures benamt / der wider den König gespielet / und 40000. Kronen par gewonnen. Als nun der König ihn beschuldigte /daß er Kurtzweil wegen zu spielen angefangen / und Gewinns wegen aufhören könne / hat er das Gelt alles zum Fenster hinauß geworffen / zu erweisen / daß er sich von Spielen nit zu bereichern begehre. Der König aber hat lachend darüber gesagt / daß der Graf sein Glück nit mit Füssen / sondern mit Händen von sich stosse.
21. Verantwortlicher ist verfahren Pabst Leo der zehende dieses Namens / welcher ein grosser Liebhaber deß Kartenspiels gewesen / und nit wenig Zeit darmit zugebracht. Es begabe sich aber / daß er einsten in einem Spiel die gantze Farbe in die Hand bekame / und das Spiel nit verliehren konte / als wegen der Hand / welche sein Gegentheil hatte. Weil ihm aber sehr grosse Summen gebotten worden / konte er leichtlich erachten / daß auch der andre Theil gute Karten haben musste / sagte deßwegen / er wolte alles halten / wann er noch ein Aug mehr hätte. Der Gegentheil antwortet: Er wolte noch ein Aug darzu schencken. Als nun die Karten aufgedecket / hatte ein jeder die gantze Farbe / der Pabst aber das geschenckte Aug noch darüber; und weil er ihm das Aug geschenckt hat er hingegen ihm seinen Verlust wieder verehret.
12. Aus diesem allen wird erhellen / daß grosse Unterscheid zu machen zwischen den Personen und deroselben Spielursachen. Lust und Ergetzlichkeit wegen / um geringes / oder nach Vermögen erschwingliches Gelt zu spielen / ist GOTT nit mißfällig / der uns die Arbeit und Ruhe / Wachen und Schlaffen vergönnet. Dahin zielet der Apostel 1. Corinth. 10. v. 31. sagend: Ihr esset oder trincket / oder was ihr sonst thut (darunter er das Spielen und Kurtzweilen verstehet) so thut alles zu der Ehre GOttes. Gleich wie nun Gott der Kinder spielen nicht zu wider / weil es ohne Falsch / und den Nächsten [186] ohne Schaden; Also hat er auch keinen Mißfallen an der allen Leute mässigen Kurtzweile / wann sie den Nächsten nicht belästiget und Nachtheil bringet. So bald aber die Hoffnung deß Gewinns blicket / und man sich gelüsten lässet / seines Mittspielers Geltlein zu gewinnen / laufft es wider Gottes Gebott / und ist für Sünde zu halten.
53. Die verliebte Feindin
(LIII.)
Die verliebte Feindin.
Es gleichen grosser Herren blutgierige Anschläge den rasenden Wällen / welche stoltziglich daher wallen /als ob sie das Ufer verschlingen wolten / im Ende aber nichts hinter sich lassen / als einen bald vernichten eitlen Schaum. Dieses hat auch erfahren Käyser Carl der fünffte dieses Namens / als er mit Heeres-Macht bey Marsilien in Franckreich eingefallen / und gefragt / wie viel Tagraisen er noch biß nach Pariß hätte. GOtt aber / dem der Trotz auf eigene Macht jederzeit mißfallen / hat eine solche Kranckheit unter die Käyserische Soldaten gesendet / daß sie unverrichter Sache wider zurucke kehren müssen.
2. In solcher Noth haben zween vom Adel / welche Todtfeinde miteinander waren sich vereiniget; Wie die Haanen zu streiten ablassen / mann sie den Geyer kommen sehen: Ihre Weiber auch / welche nach Avignon / als einen Päbstlichen Platz / der mit den Kriegenden Theilen nichts zu thun / geflohen / haben nicht allein ihre Angesichter / sondern auch ihre Hertzen geschmincket / und einander in Gesellschafften mit freundlichen Reden unterhalten. So bald sich aber der Krieg besagter massen geendet / hat dieser Streit an gefangen / und die fast erbliche und unsterbliche Feindschafft sich beederseits erneuret / und zwar nach Art der benachbarten Italianer / welcher Rachgier niemals veralten oder erkalten kan.
3. Nach vielen Wort- und Schrifftwechseln / werffen [187] beede Edelleute Silvin und Polite den Degen zum Richter auf / welcher sie und ihre Gräntzen / darum der Streit ware / entscheiden solte. Silvin hatte zu seinen Beyständen seinen Bruder Fructolum / und noch viere von seinen Befreunden. Polite aber hatte seinen einigen Sohn / mit auch so viel seinen Gesippten auf den Platz geführet. Dieses blutige Mordfechten ist also außgeschlagen / daß Laureau und Fructolus tödlich verwundet / die andern aber theils auf dem Platz /theils bald hernach diese Welt gesegnet.
4. Clione Silvius hinterlassne Wittib wolte Fructolum anfrischen / daß er sich noch einmal an Laureau wagen / und ihres Mannes / und seines Brudern Tod rächen solte: Fructolus aber wolte ihr nicht Gehör geben / und hatte in unentfallenen Angedencken / wie jämmerlich es unter diesen Mordfechtern daher gegangen. Nachdem nun Clione ihre Rache nit werckstellig machen kan / und ihre Kranckheit / in welche sie aus vergallten Hertzen gefallen / als einen Vorbotten deß Tods betrachtet; Bemüssiget sie ihre Tochter Fortunatam / daß sie einen leiblichen Eid schwöret / keinen zu heuraten / welcher ihr nit zuvor Laureau Haubt gebracht / und an ihres Geschlechts Feinde Rach geübet. Diesem Gelübd kommet die Jungfrau nach / und verspricht sie dem zu einer Beute / welcher den Sieg gegen ihren unschuldigen Feind erhalten würde.
5. Der erste welcher dieses Philisters Vorhaut bringen wollen / wurde von Laureau lahm gestossen. Der zweyte bliebe todt auf dem Platz / der dritte musste die Waffen überreichen / umb das Leben bitten. Der vierdte wurde auch so übel empfangen / daß er zu einem Schlachtopfer gemacht worden were / wann ihn nicht gute Freunde errettet / und in das Mittel getretten. Wie die Wasser der Sündflut die Gottlosen ersäufft / und die Unschuldigen in der Archen empor getragen, also sind diese vermeinte Blutbräutigam gefallen / und haben Laureaus Ehren- und Siegsruhm aller Orten erhaben und groß gemacht. Fortunata hingegen verlohre ihre Freyer / und wolte ein jeder lieber anderweits sich verheuraten / als mit Gefahr seines Lebens solche Verlöbniß mit Laureau Tod verbinden.
[188] 6. Man sagt / daß der Weiber Zorn hefftiger seye /als der Männer Grimm / weil ihre natürliche Hitze brünstiger und blinder. Dieses ereignete sich auch bey der Fortunata / als sie sich von ihren Bulern und Rächern unglückselig verlassen / ja mehr gehasst / als geliebt sehen můssen. Was unterlässt sie nicht? Sie gedencket sich an Laureau mit eigner Hand zu rächen / und beredet Melicretam ihre Dienerin / daß sie / mit Vorwand in ein warmes Bad zu raisen / ihr eine Gefärtin gibet / und in Mannskleidern verstellet / mit abgeschnittenen Haaren den Namen Natal annimmet /sie aber nennet sich Florent. Weil sie nun verstanden /daß Laureau ein grosser Liebhaber der Music / und sie übertrefflich singen / ihre Dienerin aber auf dem Clavier spielen konte / suchen diese verkappte Jungfrauen Gelegenheit ihr mörderisches Vorhaben in das Werck zu richten.
7. Laureau empfahet Florent und Natal mit aller Höflichkeit (wir reden nun von ihnen als Jünglingen /welcher Personen sie spielen) gibt ihnen ein Zimmer in seinen Schloß ein / und spricht ihnen über der Mahlzeit sehr freundlich zu / daß Florent diesen ihnen wolgestalten und tapfern Feind vielmehr zu lieben und zu loben / als jämmerlich zu ermorden / Ursach gewinnt: Massen die Neigung der Natur viel mächtiger / als diese welche wir mit blindem Eifer an uns nehmen. Als einsten über Tisch von Fortunata zu reden / und ihr unersättlicher Haß wider den vielmehr obsiegenden Laureau / zu erzehlen kommen / brache er in diese Wort herauß / sagend: Andre mögen ihr ůbels wollen / weil sie mir übel wil; ich aber entschuldige sie / weil sie solches aus Lieb gegen ihre Eltern und aus gethanem Gelübd zu thun schuldig worden. Die Rache wird für eine Großmütigkeit gerechnet / und ist sie nicht allein in so falschem Wahn /sondern folget dem gemeinen Hauffen. Zu dem betrachtet mich diese Jungfrau / als ihres leiblichen Vatters Mörder / der sie hat in die Welt geboren / den ich / als meines Vatters Beystand / todt gestochen. Ob ich nun wol hingegen einwenden könte / daß mein Vatter auch darüber das Leben eingebüsst / daß solches nit durch Verrätherey / sondern [189] für der Faust geschehen /daß wir von ihrem Vatter außgefordert worden / und unsre Ehre zu verfechten schuldig gewesen / ich darüber auch gefährlich verwundet worden: So ist sie doch beleidiget und nit fähig solche Entschuldigung /ohne gefasten Wahn zu betrachten. Ich bin nachmals gesinnet gewesen / ihr zuzuschreiben habe aber besorgt / sie möchte meinen Brief für eine Urkund der Todesfurcht halten / und mich für einen zagen und feigen Mann außschreyen. Ich hoffe aber / daß diese schöne Feindin ihr Unrecht endlich erkennen werde /und wann sie mich ihrer Rache aufgeopfert / betrauren / daß sie den um das Leben gebracht / der nit mehr wünscht / als ihr die Zeit seines Lebens zu dienen. Florent konte sich hierüber deß Weinens nit enthalten / und als er deßwegen von Laureau besprochen / hat er geantwortet / er betraure daß so ein tapferer von Adel so täglich Todesgefahr unterworffen / und setzt hinzu / daß sich vielleicht diese Feindschafft in Freundschafft verwandlen / und aus diesen Dörnern Rosen wachsen möchten.
8. Zu dieser Zeit besuchte Laureau Octaviana / seines Vatters Bruders Tochter / und nachdem sie seinen Zustand beklagt / und wegen viel erhaltenen Obsiegen Glück gewünschet / eröffnet sie ihr Vorhaben / daß sie gesinnet / durch eine Gegenrache an Fortunata /ewigen Ruhm zu erwerben; dergestalt / daß sie besagte Jungfer befeden / mit einem paar Dolchen um Leib und Leben zu fechten. Hierüber hat Laureau hertzlich gelacht / und gesehen / daß es dieser Anjatzonin ein rechter Ernst. Dieses thörige Vorhaben hat er seiner Basen genugsam zu Gemüt geführet / und wie sie /ohne Noth / ohne Ehre / mit unaußbleiblichem Nachtheil ihr Leben in Gefahr setzen würde / umständig erwiesen. Ob sie nun wol solches Laureau erstlich heimlich vertraut / hat sie doch darüber also geeifert /daß sie ungescheut ihre Meinung behauptet; ob wol Florent und Natal darzu kommen / und dieses Vorhaben mit grosser Bestürtzung angehört.
9. Ich hab / sagte Octaviana / so viel Ehre von meinen Eltern / so viel Gelt von dem freygebigen Glück und nit weniger [190] niger Schönheit (wann ich meinem Spiegel glaube) als diese Mörderbraut: Ich könte meinen Freyern dergleichen Gesetze schreiben / daß sie auch bey mir keine Hulde zu erwarten / bevor sie ihren künfftigen Ehegatten hingerichtet: Aber nein /ich wil die Stiffterin so vieler Todschläge / in die Hauptursachen solcher Gefahr mit eignen Händen aus dem Weg raumen.
10. Florent konte sich bey so stoltzen Worten schwerlich der Antwort entbrechen / und weil Natal solches vermerckte / fienge er an auf dem Instrument zu spielen / und Florent darein zu singen. Octaviana hörte die süsse Stimme / aus einem so holden Munde / und betrachtete Florent als einen irrdischen Engel /deme jederman volle Leibsneigung zuwenden musste / und empfande in ihrem Hertzen eine brünstige Bewegung / welche so bald etliche Flammen in ihren lachenden Augen / und seufftzenden Mund sehen liessen. Florent wuste wie dergleichen Personen um das Hertze / und reitzete diese verliebte Feindin mit freundlichen Gegenblicken; daß billich zu verwundern / die seltne Begebenheit dreyer Personen / welche liebten was sie hassten / als Octaviana Laureau und Florent / und solches alles ist aus der Fortunata Verkleidung entstanden.
11. Noch viel grössere Verwirrung hat eine neue Fügniß verursacht. Montor / einer von den benachbarten Edelleuten / hatte von Fructulo / der Fortunata Gerhaber verstanden / daß seine abwesende Pflegtochter niemand freyen würde / als den Obsieger Laureau; entschleusst sich deßwegen sein Glück auch zu versuchen / und seinen Ruhm / durch die Niderlage so berühmten Rittermanns groß zu machen. Dieser Hoffnung befedet er Laureau schrifftlich auf bestimmte Zeit / 3. Meil von seinem Schloß zu erscheinen / und Kugel mit ihm zu wechseln. Laureau wolte sich von Octaviana bitten / noch von Florent flehen zurucke halten lassen / endlich aber wurde er von ihnen dahin beredet / daß Natal vorauß reiten / und sich umsehen solte / ob nicht vielleicht Verrätherey obhanden / und er übermannt mehr als eines Feinds zu erwarten.
12. Als Laureau solches verwilliget / hat Florent einen [191] Brief an Montor geschrieben / und ihm befohlen / daß er mit Laureau bey Vermeidung ihrer höchsten Ungunst nicht zu Streichen kommen solt. Montor bedencket sich hierüber / und stehet zwischen der Liebe und der Ehre zweiflend / welche er verlassen solte: Die Befehdung zurucke zu nehmen / bedünckte ihm seinen Ehren gar zu nachtheilig: Fortunata Liebe zu verlassen / welcher wegen er diese Gefahr angetretten / so schwer als unmöglich. In diesem Zweiffel wehlet er einen Mittelweg / und stellet sich / als ob er Fortunata Hand für nachgemahlet / und den Brief für falsch hielte; deßwegen er nit Ursach ihrem Befehl zu gehorsamen. Natal wolte in so beschaffenen Sachen wol dienen / und beglaubet den mündlichen Befehl / mit Offenbahrung ihrer Person / daß Montor überzeugt /und sich mit dem falschen Brief nit mehr entschuldigen können. Wie dem allen / so beharrt er seine Befedung / und wil seines Gegentheils erwarten; forschet aber inzwischen von Fortunata und wird mit vielen er dichten Fabel bezahlt.
13. Natal kehrt zurücke / unn bringt die traurige Bottschafft / daß Montor an benamten Ort seines Gegners allein warte / darüber dann Florent nit wenig betrübt / und einen Zuseher deß Streits geben wil. In dem nun beede unverzagt auf einander treffen /scheust Laureau Montor durch den rechten Arm / daß er keiner Waffen mehr gebrauchen kan / und mit dem Pferd zu Boden sincket. Laureau heischet / er solle das Leben bitten / Montor aber wil lieber sterben /und erhält durch solche kühne Antwort / das / was er von seinem Gegentheil nicht begehren wollen. Florent und Natal / welche wie gesagt / von ferne Zuseher gewesen / eilte zurücke der Octaviana den Sieg ihres Vettern anzukündigen / und wurde Florent mit mehr als höflicher Freundlichkeit empfangen.
14. Laureau begleitet Montor in das nächstgelegene Städtlein / unnd macht zu seiner Heilung möglichste Anstellung / unnd verbinden sich diese beede mit unauflöslicher Freundschafft. Auf befragen aber / warum doch Fortunata nicht ablasse ihn zu verfolgen / hat Montor ihren Brief / welchen sie durch ihre Dienerin in Mannskleidern [192] ihme einhändigen lassen / vorgezeigt / und beglaubt dz solcher Befedung von Fructulo / und nicht seiner Liebsten angesponnen worden.
15. So bald Laureau solches zu Hause erzehlet /und sonderlich von der Dienerin in Weibskleidern gedachte / trachtete Florent sich aus dem Staube zu machen / mit Vorwand / daß seiner Vettern einer gestorben / dessen reiche Verlassenschafft ihme zu gefallen / und mit diesem Schein entkame er der Octavia / und Laureau: So bald er aber nach Avignon gekommen /und die Weibskleider wider angenommen / hat Fortuna Natal wider zurucke gesendet / und sich schrifftlich mit sondrer Höfflichkeit zu erkennen gegeben / darauff dann Laureau eiligst den Weg nach Avignon genommen / und das Ende deß traurigen Freuden-Spiels / ich will sagen / Eheliche Verlöbniß mit beeder theile hertzlichem Behagen geschlossen. Ob diese Geschichte also verloffen / lassen wir H. du Belley verantworten / lernen aber daraus / wie die Verliebten aus dem Liecht ihres Verstandes vorsetzliche Finsterniß / und aus der Finsterniß ihrer Begierden Liecht zu machen /sich entblöden.
54. Der unchristliche Gerhaber
(LIV.)
Der unchristliche Gerhaber.
Daß man die Gerhaber von gern haben / die ihrer Pflegkinder bestes suchen / benamet / hat Fructolus /dessen wir in vorhergehender Geschichte gedacht /mit seinem Exempel erwiesen. Wie es ferner mit Laureau / Fortunata / Octavia und Montor ergangen /wollen wir in folgender Erzehlung / under veränderten und besser schicklichen Titel ausfindig machen.
2. Nach den Montor wider zu völliger Gesundheit gelangt / hat er erfreulich verstanden / daß sich Laureau mit Fortunata vermählet / die gleichsam mit einem Blutbach geschiedene adeliche Häuser vereiniget / und deßwegen nicht unterlassen beede neue Eheleute zu besuchen / ihnen alles gesegnetes Wol ergehen anzuwünschen / und Laureau als ein Erretter seines Lebens zu ehren. Er bespricht sich mit Octaviana deß Laureau [193] Basen / und schleust aus dem Band der Höfligkeit gleichfals eine ehliche Verlöbniß / mit einer ehrlichen und beeder theils Stand gemästen Außsteure.
3. Montor war mit Fructulo wol bekannt / und mit vertrauter Freundschafft zu gethan / deßwegen er sich auch bemühet / diesem eigennutzigen Gerhaber den Kopf zu recht zu setzen / und in seiner Pfleglinge Verheuratung einwilligen zu machen: aber vergebens / und hat nicht viel gefehlet / daß diese beede nicht von Worten zu Streichen kommen. Gute Wort wolten so wenig statt finden / als das Honig in Geschwere und Eyterbeulen / welche dardurch erhitzet und gefährlicher werden. Alle andre Befreunde betrachteten diese Heurat als eine Schickung Gottes / und erfreuten sich über den getroffenen Frieden beeder Geschlechte / sagende: Daß Fortunata ihr Gelübd vollzogen /indem sie den gefreyt / der ihr Laureau Kopf gebracht. Fructulus aber hatte ihr Vermögen in Handen / und war / wie gesagt / ein solcher Gerhaber / welcher seiner Pflegtochter bestes gesucht / und gern gar gehabt hette.
4. In dem nun Fructulus den tapfern Laureau nicht mehr vor die Klingen fordern lassen darf / weil er bereit einmahl mit ihme und seinem Vatter gefochten /bestellet er / durch grosses Versprechen und kostbare Belohnung / einen Koch / der sich in Laureau Dienste begeben / und ihm mit Gifft meuchelmörderischer Weise hinrichten sollen. Dieses erkundschaftet Montor / und warnet Laureau; bringt auch die Sache mit scharffer Bedrauung dahin / daß der Koch solches vorwesende Bubenstück bestehet / und desselben Anstiffter bekennet. Laureau will sich an diesem Meuchelmörder nicht rächen / sondern schickt ihn Fructulo wider zu / welchem er / seinem Vorgeben nach /entloffen / mit Bitt ihn mit gebührlicher Straffe anzusehen. Fructulus sagte / daß ihme dieses alles unwissend / und von dem Koche auf ihn erdichtet worden.
5. Als nun dieses Stücklein mißlungen / besinnet Fructulus ein anderes / und stellet sich gantz freundlich / mit Bitt / seine gewesene Pflegtochter wolte zu ihm kommen / ihn berichten / was sie für Ursach ihren Feind zu heuraten / und weil [194] die gantze Freundschafft in solche Verlöbniß gewilliget / wolle er solche auch für angenehm halten / Rechnung thun / und ihr Vermögen außhändigen. Ob nun wol Laureau nit gerne darzu verstanden; wolte er doch solche einige Vermittlung deß Friedens nicht ausschlagen.
6. Fructulus empfähet also seine Pfleglinge freundlich / lässet sie aber in seinem Hause in Verhafft nehmen / und in eine Kammern versperren / weil sie wider seinen Willen zu ehlicher Verlöbniß / und derselben Vollziehung geschritten. Als solches nach wenig Tagen Laureau in Erfahrung gebracht / und eben dazumahl an einem Fieber gelegen / hat er sich so sehr ergrimmet / daß das Fieber zugenommen / und er fast aberwitzig zu reden angefangen: massen deß Menschen Haupt wie ein Uhrwerck / dessen Räder (wann sonderlich das Hirn rein / und die Gewerbe zart und klein sind / leichtlich in stecken oder andre Unrichtigkeit kommen können.
7. Zu diese Unglück fügte sich / daß Fortunata sich schwanger befande / und von Fructulo so viel stränger / (als welcher den Baumen und die Frucht haste) gehalten wurde. Dieses Gerhabers unchristliches Verfahren konte Montor nicht verborgen seyn / der durch Beschenckung so viel bey der unschuldig gefangenen Hüterin zu wegen brachte / daß sie bey Nachts erlassen / unn Laureau zu geführet werden können; darüber er so sehr erfreut / dz seine Kranckheit sich also bald zu einer Besserung geschickt / unn ist also nach wenig Tagen widerū genesen.
8. Fructulus sendet Fortunatæ eine Rechnung über seine Verwaltung und getragene Vormundschaft / in welcher / wie leichtlich zu erachten / so gewissenhafft / als zuvor in andern Stucken verfahren: Doch war Laureau damit zu frieden / der Hoffnung / einmal von diesen losen Mann zu kommen / welchen er wol Gerichtlich fürnehmen / und zu mehrer Darlegung hette anstrengen können: Er liesse sich aber in diesem Stuck gütlich finden / und seinen Zorn mit der lieben Sonnen untergehen. Weil ihn auch Fructulus mit Fortunata zu Gaste gebetten / verhoffte er diesen seinen Feind mit Freundlichkeit zu gewinnen / und mit Wolthätigkeit zu verbinden.
[195] 9. Wie das Feuer niemals in Wasser / und das Wasser / ohne Wunderwerck / nicht in Feuer verwandelt wird; also werden sich die Flammen selten mit den Bösen in beständiger Freundschafft befinden. Fructulus hatte eine noch viel unchristlichere That /als bißhero zuverüben / Anstellung gemachet / nemlich diese. Unter das Zimmer / in welchem Laureau und Fortunata zu Tische sitzen solten hatte er etliche Tonnen Pulver verborgen / willens solche anzustecken / und sich nach verübter Rache mit der Flucht zu retten.
10. Dieses erkundschafftet Montor durch deß Verräthers Haußgenossen / zeiget es so bald Laureau an /und warnet ihn für bevorstehendem Schaden / welcher aber nit unterlassen / mit seinen andern Befreunden zu erscheinen / und sie vor der Mahlzeit dahin zu führen / wo das Pulver verborgen. Als nun solches schädliche Vorhaben entdecket / hat Laureau gebetten solches verschwiegen zu halten / und ihm zu verstehen gegeben / in was unwiderbringliche Gefahr er sich und jhn samt seinem gantzen Hause gesetzet / da er doch böses mit gutem zuerwiedern / und sein guter Freund seyn und bleiben wolle. Also kan ein Großmütiger mit Wolthaten rühmlichste Rache üben.
11. Hierbey ist es nicht verblieben / sondern Fortunata muste noch mit einem Fußfall den ungetreuen Gerhaber üm Verzeihung bitten / daß sie ohne sein wissen und einrahten sich in eheliche Verlöbniß eingelassen; mit Vorwendung der verblenden Jugend und blinden Liebe / etc. Mit was Bestürtzung und Verwirrung deß Gemüts Fructulus solches angehöret / ist leichter zu gedencken / als zu beschreiben. Wie das Bley dem Feuer eine Zeitlāg widerstehet / unn hernach plötzlich zerschmeltzet; also war auch dieses Fructoli hartes und schweres Hertz. Er muste seine Boßheit durch solche wolthätige Freūdlichkeit überwinden lassen / und sein erkanntes Unrecht bitterlich beweinen; und das Leben anders nicht erwünschen / als diesen jungen Eheleuten redliche und angenehme Dienste zu leisten / nach seinem Vorgeben.
12. Dieser Fructulus hat auch mit seinem Exempel gelehrt / daß die betrügliche Bubenstücke nicht lang dauren / [196] sondern derselben Stiffter zu Schanden machen. Alsbald darauff dieser unchristliche Gerhaber ohne Notherben gehlinges Todes verstorben / hat Fortunata Laureau sein Gut auch ererbet / welches er mit den ihren zu vermehren / verhofft / in dem er ihren Tod verursachen wollen / und noch auf viel lange Jahre seine Hoffnung vergeblich angeordnet hatte.
55. Die falsche Anklage
(LV.)
Die falsche Anklage.
Wann anklagen und beschuldigen die Leute verdampte / so würde niemand unschuldig seyn; deßwegen mahlet man der Gerechtigkeit zu zwo Waagschalen /daß sie deß Klägers und Beklagten Ursachen abwägen / und alsdann durch das Zünglein seinen richtigen und richtlichen Ausspruch machen soll. In seiner eignen Sache kan niemand ein guter Richter seyn / weil er allezeit seinen Wahn belegt / welcher die Waagschalen auf dessen Seiten neiget / der sie in Handen hat. In nachgesetzter Geschichte wollen wir hören /von einem Ehemann / der seinem Ehebrecherischen Weib keinen Glauben zu gestellet / sondern seinen Wahn und die erste Bewegung zu rucke gehalten / biß er den gantzen Handel erkundiget / und sich deß Beklagten Unschuld geoffenbaret.
2. Ein junger Student / nach dem er zuvor in der Gottesfurcht in freyen Künsten genugsam unterrichtet worden / wurde auf eine hohe Schul in Franckreich geschicket / die Gesetze und die Wissenschafft der Rechte zu erlernen. Seine Eltern wolten ihn in dem Weltlichen Stande wissen / ob er wol zu den Geistlichen mehr Neigung trüge / und neben der Schönheit seines Angesichts einen wolgestalten Verstand und Tugendreiches Gemüt sehen und spüren liesse.
3. Dieser nun war benebens andern seinen Landsleuten bey einem ehrlichen Burger / Namens Balbin zur Herberg / der eine Frau hatte / welche täglichs zu xantippisieren / ich will sagen zu zancken und zu kiefen pflegte. Dieses Wetter übte Balbins Gedult / und verrauschte oder heiderte sich / so bald diese Friedens Daube / der neue Student / gleichsam den Oelzweig[197] der Einigkeit in das Haus brachte. Friedfertigen Weibern wie deß Teufels Großmutter / wird niemand hold seyn den freundlichen aber kan man verzeihen / wann sie auch nicht schön sind.
4. Agatopus / vor besagter Student / sahe wol / daß Lucilia seine Wirtin ihme mehr auffwartete als den andern / mit Speiß und Tranck besser versorgte / und mit sondrer Bescheidenheit zu zusprechen pflegte; wuste aber nicht wohin es gemeint / als ein Neuling und unerfahrener in Liebeshändlen. Er beantwortete ihre Wort mit wolständiger Höfflichkeit / und gabe sie ihm zu verstehen / daß ihr mit Worten nit bedienet / sondern eine solche Lehrmeisterin seye / welche ihn auch in Wercken unterrichten wolle.
5. Dieser keusche Joseph wolte Sie ihrer Gebühr erinnern / und so brünstige Begier mit dem Neinwort ausleschen sahe aber daß sich ihre Freundschafft in Feindschafft verwandelt / und muste hören / daß sie ihn für einen kindischen Lappen / der aller Frauenliebe unwürdig zu schelten / aber doch nach unnd nach wider zukommen / und ihn zur Unzucht zu reitzen pflegte. Agatopus bedrauet sie mit ihres Manns Zorn /der solches Ansinnen nicht ungestrafft würde lassen hingehen / etc.
6. Hierüber ist Lucilia wider rasend / und hat der Sophira / deß Potiphars lüstrenden Gemahlin in gleicher Liste eine Gesellin spielen wollen / sagende zu Balbin / daß dieser Student sie zu seinem sündlichen Willen verleiten gesuchet / welchem sie als ein Ehrenweib kein Gehör gegeben.
7. Der Mann hatte beeder Geberden täglich vor Augen / und fande / daß er vielmehr das Widerspiel zu glauben Ursach / weil ihm seines Weibs Unrat nicht unwissend seyn können / So schwer ja unmöglich scheinet in der Glut oder Feuer nit verbrennen; so schwer ist auch der Jugend / in der Freyen Gelegenheit zu sündigen / fromm verbleiben. Zu deme verstande Balbin die Sprache der Augen / und fande sein Weib vielmehr mit dem Studenten / als den Studenten mit ihr reden.
8. Uber das hat Lucilia bey ihrem Manne inständig angehalten / [198] er solte doch Agatopum aus dem Hause schaffen / weil sie sahe / daß sie von ihme nichts zu hoffen / und ihre böse Gedancken durch seine Abwesenheit zu heilen oder zuverlieren vermeinte. Agatopus hingegen beklagte sich bey Balbin / daß ihm diese Hummel so Tags so Nachts für den Ohren brummte.
9. Balbin bittet ihn: er soll seiner Frauen freundlicher seyn / ihr Zeit und Ort benennen / da er sich dann an seine Statt finden / und diese Ehebrecherin gebührlich abstraffen wolle. Agatopus folget diesem Raht /und gibt Lucilia so freundliche Wort / daß sie vermeint sie habe bereit gewonnen / und mit beständiger Liebe / oder vielmehr viehischer Lůste die Frommkeit überwunden.
10. Balbin fragt inzwischen / ob er den Studenten noch aus dem Hause weisen solte; ach nein / sagte sie / er ist mir nit mehr verdrüsslich / weil er von seiner Thorheit abgelassen / und nun weiß / daß ich keine solche Dirne / wie er anfangs vermeinet. Die lüstige Wölffin befürchtete / daß ihr der Raub entgehen möchte / und sprache ihm desto innständiger zu / biß er Zeit und Ort bestimmet.
12. Balbin aber fande sich in deß Studenten Bette /und hatte eine grosse Peitschen mit Sternlein / wie es die Barfüsser Mönchen in der Fasten gebrauchen / als nun die Lucilia sich einstellete / hat ihr Balbin den Lust mit besagter Geissel vertrieben / daß ihr das Blut über den gantzen Leib herab geflossen. Dieses were auch alles verschwiegen blieben / wann nicht Lucilia selbsten darüber klagend / und daß Geheimniß geoffenbaret hette.
12. Agatopus wurde von den Frommen höchlich gelobt / von bösen Buben aber für einen Narren gescholten / weil er sein Glück verabsaumet / und der Welt Lauff (welche auß den Lastern Tugenden machen) nit lernen wollen. So viel Lob nun seine Keuschheit so viel Schande hat dieses Weibes Unkeuschheit verschuldet. Der Mann aber hat hierinnen klüglich verfahren / daß [199] er noch sein Weib / noch sich (wiewol keines Ehre an der Weiber Schande hanget) in böses Geschrey bringen wollen / wie dann ein jeder auß Christlicher Liebe verpflichtet ist seines Nächsten Schmach zu wenden / und auch seine eigne Schand zu retten / und zu hindertreiben.
56. Der Betrogene betruger
(LVI.)
Der Betrogene betrůger.
Wer Gefahr liebt wird darinnen ümkommen / und wird Mitleiden haben mit dem Beschwörer / den eine Schlangen gebissen hat. Man soll Gott nicht versuchen / und sich zum Fenster hinab stürtzen / wann man die Stiegen hinunter gehen kan. Wer einem andern ein Fallstrick legt / fängt sich selbsten darinnen /und wer die Gruben gräbt / fället darein. Wir haben in vorhergehender Geschichte gesehen / wie die falsche Anklage einer Ehebrecherin bestraffet worden: In nachgehender Erzehlūg wollen wir vernehmen die wahre Anklage eines frommen / aber wider iren Willen genothzůchtigten Weibes; zu beglauben daß die Boßheit zu Zeiten der Frommkeit obsiegen / und daß die Hand deß Sünders durch Göttliche Verhängniß über den Gerechten außgestrecket ist.
2. In einer namhafften Statt der Lombardia hat sich Cornelius ein vermöglicher Burger mit Evantia verheuratet / und lebte in gesegnetem Wolergehen / daß zu der Vollkommenheit ihres Glückes nichts ermanglete / als die Beharrlichkeit desselben. Die gar zu schönen Tage / bringen zu Abend ein Wetter / und die Stille deß Meers ist ein Vorbott deß ungestümmen Windes. Der sicher ist in seinem Wolstand / kan sich doch nicht versichert achten / und ist nach jenes Weisen Spruch: Niemand vor seinem seeligen Absterben für glückselig zu schätzen.
3. Der Evantia Schönheit und Freundlichkeit hatte Pyrogum einen Jüngling / dem der Reichtum zu einem Werckzeug der Wollust diente / mit brünstigen Begierden angefüllet; [200] Daß er sich erkühnet / das unüberwindliche Hertz der keuschen Evantia durch allerley Mittel zu bezwingen / und zu seinem bösen Willen zuerobern. Die ist keusch zu schätzen / welche einem holdseligen Freyer in der Versuchung widerstrebet: Denn wie der nicht fastet und die Tugend der Nüchternkeit zu rühmen / der aus Mangel Hunger leidet: Also ist auch die nicht für keusch zu halten / welcher die Gelegenheit und nicht der Wille böses zu thun ermangelt.
4. Evantia war nicht versperrt / wie sonsten an theils Orten in Welschland die Weibspersonen in Gefängschafft enthalten werden / sondern der Versucher trate offt zu ihr / mit grossem Versprechen / Beschenckungen und vielen Honigsüssen Worten: Welche doch alle vergeblich in den Wind verrauschten /und bate dieser Jüngling / Evantia solte nur eine kleine Thorheit mit ihm begehen: sie aber ermahnte ihn ernstlich und bedräulich / er solte doch von so frevlem Beginnen abstehen / und sie in Ruhe lassen.
5. Dieses muste der Mann in acht nehmen / weil Pyrogus ihme in die Karten sehen liesse / und sein Spiel nicht bergen kunte. In sein Eheweib hatte er nicht Ursach einiges Mißtrauen zu setzen / weil er ihrer Tugend versichert / jedoch wolte ihm obliegen /auf dieses Buhlers Verfahren ein wachendes Aug zu haben / und desselben Feuer in der ersten Glut auszuleschen. Zu deme war ihme wissend / daß nicht nur das Böse / sondern auch der Argwohn deß Bösen in die Veranlassung böser Nachreden / zu verhüten.
6. Er bespricht seine Frau hierüber / und verstehet die gantze Warheit / daß er Ursach ihr glauben zu geben / und die Empfindlichkeit der Eifersucht fallen zu lassen. Gegen diesen Frevler aber ergrimmte er sehr / und weil er wuste / daß er ihn / wegen der Wort nicht thätlich straffen mochte / bedenckt er sich diesem jungen Nistling das Gelbe von dem Schnabel zu wischen / und sich ernstlich an ihm zu rächen.
7. Er gebietet seinem Weibe / sie solte sich Pyrogo freundlicher weisen / und ihme Zeit und Ort bestimmen / daß er also in handhaffter That ergriffen / zu gebührlicher Straffe [201] gezogen werden könne. Evatia bittet sie solches zu entheben / weil es doch zu ihrem Nachtheil und einer Mordthat möchte außschlagen: Achat aber gibt ihr zur Antwort / daß sie ihm hierinnen gehorsamen solte / wann sie sich alles bösen Argwahns entschütten wolte.
8. Das Weib / so sich in ihrem Gewissen unschuldig befande / fürchtete ihren Mann / den sie hertzlich liebte / zu erzürnen; vergewissert ihn ihrer Treue /und gelobte / daß sie lieber sterben / als zu Ungebühr sich wolte verleiten lassen. Were aber besser gewesen / daß sie ihrem Manne hierinnen nicht Folg geleistet /und dieses Jünglings müssig gegangen were. Was geschiehet? Evatia giebt ihrem Buler buler Wort / und verspricht ihm schrifftlich zu bestimmter Zeit seines Willens zu werden / er solte sich nur bey der hindern Thüre einfinden.
9. Dieser Weltling war in Liebs Händlen kein Neuling / und konte ihm wol einbilden / daß so schnelle Veränderung von Hinderlist und Betrug kommen möchte. Weil er nun langer Zeit eine Dienerin in den Hause zu einer Kundschafterin bestellet / erkundigt er von ihr / daß er von ihrer Frauen verrathen / und auf die Schlachtbanck würde geopfert werden. Diese Nachrichtung belohnte er mit reicher Beschenckung /und gedencket doch diese Abenteur mit starcker Hand zu erfahren.
10. Er nimmt also zu sich sechs braven oder Waghälse / so sich andre zu ermorden bestellen lassen. Zween blieben bey der Thüre den Außgang zu versichern / die viere verwahren die Kammer / und Pyrogus gehet allein hinein / welches dem Mann auf dem Boden durch ein Glocken also balden bedeutet. Cornelius sahe die vier Schutzmänner für der Kammer stehen / und hatte das Hertz nicht / daß er sich mit seinem Pistol sehen liesse / und machte ihm leichtlich die Rechnung wie es zugehen würde.
11. Pyrogus fande Evantiam in dem Bette / sprach ihr erstlich freundlich zu / und weil sie bekennte / daß sie aus Anstifftung [202] ihres Mannes wider ihren willen zu solcher That verstanden / sich aber mit allen Kräfften widersetze / lässet der unverschämte Bub zween von seinen Trabanten hinein kommen / so das Weib so lang mit Gewalt halten musten / biß er seinen Mutwillen mit ihr getrieben / und die unschuldige Evantiam fast halb tod liegen lassen. Nach diesem hat Pyrogus mit seiner Gesellschaft wider zu rucke sich begeben / und ihr zuvor diese Schimpfwort zu gesprochen: Er habe sie nun ihr Wort halten machen / und sey ihrem Brieff gemäß / was ihr Mann befohlen und haben wollen.
12. Die gantze Sache were verschwiegen geblieben / wann der neugemachte Hanrey lieber Cornelius Publius, als Cornelius Tacitus seyn wollen. Dem Weib ist er gram worden / hat sie beschuldigt / daß sie zu solcher That geholffen / unnd diese Anstellung machen helffen / da sie doch wider Gewalt nicht gekönt /und dem Mann gehorsamen müssen. Pyrogus aber hat es ihm in die Faust gelacht / und Cornelium noch bedrauet / er wolle ihm den Kopf samt den Hörnern zerspalten wann er viel Geschrey davon machen würde. Hat also dieser Mann sich betrogen / in dem er den andern betrügen wollen / das Unglück seinem Unverstand zu schreiben / die Rache aber GOtt befehlen müssen / weil er viel zu schwach einem so mächtigen Feinde Widerstand zu thun.
57. Die gerette Schuld
(LVII.)
Die gerette Schuld.
Fast gleichen Titel könten wir auch nachfolgender Geschichte beyschreiben / ob wol der Erfolg gantz andre Umstände; Wir auch zu beliebter Unterscheidung / jedesmals auf neue Uberschrifften bedacht seyn müssen. Wie Joseph über seiner Unschuld zweyjährige Gefängniß erdulten / unnd Susanna sich für Gericht herum schleppen / Daniel sich in die Löwen-gruben werffen lassen müssen; so leiden auch noch viel heut zu Tage unschuldig und erwarten die Hülffe unn Rettung [203] aus der Höhe; ja solche Leute sind selig /wann sie Glauben und ein gutes Gewissen behalten /daß ihnen die Leute übel nachreden / und daran lügen.
2. Dieses hat erfahren Rupert eines reichen Kauffmanns zu Freyburg in Brißgau Handels Diener. Sein Herr hatte ihm viel vertrauet / wie Potiphar dem Joseph / ja fast alles ausser seinem Weibe / und ist sein Vermögen durch dieses Dieners Fleiß gesegnet worden / wie deß Labans Herde / unter der Hand Jacobs /daß er an seiner Treue und Redlichkeit keines weges zu zweiffeln gehabt.
3. Wie aber das erste Unglück durch ein Weib herkommen / also scheinet daß der Eva Töchter ihrer Mutter noch nacharten / und die Mannspersonen in Angst und Noth verleiten / Walpurg besagten Kauffmanns Eheweib / sahe diesen Ruprecht mit lüstreten Augen an / und ob sie wol sich sehr einfältig stellte /unterliesse sie doch nichts / was zu ihren sůndlichen Willen dienen möchte; wie sie dann in Abwesenheit ihres Manns erwünschte Gelegenheit hatte.
4. Rupert sagte mit Joseph: Wie solte ich so groses übel thun an meinem Herrn / der mir alles vertraut /ausser seinem Weibe. Als sie nun nicht ablassen und von der verbottnen Frucht geniessen will / begehrt er Urlaub von seinem Herrn / kan es aber nicht erhalten /weil er ihm in seiner Handlung sehr nothwendig war /und er eine böse Ehe zu verhütten die Ursach bey sich verschwiegen hielte.
5. Nach dem nun Walpurg nichts nicht außrichten kan / wandelte sie ihre Liebe in vergallten Haß / und gedenckt sich an diesem Verächter zu rächen. Weiber-Sinn kan noch Maß noch Ziel halten / und stürtzen sich von der Höhe in die unterste Tieffe; welches sonders Zweiffel ihrer hitzigen Leibs Beschaffenheit zu zuschreiben. Also wurde Walpurgin gröste Liebe in grösten Haß gegen Rupert plötzlich verkehret. Was thut aber diese Boßhafftige.
6. Sie entwendet ihrem Ehevogt etliche schätzbare[204] Kleinodien / und verbirgt solche unter Ruperts Gerätlein. Ludwig / der Kauffmann missete leichtlich das entwendete / und hielte in dem gantzen Haus nachfrage: Niemand war weniger in Verdacht / als Rupert /dessen Treue / so viel lange Dienst-Jahre beglaubet hatten. Zu dem war auf besagte Kleinodien / als ein Underpfand 2000. Kronen geliehen / die eben zu selber Zeit widerum erleget worden; weil sie noch viel mehrers werth waren.
7. Walpurg räht ihrem Mann / er soll Rupert zu viel nit trauen / seine und der andern Diener Geretlein durchsuchen / weil diese Edelgesteine durch einen Haußdieb müsten entwendet worden seyn / etc. Ludwig läst sich bereden / und findet endlich das verlohrne: Darüber sich dann Rupert / welcher sich unschuldig wuste / sehr entsetzte / und weil solche Erstaunung für eine Bekantniß deß Verbrechens geachtet /alsobald in Verhafft genommen wurde.
8. Rupert war ein feiger und verzagter Mensch / der zwar den Diebstal ablaugnete / als er aber mit der Volter unnd peinlichen Marter bedrauet wurde / bekennte daß er die Kleinodien entwendet / wurde auch deßwegen / als ein Dieb / zum Strang verurtheilet. In dem er nun zu dem Hochgericht sollen geführet werden / hat ihm GOTT in seiner Todes-Angst so viel Verstand gegeben / daß er begehrt von seinem Herrn und Frauen Abschied zu nehmen / welches ihm / weil er bey dem Hause vorbey geführet werden müssen /verwilliget worden.
9. Ludwig und Walpurg fanden sich an den Fenstern / als ihr gewesener Diener auf seine Knie fühle /und sie um Verzeihung bate / daß er / wiewol unwissend / wider sie gesündiget / und wolte er in seiner Unschuld willig sterben / weil er wisse daß er ein Mensch / und dieser Schuld der Natur zu zahlen verbunden / wegen deß beschuldigten Diebstals aber /habe er ein reines Gewissen / wie er auch für GOtt /und seinem Beichtvatter bekennet.
10. Als er nun erzehlter massen Abschied genommen / wird [205] er fort geführet / und hinterlässt der Walpurg solche Gewissens Marter / daß sie als eine unsinnige / aus dem Hause entlaufft / den Scharffrichter inhalten heist / und sich für die Diebin und Ursacherin dieses Unschuldigen Gefängschafft dargiebet; mit Bitte / man wolle sie an seine Stelle in Verhafft nehmen / vnd jhn loß lassen: Erzehlte benebens ungescheut den gantzen Verlauff / und wie sie ihre Liebe in blinden Haß gegen diesen Rupert verwandelt / etc.
11. Der Bannrichter befiehlt sie beede zu rücke in das Gefängniß zu führen / und nach dem die gantze Sache genugsam erkundiget / ist Rupert loß gelassen /Walpurg aber in einem Kloster ihr Leben zu enden /verurtheilet worden. Wie Ludwig ob diesem Handel grosses Mißfallen getragen / ist leichtlich zuermessen.
12. Nach dem nun Ludwig eine Zeitlang seine Frau in dem Kloster büssen lassen / hat er jhr verziehen /weil er sonderlich das beraubte alles wieder bekommen / vnd sie nur mit dem Willen Ehebrüchig worden / welches auch heiligen Männern wiederfahren. Deßwegen hat er sie wieder angenommen / unn wie sie deß Dieners Ruperts Unschuld / aus sonderm Eingeben Gottes / gerettet; als hat er auch sie für unschüldig gehalten / vnd den Diener mit einer ansehnlichen Verehrung von sich gelassen / andern zur Lehre / daß man sich in so wichtigen / Ehr- und Namen betreffenden Händeln nicht übereilen / und dem gefassten Wahn nicht zu viel nachhangen soll.
58. Pasquinata
(LVIII.)
Pasquinata.
Pasquin / soll der Namen eines Schneiders zu Rom gewesen seyn / welcher jm die Freyheit genommen von jedermann schertzweiß die Warheit zu sagen. Andre wollen daß Pasquinus eines Fechters Namen /dessen Bild zu Rom gantz [206] zerstümmelt aus der Erden gegraben / aufgerichtet worden / wie dann die Bekleidung / und ein Stück / welches seinem Gegner sonder Zweiffel gebildet / so wol als die Stellung deß Leibs genugsam bedeutet. Diese Meinung wird aus uralten Pergemenen Schrifften beglaubt. Weil nun dieses Bild / welches Franciscus Ursinus hat aufrichten lassen /mitten in der Statt / und auff einem gängbaren Platz /hat man allerhand Schmähschrifften daran zu hefften pflegen / weil solche zu vieler Kennschafften gelangen sollen. Deme sey nun wie ihm wolle / so ist doch zu verwundern / daß niemand sich gefunden / der die Gelegenheit zu so nachtheiligen Lästerungen abschaffen / vnd besagten Pasquin wider vergraben lassen.
2. Man lieset zwar daß ein Papst willens soll gewesen seyn / diesen ungestalten Stein in die Tyber zu versencken? Als es jhm aber mißrathen worden / mit der Beysorge / er werde darüber erzörnet / vnd unter dem Wasser noch schärffer verfahren / hat er Pasquin an seinem Ort verbleiben lassen. Die Ursach würde auch beygesetzet / daß entweder Pasquin die Warheit sage / oder die Unwarheit: Die Warheit solle niemand mißfallen / sondern mit Danck angehöret / vnd nachrichtlich beobachtet werden: Die Unwarheit aber könne man leichtlich hindertreiben / und mit rühmlichen Thaten zu Schanden machen.
3. Es können aber solche Pasquillschrifften abgetheilet werden nach den Personen / welche sie betreffen / als da sind Herren und Obern / oder gemeine Leute / und nach ihren Erfindungen / welche entweder mit Worten oder in Gemählen / bestehen / deren Gestalt allein / oder mit beygesetzten Abschriften gebrauchet werden / wie hiervon umständig zu lesen in den Gesprächspielen / Da wir von Bildereyen /Gemählen Sinnbildern / Bilderschrifften und dergleichen gehandelt. Hier aber wollen wir etliche Exempel beybringen.
[207] I.
4. Ein Papst / von geringer Ankunfft / hat seine Schwester / die eine Wäscherin / zu einer Gräfin gemacht; Hierüber wurde unter deß Apostels Petri und Pauli von langer Zeit erschwartzte steinerne Bildnisse / folgendes Gespräch angeschrieben.
Paulus.
Petrus.
Es werden die Wäscherin Gräfine / und wollen nicht mehr üm den Lohn arbeiten.
Der Papst hat auf den Erfinder dieses Gesprächs etliche tausend Kronen außruffen lassen / es ist aber folgenden Tags ein andrer Zettel darbey gefunden worden / deß Innhalts: Bruder / es ist nicht zu erfahren / warnach du fragest: Dann ich weiß es allein /und sonst niemand.
II.
5. Einer liesse mahlen etliche Gesandte / und darob GOtt: Daß er ein Narren Kappen vom Himmel herab geworffen / mit der Oberschrifft aus dem andern Psalm: Aber der im Himmel wohnet / lachet ihr / und der HErr spottet ihr.
III.
Ein reicher Herr hielte zu Meiland viel Korn zu rucke / und verursachte dardurch grosse Theurung /desselben Bildniß hat man auf den Marckt gehefftet /und darzu geschrieben: Da nobis panem nostrum quotidianum. Gib uns unser tägliches Brod.
IV.
6. Jüngst verstorbenen Papsts Urban dem VIII. dieses Namens / sind sehr viel dergleichen gemachet worden. Einer mahlte einen Papagey / und schriebe darzu: ô Papa Gallo.
V.
Ein andrer fragte / ob der Papst ein Christ were? und antwortete: ja er ist der allerchristlichste / absehend / daß er dem allerchristlichsten König in Franckreich anhange.
[208] VI.
Als er nun lange Jahre / den Stulbesatzte / bate Paßquin / man solte nicht mehr sagen: Heiligster Vatter / sondern ewiger Vatter / weil er nicht erweisen wolle daß er sterblich seye / etc. Solche Beschimpffung zu vermeiden / hat besagter Papst eine Haupwacht auf obermelten Platz / und eine Schildwacht für den Pasquin verordnet. Es hat sich aber einer gefunden / der die Schrifft mit Pech beschmieret / und inwendig an seinen Mantel gehefftet. Dieser redete mit der Schildwacht / und lähnte sich an den Paßquin /daß der Zettel durch das Pech an dem Bild klebend verblieben und er seinen Fuß unvermerckter Sachen weiter setzen können.
VII.
Es betrafe solche Schrifft / einen Cardinal / welcher noch im Leben / und der Kirchen Feldherr seyn solte: Von diesem wurde gefragt: Wer ist der andächtigste in Rom? Antwort: Cardinal A. dann er ein Gelübd gethan / daß der Degen nicht auß seiner Scheiden kommen soll.
VIII.
7. Einem König in N. welcher sich von seiner Hofdiener einem regieren liesse / hat man einen Brief auf sein Teller gelegt mit solcher überschrifft: Dem Durchleuchtigsten / etc. König in N.N. etc. jetzige Zeit in Diensten deß Hertzogs von N.N.
IX.
8. Als Käyser Carl der V. für Metz unverrichter Sachen abziehen muste / hat einer zwischen die Seulen Herculis / über welchen er die Wort PLUS ULTRA zu führen pflegen / einen Krebs gehänget / zu verstehen gebend / daß sein Glück / welches zuvor weit über diese Welt hinauß gelangt / nun Krebsgängig worden und zu rücke kriege. Antonius de Burgundia in Vanitate Mundi.
X.
9. Als auff eine Zeit keine Zeitung und Nachricht wegen eines mächtigen Fürsten Kriegsheer eingelanget / hat man in desselben Haubtstatt an den Stöcken angeschlagen: Es ist S. [209] Durchl. Kriegs-Heer verlohren worden / wer es gefunden / der bringe es dem Wirt bey der Latern / dem soll ein gutes Trinckgelt werden.
X.
10. Als deß Käyserlichen Feldoberste Alrtinger etliche Stände genöthiget / daß sie den Leipziger Schluß fahren lassen müssen / hat man in einer namhafften Statt folgendes an der Tafel / wo man die Todten anzuschreiben pfleget / gelesen: In Gott verschieden der Unerbar / und nicht Veste Leipziger Schluß zu N. auf dem Rahthauß. Frühe geleutet.
XI.
11. Zu Rom waren die Vornembsten Flüsse in einem Fürstlichen Pallast auß Stein gehauen zu sehen / und unter andern auch der Spanische Fluß Eber oder Iber / der mit einem Blat die Schame allein bedecket hatte; sonsten aber / wie andere in Gestalt eines Alten Mannes / mit einem grossen Wasser gefässe gebildet war. Diesem setzte einer einen rothen Judenhut / wie selbe zu Rom die Christen von den Juden unterscheiden / auf das Haupt / zu bedeuten / daß er ein Beschnittener / wie die Portugesen zu seyn pflegen / und deßwegen die Scham verhüllet habe.
12. Wie nun alle Beschimpffung unn Schämung der Vätter deß Vatterlandts / den Fluch deß Gottlosen Chams verdienet / und von den Gesetzen ernstlich bestraffet wird / massen bey allen Juristen / die von peinlichen Halsgerichten geschrieben: und sonderlich Bocero / zu lesen: Als ist hingegen unsers Erachtens ein erfreulicher Schertz wol zulässig / allermassen den Poeten verlaubt die Laster ins gemein scharffsinnige zu berühren / auch zu Zeiten absonderliche zu schänden was zu schänden ist. Ein solches Exempel hat sich zu Neapoli eingetragen / als eine reiche Wittib die Herrn Jesuiten zu Erben in ihrem Testament oder letzten Willen eingesetzet / nachmals aber sich von ihren armen Befreunden bereden lassen / daß sie noch ein Testament gemacht / und selbe zu Haupt Erben ernennet. Als nun nach der Wittib tödlichen Hintritt /die Sache für die Erben / wider die Jesuiten / durch Richterlichen [210] Außspruch entschieden worden / hat man ihnen folgende Wort an ihre Kloster Thür geschrieben: Hier wohnen die Vätter deß alten Testaments / welche keinen Theil haben in dem neuen Testament.
59. Das Nestelknüpffen
(LIX.)
Das Nestelknüpffen.
Das Nestelknüpfen nennet man / wann unter wehrender Einsegnung zweyer Eheleute / ein Nebenbuler oder sonsten neidischer Mensch / deß Hochzeiters Nestel / welche er in den Hosen getragen / mit gewissen Worten zusammen knipfet / daß er seinen Vertrauten die Eheliche Gebühr nicht leisten kan / biß solcher Nestel wider aufgelöset wird. Dieses ist in Franckreich sehr gemein / und an etlichen Orten / wo man sich solcher Zauberey besorgt / der Gebrauch / daß man die Zeit der Trauung geheim hält / vnd die Hochzeitliche Begängniß etliche Tage hernach anstellet.
2. Hierbey fragt sich / ob solches natürlicher / oder übernatürlicher Weise beschehe? Daß es deß Menschen feinds Erfindung seye / ist nicht zu zweiffeln /weil er den Ehestand und die Fortpflantzung unsers Geschlechts / auff alle Weise zu verhindern / hingegen aber alle unreine Befleckung zu fördern trachtet. Wie hiervon zu lesen August. de doctrina Christianæ l. 2. c. 20. weil nun der Fürst der Finsterniß Urheber unnd Ursacher solcher Bezauberung / ist nicht zu verwundern / daß wir dieselben Ursachen / nicht ersehen können / ob gleich solche in der Natur gegründet /und nicht übernatürlich zu nennen.
3. Etliche finden in untersuchen der Ursachen / daß die Bildungskräfften das Eheliche Werck sehr verhindern / wie auch der Haß / Neid / die ungestalte eines Weibs / die Traurigkeit / etc. hingegen die gar zu grosse Liebe / Freude / und das brünstige Verlangen Ehre einzulegen / dardurch die Geister zerstreut / verhindert und zu rücke gehalten werden / daß die Bildungs Krafft zu viel oder zu wenig erregt / und der Lust zu dem Liebes Werck ohnmächtig darnieder lieget. Etliche Exempel seynd zu lesen bey Regnier und Montagal. [211] Sind also zwo Ursachen solches Unvermögens /deren die erste natürlich die ander übernatürlich. Die natürliche komme her auß Ermanglung deß Samens der Geisterlein welche solchen Lebhafft machen und beseelen / und drittens die Verhinderung solchen von sich zu lassen. Die erste Ursachen findet sich bey den Alten / bey Krancken / und kan durch Artzney zu wegen gebracht werden. Die ander Ursach entstehet vō starcken übūgen / Müdigkeit und vieler Arbeit. Die dritte kommet her von Verstopfung ungesundem Geblüte / grossen Bewegungen / in Flüssen welche auf die Geburtsglieder zu fallen pflegen. Die übernatürliche Ursachen sind Bezauberungen / so durch deß Teuffels Knecht außgewürcket werden; in dem nemlich die Bildūgs Kräfften zerrüttet / welches er bey Gottlosen Leuthen wol thun kan / oder ein Haß in Feindschafft zwischen den verlobten angerichtet wird. Dieses ist nun nicht schwer zu erkennen: In deme nemlich die ersten Ursach gegen alle andre gleich /die letzten aber nur gegen eine Person / und nur auff eine gewisse Zeit biß die Nestel wider aufgeknüpfet /befindlich und würckend. Deßwegen dann die Geistlichen Rechte verordnet / daß man solche Ehen nach dreyen Jahren wider scheiden / und anderweit zu verheuraten frey lassen solle.
4. Nach dem wir nun diese Sache betrachtet / wollen wir unser Geschichte / so sich zu Lion begeben /kürtzlich erzehlen / und dem Leser heimstellen / welche Ursachen dieses Orts für schücklich zu halten /und das Eheliche Werck so kräfftiglich verhindert.
5. Peron und Gilbert zween Frantzösische vom Adel / lebten in fast brüderlicher verdraulichen Freundschafft / daß auch niemals kein Widerwillen und Zwiest unter beeden entstanden; wiewol einer den andern zu Zeiten geschertzt. Es begiebt sich / daß Gilbert sich in eheliche Verlöbniß / mit einer sehr schönen Adelichen Jungfrauen einläst / und seinen Hochzeitlichen Ehrentag erfreulich bestimmet / welches Peron ihme nicht zu mißgönnen Ursach hatte / weil er zu Pariß mit einer andern solte versprochen werden.
6. Diesen nun seinen Freund die erste Nacht seines[212] Beylagers zu schertzen / nimmet er die Nestel auß seinen Hosen / und ziehet eine andre hingegen hinein /welche der ersten gleich / daß Gilbert sich nichts böses zu versehen Ursach. Peron befindet sich unter den Hochzeit Gästen / und knipfet unter währender Einsegnung die Nestel mit etlichen Worten / so darzu gebraucht werden. Legt hierauff die Nestel / von sich in einen verschlossnen Behalter / willens solche folgenden Tags wieder auffzulösen.
7. Es begiebt sich aber / daß Peron auff der Post nach Paris beruffen wird / und noch an des Gilberts Hochzeit Tage verraist. Gilbert aber spühret / daß er bey seiner Vertrauten / ohne Mannschafft / und die eheliche Schuldigkeit auff keine Weise abstatten kan /darüber betrübt er sich sehr / fragt ümb Rath / vnd ob er wol hörte / daß sein Gebrechen von Nestelknüpffen entstanden / möchte er doch nicht errahten / wer jhm solches gethan / weil er keine Feinde noch Nebenbuhler gehabt. Inzwischen aber nimet er am Leib ab /dorret auß / und erkrankt an der Schwindsucht / mit grossem Hertzenleid seiner Jungen Frauen.
8. Nach zweyen Jahren kommt Peron wider nach Lion / unn besuchet seinen alten vertrauten Freundt in besagtem Zustandt. Als er aber sein Unglück vernommen / und den verknüpften Nestel die gantze Zeit über vergessen gehabt; eilet er so bald die Nestel auffzulösen / und kommet Gilbert üm verzeihung zu bitten /daß er auß Unbedacht so grossen Schmertzen verursacht. Gilbert verstehet solche Bekäntniß mit ergrimmetem Gemüt / ergreifft das nechste auf dem Tische liegende Messer / und stösset es Peron in das Hertz /daß er so bald zu Boden gesuncken / und Tod hinweg getragen werden müssen.
9. Ob nun wol Gilbert in das Gefängniß geleget /wurde er doch / wegen der gerechten Ursach seines Zorns / nicht an dem Leben / sondern an Gelt gestrafft / und hat sich von der Stunde besser befunden / und hernach seinem Eheweib gebührlich beygewohnet /und Kinder mit ihr erzeuget.
10. Hierauß ist zu sehen / daß der böse Feind seine Hand [213] allezeit mit in dem Spiel / und gleich wie der Gerechte seines Glaubens lebt / also muß der Ungerechte seines Glaubens in dem er teufflischen Künsten vertrauet / sterben / wie hier Peron der es zwar nicht böß gemeint / aber bösen Lohn für den gantz unverantwortlichen Schertz empfangen. Alle andere Glieder kan man zu aller Zeit gebrauchen: Die Geburtsglieder aber nur in dem Männlichen Alter / und nur zu gewisser Zeit / gleich wie alle Früchte ihr Wachsthumb /Vollkommenheit / und Abnehmen / daß man auch in diesem Falle sagen möchte / verderbe es nicht / es ist der Segen darinnen.
11. Hierbey fällt mir bey die Frage / welche Renchinus de morbis Virginum setzet: Ob die Nonnen und Jungfrauen / für keusch zu halten / welche Schafmüllen Seeblummen / etc. zu Dämpffung fleischlicher Lüste gebrauchen? Diese Frag beantwortet er mit nein / weil kein Sieg und keine Tugend / wo kein Feind welcher wider die Seelen streitet zu überwinden. Man könte zwar sagen / daß man solche Gehilffen mit in den Streit nehme: Der Sieg aber ist viel herrlicher /wann er ohne solcher Behufe erhalten werden kan /wiewol solche Mittel fůr sich ohne Sünde gebrauchet werden können / wann nur das Hertz rein / welches Gott ohne Befleckung haben unnd besitzen will.
12. Auß besagten ist leichtlich zu schliessen / daß man den H. Ehestand mit dem lieben Gebett anfangen / bevor aber sein Gefäß rein behalten soll / damit wir nicht durch das gestraffet werden / wodurch man sich versündiget. Ein frommer und Gottsfürchtiger Mensch wird für solchen Hexereyen wol gesichert seyn / ein Ruchloser aber / der auf den Wegen Belials wandelt /wird diesen unreinen Geist / der nur über die Unreinen Macht hat wie Tobias erfahren / und zuvor sein Wesen in ihm hat / nicht entfliehen mögen / und sich endlichen mit spater Reue betrogen finden? ja diesen Lügner bey Gott / den er verlassen / vnd jhme / als seinen Feinde / angehängt / nicht mehr verklagen können.
60. Der zweiffelhaffte Hertzog
[214] (LX.)
Der zweiffelhaffte Hertzog.
Weil wir dieses Orts solche Geschichte auf den Schauplatz führen / welche in den Königlichen Geschichtschrifften nicht befindlich / als wollen wir nachfolgende Begebenheit / auß den Manifest pour Madame de Rohan, und darauff erfolgten Urtheil oder Arrest du Parlament de Paris 1646. nicht übergehen; ob sie wol Herren Standspersonen / und keine gemeine Leute / betrifft / dieses Orts aber nur als Privatpersonen zu betrachten kommen.
2. Der berühmte und tapfere Hertzog von Rohan war zu Hof übel angesehen / weil er sich in dern Hugenoten Kriegen / als ein Haupt und Feldherr gebrauchen lassen / dessen / er dann nicht allein / sondern auch alle seine Verwandte entgelten müsten / daß ihm und ihnen die Güter theils eingezogen / theils sonsten entzogen worden. Dieses war die Ursache / daß er sich nach Venedig mit seiner Gemahlin / eine geborne Hertzogin von Bethune erhaben / und seine einige Tochter Olympia / mit ihrer Seugammen / Milet genannt / in Franckreich gelassen.
3. Nach deme aber ihre Güter theils bekümmert mit Schulden / theils in Recht / theils von dem König für verfallen gehalten werden wollen / machte sich besagte Hertzogin von Rohan auf / und reiste / wiewol schwangers Leibs / in einer Sänfften in Franckreich nach Pariß / ihre Vermögen zu versilbern / und das Gelt nach Venedig zu übermachen / da ihr Herr sich in der Herrschafft Dienste eingelassen / und befohlen /daß wann seine Gemählin eines Sohns genesen würde / daß solcher verborgener Weise aufferzogen / und unterhalten werden solte / damit man ihn nicht in dem Päbstlichen Glauben unterichte / oder sonsten nach dem Leben stehen möchte.
4. Im Jahr 1630. den 18. Christmonats kommet ernante Hertzogin darnieder / und hatte niemand bey ihr / als eine [215] Hebamme / eine Kammermagd / die Frau in dem Hause / und ihren Apotecker. Das Kind wird sechs Tage hernach in geheim getaufft / und ein andrer für den Vatter angegeben / der es zu Folge seines tragenden Befehls genennet Tanckrede / nach den Helden bey dem Tasso / welches Thaten er nachahmen solte. Dieses Kind hat so wol etliche Jahre hernach der Hertzog und die Hertzogin versorgt / besucht / und zu ihres Hofmeisters Vatter in der Normandia in die Kost gethan / willens solchen mit der Zeit in Engelland zu dem Hertzogen von Sobize / ihren Schwager über zu bringen.
5. Ob nun wol der Hertzog von Rohan wieder in Frantzösische Dienste getretten / hat er doch die Feindschafft bey Hofe nicht außleschen können / sondern ist in Gefahr gewesen / daß / nach dem sich der Krieg in Graubinden zerschlagen / und er sich nach Gent / wegen seiner Gesundheit begeben / der König ihn seine Person in Verhafft zu nehmen an gemeldte Statt begehret / wie der Herr von Varrene deßwegen Befehl gehabt. Inzwischen wurde Tanckrede von etlichen Soldaten gefangen / und wie der deswegen Abgesandte Bott / Namens de la Metterie beglaubt / Tod geschlagen; eben zu der Zeit / als sein Herr Vatter für Brisach im Elsaß sich aufhielte / und hernach in einer Schlacht todt geschossen worden 1638.
6. Als nun die hinterlassene Wittib vermeint / ihr Sohn Tanckrede were Todt / hat sie ihrer eintzigen Tochter die Güter abgetretten / ihr bey viertzig tausend Kronen Kleinodien eingeraumet / und allein ihr Withums Güter für sich behalten. Kurtz hernach berichtete der Herr von Lansack und noch etliche andre /daß der Tanckrede noch im Leben / und zu Leiden were / dahin ihn deß Hertzogens Tochter Olympia führen lassen / und die Unkosten seiner Unterhalt verschafft. Mit was Freuden die Hertzogin in ihrem Mutter Hertzen solche Zeitung anhört / ist leichtlich zu ermessen.
7. Es hat sich aber begeben daß Olympia / die einig biß anhero vermeinte Tochter deß verstorbenen Hertzogs von Rohan sich in einen Herren Chabot genannt verliebt / und sich mit ihme wider ihrer Frau Mutter einwilligen / verehlichet; eben [216] zu der Zeit / als Tanckrede durch einen Kammerdiener der Hertzogin bey Sauvetat einem Kauffmann wider gefunden worden /und wie man außgegeben / durch seiner Schwester und Chabot / deß neuen Schwagers Edelmann de la Cosse, von dar nach Bolduck hat geführet werden sollen.
8. Es soll auch d' Hertzog von Rohan mit dem Groß Türcken durch den Patriarchen Cyrillum /wegen Cypern gehandelt haben / und die Sache so weit gebracht / daß im solches Königreich / welcher kostbarer / als nutzbarer ist / gegen zweymahl hundert tausent Kronnen / vnd Jährlich zwantzig tausent Kronen Tribut hat sollen eingeraumet werden / weil er ein solcher Herr / der dem Papst vnd desselben zugethanen niemals Beyhilffe leisten würde. Diese Handlung aber hat sich mit deß Patriarchen Tod geendet.
9. Ob nun wol besagtes alles sehr scheinlich und umständig beygebracht / so ist doch hingegen eingewendet worden daß Olympia die einige Tochter deß Hertzogen von Rohans und desselben einige Erbnehmin in unterschiedlichen Schreiben genennet worden. Zum andern seynd nicht genugsame Ursachen angeführet und erwiesen / welcher wegen der Hertzog von Rohan seinen Sohn verborgen hette auferziehen sollen / da er doch sonsten seine Großmütigkeit in allem Thun spühren lassen / und hertzlich gewünscht / daß er doch einen männlichen Erben hinterlassen möchte /massen außvielen Brieffen an grosse Herren / und Freunde außfindig gemachet worden. Drittens ist für unglaublich erachtet worden / eine schwangere Frau /in dem siebenden Monat von Venedig nach Pariß über 400. Meilweg zu senden; damit die Frucht nicht Welsch / sondern Frantzösisch genennet werden möchte. Viertens wolte die gantze Sache für eine unverständige Fabel gehalten werden / ob wol dem Jůngling ein Vormund bestellet wurde / weil von dem Königreich Cypern gedacht / den Sachen ein Ansehen zu machen / etc.
10. Daß ein Frantzos Namens Tanckrede zu Leyden / in besagtem Alter / und ein weisses Haar / welches sich auf der Stirne mehr auf die lincke / als rechte Seiten begebe / etc. zu [217] finden / wie die alte Hertzogin angegeben / glaubte man gerne: Daß aber solcher ihr Sohn / mit ihrem verstorbenen Herrn erzeugt / das wolle niemand für wahr halten, sondern es stunden die Herrn Richter in dem Wahn / daß der Hertzogin Zorn wider ihre Tochter / und derselben Hochzeiter sie in 4. Tagen geschwängert / daß sie einen Sohn vor 15. Jahren gebohren / dessen Hebamme die Unwarheit gewesen.
11. Der Nam Tanckrede fande sich in dem Taufbuch der Kirchen S. Paul zu Paris / in besagtem Jahre: Es war aber darauß wider die Hertzogin geschlossen / daß der Herr von Rohan niemals kein Kind von einem Päbstler würde haben tauffen lassen /wann gleich andre Eltern ihre Namen gegen grosser Beschenckung hergeliehen. Im Ende ist ein Urtheil ergangen / daß der angebene Tanckrede kein Sohn deß Hertzogs von Rohan / ihm bey Leib und Lebensstraffe verbotten worden / daß er sich noch deß Namens /noch deß Wappens / noch deß Erbs anmassen solle: Die Hertzogin in gleichen ihn nicht für ihren Sohn unnd Erben erkennen / sondern die Gerichts Unkosten wider zu erstatten schuldig und gehalten seyn solle.
12. Ob nun die Sache also beschaffen / und ob recht geurtheilet worden / wollen wir nit außfechten /sondern allein hierauß beobachten / daß der Betrug in dieser Welt nicht außzulernen / und daß eine so scheinbare Falschheit / welche unter den Greulen Gottes gerechnet wird / mit vieler gleich betrogener Zeugen Außsage beglaubet / die Kinder deß Liechts in ihrem Geschlecht leichtlich betrügen können. Solte aber diesem Tanckrede unrecht geschehen seyn / so sollen wir mercken / daß die Schrifft sagt: Grosse Leute fehlen auch.
61. Der danckbare Feinde
(LXI.)
Der danckbare Feinde.
Der Tugend Eygenschafft ist / daß sie allen Haß und Neid großmütig überwindet / und sich ehren und verwundern machet / von ihren Feinden. Daher jener recht gesagt / daß wann man die Schönheit der Tugend sehen könte / wie [218] das Angesicht einer Jungfrauen / daß sie alle Tapfere Leute zu Liebe bewegen würde. In nachgehendem Exempel wollen wir einen danckbarn Feind / vorstellen / welcher auch den /wegen seiner Tugend / geliebt / welcher sein Vatterland verderben und zu Grund richten helffen.
2. Cyrio ein Hauptmann aus Piemont / hat in den Savoischen Kriegen / wieder die Herrschafft zu Genua ein Stättlein in besagtem Gebiete überumpelt / und ob er wol die Plünderung gerne hette verhütten wollen /hat er doch das Thier mit den viel Köpfen nit mehr im Zaum halten können / und sie alle Feindseligkeit /sonderlich aber mit Brennen und Schändung der Weibsbilder / müssen verüben lassen / welches er bey Leibs und Lebens-straff verruffen lassen.
3. Als er nun auff dem Platz hält / und ihm alldar der besten Häuser eines versichert / sihet er eine ehrliche und den Kleidungen nach vornehme Weibspersonen daher schleppen und wie vermuthlich zu der Soldaten sündigen vollbringen / auff die Schlachtbäncke führen. Cyrio entblöset so bald den Degen / und jagt ihnen solches Opfer ab / daß sie Fersengelt geben /und Honoriam die erbare Matronam in seinem Gewalte hinterlassen.
4. Als er sie nun in sein Gehorsam gebracht / hatte es das Ansehen / als ob er mit ihr verrichten wolte /was er andern zu thun verwehret / aber sein Hertz war anderst gesinnet und hätte er sagen können wie Job zu seinen Freunden: Ihr richtet mich wie Gott / als ob euch so wol meine Gedancken bekant weren als dem Allmächtigen Hertzenkündiger: Und daß solches Urtheil falsch / hat er nachgehends im Wercke rühmlicherwiesen.
5. Cyrio befragte Honoriam / ob ihr Eheman noch in dem Leben / oder ob sie eine Wittib? Honoria berichtet / daß ihr Mann einer von den Vornembsten deß Orts und Epher genamet / unschwer zu erfragen seyn würde; Nach solchem Bericht lässet Cyrio ihren Ehemann suchen / und stellet im sein Weib / mit grossem anerbieten alles Schutzes und Schirmes zu. Ob nun solches einem Italianer wohl gefalle / ist denen zu erachten leicht / welchen ihr Eifer voller Sinn bekant.
[219] 6. Epher empfähet sein liebes Weib von so getreuer Hand mit tausend Dancksagen / und erbietet sich hingegen zu möglichster Erwiederung. Hieher gehört der Frantzosen Sprichwort (un homme vault un monde) Ein Mann ist einer gantzen Welt wehrt / und der Spanier / welche zu sagen pflegen / man soll auch geringe Sachen beobachten / dann wegen eines Nagels ein Pferdt ein Eisen verliere / wegen eines Eisens bleibe ein Pferd zurücke / wegen deß Pferds der Mann /wegen eines und andern Manns das gantz Schwader oder Esquadron / wegen etlichen Schwader die gantz Reuterey eines Heers, und dieses alles entstehe von einem Nagel. Also hat diese / dem Ansehen nach / geringe Sachen / deß Cyrio Soldaten alle erhalten / welche sonsten weren nidergehauet worden.
7. Die Spanischen Schiffe mit Kriegsvolck beladen / waren zu Genua gelandet / und nach dem sie zu der Herrschafft Heersmacht gestossen / auch auf diesen Ort einen Anschlag / und Verständniß mit etlichen Bürgern deß Orts / darunter auch Epher war / alles Savoisches Volck (wann man die Glocken leuten würde) nieder zu hauen / und das Stätlein zu befreyen; wie dann solches leicht in das Wercke zu richten /weil die Mauren ohne Graben / sehr schwach und nieder / daß solchen zu behaubten so schwer / als unmöglich fallen wollen.
8. Epher war unvergessender Wolthat / welche Cyrio ihme durch sein Eheweib / erwiesen / wolte deßwegen ein danckbarer Feind seyn / und solches Vorhaben besagten Piemonteser eröffnen. So bald es nun Cyrio verstanden / führt er seine Völcker also balden zu dem Hauptheer / und verlässet den übel versehenen Ort / welchen er mit guten Ursachen nicht behaubten können.
9. Hierůber wird nun Epher / als ein Verräther seines Vatterlands / auff Leib und Leben angeklagt. Als er aber ümständig erzehlet / daß ihm seinem wolthätigen Feind zu warnen auß schuldiger Danckbarkeit obgelegen: Daß sich diese Soldaten / ohne grosse Gegenwehr nicht würden hinauß jagen / oder Todschlagen lassen: Daß seine Mittbürger ohne [220] Schwertstreiche ausser aller Gefahr gesetzet worden; und benebens die empfangene Gutthat angemeldet / und gerühmet / ist er also bald der Gefängschafft erlassen / und frey und ledig gesprochen worden.
10. Fast dergleichen rühmliche That hat auch der Frantzösische Hauptmann Bayard gethan / als er etliche schöne Jungfrauen viel Wochen in seinem Zimmer verwahret / und sie hernach ihren Befreunden sondern Nachtheil ihrer Keuschheit / wider verabfolgen lassen: deßwegen auch die Geschichtschreiber diese That mit grossem Ruhm herauß streichen.
11. Die Keuschheit / und der Schutz der Keuschheit so selten er unter Soldaten befindlich / so löblich und glückselig ist er zu schätzen. Alle geile Hängste gehen mit bösem Gewissen an den Feind / weil sie wissen und ihrem Hertzen überzeuget sind daß Gott gerecht / und ein Feind aller Unzucht / auch solche offenbare Wercke deß Fleisches nicht ungestrafft lässet. Hingegen aber regieret Gott alle keusche und reine Hertzen / daß / wie das Unglück von dem Hauß deß Undanckbaren und Unkeuschen nicht weiche; ja /wann es für der Thür ist / wieder weg gehe; Also im Gegensatz das Glück bey den Keuschen und danckbarn Gemütern stetig einkehre.
12. Die Lehre kan / nechst besagtem / seyn / daß ein jeder Oberster in einem Platz / ihm zum wenigsten einen vertrauten Freund unter der Bürgerschafft machen soll / welcher jm dann auf vielfaltige Weise gute Dienste leisten kan. Einen solchen kan er heimlich aller Last entheben / und ihm also verbinden / daß /wann er ein tapferes Gemüth hat / seinen Schaden warnen / und seine Nutzen danckbarlichst befördern wird.
62. Der vergnügte Feinde
(LXII.)
Der vergnügte Feinde.
Es ist ein Haupt-Lehre / daß das Laster niemals einen guten die Tugend aber niemals einen bösen endlichen Außgang haben kan. Bey diesem Satz finden sich allerhand Abfälle / in dem nemlich eine böse That widerum mit einer löblichen erstattet wird / oder daß die Tugend noch in ihrer Probzeit / und [221] noch nicht zu ihrer Vollkommenheit gelanget / da dann der Sieg vor dem Streit nicht zu erwarten / wie sich dieses zu folgender Geschichte schicket / wird auß desselben Außgang zu ersehen seyn.
2. Ramirez ein Spanischer Obrister / nach dem er etliche Jahre Terracina / eine Statt in Sicilien regieret / wurde in die Festung Gayetta / so zu dem Königreich Neapoli gehörig / gesendet; nach dem alten Gebrauch der Könige in Hispanien / die niemals ihre Befehlde an einem Ort lang lassen / damit sie nicht einwurtzlen / und ohne Gewalt wider außgerissen werden können. Daher sihet man an einem zwey oder dreyjährigen Wechsel bey allen Königlichen Statthaltern /und wird dardurch der Ehrgeitz etlicher massen bezaumet / und solcher Herren Hoffnung / einige Dienste auff ihre Nachkommen zu bringen / klüglich unter brochen.
3. Ramirez ware in Beschäfftigung der Müssiggänger / ich will sagen / in den Liebßhändlen nicht unerfahren / und hatte ihme die schönste Jungfer in dem Lande außersehen / welche ihm der Person nach zwar brünstig gefiele / dem Stand nach aber / wegen seiner Hoheit mißfallen müste / weil diese Celerina / Soters eines schlechten / doch ehrlichen Bürgers Tochter; der Spanier aber von hoher Ankunfft / und in hohen Königlichen Diensten; massen in seinem Lande nichts geringes / und auß den Thälern deß Elends stoltzerhabne Berge werden / wie jener von ihnen redet.
4. Als nun Ramirez befehlt / sich nach Gayeta zu erheben / verhoffte er durch die Abwesenheit seine Wunden zu heilen / und der Celerina Schönheit auß dem Sinn zu schlagen: Aber vergebens / weil er seine Kranckheit in sich / welche die Veränderung deß Orts durch Entfernung der Artzney vielmehr ärger machte. Als er nun von seinen Begierden wie Acteon von seinen Hunden zerrissen wurde / begehrte er an Soter schrifftlich daß er ihme seine Tochter vermählen wolte; Gestalt kein ander Mittel ware dieser Jungfer theilhafftig zu werden.
5. Soter hielte solche Freundschafft für eine grosse Gnade / [222] und versprache dem Spanier seine Tochter mit vieler Höfligkeit Bezeugung hertzlicher Freude /die er / als ein Vatter ob solcher Verehlichung spühren liesse. Ramirez konte auß seiner Festung nicht weichen / und seine Hochzeiterin heim führen. Soter wolte dieses Glück nicht auß Handen lassen / und setzte seine Tochter mit einer von den Befreunden auf ein Rennschif selbe nach Gayetta über zu bringen /und war solche Anstellung der Hochzeiterin nicht unwissend.
4. Gleich und gleich / sagt das Sprichwort / gesellet sich gerne: Also daß Celerina lieber einen von ihren Landsleuten / nemlich Symphronium / als den Spanier zu haben verlangt / welcher auch dem schwartzen Gesellen dieses weisse Brod nit lassen wollen / dem Vatter aber mit Gewalt nicht abnötigen können. Dieser nun verstellet sich mit seinen Freunden / als ein Türckischer Seerauber / und fället das Schiff bey einem Felsen da sie verbey fahren müsten / übermeistert es /segelt darmit auff Calabria zu / und setzet die Beute bey Otranto an das Land.
7. Unter dem Raub wird Celerina in der Außtheilung Symphronio / und in dem die Gefangenen vermeinen / daß sie nun als Leibeigene in die Eisen geschlagen würden werden / stellen sich die verkapten Türcken als ob sie frisch Wasser holen wolten / und lassen die Christen / ausser Celerina / in ihrem Schiffe damit sie unverhindert wider nach Terraina zu rücke gefahren / und wie es ihnen ergangen / dem betrübten Vater erzehlet / welcher es mit vielen Thränen nach Gayeta berichtet / daß der Spanier darüber hette von Sinnen kommen mögen.
8. Celerina unnd Symphronio vollziehen inzwischen ihre eheliche Verlöbniß / unnd geniessen der lang verlangten Zufriedenheit getreuer Liebe. Dieser Süssigkeit vergleichet sich füglich mit den Rosen /welche bald verwelcken / aber lange Zeit hernach ihre Dörner hinter sich lassen. Sie hatten sich zu einer langen Raise übel mit Gelt versehen / unnd nach beschaffnen Sachen versehen können; daß der Hunger die Morgengabe unnd der Durst ihre [223] Außsteuer seyn muste. Was Raht; sie müssen dem ungeratnen Sohne folgen / und bey den Eltern üm Gnad und Erbarmung anflehen.
9. Soter hörte mit grossen Freuden an / daß seine Tochter in dem Leben / und nicht in der Türcken Handen; wolte also zu geschehenen das beste reden / und sie dem überlassen / welchem sie / ohne Nachtheil seiner Ehre / nit nehmen konte: Zu dem er hatten sie auch bereit einen Erben erzeugt / und den andern zu hoffen. Als nun dieser Vatter die Dürfftigkeit der seinen verstehet / hilfft er ihnen eussersten Vermögens an Gelt und Geltswehrt / daß sie samtlich nach Terracena kommen / und alldar von ihme ferners versorget werden konten.
10. Dieser Verlauff wurde auch durch das Landtkündige Gerücht dem Obersten Ramirez wissend / der solches für ein Schmach / so seiner Person am meinsten angethan worden / sonder Rache nicht wolte lassen hingehen; sendet deßwegen einen Diener in Sicilien / Symphronium als einen Rauber seiner Vertrauten zu beklagen / und weil die Sache Stattkündig /muste Symphronius / sein Leben zu retten / Flüchtig gehen / unnd das wurde an seinem Bildniß / durch den Hencker vollzogen / darüber Soter nicht wenig betrübt worden.
11. Der flüchtige Symphronius suchet seinen Schutz unter der Neapolitanischen Menge Volcks /welche vielleicht die gröste ist / unter allen Stätten Welschlands. In dem nun diser Verjagte in eines Fürsten Dienste sich / auß Armut unterhalten lassen; fügte sich dz Ramirez auch dahin kommet / wegen etlicher Beschäfftigung seines Königs / und allda von etlichen Neapolitanern / wegen einer Schanddirne angehalten / und ermordet worden were / wann ihm Symphronius nicht mit Leibs und Lebensgefahr beygestanden unn erettet hette.
12. Als er sich nun nachgehends zu erkennen gegeben / hat ihn der Spanier nicht allein verziehen / sondern auch ihme bey dem Königlichen Statthalter in Sicilien Landshuldigung zu wegen gebracht / daß er auß einem erzörneten Feinde ein vergnügter Freunde worden. Zur Nachfolg allen Beleidigten [224] seyn sollen ihren Widersachern bald / und ein jeder vergeben soll seinem Nechsten seine Fehle von gantzem Hertzen; wann er nemlich sein unrecht bereuet und um Gnade bittet.
63. Die denckwürdige Verzeihung
(LXIII.)
Die denckwürdige Verzeihung.
Gott sollen wir die Rache lassen / weil sie ihm als dem höchsten Richter gebührt / unnd ihn nichts gereuet / wie die Menschen / welche vielen Fehlern unterworffen / die Personen ansehen / und ihren Neigungen / darunter die Rache die allermächtigste ist / begierigst nachhängen. Die erste Bewegung / welche wir Menschen haben / wann wir beleidiget werden / ist so empfindlich / daß wir manchesmals gleichsam rasend darüber werden / und uns in noch grössere Gefahr setzen / wie wir dessen unterschiedliche Beyspiele auf diesen Schauplatz geführet. Wem aber Gott eine feine Seele gegeben / der kan das Unrecht mit Gedult vertragen / und seine Feinde mit Wolthätigkeit überwinden: Dieser Christlöblichen Tugend wollen wir etliche Exempel vorstellen.
2. Als vor Jahren über der Wahl eines Polnischen Königs zwischen den Fürsten in Siebenbürgen / und dem Ertzhertzogen in Oestreich / ein grosser Krieg entstanden / unnd der Hertzog von dem Polnischen Cantzler gefangen genommen worden / hat er für sein Lößgelt alle seine habende Rechte und Ansprüche zu der Kron fahren lassen müssen / und sich solcher Mündlich und Schrifftlich verzeihen. In diesem einheimischen Kriege hatte Seleucus für den Hertzog eine Statt an den Litauischen Gräntzen zu verfechten /und Denis ein andrer Polnischer Herr / so dem Sibenbůrger verbunden / ein festes Haus unfern davon gelegen / mit Soldaten und aller Nohtdurfft wohl versehen; darauß er dann unter seinem Sohn Porphit täglichs streiffen liesse / und Seleuco grossen Schaden thun.
3. Seleucus war ein listiger Kopf / und machte einen [225] Anschlag auf diesen tapfern Edelman / welcher auch so wol geglückt / daß viel von den Soldaten niedergehaut / Porphier aber gefangen worden. Diese Gefangene musten allen Schaden wider schwitzen / und seine Freyheit so theur erkauffen / daß er mit dem Gelde auf einmals nicht aufzukommen / sondern auff etliche Fristen gehandelt worden / welchen Denis Prophirs Vatter nach unn nach abzuführen versprochen /wie auch geschehen.
4. Als nun Porphir erlassen und auf dem Rückwege / wird er von Annuen und Eleucade / zween Soldaten /deren Vatter Porphir niedergemachet / auß einem Busch Verrätherischer weise erschossen / und haben sich diese solcher Vbelthat ungescheut gerühmet / daß es auch für Denis gekommen / welcher geglaubt / Seleucus habe solchen Meuchelmord angestifftet / deßwegen er dann an ihn zuschreiben Ursach genommen. Seleucus will seine Unschuld mit dem Werck beglauben: lässt alsobalden zween Mörder in Verhafft nehmen / und sendet sie Denis / solche peinlich / zu behuff der Warheit zubefragen / und nach Befindung der Sachen abzustraffen / damit er aber seinen Mißgefallen ob solcher That bezeuge / sendet er zugleich das erlegte Lößgeld wid' zurucke / und will solches bey so beschaffenen Sachen nit theilhaftig werden.
5. Denis verwundert die Tapferkeit und Tugend seines Feindes: will sich hierinnen nicht überwinden lassen / sondern sendet die Gefangenen / sampt dem Gelde Seleuco wider / bittet um Verzeihung wegen deß Verdachts / und stellet zu seinem Gefallen die Thäter abzustraffen / weil er als ein Vatter und Ankläger / das Richter-Ambt nicht auf sich nehmen wolle /etc. Seleucus verurtheilt diese Mörder zum Strang /und daß sie geviertheilt / und auf den Strassen / andern zum Abscheu / solten gesteckt werden. Diese beede Seleucus und Denis sind nach geendtem Kriege die vertrautsten Hertzens Freunde worden.
6. Folgende Verzeihung ist noch viel merckwürdiger. Zu Braga einer Statt in Portugal / haben sich auffgehalten zween Jünglinge / welche wir mit den Namen Meletio [226] und Agabo wollen kennen machen. Beede waren gantz unterschiedener Sinne / daß sie viel natürlicher Feindschafft / als etwan zwischen dem Schaaf und dem Wolff / dem Affen und Schildkrotten / dem Schwein und dem Elephanten / der Tugend und dem Laster. Wie wol man aller diesen Sachen natürliche Ursachen finden kan / wie wir zu Ende deß VIII. Theils unsrer Gesprächspiele gemeldet.
7. Meletio war freundlich / bescheiden / sanfftmütig / klug und in allen Sachen bedachtsam. Agabo hingegen stoltz / unverschämt / trotzig / närrisch in allen seinem Thun unverständig. Diese beede liebten zugleich Antoniam / eine sehr schöne und in allen Tugenden wolerzogene Jūgfrau / deren Mutter noch im Leben / und wie leichtlich zu erachten / mehr Neigung zu dem frommen Meletio / als zu dem ärgerlichen und boßhafftigen Agabo getragen. Es were eine elende Sache um eine Jungfrau / wann sie nur dem Nechsten besten zu theil werden solte / welcher sie als ein verlohrnes Gut gleichsam in dem Wege wolte aufheben.
8. Antonia flohe Agabo Gespräch und Gegenwart /wie die Hennen den Geyer / kunte ihm aber nicht allezeit entkommen / daß sie nicht Meletio begegnen müste / weil diese beede ire beharrliche Aufwarter waren. Hierüber eiferte nun Agabo / und erhube sich auff eine Zeit wider seinen Seitenbuler / der wol wuste / dz jm Antonia gewogen / und verlachte vielmehr dieses Großsprechers Bedräuung / als daß er sich / in einer wolregierten Statt / mörderlicher Thätlichkeit solte versehen haben.
9. Nichts ergrimmet einen Zornigen mehr / als keine oder eine kühlsinnige Antwort / deßwegen der weise Mann räth / man soll dem Narren antworten nach seiner Thorheit / welche bey den Stoltzen am sichbarsten ist. Dieses hatte nun Meletio nicht gethan / und deß Agabo stoltzen Worten mit solcher Demut begegnet / und die Schickung Gottes / welche in der Verehlichung erhelle / vorgeschutzt / daß Agabo erzörnet / etliche Mördersbuben zu sich genommen /und dem unschuldigen Meletio nach dem Leben gestanden.
10. Es war nicht schwer / solches böse Vorhaben Werckstellig [227] zu machen / weil Meletio allein und unbewehrt daher zu gehen pflegte / welchen er auch bey hellem Tag begegnet / und mit seinem Degen / an unterschiedlichen Orten durchstochen / daß er zu Boden gesuncken / seine Seele Gott befohlen und für seine Beleidiger bittend den Geist auffgegeben. Agabo entlaufft / und fliehet unwissend in der Scholastica deß Meletia Mutter Behausung / die ihne auch bey dem Leben zu erhalten verspricht / und in einem Behalter verbirgt / weil sie verstanden / daß er wegen eines Ableibs in der Schergen Hände kommen möchte.
11. Kurtze Zeit hernach bringet man ihres einigen Sohns Leichnam / und fraget zu gleich nach dem Thäter. Getreuer Gott / in was Betrübniß muß diese Mutter gefallen seyn; Der Thäter war in ihrer Verwahrung und ihm hatte sie Sicherheit versprochen / der Sohn war in ihren Armen / über welchen sie die Thränen /als das Blut ihres verwundten Hertzens herauß schüttete. Gottesfürchtig und Barmhertzig seyn / ist allezeit beysammen / und nach dem sie lang berahtschlagt /was sie in diesem Fall zu thun / ergreifft sie den besten Weg und gedencket / daß sie ihren Sohn mit deß Mörders Todt nicht wider lebendig machen würde: Hingegen aber schuldig seye / auch ihren Feinden gutes zu thun.
12. So bald die Nacht eingebrochen / füget sich diese betrübte Mutter zu dem geängsten Todtschläger / und sagt ihm / daß er leider ihr einiges Kind unschuldig ermordet / und ob sie wol Mittel oberherrliche Rache an ihme üben zu lassen / so wolte sie ihm doch um Christi willen verzeihen. Agabo sahe sich in seiner Feindin Händen / wie die blinden Syrer mitten in Samarien; Verwunderte sich über dieser Bescheidenheit / dankte ihr mit einem demütigen Fußfall /und thut ein Gelübd / daß er von der Zeit an auß der Welte gehen / Busse thun / und für sie bey Gott bitten wolle. Auf solches Versprechen läst sie Agabo in Frieden von ihr gehen / und hat auch nach der Zeit /mit ihren damals verraisten Mann / noch Kinder erzeuget / und viel Freude an ihnen erlebt: Allen rechtschaffenen Christen zu thätlicher Nachfolge und gewisser Lehre / daß sie Barmhertzigkeit [228] empfahen /welche gegen ihre Feinde Barmhertzigkeit üben.
64. Der Tugendfreyer
(LXIV.)
Der Tugendfreyer.
Die Liebe nennet man ins gemein ein Verlangen der Schönheit / welche theils in dem Gemüth bestehet /und fast Englisch oder über irrdisch ist; theils den Leib betrifft und fast Viehisch kan genennet werden. Menschlich aber ist beedes den Verstand und den Leib zugleich zu lieben. Solches Verlangen ist gleich dem Geitz / der sich mit Geld niemals ersättigen lässet / vnd je mehr er erlangt / je mehr er haben will; ja die Liebe gegen eine Verständige Frau / nimmt mit zuwachsenden Jahren nicht ab / sondern vermehret sich allein: Die Schönheit deß Leibs aber kan leichtlich ein Fieberlein zu Grund richten / daher der Spanier Sprichwort wahr Quien se casa por amores, buenas noches malos dias.
Gute Nächt und böse Tage /
Bringt der armen Schönheit Plage.
2. Dieses hat zum theil erfahren eine Jungfer zu Angers / welche wir wegen ihrer übertrefflichen Schönheit Helenam nennen wollen / weil sie die Ursacherin vieler Flammen in ihrer Buler Hertzen / die sie als eine irrdische Göttin gleichsam angebett / und auff alle Weise verehret. Antonin / Prosper / Jovian und noch etliche andre warteten dieser Helena auff / und vermeinte ein jeder Pariß zu werden / wann sie sich nur hette wollen entführen lassen. Doch liebten diese alle nur den äusserlichen Schein der Schönheit / wie alle fleischlich gesinnten Freyer.
3. Heliodor ein armer doch tapfferer Jüngling /hatte so viel Verstand / daß er sich bey Helena angenehmer / als alle die andern machen konte / und betrachtete dieser sonderlich ihre Tugend und guten Sitten / welche der Grund einer beständigen Liebe seyn sollen. Ob nun wohl Heliodor ärmer / als alle die andern / wurde er doch von Helena mehr geliebet / [229] wie gesagt jene liebten sie wegen Schönheit jhres Leibes; dieser aber wegen der Schönheit ihrer Tugend / welches Helena gar wol erkante.
4. Hierüber führte sie nun viel schöne Gespräche /die schärfsten Pfeilen in deß kleinen Bogen Schützens Köcher genennet werden. Als dieser Hertz besagter massen in der Wahl schwebte / und sich auff Heliodors Seite neigte; fügte sich / daß ein Regen vom Himmel diese schöne Blume welck machte; Ich wil sagen / daß Helena ein gefährlicher Fluß fället / als eben Antonin von ihren Freunden zu einem Ehegatten / als daß güldene Kalb / welches sie ehren und lieben solte / außerlesen worden. Darzu wolte Helena nicht verstehn / sondern lieber einen armen Mann haben /der reich werden könte / als einen reichen / der durch ein leichtfertiges Leben verarmen möchte.
5. Besagter Hauptfluß nun fühle der schönen Helena auf die Zahne / daß die fordern außfielen / und ihre Lippen so groß auffgeschwollen / daß sie ein fast ungestaltes Angesicht bekame. Diesen Verlust ihrer Schönheit erdultete sie mit grosser Gedult / ob sie wohl sahe / daß ihre Liebhaber Urlaub hinter der Thůr nahmen / und sich anderweit versahen; wie die Mucken auß einer kalten Küchen entfliehen / und sich zu dem Goldhönig wenden.
6. Also schauet ihr Jungfrauen / wie gar nichtiges Nichts eurer Buler Augen verblendet. Eure Schönheit ist das Liecht / um welches diese Schnacken herum schwermen / so lang es brennet: Ist es durch einen ungefähren Wind außgeleschet / so verlassen sie das Liecht / und machen sich darvon. Dergleichen Wanckelmut werden auch die Weibsbilder beschuldiget /welche doch nit so sehr auf der Männer Schönheit /als Stärcke und Höflichkeit sehen. Dahero Syreno über seine Diana klagt.
Wie soll ich doch vergessen
Daß sie an diesem Rand
ist neben mir gesessen
und hat mit eigner Hand:
Viel lieber Tods erbleichen
als von der Treue weichen
geschrieben in den Sand?
Wer solt der Treue trauen
[230]Die gibet Wort und Pfandt
Die läst Verschreibung schauen
Von Liebgelobter Hand?
So leichtlich kan zerstieben
das / was ein Weib geschrieben
in weich entwichten Sand.
7. Die Aertzte wendenten allen Fleiß an / der Helena ihre vorige Schönheit wider zuwegen zubringen /aber alles umsonst: Doch hat sich Heliodorus nicht lassen wendig machen / und sie von den Befreunden /als einen köstlichen Tugendschatz mit vollen Freuden erhalten.
8. Diese beede Vertraute haben brünstig einander geliebet / und so viel beständiger / weil sie ihre treue Liebe auf nichts unbeständiges / welches der Zeiten Raub unterworffen / gegründet ware. Also muß denen / die Gott lieben / alles zum besten kehren / und die zu ersten das Reich Gottes suchen / muß das andere alles zufallen.
9. So bald nun Helena schwanger worden / hat sich die Geschwulst in ihrem Angesicht verzehret und als sie zum zweitenmahl darnider kommen / ist sie zu ihrer ersten Gesundheit völlig gelangt: Daß also Heliodor mit seiner doppeltschönen Ehegattin wol vergnügt in behagen lebte.
10. Nach dem diese verdunckelte Sonne in vollem Schein widerum erschienen / hat sie vielfältige Anbeter gehabt / welche sie auch mit grossen Beschenckungen ehren wollen; solche aber hat sie verächtlich zurucke erwiesen / daß eine solche Festung auch durch keinen Esel mit Gold beladen zu überwältigen.
11. Ihre Abschlägliche Antwort und häußliche Arbeit / benebens der Tapfferkeit ihres Manns / haben endlich alle diese Liebsmucken von dem Hönig vertrieben / daß keiner Gelegenheit übels mit ihr und von ihr zu reden Ursach gehabt. Beede wurden von andern geneidet wegen ihres Wolergehens / und wann man jemand einen gesegneten Ehestand wünschen wollen /hat man gesagt: Euch ergehe es / wie Heliodor und der schönen Helena.
12. Also hatte die Tugend nach langem streiten den Obsieg / da hingegen das Laster über kurtz oder lang muß zu [231] Schanden / und wo nicht zeitlich hier / doch dorten ewig abgestraffet werden. Die Tugend giebet ein tügliches End / das Laster bleibet ein unentberlicher Last.
65. Die geitzigen Sachwaltere
(LXV.)
Die geitzigen Sachwaltere.
Jenes Thier / welches der Prophet gesehen / mit drey Reyen Zähnen / das einen grossen Theil der Welt verzehret / bildet etlicher massen die Geitz- und Geldsüchtigen Rechtshändler / welchen wenig entfliehen /daß sie nicht von ihnen solten gebissen oder verschlungen werden. Es ist leider die Gerechtigkeit / bey unsrer Zeit ein Gewerb / welches ihrer viel durch die ungerechte Mittel nehret / und in dem man einem jeden daß seine zu urthelen vorschützet / nimmt man was ihm Gott gegeben. Jener sagte / daß die Gerechtigkeit ein Netz für den Augen / ein Goldwage in der rechten / und eine Angelruten in der lincken / mit welchen sie Häuser und Landgüter fische.
2. Der Soldat nimmt von seinen Feinden / was er in der Plünderung findet / und hat recht darzu / weil er Leib und Leben / ja seine Seele in Gefahr setzet: Der Sachwalter aber nimmt von seinen Freunden / was er ohne Recht erschreibt / und mehr als er erfindet / in dem er seinen Gewaltgeber mehrmals in grosse Schulden stecket / und das Ey isset / in dem eß ihme die leeren Schalen der Hoffnung überlässet. Keine Plünderung ist so arg / als diese / welche unter dem Mantel der Gerechtigkeit verübet wird.
3. In der Normandia in Franckreich war eine Hauptkirchen mit reichen Einkommen versehen /derselben Bischofliche Stelle aber war strittig / ob sie solte von dem Papst oder von dem Capitel vergeben werden. Das Capitel erwehlet einen in Namen deß Königs auß ihren Mitteln; Ein andrer erhält eben solches Bischthum vō Rom auß. Diese beede kommen darüber in grosse Rechtfertigung / welche sich sechs Jahr lang verzögerte / und ist für unterschiedlichen Parlamenten rechthängig gemachet worden.
[232] 4. Vor Zeiten sind den Bischoffen und frommen Geistlichen grosse Güter zu gewendet und verschaffet worden / nit daß sie weltliche Herren seyn / und mit Fürstlichem Pracht Hof halten solten; sondern daß sie die Kirchen unterhalten / armen Leuten darvon Gutes thun / und die tüchtige Jugend solten zu dem Studiren und freyen Künsten aufferziehen lassen. Nach dem sie aber solche Güter theils mißbraucht / hat Gott das Amt von ihnen genommen / daß viel nicht mehr Haußhalter seyn können. Dieser beeden streitenden Bischoffe Rechtsache war nach sechs Jahren so wenig geendet / als wenig inzwischen die Einkunfften ertragen.
5. Der nun / welchen das Capitel erwehlet / wolte sich nicht länger in dem Rechtsgang an dem güldnen Faden lassen herum führen / wie Theseus in dem Cretensischen Irrgarten. Damit er aber dem Capitel wegen der Strittigkeit mit dem Stul zu Rom / nichs begeben möchte / hat er sich der Wahl wider begeben / und ist ein andrer erwehlet worden / welcher sich mit dem von Rom gegen einem Stück Geldes verglichen damit er auch seiner auffgewandten Unkosten wider habhaft worden.
6. Das Feuer und das Wasser / der Hagel und Donner thut so grossen Schaden nicht / als die Geitzigen /ungewissenhaffte und vermessene Rechtskrämer /welche die Leute in Friedenszeiten außbeuten / mit ihren Federn-Spieß an den Bettelstab jagen / und zu unsterblicher Feindschafft reitzen und verhetzen. Das Recht und die Gerechtigkeit ist wie das liebe Korn /welches uns die beste Nahrung gibet; wann aber das Getraid faulet / so wird es in das ärgste Gifft verwandelt; Also wann die Gerechtigkeit in Ungerechtigkeit verkehret wird / durch gewinnsichtige Zanckdichter /so vergifftet sie dann das gantze Land. Die Gottsfürchtigen unn Gewissenhaffte-Rechtsverständige /helffen eine Sachen vergleichen / und rathen zu Fried und Einigkeit / wie die bösen zu Unfried und Weitläufftigkeit. Zu Heidelberg ist ein Doctor vom Churfürsten Friederich der Statt verwiesen worden / daß er einer rechthängigen Sache Vergleich gehindert.
[233] 7. Es fraget einer seinen Schrifftsteller / ob seine Sache gut were: Ja / sagte er / ich lasse mir nicht leyd darbey seyn: Die Sach ist gar gut. Nach dem er nun derselben verlustiget worden / hat er seinen Mann wider erinnert / der erstgemelten Worte. Ja / versetzte er / die Sache ist für mich gut gewesen / dann ich habe / wie ihr wist / viel darbey verdienet / und war mir nicht leyd / weil ihr mich bereit wohl bezahlt gehabt. Liese also den armen Mann wider gehen / gleich wie ein Zahnbrecher / der gesagt / die Salbe helffe gewiß; wo nit in den Krancken doch ihn den Gesunden / der die Salbe verkaufft.
8. Ein halsstarriger / eigensinniger Kauffmann hatte einen verzweiffelten bösen Handel / welchen er auß Neid und Boßheit gegen seinem Feind hinauß führen und durchdrucken wollen. Der vornemste Sachwalter oder Advocat wolte ihm nit dienen / weil keine Ehre darbey einzulegen; doch verguldete ihm der Kauffmann die Hände so wol / daß er ihm das Wort sprache / und den gegenseitigen Anwalt mit viel hönischen Reden durchzoge. Der Gegner gibet seinem Wortsprecher eine stattliche Verehrung / er solte sich nicht lassen weich finden / und die angeführten nichtige Gründe mit der Warheit umstossen / welches er auch so meisterlich gethan / dz er d' Kläger mit Abtrag der Schaden / und einer grossen Geltstraffe verlohren.
9. Deß beklagten Anwalt kame den andern Morgen zu ihm / sagend: Bruder / du hast mir gestern eine gute gegeben. Der klagende Sachwalter wolte sich entschuldigen / der ander aber bedanckte sich vielmehr / und erzehlte / daß er von seiner Parthey mehr empfangen / als die Sache angetroffen / weil er seine Spottreden mit schänden und schmähen widerfochten. Also waren diese gute Freunde / wie zuvor / und wolte Kläger auß dieser Sache noch mehr Geld lösen. Wie aber?
10. Er fügte sich zu seinem Kauffmann / der sich bey Verlust der Sachen / doch vergnügte / weil er seinen Feind gleichwohl für Gericht herum gezogen /viel versaumen machen / und sein Mütlein gekühlt /als er verstanden / wie er seinen Wortsprecher beschencken müssen. Ob er nun wol der Sache verlustiget worden / begehrte doch sein Sachwalter [234] Erstattung seiner Ehre / welche er in seiner bösen Sache vernachtheilt / und nöthiget den Kauffmann / daß er sich /gegen einer grossen Summa Geldes mit ihm vergleichen müssen / und wahr gemacht / daß die Narren und Halßstarrigen machen die Gelehrten reich.
11. Dieses Wort Halsstarrig ist hergenommen von denen / welchen die Rede in dem Halse also erstarret und erhartet / daß sie das Haupt noch neigen noch wenden können / und wird gebraucht von denen Klüglingen / so ihres eignen Sinnes beharren / und sich noch neigen noch wendig machen lassen / biß sie mit Reu unnd Leid ihre Thorheit erkennen / und sagen müssen: ich hab es nicht so gemeinet.
12. Ein solcher Zungendrescher / sagte auff eine Zeit / daß Gegentheil seine Sache mit Geschenck und Gabe / (welche auch Gifft genennet werden / weil sie stets das Recht vergifften und tödten) auswürcken wolle / etc. Als er nun hierüber bespracht / und zu sagen angestrenget worden / wer dann Geschencke genommen / hat er geantwortet / daß der Gegentheil ihme etliche Ducaten angebotten / er solte auff seinem Wege seyn / hette sie aber nicht angenommen. Solches war herum gedreht / dann er erstlich Richter und Schöpffen beschuldiget / und es hernach auf sich gezogen. Die Gab hatte er nicht genommen / wie ein Dieb / aber angenommen / als von einem Bekanten und Freunde. Es bleibet also darbey / daß die Geschencke so vermessen / daß sie den schlaffenden Richter auffwecken dörffen / seine Augen / wann er wachet / zu verblenden.
66. Die listigen Betrüger
(LXVI.)
Die listigen Betrüger.
Unter den Sinnreichen Leuten dieser Welt sind die Hispanier nicht die letzten / wiewol es wie an allen Orten auch etliche Einfältlinge darunter gibet. In gemein aber mangelt es ihnen an Verstand nicht / und ist die Beschaffenheit ihres Leibs / als durch welche /der Geist [235] würcket / also geartet / daß sie ein reines Gehirn haben müsten: Ich sage reines Gehirn / weil es mit vielen Dünsten / so von übermässiger Speiß und Tranck herrühret / nicht verdüstert und umbhüllet wird. Wie sie nun in Gutem / also sind sie auch in Bösem und in Betrug arglistige Leute / die solche Erfindung außsinnen / welcher andere nit fähig sind.
2. Wir wollen nur etliche / so wir zu unsrer Zeit gehöret haben / hier erzehlen / und andere solche Händel / die in den Gusmann / der Justina und den Diebsgeschichten zu lesen / an ihrem Orte beruhen lassen: Weil wir mit fleiß solche Sachen hier zusammen tragen / welche in anderm / und sonderlich in Teutschen Büchern nicht zu lesen sind.
3. Ihrer zween Inzo und Gened vergleichen sich einer erdichten Handschrifft / daß dieser jenem 20. Kronen schuldig / und daß die Zeit / zu welcher sie verfallen / bereit etliche Tage verflossen. Als solches beschehen / stehlen sie einem Schergen-Hauptmann ein Pferd / und reiten es in die nechste Statt / kommen alsbald für den Stattrichter / und bittet Inzo / man wolle Gened bekümmern / oder in Arrest nehmen /biß er ihn bezahlet habe / krafft vorgewisener Verschreibung.
4. Gened gestehet der Schuld / sagt aber / daß er kein anders Mittel zubezahlen / als mit dem Pferd: Inzo wil das Pferd / welches wol 50. Kronen wehrt /um 20. annehmen / aber nichts herauß geben. Der Richter befihlet man soll das Pferd verkauffen / unnd die Schulden davon bezahlen. Der Schergenhauptmann deß Orts erkaufft das Pferd um 30. Kronen /und ziehen diese beede Gesellen mit dem Gelde ihren Weg. Es stehet aber wenige Stund an / so kommt der Herr zum Pferde mit seinen Leuten hernach / findet sein gestohlnes Gut / und nimmet es mit richterlicher Erkantniß wider zu sich. Hiervon sagt ein sinreicher Spanier (los pagaros assientan se al espavantajo) die Vögel setzen sich (bestehlen) auff die Vogelscheu (die Schergen) welche sie fürchten solten.
6. Es hatte einer einen Esel zu verkauffen / welchen er einem Wasserführer / dessen Häußlein im wohl bekant / umb [236] ein geringes Gelt verhandelt / und denselben einen sehr langen Schwantz / von einem andern Esel angemachet / mit Vorgebe / er hette noch einen Esel / der diesem in allem gleiche / ausser dem Schwantz. Der Kauffer / welcher sich / wie gesagt /mit Wasser führen nehrte / erhandelt den Esel / in Hoffnung / guten Nutzen damit zuschaffen. Bey Nachts kommt der Verkauffer / stiehlet ihm den Esel wider / und thut den angekünstelten langen Schwantz hinweg / führt ihn ungescheut wider auff den Marck /und verkaufft ihn noch einmal. Als ihm aber der Wasserführer zu sprache / und seinen Esel haben wolte /sagte er / daß dieses der Esel / von welchem er gestern geredet / und das es nicht der seinige / etc.
7. Noch viel listiger ist folgendes. Drey arme Soldaten waren auß dem Krieg wider kommen / ich sage auß dem Krieg das ist ohne Geld / übel bekleidet /und ohne Unterhalt. Dieser einer sagte zu den andern /sie solten ihme folgen / und nur Zeugen seyn dessen /was sich begeben würde / so wolte er soviel Spanisches Tuchs / als zu Bekleidung ihrer von nöthen / zu wegen zu bringen. Der Vorschlag war diesen Gesellen angenehm und willigten in die Zeugschafft / wenn sie auch falsch seyn solte.
8. Der den Anschlag gemachet / führet sie in einen Tuchkram eines neuen Christen (Christianos nuevos) also werden die Portugesen genennet / welche Juden von Geburt / wegen der Handlung aber sich zu dem Christlichen Glauben bekennen. Er fraget nach dem Gewand unterschiedlicher Farben / suchet eines her auß / und feilset es / nach dem er es wol besehen unnd gefühlet / auch ein kleines Creutzlein mit dem Bildniß unsers Heylands / in hinschiebung deß Tuchs verborgen / legte er wenig genug darauff; wol wissend / daß es der Kramer noch in so geringen werth kauffen noch verkauffen konte.
9. Der Tuchhändler sagte nun / daß deß Gelds /gegen so guter wahr / zu wenig / und in dem er das Gewande wider zusammen rollen will / wirfft er das Creutzlein auff die Erden. Hierüber schreyen nun die Soldaten / daß er auß Jüdischer Gottslästerung unnd Verachtung unsers Seeligmachers sein Bildniß für die Füsse geworffen / welches sie dem Inquisitori [237] Ketzermeister anzeigen müsten / der ihm ob dieser That auff den Scheiderhauffen würde setzen lassen / etc. Solcher gestalt machen sie diesen Krämer / wider welchen zuvor der Verdacht war / daß er Judaisirede / so bang und angst / daß er sie nach ihrem Willen / gegen Versprechen diesem Verlauff niemand zu offenbaren /gekleidet.
10. Die Frantzosen sind ja kluge Kinder der Finsterniß / und wollen / wie in andern Sachen / auch in diesem Stücke den Spaniolen nichts bevorgeben. Ein vornehmer Herr stunde in dem Wahn / daß kein böser Geiste wäre / der sichtbarlich erscheinen / und mit dem Menschen Sprach halten künte: deßwegen raiste er auch allen Hexen und Zauberern nach / gabe ihnen Geld und sprache grosse Beschenckung / wann sie ihn mit einem Geist würden reden machen. Gott verhengte aber / vielleicht zu Bestärckung seines sträfflichen Wahns / daß er mit keinem Gespenste zu reden kommen / noch eines zu sehen.
11. Dieses wurden nun auch zween leichtfertige Gesellen inträchtig / machen ein Anschlag / diesem Herrn ein Stück Gelts abzuschwetzen / und gibt sich der eine / nach genommener Abrede / für einen Zauberer auß / und versprache / er wolle den bösen Feind sich sichtbarlich hervorbringen. Der Frantzösische Herr freuet sich über diesem Anerbieten / gibt ihm also balden ein Goldstück auf die Hand / und verspricht ihm derselben mehre / nach dem er seine Wort werckstellig werde gemacht haben. Der gemeine Zauberer führet ihn auf das freye Feld / wo sein Gesell in einer Gruben verborgen lage / machet seine Beschwörung und einen Kreiß mit dem Stab / und betrauet den Herrn / er solte nicht weichen / bey Verlust seiner Seeligkeit. In dem lässet sich der ander Gesell mit einer Beerenhaut umhült / und mit Hörnern auf dem Haupte von ferne sehen / der Hoffnung dem Herrn ein Schrecken einzujagen / welcher aber also bald auf ihn zugeeilet / und mit dem Teuffel reden wollen / darüber er dann zu lauffen angefangen / und der Herr ihm mit entblöstem Gewehr so schnell nach gejagt / daß er ihn endlich ereilet / den Trug bekenen machen [238] / und nach dem er gehört / daß er in Warheit ein armer Teuffel / und sich in Hoffnung einer Verehrung zu diesem Spiele gebrauchen lassen / hat er ihm eine Prügelsuppen fürgesetzt / und hernach seinen Weg wider lauffen lassen.
12. Hierbey erinnere ich mich / daß einer zu meiner Zeit in Sancerra sich gegen einem Weinhecker gleichfalls für den Satan außgegeben / und denselben auß Hochmut übel geschlagen. Darauff ist er von dem warhafftigen Teuffel ergriffen / und also zugerichtet worden / daß er die Zeit seines Lebens die blauen und grünen Flecken in dem Angesicht tragen müssen. Allen solchen Gesellen zur Warnung / daß sie diesen brüllenden Löwen nicht sollen an die Wand mahlen /welcher sonsten wol suchet / sie zuverschlingen / und mit Leib und Seele zuverderben in die Hölle.
67. Gelüsten der Schwangern
(LXVII.)
Gelüsten der Schwangern.
Wann sich die Mannspersonen unziemlicher Händel gelüsten lassen / wie wir in vorhergehenden Geschichten angemeldet / so ist es dem Weibervolck noch weniger zu verargen / welche unvollkommen /dem Verstand nach / vollkommen aber in schwangerm Zustande. Alle zwar haben keine so widersinnige Begierden / die meinsten aber und stärcksten von Leibskräften lasen sich der wunderlichsten Händel gelüsten / wie wir derselben etliche auff diesen Schauplatz stellen wollen.
2. Etliche vergleichen die Weiber nach ihrer innerlichen Beschaffenheit mit den Geissen oder Ziegen /welche geile Thiere / wegen ihres gantz hitzigen und scharffen Geblüts / das sie niemals ruhen lässet / und stetig zu steigen und springen treibet. Ihr Hirn soll sich in allem mit der Weiber Gehirn gleichen / weil beedes kleinen Raum und die aufsteigenden Dämpfe nicht kan vergeistern lassen / wegen der genau verschlossnen Hirnschalen. Deßwegen haben auch die Weiber mehr Hauptwehen / als die Männer / deren Hirnschalen meinste theils anderst beschaffen ist. Die Ziegen sind genäschige und feyge Thier / nehren ihre Jungen / sind stoltz und neidisch / daß sie alle der ersten nachgehen und springen; wie auch die [239] Weiber ihnen in diesen allen ins gemein gleichen. Doch ist dieser Unterscheid / daß die Geise Hörner tragen / die Weiber aber andre Hörner tragen machen.
3. Salomon / der sehr viel Weiber gehabt / vergleicht sie mit den Löwen und Tygerthieren / weil sie ihr hitziges / wässeriges und subtiles Geblüt leichtlich zu Zorn und Grimm reitzet / daß sie / wie deß Jobs Haußwirtin / welche ihm der Teuffel zu seinem Anwalt ůbrig gelassen / nachahmen. Daher schliessen die Naturkündiger / daß die melancholischen Weiber die allerverständigsten / die andern aber vielen Schwachheiten unterworffen / und Gott der weisse Gesetzgeber / hat in dem Alten Testament / nicht dem Weib erlaubt / daß sie ihrem Manne einen Scheidbrief geben dörffen / wann es ihr eingefallen / sondern der Mann hat seine unartige Ehegattin / wann keine Besserung zu hoffen / von sich schaffen können. Die Türcken dichten auch in ihrem Alcoran / daß die Weiber ein besondern Paradeis / weil sie sonsten auch in jenem Leben die Männer nicht unbetrübt lassen.
4. Wann nun die Weiber von Natur zu unziemlichen Einfällen geneiget / ist nicht zu verwundern /daß sie zu der Zeit / wann sie schwanger / ihre unordenliche Begierden spühren lassen / und ist diß die Ursache / weil den dritten und vierten Monat der Empfängniß / die Frucht in dem Leib nicht alle Nahrung verzehren kan / daß das übrige gleichsam dumm wird / und die darvon auffsteigende Dünste so seltzames Gelüsten verursachen. Die Aertzte ordnen darfür saure Sachen / als da ist Senfft / Essig / etc. welche solchen Dünsten widerstehen / und den Magen reinigen / und einen Lust zu gesunden Speisen erwecken.
5. Ins gemein aber gelüstet die auff schweren Fuß gehenden Weibspersonen nach Kreiden / nach Kalck /theils nach Kohlen / Wagenschmirig / darauß zu sehen / daß sie ihnen unwissend etwas scharffes zu einer Speise außersehen / und dardurch sich zu heilen suchen. Es ist aber zu verwundern / daß ihnen solches nicht oder selten schadet / sondern ihrer Geburt vielmehr nutzet / ja wann sie ihren Lust nicht büssen können [240] kommen / oder doch derselben ein Merkmahl anhangen / weil die Bildung mit allen Kräfften deß Leibs zu solcher Zeit eussersten Vermögens beschäfftiget sind.
6. Hierzu giebt jhnen auch anlaß / was sie schönes für Augen sehen / dann blinde Weiber dergleichen Gelusten nit vnterworffen. Also hat zu Paris eine reiche vnd vornehme Frau gelustet Genuesische Spitzen von zartem Faden künstlich gemachet / zu essen / vnd zwar in solcher Anzahl / daß sie auff einen Tage für 100. Pistolet / klein zerschnitten gessen / vnd den dritten Tag hernach / wider 100. Pistolet vernaschet /solche auch für eine wolgeschmackte Kost mit vielen Worten herauß gestrichen / vnd gelobt.
7. Eine andre hat sich gelusten lassen / die Häutlein von den Murmelthierlein zu versuchen / vnd hat sie sehr wolgeschmack befunden. Sonderlich aber lieset man (bey Schenkio Observ. medicinal l. 4.) das die Schwangern / wann sie eine schöne Person entblöset sehen / in jhr Fleisch zu beisen begierig sind / und wann sie nicht darzu gelangen mögen / grossen Schmertzen empfinden / wie er dann erzehlet / daß eine einen Beckenknecht nackend gesehen / und gebetten / ihr Mann solte ihr zu wegen bringen / daß er sie dreymal in seine Schulter beissen lassen. Der Mann giebt dem Beckenknecht Gelt / daß er zum zweyten mahl darein williget / das dritte mahl aber will er wegen deß Schmertzens nicht mehr halten. Was geschicht aber? Das Weib kommt darnider / und gebietet Dreylinge / deren zween lebendig / der dritte aber tod auf die Welt gekommen.
8. Ein andre schwangere Frau hat in den Fleischbäncken üm ein stuck Rindfleisch gekaufft / weil sie aber wenig Gelt / hat sie viel Wort darüber verlohren / daß es der Fleischer hinzwischen einer andern Magd zu gewogen. Darüber sich die Schwangere so entrüstet / dz sie Blut auß der Nase geschweist / und als sie solches von dem obern Lefftzen weg gewischet / hat sie zugleich dem Kind in Mutterleib den Lefftzen hin weg genommen / wie hernach ihr Sohn / der ein gantzes Jahr gelebt / mit Abscheu erwiesen. Dieses ist geschehen zu Heydelberg.
[241] 9. Wer will wissen wie dieses geschehen könne /der trincke sich voll / und betrachte bey sich hernach /was für Wort und Wercke er aus verdüsterten Einfällen und Bildungen sehen und hören lässet. Ja / die Trunckenheit beraubt jn aller Sorgen und Gefahr / daß er auch sich nicht scheuet mit dem Tod / der doch der Lebendigen ärgster Feind ist / eine Schantze zu wagen wie die Türcken die mit dem Masla vorsätzig unsinnig werden / wann sie an den Feind gehen sollen.
10. Viel wollen solches der Einbildung nicht beymessen / weil sie zu Zeit der Empfängniß am schwächsten / deßwegen auch das Ehliche Werck der hinfallenden Kranckheit verglichen wird Die Bildungs-Krafft / sagen sie / träget alles was sie empfähet / dem Verstande / als ihrem Richter für / welcher das undienliche / durch seinen Diener / den Willen /wider zu ruck weisen lässet: Das nutzliche aber annimmet. Wie solten dann so seltzame Gelüsten / ob sie gleich die Einbildung gut heisset / von dem Verstand und Willen für nützlich erkennet / und angenommen werden / wann sie keine richtige Ursachen haben?
11. Hierauff ist die Antwort / daß die Bildung nicht in der Zeit der Empfängniß / sondern etliche Tage und Wochen hernach völlig beschehe / und daß niemand in der Welt seye / der allezeit dem richtigen Verstand folge / zu geschweigen / daß solches die Lustgierige schwangern Frauen thun solten / die das beste sehen /und das böse wehlen.
12. Es laufft zu Zeiten auch nicht eine geringe Thorheit mit unter / als wie bey jener Schwäbin / welche gelüstet / daß sie ihrem Manne ein Schock Eyer in das Angesicht werffen möchte. Der Mann hat es /nach eingeholtem Rath eines Artzney-Verständigen gewilliget: da sie dann die Eyer gebracht / und über die 10. derselben ihm in das Angesicht geworffen /daß ihme der Gelbe Safft über die Wangen herab getriefet. Solches Gelusten ist meines Erachtens / mit einer grossen Narrheit vermischet und zu dem Ende ersonnen / daß solche Leute von ihnen haben wollen reden machen. Hiervon ist ein mehrers zu lesen inGuarzoni Seraglio, Cammerarii observ. Spachii [242] Gyniceo, Roder. a Castro, Renchino und allen die von der Weiber Kranckheiten geschrieben haben.
68. Die Mißgeburten
(LXVIII.)
Die Mißgeburten.
Wie man vor Zeiten bey den Römern allerhand Wunder Thiere auf den Schauplatz geführet / und dem Volcke vorgestellet; Also wird verantwortlich fallen /wann wir auch in unserm Schauplatz wunderliche Mißgeburten aufführen / und von denselben etliche natürliche Ursachen untersuchen. Das Wort Mißgeburt verstehen wir in einer weitschweiffigen Deutung / und dardurch alles was übel / und ausser dem ordentlichen Lauff der Natur in die Welt gebohren worden / begrieffen.
2. Die erste und oberste Ursache welcher wegen Mißgeburten gefunden werden / ist der gerechte Zorn Gottes / über unsere Sünde / und wird derselben nachgehende Straffe dadurch bedeutet. Gott aber würcket durch Affter Ursachen (per causas secundas) die zu erkündigen nicht verbotten / eines theils sich darvor zu hüten / anders theils sich über GOttes Finger zu verwundern / und seine Barmhertzigkeit um Abwendung aller angedeuten Landstraffen anzuflehen.
3. Die erste Mißgeburt welche fast in alle Länder raiset / und sich um Geld schauen lässet / ist ein doppelter Leib / und zween zusammen gewachsene Brüder / deren der gröste Lazarus / der ander Johann /nahe bey Genua in Costa einem Stättlein / erzeuget /von Johann Baptista Coloreto und Pelegrina seinem Eheweibe. Diese Mißgeburt ist zu der Welt geboren worden 1617. den 12. Mertz / da sie auch / auf gut befinden der Geistlichkeit getauffet worden. Ihre Mutter ist 3. Jahr hernach gestorben. Diese Brüder sind zusammen gewachsen vier Finger breit / ober dem Nabel / daß die Haut gantz an einander hangt / und hat doch jeder seine absonderliche Empfindlichkeit /daß der grosse nit spüret / wann man den kleinen anrühret / ja sie haben auch unterschiedliche Bewegungen deß [243] Hertzens. Der erste ist / ausser dieser Zusammenfügung mit seinem Bruder / gleich einem andern Menschen. Der andre aber hat viel einen kleinern Kopff gehabt / wie er auf die Welt kommen / nunmehr aber hat er ein sehr grosses unnd auff geschwollenes Haupt / welches sonders Zweiffel daher entstehet /weil das Haupt stettig unter sich hangt. Sein Angesicht gleichet zwar einem Menschen / ist aber abscheulich zusehen / weil er blind / taub / stum / hat grosse Zähne / und holet den Odem mehr durch den Mund / als durch die Nasen. Durch den Mund kan er keiner Speise geniessen / hat auch kein Ausladung /und nur ein sehr übel gestaltes Bein. Seine Arme sind auch kurtz / und hat an jeder Hand nur 3. Finger.
4. Der Augenschein erweiset / daß diese beede Brüder nur eine Leber und einen Magen / hingegen aber zwey Hertze / zwey Hirne / und zwo Lungen haben můssen. Zu Zeiten schläfft einer der ander wacht / einer ist kranck / der ander Gesund. Der grosse hat ihm in dreyen Kranckheiten über 30. mal die Adern schlagen lassen / zu andern Artzneyen haben die Aertzte nicht rathen wollen. Ob nun Lazarus mit diesem seinem ihm angewachsenem Bruder sehr belastet / in dem er ihn Tag und Nacht in einer Binden mit sich tragen muß / so hat ihm doch solchen die Gewonheit so leicht gemacht / daß er alle übung thut wie andere / ja so gar auch in dem Pallhauß spielet.
5. Die Natürlichen Ursachen können seyn folgende: 1. Ist die Mißgeburt in einer seltnen Fügniß oder Planeten gebohren / daher er ernehret wird / wie die Kinder in Mutter Leib durch den Nabel. 2. Ist vermuthlich / daß zuviel deß Samens zu einem / und zu wenig zu zweyen Kindern bey der Empfängniß gewesen / daraus diese Zusammenfügung entstanden 3. Kan auch solches geschehen seyn von einem Fall /welcher der Mutter diese Kinder abgetrieben hette /wann sie nicht so starck und lebhafft gewesen weren. 4. Siehet man dergleichen in einem Ey / welches zween Dottern hatt: wann nun das Häutlein darzwischen durch eine scharffe Feuchtigkeit / welche zu Zeiten in dem Samen enthalten ist / zerreiset / so schlieffen zwey an einander gewachsene Hüner / oder sie haben [244] einen Leib und vier Füsse / oder vier Flügel / etc. Fortun. Lycetus de Monstris.
6. Es ist auch nicht zuzweiffeln / daß sie zwo Seelen haben / weil sie zwey Hertze / zwey Hirn und Häupter / deßwegen sie auch absonderlich getaufft und benamet worden. Man kan auch diese Brüder für keine solche Mißgeburt halten / welche nicht unter der Menschen Zahl zu rechnen / weil sie ihren Vater geerbet / welches die andern Mißgeburten nicht fähig sind. Dergleichen gedencket auch Buchanan / in dem 13. Buch der Engländischen Geschichte.
7. Die andre Mißgeburt ist zu Augspurg geboren /genennet Barbara Ursina ( mit einem gar füglichen Namen ihrer Beschaffenheit / ein Mägdlein von 12. Jahren / deren gantzer Leib mit Haaren / oder rauen Zotten überwachsen ist / einen weisen Bart vier Finger lang / und das andre Gesicht wird mit dem Scheermesser überschoren / damit es nicht gar einem Thiere gleichet / und gleichwol sich um Geld schauen lässet. Hiervon wird um gefragt / ob man solcher Ungestalte natürliche Ursachen geben könne.
8. Erstlich halten etliche / daß solches der übermässigen Hitze zu zuschreiben / welche aus den Schweißlöchlein so viel gröbere und stärckere Haare treibe / daher man auch siehet / daß an andern Orten deß Menschlichen Leibes / wo die Hitze zusammen kommet / Haare wachsen / welche da sind ein rauhiger Dampff / so von der dritten Däuung über bleibet /unnd von der natürlichen Wärme durch die Haut getrieben und ertrocknet wird. Also erhartet der weichfliessende Aschen / und wird ein fein Glas daraus /und haben alle die / so eine zarte Haute haben / auch zarte Haare / und die in Gegenstand eine harte Haut haben / haben auch grobe und ungeschlachte Haare /wie wol an allen Thieren als Menschen zu beobachten.
9. Hingegen machet einen Zweiffel / die schwache Wärme / welche sich bey den Kindern und jungen Leuten findet / und nimmet solche erst in dem 14. oder 15. bey den Weibsbildern aber in dem 12. und 13. Jahre zu. Es ist auch der Leibe also beschaffen /das die dritte Däuung noch keinen solchen [245] rauchigen Dampff von sich geben kan / und muß man also auf eine andere Ursache bedacht seyn. Etliche wollen daß die Ursache dieser Haare sey die innerliche Kälte und Feuchtigkeit / welche durch die Schweißlöcher herrauß dringet; daher sihet man daß in den kältsten Orten die Thiere die gröbsten Haare haben. Man hat auch Exempel / daß den Leuten die Haare in einer Nacht / aus Furcht / welche Kälte verursachet / über lang gewachsen. Den Erhangten wächset das Haar nicht von natürlicher wärme / die vergeistert / sondern von der Feuchtigkeit / so die Kälte durch die Haut treibet und erhalten machet. Hingegen aber sihet man / daß die hitzigen Fieber die Haare ausfallen machen.
10. Etliche andre wollen die Ursachen der Einbildung / mit welcher die Mutter dieses haarigen Kindes / in dem dritten und vierten Monat ihrer Schwengerung um gangen beymessen. Die natürlichen Begierden bedienen sich solcher Einbildung / wie der Schmied sich deß Feuers bedienet. Die Mutter mag diese Tochter an einem Beeren / Wolff oder zottigen Hunde ersehen haben / und in dem sie solchen beharrlich zu Gesicht gefasset / und der besagten Thiere eines auch abwesend / gleichsam in einem Spiegel vermittelst der Einbildung (von den Bildern also benamet) gesehen und betrachtet / deßwegen dann dergleichen Feuchtigkeit / aus welchen die Haare werden können / durch den Nabelgang dem Kinde bey gebracht worden / daß es etlicher massen einem Beeren gleichen müssen. Weil es aber sonsten alle Glieder und den Verstand eines Menschen / ist noch zu fragen; ob es unter die Mißgeburten zu zehlen oder nicht.
11. Eine Mißgeburt wird genennet / wann eine Leibesfrucht zugleich eines Menschen und Thieres ungestalte Glidmassen hat: hier aber ist nichts Thierisches / als die Haut / und ist der so wenig ein Mißgeburt zu nennen / welcher zu viel Zehen oder zu lange Nägel /oder zu langen Fuß / etc. als diese / welche zu viel lange Haare hat. Wann wir unsern Leib betrachten /so ist er auch voller zarten Härlein / welche auß den Schweißlöchern getrieben werden / daß nun bey dieser Dirne [246] die Haare länger und stärcker / das ist zufälliger Weise geschehen / vieleicht auß oberzehlten Ursachen zugleich / und wundersam in deren Augen / so keine nutürliche Ursachen verstehen.
12. Zn Maintz haben zu Sebastian Münsters Zeiten zwey Weiber mit einander geredet / deren die eine schwanger gewesen / die dritte schleicht hinter derselben daher / und stösset ihnen die Köpffe zusammen /daß sie beede erschrecken. Was geschicht. Als die Zeit der Geburt herbey kommet / bringet diese zwo Töchter auf die Welt / welcher Stirne hart zusammen gefüget waren / und haben gelebt biß in das zehende Jahr. Eine ist viel Tage nach der andern gestorben /und hat von ihr müssen geschnitten werden / darauf sie auch erkranckt und den Geist aufgeben. Die Lehre dieser Erzehlung betrift die Schwangere / daß sie zu solcher Zeit ihrer wol in acht nehmen sollen / unnd auch alle andre / welche sie zu schertzen pflegen unwissend / daß ihnen dergleichen Unheil entstehen kan.
69. Die unbedachtsamen Beichtvätter
(LXIX.)
Die unbedachtsamen Beichtvätter.
Von Eröffnung der Beicht ist viel Streitens unter den Gelehrten / ins gemein aber werden nur zween Fälle ausgenommen / wann es nemlich die Obrigkeit oder ein Nachtheil einer gantzen Landschafft / und dann eines unschuldigen Leben betrifft: Wiewol auch andre dieses auch nicht zulassen wollen / (vid. Gail. l. 1 observ. 100. num. 8 Vinc. Carocii Quæst. 7. de revel Confess fol 49.) und schreiben / daß solches dem natürlichen Rechten (was ihr nicht wollet / daß euch die Leute thun / das thut ihnen auch nit / Luc. 6.) dem Göttlichen Rechten (Johan. 20.) dem Geistlichen Rechten (Can. si sacerdos de pœnit. dist. 6. can omnis utriusque de pœuit. & remis.) und dann den Bürgerlichen Rechten (l. 1. §. Si quis re bulas ff. deposit quia talis tenetur actione injuriarum & adintresse) zuwider. Wir wollen hier ein merckwürdiges Exempel fügen.
[247] 2. Zu Ruan in der Normandia hat sich ein reicher von Adel aufgehalten / welcher keinen Mannlichen Leibes Erben hatte / auf den seine Lehen / so ohne solchen dem König heimfallen würden / kommen möchten / deßwegen er dann sehr verlangt einen Sohn zu haben / und so wol der Hebammen / als seiner Frauen grosse Beschenckungen versprochen / wann sie ihn mit einem männlichen Leibes Erben erfreuen würden / wiewol es nicht an ihnen gelegen / und er sie zu nachgehendem Betrug veranlast.
3. Matera und Sevina / die Edle Frau und Amme betrachten diesen Handel / und wurden Raths / im Falle sie mit einer Tochter darnieder kommen solte /wie solche gegen einem Sohn auszuwechslen. Der Amme waren fast alle schwangere Weiber in der Statt bekannt / und fügte sich / daß eben zu selbiger Zeit /eine Müllerin eines Sohns genesen / als Matera zu kreisten angefangen / und mit einer Tochter darnider gekommen. Servina verschaffte genommener Abrede gemäß / daß der Müllers Sohn / welchen wir Cambino nennen wollen / gegen Falsetta der adelichen Tochter ausgewechselt wurde / und liessen solches die Müllerischen Eheleute gerne geschehen / weil sie wusten /daß ihr Sohn solte adelich auferzogen worden.
4. Massino der Edelmann erfreuet sich höchlich über diesen männlichen Erben und verehret sein Weib und die Amme mit versprochener Beschenckung. Die Müllerin hingegen lässet ihr Falsettam / als ihre eigne Tochter / wehrt und lieb seyn; massen alle Mütter die Züchte lieben / welchen sie die Brüste reichen / und sich dardurch gleichsam ihnen einverleiben.
5. Dieser Betrug bleibt so lange Jahre verschwiegen / daß Cambino mit einem ehrlichen Heuratgut versehen / zu dem Stand der H. Ehe schreitet / wiewol er in seinen Sitten nichts adelichs sehen / sondern allezeit den Bauren blicken lassen. Falsetta hingegen /als ein Müllers Tochter erzogen / liesse nicht gemeinen Verstand / und fast ungewohnte höfliche Geberden vermercken. Doch verbliebe das Geheimniß beederseits verschwiegen.
6. Es fügte sich aber / daß Servina die Amme in tödliche [248] Kranckheit fället / und dem Beichtvatter /unter andern diesen begangenen Trug ungescheut bekennet / deß Vertrauens / daß es bey ihme / der an Gottes Statt die Beicht höret / verschwiegen seyn solte. Nach ihrem Todt kan dieser Beichtvatter nicht schweigen / und weil er beederseits bey dem Edelmann und dem Müller wohl bekant war / lässet er sich auß Unbedacht vernehmen / Matera habe einen guten Wechsel geschlossen / aber nur in der Hofnung darauf gewuchert.
7. Kurtz zusagen / die begangene Falschheit wird eröffnet / und Falsetta an Cambino statt von ihren wahren Eltern / hingegen Cambino wider in die Mühl genommen; weil Matera den Wechsel bekennet / und die Müllerin solchen nicht ablaugnen wollen. Diese Veränderung hat ein Rechtfertigung verursacht / in dem deß Cambini Gemahlin das Heuratgut / als eines der burgerlich gestorben / nicht wider geben wollen /der Falsetta Eltern aber solches keinem Müllers Sohn nicht zu lassen gemeinet waren.
8. Dieser Handel wird in kurtzem Landkündig /und weil der Beichtvatter solchen verschwetzet / und es Leib und Leben nicht angetroffen / ist er von dem Bischoff deß Orts seiner Priesterlichen Ehren und Einkunfften verlustiget worden. Was aber in der Hauptsache für ein Urtheil wegen deß strittigen Heuratguts erfolgt / ist mir nicht wissend / weil ich der Orten nicht / biß zu Außtrag der Sachen verblieben /sondern es nur in dem durchraisen zu Amiens erzehlen hören / als damals das Recht noch schwebte.
9. Nachgehender Fall ist noch mehr zuverwundern /weil nichts Böses aus Bösem erfolgt / wie der Natur gemäß; sondern die Tugend und Unschuld / wider den Lauff der Billigkeit / mit dem Todt belohnet worden. In dergleichen Fällen ist unser Verstand gantz unverständig / und müssen wir auff deß Höchsten allwissende / uns aber unerforschliche Fürsehung / die Sache gestellet seyn lassen.
10. Saturnia / eine von den vornehmsten Frauen in Cordua / war verheuratet mit Craton / einem Spanischen Rittersman / und lebten mit gutem Begehen /daran / nach Zeugniß [249] der Schrifft / Gott ein sonders Wolgefallen hat. Es begabe sich aber daß Auxant /Cratons vertrauter Freund / sich in Saturniain verliebte / und ihr zu unterschiedlich mahlen solches zu vernehmen gebe: wurde aber allezeit mit der Antwort abgewiesen / daß sie ihrem Ehewirth die gegebene Treue nit brechen / und in eine so sträfliche Sünde keines Wegs eingewilligen könte. Auxant wolte diese Hinderniß auß dem Wege raumen / und lässet den Unschuldigen Craton durch etliche Meuchelmörder heimlich hinrichten.
11. Nach solcher That vermeinte Auxant Saturniam zu trösten / in dem er sich für ihren Freyer angabe /und zugleich sich selbst / als ihres ersten Mannes Mörder unbedachtsam verriete. Diese betrübte Wittib merckte wol / daß dieser der Stiffter / wo nit der Thäter und Todschläger ihres abgeleibten Eheherrns; fasste aber jre Seele mit Gedult / und befahle Gott die Rache / und bate noch für diesen ihren Feind / daß jm d' Höchste reuende Erkantniß seiner Sünden verleyhen möchte.
12. Als sich Auxant verrathen sahe / ist ihm die Liebe entfallen / und hat hingegen sich mit der Flucht / in welcher ihn sein böses Gewissen begleitet / zu retten vermeint. Bald hernach wird Auxant durch einen der gedingten Mörder für den Urheber solcher bösen That angeben / und weil er für Gericht nit erscheinen wollen / wird er seiner Ehre und seiner Güter durch richterlichen Außspruch verlustigt / und lässet sich zu entschütten / vernehmen / daß er solchen Mord / auf Geheiß der Saturnia / angestifftet / welches deßwegen soviel glaubiger / weil sie Auxant nicht beklagt / und rechtlich wider ihn verfahren. Hierüber kommet die fromme Wittib in Verhafft /unnd nach vollzogener Bereitung zum Tode / mit dem Schwert gerichtet worden. Ihr Beichtvatter wuste ihr Unschuld / wolte aber nicht aus der Beicht schwetzen / hat aber so unbedachtsam verfahren / als der / von welchem wir zuvor Meldung gethan / und sie also hinrichten lassen / da er doch schuldig gewesen den Richter zu erinnern / der Sachen besser nach zufragen / damit nicht unschuldiges Blut vergossen werde.
70. Die Beklagten für dem Richterstul Gottes
[250] (LXX.)
Die Beklagten für dem Richterstul Gottes.
Es ist nichts neues / daß man sich für dem Unter-Richter auf den Ober-Richter berufft / wie Paulus / als er von dem Römischen Landpfleger wolte verurtheilt werden / begerte für dem Römischen Käyser seine Sache auszuführen. Wann aber auch der Oberrichter den Beklagten zu kurtz thut / so berufft sich solcher vielmals auf Gott den höchsten Rächer und Richter aller Welt. Also sagte Jacob zu seinem unbilligen Schwervatter Laban; Der Gott Abraham sey Richter zwischen mir und dir (1. Mose 31. v. 53.) und David sagte zu Saul / der Herr urtheile zwischen mir und dir (1. König 24. v. 13.) Also sagte auch Zacharias / als er unschuldiger Weise zum Todt geführet wurde: Der Herr sehe darein und richte es / wie auch erfolgt (2. Chron 24. v. 23.) Der gleichen Wort hette sich auch Saturnia können verlauten lassen / welcher Unschuld hernach / durch Auxant eigne Bekantniß / aber weil zu spat / an den Tag gekommen. Wir wollen hier vergleichen Exempel mehr samlen / und erweisen daß Gott jedes mal darein gesehen / die ruchlosen Frevler gerichtet / und die Gewaltigen gewaltig gestraffet.
2. Johannes Turso ein Richter in Opsal in Schweden / hatte einen unschuldig zum Todt verurtheilt /welcher auf seine Knie nider gefallen und gesagt: Ich sterbe unschuldig / aber dich Richter fordere ich für den Richterstul Christi / daß du noch diese Stund erscheinest / und wegen deines Urtheils Rechenschafft gebest. Der Richter hat hierůber gelacht / und vermeint / der Verdammte wolle solcher Gestalt sein Leben fristen. Es ist aber diesem Unschuldigen kaum durch den Hencker das Leben genommen worden /sihe so rühret den Richter die Gewalt GOTTES / daß er von dem Pferd herab fället / und starr todt ist (Olaus im 14. Buch der Mitternächtlichen Geschichten am 20. Cap.) Hieher gehöret der [251] Spruch deß Propheten Isaia: Ich will wider richten die dich gerichtet haben / spricht der HErr. Cap. 49. v. 25.
3. Franciscus Hertzog in Britanien hat seinen Bruder Egidium / mit welchem er das Hertzogthum zutheilen schuldig gewesen / in Band und Eisen schliessen / fälschlich anklagen und als einen Vbelthäter unschuldig hinrichten lassen. Als er nun den Tod für Augen gesehen / hat er gesagt: Nun mir alle Menschen Hülffe zerrinnet / wende ich mich zu GOtt / und bitte ihn / er wolle meine Unschuld rächen / und meinen Cajinischen Bruder noch dieses Jahr für seinen höchsten Richterstul fordern / und wegen meines Todes Rechenschafft erhetschen / etc. Von der Stund an hat Franciscus die Wassersucht bekommen / und ist selbes Jahr nicht ohne spate Bereuung dieser That dahin gestorben. Æneas Sylvius hist. Eur. c. 43.
4. Also hat auch ein Hertzog in Oestreich einem Rittersmann nach gestellet / und wegen eines auf ihn gefasten Verdachts / in einem Sack zu ersäuffen befohlen. Der unschuldige Mann / bevor der Sack zu gebunden worden / schrie an den Hertzogen / in dem Fenster zu sehend / mit lauter Stimme: Ich fordere dich meinen Todschläger für Gottes Gericht / da ich dich verklagen will / und du nicht wie hier / wirst können Gegner und Richter zugleich seyn. Der Hertzog antwortet; Gehe du vor / ich will folgen. Kurtz hernach fällt er in ein hitziges Fieber / und sagte zu seinen Freunden / daß er nun für dem Gericht Gottes /für welchem ihn sein jüngstersäuffter Bruder gefordert erscheinen müste. Hat also mit zagen und verzagen seinen Geist auffgeben.
5. Ein Teutscher Meister (dessen Namen wir billich verschweigen) wolte zwischen einem Jüngling / und einer sehr verdächtigen Weibsperson eine Heurat stifften. Der Jüngling wuste / daß der Teutsche Meister dieser Dirne nicht feind ware / wolte deßwegen nicht darzu verstehen. Hierüber kommet er in solche Feindschafft / und damit er eine Ursach zu ihm haben möchte / beschuldigt er ihn eines Diebstals / und verdammt ihn zum Strang. Der Jüngling wuste sich unschuldig / und als er mit Weinen und Flehen nichts ausrichten können / [252] flehet er zu Gott / mit hertzlichen Vertrauen / und den beharrlichen Gedancken / daß er diesen Tod mit andern Sünden vieleicht unwissend verschuld: ruffet deßwegen mit grosser Stimme: Ich habe nicht gestohlen / und werde unschuldig getödtet: Gott der Richter der Todten und der Lebendigen /wolle auch meinen Richter nach vierzehen Tagen richten / daß er mich wider Recht und Bilichkeit an den Galgen bringet. Der Teutsche Meister hat auf bestimmte Zeit seinen Geist / mit diesen Worten / aufgeben: Ach weh mir Armen! Ich sterbe nun / und muß für deß Höchsten Gericht erscheinen / da man mir Schuldner messen wird mit der Masse / damit ich dem Unschuldigen gemessen.
6. Hieher gehöret auch / was Herr Ferdinand von Effern (in manual. Politico l. 5. part. 3. f. 382.) erzehlet. Im Jahr 1606. hat ein lustiger Soldat / als er Schildwag stehen sollen / Schertzweiß gesagt: Das Schildwag kommet offt an uns / aber die Bezahlung kommet selten. Diese Rede kommet für den Obersten / welcher also bald bestehlet / man sol den Auffrührischen Gesellen in Band und Eisen schliessen und folgendes Tages aufhangen. Der Soldat war jm nichts böses bewust / und hörte nicht ohne erstaunen / daß er sterben muste. Als er sich wider erholt / und von dem Obristen keine Gnade erlangen können / bricht er in diese Wort heraus: über drey Wochen solt du / eben an diesem Tag / und in dieser Stunde / Gott von meinem Blut Rechenschafft geben.
7. Der Oberste antwortete: das magstu Zagen-Memmen / nicht mir sagen: Du bist kein Prophet /und fürchte ich mich nicht für deiner Bedreuung. Die Aufrührer / wie du / gehören an den Galgen. Weil aber der Oberste beförchtet / daß ihm diese That von den andern Soldaten nicht möchte verstattet werden /lässt er ihn um Mitternacht aufknüpffen / und andern zu einem Abscheu darüber schreiben: der Auffrührer.
8. Nachgehends / als ihm der Oberste nach gedacht / hat er sich zwar Anfangs gefürchtet: jedoch deß unschuldigen Auffrührers Worte nach und nach vergessen. Als er aber auf bestimmten Tag die Hauptwacht um Mitternacht thun wollen / ist [253] er von einer Brucken gestürtzt / und hat den Hals gebrochen.
9. Dieser Exempel könten wir noch viel mehr bey bringen; weil sie aber fast alle gleiche Umbstände /wollen wir dem Leser unverdrießlich zu seyn / nicht ferner fortfahren. Zu Beschluß aber diese Frage betrachten: was darvon zu halten / wann ein Richter für den Richterstul Christi gefordert / oder wann Rache zu Gott über sein Urtheil geschrien wird.
10. Die Oberigkeit ist Gottes Dienerin / welche so wol / als der Allmächtige alles weiß / eine Sache gründlich erforschen soll: Wann nun solches geschehen / und der Richter versichert / daß er nach Gesetzen und Recht gesprochen / hat er sich nicht irren zu lassen / was der Vbelthäter / sein Leben zu retten sage: Jedoch soll ihm dergleichen Ladung für das höchste Gericht Ursach seyn / daß er noch fernere Kundschafft einziehe / und nicht unschuldig Blut vergiesse.
11. Ist aber der Richter zweiffelhafftig / und hat sich übereilet / so soll er nach dergleichen Worten nicht verfahren / und etwa seinem Neid oder andern Ursachen mehr nach hangen / als die Gerechtigkeit erfordert: ja er ist besser gesichert / bey eingewender Genade / welche uns Vbelthätern auch Gott reichlich erzeigt / als bey zu strenger Bestraffung.
12. Schlißlich ist auß den Umständen / wann nemlich Tag und Stund benennet wird / wann der arme Sünder Anzeichen wahrer Busse spüren lässet / daß nicht vermuthlich / er wolle seine Seele in annahenden Todesnöthen ferners betrüben / etc. leichtlich zu spüren / ob solche Ladung aus einem falschen oder guten Gewissen herkomme. Wer zweiffelt / ob er eine Sünde begehe / der unterlässet solches thun sicherer /als daß er verfähret: Ja ein Christ solte die gantze Welte / mit aller ihrer Ehre und Reichthum nicht nehmen / und in einige Sünde wider sein Gewissen willigen.
71. Das widergefundene
[254] (LXXI.)
Das widergefundene.
Wie sich die Flammen unter der Aschen / das Feuer in dem Schwefelstein / und das Gras unter dem Schnee erhält / also findet sich zu Zeiten die Frommkeit bey den Bösen / ob wol selbe mehrmals unerkantlich /und von äusserlichem Ansehen nit zu erkundigen / ja wie die in dem Winter erstorbene Bäume in dem Lentzen wider ausschlagen / sprossen / Blut und Früchte bringen; also haben solche Bäume der Gerechtigkeit / wann sie nicht abgestorben in Sünden /noch etliche Wurtzelfäserlein / durch welche sie guten Safft ziehen / und zu begebener Zeit Früchte bringen.
2. Nach dem wir nun in vorhergehenden Erzehlungen gesehen / wie Gott das Böse gestraffet; wollen wir in gegenwertiger anführen / wie er auch das Gute /und zwar bey Raubern / nicht unbelohnet lässet: Wiewol solches nur nach dem Vorsatze gut zu nennen /und nicht durchgehend: Allermassen auch die Türcken ihren Pferden und Hunden Almosen geben / und gutes zu thun vermeinen; lassen aber hingegen die armen Christen verhungern / und in harter Dienstbarkeit stecken: So blinder Eifer ist auch bey dem Kauffmann gewesen / von welchem wir reden werden / und heist es / wie Paulus sagt / mit Unverstand eifern.
3. Sabin ein Genuesischer Handelsmann / hatte auff seiner Ruckraise von Neapels viel Waaren / und fast sein gantzes Vermögen bey sich / als er an den Toscanischen Grentzen ein ungestümmes Hagelwetter auszustehen zwey Finger breit (so dick nemlich das Schiff) von den Tod / mit Wind unn Wasser streiten muste. Die verwegne Schiffer wusten keinen Trost aus Erfahrenheit zu geben / und lernete die Gefahr auch die Gott- und Ruchlosen beten / nach dem Zeugnuß der Schriffte Trübsal lernet auf das Wort mercken.
4. In solchen Nöthen solte Sabin mit den Jüngeren zu Christo seine Zuflucht genommen / und gesagt haben Herr hilff uns / wir verderben: Er hat aber sein Vertrauen auff [255] das Marienbild zu Savona gestellet /und vermeint / daß der Mutter Gottes wie den Menschen mit kostbaren Geschencken und Verehrungen bedienet sey / deßwegen zween silberne Leuchter dahin zu schaffen gelobt / wann ihn dieser Himmels Königin Fůrbitt auß der Gefahr erretten würde.
5. Nach erlittenen Schiffbruch ist Sabin auf einer Sandbencke mit allen seinen Gefehrten und Waaren glücklich errettet worden / und weil Liborno in der nähe / das Wetter auch nachgelassen / sind diesem verunglückten Schiffe andre zu Hülffe kommen / und alle wol in den Hafen eingeholet worden. Sabin war der Gefahr auf dem Wasser entkommen / unnd wolte lieber zu Lande seine Raise fortstellen / ob gleich der Weg weiter / und beschwerlicher.
6. Zu Luca wird er seines Gelübds einträchtig / und erkauft alldar zween grosse silberne Leuchter / verwahret sie in neuen Futralen / und führet sie auf seinem Pferde mit sich. Wer den Weg von Luca auf Genua geraist / wird erfahren haben die hohen und verdrüßlichen Berge / welche solche Landschafft unterscheiden / und gehört oder gesehen / die Landsflůchtigen Rauber so die Wege unsichtbar machen /und die vorůber rätsenden zu Lande Schiffbruch ihrer Güter leiden machen.
7. Unter diese Rauber ist auch Sabin gefallen / und hat sich / auß Lieb deß Lebens / von ihnen außplündern lassen müssen. Er erzehlte wie es ihm ergangen /daß er dem Marienbild zu Savona sein gethanes Gelübd zu bezahlen gewillet / und bittet sie wollen ihm doch nicht abnehmen / was ihme das grimmige und unbarmhertzige Meer übrig gelassen. Als er aber sich in noch grösserer Gefahr befande / gelobte er noch eine silberne Lampen / wann ihm der Mutter Gottes Fürbitte aus dieser Bluthunde Handen retten wůrde /welches zwar mit Verlust alles dessen was er bey sich gehabt geschehen / daß er kaumlich mit dem Leben entrunnen.
8. Unter diesen Raubern waren zween / welche wir mit den Namen Volpius und Rusilons unterscheiden wollen / deren der erste noch eine Neigung zu den vermeinten guten Wercken / und wolte seinen Gesellen bereden / er solte seinen Leuchter / welcher [256] ihme das Loß zugetheilet / gleich den seinigen an benamtes Ort verehren. Rusilion aber will ihm kein Gehör geben / wol wissend / daß bey ihrer Hand Arbeit noch Segen noch Heil dardurch zuerkauffen. Sein Götz war sein Geitz und Silberklumpen / an welchen er das Hertz gehangt; und seinen Gesellen mit seiner silbern Andacht geschertzet und verlachet.
9. Volpian erhandelt endlich den Leuchter von Rusilon / und bringet beede nach Savona. Dieser Genueser war deß Lands verwiesen / wegen Verdacht einer Mordthat / welche er nicht begangen hatte; und so wol auf seinen / als seiner Gefährten Häupter 1000. Ducaten verruffen / benebens der Landshuldigung dessen / so dessen andern Haupt bringen würde. Es begibt sich aber / daß ein andrer / in einem Busch dem Rusilon eine Kugel durch den Leib jaget / daß er also todt zu Boden fället: Dieses diente Volpin zu einem Abschiede / solches bösen Lebens / daß er seinem Gesellen das Haupt abhauet / und es nach Genua bringet, deßwegen auch wider auf freyen Fuß und zu den Seinen kommet.
10. Säbin gelanget inzwischen nach Genua / lässet zween andre Leuchter gleich den ersten und die Lampen machen / seine Wappen darauff stechen / und eilet sein Gelübd zu bezahlen. Als er aber nach Savona kommet / sihet er seine beede Leuchter / welche ihme die Rauber abgenommen / alldar / und erkennet sie an seinen darauff gestochenen Wappen / und deß Goldschmids zu Luca Arbeitszeichen. Ob er sich hierüber verwundert / und es als ein Wunderwerck außgeschrien ist leichtlich zu erachten.
11. Nach dem er nun wider nach Genua kommen /findet er Volpin / und verstehet von ihme den gantzen Handel. Ob nun wol dieser jn berauben helffen / hat er doch das beste darzu geredet / dz er nit ist ermordet worden. Diese beede werden mit einander gute Freunde: massen die Gefahr ein starckes Band ist die Gemüther zuverknipffen / wann sonderlich eine Gleichheit der Sitten darzu kommet / wie bey diesen beeden geschehen / nach dem Volpin auß seiner Abnahm sich bekehret hatte / und sein Leben geändert.
[257] 12. Was von dergleichen Gelübden zu halten / fallen unterschiedliche Meinung. Wahr ist es was dorten von Job gesagt wird: alles was ein Mann hat / lässet er für sein Leben / cap. 2. v. 4. und wer vermeint durch dergleichen Gold Gelübde sich mit dem Tod abzukauffen / der wird es gewißlich nicht unterlassen / wie hier Sabin gethan. In dem alten Testament hat Gott ernstlich befohlen (1. Mos. 23. v. 25.) Wann du dem Herrn deinem Gott ein Gelübd thust / so solt du es nicht verziehen zu halten / dann der HErr dein Gott wird es von deiner Hand fordern / und wird dir Sünde seyn: Wann du das geloben unterwegen lässest / so ist dirs keine Sünde. Aber was zu deinen Lippen außgegangen ist / soltu halten / und darnach thun / etc. Welche nun ihr Vertrauen und ihre Gelübde nicht zu den Heiligen / als zu Gott richten / werden deßwegen Rechenschafft zu geben haben. Es ist aber ein Almosen das den Galgen verdienet / wann man das übelgewonnene und abgeraubte Gott / oder den Armen geben will / wie hier Volpin gethan. Ist alles Bresthaffte zu opfern verbotten: Wie viel mehr wird solche unreine und sündige Gabe Gott dem Allerheiligsten ein Greuel seyn / wie wir hiervon ein mehrers geschrieben in der L. Geschicht.
72. Die erwünschte Rettung
(LXXII.)
Die erwünschte Rettung.
Es wollen etliche Klüglinge man soll nit sagen / daß sich die Gerechtigkeit Gottes erbarme / oder daß die Barmhertzigkeit Gottes gerecht sey / weil erbarmen und Gerecht seyn gantz widrige Würckungen haben. Es finden sich aber etliche Begebenheiten / darunter auch die vorhergehende eine seyn könte / daß Gott nach einem gerechten Gericht straffet / in der Strafe aber seine Barmhertzigkeit sehen und spühren lässet. In nachgehender Erzehlung werden mir sehen / daß war was der Psalmist sagt: Barmhertzig und Gerecht ist der HErr. Barmhertzig / in deme er durch seine Langmut eine Sünderin zu der Busse leitet: Gerecht in dem er sie zu verdienter [258] Straffe ziehet / und doch wider Barmhertzig / in dem er sie auß der Todesnoth errettet / und erweiset / daß die Hertzliche Barmhertzigkeit alle andere Wercke Gottes übertrifft.
2. Mamerta in einer benanten Handelsstatt in Franckreich / war eine von den jungen Witfrauen /welchen besser ist freyen als brennen / weil sie in solcher in Brunst lebendig Todt: Lebendig dem Leibe nach / Todt aber nach der mit bösen Lüsten angefüllten Seele. Diese verliebte sich in Madoalt einen Hoff nungs-reichen Edelmann / weil er ein einiger Sohn und sein Vatter ein wolbegüteter geitziger und murrischer Mann. Solcher Nißling war in seinem ersten Außflug leicht gefangen / und erfreuete sich von einer so schönen Weibsperson geliebt / und in unziemlichen Wollüsten geübt zu werden.
3. Die Liebe wird nit sonder Ursache mit einem Irrwisch (igne fatuo) verglichen / welcher die / so ihm folgen in einen Abgrund eussersten Verderbens stürtzet. Diese blühende Liebe hat sich bald gewendet in einen fruchtbaren / aber ehrlosen und verfluchten Segen. Madoald bate die Mamerta / sie solte ihre Schwengerung verschwiegen halten / damit er von seinem Vatter nicht enterbet oder nach Amsterdam in das Zuchthauß geschicket werden möchte / weil er noch nicht seiner völligen Jahr / und seine gethane Verlöbniß mit offentlichen Kirchgang und Hochzeit halten vollstrecken könte.
4. Mamerta begibt sich solchem einrathen zu folge / auff ein Dorff / stellet sich als were sie kranck / und dorffte doch ihre Kranckheit niemand offenbahren /Madoald in zwischen vergisset seiner gegebenen Treue / deß Baumens und der Frůcht die er gebauet /raist in Teutschland / und erinnert sich nicht einmahl dessen / so er hoch betreulichst versprochen hatte. Also vergessen die leichtfertigen Jünglinge / deß leichtglaubigen Frauen-Volcks / und heisset es / auß den Augen und auß dem Sinn.
5. Mamerta ist in solchen Nöthen fast verzweiffelt: Sie hoffte / der sie Schanden gemacht / solte sie auch[259] wider zu Ehren bringen / und weil sie sich verlassen sahe / gebrauchet sie unterschiedliche Artzneyen die Frucht in dem Leibe abzutreiben. Als sie nun keine Würckung verspürte / und von Zeit zu Zeit die Geburtsstunde herbey nahet / erkaufft sie / vermittelst einer Summa Gelts / eine Hebamme und eine Magd /die ihr in gröster Verschwiegenheit dienen solten.
6. Also gebiert sie zu gebührender Zeit einen schönen Knaben / den sie in eine Multern auf dem nechst darbey fliessenden Wasser darvon schwimmen lässet. Der Fluß war diesem Mose getreuer als die ungetreue Rabenmutter / und hat ihn zwey Meilwegs von dannen geführet / biß zu einer Mühl / da er von der Můllerin auß dem Wasser gezogen / und mit Verwilligung ihres Mannes / an Kindsstatt ist aufferzogen worden / der Hoffnung seine Eltern zu erkundigen.
7. Nach dem aber deß Müllers einiges Töchterlein gestorben / haben sie diesen Knaben / so sie in der H. Tauff Dioclem nennen lassen / so sehr geliebt / als ob er ihr eigner Sohn wäre. Mamerta inzwischen entladen von ihrer Bůrde / raist wider in die Statt / und sorget nit wo ihr Kind hingekommen / sondern hält darvor / er seye ersoffen und den Fischen zu einer Speise worden.
8. Nach dem sie nun Jahr und Tag auff ihren undanckbaren Madoald gewartet / und auff ihre Schreiben niemals keine Antwort erhalten / schreitet sie zu der andern Ehe / und erzeiget mit Titian ihrem Manne viel Kinder. Anders theils kame auch Madoalt wider /verheuratete sich und vergasse der Sünden seiner Jugend / als ob selbe niemals geschehen / und in aller Menschen Gedancken verjähret weren.
9. Die Göttliche Gerechtigkeit aber / machet der Obrigkeit die Augen auf / unnd schickte daß die Magd / welche der Mamerta Kind besagter massen zu ersäuffen gemeint / wegen dergleichen That in Verhafft kommet / und unter andern auch diese Mißhandlung peinlich bekennet / daß Mamerta gleichfals in Gefangschafft gesetzet wird. Die Warheit kommt an den Tag / und werden beede zu dem Schwert verurtheilt.
[260] 10. Als nun diese Weiber hinauß auf den Richtplatz geführet / findet sich unter dem hauffen Volck ein Laquay / welcher laut schreyet / das die Mamerta seine Mutter / und daß er von dem Müller der ihn aufferzogen / verstanden / wie er ihn vor vngefehr 16. Jahren gefunden / und fühlete er in seinem Hertzen eine sondere Neigung / deßwegen man soll innen halten / wie auch geschehen / und kein unschuldig Blut vergiessen. Was Mamertam anlanget / wird sie wider zurücke geführet / ihre Magd aber muste durch deß Henckers Hände sterben.
11. Der Müller und seine Frau werden über diesen Fall vernommen / und befindet sich auß allen umständen / daß Diocles der Mamerta Sohn / deßwegen sie dann als eine Kindermörderin nicht können gestraffet werden Titian / als er hörte / wie seine Ehefrau von Modoalde listige Weise hintergangen worden / bey ihme aber sich unsträfflich verhalten / hat er ihr solchen Fehler verziehen / und Dioclem seinem Vater /der damahls noch kein Kind erzeuget / heim geschaffet.
12. Hieraus ist zu beobachten / daß nichts im verborgen bleibet / wie lang es auch anstehe für den Menschen. Solte der / so das Ohr gemachet nicht hören / unnd der das Aug gemacht nicht sehen? Ach nein / wie Gott die guten Wercke so in verborgen geschehen / sihet / offentlich vergilt; also bringt er auch die Wercke der Finsterniß an das Liecht / und erweiset / wie Eingangs Meldung beschehen / seine Barmhertzigkeit der Züchtigung und Straffe.
73. Die bereute Vnbeständigkeit
(LXXIII.)
Die bereute Vnbeständigkeit.
In der Schweitz hatte Vilibrod ein Bürgermeister in d' berühmsten Stätte einer einen Sohn / Nahmens Arnold / und trachtete ihn bey seinen Lebeszeiten wol zuverheurathen / ob er gleich noch nit über den Schatten seines Kirchthurns hinaus kommen / und anderer Völcker Sitten erlernet. Dieses alte Teutsche Volck hat noch die unschuldige Einfalt in der unveränderten Kleidung / Reden und Gewonheiten; [261] daß Michael de Montagne vermeint sie tragen deßwegen Lätze / weil sie auch in selben Stücke das Frauenvolck nicht betrügen wollen.
2. In Heuratstifftung folgen die Kinder ihren Eltern / ob sie gleich keine Neigung zu ihren Ehegatten haben / und mehrmals einander nicht kennen / und sehen die Alten ins gemein nach dem Vermögen deß Gelts / und nicht der Personen / so mehrmals gar ungleich an dem Ehelichen Joch ziehen. Wir leben in der güldnen Zeit / in welcher jederman nach Gold sihet /Gold verlangt / und solches für ein allgemeines Maas hält / welches die nichts gelten machet / so dieses Sonnen Metalls ermanglen.
3. Vilibrod hatte nach diesem Schlag sein Absehen gerichtet auf Erdwig eine Jungfrau / welche schöner inwendig (in den Kisten und Kasten) als außwendig in dem Angesicht. Dieses gůldne Kalb solte Arnold anbeten. Der Erdwige Vatter wuste daß Vilibrod seinem Sohne nicht viel mit geben / und seine Neigung mehr zu dem Gelt / als zu der Person gerichtet war /lässt sich deßwegen mit dem Ja- noch Neinwort vernehmen / sondern befahl seinen Entschluß der Zeit /welche ihnen beyrähtig seyn würde.
4. Arnold war gleich einer unbeweglichen Säulen /ein grosser starcker Gesell (das ist ein Schweitzer) auß welchen man vier Spaniolen hätte schnitzen können. Erdwig sahe diesen Aufwarter an als einen Fremden / und gedachte allein / daß / wann dieses grosse Holtz solte brennend werden / daß die Flamme nicht klein sein würde. Der Knab pflegte vielmals mit seiner Liebsten zu reden / und sie wegen deß gůldnen Gesprächs zu lieben / massen der Stachel deß Nutzens so empfindlich / als der Stachel der Wollust.
5. Zu dieser Zeit war Hildigrin / ein Schweitzer in Arnolds Alter und sein Spiesgesell / verliebt in Lucolam / welche die schönste in der Statt / und mehr als andere Verstand hatte. Diese zween nun kürtzten ihre Zeit mit langen Gläsern / welches bey den Schweitzern die gemeinste / und wie sie vermeinen / eine grosse Kurtzweil ist. Die Warheit / welche auß [262] Democratischen Brunnen geschöpfft / sich in das Weinfaß sol gestürtzet haben / hat dieser Freunde Gedancken eröffnet.
6. Arnold lobet den Reichthum / Güter und Baarschafft seiner Erdwig / und verhofft ein mit guten Wein (welches Segen er hoch gehalten) überschüttes Leben / in künfftigem Ehestand zu haben. Hildigrin hingegen rühmte die Schönheit Lucola / und sagte daß vergnügte seyen die gröste Freude / zu dem war Lucola keine arme Jungfrau / und hatte noch ein ehrliches vermögen: Hierüber schertzten diese beede /unnd musste Arnold gestehen / daß Lucola viel schöner / als Erdwig / wiewol sie an Stand und Ehren einander gleich / am Verstand aber hatte Lucola mehr Vermögeiis / wie Erdwig an Reichthum.
7. In dem sie nun ihre Bulschafften / also auf die Schnellwage legen / wolte Arnold die in der gantzen Statt berühmte Lucolam genauer betrachten / ob er zwar nur seine Augen in dem Kopff hatte / so musste ihme doch diese Schönheit auch das Hertz eröffnen /und mehr Liebe gegen Lucolam als Erdwig erwecken. Diese Unbeständigkeit ist mehr zu verwundern bey einem Schweitzer / der wie ein viereckigter Glotz fast unbeweglich war / als bey einem leichtgeistigen Frantzosen. Gleich wie aber der Schütz / welcher mit seiner Hand zu zittern pfleget / niemals den Zweck treffen wird / also hat die Unbeständigkeit kein gewisses absehen / und bringen solche Fehler Leid und Reue.
8. Zu Bestättigung dieser neuen Liebe redet Arnold sehr schimpflich von Erdwig / daß sie so ungestalt /und vielmehr eine Artzney für die Liebe / als eine Anreitzung zu derselben seyn könte. Erdwig Vatter werden dergleichen Wort zu Gehör getragen / darüber er sich hefftig erzürnet / und dem alten Vilibrod deßwegen verweißlich zuredet / welcher seinen Sohn bespricht / und befiehlt der Lucola müssig zu gehen /und der Erdwig widerumb aufzuwarten.
9. Der Junge Hacht vermeinte / daß ihme seines Vatters Ambt und Ansehen die Wahl gebe unter allen Jungfrauen; Folgt deßwegen vielmehr seiner / als seines Vatters Neigung. [263] Erdwigs Vater verbietet Arnold sein Hauß / und seiner Tochter / daß sie nit mehr mit ihme reden solte; wiewol beedes überflüssig / weil er sich offentlich für der Lucola Hochzeiter außgegeben / deßwegen auch mit Hildegrin in eine Todtfeindschafft geraten / vnd Lucola Vatter Arnold gebeten /er solt seine Tochter mit so viel auffwarten verschonen.
10. Dieses alles machet Arnold nicht wendig / und als jhm auff eine Zeit Hildigrin hey Lucola Hauß begegnet / hat das Schwert entblösset / und als Arnoldo deßgleichen gethan / haben diese beede zusammen gestrichen / und Hildegrin seinen Nebenbuler halb Tod auf dem Platz liegen lassen / deßwegen er dann sich mit der Flucht retten müssen. Arnold aber ist nach etlichen Monden / vielen außgestandenen Schmertzen und Aufwendung grosser Unkosten wider geheilet worden.
11. Es begabe sich ferner / daß Visard Hildigrius Vatter / an Vilibrodsstatt zu dem dreyjährigen Bürgermeisterampt kommen / und seinen Sohn Landshuldigung zu wegen brachte. Arnold wil sich rächen / hat aber so viel Hertz nicht / daß er solches für der Klingen thäte / sondern sticht ihn mit einem Dolchen / wie wol nicht tödtlich / und konte kaumlich in eine Kirchen entfliehen / darauß ihn entlich der Hunger getrieben / und in Band und Eisen gebracht / er hätte ohne alle Gnaden sterben müssen / wann nicht Hildegrin und Lucola für sein Leben gebetten / als welcher Verehligung inzwischen vollzogen worden. Nach den nun Arnold ohne Hoffnung die Lucolam zu bekommen /kehret er wider zu Erdwig / findet aber die Thür verschlossen / und einen grossen Korb darfür / daß er Ursach gehabt / seine Unbeständigkeit zu bereuen /und seines Vaters Ansehen / welcher inzwischen gestorben / nicht rachgierig oder mörderisch zu mißbrauchen.
12. So ergehet es allen / welche das ungewisse für das gewisse erwehlen / der Eltern mehr verständigen Recht nicht folgen / und ihren ungehaltenen Begierden nachhängen. Recht hat jener die ersten Gedancken mit der Jugend / die nachgehenden und reiffe Betrachtung mit dem Alter verglichen / unnd haben unsre Vätter pflegen zu sagen / daß die Alte was recht [264] ist erkennen / und die Jungen / was recht ist / wissen solten. Ein verständiger und sinnreicher Mann hat hierüber dieses Beyspiel gegeben. Ein Krancker (Arnold) hat ihm von dem Artzt (seinem Vatter) keine Artzney vorschreiben lassen / selbe auch nicht gebrauchen wollen; ist darüber noch kräncker worden / und (der Hoffnung nach) endlich gestorben.
74. Der verdiente Korb
(LXXIV.)
Der verdiente Korb.
Wann Petrus Sprichwortweiß saget: Der Hund frist wider / was er gespyen / bedeutet er die grosse Unbeständigkeit der sündigen Menschen / und vergleichet sie mit den heißhungerigen und speißgierigen Hunden / welche sich überfüllen und das was sie von sich geben / wider hinein schlucken. Dieses lässet sich von den Sündern ins gemein / absonderlich aber von den Bulern und Unkeuschen / welche als Hunde ausserhalb deß Himmelreichs verbleiben müssen / sagen; Was ihnen Böses / unter dem Schein deß Guten gefallen / mißfället ihnen bald hernach / und verlangen nachmals / was sie verachtet; oder ihr Lust wird in Unlust / und ihr Unlust wider in Wollust verwandelt /daher der Poet von einem solchen recht sagt:
Er lacht und weinet bald er gehet und stehet still /
er will und will es nicht: frag ihn doch was er will?
In vorhergehender Erzehlung haben wir einen solchen Sinn an Arnoldo gesehen / und wollen dergleichen von einer Jungfrauen / die wir Falcidiam nennen wollen / in dieser vernehmen: bevor aber beobachten /daß diese und dergleichen Geschichte sonder seltne Umstände / mit einer sonderlichen Zier der Wörter und Gleichnissen beliebt gemacht werden können.
In Poitirs hatte ein Edelmann Anastasius genant /einen Sohn / welchen wir Nicolin benahmen wollen /ein Jüngling von guten Sitten und trefflichem Verstand: Dieser verliebte sich in Falcidiam / und diente ihr mit solcher Ehrerbietung / daß er auch die Undanckbarkeit selbsten zu schuldiger [265] Belohnung hätt bewegen sollen. Diese Jungfrau aber hat ihn nicht nur gleich andern / ohne Gegenlieb / sondern mit Verachtung und Beschimpffung angesehen / daß er wol fragen sollen wie jener. Ach wann das Frauen Volck also verfähret mit denen die lieben / was haben diese zuerwarten / welche sie hassen? An Reichthum und Herkommen hatte sie sich über ihn nicht zu erheben. An Schönheit war er ihr / nach seiner Art weit vorzuziehen. Es finden sich in der Natur verborgene Freund-und Feindschafften / deren Ursachen uns unbewust wie auch unter den Menschen: daß Falcidia / auff befragen / warumb sie Nicolin nicht liebte / kein andere Ursach einwenden können / als diese / weil sie ihn nicht liebte.
3. Nicolins Vatter sahe daß mit genöhtigten Hunden übel jagen sagte deßwegen / er solte diese Verächterin wider verachten / und Sandrinam / einer reichen Wittiben einige Tochter aufwarten / welches er auch seinen Eltern zu gehorsamen / mehr auß Höfligkeit / als auß Liebe / gethan. Sandrina sahe wol / daß ein widerwertiger Wind diesen Edelmann an ihr Ufer getrieben / und ob sie wohl von ihrer Mutter Befehl /gegen diesen neuen Freyer freundlich zu seyn / hätte sie doch sich so gerne von ihme loß gewürcket / als Nicolin von ihr kommen were: dergestalt daß diese beede leichtlich zu scheiden.
4. Auff eine Zeit sagte sie zu ihm ungescheut / als ihm in dem spatzieren gehen der Wind den Mantel gleichsam von dem Leibe wehen wollen: Er möchte gleichfals seinen Sinn entdecken / und bekennen / daß Falcidiam in dem Hertzen / sie aber mit Worten liebte / und were sie so einfältig nicht / daß sie solches nicht erkennen solte / etc. Nicolin bekennte solches frey herauß. Ihr thut recht / sagte Sandrina / daß ihr den Nahmen eines Beständigen verdienen wollet / und zu dem würdet ihr bey mir nichts nicht außrichten / weil ich einem andern versprochen bin / von welchem ich nicht mehr kan getrennet werden / als durch den Todt / etc. Hierauff fragte Nicolin / wer doch der glückselige were / so von einer solchen Schönheit geliebet würde. Nach deme sie sich eine zeitlang [266] bitten lassen / hat sie nachgehenden Inhalts ihre Liebe er zehlet.
5. Mein Herr. Ob ich wol billich verschweigen solte was ich sagen werde / in Betrachtung die Männer den Weibspersonen das Gesetz der Verschwiegenheit ob alle andre vorgeschrieben; so trag ich doch keinen Scheu meine ehrliche und künftig ehliche Lieb zu offenbaren / von der meine Eltern / und fast alle die mich kennen / bereit Wissenschafft haben. Wisset deßwegen / daß mir meine Frau Mutter / als eine verständige Matrona die Wahl und den freyen Willen gelassen / welchen auch die unverständigen weibliches Geschlechts haben / und habe ich solchen unterworffen / auf gut befinden derer so mich in die Welt geboren / Antelin einen Edelmann von Saintongeris der die Blum seines Landes / wie sein Land der Ruhm dieses gantzen Königreichs ist. Diesen liebe ich / weil er mich geliebt / auf solche Weise wie ehrlichen und unsers Standspersonen wol anstehet. Rogor sein Vatter wolte ihn an einen höhern Ort anbringen / und ihm vermählen Calliope eine Jungfrau / die einem wäxernen Bilde gleichet / (welchem nichts ermangelt als die Rede) ein mehrers wil ich von ihrem Verstand nicht sagen. Ich habe nicht Ursach mit ihr zu eifern / weil sie Antelin so sehr hasset / als er mich liebet / und lieber sein Leben ohne Weib / als mit dieser zubringen will / ungeachtet ihme sein Herr Vatter deßwegen stetig in den Ohren lieget. Solcher Verdrißlichkeit zu entfliehen / ist er in Welschland verreist / von dannen er mir schreibet und beharrlich versichert / daß er alle die feile und wolfeile Schönheiten der Orten ihme auch geschenckt / nit gefallen lasse / welche er nicht anderst / als schöne Gemähle / wie sie auch durch ihren Schminck und Anstrich billich zu nennen betrachtet. Urtheile nun mein Herr / ob ich Ursach habe / den Beständigen zu lieben / welchen noch eine reichere noch seines Vattern Befehl / noch die Abwesenheit von mir wendig machen können. Ich weiß wohl /daß mein Mutter / welche mich gerne verheuratet wissen wolte / befürchtet / daß Antelin / der Jugend flichtige Sinne nach / meiner vergessen werde / [267] und auß dieser Beysorge hat ihre aber nicht meine Gedancken auf einen andern gerichtet: Sie wird aber sich wol betrogen finden / als deß Herrn Vatter / in dem er vermeint / er soll von Falcidia ablassen. Lernet also von mir beständig bey der erstgefassten Lieb zu verharren / und versichert euch daß Falcidia so wohl eine Jungfrau als ich / sich endlich wird erbitten lassen: ja das harte Holtz / welches langsamb zu brennen beginnet /gibt eine so viel wärmere Flamme.
6. Diese Erzehlung war mit so guter Art begeistert /daß Nicolin seine Höflichkeit in gantz brünstige Liebe verwandelte. Kurtz / ein Nagel treibt den andern: Die Neigung gegen Sandrina / leschte die gegen Falcidia gantz auß seinem Sinne. Der Schiffer / welcher zwischen unbeweglichen Felsen zu schiffen suchet / wird in dem Schiffbruch umkommen. Sandrina weiset ihn an Falcidiam / er ist aber so thöricht verliebt / daß er sich nicht wil weisen lassen.
7. Als nun Falcidia sehen müssen / daß Nicolin sie verlassen und einer andern nacheilet / beginnet sie auß Neid zu erfahren was Liebe sey / unnd wil ihren Leib oder Liebeigenen Knecht nicht frey und einer andern überlassen / welche ihr an Schönheit und Tugenden überlegen. Diese Eifersucht quälte sie so sehr /daß sie mit ihrem Verlust Sandrinam nicht wolte gewinnen machen / und trachtet auf vielerley weise Nicolin wider an sich zu bringen / fande sich aber von ihme so verächtlich gehalten / als sie zuvor auch ihme gethan / unnd mit gantz gleicher Müntz hezahlet.
8. Wann ein ehrgeitziges Weib verachtet wird von deme / der sie zuvor gleichsam angebetet / muß ihr zu Hertze seyn wie der Diana / von welcher Syreno in ihrer Gegenwart / wiewol unwissend / also gesungen:
Ein mehrers ist hiervon zu lesen in dem dritten Theil der schönen Diana an dem 185. Blat.
9. Es fügte sich aber / daß Calliope durch den zeitlichen Tod hingerissen wird / und Rogor seinem Sohne wider zu kommen schreibet / mit versprechen /daß er ihme seinen freyen Willen zu Heurathen lassen wolle. Antelin antwortet / daß die Wahl bereit geschehen: kommet also wider und setzet sein gethanes Eheverlöbniß mit Sandrina zu Wercke / machte also der Falcidia eine neue / aber vergebliche Hoffnung.
10. Nicolin entschleusst sich solchen Verlust durch den Krieg in Flandern zu vergessen / und sich so wol einen dapfern Kriegsmann / als einen löblichen Hofmann zu erweisen / findet aber einen grossen Unterscheid / daß er deß Kriegs bald genug. Er bedencket bey sich / deß er bey Falcidia auf gantzer Haut schlaffen können / unnd von einer so schönen Jungfraw beharrlich geliebet werde: ja daß ihm solcher Haab Gut die beste Beute seyn würde. Mit diesen Gedancken begibt er sich auf den Rückwege / und erfähret zu Angris / was sich inzwischen zugetragen.
[269] 11. Falcidia ist auß grosser Betrübniß in ein hitziges Fieber gefallen; Viel lange Tage von Nicolin gefabelt / und endlich ihren Geist aufgeben. Hierüber betrübte sich Nicolin billich / und musste erfahren /daß ihm der Todt / wie vor er der Falcidia / den verdienten Korb gegeben. Solches gienge ihm aber noch mehr zu Hertzen / als er gehöret / Falcidia habe auf ihrem Todtbette betrauret und bereuet / daß sie ihn erstlich so unbedachtsam abgewisen / verachtet und verlachet. Damit er nun seine Traurigkeit mässigen möchte / ziehet er nach Pariß / und findet alldar eine andere / die der Falcidia Stell ersetzete.
12. Also finden sich noch aller Orten Leute / die den Geist deß Widersprechens haben / auf keiner Meinung beständig verbleiben / alles wollen was andere Leute nicht wollen / und ihre Meinung so vielmahls ändern / als der Mond sein Angesicht: Wehe dem der mit solchem Schwindelgehirn muß zu thun haben: Wol dem der ihrer müssig gehen kan. Und ist die Unbeständigkeit ein Kennzeichen eines schwachen Verstands / in dem man das beste zu wehlen nicht entschliessen kan.
75. Die Wahnsinnigen
(LXXV.)
Die Wahnsinnigen.
Die Gauckler und Seildantzer / wie auch andre / welche Trauer- und Freudenspiele auff den Schauplatz bringen / pflegen allezeit einen oder mehr Narren einzuführen / das Volck / welches an ihres gleichen groses Belieben träget / durch abentheurliche Possen zu belustigen. Zu Ende dieses dritten Theils wollen wir von etlichen Wahnsinnigen / welche mit der Vernunfft einen Anstand gemachet / hören / und damit diesen Theil beschliessen.
2. Zu Sevilla in Hispanien / war ein Doctor in dem Narrenhauß / welcher nach etlichen Jahren wider zu recht kommen / und erwiese seinen vorigen Verstand in reden und schreiben / sonderlich aber in einem Brieffe / welchen er an den Ertzbischof aufgesetzet /jn gebührlich bittend / er wolle jm die Gnade thun /daß er auß diesem Elend möge errettet werden / nach dem ihn Gott durch seine Barmhertzigkeit / zuvölligem Verstand [270] widerumb verholffen. Beklagte benebens seine Freunde / daß sie seine Güter inhändig und solche mit falschem vorgeben / er sey nicht bey Sinnen / an sich gebracht. Der Ertzbischoff befihlt einem von seinen Dienern / er solte diesen gewesnen Narren besuchen / und nach befindung seiner Person / wider auf freyen Fuß stellen. Der Verwalter im Narrenhauß sagte zwar / daß dieser zu Zeiten eine Erleichterung seines Unverstands / falle aber bald wider auf die alte Thorheit / wie er / mit ihme redend leichtlich werde abnehmen. Der Diener spricht mit dem närrischen Doctor / und verstehet von ihm / daß dieser Narren Hoffmeister von seinen Freunde Geschencke genommen / und ihn länger alldar aufzuhalten begehre: musse also / wegen seines Reichthumbs / bey gutem Verstandt für einen Narren gehalten werden. Der Diener will ihn so bald mit sich zu dem Ertzbischoff führen / und deßwegen verschaffte er ihm die Kleyder wider / welche der Verwalter nit wollen hergeben /und sich deßwegen noch verdächtiger gemacht hatte /biß endlich der Ertzbischoff schrifftlichen Befehl deßwegen ergehen lassen. Der Doctor sihet sich nun als ein verständigen bekleidet / und bittet deß Ertzbischoffs Diener / er solte ihm verlauben / daß er von den andern Narren / seinen gewesnen Gesellen Urlaub nehmen möge. Der Diener willigte gern darein / und gienge selbsten mit herumb. In der ersten Gefängniß fanden sie einen närrischen Studenten / welchen der Doctor anredete / ob er etwas seinen Freunden zu befehlen / er wolte nun hingehen / und ihm dienen / weil ihm Gott die Gnade gethan / und wider zu völligem Verstand geholffen / etc. Der Student sagte zu den ümstehenden / sie solten zusehen was sie thäten / in dem sie diesen Narren für verständig erlassen wolten /und wissen / daß er auff der Erden Jupiter were / welcher sie mit Donnerkeulen in den Erdboden schlagen /und die gantze Statt verbrennen wolle; oder ja / daß der Unschuldige mit dem Schuldigen nicht verderbe /wolle er das Hauß in welches sie hingehen / also bald mit Hagel und Schlossen in den Brand bringen. Hierauf antwortete der Doctor: So soltu wissen / daß ich Neptunus bin / und alles [271] was du anzündest mit Wasser wider leschen will: deßwegen lasset mir nur meine Freyheit / es soll keine Noth haben mit dieses Jovis Feuer. Als der Diener solches gehört / hat er den Neptuno die Doctors Kleyder lassen außziehen / und wider in sein Kämmerlein versperren.
3. Einer hat ihm eingebildet / er sey von Thon und ein irrden Gefäß / deßwegen jedermann zugeschrien /man soll nicht an ihn stossen / daß er nicht zerbreche.
4. Ein andrer hat ihm eingebildet / er trage Himmel und Erden wie der Atlas / und ist deßwegen gantz eingebogen / als unter einem grossen Last / daher gegangen.
5. Dieser aber war noch lächerlicher / welcher vermeint / er sey enthauptet worden / und habe keinen Kopff / weil ihm solchen sein Fürst / wegen einer Schmachrede / abschlagen lassen. Es hat sich auch ein Artzt gefunden / der ihm versprochen / den Kopf wider aufzusetzen / und hat solches mit einem Hut /der mit Bley außgefüllet gewesen / den er ihme unversehens auff das Haupt gesetzt / verrichtet.
6. Zu Sinea war ein Edelmann / der hat das Wasser nicht lassen wollen / weil er vermeint / er würde damit die gantze Statt ersäuffen. Diesen hat ein verständiger Artzt geheilet; er liesse auf seinem Landgut eine alte Scheuren anzünden / und alle die Diener schrien / daß kein Wasser vorhanden / solches Feuer zu leschen / wann er nun nicht wolte sein Gut in der Aschen liegen sehen / so müste er den Vorrath seines Wassers / welches er viel Tage gesamlet / von sich lassen; Als nun dieser wahnwitzige Edelmann den Brand gesehen / hat er solchen zu leschen / die Blasen erleichtert / und ist also wider zu recht kommen.Schônlin. de Melancholia.
7. Man erzehlt auch von einem / der ihme eingebildet / er sey von Glaß / und deßwegen gebetten / daß ihn niemand wolle anrühren oder zerbrechen / hat man ihn nun zu frieden stellen wollen / so hat man ihn in Stro müssen einbinden / und an statt der Speise kräfftige und nährende Säffte / mit Vorwanden sie in den Gläsern zu verwahren / einflössen müssen. Hiervon ist zu lesen La Novela del Licenciato vodriera en [272] las Novelas Exemplares del Cervantes savedra, auß welches Quixote auch vorgehendes erstes genommen.
8. Ein andrer Melancholischer Kopf ist bey Nacht auffgestanden / und hat mit den Händen getapt / daß er zwischen denselben sich an die Nasen gestossen. Solche Begebenheit hat jn wähnen machen / seine Nasen seye länger als seine Hände / unn allen denen so sich zu ihm nahen wollen / zugeschrien / sie solten sich ja nicht an seine lange Nase stossen.
9. Ein Krancker zu Rom hat ihm eingebildet / er schwime in seinem Bette / und müste ersauffen. Als ihm aber der Artzt gesagt / er habe nie keinen Fisch oder Frosch ersauffen sehen / hat er sich zu frieden gegeben / und für einen Fisch (Stockfisch) gehalten. Hierbey werd ich eingedenck / daß ein einfältiger abgestandene Fische hat sehen in das Wasser werffen /und sich über den Fischer erzörnet / daß er so schöne und grosse Fische hätte ertrincken lassen.
10. Ein Baur meinet / da er im Bette lage / er schliefe / als sein Nachbar anklopfte / fragte er: Wer da? dieser antwortete: was thust du: der Baur: Ich schlaffe noch. Wol sagte der Nachbar / wann du nicht schliefest / wolte ich dich üm deinen Wagen ansprechen. Weil du aber schläffest / will ich wider kommen / wann du erwachet bist / etc.
11. Es geschihet auch vielfältig / daß die Leute ihnen in dem Traum solche Sachen einbilden / daß sie selbe für wahr und unzweiflich halten. Also hat einem getraumt / alle Schiffe so ankommen / weren seyn /und ist also in seinem Sinn ein reicher Mann gewesen. Einem andern hat getraumt sein Fuß were steinern worden / welcher gantz abgestorben war. Die Ursache ist / daß die trüben und dicken Dünste / welche in das Hirn gestiegen / selbes so lang einnehmen / als etwan der Taback einem etliche Tage auß dem Mund riechet und sind manche Weiber / wegen dieser Kranckheit für Unholten verbrennet worden.
12. Die Ursachen solcher Wahnsinnigkeit werden von den Aertzten viel angezogen / sonderlich die natürliche Neigung zu der Traurigkeit / welche die Einsamkeit suchen / viel wachen / [273] grosse Bewegungen deß Leibs / Furcht fasten grobe Speisen und trübes Getränck / insonderheit sollen die Thiere / welche ein schwartzes Fleisch haben / gesaltzene Speisen und Wasser Geflügel / als welche alle düstere Dünste in das Gehirn steigen machen / darzu Ursachen geben. Wie nun der Wein unterschiedliche Würckungen hat /daß er einen lachen / den andern weinen / etliche zancken und rasend machet / also heget auch die Trauersucht mancherley Wirckungen. Es fasset also die Einbildung eine Gleichniß von der Leibsbeschaffenheit / dergestalt / daß die truckner Natur sind leichtlich glauben / sie seyn jrrden und von Thon: welche Blehungen haben / vermeinen sie fliegen in den Lüfften / wie die Vögel / welche viel zehen Schleim in dem Magen haben / bilden ihnen ein / sie liegen in Butter und versincken / etc. Dieses aber gehört den Artzneyverständigen zu beurtheilen anheim /und wie man einem durch Briefe an gute Freunde einen Zehrpfenning ohne Geld geben kan; also kan man auch diese Krancken / ohne Artzney / mit verständigem Einrathen / gesund machen / und zu recht bringen.
Ende deß Dritten Theils.
Vierter Theil
Register der Erzehlungen deß Vierten Theils
Register.
Der Erzehlungen deß Vierten Theils.
76. Zweideutige Wörter
[276] (LXXVI.)
Zweideutige Wörter.
Die Ebreische sprache ist nicht Wortreich / und deßwegen hat ein Wort drey / vier und mehr Deutung /welche offt wenig Gleichheit mit einander haben. Unsere Sprache ist hingegen sehr vollkommen / und hat fast so viel tausend als jene hundert Stammwörter; aber doch findet sich in etlichen doppelter / oder wie es H. Lutherus nennet / verzwillingter Verstand /daher artige Schertze und auch wohl wichtige Irrungen und Rechtfertigungen entstanden. Wir wollen /was wir bemercket / hierinnen kürtzlich anmelden.
2. Ein Edelmann hatte einen guten Falcken; Diesen hörte der Abbt zu St. Gallen loben / und weil der Edelman vermerckte / daß er Lust darzu / verehrt er ihm den Vogel. Der Abbt lässt ihn zurichten / und findet nichts gutes daran / vermeinend daß die Güte in dem wolgeschmackten Fleisch / und nicht in dem Federspiel oder Beitzen bestünde.
3. Also hat auch ein Dorffpfarrer in eben diesen Wort geirret. In seiner Kirchen war das Bild deß Ertzengels Michael auf dem Altar / wegen Länge der Zeit gantz veraltet. Die Bauren berathschlagen in ihrer Gemein / ob man ein gantz neues Bild / wie etliche wolten / oder dieses wider übermalen solte. Der Pfarrer wolte beede Theile zu Freunden behalten / und sagte /der Teuffel were noch gut / aber der Engel sey nichts mehr nutz / man solte nur einen neuen Michel machen lassen. Ein anderer sagte / daß die Wölffe sein Pferd gefressen / welches so gut / daß sie nichts darvon übergelassen als die Beine.
4. Ein Zipperleins Mann sagte / daß er wegen deß Pflasters (vermeinend die Steine auf der Gassen) nicht könne [277] außgehen: der andre vermeinte er hette ein Pflaster über den Fuß / und sagte / er solte ja kein Pflaster gebrauchen / weil die Lufftlöcher dadurch verstopfet würden / etc.
5. Es sagte ein Artzt zu einem armen Studenten /daß kein bessere Artzney für ihn zu finden / als Frauenmüntz / wann er solche könte einnehmen / so würde er bald frölichers Gemüts werden. Der Einfältige Tropf kaufft das Kraut Frauenmüntz und isset es / da doch der Doctor eine reiche Frau verstanden.
6. Es befahle einer seinen Leuten sie solten N. umringen / sie aber verstunden umbringen und tödten.
7. Ein verdorbener Kauffmann klagte / daß er Glaubens wegen vertrieben worden / verstehend / daß er nicht Trau und Glauben mit der bedingten Bezahlung halten können. Der Bischoff aber mit welchem er redete / verstunde / daß er wegen der Päpstischen Religion verjaget worden.
8. Es wurde einem ein Aug auß dem Haupt gestossen: als er nun dem Wund Artzt unter Händen / fragte er; Ob er das Aug verlieren werde? Nein / sagte der Wund-Artzt / dann ich habe es in meinen Händen /und wil es euch mit nach Hause geben zu verwahren. Hierbey erinnere ich mich / was Anton-Perez schreibet: Es sind der Fürsten Augen die Räthe / wann nun das Aug nicht in dem Angesicht / und an seinem Ort stehet / so ist es niemand nutz. Er war damals in dem Gefängniß / und hatte Hoffnung wider an seine Stelle zu kommen.
9. Es hette einer ein Gewett / er wolte so hoch springen / als der höchste Thurn in der Statt. Etliche verstunden es / daß er sich so hoch in die Lufft schwingen wolte: er aber wuste wol daß der Thurn nicht springen konte. Dergleichen Salbader ist auch dieses. Ein Spatz soll ehe ein Metzen Habern essen /als ein Pferd: Die Pferde lieber haben / als Weib und Kind / verstehe die Pferdeselbe haben.
10. Es sagte einer / er wolte hoffen / sein Sohn solte ihme nachschlagen / der Sohn sagte / daß solches wider das vierte Gebott / wann die Kinder solten nach den Vättern schlagen.
[278] 11. Es verspielte einer etliche hundert Reichsthaler / unnd durffte es seinem bösen Weibe nit sagen. Als sie nun fraget / wie das Spiel abgegangen / antwortete er: Mein Gegner hat nichts verspielet / und ich hab nichts gewonnen. Beedes war wahr / dann er hatte verspielet / und der ander gewonnen.
12. Es solte einer Glaubens Bekandtniß unterschreiben / welches er mit diesen Worten gethan: Ich N.N. verdamme alle Secten und Ketzereyen / mit dieser Glaubens Bekantnis: da das Wörtlein mit so viel ist als samt / unn kan auch verstanden werden / als ob er von denen Ketzereyen redete / deren in den Buch gedacht worden. Ein andrer wolte nicht unterschreiben / als in schrifftmässigen Verstand. Unter die Zweydeutigen Reden könte man auch zehlen: daß man mit weisser Kreiden schwartz (verstehe das Wort schwartz) schreiben könne. Daß man keinen Guckuck höre Vormittag schreien. Daß man soll Aepfel sagen /und nit Birn. Welches das mittelste im A / B / C. nemlich der Buchstab B. Welches das mittelste in dem Pater noster. Die Schnur / etc. Diese und fast alle dergleichen Sachen / dienen nur einmal: hernach haben sie die Annemligkeit der Neurung verlohren /und mögen ohne Verdruß zum zweitenmal nicht gehöret werden.
77. Die zween Brüder
(LXXVII.)
Die zween Brüder.
Mit Abtheilung der Güter zertheilen sich die Gemüter / haben die alten Teutschen recht gesagt. Das Mein und Dein läst nichts gemein / unn trennet auch die mit Blutfreundschafft verbundene Brüder und Gesippte. Kein Schermesser ist so scharpff / daß ein Glied od' Aederlein / sondern Schmertzen / von den andern absondern könte: Keine Theilung ist so gleich / daß nicht einer von des andern Antheil etwas verlangen sollte / ja mehrmals alles für seinen Theil haben möchte.
2. Der Adel ist ohne Reichthum / der Reichthum ohne [279] Adel nicht vergnüget / und sind alle Menschen so unsättlich / daß niemand mit seinem Zustand / ein jeder aber mit seinem Verstand zufrieden ist. Dieses wird auß folgender Erzehlung umbständig erhellen /und ist dieser etnstandene Zwitracht zwischen beeden Brüdern in dem vornembsten Parlament zu Pariß außfündig gemacht und Mündlich gestritten worden / wie wir nachgehends hören wollen.
3. Vor Alters hat man von keinem Adel in Franckreich und Teutschland / auß welchem die alten Francken / oder Frantzosen herstammen / gewust / als dem er mit Degen / Schild und Helm erlanget worden / und von den Voreltern mit dergleichen Helden-Tugenden auf die Nachkommen geerbet. Heut zu Tage machet die Feder / und hohe Hof- oder Gerichtdienste / und allem Adel obgesetzt. Daher jener recht ein Schild oder Degen und eine Feder in eine Wagschalen mahlen lassen / in die andere aber einen grossen Beutel mit Geldt / und darüber geschrieben: Die Goltwag adelicher Ehren.
4. Ein solcher mit schönen Gaben gezierter Edelmann war ein Schatz- oder Rentmeister deß Königs in Franckreich / der durch einen grossen Vorgriff einen grossen Titel / und doch wenig Verrichtung ergriffen. Nach dem er nun grossen Reichthum gesamlet / hat sich der Todt bey ihm eingefunden / und gesagt / du Narr / heut wird deine Seel von dir genommen werden / und zugleich dein grosses Vermögen von deinen Händen. Das grosse Gut wird dich nicht retten an dem Tag deß Zorns / sondern dich verdammen / weil du deinen Trotz und Trost darauff gesetzt. Der Golt Gott / welcher auß der Erden kommet verstösset in die unterste Hölle / unn wird dein Leib und deine Seele seyn / wo dein Schatz ist hergekommen.
5. Dieser Pfenning Meister hatte nun viel Geldts /unnd ligende Güter hinterlassen / zwo Töchter bey seinen Leibszeiten außgesteurt / und was übrig seinen zweyen Söhnen / zwar ohne letzten Willen erblich zu geeignet. Die ligende Güter waren zinßbare Bauren Höfe / welche er mit Eigen und Erbgerechtigkeiten /so er beedes mit List und Gewalt an sich gebracht /[280] für Aderich dargeben wolt / wider herkommen und den unlangbaren Augenschein. Der älteste Bruder wolte für seinen Antheil alles behalten / nach dem Recht der Erstgeburt bey den Edelleuten. Der jüngste wolte den richtigen halben Theil haben als ein gemeiner Mann / und seines Bruders Gnaden nit leben / und sich mit einer schlechten Außstaffirung abweisen lassen.
6. Also wolte der älteste durch alle Wunder ein Edelmann / der jüngste aber lieber ein reicher Baur /als ein armer von Adel seyn. Die Gerichtlichen Sachwalter / oder Advocaten / welche auch das unstrittige strittig machen können / bringen diese Sachen erstlich an das Untergericht / nachmals als der jüngste ein widriges Urtheil bekommen bey dem Obergericht an /und war die Sache für nachtheilig und nachdencklich gehalten / wie sich auch die Zungendrescher fůr und wider den Adel meisterlich hören lassen.
7. Der Sachwalter deß ältesten rühmte die wohlgelaisten Dienste / die Ehrentitel deß Königlichen Ambts die Verrichtung aller derer / so solche hohe Stelle betretten / ja daß deß Königs selbsten Unehre wäre / wann er einem unedlen Pöbelmann oder unverständigen Bauren seine Renten und Einkůnfften an vertrauen solte. Was der Adel zu Kriegszeiten / das verrichten die Königliche Beambten in Friedenszeiten / und sind die Diener der Gerechtigkeit / welcher Schwert sie führen / wie hingegen die Adelichen Personen ihre Degen vielmals zu der Ungerechtigkeit mißbrauchen: Kürtzlich schliesse er / daß der Beklagte ohne der Richter Schande / für Unedel nicht könte erkläret werden.
8. Der Wortführer deß jüngsten Bruders / erzehlet das Stammregister dieses Geschlechts / sagend / daß ihr Uranherr hätte einen Drischel in dem / Wappen geführet / weil er gewesen ein armer Taglöhner / der sich mit dreschen nehren müssen. Der Anherr hätte an statt deß Drischels ein Grabeisen mahlen lassen weil er einen Weinberg / zwey Klaffter groß erkauft / und solchen so fleissig gebauet / daß er seinen Sohn hab können lassen in die Schul gehen. Nun habe ihm das blinde Glück das Wappen wider visiret / und eine Schreibfedern darein [281] malen lassen / welche billich in einem schwartzen Feld / wann es der Heroldskunst nicht zuwider stehen solte / weil solche federliche nicht Vätterliche Hoheit von dem fetten Rebenfeld herkommen. Was unterstehet sich aber dieser Gänßkeil? Er will / sagte er ferner / über alle Adeliche Helmzier / oder ja denselben gleich fliegen. Nichts Ritterliches ist in aller dieser anverwandten Geschlecht-Register zu finden / als daß etwan ein Vetter eines Rittermans Pferd beschlagen / und sein Bruder hat es gesattelt. Solcher Gestalt sind sie dem Adel zugethan / unnd könte man ihre Bildniß auf einer gemalten Bauren-Kirchwey finden / aber in keinem Turnier / als mit dem Ebreischen / Spieß / in keinem Krieg /als mit den Gläsern / in keiner Belägerin / als in übersteigung einer Pasteten / an statt der Pasteyen / etc.
9. Hierüber waren die Richter nicht wenig bestürtzet. Eines theils konten sie dem Ambt / welches der ältste Sohn / noch bey seines Vattern Lebszeiten angetretten / die Adeliche Ehre nicht absprechen /weil sie ihnen / und ihren Nachkommen selbsten zu kurtz thun würden: Anders theils war der Unadel so klärlich erwiesen / daß die Theilung der Güter statt haben muste / und eine so grobe Unbillichkeit / nicht ohne Beschimpffung der Gerechtigkeit / zu erkennen. Drittens / war das Gesetz Landkündig / und unwandelbar / daß die ältern Brüder zu Erhaltung Adelicher Geschlecht und Anherrlicher Güter den jüngern mehr nicht / als eine Außsteure zu geben schuldig.
10. Solte man nun die Güter gleich theilen / so müste der Jüngste Theil haben an den erkaufften und wieder verkaufflichen Ambt / weil es ein Stůck deß Vermögens / und solcher Gestalt wird das Mittel /welches sie geadelt für unedel geachtet / weil es zu theilen / wie ein anderes Vermögens / und solcher Adel ist gleich den ächtigen Kindern / welche unehelich geboren / durch nachfolgende Ehe aber für rechte Erben bestättiget und gehalten werden. Der Gelehrten Adel ist wie Jacob / d' deß erstgebornen jägerischen Esaus Recht unterdrucken will.
11. In diesem Streit wollen wir nun nicht Richter seyn / noch jemand ab oder beylegen / sondern den Außspruch in [282] ersterzehlten zween Brüders Sachen vermelden. Nemlich es würde gesprochen / daß der Aelteste für einen Edelmann erkant / und sein Königliches Ambt welches er bey seines Vattern Zeiten angetretten / allein haben und behalten; hingegen aber andere Güter / so viel derselben ligend und fahrend weren / mit seinem Jüngern Bruder gleich zu theilen schuldig und gehalten seyn solte. Mit Vergleichung der Schäden. Also haben beede gewonnen / und beede verlohren / weil der jüngere für keinen Edelmann erkennet worden / und doch seinen Antheil erhalten.
12. Daß ein Unterschied nicht allein unter den alten und neuen / sondern auch unter der Gelehrten Adel /ist auß denen Scribenten / welche von der Herolds Kunst gehandelt / wie auch auß den Turnierbüchern zu ersehen. Der Unterscheid ist vor Alters in den Wappen bemercket worden / wie wir hiervon in unseren Gesprächspielen an unterschiedlichen Orten außgeführt. Heut zu Tage ist diese adeliche Wissenschaft unter der Banck / und gehet es nach Petracha Urtheil /daß wie an den Müntzen die Wappen Bilder und Schrifften an Zier zu / und an der Güte / Schrot und Korn abnehme: also gehe es auch mit den Ehrsüchtigen Leuten / etc.
78. Die bösen Weiber
(LXXVIII.)
Die bösen Weiber.
Der Weiber Boßheit hat einer mit den Truckfehlern vergliechen / und gesagt / daß derselben underschiedlich: als zu Zeiten ist ein Buchstab außgelassen / zu Zeiten verwechselt oder verkehrt / oder der Setzer lieset unrecht / zu Zeiten gar eine andere Sylbe zu viel oder zu wenig / keine Buch aber ohne Fehler / und ein jeder Fehler stehet in allen Exemplarien. Also sagte er seynd etliche Weiber mehr fromm als böß / etliche sind Zornig / Zänckisch / Geitzig / Faul / etliche aber sind Xantippisch böß / und unterstehen sich ihr Haubt wider die Wand zu stossen; er wolte sagen ihre Männer zu schlagen: doch sey ein Fehler in allen Exemplarien doch einer erträglicher als [283] der andere Vielleicht könte man von den Männern auch der gleichen sagen / und ist keiner rein / der nicht mit eben solchen Unarten solte behafftet seyn.
2. Ein Geistlicher hatte auf einer hohen Schule gelehret / daß die Weiber keine Menschen wären: Als er nun auf einer Hochzeit von etlichen verständigen Weibern deßwegen übel angesehen / hat er sich dahin erkläret / daß er sie zwar nicht für Menschen / sondern für Engel halte / welche bey den Menschenkindern wohnen. Als sie nun mit dieser Erklärung sehr wol zufrieden / sagte er sie solten ihm verzeihen /wann er dafür halte / es gebe gute und böse Engel /etc.
3. Ein andrer vergleichte seine Liebste / welche einen Fehltritt gethan / und darüber einen geschwollenen Leib bekommen / mit dem Lucifer / sagend: daß sie / wie derselbe böse Engel / gefallen / etc. Wir wollen hier ein paar böser Weiber auf den Schauplatz führen / und als eine Schalthandlung / zu erfreulichem Gelächter früstellig machen / der Hoffnung / daß auf der hohen Schul der Gedult / wie jener den Ehstand genennet / diese Lehre von den Weibern billich zu treiben.
4. Zu Pariß hat ein Präsident oder Oberrichter deß Parlaments / welchen wir mit versetzten Buchstaben von Paliescare nennen wollen / ein Weib / welches dem Spielen sehr ergeben / und hat es natürliche Ursachen / welcher wegen die Weiber mehr zu gewinnsichtigen Spielen gereitzt werden / als die Männer /wie Paschasius Justus in seinem Buche de Alea umständig anführet. Zu welchem auch diese zu zehlen /daß die Weiber ihre Unvollkommenheit in unziemlichen Begierden / am meinsten sehen lassen / und nicht weniger zu dem Geitz / als andern Lastern geneigt sind / hiervon ist viel zu lessen in dem CCX. CCXXXIX. CCXXXVI. CCLXIV. und andern Gesprächspielen.
5. Dieses Weib spielte auf eine Zeitlang in die Nacht / und wurde von ihrem Herrn zu Bette zu gehen vermahnet: Weil sie aber im Verlust satze / und etliche hundert Cronen verspielet / wolte sie nicht gehorsamen / und muste der Mann allein schlaffen gehen. Nach zweyen Stunden stehet er wider [284] auf / und gebietet seiner Frauen nochmals ernstlich / sie solte zu Bette gehen. Die Frau fienge damals an wider zu gewinnen / entschuldiget sich und kame nicht.
9. Als nun der Tag fast einbrechen wolte / lässet sie ihr in die Kammer leuchten / und wil sich schlaffen legen. Der Mann erwacht / und als ihm die Frau /wegen ihres lang aussen bleibens / schlechten Bescheid gabe / weil sie verspielet unnd unlustig war: Versetzte er ihr ein paar Backenstreiche / darüber dann das Weib ergrimmet / und dem guten Alten / mit Hilff ihrer Magd / empfindliche Stösse widerfahren lassen; entlaufft von ihme in eine andre Kammer / und lässet den Herrn Präsidenten in Gesellschafft vieler bössen Gedancken.
7. Morgens verschweigt zwar der Herr von Paliescare die guten Stösse / klagt aber über seines Weibs Ungehorsam bey der Königin / und bittet umb gnädige Verhelffung. Die Königin sendet etliche von ihren Dienern dahin / und lässet diese Frau in ein Nonnen-Kloster versperren / daß sie darinnen Busse thun /und ihr Unrecht erkennen soll. Nach etlichen Wochen begehrte dieser Herr seiner Frauen wider / sie aber will nicht mehr auß dem Kloster / weil er sie einmal /als eine Ehebrecherin verstossen. Hat er nun sein Weib wider haben wollen / hat er ihr / wie man gesagt / einen Fußfall thun / und sie umb Verzeihung bitten müssen. Laß mir diese ein böse Frau seyn! Heist das nicht böses thun / und Danckbarkeit erheischen.
8. Ein Edelmann pflegte sich täglich zu bezächen /daß er alle Sine verlohre. Das Weib redete ihm mit guten und bösen Worten zu / er solte doch eine andre Kurtzweil suchen; es wolte aber alles nicht helffen /dann die Gewonheit bereit die Natur worden / und die Lebern erhitzt / daß er auch auß Durst truncken zu werden pflegte. Was für eine Freude bey einem solchen Säumann / ist unschwer zu ermessen.
9. Das listige Weib nun bedachte sich auf eine andere / und diese List. In dem Schlaf lässet sie ihn von ihren Mägden lincks und rechts brügeln / und beredete ihn den andern Tag / er were die Stiegen hinab gefallen / und hätte also in allen seinen [285] Sünden den Hals brechen können; er solte doch das Sauffen lassen /und bedencken / in was Leibes und Seelen Gefahr er sich stürtze / etc. Diese Abigail konte ihrem Nabel /bey nüchterm Morgen / das Haar gar kurtz abschneiden.
10. Der Edelmann fragte seinen Knecht / ob er gefallen / und zeigte ihme die grünlich blauen Flecken an den Armen. Der Knecht wuste nichts darvon / und von der Frauen beschuldiget / daß auch er so viel getruncken / daß ihm alle Gedächtniß entfallen / etc. Der Juncker gedencket hinder diese verdächtige Sache zu kommen.
11. Kurtze Tage hernach stellet er sich wider / als ob er truncken / und gantz voll were / befihelet seinen Knechten für der Kammer zu warten / unnd so bald er pfeiffen werde / hinein zu brechen. Als er sich schlaffen leget / kommen auf der Frauen Befehl die Mägde mit den Prügeln wider. In dem ersten Streich erwachet der Juncker / pfeifft den Knechten / und lässet den Mägden thun / was sie ihm vermeint / die Frau aber thut ihm ein Fußfall / und bittet umb schönes Wetter /die denn mit einem paar Maulschellen darvon kommen / von der Zeit aber hat der Edelmann den Wein zu trincken verredet.
12. Hierbey erinnere ich mich der Fabel von dem Löwen und dem Mahler. Der Löw sahe eine Tafel /auf welcher ein Mensch einen Löwen tödete. Ja /sagte er / wann wir Löwen auch mahlen könten / so solten vielmehr Löwen die Menschen / als Menschen die Löwen erwürgend zu sehen seyn. Also wann die Weiber von den Männern zu schreiben pflegten / wie wir von ihnen / solte nicht weniger von den Manns-als Weibspersonen gelesen werden.
79. Die Winckel Ehe
(LXXIX.)
Die Winckel Ehe.
In einer namhafften Statt / an der Loire / hat sich wohnend aufgehalten Voldemar ein Edelmann von altem Geschlecht und ziemlichen Rittergütern. In seinem Männlichen [286] lichen Alter hat er einer wohl zugebrachten Jugend erfreulich genossen / und mit Melita seiner Gemahlin / welcher Schönheit die Tugend ihres Leibs / und Tugend die Schönheit ihres Verstands berühmbt gemacht / viel gesunde / und wol gearte Kinder erzeuget.
2. Von solcher Leibs- und Leibesfrucht wollen wir nur zween Söhne (weil die andern alle Welt verlassen / und sich in den Geistlichen Stand begeben) heraus nehmen / als welche zu dieser Beschreibung fast seltenen Innhalt an die Hand geben. Der älteste / genannt Pyrin / hatte mit dem Nahmen die Recht der Erstgeburt und alle Güter / der jüngste aber Alexander eine geringe Gebührniß zu erwarten / an Tapfferkeit aber und guten Verständniß seinem Bruder gleich und überlegen zu seyn erwiesen.
3. Voldemar hatte eine Vertraute Freundschafft mit seinem Nachbarn Rongon / einem Afftergraffen (Vicecomte) von uralter Ankunfft / und sehr grossen Reich thum. Diese beede lebten in solcher Vertreulichkeit /daß man sie in dem gantzen Landt die getreuen Freunde und guten Nachbarn genennet. Wie nun die Feindschafft / also ist die Freundschafft bey den Kindern erblichen / wann auch die Vätter noch im Leben sind. Drusilla deß Rongon eintzige Tochter hatte mit Pyrin und seinem Bruder gute Kundschafft von Jugend auff / und weil sich dieser Graff ohne Mannserben sahe /welcher seinen Nahmen fortpflantzen könte / wil der Pyrin die Tochter und Anwartschafft der Güter geben / wann er den Nahmen nach seinem Todt ändern / und seine Kinder Rongons nennen wolte.
4. Voldemar hat solches alles für seinem jüngern Sohn Alexander / aber nit für den Erstgebornen mit Danck wollen annehmen. Durch Unterhaltung aber der Freunde (so beeder willen Dolmetscher gewesen) wurde vorgeschlagen / daß der Sohn / welcher von ihnen solte gebohren werden der Namen / und Wappenträger deß Grafens seyn solte inzwischen aber solte Pyrin die zwey Wappen mit beederseits Güthern führen unnd besitzen / wie auch endlich dahin geschlossen [287] worden. Von Alexander wolte Rongon nicht hören / weil es wider Lands Recht eine eintzige Tochter einem jůngern Bruder geben / welche allezeit mit einem Erstgebohrnen unter Edelleuten verheuratet werden soll.
5. Alexander sahe daß dieses Orts für ihn nichts zu gewinnen / und verliebte sich in Laonicam eine wunderschöne Jungfrau eines reichen Beambten / bringt auch die Sache dahin / daß Taxo ihr Vatter ein ehrliches Heuratgut mitzugegeben verspricht / und Voldemar sich nicht abgeneigt / in dieser Verlöbniß zu willigen / vernehmen lässet. Alexander lobte nun seine Liebste / für die Schönste in dem Land / und nimmet seinen Bruder Pyrin mit sich / ihn gleichsam seiner Freude theilhaftig zu machen. Pyrin verliebte sich so bald in Laonicam / unnd trachtete seinen Bruder auß dem Sattel zu heben / und sich hinein zuschwingen. Er wolte sich zwar ihrer ziemlicher gebrauchen / die verständige Jungfrau aber wuste wohl / daß auf solche Liebe ein feindseliger Ehestand / ohne Segen und Gedeyen zu erfolgen pflegte / und muste er mit abschlägigen Worten zu růcke weichen.
6. Sein brünstiges Verlangen dieser Schönheit zu geniessen / triebe ihn endlich dahin / daß er den Taxo ihren Vatter beschwetzt sie ohne Heuratgut zu freyen /und gibt darüber eine Handschrifft / als ob er die völlige Außsteuer empfangen / und machet also / ohne seines Vattern vorwissen / eine einseitige Winckel Ehe / mit Verbot / die Sache in höchster geheime für seinem Bruder / und jedermänniglich zu halten.
7. Nach dem nun dieser Betrug eine Zeitlang verhüllet blieben / inzwischen diß Eheversprechen zwischen Rongon und Voldemar / wegen Drusilla und Pyrin geschlossen worden; muste dieser Handel an Tag kommen. Pyrin war der Laonica müd / und liesse sich gelüsten / der Drusilla Grafschaft / wuste aber nicht wie er sich auß dem Eheband wickeln solte /welches Alexander verkundschaftet / und seinem Vatter Voldemar eröffnet hatte. Pyrin fraget böse Rathgeber / und klaget auß ihrer Veranlassung / daß das Ehegericht diese Winckel Ehe [288] für nichtig und unbindig erkennen solten / als welche er sonder seiner Eltern Einwilligung und Vorwissen / auß blinder Liebe geschlossen.
8. Als Rogon dieses verstehet / und Drusilla keines andern Mannes seyn will / verleuret Pyrin alle Neigung / so man zu seiner Person getragen. Niemand war betrübter als Alexander / welcher wol wuste / daß er die von seinen Bruder geschwächte Leonicam nit freyen kunte / und ob sich wol Voldemar bemühet /die Winckel Ehe unbindig zu machen / sahe er doch wol / daß Rongon nicht mehr wolte gehalten seyn /und die aufgesetzte Heurats Abrede zu unterschreiben und außzufertigen beharrlich weigerte.
9. Beederseits Befreunde werden rähtig / die Sache also zu vermitteln / daß Voldemar seinem jüngsten Sohn / das Recht der Erstgeburt / welches sich Pyrin durch übel verhalten verfestigt / zueignen / vnd die Ehe mit Drusilla abgeredter massen / vollziehen lassen solte. Pyrin hingegen solte behalten / was er jhme selbst genommen / vnd dieses sein Unglück seinem eignen Verbrechen zuschreiben. Also wurden diese Häuser / nach Wunsch vereiniget / vnd die Güter beederseits vermehret. Alexander hat sich auch alsobald erbotten / deß Rongons Namen vnd Wappen zu führen / vnd seinem Bruder den Vätterlichen Namen zu überlassen.
10. Dieser Vorschlag ist also Werckstellig gemachet worden / vnd hat Alexander mit Drusilla seinem Weibe etliche junge Söhne erzeuget / darüber Rongon eine grosse Freude / denen er auch / Lebens satt /seine nützliche Herrengüter hinterlassen / daß sie ihrem Stande gemäß stattlich leben können.
11. Pyrin hatte hingegen / wie Sichem eine Zeit hernach die Beschneidung seines Vermögens schmertzlichst empfunden / und weil er mit der Armen Reichthum / ich wil sagen mit vielen nach Voldemars Todt / noch zu nagen / noch zu beissen /hat er von Taxo das Heuratgut gerichtlich erheischet /daß er auch zu endlicher Vollkommenheit seines Unglücks / eine Rechtfertigung wider seine Handschrifft angefangen / und ist der [289] aufgewandten Unkosten / mit dem Anspruch verlustiget worden.
12. Endlich muste er zu seinem reichen Bruder fliehen / welchen er so schändlich betrogen hatte: fande ihn aber so wolthätig / daß er Böses mit Gutem vergolten / und ihn und seine Kinder versorget und er nehret. Hieher gehöret / was dort David sagt: Die einem andern (ausser Gottes Gebott) nacheilen / werden grosses Hertzenleid haben.
80. Die Friedfertigen
(LXXX.)
Die Friedfertigen.
Selig sind die Friedfertigen / sagt unser Heiland /dann sie werden das Erdreich besitzen. Die grösten Flüsse lauffen friedlich und still daher: Die kleinen Bäche aber vessern und schlürffen in den steinigen Wegen. Freundlichkeit machet Friede / und ein hartes Wort findet einen harten Widersprecher / wie wir aus folgender Erzehlung hören wollen.
2. Keine Statt ist in welcher sich mehr innerliche Unruhen begeben / als in Genua / die viel vornehme Häuser haben mehrmahls ům die Freyheit ihres Regiments gestritten / das sonderlich in Gefahr gestanden /als die Fregosi und Fieschi sich mit ihren Anhängern rottiret. Die Fieschi wolten nicht geschehen lassen /daß Johann Fregosus zum Hertzogen erwehlet würde / und haben mit den Andoruis ihren Gesippten / sich so beharrlich widersetzet / daß der besagte Hertzog entschlossen / Hieronymum / der Fieschen Haupt /hinrichten zu lassen.
3. Octavian / deß Hertzogen Bruder / wolte diesen mörderischen Anschlag nicht billichen / und erwiese bey der Berathschlagung / daß solche Meuchellist wider Gott und den Nechsten einen traurigen Außschlag gewinnen můste. Ungeacht aber dieses Bedenckens / ist Octavian überstimmet / die That auff gut Italianisch angeschicket / die Mörderbuben gemiedet /[290] unnd ihnen Gelt auff die Hände gegeben worden.
4. Octavian hatte keinen Gefallen ab solcher Verhandlung / und weil er auff seiner Seiten / diesen Rathschlag nicht hindern und unterbrechen mögen /lässet er Hieronymū wissen / daß er sich solte hüten /und sich nit mehr auff dem Rathhauß betretten lassen / weil etliche bestellet / welche laurten ihn zu tödten. Hieronymus bedancket sich der wolgemeinten Warnung / will aber keine Zagheit erweisen / und sich den gemeinen Zusammenkunfften entziehen; sondern hintertreibt des Hertzogen Rathschläge wie zuvor ohne Scheu und Furcht.
5. Als er einsten von dem Rathhauß herab gienge /wird er unversehens todt gestochen / und weil einer von den Thätern Handfest gemacht und an die Marterbanck oder Folter geworffen worden / hat er bekennet / von wem er gedinget und solches zu thun befehlcht gewesen. Hierüber kommt die gantze Statt in Waffen / und waren die Fieschi die stärcksten / daß auch der Hertzog mit vielen andern / so ihme bey gestanden getödet worden.
6. Bey so beschaffenen Sachen fluchten die Fregosi zu den Spaniern / wie die Fieschi bey den Frantzosen Hülffe suchten. Inzwischen schreiten sie zu der Wahl eines andern Hertzogs / und wird erkiest Antoni Andräe / einer auß der Fieschen Anhang / wie gesagt. Als aber bald hernach die Fratzosen in Navarra geschlagen worden / haben sich die Spanier ihres Siegs gebraucht / und ihre Macht gegen Genua gewendet.
7. Als nun die Genueser gesehen / daß die Spanier mit einem fliegenden Heere / wider sie im Anzug begriffen / und Octavian mit sich führten / ihn zu einem Hertzog / an seines Bruders Stelle zu machen / berathschlagen sie / was zu thun seyn möchte? Ihr gantzes Vatterland in Augenscheinliche Gefahr zu setzen /und einer solchen Macht / in sehr schwachem Zustande zu widerstreben / wolte sie allerseits unverständig /und unverantwortlich beduncken. Was Raht?
[291] 8. Antoni Andräe der neue Hertzog begnügte sich /daß er seines Bruders Hieronymi Todt gerächet hatte /und thut deßwegen den Vorschlag: er wolle seinem Vatterland zum besten / das Elend bauen / die Hertzogliche Hoheit dem Octavian willig überlassen / und also die Ursache deß gefährlichen Krieges auß dem Wege raumen. Dieser Friedfertige Rahtschlage war mit Verwunderung und sondern Lobspruch deß gantzen Volcks gut befunden.
9. Hierzu aber wurde dieser Hertzog bewogen /durch die redliche That / und das friedliebende Gemüth Octavians / welches er ihme bey seines Brudern Lebzeiten erwiesen / und verhofft auch noch leichtlich mit jme versöhnet zu werden / massen er seine Brüder und nechste Befreunde mit sich auß der Statt genommen / und gebetten / man solte Octavian an seine Stelle beruffen / und zu Erhaltung ihres Regiments erwehlen.
10. Solches wurde auch alles mit guter Vergnügung / friedlich und schiedlich Werckstellig gemachet / und ist Octavian an seines Bruders Stelle Hertzog worden: und hat auch auf Vorbitte der vornehmsten Herren / die Andräen wiederumb in die Statt beruffen / Freundschafft mit ihnen geschlossen / und alle ihre ihme verfallene Güter unverletzt außgehändigt.
11. Durch dieses friedfertige Verfahren / hat er auß seinen Feinden Freunde gemacht / alles Hasses vergessen / seine Gegner zu Handhabung ihrer allgemeiner Freyheit mit grossem Eifer ermahnet / und also wahr gemacht den Spruch unsers Erlösers: Selig sind die Friedfertigen und Sanfftmůtigen / denn sie werden Gottes Kinder heissen und das Land besitzen. Nicht weniger Ehr und Ruhm haben auch die Andräen erlanget / und hätten kein bessers Mittel ersinnen können / ihr Vatterland / und sich selbsten zu erhalten.
12. Mann schreibt / daß der Elephant seinen Zorn verliere / wann er eines Lams ansichtig wird / also solten alle Mächtige ihre Feindschafft fallen lassen /wann sie sich deß Lämmleins Christi erinnern / welches der gantzen Welt Sünden getragen. [292] Hingegen aber müssen fallen und zu Grunde gehen die Gottlosen und Falschen / deren Mund voll Honigs / und das Hertz voll Gallen ist. Die Gewaltigen / wie hier der erste Hertzog Fregosus / müssen wann sie so gröblich sündigen / gewaltig gestrafft werden.
81. Streitfragen
(LXXXI.)
Streitfragen.
Was wir durch das Wort Streitfragen in den Gesprächspielen verstanden / ist auß dem Anhang deß VIII. und letzten Theils derselben zu ersehen. Dieses Orts aber verstehen wir lustige Begebenheiten / welche zu einem rechtlichen Streit Ursach gegeben oder geben können / und wollen wir derselben etliche sammlen; unsern Entscheidspruch aber dem Leser überlassen / welcher nach seinem Verstande / die Richterstelle betretten mag.
2. Ein Fuchs trägt einem Bauren eine Henne darvon / dem begegnet der Jäger und brennet auf ihn loß / trifft aber mit der Kugel die halb todt gebissene Henne / und vielleicht auch denn Fuchs / in den Rachen / daß er die Henne fallen / und dem Jäger hinterlassen muß. Der Bauer lauft hernach / und will seine Henne wider haben / als sein gestolnes Gut / daß er wider nehmen mag / wo er es findet: erbiet sich auch den Schuß Pulver / an statt deß Lößgeldes zu bezahlen.
3. Der Jäger sagt / daß die Henne sein seye / weil er es seinem Feinde dem Fuchsen / als einem wilden Thiere / abgenommen / und seye er nicht auf der Bauren Henne / sondern auf das Wildpret bestellt / wünschend / daß der Fuchs ihme einen Oxen möchte wegtragen / und er könte ihme solche Beute abnehmen /die / nach Jäger Recht / sein würde / weil das / was der Fuchs einmal in dem Rachen / nicht mehr deß Baurens / sondern deß Fuchsens seye / etc.
3. Der andere Fall mit der Henne verhält sich also: Es hat einer etliche schöne Hüner / die befihlet er seinem Freunde / [293] in seinem Abwesen wol zu versorgen; die Eyer sollen für seine Bemühung seyn / und auff seine Widerkunfft / wolle er ihm die Atzung / so er auff die Hüner gewendet / mit grossem Danck bezahlen. Es trägt sich aber in dessen Abwessenheit zu /daß das Getreid sehr theuer wird / und die Hüner zwey- ja dreymal mehr verzehren / als sie werth sind.
4. Wie nun der Herr der Hüner wider kommet / heischet ihr Kost Herr fůr jedes Hun 2. Reichßthaler /und erweiset / daß die Atzung so viel gekostet. Der ander ist nicht mehr geständig / als zu Zeit seines Abreisens das Getreidt gekostet. Hierüber kommen sie fůr den Richter / und wollen beede recht haben. Der Kläger will das Atzerlohn / der Beklagte will ihm die Hennen für seine Forderung heimschlagen / die weigert er anzunehmen.
5. Der dritte Fall ist mit einem Esel. Ein Fischer führet seinen Kahn / oder Fahrt an das Ufer / hat aber keinen Strick solche anzubinden. Deß Müllers Esel will trincken / und weil das Wasser an dem Strand etwas trüb / steigt er auff die Fahrt / und beweget es dadurch dergestalt / daß sie mit ihm den Strom nach darvon fähret / und wie etliche melden / zerscheidert daß der Esel ersäufft.
6. Der Müller beklagt den Fischer / daß die Fahrt oder flache Schiff ihme seinen Esel darvon geführet /und bittet ihme die Widerstattung auffzulegen. Der Fischer hingegen klaget / daß ihme der Esel die Fahrt hinweg / und von dem Land getrieben / will solche wider haben. Der Müller solte den Esel / der Fischer die Fahrt angebunden haben. Was ist zu sprechen?
7. Der vierte Fall ist von Affen. Ein Italianer schreibt von Genua / sein Mann in Hispania solle ihme 102. Affen senden (das o ist so viel als ove, oder) der Kauffmann sendet 53. weil er nicht mehr bekommen können. Der Genueser beklaget sich / daß er so viel nicht befohlen / sondern nur einen / oder zween haben wolle / welches er leichtlich errathen können / der Hispanier sagt / daß die Schuld sein /weil er deutlicher [294] schreiben können / und will die Affen nicht wieder annehmen. Hierüber ist eine grosse Rechtfertigung entstanden.
8. Der fünffte Fall ist von Schafen. Ein Kauffmann sendet eine Heerde Schafe über Meer. In dem Schiffe schläfft der Steuermann / und ein Widder darunter stösset ihn mit den Hörnern / daß er sich in dem Schlaf darüber erzörnet / und den Widder in das Wasser wirfft: Als solches die Schaf gesehen / sind sie alle hernach gesprungen / und ersoffen. Der Kauffmann will seine Schafe bezahlt haben / der Steuermann will mehr nicht als den Widder gut machen / weil er die andern nicht verwarlost / etc.
9. Der sechste Fall ist von fernern und tiefern Nachdencken. Eine Springflut hatte auff eine Zeit eine kleine Insul in dem Meer Grundloß gemacht / und von seinem Ort / mit denen darauf stehenden Häusern und Menschen / Viehe und Feldern / auf ein ander Land nidergelassen. Nach dem das Wasser verflossen / hat der Besitzer solches Landes begehrt / der Obere solte mit seinem angeschwemmten / und auf seinen Grund und Boden ligenden Hofe weichen.
10. Der Bauer aber entschuldigte sich mit der Unmöglichkeit / und wolte nicht gestehen / daß er auffrembden Grund und Boden wohnte / sondern sagte /daß er noch Hauß noch Hof / noch Feld noch Wiesen verändert: Seye aber wol zu frieden / daß ihm der Kläger wider in den vorigen Stand und Ort stelle / welches ihme eben so unthunlich gefallen.
11. Der siebende Fall ist folgender massen entschieden worden. Ein Mann fället von einem Hauß herab / und fället auf einen andern / daß er ihn durch den Fall zu Boden schläget / und wider seinen Willen tödtet / deß also verschiedenen Sohn beklaget den / so von dem Dache gefallen / als einen Mörder / und bittet ihn abzustraffen. Der Richter aber sagt / der Sohn solte hinauf steigen / und auf den andern herab fallen /wann er solcher Gestalt seines Vattern Tod räche /solte es ihm auch ungestraft hingehen. Er hat aber keinen Lust zu so gefährlicher Rache.
[295] 12. Von vorhergehenden Fällen könte ein müssiger Jurist weitschweiffige Bedencken aufsetzen / und die Gründe deß Rechtens eines und andern Theils anführen; massen es nicht erdichte / sondern wahre Fälle /die Theils noch wol nachsinnes würdig. Die Erkündigung deß Rechtens und Handhabung der Gerechtigkeit ist sehr nothwendig / und in einem Regiment unentberlich: Der Mißbrauch aber ist so groß / daß fast der rechte Gebrauch darbey nicht zu erkennen / und eiffern wider solchen alle Christliche und Gewissenhaffte Rechtsgelehrte. Keine Sache ist so böß / man kan ihr eine schöne Farbe anstreichen / daher Bocalini recht erdichtet / daß die Juristen im Parnasso alle Farbkrämer außgekauft. Besihe von dergleichen Rechtssachen H. Abele lustige Gerichtshändel.
82. Die freigebigen Cardinäle
(LXXXII.)
Die freigebigen Cardinäle.
Die Ebreer haben ein solches Sprichwort: Wer Segen oder Wolthat außsäet / der wird Segen einernten. Widerum haben sie zu ihren Weibern zu sagen pflegen: Gib Almosen / damit deine Kinder deß Almosen nicht vonnöhten haben mögen. Ist eben das / was David sagt / daß er deß Gerechten Gutthätigen Samen (oder Kinder) nie habe sehen nach Brod gehen. Gott der Herr hat uns Menschen zeitliche Güter gegeben /nicht zu dem Ende / daß wir derselben mißbrauchen sollen / sondern daß wir unsrem dürfftigen Nächsten /als Verwaltere deß zeitlichen Haabes / darvon gutes thun sollen / wie wir dessen etliche sondere Exempel anführen wollen.
2. Die Wolthätigkeit wird billich für eine Haupttugend gehalten / nicht nur weil sie grossen Häuptern /welche Gott für andern gesegnet / wol anstehet / sondern weil sie das Kennzeichen ist Christlicher Liebe /von welcher unser Erlöser sagt: daran wird man erkennen / wann ihr euch unter einander liebet / daß ihr meine Jünger seyd / unnd verspricht auch solche[296] Schuldigkeit deß Glaubens an dem jüngsten Tage /mit ewiger Gnaden zu belohnen.
3. Solches hat wol verstanden der Cardinal Georg von Amboise / Ertzbischoff zu Roven / da er viel treffliche Kirchenbäue gefůhret / welche seines Nahmens Gedächtniß der Nachwelt hinterlassen. Er hat ein Hauß Gaillon benambt erbauet / und getrachtet anstossende Güter darzu zukauffen. Unter solchen war eines Edelmanns Schloß / der vielmehr schuldig /als er in vermögen hatte. Der Cardinal war ferne von Achabs Begier / der sich deß Weinberges Nabots gelüsten lassen / mit seinem Schaden: liesse aber doch fragen / ob sein Gut feil / etc.
4. Der Edelmann sahe sich von seinen Glaubigern bedrangt / und in Gefahr / daß sein Haab Gerichtlich versperrt / und verkaufft werden möchte. Diesem Unheil zu steuren / wolte der Edelmann sein Schloß versilbern / und dem Cardinal so hoch käufflich überlassen / daß er seine Schuldner bezahlen / seine einige Tochter außsteuren / und die wenigen Tage seines Lebens ehrlich hinbringen könte.
5. Der Edelmann kommet nun mit dem Cardinal selbsten zu reden / und bittet ihn / er wolle seine Güter kaufflich übernemen / und ihm so viel darfür geben / daß er seine Schuldner abrichten / seine Tochter ehrlich außsteuren / könne. Der Cardinal sahe dieses guten Alten bitterlich Weinen / daß er ihm alsobald verspricht / so viel Geld / ohne Zins zu leihen /als er für den Kauffschilling begehrt / und dargegen ein Schuldverschreibung anzunehmen verwilligt / in welcher bedingt / das Geld nach seiner guten Gelegenheit wider zubezahlen; weil er einen so guten Nachbarn nicht verlieren wolle.
6. Man sagt in dem Sprichwort / daß drey böse Nachbarn sind. 1. Grosse Herrn. 2. Grosse Flüsse. 3. Ein grosser Weg oder Landstrassen / dardurch der Aufritt und die Eingehör genommen wird. Der Edelmann nahme diese Nachbarliche Freundschafft mit beeden Händen an / und liesse in die Schuldverschreibung setzen / daß er dem Herrn Verleiher [297] das Geld wider abstatten wolle / wann ihm solches zu heischen belieben würde. Der Cardinal aber wolte es zu seines Schuldners Gefallen gestellet haben. Mit besagtem Vorlehen / zahlt er seine Glaubiger / steuret seine Tochter nach Ehren auß / und bittet den Cardinal zu der Hochzeit / welcher ihr die Schuldverschreibung ihres Vatters / zu Bezeugung guter Nachbarschafft verehret / und zugleich den Besitzer seiner Güter völlig gelassen: hat also lieber den Nachbaren seines angräntzenden Landes / als das Land seines alten Nachbarn haben wollen.
7. Der Cardinal Montalto / deß Pabsts Sixti dieses Nahmens deß Fünfften Bruders Sohn / hat jederzeit grosse Almosen / aber auf eine gar sondere Weise gegeben. Auff einen Tag hat er 25. arme Mägde mit Heuratgut außgesteuret / jedoch unter eines andern Nahmen / damit man ihme nicht dancken / und die lincke Hand nicht wissen soll / was die rechte gethan. Folgendes aber ist noch viel sonderlicher.
8. Eine alte und arme Wittib zu Rom / pflegte sich mit ihrer Handarbeit kümmerlich hinzubringen / war auch mit so schweren Kranckheiten behafftet / daß sie selten ihr Brod gewinnen konte / und von ihrer eigener Tochter elendig unterhalten werden muste. Sie war von ehrlichen Eltern / hatte einen feinen Mann gehabt / daß sie sich zu betteln geschämet / und sich lieber mit Thränen Brod speisen wollen. Uber das hatte sie Schulden gemacht / und nach dem sie einsten in einer schweren Kranckheit fast alles verkümmert /was sie geltgültiges in dem Hause gehabt / hat ihrer Glaubiger einer unbarmhertzig auf sie getrungen / und bezahlt seyn wollen.
9. Hierzu kame noch ein andere Anfechtung / daß sich etliche Buler üm ihre Tochter anmeldeten / welche ihr für ihre Ehre Geld angebotten. Weil sie aber in der Furcht GOttes aufferzogen worden / und der Satan nur über die Unkeuschen Gewalt hat / wie Tobias sagt / in dem 6. Cap. am 17. Vers. ist sie bestanden in der Anfechtung / und ob sie wol Arm / waren sie doch Reich genug / weil sie Gott fürchteten. Diese Wittib [298] nun wurde durch einen Geistlichen beredet /das sie solte den Cardinal Montalto / als einen freundlichen und allen Armen wolthätigen Herrn anflehen. Ob sie nun wohl mit solchen Leuten zu reden nicht gewust / hat sie doch die Noth kühn gemacht / daß sie die 5. Kronen / so sie ihrem Haußherrn schuldig / mit einem Fußfall begehret. Der Cardinal schreibt ihr einen Zettel auff 50. Kronen. Sie will aber so viel nicht annehmen / weil sie nicht mehr als 5. Kronen begehret. Hierüber fragte der Zahlmeister den Cardinal / ob er vielleicht verschrieben? Der Cardinal sagt Ja / es sey ein Irrthumb hierbey vorgangen / und nimmt den Zettel wider / setzt noch ein o. hinzu / daß sie also 500. Kronen zu empfangen / und befahle absonderlicher dieser Wittib das Gelt nach Hauß zu tragen / wann sie es nicht wolte annehmen.
10. Uber dieses versprach ihr der Cardinal durch einen seiner Diener / wann ihre Tochter sich verehlichen solte / ihr eine Außsteuere zu verschaffen / doch solte sie von den Gelt / welches ihr den ausser 5. Kronen nach Hauß getragen würde / niemand Meldung thū. Diese Wittib war in solcher Bestürtzung / dz sie nit gewust / was sie sagen / oder wie sie dancken solte 50. Kronen / sagte sie endlich / wären ihre Außsteure gewesen / und würde ihre Tochter nun hiervon auch so viel haben können / daß also fernere Begnädigung deß Cardinals nicht von nöthen.
11. Es hat sich auch zugetragen / daß eben dieser Cardinal etliche Geistliche / welche zu ihrem Kirchen-Bau eine Steuer von hundert Kronen begehrten /mit harten Worten abgewiesen / durch einen Frembden aber ihnen tausend einhändigen lassen. Die sonst ungültige oo. erhalten das schätzbaren und verborgenen Gedächtniß einer so feltenen Freygebigkeit. Fürsten und Herren werden gebohren wie andere Menschen / sie essen / trincken / schlaffen und sterben gleich andern: Durch Wohlthätigkeit aber können sie ihnen einen unsterblichen Nachruhm erwerben / welches andere geringe nicht fähig sind.
[299] 12. Dieses hat auch wol gewust der hochgelehrte Cardinal Bellarmin / und zu sagen pflegen / daß ihm GOtt viel Zeitliches zu getreuen Händen habe anvertrauet / daß er andern darvon gutes thun / und in seines Nächsten Hände soll Wuchern lassen. Alle arme Geschlechte in Capua hat er bereichert / ja nicht nur seinen Freunden / sondern auch seinen Feinden alle Wolthat erzeiget / unter welchen nicht der letzte war Johann Barclai / deß Wilhelmi / welcher gifftig wider ihn geschrieben / leiblicher Bruder. Solchen hohen Tugenden soll ein jeder in seinem Stande nachahmen und wann er Reich ist reichlich / wann er Arm ist /das wenige geben mit gutem Hertzen.
83. Die gerette Keuschheit
(LXXXIII.)
Die gerette Keuschheit.
Die Keuschheit gleichet einem reinen Diamant / der mit vielen edelen Tugendsteinen ümsetzet ist. Der Diamant kan das Feuer erdulden. Wie die Keuschheit alle Anfechtungen außstehet / und einen Silberhellen Glantz von sich stralet. Diese Tugend der Menschen ist billich Englisch zu nennen / weil sie der Grund ist eines unbefleckten Lebens / wie hingegen die Unkeuschheit die trübe und verschläumbte Quelle aller Sünden und Laster. Solcher Tugend haben wir bereit etlichs mahl Anregung gethan / weil sie aber selten Wahrhaftig / und der Hund welcher Jungfrauen frisset / fast außdorret / wollen wir der Jugend zu löblicher Nachfolge / noch etliche Exempel auf unsern Schauplatz führen.
2. Der Frantzösische Haubtmann Bayard ist mit Fug genennet worden der unverzagte und unvergleichliche Rittersmann; ja es haben alle Helden-Tugenden (wie jener redet) in ihm ihren Muster- oder Sammelplatz gehabt. Die Gottesfurcht / Tapfferkeit / Erfahrenheit / Redlichkeit / Großmütigkeit / Freygebigkeit /Höffligkeit / Treu und Lieb seines Herrn unn seines Vatterlandts / waren die Glieder der güldenen Ketten /welche sein herrliches Ansehen zierten. Wie solches in einem [300] absonderlichen Büchlein beschrieben / und auß vielen nur eine Erzehlung hieher soll gesetzt werden.
3. Vorbenamhter Bayard diente zu Zeiten deß Königs Ludwigs deß XII. in Welschland / und sonderlich in der Belägerung der Statt Bresse in dem Meiländischen gelegen. Sein Gebrauch war / daß er der erste in der Gefahr zu seyn pflegte / und nach dem die Mauren durch den schweren Zeug gefället worden / ist er der erste auff derselben gewesen / und wurde fast tödlich verwundet / daß er sich in ein Hauß tragen /und seinem Leutenambt den Befehl überlassen muste. Man verbande ihm seine Wunden in der Eil / und wurde ein Wund artzt gesucht / ihn wider zu heilen.
4. Das Hauß / in welches er gebracht worden / war eines Bressanischen Edelmanns / deme Beyard zusprache / er solte getrost seyn / und sich versichern /daß ob er wol als ein Feind in die Statt gekommen; er doch als ein Freund in seinem Hause sein werde / und sein Haab und Gut / als ein Schutz-Engel verwachen /und von der Plünderung retten wolle: Zu solchem Ende lässet er seinen Nahmen an die Thür schreiben /und etliche von seinen Soldaten für der selben Wacht halten.
5. Der Haußwirth / so wohl als sein Weib / danckten GOTT für diesen Friedens-Gast / und baten ihn /daß er alles ihr Vermögen / nach Krieges-Gebrauch /und Eroberung eines feindlichen Platzes nehmen /hingegen aber verhůten wolle / daß doch deß Frauen-Volcks von den lustrenden Soldaten möchte verschonet werden. Wann ich / antwortete Bayard / an meinen Wunden sterben solte / so versichere ich doch / daß mein Feldherr / mir die Gnade thun / und euch samt allen den eurigen / Haab und Gütern seine Beschirmung / und Obhalt nehmen soll.
6. In dem er nun nach und nach wider genesen /und ohne seines Wirths Beschwernüß indem Hause gewesen / auch alles bezahlt / wie in einem Wirtshause / hat ihme die Mutter mit ihren zweyen Töchtern fleissigst auffgewartet / und er ihnen hingegen mit solcher Höflichkeit begegnet / [301] daß sie seine Tugend nicht gnugsam rühmen können. Der Jungfrauen erfreuliches Gespräch / klingen und singen hatte ihme nicht wenig bitterer Stunden versüsset.
7. Als er nun wider zu dem Heer abreissen / und die gantze Statt fast ausser diesem Hause geplündert worden / hat ihm sein Wirth 1000. Kronen für sein und der seinen Lösegeld angebotten: Bayard aber hatte nicht einen Heller begehret. Weil aber der Edelmann wuste / daß Bayard in der Blinderung deß Orths nichts bekommen / als die Ehre eines tapffern Soldatens / und in seiner Heilung viel verzehret; haben sie ihm 200. Ducaten an Gold / in einem schönen Beutel eingehändigt / welches er auch angenommen; jedoch anders nicht / als ein Vorlehen eines guten Freundes.
8. Die Tochter in dem Hauß beschencket ihn auch mit Armbändern / Kräntzlein / etc. von ihrer Hände Arbeit / welche er mit grosser Höfflichkeit erkennet /sagend: Schöne Jungfrauen / ihr wisset daß die Soldaten lieber nehmen als geben! und ich bin zwar auch unter denselben / aber ohne Undack / und Widergeltung. Verehrte also hernach darfür einer jeden tausend Kronen / und das andere Gelt hinderliese er der Mutter / sie solte es den Armen / welche sich in der Belägerung und Eroberung der Statt gehäufft haben werden / in ihrem Namen außtheilen.
Auß dieser Erzehlung erhellen die löblichen Tugenden dieses Rittermanns. Die Tapfferkeit / in der Eroberung der Statt: die Gerechtigkeit in Erhaltung seines Wirts Behausung: Die Redlichkeit in Beschützung dieser Jungfrauen Ehre: die Freygebigkeit in Außtheilung so kostbaren Beschenckung: der Gottesfurcht in dem er so grosses Almossen hergeschossen: Die Höflichkeit in dem er der Jungfrauen Geschencke nit verachtet. Es ist fast zu zweiffeln / ob noch viel solche Soldaten zu finden.
10. Es haben bey diesen Kriegsläufften ehrliche Jungfrauen sich auf seltzame Weise geschützet / weil sie wol gewust / daß sich wenig solche Ehrenreiter (darzu von Alters her die Ritter sich verbunden) finden. Unter dem Königlichen [302] Schwedischen Heer hat sich eine junge Dirne sechs Jahr in Mannskleidern aufgehalten / und für einen Soldaten Jungen gedienet /welche / als sie einsten geschlaffen / an etlichen Korallen / so sie an dem Hals gehabt / für eine Weibsperson angegeben worden: da sie dann alsobald von einer Obristin in Dienst genommen / die Kleider verändert / und bekennet / daß sie ihres Bruders Kleider /welcher in Eroberung Amöneburg erschossen worden / zu Rettung ihrer Ehre angezogen / und auf selbe Stund unerkant verblieben.
11. Es erzehlet auch der treffliche Jesuit Jacob Balde (l. 3. Lyric od 26) von einem Bauren Mägdlein in dem Beyerland / daß sie in einem Dorff / als jedermann darvon geloffen auß Furcht der Soldaten / allein zurücke geblieben / und weil sie wolgestaltet und schön / sich nicht in geringer Gefahr gesehen / von ihnen geschändet zu werden. Solchen vorzukommen /hat sie sich zwischen etliche todte Leichnam / nach der Länge geleget / biß die Soldaten vorüber gezogen / wol wissend / daß sie unter den Toten sicherer / als unter den Lebendigen.
12. Hierbey fället eine Frage für / ob eine Jungfrau lieber ihr Leben durch deß Schänders Mord-Hand /als sich ihrer Ehre berauben lassen soll? Wann ins gemein ein Christlieber sterben / als wider sein Gewissen in eine Sünde willigen soll / so ist die Frag mit ja zubeantworten: deß vertrauens / daß ihn Gott / mit dem Loth und seinen Gästen von den Gottlosen Sodomiten / und der Susanna von ihren falschen Zeugen helffen werde. Dergleichen sind etliche Exempel zu lesen bey Eusebio. l. 6. c. 5. und Ambrosio serm. 19. In einem solchen Zustand hat sich Lucretia befunden /welche als eine Christin lieber hette sterben / als in den Ehebruch willigen sollen. Daß sie sich aber hernach selbst ermordet / kan nicht verantwortet werden /wie Augustinus in seinem 1. Buch von der Statt Gottes am 16. Cap. lehret. Von solcher That sind folgende Verßlein zu mercken.
Hat sie auß frecher Lieb' / ihr Ehebett lassen schänden / So hat sie nach der That sich selbsten abgestraft. [303] Hat sie sich dann auß Zwang zu Tarquin müssen wenden / So hat sie keines wegs für Fremde Schuld gehafft. So ist sonder Ehr' / ohn Keuschheit Rhum gestorben: Vnd auf den andren Fall' / ohn Vrsach schlecht verdorben.
84. Der verlohrne Sohn
(LXXXIV.)
Der verlohrne Sohn.
Die verständigen Gesetzgeber haben jederzeit dahin getrachtet / daß sie das Volck nicht nur durch Furcht und Zwang / sondern auch durch die Ergetzlichkeit in schuldiger Gebür erhalten. Unter solchen zulässigen Gelieben ist gewesen das Freuden und Trauerspiel /welches den Lesens- und Schreibens unerfahrnem Pöfel für Augen stellet / und in das Gedächtniß drůcket / was sie sonsten noch hören wollen / noch verstehen können / massen das Exempel viel kräfftiger und mächtiger zu unterrichten ist / als die blosse Lehre. In Hispanien / Welschland und Franckreich ist der Schauplatz zu solchem Ende im Gebrauch / und wird zu Zeiten auch mißbraucht / daß mehr Ergerniß als Guts darauß erfolget / welches kein Verständiger wird gut heissen. Daß aber auch Gutes darauß erfolge / wann sonderlich der Inhalt auß H. Schrift genommen (wie wir dessen an Job und Tobia / der Ebreer Trauer-und Freudenspiel so uns übergeblieben /) wird auß nachgesetzter Erzehlung zu erhärten seyn.
2. Sophron ein Frantzösischer Edelmann / war von seinem Vater / als der ältste und liebste Sohn zu Hause aufgehalten / ob er gleich die Jahre / in welcher man die Welt zu sehen / Belieben trägt / völlig erlanget. Nach seines Vaters tödtlichen Hintritt / hat er seine Mutter genötiget / daß sie ihme sein Vätterliches Erbtheil einraumen / und ihn ziehen lassen müssen. Also versilbert er das meiste / und lässet das wenigste zurücke / nimt seinen Weg durch die Lombardia in das Florentinische / und kommet nach Rom.
[304] 3. Der Ort / die Lufft / die Speisen und das Getränck belustiget Sophron mit grosser Zufriedenheit /und sonderlich kostet er eine Frucht / welche wir Lotham nennen wollen / die ihn seines Vatterlands gantz vergessen machte. Die Frucht aber war so theur / daß er ihn das Essen gleichsam erhungert brachte. Ich will sagen / daß ihn die Schönheit einer Hofdirne mit frölichem Angesicht / zu einen Bettler gemacht. Er schreibt in Franckreich / er wolle sich zu Rom nieder / und in Dienste einlassen / man solte das übrige /so er noch zu haben / verkaufen / und ihme das Gelt zu wechslen / wie auch geschehen.
4. Sein letztes Vermögen muste gleichfalls in dem schneeweissen Bussen der Lotha verschmeltzen / welche vermeinte diesen reichen Herrn zu heuraten / und von ihrem Huren Zoll abzulassen. In gar kurtzer Zeit hat dieser verlorne Sohn Haab und Gut verlohren /und gedencket Lotham zu heuraten / welches ihme und allen Frantzosen keine geringe Schande gewesen /weil sie vermutlich das alte Handwerck würde fortgetrieben haben.
5. Der Frantzösische Gesandte / an den er befohlen / bemühet sich ihn zu bereden / daß er von unbedachtsamen und schändlichen Vorhaben abstehen solte /und bedräuet ihn mit der Gefängniß. Solcher nun zu entfliehen / raiset er mit Lotha nach Ferrara / von welcher Statt sie bürdig ware. Der Frantzösische Gesandte schreibt an den Päpstlichen Statthalter / und wird Sophron gleichfals Einhalt gethan / daß er mit der Verehlichung nicht verfahren konte / wie zu Rom.
6. Hierdurch werden sie nach Venedig / die Freystatt aller Hofdirne getrieben / aldar lassen sie ihre von langer Zeit hero vollgezogene Hochzeit / ehelich bestättigen. Zu Venedig ist es theur zu zehren / wann man sonderlich nichts gewinnet / wie dann Lotha ihre Nahrungs Mittel Sophron untergeben / und aus Franckreich Gelt erwartet / das nicht anderst als in Worten kommen konte. Lotha will / ihr Mann solte sie in Frankreich führen / er aber wuste / daß er mit einer solcher Gefertin seiner Mutter nicht willkommen seyn würde / und suchte allerhand Entschuldigung /sich solcher Raise zu entschütten.
[305] 7. Sie ziehen beede nach Padua / und halten mit ihrem wenigen so kärglich Hauß / als ihnen möglich. Lotha machet Kundschafft mit etlichen Studenten /die ihr aber nicht viel geben konten / weil selbe allezeit lieber borgen als leihen. Also war Sophron blutarm vnn Hörnerreich / weil Lotha das alte Handwerk wider herfür suchen muste / vnd sich vnd ihren Mann dar mit zu ernehren; wie der Hund vnd das Schwein / so in dem Unflat fekt werden wollen.
8. Es begiebt sich aber / das etliche Schauspieler den verlornen Sohn spielen. Sophron ist vnter den Zusehern / suchend etlicher bösen Stunde zu vergessen. Er findet aber eine kurtze Abbildung seines Lebens /welche ihm so zu Hertzen gehet / daß er solchen auch in der Bekehrung nachzuahnen entschlossen / und deßwegen mit Lotha Rath hält; bekennend, daß er sein Vätterliches Vermögen alles verzehret vnd kein andere Hoffnung sehe / als die Barmhertzigkeit seiner lieben Mutter.
9. Lotha hatte keinen Lust mehr Franckreich zu sehen / vnd war fro daß ihr Mann die Neuen Kauffleute ihrer alten Waren durch seine Abwesenheit nicht verscheuete; ließ ihn willig ziehen / gegen dem Versprechen / daß er ihr Gelt zu machen / oder sie gar mit Einwilligung seiner Mutter abholen wolte.
10. Als Sophron nach Hause gekommen / hat ihn seine Mutter mit offenen Armen empfangen / in ihrem Hertzen einen heimlichen Fürsprecher für diesen ihren Sohn angehöret vnd sich bewegen lassen / daß sie ihme verziehen; vnd ihre Freuden-Thränen mit seinen Buß-Thränen vermischet. Ob nun wol seine Brüder scheel sahen / daß sie gegen diesem unartigen Sohn so gütig war / hat sie doch ihn zu Gnaden angenommen / und als er versprochen / der Lotha müssig zu gehen / seines bösen Lebens nit entgelten lassen.
11. Lotha hat sich inzwischen wider nach Venedig begeben / da die Weiber / wie in Platons Regiment /fast gemein sind / unnd ist kurtze Jahre hernach gestorben. Sophron / hat dessen durch etliche Freunde Nachrichtung erlanget / unnd sich gefreuet / daß er solches Schandbandes erlassen / zu der andern und ehrlichen Ehe schreiten können / welches [306] er auch gethan / und in selber sein Leben Christlich beschlossen.
12. Dieses Exempel lehret den Nutzen der Freudenspiele / in dem durch solches Sophron auß seinem Sündenschlaff / in welchem er seiner selbst nicht empfunden / und wider zu sich kommend / zu recht gebracht worden Wolte Gott alle ruchlose Weltkinder folgten diesem Sophron nach / und bereueten ihr sündiges Leben / weil es noch heute heisset / und die Gnaden-Thür offen stehet.
85. Die listigen Erledigten
(LXXXV.)
Die listigen Erledigten.
Gefangene Leute sind arme und elende Leute / ob sie gleich nicht unschuldig / und wegen ihres Verbrechens in Verhafft kommen / und dardurch bestraffet werden. Unser Erlöser zehlet unter die Wercke der Barmhertzigkeit / die Gefangenen besuchen / und ihnen / wo nit in der That / doch mit Raht und Trost beystehen. Wie nun ein solches Leben viel ärger ist /als der Todt; also ist auch die Gefängschafft / sonderlich wann sie auff ewig / das ist / so lang der Gefangene lebet / oder auff lange Zeit / nemlich zehen Jahre / erstrecket wird / eine Abbildung der finstern und schmertzlichen Höllen Pein / dafür uns Gott gnädig beyüten wolle. Daher ist kein Wunder / wann sich die Gefangenen bemühen / durch allerley listige Räncke loß zukommen / und sich von den Fesselbanden zu befreyen / wie wir hier etliche außgebrochene auf unsern Schauplatz stellen wollen.
I.
2. Die erste Stelle soll haben der Cardinal de Lerma / welcher einen Gefangenen in seinen Schutz genommen / der Hoffnung / seine Sicherheit wegen eines begangenen Ableibs / bey dem König zu erlangen. Als er aber erfahren / daß deß ermordeten Befreunde seinen Tod bey dem Schöpferstul außgewürcket / und der Gefangene hingerichtet werden solte; gehet er selbsten in das Gefängniß / und lässet den[307] Gefangenen seinen Rock anziehen / mit welchem er durch die Wacht / und also entkommen. Er für seine Person hatte keine Gefahr / und verursachte dem König ein Gelächter.
II.
3. Also war zu Zeiten Königs Heinrichs deß Vierten / in der Statt Lyon gefangen der Marggraff Villeroy, und ist durch folgende List entkommen. Er stellet sich als ob er Artzney brauchte / und sprache seinen Kammerdiener Adrian an / ob er wolte mit ihme die Kleider wechslen / und ihme aus der Gefängschafft helffen. Adrian war hirzu willig / und hatte ein Ort ersehen / welcher sich wegen deß bösen Geruchs nicht wol nennen lässet. Dahin brachte Adrian die Würckung der Artzney / und bande auch einen Strick dahin / daß sein Herr darmit sich hinab lassen / und auff freyen Fuß kommen möchte. In dem hinaußtragen deß Gestancks / hatte der Diener den Kopf auf die andere Seiten gewendet / biß er die Schildwacht vorbey gangen / dieses thate auch der Herr / und als er sich an gedachtem Strick abgelassen / ist auf einen Büchsenschuß davon / ein Trop von seinen Freunden / und ein Pferd für ihn bestellt gewesen / daß er also glücklich entkommen. Der Knecht ist auch für unschuldig erkant / und auff seines Herrn inständiges Anhalten /nachmals erlassen worden / welcher gesagt / daß er die Zeit seines Lebens keine so böse Nacht / in einem so guten Bette gehabt.
III.
4. Zu Florentz ist ein vornehmer Spanier wegen eines Todschlags gefangen gesetzt worden / doch der Gestalt / daß man ihm verlaubt mit seinen Freunden und Bekanten die Zeit zu vertreiben. Dieser machte einen solchen Anschlag. Die Edelleute / welche ihn besuchten / spielten untereinander / welcher auf den Knien ein aufgestecktes Goldstück von der Erden aufheben / und zugleich die Hände auf den Rücken halten könte. Der Kerckermeister / auf den es an gesehen / sahe zu / und sagte / daß die Sache sehr leicht / die andern muten ihme eine Prob zu / als er das erste Goldstück mit den Zähnen er greifft / schreyen sie: er habe die Hände von einander gethan. [308] Er sagt darauf /als man ihm noch ein andres Goldstück aufsteckte /man solte ihme die Hände binden / welches auch geschahe / und in deme er bemühet ist nider zu knien /nehmen sie ihme die Schlüssel von der Seiten / sperren auf / lassen den Gefangenen loß / welcher sich auf ein Pferd schwinget / und gemachter Anstallung zu folge / mit einem Rennschiff / von Liborno nach Genua abgesegelt.
IV.
5. Ein andrer hat nichts als Essig trincken wollen /selben aber an die Gitter der Gefängniß gegossen /und die Steine darmit so weich gemacht / daß er sie endlich ausheben / und dadurch entrinnen können.Bettinus weiset in seinem Apiario, wie man solche eiserne Gitter mit einem Feuerspiegel zerschmeltzen soll.
V.
6. Zu Paris war ein vortrefflicher Beutelschneider auf Handhaffter That ergriffen / und stunde in Gefahr / daß man ihm seinen Eß- und Trinckbeutel zuknipffen solte. Diesem brachten seine Gesellen / vorgenommener Abrede noch eine Pasteten / darinnen eine Winden / ein Hammer / Strick und dergleichen Brechzeug / sich aus der Verhafft loß zu würcken /welches er auch zu seinem Unglück gethan; dann so bald er entkommen / hat er dem Nechsten / so jm begegnet / den Mantel genommen / und ist darüber wider gefangen / und folgenden Tag mit dem Strang hingerichtet worden.
VI.
7. Der Hertzog Sabelli ist bey Brisach in einer alten Frauen Kleid die ihme Wasser gebracht / und sich aus Geitz erkauffen lassen / glückselig entronnen: hätte sonsten nicht wenig Lößgelt bezahlen müssen.
VII.
8. Zu Pariß war ein Teutscher / Schulden wegen in das Gefängniß geworffen. Dieses erfähret seine Liebste / kommet ihn zu besuchen / und als sie ihn schlaffend gefunden / nimmet sie seine Laute / spielet / biß er erwacht / sagte ihme alsdann / er solte auffstehen /und mit ihr / weil sie alle seine Schulden bezahlt /[309] nach Hause kommen. Ob dieser Frembde durch diese Rettung erfreuet worden / ist unschwer zu ermessen.
9. Ein lustiger Kopf hat sich unterstanden die Gefängnisse / von welchen man saget / daß keine schön seye / mit nachfolgenden Ursachen zu loben. Erstlich sagte er / sind die Gefangene aller Auflagen / Wachten / Schantzens und Herren-Dienste befreyet / über welche sich andere sehr beschweren. Ja wann die Statt an vier Orten brennen solte / sind die Gefangenen nit verbunden zu retten / und sich in Gefahr zu begeben.
10. Zum andern sind die Gefangenen wolbedient /sorgen noch für Essen / noch für Trincken / und hat man zu Zeiten mehr Mühe mit ihnen zu reden / als mit einem grossen Herrn. So bald sie die Ehre haben das Gefängniß zu betretten / müssen sie den Willkomm zahlen / und sind meisten theils in den Fürsten Höfen / oder Rathhäusern zu Herberge.
11. Drittens / sind die Gefangenen befreyet von der Sonnen Hitze / vor unverschämten Mücken / den beschwerlichen Winden / sie haben noch Pferde noch Laquayen von thun Sie haben Zeit ihren Gedancken nach zu setzen / zu lesen und zu schreiben / zu schlaffen und zu wachen / sonder Verhinderimg und andere Beschäfftigung. Ja in der Gefängniß ersparen die jenigen viel / welche zu frühe gebohren / und vor ferten verzehret / was sie heur einzunehmen haben.
VIII.
12. Zum Beschluß dieser Erzehlung wollen wir bey bringen / wie noch eine seltene Art / aus der Gefängniß zu entkommen / zu Lyon ergriffen worden. Ein Edelmann lage auff Leib und Leben gefangen / weil er seinen Feind / wider deß Königs Verbott / vor der Fauste erstochen. Seine Freunde erkaufften die Torner / daß sie die Vhren in der Statt umb eine gantze oder anderhalb Stunde zurücke gezogen / wie auch auff den Tag / als er sterben sollen / beschehen. Inzwischen aber flehen die Freunde den König umb Gnade an / und erlangen abschlägige Antwort / biß endlich die Zeit vorůber / und der König vermeint / daß der Ubelthäter bereit von dem Leben zu dem Todt hingerichtet: [310] da dann der König sich erbitten lassen / und ihme das Leben zu schencken verwilliget. Die Freunde eilen zu der Gefängniß / und finden ihn / weil die Stund uhren zu rücke gezogen worden / noch in dem Leben. Als solches der König erfahren / hat er zwar den Verurtheilten erlassen / die Thörner aber nach Verdienste abgestraffet.
86. Die kuhne Jungfrau
(LXXXVI.)
Die kůhne Jungfrau.
Ob wol das Frauen Volck der Unbeständigkeit / Zagheit und Blödigkeit beschuldiget wird / finden sich doch auch unter ihnen kühne / und in ihrem Thun klugsinnige Personen. Ihre schwache Beschaffenheit deß Leibs / ist die natürliche Ursache / ob welcher sie grosse Thaten nit unternehmen können: Ihr Gemüth aber trägt sich mehrmals den Manns-Personen gleich /wie wir auß folgender Geschicht hören wollen.
2. Galathea eine Fürstin lebte auf ihren Gütern von den Hofhändlen entfernet / und hatte in ihren Diensten Corbianam und Philippinam / zwo adeliche Jungfrauen / welche bey ihr / als in einer Schul der Tugend und Höflichkeit auferzogen worden; dann ob wol der Adel herumbey der Fürstin ihr Eingehör zu nehmen pflegten / geschahe doch solches ohne Ergerniß / und in unschuldiger Zeitvertreibung.
3. Unter andern fanden sich Andomar und Clodoald / welche aus den erfreulichen Gesprächen mit Corbiana und Philippina Liebs Gedancken und sondere Hertzensneigungen fůhlten; wie dann Stro unn Feuer leichtlich eine Flamme giebt Andomar war eine sehr schöne Person / von guten Sitten unn freundlichen Geberden. Zu deme wuste er seine Stimmen so lieblich zu zwingen / daß er auch der allerunempfindlichsten das Gemüt verändern mögen; daher sich nicht zu verwundern / wann sich Corbiana zu ehrlicher Gegenneigung bewegen lassen.
[311] 4. Clodoald war kurtz von Person / braun in dem Angesicht ein guter Soldat / der besser mit dem Degen als mit Frauenzimmer umzugehen wuste. Dieser liebte Philippinam sonder grosse Höflichkeit / so er nicht studiret / daß sie auch ob seinem Aufwarten keinen Gefallen getragen; sondern Andomar / weil sie schöner als Corbiana / zu erwehlen gesonnen / wiewol sie dieses Feuer / mit so viel Aschen zu verdeckenwuste / daß man keine Funcken nicht ersehen konte. Zu solchem Ende stellet sie sich als ob sie Clodoald sehr gewogen / damit Corbiana ihr so viel leichter / sonder argwöhnen die Warheit und Beschaffenheit ihrer Händel mit Andomar eröffnen möchte.
5. Die listige Philippina trachtete nun auf allerley Weise die ihr kundbare Liebe zwischen Andomar und Corbiana zu zertrennen / und auf derselben Falle die ihrige / aufzurichten. Es waren aber ihre Affterreden und erdichte Zeitungen / so sie hin und her getragen /verkundschafftet / und diese beede Verliebte dergestalt mit einander verbunden / daß sie solche Reden nicht scheiden mochten. Es fügte sich nachgehends /daß die Corbiana von ihren Freunden einem Edelmann / Queran genannt / versprochen wurde / welchen sie nicht mehr als einsmals gesehen / und mit ihme niemals gesprochen. Dieser Queran hatte bey ihrem Vatter eine Schuld zu erfodern / und solche Schuld wolte er mit seiner Tochter Schönheit zahlen /ob er sie gleich / wegen seines Alters / anderst nicht /als wie David Abisag halten konte / und sein Vermögen allein in Reichthum bestunde.
6. Dieses Vorhabens kommet der Corbiana Mutter zu der Fürstin Galathea / ihre Tochter abzuholen /und sie wider nach Hause zu bringen. Die Jungfrau thut besagter Fürstin einen demütigen Fußfall / und bittet sie nicht von ihr / in die Arme eines alten Krippels / der ihr Anherr seyn könte / zu lassen; bekennet auch / daß sie Andomar mit ehrlicher Liebe verbunden / und in diesem Stůcke ihrer Eltern geitzigen Anschlägen nicht gehorsamen wolte: Die Fürstin stehet in Gedancken / was ihr zu thun / und weil sie Corbianam liebte / wolte sie nicht gerne geschehen lassen /daß sie wider ihren Willen verheuratet [312] werden solte. Deßwegen nun einen dienlichen Schluß zu fassen /hält sie die Mutter etliche Tag auf.
7. Die Mutter will nicht verstatten / daß ihre Tochter / wider ihres Vatters Willen mit Andomar verehlichet werden solte / und bittet die Fürstin inständg /ihre Tochter nicht länger aufzuhalten / und sie vielmehr zu beerden / daß sie das / in ihrem Namen gethane Eheversprechen / vollziehen solte / etc. In dieses Handels Bestand / entschleust Andomar mit Corbiana die Flucht zu nehmen / und vertrauen solches Vorhaben der falschen und listigen Philippina / welche alle Umstände als eine getreue Freundin und Gehülffinerkundschafft.
8. Andomar machte die Anstellung / daß er Corbianam durch die hinter Garten Thůr / zu welcher er einen falschen Schlůssel machen lassen / entführen /und sie in einem Wagen darvon bringen wolte; er aber hat sich auf ein gutes Pferd gesetzt / damit er um sich sehen / und im Nothfall / wann man ihm nachjagen solte / seine Liebste hinter sich setzen / und das Reißaus spielen könte. Dieses wuste nun Philippina / und als der Abend herbey kommet / sagte sie zuder Corbiniana / Andomar lasse sie durch seinen Diener wissen / daß der Anschlag folgende Nacht nicht werckstellig gemacht werden könte; weil ihne eine wichtige Angelegenheit verhinderte.
9. Philippina aber kleidet sich wie Corbiniana /und setzte sich / abgeredter massen in die bestellte Kutschen / unnd fähret also für ihre Gespielen darvon / biß zu einem Schloß / deß Andomars Freunden angehörig / da er seines langen Verlangens mit Corbiana zu geniessen verhoffet. Weit gefehlet! Andomar /du findest was du nicht vermeinest / nemlich die kůhne und verliebte Philippinam / welche ihre Liebe mit vielen Thränen und Entschuldigung deß Betrugs zu verstehen giebet.
10. Andomar war über diesem unerwarten Fund nicht wenig bestürtzet / und sorget allein für seine Corbianam / führet auch Philippinam / ohne Nachtheil ihrer Ehren / wider zu der Fürstin Schloß; werden aber beede / wegen solcher frevlen That nicht eingelassen / und weil die Fürstin verstanden / daß Corbiana darein verwilliget / und der Irrthum nur in der [313] Person vorgegangen / hat sie sich ihrer weiters nicht angenommen / sondern ihrer Mutter überantwortet / und sie nach Hause begleiten lassen; weil sie befürchtet /Andomar möchte sie unter wegs hinweg nehmen.
11. Queran hat durch das Landkündige Gerücht verstanden / daß Corbiana in Andomar brunstigst verliebet / und sich von ihme entführen lassen wollen. Betrachtete benebens sein Alter / seine Gesundheit /der Weiber Unart / und entschlosse endlich / seine Liebe abzukürtzen / und sein Leben zu erlängern. Als solches der Corbiana Eltern vernommen / und benebens Andomar beharrliches Anwerben hören musten /haben sie letzlich ihrer Tochter Willen nachgelebet /und ihre Verehlichung mit dem Ja Wort bestättiget.
12. Philippina aber wurde von ihren Freunden in ein Nonnen Kloster gestossen / in welchem sie /wegen deß willig- aber nicht würcklich vollzognen Verbrechens / zu verbleiben und beständig aufgesagt /sie fühle in ihrem Fleisch keine Regung zu dem Geistlichen Leben. Als solches Clodoald zu Ohren kommen / hat er sich nochmals angemeldet / und ist auch vō ihr mit danckbarer Gegenliebe / zu einem Ehegemahl aufgenommen worden. Diese kühne Jungfrau hette leichtlich in der Gefahr / in welche sie sich gestürtzet / umbkommen können / wann sie Gott nicht sonderlich gerettet hätte / und heist es: Klugheit (zu bösem Ende) ist keine Weißheit.
87. Die Großmütige Gedult
(LXXXVII.)
Die Großmütige Gedult.
Es scheinet daß großmütig und gedultig seyn / gantz widerige und zu gleicher Zeit unbefindliche Sachen; massen der Zorn / welcher der Gedult entgegen gesetzt wird / die Großmütigkeit befördert. Wie aber Zagheit und Grimm beysammen seyn können / also findet sich auch in nachgehender Erzehlung / Großmütigkeit und Gedult.
2. Nechst Dünkürchen in Flandern war auf einer gangbaren Strassen ein reicher Wirt / der durch seinen Fleiß aus deß Volckes Trunckenheit / ein köstliches Silberwasser / ich will sagen grosse Reichthum / gesamlet. Seine Tochter steurte [314] er bey seinen Lebzeiten reichlich aus / und hinter liesse seinem einigen Sohn so viel Geldes / daß er kein Wirt seyn / sondern einen höhern Stand durch seinen Degen suchen wolte. Dieses Vorhabens nimmt er Dienst zu Roß / bey Sinnebald / einem Edelmann / der damals für den Königin Hispanien geworben / und seine Güter der Orten liegen hatte. Bey diesem / seinem Rittmeister erweiset er sich in allen Begebenheiten so tapfer / und setzet von seinem Vermögen so viel mit zu / daß ihn Sinnebald zu lieben / und mitsich nach Brüssel zu nehmen Ursach hatte.
3. Dieser Rittmeister hatte eine Schwester Mannwarta benamet / und lebte auch Onegonda seine Mutter noch / die ihre Tochter gerne verheuraten wissen wolte. Angelot und Valorin / Edelleute gleiches Standes / aber ungleicher Sitten / meldeten sich zu selber Zeit umb diese Jungfrau an / und hatte keiner Ursach mit dem andern zu eifern / weil beede gleich abgewiesen worden / weil sie ihre Neigung Erkol einem sehr schönen Jüngling ertheilet hatte. Angelot aber hatte Sinnebald den Bruder / und Valorin Onegondam die Mutter auf seiner Seiten / daß Mannwarta von dreyen unterschiedlichen Orten / ihr Mutter / ihrem Bruder /und ihrer eignen Neigung vergeblich angelanget /ihres Hertzens Verlangen aber allein zu folgen entschlossen.
4. Vallorin wuste wol wie die verliebten gesinnet /und forschte / wo doch die Verachtung seiner so wol /als Angelots herkommen möchte. Entlich erkauft er einen Laqueyen / den er bey Mannwarta aus- und eingehen sahe / dz er ihme der Jungfrauen Briefe an Erkol lessen liese / und auf eine Zeit seinem Herrn einen entwendete / und Valorin verkaufte. Als er nun dieses Geheimniß erlernet / ist er so unbedachtsā /und weisset d'Mannwarta ihre Handbrieflein / welche sich nit wenig darüber erzörnet / und jn daher mehr zu hassen als zu lieben Ursach nahme; ja er weiset den Brief jrer Frau Mutter / die so bald jrem Sohn dem Sinnebald die Sache eröffnet / und Erkol sagen lässet / er sey viel ein zu schlechter Gesell / daß er ihrer Freundschafft solte fähig seyn: unehrliche Händel aber habe er von ihrer Tochter nit zu erwarten: Solte abstehen / oder einer mit Prügeln abschlägigen Antwort erwarten.
[315] 5. Erkol war ein Pariß und Thersites / verzagt / vnd von schlechten Herkommen / daß er sich also mit solchen Worten schrecken / und Hasenartig verjagen lassen. Mannwarta aber frischte Angelot an / er solte sie an Valorin rächen. Valorin hingegen sahe / daß ihme Sinnebald zu wider / und hörete ihm übel nachreden; fordert ihn deßwegen mit einem Beystand fůr die Klingen. Sinnewald nimmt Andorin / den Eingangs gemeldten tapfern Wirts Sohn auf seine Seiten / und kommen diese viere auf den bestimmten Platz.
6. Valorin war ein guter Fechter / und begegnet Sinnebald mit solcher Behendigkeit / daß er ihn tödlich verwundet / ja gar erwürget hätte / wann nicht Andorin seinen Beystand zu Boden gebracht / und Sinnebald zu Hülffe kommen / daß Valorin den Degen geben / und sich der Mannwarte verzeihen müssen. Ob nun wol Sinnebald und seines Gegners Beystand sehr verwundet waren / sind sie doch beede wider geheilet / und zu völliger Gesundheit kommen. Andorin aber wurde wegen seiner Tapferkeit / daß er /nechst Gott / Sinnebald bey dem Leben erhalten / von Onegunda unnd Mannwarte gelobet und geehret.
7. Dieses begabe sich zu Winters Zeit. In dem herbey nahenden Vorjahre musste Sinnebald mit Andorin wider zu Felde ziehen. Es fügte sich aber daß dieser Rittmeister von dem Feinde gefangen / und von Andorin widerumb mit Leibs und Lebens Gefahr ledig gemachet wurde. Wer solte nun vermeinen / daß so grosse Dienste mit Undanck solten erkennet werden? Onegunda und Mannwarta erwiesen Andorin alle Gunst / und diese eine sondere Liebsneigung / ob er wohl nicht ihres Stands / und sich allein durch seine Tapferkeit selbst Adlen musste.
8. Angelot sahe einen andern Seitenbuler / der ihme die Schuhe austretten kunte; solchen nun aus dem Sattel zu heben / gibt er aus / Andorin rühme sich aller Orten / er habe Sinnebald bey Leben erhalten / und seine Schwester Mannwarta seye brünstig in ihn verliebt / dardurch dann dieser Rittmeister sich doppelt beleidigt befunden / und bespricht ihn hierüber. [316] Andorin war freyes Gemüts / sagte / daß er das erste ihme keinen Ruhm bringen könne / weil er gethan /was seine Schuldigkeit erfordert: das andre aber müsste er gestehen / daß seine Schwester sich so viel gedemütiget / und ihm mit grosser Höflichkeit begegnet / daß er für unverständig gehalten werden würde /wann er solche nicht ihr mit Aufwartung und möglichster Dienstleistung erwiderte; daß aber solche zu ehlicher Trauung außschlagen solle / müsse er dem Glück befehlen / welches mehrmahls die Unwürdigen dergleichen Hoheiten fähig mache / und die Tapfferkeit nit unbelohnet lasse. etc.
9. Hierüber ergrimmet Sinnebald / und vergisset /daß Andorin ein Soldat / der gute Proben gethan / und wolte die Sache mit ihme ausfechten. Andorin aber entschuldigte sich / mit dem Gehorsam / welchen er ihme / als seinem Rittmeister schuldig bittend sich mit Angelot / als den Stiffter dieses Hasses zu rächen; wie dann auch erfolgt / und ob wol Andorin einen Stoß in den Arm bekommen / so hatte er doch seinen zweymal verwundten Gegner das Leben bitten machen / und ihn zuversprechen gezwungen / daß er Mannwarta müssig gehen wolle: Mit diesem aber ist Sinnebald nit vergnügt / sondern erlässt ihn seiner Dienste / der Meynung / mit ihme zu fechten. Andorin hingegen wil nicht / weil er seiner Liebsten Bruder zu keinem Feinde haben wolte.
10. In dem nun Sinnebald nicht nachlässet / ziehet er in Holland / und erlangt nach einem Jahre den Titel eines Hauptmanns / inzwischen aber unterhält er seine Liebste mit Brieffen / welche billich der Abwesenden Zungen genennet werden. Mannwarta wartet dieses Freyers / und schaffet nit allein Angelot / sondern auch etliche andere Gelegenheiten ab. Es fügte sich aber daß Sinnebald an einer eilenden Schwindsucht dahin stirbt / und von seinen / als ein einiger Sohn mit grossem Leide zu Grab getragen wird.
11. Kurtze Zeit hernach gehet auch die Mutter den Weg alles Fleisches / und Mannwarta hinterbleibet die einige Erbin etlicher Ritterlicher Güter / welche alle Andorin mit grosmütiger Gedult erwartet / und mit dem Nahmen und Wappen Sinnebalds willig angetretten.
[317] 12. Also war Erkol eine feige Memme / der keines Glücks werth / Valorin ein stoltzer auffgeblassener Gesell / der durch seine List gefallen. Angelot ein Verleumder / der durch seinen Mund zu schanden worden. Sinnebald ein unbedachtsamer Waghals / der ohne genugsame Ursach sein Leben auf die Spitze setzte. Andorin aber hat durch seine großmütige Tapfferkeit und langmütige Gedult / die Braut heimgeführet / welchem vielmehr als keinem andern nachzuahmen.
88. Der vorsetzliche Hanrey
(LXXXVIII.)
Der vorsetzliche Hanrey.
Der Hertzog von Ossuna / Königlicher Statthalter zu Neapels / hat viel denckwürdige Reden und Thaten der Nachwelt hinterlassen / deren wir etlicher an andern Orten gedacht. Unter seinen Reden ist bekant das Urtheil / welches er in einer Testament Sache gesprochen / daß die Jesuiten einem Sohne / von ihnen vermachter Erbschafft geben solte / was sie wolten /nemlich den besten Theil. Unter seinen Thaten ist nachgehende fast die lustigste / und billichste Bestraffung eines bösen Willens.
2. Cornelio / also nennen wir / welcher sich selbst mit Hörnern krönen wollen / wann es nur seine Frau hette zugelassen. Cornelio / sage ich / hatte in seinem hohen Alter Holtz in eine frembde Kuchen zu tragen vermeint / da doch sein Haubt grau / und solche Schneeberge sichere Anzeigungen daß der Thal kalt und frostig.
3. Dieser alte Bock verliebte sich in eine junge und sehr schöne Jungfrau / Namens Idolta / welche mit ihrem Bruder der Aufsicht eines Vormunds untergeben war / weilen ihre Eltern durch den fruhzeitigen Todt hingerissen / und sie als eine Vatter- und Mutterlose Weisin hinterlassen / deßwegen der Alte verhoffet / so viel leichter mit einem Guldenen Thürbrecher einzukommen.
4. Als er aber bey den Vormund / wegen seiner schönen Pfleg-Tochter Meldung gethan / sihet er wol / daß sich dieser- [318] zu seinem Kuppler nicht will bestellen lassen; massen er ihr an Vaters statt vorgesetzet /und viel zu ehrlich zu solchen bößausschlagenden Händeln. Was thut aber der listige Hurenhängst?
5. Er richtet sich an Victorian der Jungfrauen Bruder / dem verehrt er / leihet ihm / bittet ihn zu Gast /und mache solche Vertreulichkeit mit diesem Jüngling / daß er ihm endlich sein Anliegen und brünstige Neigung gegen Idoltam offenbaret / und bittet / ihme beförderlich zu seyn. Er hatte ein Eheweib / und konte sich also für keinen Freyer / sondern nur für einen und zwar alten Buler dargeben.
6. Victorian lachet dieses Gecken / und sagt / daß er ihme in allen Sachen / welche nicht wider Ehre lauffen zu dienen schuldig; in diesem aber könne er ihme keines wegs behülfflich seyn / weil sie seine leibliche Schwester / deren Tugend ihm wol bewust /daß sie in dieser Versuchung leichtlich beharren würde. Es seye besser mit solchen Werbungen zu Hause bleiben / als unverrichter Sache mit einer langen Nasen abziehen / etc.
7. Cornelio aber will sich mit dieser Antwort nicht lassen abspeisen; sondern liegt Victorian bittlich an /er solte ihme doch Gelegenheit zu seiner Schwester machen / er wolte es gegen ihme reichlich erkennen /und auch sie mit einer freygebigen Aussteure beschencken. Weil nun Victorian diesem Alten mehr schuldig / als er bezahlen konte / muste er freundlich mit ihme reden / und durffte ihn nicht also bald abweisen.
8. Mein Herr Cornelio / sagte er / Ihr bittet mich /ich sol meiner Schwester zu Unehren helffen / mit was Angesicht solte ich ein so unverschammtes Begehren anbringen? Würdet ihr wol einen für einen Freund /ich will nich sagen Bruder / halten / der euch ersuchte / ihr soltet ihm euer Frau verkuppeln und zu schanden bringen lassen. Were nicht so wol eure / als bey Idolta meine Ehre geschändet?
9. Hieraus schliesse der Alte / daß Victorian in seine Frau / welche noch in dem Herbst ihrer Jahre bewiese / daß sie [319] in dem Frůling derselben schön gewesen / verliebet / und versprache ihme / seine Frau dahin zu bereden / daß sie seines Willens / gegen seiner Schwester mit ihme / werden solte.
10. Anda deß Cornelij Weib / war so redlich / daß sie nicht glauben wolte / was ihr Mann von Victorian schwetzte; zu dem hatte sie dergleichen don diesem Jüngling niemals gehört / sondern sahe wol dz dieses zu dem Ende beschahe / damit er seine Liebe gegen Idoltam / zu Wercke stellen möchte. Als nun Victorian in Cornelio Hauß kame / hat sie ihn mit Schänden und Schmähen / der bösen Weiber Beredsamkeit nach / ärgerlichst empfangen. Als sie aber verstanden / daß er dergleichen Gedancken nie gehabt / und daß solches ihres Mannes Anstifftung / hat sie dieses Beginnen durch ihre Freunde bey dem Hertzogen / anbringen lassen.
11. Der Hertzog liesse Victorian für sich erfordern / erkündiget die gantze Sache / und befihlet ihme /daß er Cornelium soll bereden / er habe nun seine Schwester dahin beschwätzet / daß er sein Verlangen begnügen könne / wann er nur eben selber Nachts Zeit / bey seiner Frauen möchte eingelassen werden. Cornelio erlangte auch solches / vermeintlich von Ada (welche wol wuste daß es nicht ernst / und fügte sich zu Nachts in Idolta Behausung / kan aber kaum den Fuß über die Schwelle setzen / so legten die Schergen Hand an ihn / und führten ihn in das Gefängniß.
12. Folgenden Tags lässet der Hertzog diesen vorsetzlichen Hanrey / auf einen Esel ruckwarts setzen /zwey grosse Hörner auf das Hauptbinden / und in der Statt herum führen / und durch den Diener außruffen /daß dieser sich selbst zu einem Hanrey / und seiner Frauen Kupler wollen gebrauchen lassen. Uber diese Schand hat er ihm aufferlegt 3000. Kronen der Idolta zu einer Außsteure zubezahlen / und das Geld / so er Victorian geliehen / nicht mehr zu fordern. Dieses Urtheil ist von der gantzen Statt gelobt / und zu deß Königlichen Statthalters beharlichen Ehren-Ruhm / benebens andern merckwürdigen Sachen / auff gezeichnet worden.
89. Der tyrannische Stiefvatter
[320] (LXXXIX.)
Der tyrannische Stiefvatter.
Deß Menschen Leben vergleichet sich füglich mit einem Gesang in welchem schwartze unn weisse Noten / so theils hoch / theils nider / theils in der mitten stehen. Wir haben bald Leid / bald Freude / bald Ehre / bald Schande / und so wunderliche Auf- und Absteigungen (intervalla) daß wir bald den Wolbald den Mißlaut / endlich aber den Todt / als das Ende vom Lied / zu erwarten haben. Dieses wird der Meinung angeführet / daß wir in Untersuchung merckwürdiger Begebenheiten / viel mehr traurige als fröliche / vielmehr schwartze als weisse Noten / ja vielmehr böses als gutes befinden / und in solcher Zusammenstimmung beruhet aller Menschen Leben. Diesem nach müssen wir mehr lehrreiche als fröliche Geschichte / deren Außgang doch nit erschröcklich noch mörderisch ist / erzehlen.
2. Philorme ein Hauptmann unter Königl. Majest. in Franckreich Leib Regiment / wartete Honorata /einer reichen Wittib auf / sein flüchtiges Soldaten Glück grundfest zustellen / und brachte sie auch endlich darvon. Diese Wittib hatte ein Töchterlein / welcher ihr Vater Nacherben gesetzet / im Fall sie minderjährig sterben solte. Dieser Heurat war der gantzen Freundschafft zu wider / weil Philorme allein auf den Nutzen / Honorata aber auf die Wollüste gesehen: jedoch haben sie beede lange Zeit einen glückseligen Ehestande / wol begangen / und nichts mehr / als einen Leibs Erben erwůnschet.
3. Mit zuwachsenden Jahren gelanget Coynte zu den Vogtbaren oder Mannbaren Jahren. Die Mutter trachtete sie mit einer ehrlichen Heurat zu versorgen /der Vater aber solche zu verhindern / damit ihm das Gütlein und die Hoffnung zu demselben unvernachtheilet bleiben möchte. Viel machte er mit bedrauen /viel mit falschen Nachreden und durch andere Liste wendig / daß keiner beständig bliebe / unter allen Bulschafften / als Aristo / ein armer Edelmann / welcher der Jungfrauen Gegenliebe / der Mutter Verwilligung / und dann drittens das grosse Vermögen in seiner Liebe beharren machte. Als nun Philorme sich dieses Edelmanns nicht erwehren konte / [321] hält er seine Frau und Stieftochter so übel / daß sie diesen Diener auf eine Zeitlang abschaffen müsten.
4. Honorata sagte ihrer Tochter sie solte seine Freunnschaft biß zu andrer Zeit heimlich erhalten /und dieses war die Ursache / daß sie mit vollem Nutzen nach Hause kame / und die Kinderreiche Wassersucht nicht mehr bergen mochte / sondern Ariston für ihren Ehemann und Vatter ihrer Leibsfrucht dargabe. Als solches Philorme erfahren / schwöret er / diesen Schandflecken / so Ariston seinem Hause angehängt /mit seinem Blute wider abzuwaschen; daher Honorata Ursach nimmt / ferners Unheil zuverhüten / solches Schandmahl mit den Mantel der Ehlichung zu bedecken / welches Philorme / ob er wol durch oberherrliche Hülfe solches zu verhindern gemeint / endlich müste geschehen lassen. Er wolte zwar mit Ariston fechten / sahe aber daß der Außgang / wie er auch seyn würde / ihme nit vortheilig. Dieses Rachbeginnen ohne Gefahr zu Wercke zu stellen / diengt er etliche von seinen Soldaten / die mit Ariston zu zancken anfiengen / und ihn endlich auß dieser Welte in die andre schickten.
5. Solches geschahe eben zu der Zeit / als Coynte solte darnider kommen / und verhoffte dieser Tyrannische Stiefvater den Baumen mit den Früchten durch solchen Streich zu verderben. Doch brachte sie einen jungen Sohn auf die Welt / viel glückseliger als Philorme gerne gesehen. Er konte und wolte das Kind in seinem Hause nicht weinen hören / daher Honorata auf dem nächsten Dorff eine Seugamme bestellet /und ihme also die Ursache deß Häußlichen Kriegs auß den Augen schaffete. Das Kind Protol genannt /gleichte seinem Vater an der schönen Gestalt / und guten Geberden / daß er von seiner Seugamme mit gantz mütterlichem Hertzen geliebet worden.
6. Coynte hatte zwar ihre Ehre / so sie auß blinder Liebe verschertzet / etlicher massen wieder erlanget; sahe aber wol / daß sie so leicht keine Heurat zu hoffen / und begabe sich in ein Nonnen Kloster / die Zeit ihres Lebens mit reniger Busse zu [322] zubringen. Dieses war Philorme wol zu frieden / und hatte nun keine Hinderung in seiner Hoffnung / als den jungen Protol / welchen er auch zu erwürgen getrachtet.
7. Aber der Höchste / so sich der Unschuldigen annimmet / und wie Sprach redet / der Menschen Boßheit und alle ihre Sünde offenbaret / wie die Sonne /hat solche Mörderische That wunderlich verhindert. Honorata bate Philorme er solte ihr verlauben / daß sie ihr Encklein den jungen Protol zu sich nehmen dörffte / er wolte es lang nicht verstatten / endlich aber redet er Herodis Sprache / und wolte es geschehen lassen / solchen auß dem Weg zu raumen. Die Amme welche dieses Kind geseuget / liebet es so sehr daß sie vermeint / sie könte ohn solches nicht leben /und als Philorme sein Stifenckel Protol durch 2 Soldaten abholen lassen / hat sie ihrer Söhne einen in Protols Kleidern gesendet / entweder solchen hoch anzubringen / oder Protol zu sichern.
8. Dieser falsche Protol lebte etliche Monat bey seiner vermeinten Anfrauen / und wurde von Philorme übel gehalten / endlich aber als ein Schlachtopfer seines Geitzes / durch einen langsamen Gifft hingerichtet / dessen Anzeigen der Artzt und alle verständige Nachbaren ruchbar machten. Honorata hette diese That für die Obrigkeit gebracht / wann sie nicht bey ihrem tyrannischen Mann / gleiches Meuchelmords zu besorgen gehabt / und den / der mit ihr ein Fleisch worden / deß Henckers Händen nicht übergebnwollen. Wie sich hierüber Coynta betrübt / können alle treue Mutter Hertzen leichtlich erachten.
9. Daß aber die Weiber nicht wol schweigen können / hat die Seugamme eine Prob geleistet / und den getroffenen Wechsel der Honorata eröffnet / welche dann ihre Nonne mit dieser Zeitung hertzlich erfeuet /und ihr verbotten dieses Geheimnuß niemand zu offenbahren. Als nun Philorme seines Weibs Reichthumb versichert gehalten / und sie entweder mit Gutem / oder mit Bösem ein Testament unnd letzten Willen zu machen / [323] in welchem sie jn zu einem Haupterben einsetzen sollen / zwingen wollen; Hat doch Honorata darzu nicht verstanden / auß Furcht /ihr Mann versiegele solches mit Gifft / oder anderer Meuchelliste; darüber gerathen sie in eine so böse Ehe / daß sich Honorata ihres Lebens / durch Oberherrliche Beschirmung / versichern / und auf eine Ehescheidung zu Tisch und Bette klagen muß.
10. Nach dem sie solches erlangt / hat ihr Philorme auf viel Weise nach dem Leben gestanden / und etliche von seinen Soldaten angestellet / sein Weib zu er morden. Unter diesen war einer so redlich / daß er der Honorata solches Vorhaben eröffnete / und zugleich vergewisserte / daß Philorme auch Ariston hinrichten lassen. Dieses wirfft Honorata ihrem Mann schrifftlich vor / und setzet noch darbey was den eingeschleichten Protol durch seine Hand widerfahren / mit entschuldigung / daß sie einem solchem Meuchelmörder ferner bey zu wohnen / wie erbegehrte / nicht gedachte. Als Philorme alle seine Bubenstücke verrathen sahe / nimmt er die Flucht / und ist nachmals von einem / der ihn für die Klingen gefordert / durchstochen worden.
11. nach Philorme Todt / hat Honorata den rechten Protol sampt seiner Seugamme zu ihr genommen /und ihn für Aristons und Coynte Sohn / und aller ihrer Güter rechtmässigen Erben erkläret / welcher auch seines guten Verstands feine Proben geleistet / und ob er wol als ein Baurenjung erzogen worden / ist doch in seinen Geberden und Angesicht das Adeliche Geblüt augenscheinlich zu sehen gewesen / und hat er seine Amme / als die Erhalterin seines Lebens / an statt seiner Mutter geehret / lieb und werth gehalten /sich auch als ein gehorsamer Sohn jederzeit bezeuget.
12. Die Lehren auß dieser Geschichte könten fast von allen Personen abgesehen werden / Honorata weiset wie der Ehestand / welcher nur auff Wollust zielet übel außschläget. Philorme lehret die Natur deß Geitzes / welcher sich stürtzet in dem er vermeint sich zu gründen / und wie Friedfertigen der Besitz deß Erdreichs versprochen wird / also werden die Zancksuchtigen [324] darben / und die Kriege anrichten / Mangel leiden / ja verflucht / wie jene gesegnet seyn. An Ariston und Coynte sehen wir / daß bey der Winckel-Ehe kein Heil noch Segen / und wie jener gesagt hat / daß man in Finsterniß leichtlich anstösset. Insonderheit aber ist zuverwundern die treue Liebe der Seugammen / welche ihren eignen Sohn in Gefahr gesetzet / Protol zu versichern / und scheinet die Vrsache seye die Eigenschafft dieser Neigung / welche frey und ungezwungen seyn will. Daher sihet man auch / daß man mehrmahls seinen Freund mehr liebet / als seine Verwandte / welchen man mit Gesippschafft verbunden ist. Endlich ist auch Protols Danckbarkeit nit auß den Augen zu setzen / der die empfangene Wolthat mit möglichster Danck- und Dienstleistung erkennet.
90. Die Ehliche Versehung
(XC.)
Die Ehliche Versehung.
Wie die Weiber umb sonst arbeiten / wann Gott nit das Hauß bauet / also befördert man vergebens den Ehestand / wann Gott sein Gedeyen nicht darzu verleihet. Er hat dem Adam sein Weib zugeführet / und gibt noch allen Frommen seine Ehegatten / wie hingegen der Teuffel die Bösen und Gottlosen kuppelt mit argen Stricken. Dieses wird mit mehrerm auß folgender Erzehlung zu sehen seyn.
2. In Brabant ist die Hauptstatt Brüssel / eine schöne und volckreiche Statt / von vielen reichen Bürgern bewohnt / unter welchen auch zween Nachbarn /deren Kinder von Jugend auf in zärtlicher Liebsneigung aufferzogen worden / mit jedermans Verwunderung / daß sie zweyerley Geschlechte ist leitlich zu gedencken / weil ihre Vertreulichkeit nicht mit dem Nahmen der Freundschafft beschrieben wird. Diesen Kindern gefället das Feuer wol / wissen aber noch nicht daß die helleuchtenden Flammen brennen / und sich mit zuwachsenden Jahren vermehren würde.
3. Als nun Delphin ein Knab worden / der zu der Schul / und in den Zuchtzwang genommen / gleichsam in derselben schweren Staub / alle Gedancken auf die Bücher wenden sollen / hat er doch seiner Lisetta nicht vergessen können / wie [325] auch sie bey ihrer Hand Arbeit Delphin in beharruchen Angedencken gleichsam für Augen schwebend gehabt. Die Buchstaben /welche in Rinden / oder auff Kirbes geschnitten werden / wachsen nach und nach auß / so lang der Stamm / oder die Frucht dauret; also war die Liebe auff die junge Hertzen geschrieben. Die Eltern / welche dieser beeden Kinderspiel in ernstliche und beständige Ehliche Neigung auffwachsen sahen / waren gewillet solche mit der That zusammen zu heuraten / und ihre Freundschafft erblich fortzupflantzen.
4. Als nun diese Verliebte einander ehliche Treue zusagen / und der Zeit ihrer Vermählung und Mannbaren Jahre schmertzlichst erwarten / werden sie under andern zu red der Warsager und Zauberer / die den Leuten das künfftige verkündigen / und weil Delphin sagte er kenne einen / und Lisetta sie von einer solcher Frauen gehört / vergleichen sie sich zu fragen / was ihnen für Ehegatten beschert weren. Der Zauberer sagte Delphin / daß ihme Lisetta entführet werden würde / und daß er mit ihr sein Leben enden müste. Hierüber macht ihm dieser Jüngling zweiffelhaffte schwere Gedancken. Die alte Sybilla versprache der Lisetta ihren Hochzeiter in dem Traum zu weisen.
5. Lisetta war begierig solchen Traum zusehen /und unterliesse nicht / was ihr die Alte zu thun und zu sagen gebotten / nemlich sie müsste etliche Kräuter so zu gewisser Zeit gesamlet worden / unter das Haupt legen / etliche Wörter sagen und Zeichen machen. Sie sahe aber in dem Traum zwey Gräber / und Delphin auff denselben gehen / und sie bey der Hande führen. Sie erwacht hierüber / und lässet die Todtesfurcht ihre Gedancken nicht wenig betrüben. Als sie wider zusamen kommen / und die traurige Weissagungen einander eröffnen / bereuen sie zwar daß sie das künfftige /als eine Räthsel / so die Zeit allein anflössen kan / erforschen wollen / und sagte Delphin / daß diese Sache nicht zuglauben / und daß deß Satans Betrug hierunter verborgen / in dem er vermeint man soll alles Vertrauen von Gott absetzen / etc. Lisetta aber war mehr Aberglaubisch / und wolte ihr diese Sachen / und[326] kläglichen Außgang ihrer Liebe / nicht auß dem Sinne reden lassen.
6. Von dieser Zeit hat beeder Liebe abgenommen /und sagte Delphin / wer stirbet mit der jenigen / so er liebet / stirbet glükselig. Der Todt / antwortet Lisetta / hebt alle Liebe auf. Es begibt sich aber daß der Lisetta Bruder mit einem Vettern Delphins zu Unfrieden wird / Delphin seinem Verwandten beyflehet / und deßwegen das Hauß seiner Liebsten Lisetta leiden muß. Wie die Gegenwart der Schwefel ist / so die Liebe anzündet / so ist die Abwesenheit dz Wasser /welche sie außleschet. Die Liebe aber der Abwesenden / gleichet den Wasser-Kugeln / deren Feuer auch in der Nässe brennet. Also wurde Delphin von der Lisetta / als ein armer Gesell verachtet / und auch sein und ihr Gemüt dardurch gantz geändert.
7. Delphins Vatter ersihet ihme eine reiche Wittib /Namens Emerita / und weil Delphin deß Zauberers Wort noch in dem Sinne lagen / wolte er lieber bey einer Wittib leben / als mit einer Jungfrauen sterben. Als nun Lisetta und Delphin zusammen kommen /entschuldiget sich Delphin / daß er seinem Vatter gehorsamen müssen / und daß er gezwungen worden eine andre zu lieben / etc. Lisetta wünschte ihm Glück / und neidete doch Emeritam / daß sie ihren Freyer in Armen haben solte / ob sie wol die Todtsfurcht von ihme etlicher massen abgeschrecket.
8. Kurtze Zeit hernach fügte sich / daß Lisetta von einem alten und reichen jungen Gesellen geheuratet wurde / und wider ihre Neigung ihren Eltern Folge leisten muste. Durch solche Begebenheit vermeinte sie / daß ihr Traum erfüllet worden / in dem beede Alte und dem Grab annahende Heuraten getroffen; aber diese beede waren geschieden / und mochten durch zulässige Vermittlung / nicht mehr zusammen kommen Sie waren einander nicht abgeneigt / jedoch auch nicht in unziemlicher Liebe Gegeneinander / entbrant / daß ihre Ehegatten keine Ursachen zu eifern.
9. Delphin erzeugte mit Emerita etliche Kinder /welche [327] alle wenig Tage überlebten / weil sie schwach und Gebrechlich auff die Welt kamen. Der Lisetta Mann / von welchem sie zwo Töchter hatte / gange auch den Weg aller Welt / als sie noch fast in der Blüt ihrer Jugendt und unverwelckter Schönheit / die in den Trauerkleidern viel schöner / als niemals schiene. Emerita verstirbt an einem Kindhaben / daß also diese vormals verliebte beederseits ihre Freyheiten erlanget / weil sonderlich auch ihre Eltern Tods verblichen /deren Gestalt sie zuvor unterworffen waren.
10. Noch hatte Lisetta das Traum- und Trauerbild in ihren Gedancken / und vermeinte daß ihr Ehebette /welches sie mit Delphin besteigen würde / das Grab /oder sonsten einen tödlichen Unfall bringen würde. Als sie nun solches Anliegen ihrem Beichtvatter geoffenbaret / hat er sie leichtlich beredet / was sie gern hören und glauben wollen / daß sie sich nemlich auf den Schatten steure / und das nichtige für wichtig halte. Ja / wann auch dieser Traum etwas bedeuten solte / wie sie vermeint / so were solches bereit durch ihres Mannes und Delphins Weibes Tod erfüllet / daß sie beede (wie der Warsager sagt) ihr Leben mit einander enden werden / nach dem sie ihm / durch ihrer Eltern willen / in dem begegneten Streit entführet worden.
11. Dieses machte der Lisetta einen neuen Mut /daß sie die alte Liebes Glut unter der Asche hervor klimmen liesse / und aller Furcht befreyt in die eheliche Verlöbniß mit Delphin willigte. Sie hatten beede von ihren Eltern und ersten Ehegatten grossen Reichthum / und lebten in völliger Zufriedenheit / erzeugten auch mit einander schöne und liebe Kinderlein / daß die lange Nachwart / in der Kindheit gefaster Liebe /ihnen so viel reichlicher und erfreulicher ist ersetzet worden / als wann sie bald ohne Betrübniß zusammen kommen weren / und haben sie ihren Fürwitz in Erforschung deß zukünfftigen genugsam gebüsset.
12. Hier erhellet der Alten Sprichwort: Was Gott beschert bleibt ungewehrt / und was uns Gott gönt kan uns Petrus nicht nemen. Diese zwey waren einander bescheret / und weil [328] sie ihre Liebe in Unschuld angefangen / in Ehren fortgesetzet / sind sie nach außgestandenem Leid widerum ergetzet worden. Wie das Wasser das unter der Erden ein Stückwegs gelauffen /und hernach so viel stärcker hervor bricht / wie der Früling nach dem langtraurigen Winter viel erfreulicher ist; also ist auch das Glück und Wolergehen /nach außgestandenem Unglück und Betrübniß viel angenehmer.
91. Die gewissenhaffte Freundschaft
(CXI.)
Die gewissenhaffte Freundschaft.
Ein fröliches Hertz ist eine Gabe Gottes / welches allein den Frommen und Gottseligen gegeben wird: Die Traurigkeit hingegen ist deß Teuffels Haubtküsse /und rühret her von einem bösen Gewissen / welches wol eine Zeitlang schlaffen / in den Menschen aber nicht ersterben kan / und die Höllenangst auch in diesem Leben noch vorbildet. Die Brüder Josephs / als sie Diebstals beschuldiget / und unschuldiger weise überwiesen worden / trösteten sich ihres guten Gewissens / daß sie dieses nit gethan / aber doch betrübte sie darbey auch ihr böses Gewissen / wann sie bekennen / daß sie solches an ihrem Bruder Joseph verdienet. Was nun solcher Gewissens zwang für ängstige Würckung wird auch nachgesetzte Erzehlung beglauben.
2. Octavian und Lobel junge Edelleute in der Lithau (also genennet als der Leute Auen / da die Menschen in grosser Menge / gleichsamb wie das Viehe /weiden) waren von Kindheit auf in vertreulicher Freundschafft erzogen / daß ihr Willen nicht vereinigt / sondern gleichsam einhertzig war. Ihre Eltern wohnten zu Vilna / der Haubtstatt deß Landes / welcher zwar auch gute Bekannte / aber sonder Verbündniß so grosser Freundschaft lebten / wie zwischen ihren Kindern die Tugend gestiftet hatte.
2. Mit zunehmenden Jahren haben sie zugleich alle ritterliche übungen gelernet / und es fast allen andern ihres gleichen bevor gethan. Unter allen Jungfrauen aber war keine / welcher Octavian mehr aufwartete als Paulina / eine von den Reichsten und Schönsten in dem gantzen Lande: Dieses Verlangen [329] mochte nicht ersättiget werden als durch die Ehligung / und machte solcher Hoffnung schwer Gelasius / einer von den vornemsten / welcher gleichfals in Paulinam verliebt /aber stoltz und hochmütig / daß ihm die Jungfrau mehr Haß unnd Feindschafft / als Freundschaft erwiesen / massen solche Abneigung der Demut Eigenschafft ist.
4. Wann man den ersten Kauffmann gehen lässet /so ist mit dem andern halb geschlossen. Octavian hatte ein fast gewonnenes Spiel bey Paulina / Gelasius bey ihren Freunden / deßwegen er auch solchem Seitenbuler sagen lassen / er solte dieser Jungfrauen Dienste müssig gehen / oder er woll ihme übel lohnen. Octavian antwortete / daß ihme Paulina nich gedinget / und eine Auffwartung mit ihrer Huld zu rechter Zeit vergelten würde. Die Freunde wollen haben /Paulina soll Octavian abweisen; sie aber will ihr keinen solchen Mann schaffen der noch in der Liebsdienst Jahren / auß Stoltz / über zu herrschen begehrte.
5. Gelasius fande auf einen Abend Octavian mit Lobel seinem Freunde für Paulina Thür / und daß die Jungfrau auf gegebenes Zeichen / mit ihme zu reden an dem Fenster erschienen. Gelasius ergrimmet auß Eifer und Rache / und weil er Megatim / und einen wehrhaften Knechte bey sich hatte / befielet er diesem er soll sich an Lobel / welcher etliche Schritte beyseits gegangen / machen / er wolte inzwischen deß Octavians Frevel / mit Beystand Megatims bestraffen.
6. Lobel stösset den Knecht alsobald darnider / unn eilet seinem Freunde zu Hülffe / welcher in einen Winckel gewichen / und diese beyde tapffer von sich gehalten. Lobel lauffet also Rückwarts auff Gelasium zu / und sticht ihn durch und durch / daß er zur Erden sincket. Als Megatim nun wider zween stehen sollen /nimmet er die Flucht / und wird also seinen Füssen sein Leben schuldigt.
7. Octavian war in diesem Streit auch an zweyen Orten deß Leibs verwundet / und ausser der Wundärtzte Hülffe / in Lebens gefahr. Die Nachbarschafft läufft über dem Geschrey auß den Häusern / finden Gelasium und seinen Knecht [330] todt / und Lobel bittet /sie solten ihme Octavian zuden Wund-Artzt tragen helffen / wie auch geschehen.
8. In dem nun Octavian von ejner Ohnmacht in die andre fället / und eine zeitlang für Tod gehalten wird /laufft Megatim zu deß Gelasen Freunden / und erzehlet was sich begeben / jedoch gantz fälschlich / daß nemblich Gelasius und sein Knecht verrätherischer Weise durch Octavian und Lobel ermordet worden /Daß sie nun auf solche Anklage in die Gefängniß geworfen werden sollen / ist leichtlich zu erachten / und haben sich die Schergen deß Octavians Schwachheit nicht hindern lassen / Lobel aber ist bey Nacht entkommen.
9. Weil nun Gelasius grosse Freunde unter den Richtern / ist Octavian zu dem Schwert verurtheilt worden / Megatim war Gegner und Zeuge zugleich /ausser ihme aber ist niemād darbey gewesen / als der Knecht / welcher wenig Stund nach empfangener Wunden gelebt. Octvian sagte / daß er diese beyde nicht ermordet / von ihnen zwar were angegriffen /und gezwungen worden / sich zu vertheidigen / weil er aber seinen getreuen Freund nicht namhafft machen wollen / ist die Schuld auf ihme allein verblieben.
10. Octavian war bereit in deß Henckers Handen /und auff dem Richtplatz / als Lobel unter dem Volck hervordringt / dem Nachrichter zuschreyet / er solte innen halten / und ihne an statt dieses Unschuldigen enthaubten / weil er Gelasium und seinen Knecht der sie beede mit Megatim angegriffen / erwürget; wann der deß Todes schuldig / welcher sein Leben vertheidiget / solte man ihn an seines Freundes statt hinrichten / etc.
11. Als solches eröffnet / schreit alles Volck /Gnad / Gnad / Gnad / und befahle der Bannrichter /man solte diese beede wider in das Gefängniß bringen / welches / wiewol nicht ohne Gefahr deß Pöbel-Volcks geschehen. Der Palatin verhöret diese Gefangene selbsten / und bedrohet Megatim mit der Volter /dz also die wahre Beschaffenheit / erzehlter massen herauß kommet / wie nemlich drey zween angegriffen unn von jnen überwunden [331] worden Hierauff ist nun das Urtheil geändert / die beede Freunde loß gelassen / Megatim aber deß Lands verwiesen worden.
12. Uber dieses hat der Palatin dem Octavian die Paulinam / Lobel aber eine andere Jungfrau von seinen Befreunden geworben / und gebetten / sie wolten ihn zu den dritten ihrer Freundschafft annehmen. Dieses ist auch für den König kommen / der diese tapfere Edelleut mit hohen Aemptern geehret hat. Es habe nun Lobel solche Helden-That auß einem Gewissenszwang gethan / oder auß dringender Freundschaft / so ist er doch Lobens werth / in dem er das Leben / welches allen Menschen das Liebste in dieser Welt ist /verachtet / und in die Schantze gesetzet / seinen Freund auß der Gefahr zu retten.
92. Die keusche Gottesfurcht
(XCII.)
Die keusche Gottesfurcht.
Weil sich die Menschen zu allen Zeiten über die im Schwang gehenden Laster beklagen / also haben sie auch die Tugenden und Heldenthaten zu loben Ursach. Wie an dem Fluß Tagus mehr Sand- als Goldkörner zu finden / also sind vielmehr Böse als Fromme / und mehr Erzehlungen von jenen als diesen anzuführen. Meistentheils aber sind diese vermischet /und ist niemand leichtlich gar ruchloß böß / oder gantz Engelrein fromm. Was die Alten von den keuschen Jungfrauen geschriben / findet sich zu unsern Zeiten bey etlichen Gottsfürchtigen Weibspersonen /wie solches Maria in nachfolgender Geschichte beglauben soll.
2. Es hat sich Alfonsus / auß der Insel Corsica bürdig / in Frantzösischen Krieg gebrauchen lassen / und ist ihm / nach lang geleisten guten Diensten / ein gantzes Heer anvertrauet worden. In dem Delphinat hatte sich dazumals eine Statt wider den König entpöret / welche mit dem Schweitzer Gebürg gräntzet / der Namen der Statt ist in der Geschicht nicht gemeldet /und liegt daran wenig.
3. Alfonso wird befohlen / die Statt anzugreiffen /und widerumb in deß Königs Gehorsam zu bringen /dieses lässet er ihm auch mit so verständiger Tapfferkeit angelegen seyn / daß [332] er den Platz mit Sturm erobert / und der Soldaten Muthwillen und Plündern frey lassen müssen; dardurch dann dem Könige nnd dem Feldherrn wenig gedienet worden.
4. In dieser Statt hatte Sulmon / ein Edelmann deß Orts / sich mit seinem Weibe / das er drey Wochen zuvor geheuratet / in einem Thurn retten wollen / und denen / so ihn an gegriffen / grossen Widerstand gethan. Er war übermannt / und übel mit allerhand Nothturfft versehen / wolte aber viel lieber Ritterlich sterben / als sein übertrefflich schönes Weib der Soldaten Muthwillen übergeben. Die Spartaner haben die Verliebten in dem Streit an die Spitzen gestellet / weil sie wusten / daß sie sich besser halten würden / als andre / die nichts liebes zu verliehren hatten.
5. Also hatte auch Sulmon mehr Widerstand als man nichtverhofft. Aber doch waren endlich der Hunde zu viel / daß das Wild nicht entkommen könte. Er war bey dergleichen Jagt nie gewesen / gestalt er dann ein junger Mann von 23. in 24. Jahre / und hatte sich mit wenigen von der gantz auß geplünderten Bürgerschafft mit Maria seinem Weibe in besagten Thurn zu retten vermeint.
6. Als sie nun etliche Tage ritterlich gefochten /tritt ein Hauptmann herfür / welchen wir Scipion (absehend auff Scipions der Africam bezwungen / gleich löbliche That) nennen wollen / und fordert den Thurn auff / mit versprechen / daß Sulman sampt seinem Weib / für aller Gewaltthat gesichert seyn solte / die andern aber solten bey ihme Dienste nehmen / und wol gehalten werden.
7. Sulmon traute diesem Haubtmann / und ergibt sich in seinen Schutz / vermeldend benebens / daß er kurtze Zeit in dem Ehestand / und lieber sterben / als Schande an seiner Liebsten erleben wolte / etc. Maria leuchtete mit so übertrefflicher Schönheit / in den Augen aller derer / so sie anschauten / daß Scipion seinen lustrenden Soldaten frevels Beginnen / mit blosem Degen abhalten müssen; Er aber lobt Sulmon wegen seiner Tapferkeit und versichert ihn nochmals möglichster Beschirmung.
[333] 8. Alfonsus / der Obriste Heerführer höret von dieser schönen Maria / und will erfahren / ob das Gericht mit Warheit von ihr rühme / daß sie die schönste in dem gantzen Lande: befihelt deßwegen / man solte sie zu ihme führen / und sagte / was dorten Holofernes von der Judith: Deß Weibs Gleichheit ist nicht auff Erden von Schönheit / und es wallete ihm sein Hertz /dann er war entzündet mit Brunst gegen ihr / im Büchlein Judith c. 12. v. 16.
9. Nach deme nun Alfonsus mit guten Worten /Versprechungen / und vieler Höflichkeit von ihr keine Gegenliebe erhalten können; hat er den Fuchsbalg fahren lassen / und die Löwenhaut angezogen / sie bedraut / und auff beständige Verweigerung seines unziemlichen Ansinnens / ein Bett mit vier Stricken von dicker Seiten gewürcket zurichten; sie bey Händen und Füssen anzubinden / und also gewaltthätig zu schwächen.
10. Es hatte aber Alfonsus ein Marienbild mit dem Kindlein Jesu in der Kammer / als nun diese Maria allein in die Kammer gelassen worden / ist sie alsobald auff ihre Knie nieder gefallen / und hat Gott ümb gnädigen Beystand angeruffen. Als nun Alfonsus beharrt seinen sündlichen Willen mit ihr zu verüben / hat sie ihn mit vielen Thränen gebetten / er solte doch gedencken daß Gottes Sohn / dessen Bildniß hier gegenwertig / ein gerechter Gott / der das Gute nicht unbelohnt / das Böse aber nicht ungestrafft lässt / daß durch eine so abscheuliche Schandthat sein Namen beflecket /sein Glück und Sieg verlohren / und deß Höchsten zeitliche und ewige Ungenade über ihn gebracht werden würde. Wann er aber solches alles auß den Augen setzen wolte / möchte er ihr ja nach verübtem Sünden-Wercke die Gurgel abschneiden / und mit ihrer Ehr auch das Leben rauben.
11. Nach dieser Rede sincket sie in eine Ohnmacht / daß sie Alfonsus für todt gehalten / und aller Lüste vergessen / nach Labungen geschrien / sie wider zu recht zu bringen / welches / als es geschehen / alle böse Gedancken bey ihme außgeleschet / ihre keusche Gottesfurcht gerühmet / unn sie Sulmon jrem Manne /[334] unberühret wider zugestellet. Weil er auch verstanden / daß er ein tapferer Soldat und sich in dem Thurn ritterlich vertheidiget / hat er ihme gute Dienste gegeben / und hat diese That die Mariam bey dem gantzen Heere berühmt gemacht.
12. Auß dieser Geschicht erhellet / daß die Gottesfurcht zu allen Dingen nutz / und daß denen die Gott lieben / alle Dinge müssen zum besten dienen. GOTT versucht zwar die Menschen / erschlägt sie / und heilet sie wieder / damit sie wie das geläuterte Silber bewäret werden / und durch viel Trübsal in das Himmelreich eingehen.
93. Der betrogene Handelsdiener
(XCIII.)
Der betrogene Handelsdiener.
Der kluge Lehrdichter Boccalini sagt unter andern /daß die Treue in Parnasso keine Herberge finden könne / endlich aber ihren Auffenthalt genommen bey deß Acteonis Hunden / die sie gerne neben sich erdultet / etc. Hiemit will er andeuten / daß die Hunde / in ihrem Geschlechte dem Menschen getreuer als die Menschen untereinander selbsten / daß diesem also /bezeugt die tägliche Erfahrung / und unter vielen auch nachgesetztes Exempel.
2. Zu Insprück pflegten zween Kauffherren miteinander gute / wiewohl gewinnsichtiger Freundschafft. Einen wollen wir Rudag / den andern Vital nennen. Ihre Handelschafft war mit Gewürtzen und Specereyen / auß Italien / und lebten diese beede in mehr als Brüderlicher Einigkeit in einem Hauß / sie zehrten auß einem Beutel / sie hatten einen Kram / und beede einige Weiber / die sich (welches selten ist) wol mit einander vertragen konten. Diese Einigkeit hat ihnen auch einen Segen nach dem andern gebracht / nach dem Sprichwort: Fried ernehret / Unfried verzehret. Auß beeden Ehen hatten sie keine Kinder in dem Leben / als Rudag einen Sohn genannt Arcidal / und Vital eine Tochter Hermelina geheisen. Rudag wurde nach etlichen Jahren ein betrübter [335] Wittiber / und wolte ja nicht zu anderer Ehe schreitten / sondern seinem Sohn das Gütlein beysammen lassen / und ihn mit Hermelina verheuraten / welches auch Vitals Gedancken waren. Ob nun wol diese beede von Kindsbeinen neben einander erzogen worden / hat sich doch eine grosse Abneigung Zwist und Streit zwischen ihnen gefunden; massen die Liebe eine Tochter deß freyen Willens / und eine Feindin alles Zwangs und frembder Benöthigung ist / wie vor gedacht worden.
3. Rudag lässet seinen Sohn in die Lateinische Schul gehen / weil solche Sprache / gleich dem Zucker / der niemals keine Suppe Verderbt; ich will sagen / allen und jeden wohl anstehet und dienet. Arcidal war von Natur Ehrgeitzig / sahe die Juristen auf hohen Pferden reiten / und gedacht durch seines Vatters Geld und eignen Fleiß hoch anzukommen / und fande auch seinen Vatern darzu gewogen wie auch Vital / der verhoffte seine Tochter also wol anzubringen.
4. Sie hatten in ihrer Handlung einen Diener / welchen wir mit dem Nahmen Remas wollen bemercken /ein schlechter Gesell von Ankunfft / der durch seine Treu und Arbeit sein Auffnehmen bey dieser Handlung zu haben verhoffte / und weil er ihren Nutzen wol geschaffet / und ihnen nothwendig ware / wurde er in dem Hauß als ein Kind gehalten. Es fůgte sich daß Cornelia deß Vitals Schwester ihren Mann verleuert / der zu seinen Lebszeiten so wol gessen / daß er nach seinem Todt nichts übrig gelassen / als Poliniam ein Tochter / deren Heurathssteure ihre sondere Schönheit war. In dieser doppelten Noth fliehet Cornelia ihrem Bruder Vital / der sie zu sich in das Hauß nimmet / unwissend was Unheil seinem Freunde darauß erfolgen würde; massen Arcidal die Poliniam ersehen und zugleich wegen ihrer übertrefflichen Schönheit / deren Hermilina weit weichen müssen /geliebet / und auch sonderlich stets reitzende Gegenneigung gefunden: eines Theils wegen dieses Jünglings Person und tapferer Gestalt.
[336] 5. Rudag war ein hefftiger Mann / der seinen Sohn in einer mehr als vätterlichen Furcht hielte: daß er deßwegen billiges Bedencken getragen seine Liebe zu offenbaren / weil er wol höret / was mit ihme und Hermelina in dem Wercke: Anderseits hatte er von Polinia nichts liebes zu hoffen / als vermittelst ehlicher Verbündniß / und wuste diese listige Dirne wohl /daß der Weg der Wollust / sonder diesen Stab / gefährlich und verführlich: Vital aber hatte / auf gut befinden Rudas die Poliniam mit ihrem getreuen Handelsdiener zu verheuraten in willens / und achtete ihme solches Remas für eine übergrosse Ehre / mit seinem Herrn sich solcher massen zu befreunden. Polinia aber will sich darzu keines wegs verstehen / mit dem Vorwand / daß sie sich nicht zu heurathen gedächte (weil sie nemlich bereit mit Arcidal heimlich verlobt) und auf eine solche Karten / die Freude ihres Lebens nicht wagen und verspielen wolte.
6. Nach dem nun Arcilas lange Zeit auf Verhinderung dieser Ehestifftung gedacht / ersinnet er eine List / welche nit länger dauren konte / als der Weiber Schmincke. Er fügte sich nemlich zu Remas / bekennet ihm die heimliche Verlöbniß mit Polinia / und bittet ihn / die Sache zu verzögern; im Ende aber sie krafft eines Schrifftlichen Gewalts / welchen er ihme unter seiner Hand und Pitschaft einhändigen wolte zu nemen. Vermittelst der Geschencke und Versprechen lässet sich endlich Remas bereden / und sonderlich /weil ihme solcher Gestalt Hermelina bescheret seyn würde / die ihn auch nit wenige Gunstzeichen sehen lassen. Dieses alles nun hette nit erstbesagter masse werkstellig gemachet werden können / ohne Rath und That der Cornelia / die vermeinet ihrer Tochter also einen reichen Mann / und den armen zu einem Ehren Hüter zu haben.
7. Nach dem nun Remas Hochzeit scheinbarlich vollzogen / suchte Arcidal einen Aufschub nach dem andern / und wolte zuvor ein Ambt haben / und hernach ein Weib nehmen / etc. Nicht weniger Hinderung hatte auch Hermelina / weil sie Arcidal wie gesagt sehr abgünstig war / und hingegen Theodor [337] einen andern liebte. Nach deme nun die Eltern ihrer Kinder Gehorsam inständig erheischen / brechen sie zugleich / jedoch absonderlich herauß / dz sie zwar einander /als Brüder und Schwester / aber nicht als Mann und Weib lieben wolten noch könten. Zuvor aber hatte Arcidal Hermelinam seine Ehe mit Polinia geoffenbaret /und sie verleiten wollen / sie solt gleichfals Remas freyen / welcher sie sehr liebte / und nicht so kühn ihr sein Gemüth zu eröffnen. Setzte auch darzu / daß solcher Gestalt das Gütlein und die gantze Handlung /nach ihrer Eltern Todt in unverrucktem Wolstande und gesamten Handen bleiben köndte.
8. Hermelina war eine verzagte Weibsperson / und bereit mit Theodor verhängt / daß sie Bedenck zeit der Sache nach zu sinnen nimmt / sich aber zu dem Handel nit abgeneigt vernehmen lässet. In deme nun Theodor / welcher eines Burgermeisters Sohn war /mit ihr zu reden kommet / erzehlet Hermelina / was sie von Arcidal Heurat mit Polinia gehöret hatte / und wurde von Theodor zu verachtung ihres Dieners und Knechts beredet / welcher auch bereit / wiewol trüglicher Weise verehlichet; Ermahnet sie hingegen beständig zu verbleiben in der Liebe / welcher sie ihn biß anhero gewürdiget: Beschwetzet endlich Hermelinam dahin / daß sie in beyseyn seiner Mutter mit ihme eine Winckel Ehe schleisst vollziehet.
9. Die Vätter / Rudag und Vital wollen ihre Kinder endlich zusammen nöthigen; und weil sich Arcidal widersetzte / wird er von seinem Vatter mit Schlägen zu dem Ja-Wort gezwungen. Er sagt zu Hermelina / er wolle ihme von Remas widerumb Gewalt lassen aufftragen / und sie ihme in seinem Nahmen trauen lassen; Hermelina aber bekennet ihm / wie sie Theodor genommen / und das er sich solchen Gewalt außzuhändigen / nicht verstehen wolte. Endlich aber lässet Theodor den gantzen Handel Vital seinem Schwer-Vatter entdecken / und ist nicht zu schreiben / mit was Widerwillen diese Alten ihrer Kinder Boßheit vernommen. Sie wolten von der Obrigkeit bitten / daß man diese Ehen für unbindig und nichtig erkennen solte. Was Unehre aber hätten sie [338] ihren Kindern zugezogen? Sie wolten sie beede enterben? Weme aber die Güter hinter lassen?
10. den Diener Remas / welcher zu diesem Betrug geholffen / jagten sie alsobald auß dem Hause / und muste er die meinste Schuld tragen / weil er abwesend / nachmals aber nach seiner widerkunfft gar in verhafft genommen worden / vorhabens ihn als einen falschen Lügner unnd Kirchen-Rauber / der die Ehe dem Priester abgestohlen / zu zůchtigen. Also ergehet es /wann man dem Raht der jungen folget wie Rehabeam. Cornelia war nit minder sträflich / aber doch hatte sie so viel Verstand / daß sie ihren Gegenschwehr besänfftigen können / und die Ursachen auff sie geschoben / in deme sie ihre Kinder Neigung und von Gott verliehenen freyen Willen wider Gottes Willen und Schickung gewältigen wollen / etc.
11. Endlich mussten sich diese Alten zu frieden geben / und Rudag Polinam für seine Schnur / Vital Theodor für seinen Tochtermann annehmen. Damit aber Remas auch auß dem Gefängniß käme / weil er sich vielmehr betrügen lassen / als betrogen / hat ihn Cornelia / als eine Person / die ihrem Alter und Stande gemässer / als Polinia / geheurat / und ist er dardurch widerum in seinen alten Dienst gesetzet worden / hat auch nicht mit minderer Treue also zuvor / der Handlung abgewartet und vorgestanden.
12. Hierauß fleusst die Lehre / daß die Eltern ihre Kinder wider ihren willen nicht zusammen nöthigen sollen / wie man das Vieh zusammen wirfst / oder die Leibeigenen / nach belieben / kuppelt / sondern ihnen rahten und helffen. Wann sie aber befinden / daß sich die Gemüther nicht zusammen tragen / so ist zu fürchten / es folge keine gute Ehe / oder eine andere Ungelegenheit. Ist sonsten genöthigter Eyd Gott leid / so ist gewißlich auch solche ehliche Trauung / als ein Eyd der für Gott und seiner Gemeine geleistet wird nit angenehm: wann sonderlich die Personen gleiches Stands / Alters / Ehrlichen Herkommens / daß man keine redliche Ursache hat / sie an ihrer Ehlichen Liebsneigung zu hindern.
94. Die verantwortliche Vntreue
[339] (XCIV.)
Die verantwortliche Vntreue
oder
Der verliebte Pfandmann.
Es ist eine bedenckliche Frage: Ob man dem Vatterland / den Eltern / oder seinem Ehegatten mehr verbunden Treue und Dienste zu leisten. Es scheinet zwar / daß eines bey dem andern seyn könne / und daß wir durch den Ehestand unsern Eltern gefallen /und das Vatterland erhalten und anbauen: doch finden sich viel Fälle / da man diesen widerigen Herren zugleich nicht dienen kan: allermassen auß nach gehender Erzehlung zu ersehen seyn wird.
2. Zu Zeiten König Heinrich deß Dritten hat die Uneinigkeit den Kriegsbrand mit umb sich greiffenden Flammen so angefeuret / daß fast keine Statt /Dorff und Flecken in Ruhe verblieben / sondern theils auf deß Königs / theils auf der Hugenotten Seiten gestritten. Insolcher Zerrittung haben sich wunderliche Geschichte begeben / deren wir etliche in dem ersten Theil bemercket / und noch eine derselben hierbey setzen wollen.
3. Nechst einem namhafften und an einem Hauptstrom gelegenen Fluß / war ein festes Schloß / welches ihr Zufuhr und Nahrungsmittel verhinderte / weil die Statt auff deß Königs / das Schloß aber auff deß Frantzösischen Bunds-Seiten / und stande solches zu Gebott einem Edelmann Oron benamet / deme es an Verstandt und Tapferkeit nicht ermangelte; die Statt auch nicht Mittel finden konte / ihn mit Gewalt auß der Festung zu treiben.
4. Celin war die Statt anvertraut / der hielte Kriegsrath / wie das freye Gewerb wider ein- und anzurichten / daran der Statt ihre Wolfahrt gelegen. Orons Reuter waren täglich für dem Thor / nahmen das Viehe und machten so wol den Strom / weil sie alle Schiffe anzufahren nöthigten / wie auch die Strassen zu Lande unficher.
5. Als man nun hierüber berathschlagt / tritt ein alter vom Adel auf / der erzehlet / wie er ein Heuraths Handlung mit Orons [340] Tochter und seinen Sohne Lucidor begriffen; gabe deßwegen einen solchen Fürschlag an die Hand. Wir wollen sagt er / Oron auß der Festung / und auff unsere Seiten bringen / durch meinen Sohn / den wir als einen Pfandmann hinein / Oron aber hingegen zu Handlung herauß locken / ihn alsdann / weil der Trug in dem Kriege erlaubt / gefangen nehmen / und das Schloß einbekommen.
6. Der Anschlag wird gut / und so viel verantwortlicher gefunden / weil er ohne Blutvergiessen Werckstellig gemachet werden kondte. Lucidor wird unterrichtet / wie er sich in allem verhalten solte / und sonderlich bittet er seinen künfftigen Schwervatter Rupero Mündlich zu sprechen / wie dann auch geschehen /jedoch bleibe Oron in seiner Gewährschafft nechst dem Schloß / und wolte die Sache das erstemahl nicht angehen.
7. Celin bittet Oron durch einen Trompetter / er wolle auf halben Weg zu ihm reiten / und wegen der Gefangenen / so wohl auch wegen Versicherung eilicher Kauffmanns Güter / mit ihm handeln. Lucidor solte hingegen der Geiseler oger Pfandmann in der Festung verbleiben / biß zu seiner glücklichen Rückekunfft. Dieses verwilligte Oron / und vermeint / er habe mit keinem listigen Fuchsen zu handeln / wie er erfahren.
8. Rupero lässet sich / wie leichtlich zu erachten /gerne in diesen Handel ein / gibt aber seinem Sohn Befehl / er solle sehen / daß er auß dem Schloß entkommen möchte. Also kommet Lucidor zu seiner Liebsten / Oron aber auß dem Schloß / und pflegte mit Celin Handlung in einem Flecken / da sie etliche Tage sich nicht vergleichen konten.
9. Inzwischen machte sich Lucidor in dem Schloß lustig / isset / trincket / spielet mit den Soldaten und gewinnet ihre Gemüther / daß sie so genau nicht auf ihn achten. Den / der mit ihme gange / machte er Truncken und schlaffen / daß er also Zeit und Fug auß dem Schloß zu kommen / und sich bey Celin und den seinen wider einzustellen.
[341] 10. So bald nun Lucidor wider kommen / nimmt man Oron als einen Gefangenen an / der sich beklagt /daß man ihme Treu und Glauben nicht gehalten / muß aber hören / daß er nicht auff Treu und Glauben / sondern auff Geisel und Lucidor / als einen Pfandman /getrauet; Weil sich nun das Pfand wider gelöset / also habe er solche Veesicherung verlohren / etc.
11. Diese Gefängniß war ein Ursach / daß sich Oron an die Königischen sampt seiner Festung ergeben / und hat Celin Rupero und seinem Sohn Lucidor die Vestung anvertraut / und fragt sich nun / ob Lucidor recht gethan / daß er seinem Vatterland zu dienen / seiner verlobten Laodice Untreu erwiesen / und wenig geachtet / daß ihme Oron seine Tochter nicht mehr lassen wollen.
12. Also haben die Wölffe und Schaffe mit einander Friden machen wollen. Die Wölffe gaben den Schafen ihre Junge zu Geiseln; die Schafe aber ihre Hunde. So bald nun die jungen Wölffe grösser worden / haben sie nicht von ihrer Art lassen können /und die Schafe erwůrget. Daher die Feld-Herren wol in acht haben sollen / wen sie zu Geisel senden / und niemals zu viel auff solche Versicherung trauen; massen der Sieg allezeit angenem / wann gleich die Mittel / solchen zu erlangen / nicht gar rühmlich sind.
95. Der gewisse Traum
(XCV.)
Der gewisse Traum.
Der Mensch hat bißweilen ein prophetische Einbildung / daß er erräht was war ist / ob es ihme gleich niemand / als seine Gedancken eröffnet. Also wurde auff einem Churfürsten Tag einem Gesandten wissend / was in gröster Geheime gehandelt und gehalten worden / daß die Räthe darüber in einen bösen Verdacht unter einander gerathen: als sie aber die Ordnung ihrer Geschäffte verändert / hat sich befunden / daß der Gesandte viel errahten / aber nichts gewisses gewust.
2. Vielmal komt solche Einbildung in den Traum /und [342] schreibt Cardan / daß er ein Diener gehabt / dem alles getraumet / was ihme begegnet / und als er ihme auf eine Zeit gesagt daß er einen bösen Traum gehabt / wie nemlich der Hencker neben ihme die Stiegen hinauf gegangen / hat er in ihn gesetzt / und ihn einen Diebstal bekennen machen / welches wegen er auch an den Galgen kommen / und neben dem Hencker die Leiter hinauf steigen müssen.
5. Salviat von adelichem Frantzösischem Geblüt /war ein kleiner Wais / nach seiner Eltern früezeitigem Tod / und verbliebe in Gewalt seiner Vormunder / biß zu seinen Vogtbahren Jahren. Als er nun zu dem Verstand kommen / welcher ihme Verwaltung seiner Güter einhändigen machen / hat er seine Schwester /so älter als er / zu sich genommen / ihr alle seine Geschäffte anvertrauet / und seine Einkunfften unter Handen gegeben.
4. Dieser Salviat wolte Welschland durchraisen /wie er auch gethan / und seiner Schwester die Verwaltung seines Haußwesens hinterlassen. Unter andern hatte er viel schönes und kostbares Silbergeschirr /das in seiner Behausung wol versperret war. Wie man nun in grossen Flüssen grosse Fische fängt; also gibt es auch in grossen Stätten grosse Dieb / wie wir vernehmen werden.
5. Etliche solche Nachtarbeiter sahen / daß in dem Hause nur Weibspersonen und ein kleiner Laquey /wüsten auch von einem Goldschmied / daß viel Silberwercke / so er vor Salviats ab raisen geschätzet /vorhanden / und machten einen Anschlag darauf / solcher Gestalt. Sie giengen bey Tag in das Hauß / besahen alle Gelegenheit / und hatten Spitzen und Leinwad zu verkauffen / damit sie sich bey Salviats Schwester aufzuhalten Ursach nahmen.
6. Bey Nachts steigen sie in das Hauß / und hatten alle ihre Angesichter geschwärtzet / bemächtigen sich der Jungfrau und ihrer Dienerin / sperren sie in eine Kammer / und drauen ihnen sie alsobald / wann sie schreyen würden zu erwürgen; massen sie einen unter ihnen mit einem Pistol für die Thüre stellen / und das schönste und beste von Gelt und Geltswehrt mit sich nahmen.
[343] 7. Deß folgenden Tags / als alles still worden schrien sie zu den Fenstern hinauß / man solte ihnen zu Hülffe kommen / wie erfolget / und fande sich das Hauß geplündert / alle Kisten und Kästen geleeret /unnd möchte man noch Stumpf noch Stiel / wie man zu reden pflegt / von den Raubern vernehmen. Odoria schreibt es ihrem Bruder nach Rom / und meldet die Nacht / in welcher es geschehen / mit allen Umständen deß Verlaufs / allermassen es ihme auch eben selbe Nacht eygentlich getraumet hatte.
8. Es war noch wunderlicher / daß Salviat die Kleider / Gestalt und Gebärden dieser Rauber so wol in dem Gedächtniß behalten / daß er solche seiner Schwester eigentlich beschrieben / und befohlen / man solte an diesem Ort der Statt nachfragen / ob nicht solche und solche Personen alldar. Die Diebe haben vermeint / daß sie ihre Sache so listig angefangen / als unvonnöthen deßwegen die Wohnung zu ändern / und hatten auch von dem Raub nichts nit verkaufft / sondern die silberne Geschirr selbsten zu schmeltzen in willens.
9. Den Schergen werden diese von Rom ůberschickte Merckzeigen angemeldet / unnd sie finden die erbare Gesellschaft ermelter massen / an beschriebenen Ort / und machten sie den Diebstal bekennen /so bald sie der Gefängniß ansichtig worden. Ob nun wol Odoria für sie gebetten / müssen sie doch an dem Strang das Leben enden / weilen der gleichen Händel mehr auf sie gebracht worden.
10. Salviat hat sich dieses wunderlichen Funds wenig zu erfreuen / weil er kaum den hundersten Theil / ob wal fast alles noch vorhanden / wieder bekommen; den Rest aber hatten die Diener der Gerechtigkeit für ihr Mühe zu sich genommen / und dem Richter seinen Theil nach Hause gesendet.
11. Dergleichen wunderlicher Traum ist mir auf eine Zeit begegnet. Ein ungeschickter Schrifftling gebrauchte viel Latein in seinen Reden / das er doch nichtverstanden / noch die End-sylben recht zu setzen mächtig war. Ich sagte zu ihme Schertzweiß / er solte das Latein versparen biß die Zufuhren / (welche damals der Statt gesperret) eröffnet werden möchten /[344] würde sonsten daren Mangel leyden. Er schweigt still / und rächet sich nach Jahr unn Tagen an mir / durch eine schändliche Verleumbdung / die mir wieder zu Ohren kommet. Als ich nun nicht erfahren kan / wer doch solches von mir außgegeben / hingegen von vielen deßwegen angefeindet war / traumte mir / daß eben dieser Schrifftling mir mit einem Messer die Gurgel abstechen wolte. Als ich ihn nun im Schlaff wohl erkannt / begegnete er mir folgenden Tages /unnd nach dem ich ihm deßwegen bedräulich zugesprochen / hat er es endlich bekennet und sich verwundert / woher ich es erfahren habe.
12. Also kan Gott nichts verborgen bleiben / seine Augen sind heller als die Sonne / und schauen alles /was die Menschen thun / auch in die heimlichen Winckel. Der Menschen Augen kan man betriegen / Gottes Augen aber niemals / sondern er offenbaret die Boßheit der Gottlosen / und lässet auff den Dächern predigen die Wercke der Finsterniß.
96. Die beständige und unbelohnte Treue
(XCVI.)
Die beständige und unbelohnte Treue.
Die Spanier sagen Sprichworts weiß: Wer wol dienet / fordert seinen Lohn stillschweigend. Dieses ist sonderlich befindlich bey danckbaren Leuten? bey Undanckbaren aber ist keine Ehr einzulegen. Also sagte jener Koch recht / als er von seinem geitzigen Herrn /zu einem Freygebigen gekommen / und gefragt worden / wie er jetzt so stattlich in einem grünen Kleid aufziehe: Ich säe nun / antwortete er / in einen fruchtbaren Acker. Dergleichen Exempel ist auch folgendes.
2. In Aquitonia hielt sich häußlich ein reicher Herr / genannt Olien / welcher durch seine wohlgeleiste Dienste den König bewogen ihme die Regierung der gantzen Landschaft oder Provintz zuüberlassen. Er hatte viel Kinder / und unter andern eine mannbare Tochter Fabia geheissen / deren die Natur wenig Schönheit deß Leibs verliehen hatte.
[345] 3. Dieser Herr nun hatte einen Edelknaben / welchen wir Fidal nennen wollen / der ihme fleissig und getreulich gedienet / und weil er ein jüngerer Bruder /wuste er wol / daß er andrer Mittel sich fort zubringen ermanglend / alles aufnehmen bey diesem Herrn zu suchen hatte. Nach dem er nun die Edelknaben Jahre geeudet / hat ihn sein Herr als einen Edelmann bey sich behalten / unnd eine ehrliche Bestallung gemachet.
4. Fabia sahe diesen ihres Herrn Vattern Diener mit geilen Augen an / gabe ihme endlich ihre Neigung /auß dringender Liebe zu verstehen / und suchte Gelegenheit mit ihme heimlich zu reden / welche er auf alle weise und wege vermeider. Als er aber auff eine Zeit ihr Anbringen hören müssen / hat er sie mit grosser Bescheidenheit abgewiesen / und sie ihrer Gebühr / und seiner Schuldigkeit beweglichst erinnert.
5. Fabia aber wolt diesen heilsamen Vermahnungen nit statt geben; hielte die Liebe für eine allgemeine Entschuldigung aller Fehler der jungen Leute / und führte den Fidal in ärgerliche Versuchung / daß er fast wie Joseph den Mantel lassen / und auß sondrer und seltner Tugend / alle fleischliche Begierden / in freyer Gelegenheit böses zu thun / bezaumen konte.
6. Fidal wuste die grosse Liebe und Treue feines Herrn nit danckbarlicher zu erkennen / als daß er mit aller Demut und Underthänigkeit Urlaub begehrte; eines theils der Fabia bößliches Beginnen zu hindertreiben / anders theils seinen Herrn nit zu betrüben. Olien wolte die Ursach wissen / welcher wegen er auß seinen Diensten zu tretten gewillet.
7. Fidal entschuldiget sich / und bittet umb Urlaub / die Ursache / zu seiner Befriedigung zu verschweigen. Als aber der Herr nicht von ihme lassen / und den Grund seines Abschieds erfahren will / muß er bekennen / daß sich Fabia in seine Person verliebt /und ihme sündliche Ungebühr so Nachts / so Tags zu gemutet / darüber nun Olien nit wenig erschrocken /unnd seiner Gemählin Rath gepflogen.
[346] 8. Die Warheit nun dieser Beschuldigung zu erfahren / sagt Olien / es solte sie Fidal in eine Kammer mit Tapeten gezieret / bestimmen / und der Vatter verstecket sich hinter solche / ihrer Tochter Wort eigentlich anzuhören / wie auch geschehen / in deme Fabia ihr den Tode anzuthun getrauet / wann sie Fidals Liebe nicht würde geniessen können.
9. Fidal hingegen führte ihr zu Gemüthe / sie solte doch die Ungelegenheit ihres Stands / und daß er ein Diener / sie seines Herrn Tochter / verständig erachten / und wie übel sich gezieme / daß ein so hohes Fräulein sich einen Knecht zu bulen uterstünde. Ihme würde es ergehen wie allen Treulosen und Ehrvergessenen Gesellen / die ihres Herrn Hause / in welchem sie viel gutes empfahen / undanckbarlich schändten /und mit einem ewigen Brandmal befleckten / etc.
10. Als nun Olien mit seiner Gemählin gehört / auf was Thorheit ihre Tochter gerathen / haben sie sie erfordern lassen / und ihr andre Heuraten fürgeschlagen: sie hat aber derselben keine genehm halten wollen; sondern sich vernehmen lassen / sie wolle lieber in einem Kloster ihr Leben enden; wann ihr ein anderer als Fidal werden solte.
11. Die Eltern berathschlagen den Fall / und finden / daß ihrer Tochter Thorheit mit keinem andern Pflaster zu heilen / als mit der Verehlichung / dessen Liebe sie verwundet. Also hat Fidal zu Belohnung seiner beständigen Treue / die verliebte Fabiam mit einem ansehnlichen Heuratgut darvon gebracht / und ist aus einem Diener / seines Herrn Tochtermann worden.
12. Den Frommen folgen seine Wercke in diesem und auch in jenem Leben / sonderlich aber den Keuschen / welche Engel Tugend mit zeitlichem und ewigem Wolergehen belohnet wird. Mit der Keuschheit sagt Hieronymus / hat die Jugend einen stettigen Streit / und erhalten selten den Sieg. Wie aber der Liebes Lust schnell dahin fähret / so bleibet hingegen die Frucht der Keuschheit / mit völligem Wolergehen beständig / und reichlich belohnet.
97. Der bekehrte Verschwender
[347] (XCVII.)
Der bekehrte Verschwender.
Wie in der Menschen Gedancken Schickungen GOttes sind / (als daß einer den Gebrauch deß Magnets / das Pulver die Druckerey / etc. erfunden) also ist auch solches in Worten und Wercken zuverspüren; eines theils wann sie sich den Geist Gottes regieren lassen; anders Theils wann sie demselben widerstreben. Es ist Gott leicht auß einem Gefäß deß Zorns / ein Gefäß der Gnaden zu machen / wann nur noch etwas gutes an den Menschen gefunden wird / daß er nicht gantz verblendet in dem Weltwesen / mit dem Hertzog von Biron wünschet / daß Gott seiner vergessen solte /wie deß Essex / der in den grösten Ehren / durch deß Henckers Hand hingerichtet worden.
2. Ein so wollüstiger Mensch war Wolffgang N. zu Zeiten Maximilianus deß ersten dieses Namens / Römischen Käysers. Sein Vatter war Reichspfennigmeister / der genug Thaler / und grossem Reichthum seinem Sohne / benebens seinem Dienste hinterlassen: Was mit langer Hand und grosser Mühe ersparet worden / das verzehrte Wolffgang ohne grosse Bemühung / mit leichtfertiger Gesellschafft. Das Spielen / Gastung halten / und Frauenzimmer sind solche Abgründe / von welchen man mit Fug sagen kan / daß einer dem andern rufft.
3. Es begabe sich aber daß der Käyser eine grosse Summa Gelds einsamlen liesse / welche alle Wolffgang in- und besagter massen / auß den Händen gekommen. Deßwegen dann die andern Beambten / dieser Prasser bey Keyserl. Mayestät / als einen ungerechten Haußhalter angegeben / daß er ihm seine Güter umbgebracht / und den Käyser beweget / daß er Rechnung geheischt von seinem Haußhalten.
4. Wolffgang bittet eine Zeit nach der andern zu Fertigung seiner Rechnung / welche er zwar erhalten /aber nicht auffkommen können. Er wolte mit der Flucht zahlen / wuste aber daß grosse Herren lange Hände / grosse Augen und Ohren / welche alles sehen und hören. Daß er den Todt verdienet [348] sagte ihme sein Gewissen / daß ihme aber der fromme Käyser Barmhertzigkeit erzeigen würde / versprache ihm seine Hoffnung. Im Ende muste es gewagt sein.
5. Die Zeit in welcher er Rechnung solte einreichen / die wargedoppelt vorbey / der Käyser lässet ihn fordern und fragt / wo er mit so viel Gelts hingekommen? Er thut S. Majest. einen underthänigen Fußfall /und bittet / daß er seine Rechnung bey dem Thron Käyserlicher Barmhertzigkeit ablegen möge / und zwar Mündlich. Einnahm und Außgab / sagte er auff befragen / ist gleich: Was ich habe empfangen / das habe ich wider außgegeben in dreyen Posten / nemlich: in dem Spiel / in Gastereyen und Frauenzimmer Kurtzweil. Wann sich Ew. Majest. nicht erbarmet / so muß ich es mit dem Leben bezahlen. Weil aber Käyserl. Majest. auff Erden ein Ebenbild Gottes in dem Himmel / verhoffe ich Gnade zu erlangen / die Gott allen Menschen so ihn darumb anruffen / ertheilet /etc.
6. Der Käyser sahe diesen Jüngling an / und bereute / daß er ihme so viel anvertraut / betrachtet benebens dieses reuenden Verschwenders Buß und Todtes Angst / wolte aber doch ein solches Verbrechen /wegen deß Ergerniß ungestrafft nit lassen hingehen /sagte deßwegen daß er solte wehlen / den Todt oder ein Ruder-Stelle und Leibeigenschafft auff der Galleren.
7. Wolffgang bedachte sich nicht lang / und erwehlte die Galleren / von welcher Fessel er ehe / als von den Banden deß Todtes / loß zukommen verhoffte. So bald befihlet der Käyser man solte ihn gefänglich annehmen / und das Haupt wie einem Rudergesellen bescheren. Darzu nun Wolffang willig / weil er nur die Haare und nit das Haupt verlieren solte.
8. Der Käyser wolte nun bey dieser Begebenheit einen Lust haben / und diesen gefressigen Wolff mit Furchten abstraffen / befahle deßwegen dem Barbierer / er solte ihme eine Platten / wie einem Mönchen scheren / welches er auch gethan. Wolffgang gedachte / daß er sein gutes empfangen in vorigem [349] Leben / und nun wider böses mit Angst und Zittern zu erwarten haben wůrde.
9. In dem man nun diesen Wolff zu butzet / und zu einem frommen Schaffe machen will / fragt ihn der Käyser / ob er nicht lieber ein Mönch als ein Ruderknecht seyn möchte; Wolffgang antwortete: daß dieses so viel als wann man einen Krancken fragte: Ob er gesund sein wolle:
10. Der Käyser versetzte / daß er wolle seine Dienstbarkeit in Freyheit wandlen; jedoch daß er hinführo Gott deß Herrn leibeigener Knecht zu verbleiben geloben solte. Busse thun / wegen begangener Sůnde / und ein neues Leben anfangen. Wolffgang verspricht alles bester Form / und bedancket sich der hohen Käyserl. Gnaden / welcher er sich nicht würdig machen können / alsdurch das liebe Gebet / für Käyserl. Mayest. langes Leben / und Wolexgehen / Gott anzuflehen.
11. Wol sagt der Käyser / bringt ihme eine Benedictiner Kutten / und als er solche angezogen / verehrte er ihm eine Abbtey / welche wenig Tage zuvor /durch deß Abbts Todsfall / erledigt worden. Hälst du aber nicht besser Hauß in dem Kloster / als an meinem Hof / sagte der Käyser darzu / so wirst du die Mönch und das Kloster versauffen / und wir wollen dich an den höchsten Galgen hangen lassen.
12. Ob sich alle umstehende hierüber verwundert /ist unschwer zu erachten. Wolffgang aber hatte sein Leben geändert / und auß einem bösen Hoffmann ein Frommer Abbt worden. Also ist es noch Gott leicht auß einem Zöllner einen Apostel / auß einem Saul einen Paul / auß einem Schecher einen seligen Christen zu machen.
98. Die Gleichheit der Angesichter
(XCVIII.)
Die Gleichheit der Angesichter.
Es ist eine Streit-Frage unter den Naturkündigern /warumb theils Kinder ihren Eltern / theils aber denselben nicht gleich sehen? Ins gemein wird solches den Bildungs Kräfften / und dann der unterschiedlichen Beschaffenheit [350] deß Saamens wie auch dem Gestirn beygemessen / und solches alles kan sich finden in zweyen zuglejch empfangenen und gebornen Kindern / welcher Mütter etwan eine Person zu der Zeit /in welcher sich die Leibes Frucht zu gestalten pfleget / betrachtet / wie wir hiervon / ein denkwürdiges und wahres Exempel / ob es gleich einem Freuden-Spiele nicht gar unähnlich / beyfügen wollen.
2. In der Statt Aquila im Königreich Neapoli /haben sich zween Knaben gefunden / welche in dem Angesicht / an der Stirne / Alter / Grösse und Geberden / einander gantz völlig gleich / daß keiner vor dem andern zu erkennen gewesen / als an den Kleidern / welche bey Hermolas viel stattlicher / der eines Edelmanns Sohn / als bey Eleonor / eines gemeines Burgers Kind.
3. Als Hermolas die Knaben Jahre zurucke geleget / wird er von seinen Eltern nach Sinea gesendet / aldar seinem Studiren ferner obzuliegen. Er findet aber eine Jungfrau Prudentia genant / welcher Schönheit ihme seine Freyheit zu einer angenemen Dienstbarkeit machte. Er sahe wol / daß er zu ihr keinen Zutritt / als durch die Thür der Kirchen / ich wil sagen / durch eheliche Verbůndniß / zu welcher ihre Eltern weil sie vermeint / die Tochter bey diesem reichen Neapolitaner wol anzubringen / gerne verstanden; Seine Eltern aber einwilligen zu machen / wuste er keinen Rath.
4. In dem er nun mit diesen Gedancken umbgehet /verliebte sich Hortensia ein adelich Jungfrau / in diesen Hermolas / und weil sie keine Gelegenheit / ihn an zusprechen / schreibt sie ihme einen sehr höflichen Brief / welchen er / zu einer Kurtzweil / mit gleicher Müntz bezahlet. Die Verliebten lassen sich füglich mit den Jägern vergleichen / welche das Gefangene verlassen / und einem andern nacheilen; Also hatte Hortensia Quintellum / der sie brünstig liebte / bereit in ihren Garnen / wolte aber den schönen Neapolitaner erjagen.
8. Als nun Quintellus sahe / daß ihme Hermolas seiner Liebsten Gunst weggenommen / lässet er ihm sagen daß er der [351] Hortensia müssig gehen solte / oder ihne zu einem abgesagten Feinde haben wurde. Hermolas sagte / er solte einen Mann finden / der sich für der Weiber Waffen (den Worten) nicht fürchtete. Es gange ihm aber Quintellus mit seinen Beyständen so lang nach / daß er Hermolas endlich begegnet / unn Mörderischer Weiß angriff. Der Neapolitaner stunde an einem Thor / und schützte sich dergestalt / daß ihm Quintellus in den Degen laufft / und in das Bein verwundet / darüber er auch zu Boden fället / und Hermolas / der auch etliche geringe Wunden hatte / zu entspringen Gelegenheit bekommen.
6. Quintellus wird zu dem Wundartzt getragen /und befindet sich sein Stich zwar gefärlich / aber doch nicht tödtlich. Hemolas aber muste dem Gefängniß entfliehen / und sich zu Viterbo eine Zeit aufhalten /entfernet von seiner schönen Prudentia welche den Ruff erschallen lassen / daß Hermolas nach Aquilla verraist / und nicht mehr widerkommen würde. In dessen wurde Quintellus von seinen Wunden gebeilt /unn ob er wol Hermolas erstlich beschuldiget / hat er doch nochmals sein Unrecht erkannt / und ihn wider entschuldiget / darmit aber seine Freunde keines wegs zu frieden seyn wollen.
7. Hortensia machet sich heimlich in Mannskleidern darvon / und kommt nach Aquilla / ihren Hermolas zu ehlicher Beyliebe zu bewegen / nach dem sie aber in der Statt herumb spatzieret / begegnet ihr Eleonor / den sie für den Hermolas / wegen besagter Gleichheit ansiehet / und auf das freundlichste zuspricht. Als dieser den Irrthum / so ihme mehrmals begegnet / erkennet / und höret / daß sie eine Reiche von Adel / will er solches Glück nicht auß Handen lassen / doch ihren Worten auch nicht vollen Glauben zustellen; sondern bittet sie / daß sie bey einem seiner Freunde etliche Wochen verharren wolte / biß er seine Eltern zu solcher Verehlichung willigen machte.
8. Inzwischen nimmt er seinen Weg auf Siena / und leget seine Werbung bey Hortensia Freunden selbsten ab / die ihn für Hermolas / welcher den Sinesern noch nicht trairen [352] will / ob er gleich gehört / daß Quintill sein Feind / widerumb genesen / in das Gefängniß legen lassen. Bevor nun Eleonor in das Gefängniß gekommen / und von Hortensia Freunden das Ja Wort zu dem Ende erhalten / daß ihre Tochter nur möchte wiederkommen / schreibt er alsobald nach Aquila /und bittet seine verhoffte Hochzeiterin sich wider einzustellen / wie sie auch gethan / den vermeinten Hermolas aber / in dem Gefängniß / und als ob er sie entführet / beklagt gefunden.
9. Nach dem aber der rechte Hermolas wieder nach Sinea gekommen / und von seinen Freunden Verlaub erlangt Prudentiam zu freyen / wird er ungefehr von den Schergen begegnet / und weil sie vermeint / daß er auß dem Gefängniß gebrochen / alsobald angefallen / und wieder in Verhafft genommen. Sie funden aber allda Eleonor / für Hermolas / und wurde der Irrthum / welcher die Gleichheit ihrer Angesichter begehen machen / bald erkant.
10. Sie bekennen beede die Warheit / werden gegeneinander gehöret / unn weil Hermolas dem Richter die Hand gesalbt / sind sie der Verhafft erlassen / und wider auf freyen Fuß gestellt worden; da dann Hermolas ohne fernere Verzögerung Prudentiam gefreyet /und mit sich nach Aquila geführet / welche ihren Namen in der That erwiesen / und sich bey seinen Eltern und Freunden geliebt und geneigt gemachet.
11. Weil nun Hortensia in deß Eleonors Angesicht gefunden / was sie an Hermolas geliebet / hat sie von ihme nit absetzen / sondern den Betrug für angenehm halten / und sich mit ihme trauen lassen wollen / welcher auch nachmals / als die Schiffer die Ungewitter erzehlet / was sich wegen der grossen Gleichheit Hermolas und seines Angesichts begeben / etc. hat auch durch seine Demuth Hortensiam und jre gantze Freundschaft zu günstiger Gewogenheit veranlasst.
12. Under andern Wundern Gottes / die wegen ihrer alltäglichen Gemeine / fast nicht geachtet und beobachtet werden / ist die grosse Ungleichheit der Menschlichen Angesichter / Augen [353] und Stimmen /nicht das geringste. Ohne solche würden sich vielerley Irrungen begeben / und finden sich unter viel tausenden kaum zween / welche unter einander in allem gleichen / und zwar viel ehe Manns- und Weibspersonen. In so grosser Ungleichheit aller Sachen bestehet die Schönheit dieses Weltwesens / von welcher wir mit David sagen können: Groß sind die Wercke deß Herrn; Wer ihr achtet der hat eitel Lust daran.
99. Die unverhoffte Rettung
(XCIX.)
Die unverhoffte Rettung.
Das Alter ist / wie Euphormio will / mit Fuge geschwetzig / weil es viel erfahren / gesehen / gehöret /und also mehr zu sagen weiß als ein junger / ja viel grösers Belieben trägt zu erzehlen / was zu seiner Zeit geschehen / als andre frembde Geschichte / so sonsten bekannt nach zusprechen. Was wir gesehen / daran haben wir gleichsam einen Theil / und gehet uns so vielmehr zu Hertzen / als das was wir gehört / oder gelesen / vielleicht deßwegen / weil das Gesicht der vornembste Sinn / welcher unser Gedächtniß seine Bilder / gleichsam es in ein Wax eindrücket. Diesem nach schwebt mir noch für Augen / was ich in meiner Zeit / zu Dyon 1625. gesehen / und nachgehends erzehlen will.
2. In dem Weinmonat erstbesagten Jahrs / wurde eine Dirne von 22. Jahren / Namens Helena Gillet in Verhafft genommen / auß verdacht daß sie ihr eignes Kind ermordet oder verthun habe. Man lässet die Aminen alle Besichtigung einnehmen / welche einstimmig außsagen / daß diese Helena eine Kindbetterin / die vor 14. Tagen der Geburt erlediget worden. Sie aber wil nichts anders gestehen / als das geronnen Geblůt von ihr gegangen.
3. Ein Soldat hatte auff der Schildwacht gesehen /daß in dem Garten / welcher an ihrer Wohnung war /ein Rab [354] ein weises Tuch / auß der Erden gezogen /und als der Soldat den Raben verscheucht / hat er gesehen / daß ein Kind alldar vergraben gewesen / und in ein Hembd eingewicklet / wie die Gefangene eines an dem Hals hatte / und mit dem Anfangs Buchstaben ihres Namens H.G. gezeichnet. Sie hat aber gesagt /das ihr solches Hembd gestolen / und von einer andern Dirne hierzu gebrauchet worden.
4. Hierauff ist sie nun zu dem Schwert verurtheilet worden / und hat sich der Hencker vernehemen lassen / daß er sich auff diesen Streich förchte / weil er drey Monat das Fieber gehabt / und sehr schwach in den Armen seye. Die arme Sünderin ist begleitet worden von zweyen Jesuiten / und zweyen Capucinern / welche sie ermahnet daß sie den Todt unverzagt außstehen solte.
5. dem Scharffrichter ist sehr bang / er sihet gen Himmel / fällt auff die Knie / bittet die arme Sünderin umb Verzeihung / und hätte fast wollen an ihrer Stelle seyn. Er bittet auch das Volck / daß wann ihme der Streich mißlingen solte / daß man nit Hand an ihn legen wolle / und stellet sich sehr verzagt zu dem Handel / dz jme die Geistlichen auch zusprechen müssen.
6. Endlich entblösset er das Schwerdt / und die Jesuiten schreyen ihr zu Jesus Maria / die arme Sünderin ziehet das Band für die Augen und zittert / der Scharffrichter vermeint sie in den Hals zu treffen /haut sie aber in die rechte Achsel / daß sie auff die lincke Seiten zu Boden sincket / lässet darauff das Schwerdt fallen.
7. Die Steine fangen alsobald darauff an zu fliegen / und deß Henckers Weib richtet die arme Sünderin wieder auff / daß sie noch einmalniederkniet / und den Streich auß halten will Der Hencker nimbt das Schwerdt von seiner Frauen wider / und hauet die arme Sünderin in das Haupt / daß sie wid' zu der Erden sincket. Dieses machet das Volck noch viel ergrimmter / und sind die Steine in so grosser Anzahl geworffen worden / daß sich der Hencker durchhauen / und in eine kleine Capellen entfliehen müssen.
[355] 8. Deß Henckers Weib hat den Strick / mit welchem die Arme Sünderin gebunden / auf den Platz geführet worden / ihr um den Hals gethan / und sie erdroßlen wollen / die halb todte Dirn aber verhindert sie / und thut die Hände an den Hals. In deme nun die Steine auff dieses Henckers Weib häuffig stürmen /nimmer sie ihre lange Scheere / mit welcher sie ihr die Haare abschneiden wollen / und wolte jr das Haupt mit abschneiden; Als sie aber solches nit zu thun vermochte / sticht sie ihr die Scheer etlichmals in den Hals.
9. Der Hencker kniet in der Capell nieder / und als das Stürmmen überhand nahme / gehen die Capuciner und Jesuitten herauß. Das Volck schreiet alles / man solte nur die arme Sünderin retten / welches auch geschehen und haben ihr zween Bürger den Strick von dem Hals gethan / da sie dann gantz erschrocken /und mit schwacher Stimm zu trincken gefordert / und gesagt: ich hab wol gewust / daß mir Gott beystehen würde. Man führte sie zu einem Wund-Artzt / der alsobald Verlaub bekommet sie zu heilen / und findet daß der Wunden keine tödtlich / ausser eines Stichs /deren 6. in dem Hals / welcher / wie er erstlich vermeint / die Lufftröhren verletzet.
10. Der Hencker und sein Weib sind zu Tod gesteiniget worden / und hatte auch die Arme Sůnderin nicht wenig Steinwürffe bekommen / daß ihr Brust und Angesicht grün / gelb und mit Blut unterloffen gewessen. Hierauff lässet man den Verlauff deß gantzen Handels nach Pariß an den König gelangen / und haben sich etliche vornehmen Personen ihrer erbarmet / und die Unkosten solches nach Pariß zu senden und ihre Gnade außzuwürcken hergeschossen.
11. Der König hat ihr auß vielen Ursachen Gnade erwiesen / weil eben dazumal die Königin in Engelland vermehlet wurde / das arme Menschlein viel Straff und Marter / ja die beharrliche Todesfurcht außgestanden / und zu befürchten / eine neue Auffruhr / wann sie nachmals gerichtet werden sollen / erfolget were.
12. Nicht zu zweiffeln ist / daß die Richter nach ihrem Gewissen [356] geurtheilt / und sie fůr eine Kindermörderin gehalten: viel aber haben festiglich geglaubt / daß sie unschuldig / weil sie Gott so wunderbar erhalten / daß sie der gewaffnete Todt / als sie zum zweitenmahl sterben wollen / nicht überwältigen mögen. Dieses Exempel solte allen Unschuldigen zu einem Trost dienen / daß sie Gott auch in dem Todt /von dem Todt erretten könne. Hüt dich vor der That /der Lügen wird wol Rath.
100. Lust- und listige Händel
(C.)
Lust- und listige Händel.
Nach dieser fast traurigen / doch frölich außgeschlagenen Geschicht / wollen wir etliche lustige und listige Händel zum Nachspiel auff den Schauplatz führen / und zwar ohne Ordnung / wie sie uns beyfallen / und etwan in frölicher Gesellschafft erzehlet werden möchten.
2. Ein Kauffmann nimmt alhier zu Nürnberg bey zweyen Geld / auff einen Tag / welcher war der Achte deß Weinmonats in dem 1633. Jahr. Als nun einer von den Glaubigen siehet; daß es zu Schulden kommet / und er mit der andern gleiche Stelle in dem Vorgans Urtheil zu erwarten / nemet er seinen Brieff und macht auß dem A. ein S. und ein e. und zwischen das h. und t. ein s. hat also auß dem Achten den Sechsten Tag gemacht. Der Betrug aber hat sich endlich durch den Schuldner und seine Bücher geoffenbahret.
3. Ein Pfarrer hatte bey einem guten Freund ein Frühstück ein zunehmen / als eben ein Bauren-Knecht und Bauren-Magd sich angemeldet / er solte sie verkünden / und nach kurtzer Zeit zu sammen geben. Der Pfarer fragte sie / ob sie nicht bereit mit einander Sündlich zugehalten. Sie verneinten es beständig /Wol / sagte der Pfarrer / ich will dir Bräutigam eines bringen; ist es wahr was du vorgiebest / wird [357] dir der Trunck wol bekommen / ist es aber nicht waar; so wird dir der / Wein Gifft und Gall seyn. Der Baurenknecht hatte nie keinen Wermutwein getruncken / und kaum den Mund voll genommen / als er bekennet: Was wahr ist / sagend / das ist doch waar. Mussten hernach mit Strokräntzen in die Kirchen gehen.
4. Ein Geitziger Filtz hatte von seiner gantzen Nachbarschafft zu Winterszeit Würst und Braten /wann sie geschlachtet / empfangen. Er aber sagte zu seinem Gevatern / er wolte gerne seine Schweinlein schlachten / wann er nur nicht so viel darvon außschicken und verschencken müsste. Der Gevatter gibt ihm den Rath / er solte die Schweinlein auff den Abend für die Thür hencken / und sie durch seinen Diener wegnehmen lassen / als ob sie jemand gestolen / so habe er eine gute Entschuldigung. Der Gevatter aber stielt das Schwein mit eigner Hand. Als er sich beklagt / will er es nit glauben / sondern beredet / daß er seine Person sehr wol spiele.
5. Ein Schmids-Gesell verliebte sich in eines Mahlers Tochter / welche ihm wegen seines groben Handwercks abgeschlagenwurde. In einem Jahr lernet der Gesell so viel mahlen / daß er sein Handwerck verlassen / und die Tochter / wegen seiner Kunst darvon gebracht. Ein Poet machet in seinem Namen folgende Verse:
Der ich vor dieser Zeit den Hammer hab geführt /
und in der heissen äß den Stahl Vulcanisirt /
Hab meine Venus nie zur Gegenlieb bewegt /
biß ich / für Mahlers Farb / das Eisen hingelegt.
Ich male bey dem Tag die Kinderbrut zusammen /
Und schmiede bey der Nacht in überheissen Flammen /
Der Amboß ist so starck / daß ich fast werde müd:
ich muß ein Mahler seyn und auch ein Menschenschmied.
6. Ein Schweitzer feines Handwercks ein Dachdecker / wurde auff die Schildwacht gestellet / ersolte ja nit schlaffen / [358] sondern so viel jme möglich entdecken. Solchem zu folge hat er ein Hauß in der nähe gantz abgedecket / der Meinung seinem Befehlhaber zu gehorsamen.
7. Ein Geitzhals hatte in seinem Hause einen armen Mann wohnen / der eine Gans kaufft / den Haußzins hinein verbürgt / und die Gans seinem Haußherrn verehret. Der Geitzhals verkaufft die Gans / und ein andrer armer Mann / derauch dem Martins Fest sein recht thun wollen / kaufft sie / und findet sein Geld vielfaltig darinnen. Hier war die Frage: ob der Beständner deß Hauses den Zins noch einmal zu zahlen schuldig?
8. Es solte ein vornehmer Herr seinen Einzug halten / und muste nechst bey einem Galgen vorbey /damit ihme nun der daran gehangte Dieb nicht abschäulich fürkäme / haben ihme die Bauren ein neues Hemmet angeleget / und einen Rosenkrantz auf gesetzet. Andre wolten das Hohegericht mit Tapeten bekleiden / kunten aber keine zu borgen bekommen.
9. Ein Geitziger hatte ein Stück Tuchs / und wolte darauß einen Mantel machen lassen / fragte aber den Schneider / ob es nicht zween Mäntel gebe? der Schneider sagte ja / er wolte wol zween darauß bringen. Als er solches hörete / fragte er weiter / ob er nicht drey Mäntel darauß machen könne. Der Schneider bejahets / machet aber so kleine Affenmäntelein /daß sie auch die Kinder nicht gebrauchen kunten. Hierüber kamen sie fůr den Richter / und wurden beyde gestrafft. Der Schneider umb seinen Macherlohn wegen seiner Thorheit; Der Alte aber umb sein Tuch / welches er armen Leuten geben müssen. So ist der Geitz seine eigene Stieffmutter.
10. Als eine Königliche Braut durch Mailand geführet wurde / und bey derselben Statt Königl. Statthalter Ihre Einkehr genommen / hat er sich bey dem Abschied vernehmen lassen / daß Ihre Majestät zwar zu Genua stattlicher und kostbarer gehalten werden möchte / weil dieselben von Adel einander die Tapeten / Tisch- unnd Bettgereth zu [359] leihen pflegten: Dieses ab er were alles sein eigen / etc. Der Hertzog Doria wurde der Auffschneiderey verständiget / und liesse über alle seine Thüren schreiben: (en esta casa no ay cosa pre stada). In diesem Hause ist nichts entlehntes.
11. In einem Wirtshauß sahe ein Knab / daß ein Frantzos Wasser unter den Wein gosse: sagte deßwegen auß kindischer Einfalt. Es were unvonnöthen /dann sein Vatter in dem Keller bereit genug Wasser darunter gegossen. Hieher gehöret die Erinnerung jenes Weisen / was man verschwiegen haben wolle /soll man die Kinder nicht sehen oder hören lassen.
12. In Hispania haben die Herren fast die Leibeigenschaft über ihre Underthanen / daß sie mit ihnen verfahren / und sie an dem Leben straffen können. Ein sehr häßlicher und bucklicher Herr wurde von seinen Underthanen einem wegen seiner Rückwarts hochansehnlichen Bürde geschertzet / und weil er viel Kinder hatte / nicht an dem Leben / sondern nur mit dem Gefängniß abgestraft. Als nun dieser seiner Fessel wider erlassen / sagte ihme der Fürst / daß er ihme Gnade erweise / und Mitleiden habe / wegen seiner viel Kinder / mit welchen er beladen / etc. Hierauf sagte der Unterthan: so solte die gantze Welt auch mit Ew. Gnad. Mitleiden haben / weil sie mehr beladen und von der Natur belastet / als ich. Hierüber ergrimmt der Fürst / und lässet ihm das Haubt für die Füsse legen. Also giebt es viel / welche lieber einen guten Freund / als ein gutes Wort verlieren wollen. Eben dieser Herr war so ungestalt / und hatte auf einer Jagt ein Aug verlohren / wolte aber daß drey Mahler zugleich seine Bildniß machen solten. Der erste macht ihm wie er war mit einem Aug / darüber erzörnet er / unn lohnet ihm mit ein paar Backenstreichen. Der andre mahlt ihn schlafend / und der dritte daß man ihn nur neben an der Seiten sahe. Hierauß ist zu mercken / daß Fürsten und Herrn die Warheit so wenig leiden können / als der Löw das Hanengeschrey / darvon in der zweyten Frag der Zugabe unsres VIII. Theils der Gespräch spiele zulesen.
13. Ein Königs Sohn (dessen Namen wir auß billigen [360] Bedencken verschweigen) kame mit seines Anherrn Bastart Bruder in dem spielen zu streiten / daß er saget: eine gute oder gültige Karten / und eine schlechte schicken sich zusammen wie sein Vatter und seine Mutter. Der Bastart antwortete: Ob ich gleich eine schlechte Mutter gehabt / so ist doch mein Vatter doch besser gewesen als E.L. Herr Vatter. Der Königl. Printz klagete über diese Wort / und bittet /daß man solche mit ernst abstraffen solte: Der König aber sagte: Er hat die Warheit gesagt / mein Herr Vater ist gottsfůrchtiger und frömmer gewesen / als ich / die Warheit soll bey Hof nicht ungestrafft werden. Absonderlich hat er diesem Bastart seine Unbedachtsamkeit verweisen lassen.
14. Es rühmte sich ein Papist / daß wir die Gültigkeit der H. Schrifft nicht beglauben könten / als durch die Catholische Kirche. Wol / sagte der andre; wie will aber die Catholische Kirche beglaubet und gerecktfertiget werden / ohne die H. Schrifft?
15. Es sagte ein Fürstl. Rath / daß Treu und Glauben halten / auf Gott und den Nechsten sehen / Schusters- und Schneiders Vorschläge weren / welche er im Machiavello nicht gelernet. Darauff antwortet sein Fürst: So seyd ihr wol ein Geck / daß ihr saget / ihr wolt die Leut betrügen: wer wird euch und Machiavello glauben?
16. Ein Edelmann erzehlte / daß er gesehen / daß einen Hirschen eine Kugel in dem Hertzen verheilt gewesen. Hierůber pfieffe der andre / und als sie wegen stillschweigender Lügenstraffung zu rauffen kommen wolten / gabe ihnen der Fürst diese Lehre: Wann du das gesehen oder erfahren hast / das der Warheit nicht ähnlich ist / so sage es nicht für verständigen Leuten: Und du / wann du etwas hörest / das dir unglaubig vorkommet / so pfeiffe nicht mehr / dann noch viel in der Welt / das ich und du noch zulernen haben.
17. Der Neid / sagte einer / ist starck genug eine Gruben zu graben / und sich hinein zustürtzen.
18. Wer mit Gott redet ohne Andacht / ist alß wie einer mit seinem Leib eigenen Knecht redet / der zu frieden seyn muß / [361] man sage ihme gutes oder böses /der ist kein rechtschaffner Christ.
19. Antoni Peretz sagt / daß die Falschheit sey eine Kranckheit / welche bey allen Höfen regiere / und nicht könne geheilet werden.
20. Es sagte einer / daß die Weiber Eva Töchter /so hartneckigt / weil sie auß Adams Rippen erschaffen worden. Ja / antwortete ein Frau / wie viel Rippen aber sind dem Adam übergeblieben / damit er seine Söhne versehen hat?
21. Von einem gelehrten Schulfuxen sagte man /daß er ein trefflicher Mann in dem Schatten / in der Sonnen aber seye er nicht zu gebrauchen / weil gelehrt und verständig seyn / offt so weit von einander / als der Himmel und die Erden.
22. Wann man der Jugend Einhalt thun will / daß sie gar keine Ergetzlichkeit haben soll / ist eben / als wie Xerxeß das Meer mit Fesseln binden / und mit Ruten züchtigen wollen.
23. Man fragte einen Bauren / warumb er sich nach seines Weibes Todt nicht wider verheurahte? Man muß / sagte er / die Weiber gar lang behalten.
24. Nicht vätterlichen / sondern federlichen Adel haben / gleicht der Kröhen beym Esopo / wann sie Adlers- und andre Vögels Federn verlohren.
25. Einer wolte kein Weib nehmen / der Beysorge /es were mit ihnen beschaffen / als wie mit jenem so Wölffe feil hatte / und wegen ihrer Güte gefragt / zur Antwort gabe / ist einer gut / so sind sie alle gut.
26. Ein Dorffpfarrer sagte / es were aufs keinen Frieden zu halten / den die Bauren nicht lobten.
27. Es stritte ein Graff unbekanter weise mit einem seiner Bauren wegen der Anruffung der Heiligen / sagend / daß wann er zu seinem Herren wolte / er sich zuvor bey dem Hoffmeister anmelden müste? also auch / wann man zu GOtt wolte / müste man zuvor zu den Heiligen kommen. Der Bauer antwortete: O unser HErr Gott ist kein so stoltzer Herr / als mein Graf. Er hat jederman der mit Sünden beladen zu sich berufen /[362] und zu erquicken versprochen. Mein Graf vergönnet keinem einen Trunck Wassers: Seine Diener aber sind nichts weniger als Heiligen.
28. Ein Spanier sagte zu einem Frantzosen / wie er doch die Rephüner ohne Pomerantzen essen möchte? Der Frantzos antwortete: wie möcht oder müsst ihr die Pomerantzen ohne Rephüner essen?
29. Wer Gott fürchtet der fürchtet den König nicht / sagte ein Frantzösischer Cardinal. Diese Rede wurde dem König sehr verhafft fürgetragen. Der Cardinal aber sagte / daß es Wort der Schrifft / und zu verstehen von Tyrannischen Königen / deren Gebotte den Gebotten GOttes zuwider: keines wegs aber von frommen Königen / welcher Befehl gleichsam der Echo und Widerhall Göttliches Willens seyn soll.
30. Es ist kein Wunder / wann das Gold bleicher scheinet als vor dessen: weil ihrer vielmehr demselben nachstellen als vor dessen / hat es Ursach sich zu fürchten; Mit versetzten Buchstaben heisst es / Dolg /der alles durchsticht.
31. Es hat einer seinem Richter einen schönen Degen verehret / er solte ihm in seiner Sachen ein gewinnliches Urtheil schmieden. Der Gegentheil aber hat ihme einen schönen Mantel geschicket / und deßgleichen gebetten. Der Richter hätte ihme ein Gewissen gemacht / wann er eines oder andres hette sollen außschlagen; hat aber endlich für den mit dem Degen gesprochen. Hierüber sagte ein andrer / daß dieses eine Abbildung deß Friedens / nach dem bekanten Spruch Ciceronis: Cedant arma togæ;
32. Eben selbiger Richter liesse über seine Thür schreiben bonis semper patet. Der Mahler aber macht für das b ein d, daß es hiesse donis semper patet.
33. Es wurde ein Schiffer gefragt ob er sich nicht fürchte / daß er auff dem Wasser den Fischen zu einer Speise werden möchte: Ja sagt er / das achte ich nicht / dann ich hab die Zeit meines Lebens so viel Fische gessen / daß ich sie nicht verdencke wann sie mich gleich wider essen.
[363] 34. In Holland wurden zween im Diebstal ergriffen / und der älteste zum Strang / der ander aber zu der Ruthen verurtheilt. Als nun der jüngste gestrichen /und der andere hangen solte / fragte jener: Peter / was soll ich deiner Mutter sagen? Dieser antwortete: sage ihr / ich seye eines Seilers Tochter vertraut worden /und du habest auff meiner Hochzeit gedantzt.
35. Es fragte ein Edelmann einen Bauern / wo der Weg hinauß ginge? Der Bauer sagt: Reitet gleich zu an Galgen (weisend mit der Hand das hohe Gericht) wann ihr dorthin kommet / so seyd ihr recht daran. Das Dorff darnach der Edelmann fragte: war recht unter dem Berge / darauff der Galgen erbauet.
36. Ein Soldat fragte einen Bettler / warumb niemand an dem Hoch gericht hange. Der Bettler antwortet: Die Ursache ist / weil die Diebe alle in den Krieg gezogen.
37. Es machte einer ein Testament / und verschaffte seinem Diener seine Kleider. Der Diener nahme sie alsobald und wolte sie anziehen. Der Herr sagte ihme / daß es noch nit Zeit / er solte zuvor warten / biß er gestorben. Der Diener antwortet; lieber Herr sterbt wann ihr wolt / ich wil es nicht hindern.
38. Es hat einer eine Jungfrau / mit ihrer Bewilligung / durch ein Fenster entführet. Nach deme er nun die Freunde umb Verzeihung bitten / und sich entschuldigen wollen / sagte er / daß ihre Liebe so brünstig / daß wann sie nicht durch das Fenster Lufft bekommen / das gantze Hauß davon in Brand gerathen können.
39. Ein redlicher Teutscher wurde mit dem Trunck genöthiget / als er nun einen Abtritt nehmen wolte /sagte er: Es ist die Feuersnoth eine grosse Noth / aber Wassersnoth ist weit darüber.
40. Ein reicher Edelmann verspielte eine Zeit ein grosses Geld; seine Schwester vermahnte ihn / er solte das Spielen verreden. Der Edelmann sagte Ja er wolte es verschwören / wann sie auch verschwören würde /N. Ihrer Bulschafft [364] müssig zu gehen. Darauff sagte sie: Ich habe wolgedacht / du kanst die Zeit deines Lebens nicht von dem Spielen lassen.
41. Es wurde gefragt / ob Adam auß Ehrgeitz /oder der Eva zu Gefallen in den Apffel gebissen. Darauff sagte ein einfältiger Mensch: Ich halte dafür / er habe kein Messer gehabt / daß er wol darein habe beissen müssen.
42. Ein Kind sagte zu seinem Vatter / als er gehustet: Gott helff euch L.V. der Vatter antwortet: mein Kind / ich habe nicht geniest. Wol / antwortet der Knab / so helff Euch Gott nicht.
43. Man hatte einem alten Mönchen das Uhrwerck in dem Kloster anbefohlen / darüber klagten nun die Mönchen. Er aber sagte / daß dieses Ambt das schwerste unter allen; dann er den Alten die Uhr zu geschwindt richte / daß die Mahlzeit ihnen zu bald gegeben werde: Den Jungen aber / welche ehe hungere / richte er die Uhr zu langsam. Also könne er keinem Theil recht thun.
44. Ein Pfarrer predigte / daß Cain deßwegen Gott nicht gefallen können / weil er nicht habe wollen in die Messe gehen / und die Zehenden nicht bezahlen.
45. Ein anderer predigte / daß ein Jud das neue Testament 200. Jahre vor Christi Geburt gefunden / und sich alsobalden tauffen lassen.
46. Ein andrer predigte / daß unser Erlöser sechs Persohnen mit 5000. Brodten und drey tausend Fischen gespeiset. Ein Bauer sagte nach der Predigt / er wolte wol auch ein solches Wunder thun. Ein Jahr hernach sagte nun der Pfarrer / daß der Brodte sechs /und der Gespeissten 500. Fragte den Bauren hernach /ob er auch dergleichen thun könte. Ja / antwortete er /Ihr habt vor einem Jahr dieses Evangelium nicht geprediget.
47. Ein Artzt sagte / daß sich kein Kranck er über ihn beklage. Ich glaub es / sagte der andre / dann ihr stopffet ihnen das Maul mit Erden.
48. Es hat einer zu Pariß an statt einer neuen Zeitung drucken lassen den Verlauff / wie König Francois der erste [365] dieses Nahmens / König in Franckreich / Mayland eingenommen / als nun jederman / der es herum schreyen hören vermeint / daß solches der regierende König durch sein Heer in Welschland gethan / weil nur die Uberschrifft: La prise de Milan, haben viel solche Zeitung fůr neu verkaufft / und sich hernach für betrogen gefunden.
49. Ein alter Mann fiele die Stiege hinab / und beschuldigte den / der mit ihm gangen / daß er ihn hinab gestossen. Der ander laugnet darfür / sagend: die überzeitigen Frücht fallen von sich selbsten.
50. Es fragte einer was die hälffte eines hauffen Sparges kostete. die Bäuerin sagte ein gewisses / das zahlte er alsobald / und schnitte das untere hinweg /nahme aber das obere beste für sein Geld.
51. Es erhube sich ein Streit wegen eines Esels /der weil er zuschaden gegraset / lahm geschlagen worden. Als nun der erste seine Klage angebracht /hat der andre gebetten / man solte die Sache zu dem Obergericht verweisen / der beklagte Esel habe gar zu viel Freunde unter den Beysitzern.
52. Ein Spanier grüssete eine verkappte Frau / als man ihme aber sagte / daß sie von der schlechten Gattung / sagte er: Ich habe gnugsame Ursach daß ich sie ehre / weil sie ein Weib ist / von welcher Geschlecht wir Männer herkommen.
53. Ein gelehrter Mann zeigte einem Kind viel Bücher / sagend: sihe mein Sohn / diese Bücher habe ich alle außgelesen / und wann du groß wirst / musst du sie auch auß lernen. Der Knab sagte darauff: Ich glaube aber nicht / daß ihr meinen Catechismum außgelernet habt / und daran hab ich genug zu lernen.
54. Die gantze Welt ist voll Betrugs: Ein jeder will seyn / was er nicht ist / und nicht sehen lassen / wer er ist.
55. Die grauen Haare sind deß Todes Vorbotten.
56. Die Demut ist das schönste Kleid / es trage sie Herr oder ein Knecht.
57. Das höchste Ambt in der Welt ist ein redlicher Mann seyn: aber wenig kommen darzu.
[366] 58. Der Gifft ist grosser Herrn letzte Speise / die Bauren haben sich dessen nicht zu befürchten.
59. Deß Geitzigen Leib erben die Würmer / die Seele der Teuffel / seine Gůter die Verschwender.
60. Ein verständiger Mann vergleichte die vergangene Zeit zu den Teutschen / welche jedesmals auff das vergangene zurücke schauen: Das Gegenwärtige zu den Frantzosen / die allezeit auff das Gegenwärtige sehen: Das zukünfftige auff die Spanier / die ihre Schläge auff noch zukünfftige Zeit zu richten pflegen.
61. Die Wiegen / welche stetig hin und wider gezogen wird / ist eine Abbildung Menschlicher Unruhe /welche mit zuwachsenden Jahren sich biß in das Grab mehret.
62. Der viel gelernet und seinem Nächsten nicht damit dienen will / ist dem gleich der sein Feld bauet /aber nichts darein säet. Welcher aber sich seiner Kunst und Dienste rühmet / ist gleich dem der die Scheuren mit eingesamleter Ernde anzündet.
63. Man schickte einen Bauersmann auß einem Flecken zu einem Commissario, bey welchem er seine Sache sehr schlecht fürbrachte / daß der Commissarius fragte: Ob kein gescheiderer unter seiner Gemeine zu finden? darauf antwortete er mit ja; zu euch aber zu schicken / fuhre er fort / hat man mich fůr klug genug gehalten.
64. Es urtheilte einer von einem Buche / welches er nicht gelesen: Darauff fragte ihn einer: was er von Rom hielte? Er sagte / daß er darvon nichts sagen könne / weil er nie zu Rom gewesen were. Wol / versetzte der andre: Warumb sagt ihr dann von dem Buch / das ihr nie gelesen habt.
65. Einer Namens Bock / wuste in der Trunckenheit sein Hauß nicht zu erfragen / den wiese man in den Kühestall.
66. Es legte sich einer nüchtern nieder / und stunde bezecht auff / ist die Frage / wie es zu gegangen? er hat sich in dem Bett voll gesoffen.
[367] 67. Ein tapferer Mann der nicht zu Diensten kommet (ist gleich dem / der wol spielet / bekompt aber keine gute Karten
68. Es wurde einer zu Gast gebetten / der entschuldigte sich mit dem fasten; Wol sagte der andre / so kompt und seyd mein Zeug / daß ich nicht faste.
69. Nach dem neuen Kalender / sagte ein Einfältiger wird der jüngste Tag 10. Tage ehe kommen / und die Hölle so voll werden / daß die mit dem alten Kalender / keinen Platz mehr finden werden.
70. Ein Dorffschultheiß wolte eine Brandsteuer anlegen / weil das Wasser ein Joch von der Brücken hinweg geführet.
71. Einem einfältigen Tropfen gabe man eine Picka / als er sich unterhalten liesse / da forderte er einen Spanier darzu.
72. Tranquillus heist zum trincken willig seyn.
73. Es fragte einer wo N Palatium gemacht worden.
74. Ein Ungeschickter lase: in nomine D. in nomine delta.
75. Es wurde einer gefragt: was das beste und böste an dem Menschen were? Antwort: Die Gedult und die Rache.
76. Das Unglück ist der Gottlosen bester Hofmeister / nehmen sie dessen Lehre nicht an / so ist es mit ihnen verlohren.
77. Die Demut ist ein Ehrenkleid / das alle Schande und Gebrechen bedecket.
78. Leib und Seel schwebt gleichsam auff einer Waage / was einem zu gehet / das gehet dem andern ab: Wolte GOtt daß diese Waage allezeit gleich stünde / und man so viel für die Seele / als für den Leib sorgte.
79. Henrich Glarean wurde gefragt: Wie er lebte? Fürstlich / antwortete er / dann ich esse / trincke /spiele und bin lustig / darneben bleib ich jederman schuldig.
80. Landgraf Wilhelm zu Hessen / sagte zu einem Edelmann: Wann wilstu einmal klug werden? Gnädiger Fürst unnd Herr / wann E.F.G. mir ein Ambt geben [368] werden: in diesem Stand bedarff ich noch keiner Klugheit.
81. Wie die Finsternissen grosses Unheil nach sich ziehen / also bringen der Obrigkeit Fehler / Land und Leuten grossen Schaden. Ist Käyser Karls deß V. Denckspruch.
82. Das Alter dienet zu den Heurathen / wie der Winter zu der Ernde / Petrarcha.
83. Ein großmütiger Herr kan leichter einen Schaden / als einen Schimpf verschmertzen.
84. Der ist reich genug / dem kein Brod mangelt /der ist mächtig genug / der niemand dienen darff: der ist in guter Gesellschafft / der heilige Gedancken hat /und der ist from / der täglich frömmer wird.
85. Ein gutes Gewissen ist der Zucker / welches alles süsse machet / Ein böses Gewissen ist der Essig / welcher alles Leben saur machet / und die Freude in Leid verkehret.
86. Die Frommen und weisen Leute kennet man an Gottseliger Demut; Die Bösen und närrischen an dem Teufflischen Stoltz / welcher sich unter allen Lastern am wenigsten verbergen lässet.
87. Ein Hutkrämer wolte einem Edelmann keinen Hut auf Borge verkauffen / sagend: daß er seine Mütze für seinem Hut nicht möge abziehen.
88. Der danckbare Wille macht danckbar / wann die Wercke ermanglen / gleich wie einer auch ohne Feder ein Schreiber seyn kan.
89. Die Helden Tugenden und Höllen Laster sind vielmals miteinander verknüpffet.
90. Ein Frantzösischer Poet nennet den Himmel der Erden Callotte / oder ledernes Häublein.
91. Der sein Leben mit Wollust zubringt / ist gleich einem Ubelthäter / den man über eine schöne Wiese zum Galgen führet.
92. Die Italianer sagen: Verflucht seye der / dessen Leben viel beweinen / und über dessen Tod sich viel erfreuen.
[369] 93. Ein Fürst soll mit den Anlagen beobachten /was sich gebühret nach Erbarkeit / was sich thun lässet nach Billichkeit / und was vorträglich seye nach Nutzbarkeit.
94. Es fragte einer: Wie man aus Wasser Essig machen könte? dem antwortet er: wie man das Saltz aus dem Schnee machet.
95. Ein Abenteurer erzehlte / daß er aus Mangel einer Kugel von Bley / einen Pflaumen Kern in sein Rohr geladen / und damit einen Hirsch auf die Stirn geschossen: nach etlich Jahren seye ihm der Hirsch wieder begegnet / und habe einen Pflaumen-Baum zwischen den Hörnern getragen / welcher von solchem Kern ihm aus der Stirn erwachsen.
96. Ein Mönch vergleichte sich und seine Brüder einem Esel; Dann gleich wie der Esel mit seinem Schwantz ihm der Mucken wehrt / so verhüten wir /daß niemand in die Hölle komme.
97. Die Zimmerleute bauten den Kasten Noah umb ihren Lohn / keiner aber kame hinein: Also führen die ungeistlichen Geistlichen viel zu der Gerechtigkeit /werden aber derselben nicht theilhafftig / und haben nur den weltlichen Lohn zu empfahen.
98. Es kan mancher viel Sprachen / ist aber darum kein Warsager nicht.
99. Der hungerige Magen redet die Sprache Judas /sagend täglich: Was wolt ihr (Hände) mir geben / etc.
100. Die Knechte Gottes sollen ihr anvertrautes Pfündlein nicht vergraben; ja auch nicht ein Quintlein darvon ohne Wucher verliegen lassen.
Schluß.
Dieses ist also geneigter Leser / das erste hundert /der frölichen Geschichte und merckwürdige Reden. Beliebet dir ferner diesen Schauplatz zu betretten /wirst du dergleichen mehr und vielleicht dir anständigere Gedancken nachgehends finden: Mißfället dir aber unsere Arbeit / so hast du die Freyheit / dich solche nicht zu bedienen. Lebe wohl!
Inhalts Register
[370] Inhalts Register.
Die erste Zahl bedeutet die Erzehlung / die zweyte derselben Absatz oder §. Das A. den Anhang / und wann die Zahl vorstehet / so ist es ein Titel der Erzehlung.
A.
Anschläge der Tyrannen / LIII. 1.
Anstrich mit der Heucheley verglichen / L. 13.
Antonij Andräe růhmliche That / LXXX. 8.
Antwort der Demütigen / LXIII. 9.
Argwohn LVI. 5.
Armuth ist ein Außsatz / XI. eine Freystatt XIII. 5. der ärgste Raubvogel XLVI. 1. 1. 12. XLIV. 3. jhre Nachbarschafft / XXXI. 3.
Armuth LXXXII. 4. der Eheleute LXII. 8. arme Teuffel / LXVI. 11.
Artzney die Keuschheit zu erhalten / LIX. 11. der Aertzte Lohn / III. 4. 8.
Aufferziehung unterscheidet die Menschen XXX. 5.
Auffschneiderey XXXIV. 5.
B.
C.
D.
E.
Ehestand wie er angefangen LIX. 12.
Ehediebe XCIII. 10.
Ehejoch soll von gleichen gezogen werden LXXIII. 2. A. 22. 23. ist Gottes Werck XXXVIII. 6. VII. 12. gleicht der Fischreussen XXXI. 10. wird mit List gestifftet XXXI. 11.
Ehegatten Pflicht VIII. 1.
Eheleute Einigkeit LXIX. 10.
LXXII. Die erwünschte Rettung.
Erzehlung kan das Gesicht angenehm machen LXXIV. 1. sind mehr traurig als frölich. Esel mit Gold beladen VIII. 10.
Exempel sind mächtiger als die Lehrer LXXXIV. 1.
Euthanasia Physica XLIV. 13.
F.
XXIII. Das ehliche Fegfeuer.
Feinde lieben LXI. 1. wie sie zu gewinnen LIV. 10. A. 46. XXIV. 8.
Feuer der Liebe XC. 2.
Fieschi LXXX. 2.
Fische in dem Meer haben süsses Wasser in sich XLIV. 8.
Franckreich ist stuckweiß feil XII. 8. Ihre Kranckheit XLVIII. 2.
Frantzösischer Adel LXXVII. 3.
Frage von der Keuschheit LXXXI. 111.
Frauenmüntz LXXVII. 3.
Fremde haben selten recht XXII. 11.
Fregosi LXXX. 2.
Freudenspiele Nutzen LXXXIV. 1.
Freud nach Leid XC. 12.
Freund mit Wolthätigkeit gewinnen LXXIII. 1. der Obristen LXI. 12. sind der Gemüter Dolmetscher LXXIX. 4. ihre Probe V. 9. X. 10.
Freundschafft ist erblich / LXXIX. 3. ist in der Natur verborgen LXXIV. der Frommen unnd Bösen LIV. 9. wird beschrieben XCI. 2.
Freundlichkeit Nutzen LXXX. 1.
Die Freyheit verweiben A. 48. ist der Jugend schädlich XXI. 2.
LXXX. Die Friedfertigen.
XLI. Die Freye Leibeygne.
Freud soll von den Bauren gelobt werden. A. 64.
XXXIII. Der Friedfertigen Rechtfertigung.
Fromme mit den Baumen verglichen LXXI. 1.
Furcht ist ein Tod I. 10. ist ein schwaches Band / XLIII. 1.
G.
Gallets eines Frantzösischen Spielers Geschicht / LI. 4.
Gebott Gottes XVIII. 1.
Geburts Glieder LIX. 10.
Gedancken der Menschen werden von Gott regieret / sind Prophetisch XLV. 1. sind nach den Jahren zu unterscheiden LXXIII. 22.
Gedächtniß deß Menschen LIV. 9.
Gefahr verbindet die Gemüter LXXI. 11. XXXVI. 6.
Gefängniß Lob / LXXXV. 10.
Gehorsam der Kinder XVIII. 1.
Geist deß Widersprechens LXXIV. 12.
der H. Geist regiert die Frommen XXIX. 8.
auf Geisel trauen XCIV. 10.
LXV. Geitzige Sachwaltere.
Geitz bestrafft C. 4. 9. seine Eigenschafft LXXXIX. 111. 2. XXXI. 1. XXXVIII. 7. XI. 10. A. XLVIII. 8. Gelt LXXIII. 2.
XXX. Der betrogene Geitz.
LVI. Die getreue Unschuld.
LXXXIII. Die gerette Keuschheit.
Gerechtigkeit ist ein Gewerb LXV. 1. wie sie zu mahlen auch daselbst unnd LV. 1. ihre Prob. A. 43. XLIII. 1. kan zu scharpff seyn XX. 10.
XX. Die scharffe Gerechtigkeit.
Gezwungene Nonnen LXXXVI. 12.
Gifft XXVI. 3.
Glaub XXVIII. 1. 3. was es sey XXXII. 4.
Gleichheit der Ehegatten XCII. 5.
Glück ist wandelbar VIII. 9. X. 7. ist schwer zu tragen XI. 11. ist unbeständig XXXIV. 2. XXX. 11. XXV. 15.
Glas XXIX. 3.
H.
Halbgeitzig XXVI. 1. Halten und versprechen A. 21.
Handschrifft fälschen C. 2.
Haare Beschaffenheit LXVIII. 9.
Haubt der Kirchen A. 1. XXVIII. 1.
Haußhalterey XXVI. 2.
Henrichs IV. deß Königs in Franckreich Hofreden A. 23.
Heucheley L. 1. 2. 14.
Heurat ist eine Artzney der Unzucht XXI. 8. soll freywillig seyn XLI. 5. XXXII. 6. zum drittenmal heurathen A. 32.
Hispanier Lob LXVI. 1.
Hoffnung verlohren LIV. 12. XLIV. 4. ihr Wucher LXIX. 6.
Hofdirn zu Venedig LXXXIV. 5. 11. XXI. 3. 7.
Hörner beschrieben XXXV. 3.
Hunde sind Heu XCIII. 1. werden mit den Unzüchtigen verglichen CX. 111. 1.
Hunger XXII. 4. XXXVIII. 6. XLIV. 1. A. 99.
J.
V. Die Jungfrauen Rauber.
Jungfrauen Hunde LXXXIII. 1. ihre Keuschheit LXXXI. 12. LIX. 11. ihre Gesellschafft LXXXVI. 3. ihr Unheil LXIII. 7. alten XL. 13. ihre Ehre XXII. 15.
Jugend Sünden LXXII. XVII. 11. XXI. 2. 6. sollen den Schein deß Bösen meiden XXXX. 6.
K.
Karten der Paßbrief in Spital LI. 8. XXVI. 4.
Kauffleute Vermögen XXXII. ihr Gebrauch. XXVIII. 3. XXXIX. 4. sind vor dem Tod nicht glückselig zu schätzen X. 7. XXVI. 10.
Keuschheit LVI. 3. LXI. 11. ist eine Stadt auf einem Berge VIII. 21. ihr Lob XXXV. 4. mit einem Diamant verglichen LXXXIII. 1. 12. wird belohnet XCVI. 12.
L.
Straffe / IX. 15. fangen leichtlich XXI. 9.
Lateinische Sprache XCIII. 3.
Lätze der Schweitzer LXXIII. 1. lebendig tod XXI. 9.
Lehrgedichte LXXIII. 12. von dem Löwen unnd dem Mahler LXXVIII. 12. von Wölffen und Schafen XCIX. 12. von der Boßheit und Barmhertzigkeit I. 3. von dem Wolff und Kranich II. 7. vom Wolff und dem Gemse II. 9. von dem Rehe unnd der Geise II. 11. vom Adler unnd Pfauen II. 12. von den Baumen II. 13. von dem Wolffe und Hunden II. 15. von dem Löwen und Ratzen III. 13. vom Raben Wolff und Hunde XIII. 7. von dem Bildhauer XXV. 1. von dem Wasser XXVI. 8. vom Löwen und Hunde XXX. 8. von den Mucken und Omeys XXX. 10. vom Vogler und der Amsel XXXIII. 8. von dem Messer A. 21. von den Fröschen A. 22. vom Adler XL. 3. vom Igel XLVI. 9. von dem Haanen und der Perle XLVIII. 7. vom Geyer / XLVIII. 8.
Leichtglaubig XLVII. 9.
Lieb gleicht der Jagt XCIIX. 4. hasset allen Zwang / LXXXIX. 12. ist ein Irrwisch LXXII. 3. entschuldiget nicht alle Fehler CXVI. macht aus Finsterniß Liecht VIII. 15. ihre Süssigkeit LXII. 8. ihre Blindheit XXII. 5. ist starck XII. 4. ist ein Feuer XXI. 6. ist freywillig XXXII. 6. ist wanckelmütig IX. 7. hat güldne Flügel XXXI. 5.
M.
Mahler wird ein Schmid C. 5.
Machiavellischen A. 53.
Mansucht XXXI. 5.
Mässigkeit XXIX. 1. XXVI. 2.
Meers Gefahr XXXVIII. 8.
Menschen Urtheil LXI. 4.
Menschliches Lebens Nöthen LXXXIX. 1. ihre Gedancken LIV. 6. können ihn nicht lassen wohl seyn XXXIV. 9.
Mißgeburten LXXIII. 11. ihre Ursach 1.
Mißheuraten XV. 20.
Müssiggang XII. 3.
N.
O.
P.
R.
Raben wie sie ernehret werden XLIV. 3.
Rache Gott lassen LXIII. 1. LIII. 7. XL. 11.
Räthe der Fürsten mit den Augen verglichen / LXXVII. 8.
Rechtshändler LXV. 1.
Rechtsgang LXV. 5. 6. II. 1. 2. 12. XXXIII. 1. II. 1. 6. XXXIV. 8. XXXIII. 10.
Rechnung eines Verschwenders XCVII. 7.
Reichthum der geliebten LXIV. 4. 5. 10. lässet sich nicht verbergen XXXVI. 2. ist mit Stricken verbunden XLIV. 3. wird betrachtet I. 12. XI. 10. XVIII. 1. spate Reue L. 6.
Religion XXIX. 1. ob sie mit dem Schwert fortzupflantzen XXIX. 3.
S.
XVII. Der Schönheit schöner Tod.
Schönheit XVII. 6. 7. ist der Natur Lobbrief XXXVII. 2.
Schönheit beglaubt der Spiegel LIII. 8. ihr Nachtheil / LXIV. 1. 6. wie sie in Welschland LXX. 12.
Schulden XXI. 7.
Schwanenfleisch L. 1.
Schweitzer Lob LXXIII. 1.
Seugammen Treue LXXXIX. 12.
Sicherheit LVI. 2.
Sitzen was es deutet XLIII. 7.
Soldaten Eigenschafft LXXXIII. 8. werden selten loß / IX. 4. ihr Verstand XLIII. 5. Dienste I. 4. XLIII. 11. Handschrifft VI. 6. Grausamkeit / I. ihr Glück XIV. 5.
die Sonne der Mond XII. 1.
Sonneblum L. 14.
XLVII. Der starcke Soldat.
T.
V.
U.
W.
LXXV: Die Wahnsinnigen.
Waffen XLVIII. 6.
Warheit Nutz LVIII. 2. 3. soll bey Hoff statt finden A. 15.
Wahn ist trüglich LVII. 12.
Wanckelmut LXIV. 6.
Warsager Fürwitz XC. 4.
Weiber mit den Ziegen verglichen LXXVII. 2. ihr Zorn / LIII. 6. man muß sie lang behalten A. 61. 63. ihr Gelusten LXVII. LI. 2. ihre Waffen XCVIII. 5. sind Fieber A. 47. heuraten ungleich A. 41. sind Ehrgeitzig XI. 11. ihr Regiment A. 30. beschwätzen die Männer A. 33. XXXV. 6. ihre Herrschafft XI. 5. sind dem Satan gleich. A. 34. mit den Ohren zunehmen XXXI. 11. sind bey den Türcken übel gehalten XXI. 5. sind stoltz XL. 7. können nicht schweigen XXXII. 7.
Wollust Art XXII. 9.
Wölffe Art I. 8.
Z.
D. Hieronymus in seinem Sendschreiben
D. Hieronymus in seinem Sendschreiben.
an
Nepotianum.
Wir haben dieses nicht wider unsere Feinde / sondern für unsre Freunde geschrieben / wir haben diese / welche sündigen / nicht angegriffen / sondern damit sie nicht sündigen / vermahnet / und haben nicht nur wider sie / sondern auch wider uns ein Straff-Urtheil gesprochen: Doch haben wir niemands beleidiget /niemand benennet / niemand absonderlich vermeldet. Unsre Wort handlen von Tugenden und Lastern ins gemein: Wer sich beleidiget findet / zörne nicht über uns / sondern über sich selbsten / weil er bekennet /daß er mit gemeldten Lastern behafftet ist.
Erasm. Roterod.
Wer der Menschen Leben also beschreibet / wie es ist / und niemand mit Namen benennet / dem kan man keine Schmähsucht beymessen / indem er lehret und vermahnet. Wann deßwegen sich einer getroffen findet / so klaget er entweder sein eygenes Gewissen an /oder er gieb seine Furcht zu verstehen. Die Menschen ins gemein werden darunter nicht verstanden / sondern nur die jenigen / welche unter den Frommen böß zu seyn / oder böß zu scheinen pflegen.
An den überwitzigen und aberwitzigen MOMUM.
ENDE.
Zweiter Band
Vorrede
Vorrede.
Wie sonsten die Schauspiele nicht alle auf einen Tag /und zu einer Zeit gehalten werden können; also haben wir unsre Geschichte in unterschiedene Theile abgesondert / wie so wol in den zweyhundert jämmerlichen Mordgeschichten / als in gegenwertigen Lust und Lehrreichen Erzehlungen ersehen werden kan. Man schreibet / daß die Enden auf dem Fluß Goa /weit in das Meer schwimmen / von dar die Perlen heraus holen. In dieses Welt-Meer darf man sich nicht gar weit hinein wagen / man findet allerhand Lehr-und Lustreiche Geschichte / welche mehr nutzen / als besagte Muschel Töchter / zieren können. Wir haben aber solche gleichsam an vier Schnůre gefasset / ich wil sagen / in vier Theile eingetheilet / und wie nicht alle runde Zahlperle / sondern viel auch ohne Glantz und eckigt sind / die mehr Raum einnehmen / als aus fůllen können; also sind auch diese Erkehlungen gantz ungleich und werden nach deß verständigen Lesers Befindung zu würdigen seyn.
Den Innhalt ins gemein betreffend / bestehet solcher in warhafften Geschichten / welche meistentheils aus fremden Sprachen gezogen / und wann von etlichen schwerglaubigen / wegen solcher / eine Verantwortung erheischet werden solte / sind wir erbietig /solche in den Büchern / aus welchen wir sie geborget zu weisen / ja unter allen folgenden werden sich nur drey befinden / welche dem Gedichte ähnlich scheinen / deßwegen aber ihre Stelle unter den Lust- und Lehrreichen Erzehlungen nit ermanglen sollen.
Viel ist in der Welt / das uns fremd und neu zu hören vorkommet / welches sich doch im Wercke befindet / ob es gleich unsrem Verstand nicht alsobald gemäß erscheinet. Zu deme ist der zu entschuldigen /welcher Teutschen Glauben und Vertrauen / was er gehöret und gelesen / nachsaget / oder in andre Sprache umschreibet / wann es gleich von etlichen Vnerfahrnen in Zweiffel gezogen werden solte. Niemand wird durch solche Geschichte vernachtheilt / und lieget dem Vrheber zweiffelhafften Berichts ob / seinen Beweiß / auf Begehren zu führen: er hat aber keine andre Straffe zu erwarten / als daß man ihm keinen Glauben zustellen / und sich eines bessern berichten lassen / darüber er sich zu erzörnen nicht Vrsach hat.
Zu mehrerer Gleichstimmigkeit dieses Werckleins /haben wir jede Geschichte mit 12.
. oder absetzen /die / wie der Hebreer Stunden / bald lang / bald kurtz gefallen / verfasset. Wann man aber solche genau rechnen wolte / würde man nicht nur hundert / sondern vielleicht noch so viel absonderlicher Erzehlungen finden / die meinsten Theils wegen kurtzen Verlauffes / keine eigene Titel haben / und in dem vollständigen Innhaltes-Register ordentlich aufzusuchen seyn.
Ferners ist hier zu erinnern / daß bey allen vier Theilen der Außgang oder Eingang uden Geschichten auf vielerley Weise gezieret ist / als der Erste mit Lehren und Anmerckungen / wie sich solche zu nachgehender Erzehlung schicken wollen. Der Zweite mit Sprichwörtern und derselben kurtzen Außlegungen /der dritte Theil endet und fänget an von Rähtseln /nach Gewonheit der Italianer und Hispanier / daraus auch etliche abgesehen und in Teutsche Reimen gebracht worden. Deß vierten Theils Eingang bestehet jedesmals in einem Gleichniß / so zu weilen der Grund einer Rähtsel / oder eines Sinnbildes zu seyn pfleget.
Zu Vollführung dieser Geschichte hat uns angemahnet die allgemeine Beliebung mit welcher der erste Theil ist aufgenommen worden; deßwegen wir aber unsrer übelgeschnittnen Feder / daraus dieses Wercklein nach und nach geflossen / keinen Verdienst beymessen / sondern die Wenigkeit und Vnwůrdigkeit desselben gerne bekennen: In dem vergnůget / daß wir die Liebe zu unsrer edlen Muttersprache auch auf diese Weise / beglaubet zu haben vermeinen.
Es ist mir nicht unwissend / daß etliche Bücher von Exempeln an deß Tages Liecht gekommen / handlen aber meinsten Theils von der Griechen und Römer Geschichten / welche denen / so das Latein bekant /bereit wissend und gemein / daß es also Vbersetzungen aus den Florilegijs oder Theatro Zvvingeri, etc. Dieser unsrer Geschichte aber ist keine in Teutscher Sprache / so viel uns wissend zu lesen / etliche wenige aber mögen in seltnen Lateinischen Scribenten zu finden seyn / wie wir solche beygesetzt. Die andern alle haben wir aus dem Frantzösischen / Italiänischen und Spanischen gedolmetschet / unnd mit vielen Anmerckungen aus der Naturkündigung unnd Sitten Lehre / wie auch unterschiedlichen Geschichten verabfasset.
Der geehrte Leser geruhe die befindlichen Fehler dieses Werckleins mit seiner gůnstigen Gewogenheit zu ersetzen / zu welcher wir uns hiermit dienstlich befehlen.
Fünffter Theil
Titel deß Funfften Theils
Titel
Deß Fůnfften Theils.
101. Das löbliche Almosen
[1] (CI.)
Das löbliche Almosen.
Viererley Sachen sind in dieser Welt / welche der Mensch eigenthumlich sein nennen kan.
I. Die Güter des Verstandes / als Tugend und Wissenschafft / welche nach erlittenem Schiffbruch unvernachtheilt / mit uns an das Uffer schwimmen / und uns nicht verlassen biß in den Todt.
II. Die Güter der Seelen / welcher wir in diesem Leben / durch ein gutes Gewissen zu besitzen anfangen / in jenem ewigen Leben aber völlig habhafft werden sollen. Hiervon sag unser Erlöser / Luc. 16.12. So ihr mit dem ungerechten Mammon nicht trew seyd / wer wil euch das warhafftige vertrawen, und so ihr den frembden (Gůtern die nicht euer eygen seynd) nicht treu seyd / wer wil euch geben (oder vertrauen) das jenige / das euer ist? Verstehe die himmlische Seelen-Güter / darzu ihr von GOtt erschaffen.
III. Ist unser die Zeit / welcher Verlust wir nicht wieder ersetzen können / und ob zwar solches Gut sehr schätzbar / so ist doch von uns nichts unwerther geachtet / in dem wir solche mit nichts thun / übel thun / und frembder Händel Verrichtung / unbedachtsam verlieren. Deßwegen jener Kirchenlehrer fragt: Wie wol der reiche Mann würde seine Zeit anwenden / wann er der Höllen Straffe erlassen / wieder auff Welt leben solte?
[1] Es ist auch IV. unser / was wir aus Christlichem Hertzen den Armen mittheilen / dann uns zu solchem Ende Gelt und Gut gegeben / nicht / daß wir damit brassen und prangen sollen / oder unser Vertrawen darauff setzen / sondern daß wir Christo in seinen Gliedern darmit dienen und helffen sollen. Hiervon sagt Syrach am 17.18. Gott behält die Wolthat deß Menschen (in frischer Gedächtnis / sie mit der Zeit zu belohnen) wie einen Sigelring (den man am Finger träget / und stäts für Augen hat.) Die Hand des Armen ist Gottes Schatzkasten / wer sein Gelt darein leget /der bewahret es wol. Weil wir nun den Ersten Theil unsers Schauplatzes / mit dieser Christlöblichen Freygebigkeit außgeschlossen / wollen wir zu dem Eingang dieses andren Hunderts / dergleichen löbliches Almosen auch auff der Schwelle weisen.
3. Ein reicher Kauffmann ruffet in der Offenbahrung Johannis dem / der vorüber gehet / also zu / Ich rathe dir / daß du Gold von mir kauffest / das mit Feuer durchleutert ist / daß du reich werdest / und weisse Kleider tragest / daß nicht offenbahret werde die Schande deiner Blösse. Wie dieses Gold und die weisse Kleider durch Wolthätigkeit gegen die Armen zu erkauffen / hat sonderlich verstanden / der hochgelehrte und fromme Cardinal Robert Bellarmin / dessen treuhertzige Mildigkeit gegen die Armen / in einem kleinen Italiänischen Büchlein / von seinem Leben gerühmet / und auch dieses Orts vermeldet werden soll.
4. Wie er den abgekommenen und verarmten Geschlechtern zu Capua wieder auffgeholffen / ist zuvor vermeldet worden / und sind dergleichen viel heimlich Arme aller Orten / die der leidige Krieg in grosse Dürfftigkeit gesetzet / und so viel ärmer zu achten /weil sie der Arbeit nicht gewohnet / auch kein Handwerck erlernet haben. So viel nun derselben gefunden werden / so wenig sind hingegen anzutreffen / welche dergleichen Frey- und Wolthätigkeit zu erweisen pflegen / und heist es nach dem gemeinen Sprichwort: Der Geber ist gestorben / der Schencker ist verdorben / etc.
[2] 5. Vorbesagter Cardinal / hat nie keinen Armen leer lassen von sich gehen: für seiner Thür hat er stündlich lassen Brot außtheilen / und sich der Armen Gegenwart erfreuet / sie freündlich gegrüsset / sie angehöret / ihre Bittschrifften angenommen / unnd ihnen sast über Vermögen von seinem Haab mitgetheilet. Als nun seine Diener auff eine Zeit etliche Bettler zurücke weisen wollen / hat er sie abgemahnet / und zu sich beruffen / sagend: Es bedunckt mich / ich sehe den Herrn Christum in dem Fleisch / wann ich einen Armen sehe. Als er auff eine Zeit einen neuen Diener angenommen / der einen unverschämten Bettler / so sich zu dem Cardinal getrungen / zu Boden gestossen: hat er ihm hart darum zugeredet / dem Gefallenen auffgeholffen / und reichlich beschencket.
6. Den dritten Theil seiner Einkunfften hat er jährlich den Armen außgetheilet / er ist in der Armen Häuser herum gegangen / er hat die Krancken und Gefangenen in den Spitälen und Kärckern besuchet /ihnen durch die dritte Hand Unterhalt verschaffet /damit sie ihm nicht dancken solten / daß er wol mit dem Apostel hätte sagen können: Wer ist schwach /und ich werde nicht schwach / wer wird geärgert / und ich brenne nicht / etc. 1. Cor. 11.29. In diesem hat dieser Cardinal / dem alten frommen Bischoff rühmlich nachgefolget / welchen deßwegen so viel Land und Leute anvertrauet worden / daß sie Mittel solten haben / die Armen / Kirchen und Schulen zu unterhalten. Wie es heut zu Tage beschiehet / und was Glück bey den mißbrauchten Kirchen-Gütern / erzeigt die Erfahrung.
7. Wolermeldter Cardinal hatte einen Sonnenzeiger an seinem Hause / weil nun das Eisen von dem Winde unnd der langen Zeit ledig worden / hat ihn der Cardinal wieder machen / und die Uhr wieder vernewren lassen wollen: weil aber der Mahler und Schlosser zwo Silber Kronen gefordert / hat er gesagt / daß er solches Geld besser anlegen / und den Armen geben wolte / weil dieses gar keine nöthige Sache. Hat also in seinem [3] Hauß gesparet / was er dem Dürfftigen freygebig zugeworffen.
8. Auff eine Zeit hatte er eine Geschwulst in dem rechten Schenckel / deßwegen ihme die Aertzte gerathen / er solte einen weiten Strumpff anziehen: solchem zu folge / hat er befohlen / man solte einen von seinen ledern Strümpffen weiter machen / und ein Stück darein setzen. Der Kammer-Diener sagt / daß diese Strümpff des flickens nicht werth / und daß er solche bereit 18. Jahr gebraucht. In dem nun der Cardinal / auff seinem Befehl beharret / bringt ihm ein Jüngling einen Bettel-Brieff / und giebt vor / daß seine Mutter unter Wegs erkranckt / und bittet umb ein Almosen. Ob nun wol alle Umstehende dieses für einen Betrug gehalten / hat ihme doch der Cardinal zween Ducaten verehret / fůr sich aber nicht zehen oder zwanzig Kreutzer auffwenden wollen.
9. Einen gantzen Winter hat der Cardinal kein Feuer in seinem Zimmer anzünden lassen / und so viel das Holtz gekostet / hat er Almosen gegeben. Von seinem Tisch hat er die Speise / welche niemals stattlich gewesen / mit den Pilgerleuten und Armen getheilet / wann er Krüppel oder Lahme auff der Gassen liegen sehen / hat er sie in seiner Kutschen in den Spital führen lassen / ja sie zu Zeiten / zu sich in eine Senfften genommen / und in seinem Pallast versorget.
10. Auff eine Zeit hat ihn ein Armer umb 12. Kronen angesprochen; weil er nun so viel nicht bey sich hatte / hat er den Ring von dem Finger abgezogen /und gesagt / er solte solchen verpfänden / er wolte ihn wieder lösen. Einem andern hat er sein silbernes Dintenfäßlein geschenckt. Zu letzt hat er auch nur mit einem Pferde gefahren / das andere verkauffen / und was erlöste Gelt unter die Armen außtheilen wollen sagend: Wer gegen die Armen freygebig ist / gegen dem ist Gott noch viel freygebiger. Es ist aber dieser Cardinal nicht auff seine gute Wercke gestorben /sondern gut Evangelisch / auff das Verdienst Christi /wie in vor angezogenem Büchlein Iacobi Fuligatti gemeldet wird.
[4] 11. Die Papisten beschuldigen uns / daß wir Evangelische nichts auff das Almosen halten / weil ihrer viel den Armen wenig / die meisten gar nichts geben /und ist nicht an / daß wir hierinnen ins gemein / lässig sind; lehren aber nicht / daß solches recht und wol gethan sey. Dann gleich wie der Glaubige Gott vertraut /und wol weiß / daß es ihme nicht manglen wird; also setzet der Geitzige sein Vertrauen auff seinen Schatz /der ihm sein Hertz gestohlen / und hoffet / es soll ihn der Mammon ernehren wann etwann unser Herr Gott sterben möchte. Also hat einen solchen ruchlosen Wahn gehabt Nicolaus Machiavel / der gesagt hat /man soll den Armen nicht geben / weil man dardurch ihr elendes Leben verlängere. Etliche halten die Betler ins gemein für lose Gesellen / die des Almosens unwürdig / wann aber Gott ihnen nichts geben solte / als was sie verdienen / so solten sie noch viel dürfftiger und ärmer werden.
12. Das Almosen und die Liebe des Nächsten ist eine Prob deß seeligmachenden Glaubens / und ist es den Reichen gebotten / daß sie als getrewe Haußhalter den Armen / das übrige nicht vorenthalten sollen. Also sagt Syrach 4.8.10. Höre den Armen gern / und antworte ihm freundlich und sanfft. Halte dich gegen die Waisen wie ein Vatter / und gegen ihre Mutter wie ein Haußherr / so wirst du seyn wie ein Sohn deß Allerhöchsten. Liebes Kind / sagt er in eben diesem Capitel / laß den Armen nicht Noth leiden / und sey nit hart gegen dem Dürfftig / verachte den Hungerigen nicht / und betrübe den Dürfftigen nicht in seiner Armuth / etc.
Ja wann uns nichts zu solcher Mildigkeit vermögen solte / so wäre genug die grosse Widergeltung / welche uns Christus versprochen am Jüngsten Tag / da er auch einen kalten Trunck Wassers / den wir umsonst haben / und wol umbsonst geben können / nit unbelohnet lassen wird. Matt. 24.
102. Joh. Arnds Paradiß-Gärtlein
[5] (CII.)
Joh. Arnds Paradiß-Gärtlein.
Es werden viererley Wunderwerck gezehlet. I. Würcket Gott Wunderthaten / ohne zuthun natürlicher Affterursachen / als da ist die Aufferweckung der Todten / die Versetzung der Berge / die Stillstehung und zurück Weichung der Sonnen. II. Wann Gott natürliche Würckungen übernatürlich außrichtet / als da ist die Heilung der Krancken / die Verdorrung des Feigenbaums / welches wol ohne Wunder geschehen könte /aber nicht zu so geschwinder Zeit / und urplötzlich. III. Wann Gott den natůrlichen Mitteln übernatürliche Krafft gibt / als da ist die Heilung deß außsätzigen Nahamans / die Süßmachung der Wasser in der Wüsten. IV. Wann Gott die natürliche Mittel zu einem solchen Ende gebrauchet und verordnet / welche darzu dienlich / aber nit gebrauchet werden / ohne seinen Befehl / als das Pflaster von Feigen / welches die Geschwer zu zeitigen pfleget / Hiskia auffgelegt. Die Löwen so die Samaritanischen Knaben gefressen / die Schlangen / welche die Ebreer gebissen. Unter welche Zahl nachgesetztes Wunder gehöret / wollen wir dem Leser zu beurtheilen ůberlassen.
2. Im Jahr 1624. zu Zeit der Eroberung der untern Pfaltz / als Friedberg / Braunfels / Gelnhausen / etc. mit Spanischem Volck besetzt worden / ist Zacharias von Brechen / ein Päpstischer Leutenant nach Langen Gönß zu herbergen (oder wie man zu reden pfleget /zu quartiren) kommen. Dieser war ein Eiferer in seiner Religion / aber mit Unverstand / wie Paulus redet / zum Röm. 10.2. daß er auch nicht wollen geschehen lassen / daß einer von seinen Soldaten in eine Evangelische Predigt gienge.
3. Der Pfarrer zu Langen Göns. M. Justus Gelfuß benamt / ist eben damals über Feld gewesen in seinen Ampts-Geschäfften. Als nun die Soldaten auch das Pfarrhaus heimgesucht / name der Trompeter Johann Arnds Paradiß-Gärtlein / 1621. zu Jehna bey Johann Betthmann gedruckt / und in schwartzes Leder gebunden / mit sich in das Wirtshauß / [6] für die lange weil darinnen zu lesen. Also muß der Soldaten Gottesfurcht eine Kurtzweil seyn. Der Leutenant ersihet den 7. Jener besagten Jahrs / daß sein Trompeter in dem Betbuch lieset / reisset ihm deßwegen das Buch aus den Händen / und eylet der Küchen zu; der Trompeter folget ihme auff dem Fusse nach / und bittet umb sein Buch.
4. Die Wirtin hatte das Feuer in dem Ofen geschüret / daß er liechter Lohe brennete / und weil sie den Leutenant sahe auff den Ofen zu gehen / vermeinte sie / daß ihnen in der Stuben zu warm / und möchte sie ob dem Einheitzen schelten / gienge deßwegen auß der Küchen. Der Leutenant wirffte besagtes Büchlein in das Feüer / und gehet darvon / sagend zu dem Trompeter / nun wird es zu Aschen / so kanst du es wiedersuchen / und darinnen lesen. Der Trompeter betraurte sein Büchlein / daß es die Wirtin hörte / und beklagte / daß der Leutenant / solcher Gestalt Gottes Wort / auß welchem dieses Büchlein gezogen / zu dämpfen begehrte.
5. Dies Leutenant hatte zwo Töchter / deren die eine die Geistliche Bücher verachtete / sagend / daß dieses das sechste / so ihr Vatter verbrennet hätte. Uber etliche Stunde wil die Wirtin den Soldaten zwey Hüner an dem Spisse braten / und in deme sie die Kalen auß dem Ofen nimmet / bringet sie zugleich das Büchlein mit herauß / welches / wie sie vermeint /längst verbrannt / und zu Aschen worden / daß es zerfallen werde / wann man es betasten würde.
6. Als sie es aber genauer betrachtet / findet sie /daß es an dem Leder / Blättern und Bändern gantz unversehret / und sagt darauff mit Freuden zu ihrer Tochter: Lieben Kinder / schaut / wie Gott die drey Männer in dem Feuerofen erhalten also hat er auch dieses Büchlein in der Glut nicht verbrennen lassen; So last uns nun bey dem Wort GOTTES auch beständig verbleiben / etc. Beschleußt auch bey ihr dieses Büchlein zu beharrlichem Andencken auffzubehalten /und täglich zugebrauchen.
Als dieses der Trompeter verstanden / hat er gesagt / [7] es seye unmöglich / daß das Büchlein nicht solte verbrannt seyn / dann es der Leutenant vor anderhalb Stunden in die heisse Flammen geworffen. Nach dem es aber die Wirtin vorgewiesen / hat er bekennet / daß Gott ein Wunder gethan / und keine natürliche Ursachen solches in dem Feuer erhalten können. Dieses Büchlein ist zu Butzbach in der Fürstlichen Bibliotheca oder Bücherschrein noch zu sehen. Der Leutenant ist hernach zu Cölln an einer hitzigen Kranckheit gantz rasend gestorben. Mercure Francois tom. X. f. 309.
7. Mit diesem schönen Büchlein hat sich fast dergleichen auch in Schlesien zugetragen / 1645. den 25. Weinmonats zu Creutzendorff / unfern von Lischwitz. Ein Quartiermeister vom tapffern Herrn Obristen Joachim Ernst Görtzki / (der noch lebet / und diesen Verlauff / mit eydlicher Bejahung vielen von seinen Befehlhabern erzehlet) hat seinen Wagen / durch Brand verlohren / in dem das Fewer durch einen Jungen verwarlost worden / und das gantze Hauß / darinnen der Wagen gestanden / eingeäschert. Das Feuer war bey Nachts außkommen / und hatte dermassen überhand genommen / daß alle Rettung zu spat.
8. Folgenden Tags / als der Quartiermeister nach zerschmoltzenem Zinn und Kupffer / welches er auff dem Wagen gehabt / nachsuchte / fande er sein Büchlein / vorbesagtes Paradiß-Gärtlein Johann Arnds gantz unversehrt / wie es zuvor gewesen / daß man auch keinen Brand daran riechen können. Dieses Büchlein hat er einem Leutenant verehrt / der es gegen ein Pferd vertauschet. Solcher Verlauff ist dem gantzen Görtzkischen Regiment / auch vielen Bürgern zu Lischwitz wissend / daß an dieser Begebenheit keines weges zu zweiffeln.
9. Wider die Schrifften Johan Arnds findet auch die Verleumbdung selbsten nichts zu sprechen; ausser daß etliche sagen / er wolle gar zu fromme Leute haben / und können die Menschen nicht Engelrein seyn / etc. Dergleichen hat man fast von Catone gesagt / daß er zu dem Röm. Pövel geredet / wie zu den Bürgern in Platonis [8] Regiment / welches ihm aber vielmehr zu einem Ruhm / als Nachtheil gereichet.
10. Johann Arnds Gottseeligkeit hat sein Leben und sein seeliges End bezeuget. Er ist ein armer Schüler gewesen / und der vornehmste Prediger in dem Lüneburgischen Lande worden: wie ihme dann Gott alle Zeit erwehlet / was vor der Welt veracht gewesen. Seinem Beruff hat er fleissig und eyferigst abgewartet / sehr Geistreiche Schrifften geschrieben / und auß der Heil. Schrifft zusammen gezogen / ist auch von seinem Gn. Fürsten und allen seinen Zuhörern hertzlich geliebet / und nach seinem seeligen Hintritt schmertzlich betrauret worden.
11. Den Abend / an welchem er verschieden / hat er auß dem 143. Psalm gebettet: HERR gehe nicht ins Gericht mit deinem Knechte. Darauff ihm ein anderer Kirchendiener geantwortet: Joh. 5.24. Wer Christi Wort höret / und glaubet dem / der ihn gesandt hat /der hat das ewige Leben / und kommet nicht in das Gericht. Nach diesen Worten ist er ein wenig eingeschlaffen / und als er wieder erwachet / hat er gesagt: Wir sahen seine Herrligkeit / eine Herrligkeit /als deß eingebornen Sohns vom Vatter / voller Gnad und Warheit. Seine Haußfrau hat ihn gefragt / wann er solche Herrligkeit gesehen? hat er geantwortet: jetzt habe ich sie gesehen / Ach welche eine Herrligkeit / die Herrligkeit hat kein Aug gesehen / kein Ohr gehöret / und ist in keines Mensche Hertz kommen. Seine letzte Wort waren: Nun hab ich überwunden.
12. Ist also nicht zu zweiffeln / der gütige Gott habe ein gnädiges Wolgefallen an Johann Arnds Christlichem Leben / seeligen Tod / und Geistreichen Schrifften / wie auß vorhergehenden zweyen merckwürdigen Erzehlungen zu sehen. Gewißlich wird niemand dieses Paradiß-Gärtlein / ohne Hertzens Bewegung und Besserung deß Lebens / oder Stärckung deß Glaubens durchlesen können.
103. Das gefährliche Vertrauen
(CIII.)
Das gefährliche Vertrauen.
Wir vertrauen offt unser Leben solchen losen Leuten (wie die Kutscher und Schiffer zu seyn pflegen) welchen wir unsern Beutel nicht gerne vertrauen wolten: Nun ist das Leben viel edler / als Gelt und Gut / und weiß der Mensch nit / wann er sicher zu seyn vermeinet / daß er in der grösten Gefahr schwebt / welche die blinde Jugend nicht ersehen kan. Wir wollen ein solches Leib und Seelen gefährliches Vertrauen in zweyen Begebenheiten vermelden / und darauß lernen / daß wir unser Vertrauen auff Gott stellen sollen / der uns kan und will außhelffen in der Noth. Sirach 2.6.
2. Ein übertrefflich schöner Jůngling zu Pariß /wurde von einer vornehmen Ehefrauen mit ehebrecherischen Augen ersehen / und brünstig geliebt. Diesem lässet sie durch eine vertraute Person fürtragen / daß eine unbekante Weibs-Person hohen Standes in ihn verliebet / und daß er sich wegen seiner Schönheit glückselig zu schätzen / und nicht Ursach solche Abenteur zu verabsaumen; wie dann diese Bottschaffter der Liebe der gleichen Honigsůsse Wort fůhren /und die jungen Leute dardurch leichtlich verführen können.
3. Dieses hörte der Jüngling an / als eine schöne Fabel / oder einen lieblichen Traum / und vermeinte /er hätte einen Kauffmann um seinen Mantel für sich /der ihm wolte den Beutel verwahren: wol wissend /wie diese Hanthierung zu Pariß starck getrieben wird / und die Statt einem Wald gleichet / in welchem die wilden und zahmen Thiere gefährlich sind / und man sich wol für zusehen / daß man nicht von einem oder andern beschädiget werde / und die Abenteur ein teurer Abend werde.
[10] 4. Der Werber hielte beharrlich an / und wolte sich zu einem Pfandmann stellen / wann der Jüngling sich würde zu der Verliebten führen lassen / dafern dieser Adonis jhm nach und nach Glauben zustellte. Er vertraute diese Gelegenheit einem seiner Freund / der mehr Kühnheit hatte / und sich mit seinen Kleidern bekleidet / in die bestelte Kutschen setzte / und in der Arminda (also wollen wir die Verliebte nennen) Schloß führen liesse. Der Kutscher fährt bey zweyen Stunden mit der verdeckten Kutschen in der Statt herum / und bringet endlich diesen Ganimedem in einen grossen Hoff / da er absteigen muste.
5. Es war ein gantz finstre Nacht / und führte man ihn / durch etliche Zimmer ohne Liecht / in eine Kammer / in welcher eine kleine Lampen angezündet / daß er die schönen Tapeten und das stattliche Bett ersehen konte. Ein Mann mit eimen falschen Bart / ziehet ihn auß / und bittet ihn / er solte sich in das Bett legen /welches er auch gethan / jedoch nit ohne Furcht und Erwartung / was darauß werden würde.
6. Bald hernach kam eine Weibsperson / mit einen Wachsliecht in der Hand / halb außgezogen / und eine Maßque für dem Angesicht / leuchtend in das Bett hinein zu sehen ob es Adonis / ziehet darauff die Fürhänge wieder zu / und sagte / sie wolte also bald wieder kommen. Der Mann aber mit dem falschen Bart /kam an ihre Statt / nötigte ihn wieder auffzustehen /sich anzuziehen / und darvon zu machen / weil eine Hinderung den Handel unterkommen / und dieses mal nichts zuverrichten.
7. Wie dieser Ganimedes erschrocken / ist leichtlich zu erachten. Er saumte sich nit von dannen zu machen / und wurde eben in der Kutsche wieder an das Ort geführet / wo er zuvor auffgesessen / mit Bedrauung / daß er wegen deß Betrugs den Tod verdienet; es werde ihme aber das Leben geschencket / daß er seinem Freunde / dessen Platz er betretten wollen /sagen solle; daß die verliebte Person seiner Verwegenheit / wegen seiner / verzeihe / und solte er darauß abnehmen / wie sehr sie ihn liebte / etc. Es danckte der gute Gesell Gott / daß er so guten Kauffs darvon gekommen.
[11] 8. Adonis (also nennen wir den schönen Jüngling) liesse sich bereden dieses Glück nicht außzuschlagen / und verhoffe vielleicht durch solches Mittel zu einer guten Heurath zu kommen / hatte aber sich kaum in die Kutschen / genommener Abrede zu folge / gesetzt / so bedunckte ihn / er fahre ausser der Statt / weil er den Wagen auff dem Pflaster nicht mehr rumpeln hörte / und nach zweyen Stunden führet man ihn über eine Schlagbrücken / und durch finstre Wege in eine wolgezierte Kammer / und sagte ihm ein Diener mit einen falschen Bart / er solte sich zu Bette legen /welches er auch zu thun gewillt / in dem ein vermasquiertes Weibsbild hinein kommet / ihn für den Rechten erkennet / und zu der bestellten Arbeit veranlaßt.
9. Gegen Morgen spricht sie diesem Gast auf das freundlichste zu / und bittet ihn / etliche Tage bey ihr zu verbleiben / und die Zeit mit spielen / singen /dantzen und allen andern Kurtzweilen zu vertreiben /darzu er sich leichtlich bereden lassen. Ihre Schönheit war in einem frischen Herbst / und vergnügte sich Adonis mit dieser Venus / daß er sich leichtlich bereden lassen / die Zeit seines Lebens in diesem gleichsam verzaubertem Schloß / mit ihr zu zubringen.
10. Nach 5. Tagen verehrt sie ihme einen grossen Diamant / und lässet ihn mit Frieden in die Kutschen sitzen / daß er vermeint getraumt zu haben. Nachdem er aber eine Stund gefahren / wird er von zweyen Reutern angesprengt / und mit auffgezogenen Hanen auß der Kutschen gejagt / der Diamant abgenommen / in ein Holtz geführet / und an einen Baum gebunden /daß er ia nicht weniger in Aengsten gewesen / als sein Gesell.
11. Mit anbrechendem Morgen kam ein Reuter /spornstreichs geritten / und lößte diesen Adonis wieder ab / nahme seinen Weg eiligst durch das Holtz /daß er zu Fuß nach Pariß gehen muste / und Gott danckte / daß er mit dem Leben darvon gekommen. In gefährlichem Vertrauen hätten diese beyde kühne Jüngling um Leib und Seele kommen können; massen leichtlich zu erachten / was gute Gedancken ein solcher [12] Mensch haben kan / der von einer so bösen und Gott verhaßten That herkommet.
12. Diese beyde erkandten ihr Unrecht / daß sie wie Democles mit Königlichen Speisen bewirtet worden /nicht wissend / daß ein Schwert ob ihren Häuptern schwebet / das an einem gar schwachen Faden gehengt. Also bringen die Gottlosen ihre Tage zu in Freuden / und fahren in einem Augenblick hinunter in die Hölle. Was du thust / sagt Syrach / so bedencke das Ende / welches dein Thun haben kan / so wirst du nimmer sündigen.
104. Der Tyrannische Bruder
(CIV.)
Der Tyrannische Bruder.
Wie die Sünder in der Gefahr zagen / weil sie ein böses Gewissen haben / daß sie kein Vertrauen zu Gott setzen können; also ist hingegen der Gerechte getrost / wie ein junger Löw / sagt Salomon in den Sprüchwörtern 28. und David getrauet ihm mit seinem Gott über die Mauren zu springen in dem 18. Psalm. 30. Ob nun jemand Unrecht gethan / wie kein Mensch ist / der nicht fehlet / und wird deßwegen mit einer allzuharten Straffe beleget / daß er in seinem Gewissen überzeugt / er habe genug gebüsset / so kan er sich endlich der Barmhertzigkeit Gottes versichern / und sein Vertrauen / welches er wegen seiner Mißhandlung sincken lassen / wieder erheben / und zu Gnaden kommen, wie auß nachgesetzter Geschichte am Pandora zu sehen seyn wird.
2. Nachdeme das unwegsame Meer / durch die Uberfahrt in die neue Welt / nicht sonder Eingeben Gottes / wiederumb eröffnet worden / haben sich auch die Frantzosen / welche vor Jahren wegen der Seefahrten sehr berühmt gewesen / dahin zu schiffen bemühet. Unter andern hatte auch ein reicher vom Adel Lust / etwas Neues in der neuen Welt zu erfahren /und ihme einen Namen zu machen; begibt sich deßwegen mit den Niderländern auff ein Schiff / und segelt lange Zeit mit ihnen [13] auff der Magelanischen Strassen / von Ferdinand Magellano / der die Welt ümschiffet / also benamt.
3. Nachdem nun dieser Frantzoß / welchen wir Peregrin nennen wollen / wieder nach Hauß gekommen /hat er sich entschlossen / noch eine Reisefahrt dahin zu unternehmen / und zu solcher ein gutes Schiff gekaufft / alle Nohtturft verschafft / erfahrne Schiffleute geworben / seine gute Freunde / welche Lust darzu gehabt / mit sich genommen / und ihm vorgesetzt /eine fruchtbare Insel nach seinem Namen zu nennen /und mit seinen Leuten bewohnt zu machen. Solcher Meinung hat er Mann- und Weibs-Personen / welche der Armut zu entfliehen / sich auß dieser Welt außführen lassen / mit sich eingeschiffet.
4. Unter andern war dieser Schiff-Hauptmann / von Pyrrha seiner Schwester / einer verständigen / höflichen und Mannbaren Jungfrauen / ersuchet / daß er sie zu seiner Gefertin und Dienerin / mit auff das Schiff nehmen wolte vorwendend / daß sie durch seine Abwesenheit / nicht weniger Ungemach auff dem Lande / als auff dem Meer zu erwarten haben würde. Der Schiffmann gab ihrer Bitte leichtlich statt / und verhoffet seiner Schwester so viel fleissiger zu hüten / weil sie in seiner Gegenwart und Auffsicht /ihme einige Schande zu zuziehen / scheu tragen würde. Diß war wol gemeint / ist aber / wie folgen soll / übel außgeschlagen.
5. Unter andern hatte Peregrin mit sich genommen /einen jungen / schönen und trefflich tapffern Edelmann (wir wollen ihn durch den Namen Deucalion kennen machen) der neben seinem Gewehr / eine Laute mit sich führte / und selbe so meisterlich zu bezwingen wuste / daß sie in seinen Händen für kein stummes Holtz zu achten. Der Müssiggang / sagt jener / ist der Wollust Hochzeit-Lader / und die Liebe eine Arbeit derer die nichts thunend / übel thun lernen. Daß man aber auff den Schiffen gleichsam müssig seyn muß / ist leichtlich abzunehmen / und allen bewust / welche darauff gewesen.
6. Deuculeon verliebte sich durch solche Veranlassung [14] in deß Schiffherrn schöne Schwester. Er gab ihr mit den Augen zu verstehen / was er mit dem Mund zu sagen scheu getragen; Pyrrha hat so brünstiges Anblicken nicht beobachtet / biß sie seiner Gewogenheit deutlicher verständiget worden / als auff eine Zeit eine Windstille / und er auf deß Schiffs Hindertheil sitzend / diese Verßlein / seinem Lautenspiel gleichstimmend / hören lassen.
6. Dieses Liedlein hat Pyrrha / nicht sonder Empfindlichkeit gleicher Gegen-Liebe verborgen angehöret / und sich beduncken lassen / daß niemand auff dem Schiffe / als sie / welche solches Klaglied verursachte / suchte deßwegen Gelegenheit / sich ihres Wahns zu versichern. Das Schiff / so groß es auch seyn mag / ist doch zu viel Leuten ein kleines Hauß /[15] daß gleichsam alle in einem Zimmer wohnen / und einander kennen müssen. Nachdeme nun dieser Peregrin mit den seinen etliche Monat herum geschwebet /halten die Schiffleute mit ihrem Herrn Raht / wo sie den Weg hinrichten wolten / und waren bereit unfern von der besagten Magelanischen Strassen.
7. Inzwischen dieser Berathschlagung spielte Deucaleon ein Liebesgedicht auff seiner Laute / und Pyrrha fragte: wer doch die Glückseelige were / deren dieses zu Angedencken gesungen würde? Er antwortete / daß solche die Tugend / so ihm in Pyrrha Gestalt zu Gesicht käme. Nach kurtzen Wortwechsel / versprechen diese beyde einander die eheliche Treue /und sind bedacht / solche Verlöbnus zu volziehen /sobald sie zu Land kommen würden; befürchtend /daß Peregrin / welcher ein stoltzer Mann / nicht darzu verstehen würde / wann er ihrer Liebe einträgtig werden solte. Ob sie nun wol beyderseits / sich als ehrliche und Tugendliebende Gemühter keusch zu halten gemeint / hat doch der Verzug ihrer Reise / und das lustrende Fleisch und Blut / die zulässige Verträulichkeit inbrünstig Liebe gewandelt / daß sie für keine Sünde geachtet / warzu das eheliche Band allein verpflichtet.
8. Nachdeme sie nun ihr Beylager ohne Gesang und Klang gehalten / hat Pyrrha nach und nach die Anzeichen einer Schwangern spüren müssen; welches dann dem klugen und argwöhnischen Peregrin nicht verborgen seyn mögen; daher nimbt er Ursach seiner Schwester zu zusprechen / und mit vielen falschen Worten die Bekandtnus herauß zu locken. Als er nun deß Verlauffs gewiß / und Pyrrha eröffnet / was sie nicht länger verbergen mögen / hat er seine gefaste Nachgier / mit geneigter Einwilligung verborgen / auß Forcht Deucaleon / möchte die Schiffleute und Soldaten / welche ihn sehr geliebt / auff seine Seiten bringen / und sich ihme widersetzen.
9. Nachdem sie nun an einer unbekandten kleinen Insel die Ancker gesencket / frisches Wasser zu holen / und eine Zeit [16] zu rasten / ist Deucaleon mit seiner Pyrrha / mit vielen andern außgestiegen. In der Nacht lässet Peregrin / etliche Kleider / Speise / Pulver und Bley / einen Hauen / Schreib- und Feuerzeig / etc. außladen / und befihlet den Schiffleuten / welchen er seinen Rath geoffenbaret / das frische Wasser in das Schiff zu bringen / und die neuen Eheleute zu Nachts in der Insel allein zu lassen / welches auch also werckstellig gemacht worden. Zu Morgens sahen sich diese in der Einöde gantz allein: bitten / schreyen und flehen / so sie nachgeschicket / war vergebens. Sie sahen die Straffe ihrer Mißhandlung / und hatten ihren Ehestand ohne des Schiffherrn Vorwissen angefangen / und mochten selben nun auch ihme unwissend fort setzen.
10. In was Bestürtzung waren doch diese beyde Eheleute? die Reue war bey beyden / der Ort reitzte sie zu der Buß / und ob sie sich wol in ihrer Lieb Freyer ergötzten / waren sie doch voller Furcht und Wartung der Dinge / die da kommen solten / weil die Zeit der Geburt herzu nahet. Sie musten auß der Noth eine Tugend machen / und sich in der Einöde zu leben schicken. Sie baueten eine Hütten / sonders Zweiffel wie Adam und Eva / als sie aus dem Garten Eden verstossen worden. Deucaleon gienge täglichs auff die Jagt / und versahe die Küchen mit Wildpret: Pyrrha aber grube Wurtzel auß / suchte Kräuter zusammen /und führten also nächst einer gesunden Wasser-Quelle / ein elendes Haußhalten / da es an Mangel nicht gemangelt.
11. Nach etlichen Wochen muste Pyrrha die neue Welt vermehren / zwar nit mit Steinen / wie jene bey dem Poeten / sondern mit einem jungen Sohn / welchen der Vatter nach Christlicher Gewonheit selbst getaufft / und zugleich aus der H. Tauff erhoben: Weil aber / wie unschwer zu ermessen / die Nahrung der Mutter und des Kindes kärglich / ist dieser lebendige Stein Deucaleonis bald wieder in die Erden verscharret worden. Deucaleon erkranckte nach etlichen Monden / und tröstete sich mit seiner Pyrrha Liebe / und mehr als [17] männlicher Standhafftigkeit: Setzte also sein letztes Schwanen-Gesang zu Papier / und liese seine Laute kläglich darzu erklingen.
Mit diesen und dergleichen Worten sinckete er zu der Erden / und Pyrrha begrube ihn mit vielen Threnen / hangend seine Laute / seinen Degen und seine Büchsen an den ob dem Grab stehenden Palmbaum.
[18] 12. Wie vielmahls ihr Pyrrha den Todt gewünschet / ist nicht außzusagen / doch hatte sie die Hoffnung /daß die Straffe / welche ihr / ihr tyrannischer Bruder angelegt / sich enden / und ihr GOTT aus diesem Elend helffen werde / wie auch ein Jahr nach ihres Manns Tod erfolgt / in dem ein Frantzösisches Schiff durch Ungewitter / an besagte Insel geworffen / daß diese Pyrrha mit zerrissenen Kleidern / in fast abscheulicher Gestalt auffgenommen / und ihre Geschichte mit Verwunderung angehöret worden. Der Schiffherr nahme zum Gedächtnis die Laute und den Degen von Deucaleons Grab / und liesse auff dem Grab ein Creutz auffrichten. Also kam Pandora wieder in Franckreich / und hörte / daß ihr unbarmhertziger Bruder todt; lebte noch etliche Jahr in grosser Traurigkeit / und wurde von ihrer vielen als ein Wunder angesehen.
Wir lernen hierauß / daß das Raisen / sonderlich zu Wasser / eine sehr gefährliche Sache seye für die Weibsbilder und daß sie der Müssiggang und die Gelegenheit zu sündigen / ihre Ehre in Gefahr / wo nicht in die höchste Schande setzet. Also sagt man die frommen Weiber sind Schnecken-Art / und weichen nicht von ihrem Hause.
105. Die verkehrte Bekehrung
(CV.)
Die verkehrte Bekehrung.
Es gibt Thiere / welche grosse Köpffe und einen kleinen Schwantz haben / als da sind die Wallfische /andre aber / die einen kleinen Kopff / und einen grossen Leib haben / wie das Kamel: Also sind etliche Geschichte Eingangs frölich / und Außgangs traurig; wie erst erzehltes / etliche im Gegensatz Anfangs traurig / und endlich frölich: beyderley Arten dienen auff unsern Schauplatz / wann darauß eine Lehre /dem Guten zu folg / oder das Böse zu meiden / kan gezogen werden / wie auß nachgesetzter Erzehlung /deren Anfang mit dem Ende gantz nicht gleichet.
2. Der Diebstal ist ein grosses Laster / wann man nemlich dem Nächsten / dem man alle Lieb zu erweisen schuldig / [19] das seine entwendet / mit List oder Gewalt. Nachgesetzte Entwendung aber scheinet vielmehr ein Tausch / und ein guter Betrug / welchen das Absehen / und die Endursach rechtfertiget / was Anfangs nicht verantwortlich geschienen. Also hat das Volck Israel die entlehnten Gefäse den Egyptern entwendet / welche hernach zu dem Heiligthum gewidmet worden / und zwar auß Göttlichem Geheiß / weil sie sich selbsten solcher Gestalt belohnt gemacht /wegen der viel / und lang geleisten Diensten in der Egyptischen Knechtschafft.
3. Damit wir uns aber nicht zu lang auff der Schwelle halten / wollen wir vermelden / daß in Franckreich ein Knab / Namens Edoart / von seinen Eltern in ein Kloster der Bettelmönchen gestossen worden / weil sein Vatter der Kinder mehr / und sich also der Unkosten zu entbürden gedachte / obwol dieser Sohn keine Neigung noch Beruff zu dem Kloster-Leben hatte. Ob solches Gott gefällig / ist leichtlich zu erachten / in deme ihme zu opffern verbotten / was einen Fehl oder Mangel hat: Ein solches Opffer aber mit einem weltlichen Hertzen / kan keine angenehme Geistliche Gabe genennet werden; wann auch sonst der Mönchstand GOtt gefällig / darvon wir dieses Orts nicht reden.
4. In seinen Jünglings-Jahren war Edoart ein frommer Mönch / und wurde deßwegen auch mit dem Gelübd zugelassen / wiewol er nicht sattsam verstanden / was er so hochbeteurlich verheissen / und hat jener recht gesagt / man solte keinen mit einem so verbindlichen Gelübd vor 30. Jahren zulassen / weil es nicht in seinen Mächten / den vielen Anfechtungen zu widerstehen / und die Jugend nicht betrachte / daß hierzu Gottes Beystand absonderlich vonnöthen. Was für ein trauriger Außgang erfolget / beglauben viel seltzame Begebenheiten und verzweiffelte Selbstmorde / die sonderlich bey den Kartäusern gemein seyn sollen /wie ich dann in Franckreich zu Dijon von einem / besagten Ordens / glaubwürdigen berichtet worden / daß sich ihrer in einem Jahr 28. um das Leben gebracht.
5. Wir tretten wieder zu weit aus dem Wege. Edoart [20] bettelte durch die Stadt / und machte mit der Welt / und sonderlich etlichen Hugenotten Kundschafft /die ihn / benebens fleischlichen Begierden / aus dem Kloster / und die Kappen von dem Halß gezogen. Dieser gefährliche Außtritt machte ihm die Freyheit der Glaubigen zu Mutwillen mißbrauchen / und zoge die Reue nach sich. Er hatte ein wenig Mönch-Latein / welches jener Löwen-Haut gleich war / die der Esel angezogen: Ich sage Esel / dann er sonst nichts gelernet / als den Bettelsack in der Stadt herumtragen / daß er also besser in der Muhl als in der Kirchen zu befördern.
6. Er verhoffte eine reiche Frau / in einem solchen Stand / da dem Fleisch und Blut der Zaum gleichsam auff dem Hals lieget / weil er aber keine Hand-Arbeit verstunde / und die Arbeit bißhero für eine Sünde gehalten / daß er sich nicht / zu geschweigen Weib und Kinder / ernehren könte / wolte sich keine zu ihm tringen / und waren der Narren so viel / die alle reiche Weiber gesucht / daß er keine finden mögen.
7. In solchem Zustande nahme er Dienste eines Haußknechts / in einem Wirtshauß / damit er zu viel fastend nicht Hunger stürbe. Er gedachte wieder zurücke wie der verlohrne Sohn / daß er zu vor in dem Bettel-Kloster reichlicher gelebt / als jetzt / da er fast mit seinen Pferden Haber-Brot essen muste. Die Hoffnung aber / eine Gehulffin zufinden / die ihm in dem Hungerleiden Gesellschafft leisten würde / erhielte ihn in solchem Zustand; wie auch anders Theils die Furcht / daß er in dem Kloster hart gestraffet werden würde.
8. Es fügte sich aber / daß Edoards Herr auff etliche Tage der raiste seine habende Rechts / Sache zu bestellen / und nahme Edoart mit sich zu Fuß; Weil er aber / wie gebräuchlich / auffgehalten wurde / und die Sach Walter den Handel außeinander gezogen / wie der Schuster das Leder mit den Zähnen / sendete er seinen Diener Edoart mit dem Pferd wieder zurück /mit Befehl etlicher Haußsachen / so in seinem Abwesen verrichtet werden solten. Edoart war vor zu Fuß gegangen / und ritte nun daher / nichts wenigers befindend [21] / als daß er wieder solte in das Kloster kehren.
9. Unter Wegs muste Edoart in einem Wirtshause übernachten / und begabe sich / daß einer von seinen Klosterbrüdern sich auch alldar befande / der ihn dann kante / und wegen seiner verkehrten Bekehrung besprache. Edoart bekennet / daß er von der Religion jetzt so viel wisse als zuvor / und daß ihn die Versuchung auß dem Kloster getrieben / die Furcht aber harter Bestraffung nicht mehr hinein lasse. Bey den Hugenotten sey die Christliche Liebe an etlichen Orten so reformirt / daß man von Almosen wenig wisse / damit sie ja die guten Wercke nicht verdienstlich machten / etc. Bruder Hilarius versprache ihm Ablaß / und beredete Edoart so gut er mochte / wieder in das Kloster zu kehren.
10. Edoart konte sich nicht entschliessen / und finden sich etliche Zweiffel-Sinne / die (wie Weiber ohne Hebammen) nicht gebehren können; oder sie lassen sich mit den Nußbaumen vergleichen / welche keine Frucht von sich geben / man weiffe dann mit Prügeln darein. Der Bruder Hilarius wolte auch ferners nicht in ihn setzen / sondern versprache ihm den Weg zu bahnen. Nachdem sie miteinander gegessen /und in einer Kammern zu schlaffen kommen / hat Hilarius frühe vor Tags sich auffgemacht / deß Edoarts Knechts-Kleider angezogen / und ihm die Mönchs-Kutten an selber Stelle liegen lassen; den Wirth bezahlt / und das Pferd darvon geritten / befehlend /wann der Mönch auffstünde / solte man ihn heissen hernach kommen / er wolte seiner bey ihrem Kloster (welches 8. Frantzösische Meil Wegs darvon lage) warten.
11. Edoart erwachet / sucht seine Kleider / kan sie aber nicht finden / er schreiet / rufft / und fragt / wo der Mönch hingekommen / sie sagten ihm / der Mönch schlaffe noch: Als er nun in den Stall kommet / höret / daß das Pferd auch entritten / und was er befohlen: Ziehet also ohne ferners Geschrey die Mönchs-Kappen an / und wandert auff das bestimte Ort zu / und kommet wieder in sein Kloster / da er zu deß Abbts Füssen um Verzeihung gebetten / und ist mit einer gnädigen Buß beleget worden.
[22] 12. Das Pferd wurde Edoarts Herrn wieder zugesendet / und ihn bedeutet / daß es mit seinem Knecht hergegangen / wie es mit Jacobs Verstellung / da er den Segen darvon gebracht. Unter andern Straffen Edoarts war auch diese / daß er die Zeit seines Lebens nicht konte Priester werden / welches er auch nicht begehrte. Was nun hiervon zu halten / stellen wir dem Leser zu fernern Nachdencken / welchen wir in diesem / wie allen unsern Sachen zu einem Richter machen / uns seines guten und verständigen Urtheils versicherend.
106. Die Stifftung
(CVI.)
Die Stifftung.
Weil wir von Mönchen und Klöstern zu reden kommen / wollen wir noch eine Erzehlung darvon anfügen: Massen solches einsames Leben / wann der Mißbrauch nicht grösser / als der rechte Gebrauch / nicht verwerfflich / und auch in dem weltlichen Stande freywillig beliebet werden kan. Wir verstehen aber hier eine solche Einsamkeit / welche sich nit der Welt gäntzlich entschlägt / und mit Fürwendung deß Gottesdiensts / andern überlästig / die Liebe des Nächsten auß den Augen setzet; sondern ein solches Leben /das von bösen Leuten und Geschäfften gesondert / die Zeit meisten theils mit Gottes Lob / Beten und Lesung guter Bücher zubringet / Glauben und ein gutes Gewissen behält / unnd also einen Vorschmack deß ewigen Lebens seyn und heissen kan.
2. Dahin sind vor Zeiten die Stifftungen angesehen gewesen / daß man Kirchen und Schulen unterhalten /und den Armen von solchen Einkunfften helffen sollen: wie es geschehen / und was darauß erfolget / ist Weltkůndig. Also ist wol gemeint gewesen / daß etliche Christliche Weibspersonen sich verglichen /Jungfrauen auff zu erziehen / wie die Jesuiten die Knaben unterrichten wie solche Gesellschafft Carl Borome angestellet / und von der H. Ursula den Namen getragen. Von diesen wolten etliche ein Hauß in Lotringen (die [23] Stadt wird nicht benamt) auffrichten / es mangelt ihnen aber an den darzu gehörigen Unkosten / welchen sie zu erlangen verhofften / und wusten doch nicht / von wem?
3. In selber Stadt hielte sich ein Jungfrau auff / Namens Melinda / welche ihrem ältsten Bruder Hauß hielte weil der jüngste ein Geistlicher war / und in seinem Kloster / etliche Meil Wegs darvon / sich befinden muste. Diese Melinda war nit von den schönsten /jedoch aber nicht ungestalt / und hatte höfliche Sitten / und eine sehr annemliche Außrede / daß sie noch wol liebens werth. Das Vermögen war schlecht bestellet / und verjagte die jenigen / welche sie mit süssen Worten an sich gelocket hatte. Quintil ein mittelmässiger reicher Edelmann bliebe allein beständig /und erwartete mit Verlangen den Tod / eines seiner reichen Vettern / der ihn zum Erben einsetzen wolte /in solche Heurat aber / nicht einwilligen würde / weil er ein Feind deß Ehestands / und vermeinet andere solten nicht heuraten / weil er auch in dem ledigen Stand verblieben / etc. Ausser dieser Hinderniß / war der Handel unter ihnen richtig / und gienge unter ihnen nichts böses vor / weil beyde klug / und wol wusten / daß eine böse That einen bösen Außbruch nehmen müste.
4. Quintils Mutter und Vetter hörten / daß er sich ihnen unwissend in Melindam verliebt / und wolten ihn mit scharpffen Bedrauungen abhalten / ja der Vetter liesse sich vernehmen / daß er an seiner Verlassenschafft kein Antheil haben solte / wann ihm ferner zu Ohren kommen würde / daß er zu Melinda eingegangen. Quintil aber achtete deß Vettern Drau- und der Mutter Fluch-Wort für nichts / sondern sprache Didier um seine Schwester an / welcher diese anständige Heurat nicht aus Handen lassen wolte; und Melinda hätte auch lieber heut / als morgen ein Frau werden mögen; daß also eine Winckel-Ehe unter ihnen geschlossen und vollzogen wird.
5. Quintil bauete diesen ungesegneten Acker zwey Jahr [24] ohne Frucht / ob wol die gantze Nachbarschafft sich an vielfältigen seinen Besuchungen bey Melinda ärgerten / und zu übler Nachrede verursacht wurden /welches doch die Blindverliebten nit ersehen noch beobachten wolten. Als sie nun von süssen und gestohlenen Wassern getruncken / und solches Quintils Mutter und Vettern nit verborgen seyn können / haben sie ihn nochmals ernstlich zu Rede gesetzt / welcher sich mit dem Bruder entschuldiget / daß er sein vertrauter Freund / und nichts weniger gedencke / als seine Schwester Melindam zu heuraten / etc. Sie sagten ihm / daß er sich anderwerts umsehen / und zu verheuraten bedacht seyn solte / und schlugen ihm Electam eine junge und reiche Wittib fůr / welche nur einen Sohn hatte / und nach ihres Mannes Tod vielmehr zu einem Geistlichen als weltlichen Leben ihre Gedancken richtete / deßwegen auch in keinen Gesellschafften anzutreffen / und zu besprechen; Ausser dem / daß sie bey den alten Vettern Quintils / der ihm verwand / zu Zeiten einkehrete / und sich in ihren Geschäfften / welche dem Reichthum anhangen / Rahts erholte.
6. Quintils wurde diese Heurat für getragen / welcher er nicht widersprechen wolte / und mit grossem Dancksagen für vätterliche Vorsorge / mehr versprache / als er zu halten gewilliget war. Electa aber wolte ein Kloster für ihren ersten Mann wehlen / und von einer alten Mauren / und von keinem jungen Mann hören; als man ihr aber von Quintil sagte / änderte sie gefaßten Fürsatz / und erfuhre / daß böse Gespräche gute Sitten verderben / ob sie sich wol solcher Begierden entschütten wolte / und wol vermerckte / daß Quintil mit ihr auß Höflichkeit reden müste / mit Melinda aber heimlich zu schaffen hatte; als er aber dieser jungen Wittib Schönheit in dem Angesicht und in dem Küssen recht betrachtete / wendete er sein Hertz von Melinda zur Electa / unn machte auß der Schimpf-Lieb Ernst; weil er sonderlichen jener Leichtfertigkeit müde war / und dieser Erbarkeit und Tugend auch wider seinen Willen lieben muste.
7. Kurtz zu sagen / es kame dahin / daß auff inständiges [25] Anhalten Quintils Befreunden / Electa mit ihme verkündet / und in der Kirchen / nach Christlichem Gebrauch offentlich abgelesen wurde. Melinda stelte sich / als eine von Sinnen gekommene Weibsperson /und reitzete ihren Bruder Didier / diese Schmach mit Quintils Blut zu rächen. Didier war ein behertzter und starcker Mann / forderte Quintil auff den Platz / welcher erscheinet / mit ihme zu fechten / werden aber beyde von ihren Freunden nicht zusammen gelassen /welches Quintil wol zu frieden / weil er den Kürtzern zu ziehen / mit guten Ursachen befürchtet.
8. Auff einen Abend aber verwartet Didier den Quintil / benebens etlichen andern seinen Beyständen / und nachdeme er ihm mit einer verdeckten Latern unter das Angesicht geleuchtet / er hat ihn tödlich verwundet / und liegen lassen. Dieses begabe sich unferne von Electa Häuse / welche zwar sehr betrübt / daß Melinda ihr einen Einspruch gethan / und die Sache bey dem Ehe-Gericht anhängig gemachet / doch noch viel mehr bekümmert worden / als sie Quintil halb tod in ihre Behausung tragen sehen. Die Wundärtzte sagten einstimmig / er solte an seine Seele und nicht an seinen Leib gedencken / weil er sterben müsse. Hierzu schickte er sich nun hertzlich / und bate die Obrigkeit / man solte Didier nicht betrachten / als einen Mörder / sondern als einen Rächer seiner Schwester Ehre /und einen Richter / der Gottes Straff-Urtheil über ihn vollzogen / weil er an Melinda treubrüchig worden.
9. Electa und noch ein gewissenhaffter Geistlicher haben also Quintil Christlich sterben helffen / daß er seine Sünde bereuet / sich Gottes Barmhertzikeit versichert / Didier vergeben / die Melinda um Verzeihung gebetten / und der Electa eine Lehre hinterlassen / von der schnöden Eitelkeit dieses Weltwesens. Didier hatte sich mit der Flucht gerettet / und wurde sein Bildnis an den Galgen gehäncket / die Güter eingezogen / und Melinda in Verhafft genommen; welche alsobald bekennete / und sich rühmte / daß sie den Ehe-vnd Ehrvergessenen [26] Quintil / auß rechtmässigen Ursachen durch die Hand ihres Bruders um das Leben gebracht.
10. Auff solche Bekandnis / in welcher sie sich deß Todschlags theilhaftig gemachet / wurde sie zwar du dem Schwert verdammet / in Betrachtung aber ihrer Beleidigung / Jugend und billichen Ursachen / wurde ihr Tod in eine ewige Gefängnis verwandelt / in welcher sie Zeit hatte / ihr Unrecht zu beweinen / und lindere Seiten auffzuziehen. Electa hingegen war der Welt müd / mochte sich doch in das Nonnen-Kloster der Orten nicht begeben / weil die Weltlichen mit selben Geistlichen Weibspersonen so viel Gemeinschafft / daß sie einen bösen Nachruhm / und vielmehr eine Laster- als eine Tugend-Schule angerichtet hatten.
11. Ihr Beichtvatter / deme sie diese Sache eröffnet / sagte ihr von den Urselinerinnen / welcher wir Anfangs dieser Erzehlung gedacht haben. Mit diesen machte sie Kundschafft / und weil ihr Sohn von seinem Vätterlichen reich genug / hat sie die Helffte ihres Vermögens zu Stifftung eines solchen Schul-Hauses angewendet / welches sich auff zehen tausend Kronen beloffen / und alle junge Dirne in der Gottesfurcht und künstlichen Handarbeit unterrichten lassen / welche sonsten nicht Mittel gehabt / etwas ihrem Stand gemäß zu lernen.
12. Als nun einsten die Gefangenen besuchet worden / hat Electa erhalten / daß man Melindam zu diesen Urselinerinnen verschaffet / da sie erstlich etliche Monat eingesperret / nachmals aber frey gelassen /und ist von Electa / als eine Mit-Schwester erduldet worden / zu Bezeugung die Vollkommenheit der Liebe / in Verzeihung und Wolthun ihrer Feindin. Also ist diese Stifftung noch auff den heutigen Tag /und hat bey den Weibspersonen nicht wenig Nutzen geschaffet / wie der Orten jederman wissend ist.
107. Die großmutige Bescheidenheit
[27] (CVII.)
Die großmůtige Bescheidenheit.
Die Bescheidenheit wird mit Fug genennet das Schiff oder der Wagen aller andern Tugenden / und ist ein Theil der Christlichen Liebe / von welcher der Apostel saget / daß sie sich nicht ärgere / und nicht erbittern / oder erzörnen lasse / welches sonsten auch Sanfftmut genennet wird / und ein Göttliche Eigenschaft ist / die der Demut vorgesetzet wird / wann unser Erlöser sagt: Ich bin sanfftmütig / und von Hertzen demütig. Bey solcher Tugend erweiset sich auch eine Großmütigkeit / in dem man die Verleumdung mit Bescheidenheit verachtet / und nit leichtglaubig ist / wie nach folgende Erzehlung lehren soll.
2. Ein Marckgraff und ein Graff in Franckreich /waren beyde grosse Herren / beyde Königl. Leutenante / beyde frölichen Sinnes / denen nächstgelegenen Landschafften (oder Provincien) anvertrauet / und miteinander in guter Freundschaft stunden. Es begabe sich nun / daß die Underthanen deß Marckgraffen müde waren / die Fasten über einen seicht gelehrten /doch frommen Mönchen predigen zu hören / und liessen durch Mittelspersonen einen andern berühmten Prediger / welcher sich in deß Graffen Gebiet auffgehalten / ersuchen / daß er ihnen die Fasten über predigen solte. Derselbe berufft sich auff seinen Herrn / der Herr auff den Bischoff / unter welches Geistlichen Bottmässigkeit die Sache gehörig.
3. Der Bischoff wurde von der Sache berichtet /und weil ihm deß Predigers Person wol bekant / hat er ihm Befehl gethan / ihrem Begehren zu willfahren /und die Fasten Predigten abzulegen. Die Mönchen widersetzten sich dieser Verordnung / daß man sie wolte von der Cantzel stossen / die sie von vielen und langen Jahren her betretten / wähnende / daß man dardurch suche ihre Einkunfften zu schwächen / und endlich gar auß dem Kloster zu jagen: zu deme wäre dieses nichts anders / als daß man ihnen ihre Ungeschicklichkeit auffrucke / als ob keiner unter so vielen / von seinem Handwerck ein [28] Stündlein reden könte. Mit solchen Gedancken wollen sie Berge außreissen /unn die undanckbaren Pfarrkinder straffen / etc.
4. Diesem allen zuwider ergehet die Bischoffliche Verordnung / daß der Frembde die Cantzl besteigen /unn den Mönchen das Nachsehen gelassen werden solte. Die Sache nun zu unterbrechen / gebrauche sie solche Meuchellist. Arcade deß Marggraffen Thorwärter / welcher zuvor Kammerdiener bey seinem Herrn gewesen / und als er sich geheuratet / mit solchem Ampt versehen worden / pflegte grosse Vertreulichkeit mit den Mönchen / weil er / wie etliche sagen / seinen Vatter in dem Kloster hatte. Dieser war ein Soldat gewesen / ein dummes Kind / der unter seines Herrn Mantel alles meistern wolte / und versprache den Mönchen / er wolle sie / so gering er auch seye / bey ihrer Cantzel oder Predigstul erhalten.
5. Dieses Vorhabens kommet Arcade zu dem Graffen / und wird von jhm höflichst und freundlichst empfangen / wegen seines Herrn / mit welchem er zu sagen pflegte. Nach andern Reden und Nachfragen von seines Herrn Zustande / sagte Arcade / der Graff solte verhindern / daß der neue Prediger die Mönchen nicht von der Cantzel treibe / dann sonsten ein grosses Lermen darauß entstehen würde. Der Graf sagte /daß es ein Lust zu sehen seyn solte / wann die Mönchen einen Krieg anfiengen / und also die streitende Kirchen vorbilden würden: Es solte aber bald Fried werden / wie unter den wilden und zahmen Bienen /wann man ein Hand voll Sands unter sie wirffet: also solte der Aschermitwoch diese Krieger vereinigen.
6. Arcade sagte / daß wann er seinen Prediger dem Volck würde auffdringen / so solte er wissen / dz sich nit nur Geistliche / sondern auch Weltliche der Sachen würden annehmen / und es ihn bereuen machen. Der Graff sagte / auß großmütiger Bescheidenheit /daß der Bischoff verhoffentlich diesen Prediger mit keiner grossen Hoffstatt dahin senden werde. Wann aber der Marggraff / euer Herr / sich mit mir schlagen wolte / so würde er mir einen andern Bottschaffter /als euch schicken. [29] Arcade versetzte / daß er redete als ein Soldat / und nicht als ein Knecht: und ich sagte der Graff / als ein Hauptmann; Ich wil euch aber was anders weisen / und befahle seinem Diener / man solte auffdecken / setzet ihn zu Tische / und that ihm alle Ehr an / mit Bitte / er solte doch vergessen / der unter ihnen gewechselten Worten.
7. Arcade vermeinte der Graff würde ihm / wegen seiner harten Soldaten Reden einen Spott anthun / als er aber seine grosse Höflichkeit sahe / meinte er / der Graff fürchte sich / und würde ihm nach der Mahlzeit noch ein Pferd gegeben / weil er zu Fusse gekommen /und deß Weins so viel zu sich genommen / daß er es ohne solchen Gehülffen / nicht hätte heim tragen können. Arcade wolte es nicht annehmen / der Graff aber ließ es ihm durch seinen Laqueyen nachführen / welches ihm auch in solchem Zustand gar wol gedienet. Als er nun nach Hause kommen / hat er den Zorn mit sich gebracht / und den Laqueyen sampt dem Pferd mit Schelt-Worten zurücke gewiesen. Als solches dem Graffen angesagt worden / hat er deß undanckbaren Gastes gelachet / und sich keines Weges darüber erzörnet / weil er solches für keine genugsame Ursache gehalten.
8. Als nun Arcade dieses Orts nichts außrichten können / machte er sich zu seinem Herrn / und sagte viel Unwahrheiten / daß er nemlich suche seine Bottmässigkeit zu erstrecken / die Pfarr-Gerechtigkeit an sich zu ziehen / und ihn in Rechtfertigung einzuführen: zu solchem Ende / sagte er / hat er zuwegen gebracht / daß instehende Fasten Zeit sein Prediger hier auffstehen / und das Volck zu einer Auffruhr oder Ungehorsam erregen wird. Nichts ist so heilig / daß nicht die Lügen vernachtheilen kan. Als sich nun der Marggraf hierüber erzörnte / fuhre der Affterredner fort /und sagte / er könne nicht verschweigen / daß der Graf sich vernehmen lassen / sein Prediger müsse deß Marggraffen Kantzel besteigen / und solte sie auff seinen Knebel-Bart erbauet seyn.
9. Der neue Prediger nun kame den Marggraffen zu begrüssen [30] / und um Verlaub bitten / daß er zu folge seines Bischoffs Verordnung / in seiner Statt predige /etc. Der Marggraff war von Arcade eingenommen /doch hörte er / daß der Graff sich dieser Sachen nicht theilhafftig gemachet / und habe niemals anders von ihme / als von einem guten Nachbarn geredet. Arcade stande gegenwärtig / und erblaßte / (welches der Marggraff wol beobachtete) wolte aber doch mit Schwören behaupten / daß alles wahr / was er hinderbracht. Der Marggraff drauet ihn zu erwürgen / wann er ihn mit Falschheit berichte. Arcade beharret zwar /aber mit einer Stimme / die sehr verdächtig ware.
10. Hierdurch wird der Marggraff beursacht / einen Edelmann an den Bischoff abzufertigen / zu erkündigen / welcher Massen diese Sache an- und außgebracht worden. Der Bischoff stimmet dem Prediger und Bürgern bey / daß der Graff diese Person nicht gerne erlassen / und daß es mit solcher Bescheidenheit geschehen / dz noch der Marggraf noch die Mönchen sich zu beklagen. Einer von den Benachbarten schläget sich auch in den Handel / und versichert daß Arcade mit Unwarheit / diese Herren an einander zu hetzen / und dardurch die Mönchen vor diesem Einkömmling zu schützen vermeint.
11. Der Marggraff wolte diesen falschen Gesellen nach Verdienst abstraffen / der Graff aber bate noch für ihn / und sagte / daß solches von andern Leuten herkäme / welche sich seiner / als eines Werckzeuges gebrauchen wollen / dz er also eine unschuldige Ursache solches Streits / welchen er doch so böse nicht möchte gemeinet haben. Dieses war widerumb eine sehr grosse Bescheidenheit / welche selten und wol merckwürdig ist. Als nun diese beyde Herren zusammen gekommen / und / wie zuvor frölich gewesen /hat der Marggraf den Diener für sich kommen lassen /und seine gar schlechte Entschuldigung angehöret.
12. Ob nun wol der Graff auß überflüssiger Höfflichkeit gebetten / es solle doch der Marggraff dem Arcade verzeihen / hat er doch anders nichts erhalten können / als daß er ihn prügeln / und seiner Dienste erlassen. Als er nun seine Thorheit [31] erkennen müssen /hat er die Schuld seines Unglückes auff die Mönchen geschoben / welche sich seiner bedient / wie jener Aff der Katzen / die Kästen auß dem Feuer zu holen. Ob nun der solches lieset / dergleichen großmütige Bescheidenheit gebrauchet / wann ihm / was dem Graffen von dem Arcade widerfahren / lasse ich dahin gestellet seyn: wann er ihn zu verdienter Straffe gezogen / hätten wir nicht Ursach gehabt / seiner hie zu gedencken. Jener Rabbi sagt recht / daß ein König nicht besser regieren könne / als wann er in allen Sachen GOttes Sanfftmut und Gerechtigkeit nachfolgete.
108. Die freywillige Ehescheidung
(CVIII.)
Die freywillige Ehescheidung.
Sie Liebe wird mit dem Feuer verglichen / weil sie alles mit sich vereiniget / die Metallen aber scheidet /wann sie nemlich heilig und standhaffte Hertzen antrifft. Der Mensch kan nicht scheiden was Gott zusammen gefüget hat / Gott aber der zu keinem Gesetz verbunden / kan ihme die verehlichten Hertzen auch zu seinem Dienste außsondern / und von allen fleischlichen Begierden abtrennen / und ist der / so nicht Vatter / Mutter / Weib und Kind / wegen seiner verläst / sein nicht werth; und hat befohlen / daß die Todten ihre Todten begraben / seine Jünger aber alles verlassen / und ihme nachfolgen sollen.
2. Dieses sage ich / wegen Armelius eines jungen Frantzosen in Burgund / der bey den Jesuiten / (welche heut zu Tage die Schlüssel der Wissenschafft in den Händen haben) aufferzogen / und in den freyen Künsten unterrichtet worden. Were er nicht ein einiger Sohn gewesen / so hätte er sich / zu folge seiner Neigung / in den Geistlichen Stand begeben: Weil er aber seinen Eltern gehorsamen wollen / hat er müssen die Rechte und Gesetze studiren / mit der Zeit eine Rahtstelle zu vertretten. Wie nun in allen Sachen ein Anfang seyn muß / und solche Aempter keinen gedeyen / die nicht zuvor Sachwaltere oder Fürsprechere gewesen / also muste [32] er auch von der untersten Stuffen anfangen / unnd sich in Rechtshändlen üben.
3. Seinen Eltern war der Ruhm seines grossen Verstands so angenehm / als unangenehm ihnen seine Sitten / in dem er keine Gehülffin wehlen / und an deren / die sie ihme außersehen / nicht belieben tragen wollen. Das Studieren / welches unverständige Leute traurig und unfreundlich machet / hatte ihm in den Gesellschafften alle Gewogenheit erworben. Bey diesen Welt-Gedancken hat er etlicher massen / die Fromkeit seiner Jugend auß den Augen gesetzet / und darfür gehalten / einem vernünfftigen Menschen sey nicht zu versprechen / daß er sein Glück in der Welt suche. Doch ist ihm zu Zeiten beygefallen / wie grosse Rechenschafft er bey Gott / wegen seines Thuns und Lassens abzulegen / und daß auch eine Sünde / in Unterlassung deß Guten / wie in Begehung deß Bösen / etc. In diesem Wahn / wil er von Laban nicht Urlaub nehmen / wie Jacob / sondern Vatter und Mutter verlassen / und in das Kloster lauffen.
4. Es ergienge aber diesem wie Petro / der mit dem Zweiffel / auff dem Meer zu sincken angefangen. In dem er sein Für- haben zu bergen vermeint / und eine falsche Frölichkeit sehen lassen / verlobte er sich in Clerianam / welcher Schönheit ihn gleichsam bezaubert / daß er das Gegenwertige mehr geachtet / als das Zukünfftige. Wie der Demaut in Gold gefasset her für leuchtet / also scheinet auch der gute Verstand auß einem holdseligen Munde / und ware diese Cleriana ihme nicht weniger / als er ihr geneiget. Mit der Eltern beyderseits Einwilligung wurde die Heurat geschlossen / und mit gebräuchlicher Begängnis vollzogen.
5. Es ist nit außzusagen / wie friedlich und schiedlich sich diese Ehegatten miteinander begangen / sie waren nit mehr zwey / sondern ein Fleisch / und erzeugten auch gesunde und schöne Kinder / welche vielmehr ihr Trost / als ihre Beschwernis waren. In diesem gesegneten Ehestand haben sie die Furcht Gottes nit auß den Augen gesetzet / sondern der Kirchen flassig abgewartet. [33] Unter andern war Armelin ein unersättlicher Zuhörer / eines beredten und berühmten Predigers / welcher in ihm die Funcken der hertzlichen Andacht unter dem Aschen der Welt-Händel / wieder auffflambte und anfeuerte.
6. Armelin fande das Himmlische Manna viel geschmackhaffter / als die Egyptischen Zwiebeln / und ob er wol in einem unsträfflichen Stande lebte / verlangte er doch sich selbsten abzureissen / und mehr und mehr zu Gott zu nahen. Er war gleich einem Paradeiß Vogel / der nur mit einem Faden an der Erden hanget / ja solche für einen ungewissen Grund der wahren Glückseligkeit hielte / so offt er den Himmel betrachtet. Er sagte mehrmals mit dem Apostel / Ich halte alles für Koth gegen dem Dienst unsers Herrn Jesu Christi. Alles Fleisch ist Heu / und verwelcket wie eine Blume auff dem Felde.
7. Diesem Sichem / welcher seine vollkommene Freyheit wegen der Dina verlohre / schmertzte hernach diese Wunden / und ob er wol nicht Ursach hatte seine Verehlichung zu berewen / wünschte er doch von solchem Band frey zu seyn. Hierüber hielte er vorbesagten seinen Beichtvatter zu Raht / welcher ihm riete / er solte solchen Gedanken nit nachsetzen /sondern selbe / als des bösen Feindes Fallstricke vermeiden / und vielmehr trachten ein Gottgefälliges Leben in seinem Ehestand zu führen. Der Mann were nicht Herr seines Leibes / welchen er seinem Ehegatten vertrauet / und könne sich auch ihr nit entziehen /ohne ihre Verwilligung.
8. Wie / sagte Armelin / wann ich aber solche Einwilligung Erhalten könte? der Beichtvatter versetzte /daß alsdann ihr Ehestand durch Gottes Anregung wieder geschieden / und stünde ihm frey / der Welt gute Nacht zu sagen; doch solte er sich zuvor wol prüfen /und betrachten / daß es ein gefährlicher Schritt / von dem weltlichen in den Geistlichen Stand zu tretten /und solches auch seinem Weibe zu Gemüte führen /damit nie die spate Reue hernach komme. Cleriana hörte diesen Vortrag; wolte aber darzu nit verstehen /weil sie jung / frisch und frey / und die Andacht für der alten Leute Zeit Vertreibung [34] gehalten: ja / je mehr Armelin die Einsamkeit suchte / je mehr fande sich Cleriana in guter Gesellschafft / und name die Kunst zu Hülffe / ihre natürliche Schönheit also außzuzieren / daß sie ihren Mann wieder frölich machen wolte.
9. In diesem freundlichen Haußstreit verflosse ein gantzes Jahr / und fügte sich / daß vorbesagter Beichtvatter / zur Fasten Zeit wider predigte / und der Cleriana Hertz also rührte / daß sie gleichfals Verlangen getragen / die Welt zuverlassen / und in ein Kloster zugehen. Mit Verlauff der Zeit / ware Armelin der Lust zu solchem Wechsel wieder vergangen / und hinderte ihn absonderlich die Haußsorge / unnd seine zween Knaben / welche er mit gutem Gewissen nicht unversorgt hinter sich lassen konte.
10. In dem sie nun in diesem Zweiffel schweben /und ihren Beichtvatter zu Rathefragen / sagt er ihnen /sie solten ein Probjahr zuvor in der Welt thun / und sich mit angegebener Bewilligung / eines deß andern enthalten; werden sie solches leisten / so solten sie alsdann ferners hören / was Gott in ihren Hertzen reden würde. Diesem verständigen Rath folgten sie beyde / und lebten also in keuscher Ehe / wie Paulus sagt / daß / die Weiber haben / als hätten sie keine /sich verhalten sollen / und der Welt also gebrauchen /daß sie derselben nicht mißbrauchen / 1. Cor. 7. 29. 31.
11. Nach diesem Probjahr / welches sie ohne sondern Beystand Gottes nit außstehen mögen / entschliessen sie nochmals sich würklich zu scheiden /und die Welt völlig zu verlassen. Cleriana nahme mit ihr in ein Nonnen-Kloster / ihr Töchterlein: Armelin seine Söhne / und liesse sie bey den Jesuiten / zu welchen er getretten / aufferziehen; erweisend also seinen Namen in der That / und hielte sich so reichlich / als das Thierlein / von deme er genennet worden / welches lieber Hungers stirbt / als sein zartes Häutlein beflecket deßwegen.
12. Also vollbrachten diese beyde die Zeit ihres Lebens in möglichster Heiligkeit / fasten und beten / nit den Himmel damit zu verdienen / sondern der Gelegenheit zu sündigen zu entfliehen / und ein stilles und ruhiges Leben zu führen / welches [35] zwar in der Welt /wiewol gefährlicher und beschwerlicher / jedoch mit viel grösserm Nutzen deß Nächsten / auch geschehen kan / nach vor angezogenem Spruch deß Apostels.
109. Der Magische Degen
(CIX.)
Der Magische Degen.
Unser Wissen in natürlichen Sachen ist Stückwerck /das meiste das wir wissen / ist das wenigste / von dem / was wir wissen können. Viel lieget in seinen Urschen verborgen / und wird von den Menschen verleistet / viel ist ihme auch wegen deß besorglichen Mißbrauchs verborgen / und vermeinen wir / daß es übernatürlich zugehe / was doch seine offenbare oder verborgene natürliche Ursachen hat. Der Gott der Natur pfleget nit über die Natur zu würken / wann wir wollen; der böse Geist aber kan nicht übernatürliche Sachen außrichten.
2. Wir wollen dieser Meinung nach setzen / was Staricius von Käysers Maximilians Magischen Degen und Trunck der Großmütigkeit auffgemerket / dem verständigen Leser überlassend / was darvon zu halten. Der Glaub bestettiget offt solche Sachen / und ist dergleichen Gewehr auch in Holstein geschmiedet worden / mit welchem ein Edelmann / dem es in die Hand gekommen / viel Unheil angerichtet / weil er sich mehr darauff / als auff Gott verlassen / biß er endlich in der Gefahr / so er geliebt / umbgekommen.
3. Zu solchem Magischen Gewehr wird erfordert 1. das Electrum Magicum, ist eine Art vermischtes Metalles / wie das Horn zu Oldenburg / und wird in Conjunctione U und
bereitet / wie Paracelsus lehret in l. de constellat. spec. darzu kommet folgendes
Diese Metall müssen wol gereiniget werden / unnd darauß schmiedet man die Waffen.
4. Das Feuer muß von dem Donner / der etwann in ein Eichenholtz geschlagen / angezůndet werden /wird Tubals-Feuer [36] bey den Chimisten / genennet. Vorbesagtes Electrum, Blasbälge / Zangen / Ambos /Hammer / etc. muß alles bey der Hand seyn / damit man die rechte Zeit nemlich diem & horam martis in exaltatione constituti triffet. Die lateinischen Verse /welche dar zu sollen gesprochen werden / gehören ad Magiam ceremonialem und können wol außgelassen werden. Auff den Degen oder Harnisch schmiedet man ein Martialisches Zeichen / einen Pfeil / oder einen Löwen / und zugleich noch ein Merckmal / welches dem der die Waffen gebrauchen soll / angenehm / und ihn der Tapfferkeit beharrlich erinnert.
5. Ein solches Schwert soll Käyser Rudolph höchstlöblichen Andenkens gehabt haben / und wil Eingangs bemeldter Scribent / daß Achilles dergleichen Waffen geführet / wie auch der Hörnern Seyfrid /daß ihnen ihre Feinde nichts anhaben können / wie jährlich hiervon die Meistersinger zu Wormbs noch singen / und von der Obrigkeit deßwegen beschenket werden / weil besagter Seyfrid die Würmer und Drachen / so sich daherum auffgehalten / getödtet und überwunden haben soll.
6. Etliche gebrauchen auch solche Schwerter /damit ihrer etliche gerichtet worden / lassen die Heffte machen von dem Rad / darauff ein armer Sünder gerädert / unn das Kreutz und Knopff von der Ketten daran einer ist erworgt / thun auch noch etwas von einer Jungfrauen darzu in das Hefft / und ein solches Schwert oder Degen soll vielen Widerstand thun / und eine Furcht einjagen können. Etliche tragen 3. Schlangen-Zungen in dem Degen-Knopff / und sollen dardurch alle andere Klingen / so sie mit ihren Klingen anrühren / zerspringen.
7. Wann solche Degen oder Waffen an solchen Orten gebrauchet würden / da man sich mörderischen Anfalls zu befürchten / solte es wol verantwortlich seyn: Es scheinet aber / daß die jenigen / so sich mehr auff dergleichen Künste / als auff Gott und ihre gerechte Sache / vertrauen / kein Hertz in dem Leibe haben / dann sie sonsten dieser Beyhülffe gantz nit vonnöthen / und gehöret hieher der Alten Teutschen Sprichwort: Man soll den Degen allezeit / wegen einer gefährlichen Zeit tragen; selben [37] aber nicht ohne wichtige Ursache außziehen / und ohne Ehre nicht wieder einstecken.
8. Fast dergleichen Urtheil könte man fällen von dem Maßlach der Türken / welches sie dreyerley haben / und das erste behertzt / das andre dollkühn /das dritte aber gantz rasend / und alle Todtesgefahr verachten machet. Wann sie Wurtzeln und Kräuter darzu graben / stellen sie sich gantz unsinnig / und soll radix filicis mit spiritu vini extrahirt, und mitsucco mandragoræ vermischet / das vornehmste ingrediens seyn. Das Böhmische Kraut Leleck / soll gleiche Krafft haben. Vom Johannis Blut / Carduo Mariæ, der Eberwurtz und andern dergleichen erzehlen die Naturkündiger grosse Wunder / wie in theils Kräuter-Bůchern zu lesen.
9. Hoch besagter Käyser Maximilian soll auch nach beschriebenes Wasser für ein sonders Geheimnis gehalten haben / so das Wasser der Großmütigkeit genennet / und also zugerichtet wird. Man nimmet einen Brenn-Kolben / bestreicht selben mit Honig / biß zu und erst / und leget ihn in die Sonnen zu einem Omeis-Hauffen / daß sie also hienein lauffen / und ihre Eyer auch hinein tragen. Diese kleine Geisterlein sollen eine sondere grosse Krafft haben / und wann man auff einen solchen Omeins-Hauffen / mit einer Spießruthen schläget / wird ein saurer Geruch und Rauch darvon auffgehen.
10. Nachdeme nun die Omeisen in dem Kolben /muß man 4. oder 5. mahl eine Maaß wol rectificirten Brand-Weins darüber giessen / in der Sonnen oder gelinden Wärme 14. Tage stehen lassen / und das Mundloch vor allem wol verwahren / dann ziehet man es in dem Balneo oder Aschen gar lind oder trocken ab. Was zum ersten kommet / geust man hinweg /thut ein halbes Loth gepülvert Zimmetrinden darein /und verwahret es wol.
11. Man kan auch Eberwurtzöl darzu thun / und wann man es gebrauchen muß / so schmieret man die Hände und Rapier darmit / und trincket 10. oder 12. Tropffen darvon. Dieses benimmet den Gegnern die Krafft und Stärke / daß einer wider viel bestehen kan. Die Eberwurtz wird auch den Pferden gebrauchet /[38] und mit Eibisch vermischet in Wein gesotten / damit man den Ruckgrad deß Pferds Abends und Morgens bestreichen muß / und die Eberwurtz mit Odermenig und Saltz zerhacket unter das Feuer gemenget / jedesmals drey Messerspitzen / machet das Pferd starck und fett. Man muß aber das Pferd in einen sondern Stall stellen / sonsten nimmet es andern Rossen die Stärcke.
12. Zum Beschluß dieser Erzehlung wollen wir vermelden / was die alten Rattenfänger vorgeben /daß nemlich ein Pfeifflein / auß deß Ratten-Königs- Rück-Grade gemacht / die Ratten mache dem Klang nachlauffen / wann man sonderlich das Häutlein von dem Ratten-König gerben / und über ein kleines Trümelein spanne / und darauff schlage / dieses soll zu Hammeln seyn probieret worden / und weil man den Ratten-Banner nit hat bezahlen wollen / habe er die Kinder in einen Berg geführet / den man noch alldar weiset. Selbe Kinder sollen in Siebenbürgen seyn /und die Zahl der Jahre von der Kinder Außführung gezehlet werden. Alles lautet fast fabelartig. Wer leichtlich glaubt / wird leichtlich betrogen.
110. Der Backenstreich
(CX.)
Der Backenstreich.
Wir Teutschen pflegen zu sagen / auff eine Lügen gehöret ein Maulschelle / weil nemlich der Mund mißhandelt / in dem er die Unwarheit saget / als trägt er auch billich die verdiente Straffe. Unter der Lügen liegen viel Laster verborgen / weil man dardurch den Allwissenden Gott zu blenden vermeinet / dem Teuffel / der ein Lügner ist von Anfang / nachahmet / und den Nächsten dardurch zu schaden vermeinet / ohne welches Absehen / die Unwarheit / so man etwan nachsaget / keine Lügen zu nennen ist. Wie nun die Warheit geliebt / also ist die Unwarheit gehasset / und so viel mehr / weil die Zunge / welche deß Hertzens Dolmetscher seyn soll / durch Lügen untreulich unn falsch handelt / daß die Bestraffung mehrmals nit mit einem Backenstreich / sondern mit dem Degen außzurichten.
[39] 2. Eine solche Begebenheit hat sich auch zu Genff zwischen einem Teutschen Graffen und einem Freyherrn zugetragen. Diese waren beysammen in Gesellschafft vieler anderer Edelleute / da man von allerhand Sachen zu reden kame, und wie in Afrika bey den Flüssen die Thiere zusammen kommen / und sich unterschiedliche Geschlechte mit einander vermischen / daher die Mißgeburten entstehen; also finden sich auch bey dem Trunck abenteuriche Wunderthiere /welche grossen Schaden zu bringen pflegen.
3. Als nun der Graff etwas erzehlte / das dem Freyherrn unglaubig fürkame / fienge er an zu pfeiffen /nach der Lehre jenes Dorffpfarrers / der geprediget /man solte niemand lügen heissen / sondern pfeiffen /welches auch einer unter seinen Zuhörern gethan / als er geprediget / von der Abspeisung 5000. Mann mit fünff Gersten-Broden / etc.
4. Dieses pfeiffen verstunde der Graff wol / und fragte / ob er ihn also stillschweigend Lügen straffte? Der Freyherr sagte zwar nein / er glaubte aber doch nicht / was er gesagt hatte: darüber ergrimmet der Graff / und versetzet ihm einen harten Backenstreich. Der Freyherr hatte sich dieser Höfflichkeit nit versehen / wil wider zuschlagen / wird aber von den andern zurücke gehalten / und der Graff von dannen gebracht / daß er also den Backenstreich heim tragen müssen.
5. Diese beyde waren ungleicher Kräfften / und verstunde der Freyherr seinen Degen auß der Kunst / daß nit zu zweiffeln / wann es zum Fechten gekommen /der Graff solte den kürtzern gezogen haben / deßwegen dann die Freunde sie beyderseits nicht wolten zusammen gehen lassen / und sie wieder zuvergleichen bemühet gewesen.
6. Der Freyherr sagte / daß er der beleidigte Theil /und die Maulschelle nit behalten wolte: die andern aber weigerten sich den Graffen außzufordern / unn solte also die Sache auff nechste Begängnis außgestellet seyn. Auff inständiges Anhalter oder deß Vergleichs / und daß er Graff sagen solte / es reue ihn daß er auß Unbedacht zugeschlagen / wolte doch der Freyherr keine Worte für das Werck haben.
[40] 7. Endlich schlägt er für / die Mittler solten den Graffen bereden / daß er den Backenstreich / so er gegeben / wieder einehme und außhielte / als dann wolte er sich vergleichen / wol wissend / daß solches dem Graffen keiner zumuten würde. Einverständiger Edelmann aber sagte / daß er es wolte darzubringen /wann er versprechen wolte / sich alsdann vergnügen /und die Sache zu vergleichen.
8. Es wurde also die Anstellung gemachet daß der Freyherr in eines von den Schiedmännern Behausung kommen / und hinder der Thür stehen solte; so bald nun der Graff / welcher dahin geführet wurde / hinein tretten würde / solte er ihm den Backenstreich wider versetzen / und alsdann wolten sie darzwischen kommen / und ihren Streit mit Wein abwaschen.
9. Dieses wird besagter massen werkstellig gemachet / und wird der Graff mit einem starken Backenstreich bezahlet / bevor er sehen mögen / von wem solches herkommen. Sie wollen beyde mit den Degen zusammen / die Edelleute aber lauffen darzwischen und vereinigen diese beyde nach langem Wort-Gefechte.
10. Also wurde dieser Handel verglichen / und verwunderten sich über den Edelmann / der den guten Raht gegeben / man solte es der gestalt angehen / daß sich niemand darüber zu beschweren / und daß die Wagschalen mit den Maulschellen gleich würden / so würde alsdann das Zünglein noch auff eine / noch auff die andere Seiten weichen / und gerad innen stehen.
11. Nachdeme diese Herren miteinander vereiniget / haben sie sich mit vertreulicher Freundschafft verpflichtet / und keinen Widerwillen mehr gegen einander verspüren lassen: massen ein Theil der Großmütigkeit ist / die verziehene Beleidigung vergessen /und dieselbe nit mehr zu rächen gedencken / welches bey uns Teutschen und Frantzosen gemein ist.
12. Die Italiäner aber führen mit Cardano ein unchristlichen Wahn / in dem sie für wol und klug gethan halten / die die Feindschafft nicht vermerken zu lassen / mann habe dann Mittel bey Hand solche zu rächen / und vergleichet Peruta die widervereinigten /mit einem zusammen geheiltem [41] Beinbruch / welcher schmertzet / wann das Wetter untereinander gehet.
111. Der redliche Betrug
(CXI.)
Der redliche Betrug.
Man soll nicht böses thun / daß gutes darauß erfolge /welches Gott seiner Allmacht allein hat vorbehalten: in Mittelsachen aber / welche eygentlich noch böß noch gut sind / soll man allezeit das Absehen auff das Ende / und was darauß erfolgen möchte / richten; wann sonderlich Gefahr bey der Sache zu seyn scheinet. Also betrüget einen ein Artzt / in dem er ihn unter der Speise purgirende Säffte beybringet / und die Mutter ist nicht verbunden / ihren Kindern die Warheit zu sagen.
2. Von solchem redlichen Betrug wollen wir etliche merkwürdige Beyspiele anführen / und dem Leser auch in diesem / wie allen andern zu beurtheilen heim geben / ob recht und verantwortlich gehandelt oder nicht. Wer urtheilt / setzet seinen Verstand auff die Prob / und muß erwarten / daß man auch von seinem Urtheil urtheile; deßwegen Sirach recht vermahnet: Mein Sohn / sey nicht schnell zu richten / so wird es dich nicht gereuen.
3. Ein Obrister hatte bey sich zu Prag jüngst verwichenes Jahr eine Dirne / deren Mann er hat erschiessen lassen / und sein Eheweib von sich gejagt. Diese führte er mit sich herum / und erzeugte einen Sohn mit ihr / den er aufferziehen lassen / und zu seinen Erben einsetzen wollen. Es fügte sich aber / daß er dieser Schleppen genug hatte / und sie von sich lässet / nit sonder ihren Unwillen / weil sie alle Hoffnung Obristin zu werden / zugleich verlohren.
4. Diese verjagte Ehebrecherin gienge zu einer Zauberin / und bate sie umb eine Kunst / den Obristen wieder zu ihr zu bringen / und ihres Willens zu machen. Die Hexe versprache solches / wann sie nur eines von seinen Haaren zuwegen bringen würde. Daß die Haare zu der Zauberey gebrauchet werden / ist bereit Homero bekannt gewesen / der die Circe einführet / daß sie die Haare auß der Balbirerstuben holen lassen / und die Jüngling an sich bracht.
[42] 5. Nachdeme sie nun deß Obristen Kammerdiener lang angelegen / er solte ihr doch die Haare seines Herrn / welche er etwann Morgens in dem Kamm hinderlasse / geben; hat doch der Kammerdiener leichtlich erachten können / daß sie solche zu keinem guten Ende begehrte / und solches mehrmals verweigert. Endlich hat sie ihme ein Dutzet Thaler versprochen /wann er ihr willfahren würde.
6. Wer kan den Adlern und Gewapneten / ich sage den Thalern und Ducaten / widerstehen? der Kammerdiener verspricht es / und reisset etliche Haar auß der Beerenhaut / welche so schwartz waren / als seines Herrn Haare: gibt sie der Dirne / und nimt dargegen das Geld / welcher Betrug redlich zu nennen / weil er seinem Herrn wol gedienet / und die jenige betrogen /welche böses in dem Sinn hatte / und doch für allen Schaden gut zu seyn versprochen.
7. Diese bringet nun die Haare von der Beerenhaut der Zauberin / und erwartet zu Nacht deß Obristen /zu folge erhaltnen versprechens. Was die Her mit den Haaren gethan / ist unwissend / und wie den Frommen kein Haar ohne Gottes Willen von dem Haupt fallen kan / also hat der böse Geist Macht über der bösen Haare / und sonderlich der Hurenhängste / wie solches beglaubt Tobias / c. 6. 17.
8. Zu Nachts lage der Kammerdiener benebens einem Edel-Knaben auff der Beerenhaut / als durch das Fenster / welches offen / ein schwartzes Gespenst hinein kommet / die Beeren-Haut unter ihnen hervor gerissen / und zu dem Fenster hinauß geführet. Die Diener sind hierüber erschrocken / und haben leichtlich erachten können / daß solches nit der Beerenhaut / sondern ihren Obristen vermeint gewesen / welchen sie diesen Verlauff angemeldet / unn ihn darnach bewogen / daß er seine gewesene Schleppe oder Feldweib niderschiessen lassen / sich für ihren Stücklein zu sichern.
9. Mit den Haaren hat sich auch eine wunderliche Sache bey uns zugetragen. Ein Handelsmann hat mit seiner Magde zugehalten / und weil er ein Witber /verhoffte sie / er solte sie [43] freyen / ob wol kein Eheversprechen zwischen ihnen vorgegangen / und er weit zu klug war. Nach Verlauff wenig Monaten / gedenket er sich zu heuraten / und schaffet deßwegen die Dirne von sich / mit ihrem grossen Unwillen; weil dergleichen Huren-Lieb sich in Haß und Feindschafft zu verkehren pfleget / wie der Wein in Essig.
10. Diese Schleppe hatte von ihrem Herrn etliche Haar mit ihr genommen / und solche unter eine Tripfft eingegraben daß der Mann an heimlichen Orten grosse Ungelegenheit und Schmertzen empfunden. Er klagte solches einem verständigen Artzt / und meldet /wie er gedächte sich zu heuraten / wegen dieses Zufalls aber es müsse anstehen lassen. Der Artzt gebrauchte seine Mittel / vermercket aber / daß die Sache eine Geheimnis hatte / sagte deßwegen / er müsse andre Leute hierinnen fragen / und daß nach Paracelsi Meinung auch etliches von alten Samen-Weibern zu lernen.
11. Dieser offenbart sein Anliegen einer andern Vettel / solcher Weißkünstlerin / die begehret / er solte von seiner gewesenen Magd ihr 2. oder 3. Haare bringen / so wolte sie ihm helffen. Der Kauffmann locket die Dirne wieder an sich / und bekommet die Haare von ihr / und einem solchen Ort / der am meisten dardurch hat leiden müssen. Diese Haar / sagte die Alte / müsse er in eine Eichen / auff einem Scheidweg verbergen / einen Keul darfür schlagen / oder schlagen lassen / und weil er es nicht thun wolte / hat er solches seinem Diener anbefohlen.
12. Es war solches auff dem Weg gegen Altdorff kaum zu Werk gerichtet / so kame die Dirne / unnd bate / er wolte doch die Schalkheit / so er ihr gethan /wieder zurücke nehmen; deßgleichen wolte sie auch thun. Hierüber erfreute sich der alte Handelsmann /liesse die Haare auß der Eichen nehmen / und kame also wieder zu recht / daß er sich geheuratet / und die Schleppe mit einem Stücke Gelds von sich geschaffet. Die Lehr ist / daß man die Haare / welche unnützlich von sich geworffen werden / wol soll in acht haben /damit sie bösen Leuten nicht in die Hände kommen.
112. Die vermeinten Ehebrecher
[44] (CXII.)
Die vermeinten Ehebrecher.
Viel ist in der Natur / welches allen Menschen unbekandt / viel das wenigen nur bewust ist / und wann Gott nit solche Geheimnissen allen geoffenbaret / ist nit zu zweiffeln / daß der Mißbrauch natürlicher Sachen noch viel grösser seyn würde. Etliche wollen nichts glauben / als was sie sehen / können aber doch nit sehen / was natürlich / und doch unsichtbar ist /als: daß ein Pest-erkrankter einen andern Gesunden anstecken soll / daß ein Zorniger durch das auffwallende Geblüt in eine Krankheit fället / daß ein Pels-Reiß / auff dem Erdstämmer bekleibt und ernehret wird.
2. Wie wir nun einen Fluß sehen daher wallen /aber desselben Quelle nit wissen; also sehen wir vieler Sachen Würkungen / können aber nit erlernen /auß was Ursachen sie herkommen / wie auß folgenden Erzehlungen abzunehmen seyn wird / und gleich so wol unter dem Titul deß redlichen Betrugs könte geführet werden; wann wir uns nit bemüheten / jedesmals die Titul zu ändern / wie anderer Orten auch gedacht worden.
3. Zu Haburg in der Obern-Pfaltz hat sich / wie Landkündig zu getragen / daß ein Pfaff in selbem Städtlein sich in eine ehrliche Burgersfrau verliebet /und sie vielmals angelangt seines Willens zu werden /welches sie beharrlich abgeschlagen / und es ihrem Manne anzusagen gedrohet; Damit aber nit etwann ein grosses Unheil darauß entstehen möchte / und der Mann vermeinen / sie hätte Ursach zu solchem Beginnen gegeben / oder daß er sich an dem Pfaffen zu rächen Ursach nehmen solte / hat sie nichts darvon gesagt.
4. Es fügte sich aber / daß diese Frau eines jungen Sohns geneset / und selben als eine Mutter seugte /dieses konte dem Pfaffen / der das Kind getaufft / nit unwissend seyn / und weil er in seines Liebes-Brunst je mehr und mehr enttzündet war / versprache er der Kind-Bett-Kellerin einen Ducaten / sie solte ihm nur etliche Tropffen von ihrer Frauen Milche zuwegen[45] bringen. Die Kellerin verweigerte solches / weil sie befürchtet / er würde es zu keinem guten Ende begehren.
5. In dem aber der Pfaff nit nachlassen wil / und ihr zween ja endlich drey Ducaten / oder Hertzogspfennige (wie man sie nennet) in die Hand stösset / gedenket sie / diesen vermeinten Ehebrecher verantwortlich zu betrügen / und gibt ihm in einem Gläßlein etliche Tropffen Milch von der Geisse / welche sie damals in dem Hause hatte. Der Pfaff nimmet solches erfreulich an / und vermeint nun gewonnen zu haben.
6. Was er nun mit der Milch gethan / ist unwissend / das aber hat er erfahren / daß ihm die Geise in die Kirchen für den Altar / und biß auff den Predigstuhl nachgelauffen / welches sonders Zweiffel die Frau auch hätte thun müssen / wann er ihre Milch zuwegen bringen können: ja er hat dieses Thiers nicht ledig werden mögen / biß er darfür gegeben / was sie werth / und selbe schlachten lassen.
7. Dergleichen hat sich auch mit einem Mutter-Schwein begeben / welches Milch auch einem solchen vermeinten Ehebrecher / für Frauenmilch verkaufft worden / unnd hat das Schwein für der Haußthür / in welcher der Liebskünstler gewesen / so Tags / so Nachts liegen wollen / daß man es endlich auch hat schlachten müssen. Diese Geschichte ist allen Pfältzern wol bekannt / und ob wol der Pfaff / dessen wir erstlich gedacht / deßwegen von dem Dienst kommen / hat man ihm doch bald hernach eine bessere Pfarr gegeben.
8. Die Ursache dieses ist unempfindliche Einverleibung eines mit dem andern / daher abzunehmen / daß ein Hund / welcher von einem Brod / das einer unter den Achseln erwarmen lassen / isset / demselben nachläufft / weil gleichsam der Schweiß ihme einverleibt wird / und in der Nasen verbleibet; so gar / daß er auch die Fußtritte seines Herrn außspühren / und selber nachlauffen kan. Darauß leichtlich zu erachten / das vorbesagtes mit natürlichen Ursachen hergehen könne.
9. In Frankenland hat ein Haußdieb in einem Dorff, welches die Soldaten geplündert / und nichts übrig gelassen, [46] als etliches gedürrtes Fleisch in dem Rauch hangend / herab genommen / und mit den grossen Bauren Schuhen in die Aschen getretten / daß man die Fußstapffen sehen / und leichtlich ermessen können /daß die Soldaten einem ungetrewen Nachbarn den Vorrath an Fleisch übrig gelassen.
10. Die verlauffenen Leute besagten Hauses kommen wieder / und nimmet die Bäurin den Aschen / in welchen die Fußtritte / südet selben in einem Hafen /und quälet dardurch den Dieb so sehr / daß er kommen / und das gestohlene Fleisch wieder gebracht /um Gottes willen bittend / sie solte doch den Hafen vom Feuer thun / weil alles Geblüt in seinen Leibe gleich demselben süde. Eben dergleichen hat sich auch hier mit einem Gartendieb begeben / der seine Fußtritte in das Erdreich eingedruckt gehabt.
11. Hierbey fragte sich nun / ob man dergleichen Rache an den Verbrechern deß 7. Gebotts / mit gutem Gewissen üben könne. Etliche antworten mit Ja: weil erlaubt ist einen Dieb / der in ein Hauß bricht / auff handhaffter That zu tödten / und solches nit nur nach den Weltlichen / sondern auch nach den Geistlichen Recht / 2. Mose 22. 2. Wann ein Dieb / sagt Moses /ergriffen wird / daß er einbricht / und wird darob geschlagen / daß er stirbt / so soll man kein Blut-Gericht über ihn ergehen lassen.
12. Andre aber behaupten / daß man Gott und der Obrigkeit die Rache lassen soll; daß man mit solchen Sachen / die einer Zauberey gleichen / wann sie auch die Gesundheit / welche mehr als zeitliches Gut ist /wiederbringen möchten / soll unverworren bleiben; weil in dem Zweiffel / ob es Sünde oder nit / viel sicherer selbe zu unterlassen / und weil ein solcher Dieb doch dem Henker nicht entlaufft / und endlich sein Meisterstück an den Galgen kommet; nach dem Sprichwort: Einen zeitigen Dieb erlaufft ein hinkender Scherg.
113. Nasen drehen
(CXIII.)
Nasen drehen.
Wir pflegen in dem Sprichwort zu sagen / wann man einen etwas glauben machet / das nit ist / man hat ihm eine [47] Nasen gedrehet / und ist diese Art zu reden / sonder allen Zweiffel herkommen / von der neuen Nasmach-Kunst / von welcher zu lesen Stephan Gaumelin / Alexander Benedict / Parcus und andere / die von Wund-Artzney geschrieben haben. Es werden aber solche Nasen von eines andern Menschen Armen gemachet / auff welchen das neubenaste Angesicht / 40. Tage muß gebunden bleiben / alsdann wird die Nasen herauß geschnitten / so groß man sie haben wil. Wie aber eine solche frembde Nasen / wann der Mensch /auß welches Arm sie geschnitten / stirbet / so faulet die Nasen mit ab / wie solches Campanella 1. 4. de sensu rerum f. 308. erzehlet / daß er dergleichen gesehen: also sage ich / kan derer Poß / welchen man mit dem Nasendrehen vergleichet / nit lang dauren /sondern es muß die Warheit mit vielem Gelächter offenbaret werden. Hieher wollen wir nun zwo dergleichen Geschichte erzehlen / und erweisen / daß nicht nur die Aertzte / sondern auch die Juristen Nasen drehen / und ihnen drehen lassen.
2. In einer lustigen Gesellschafft etlicher Teutschen / war ein Saltzburger / der nit gar zu viel Hirn in dem Haupt / und deßwegen von den andern vexiret wurde. Sein Landsmann kame um zu folge genommener Abrede am ersten nach Venedig / und sagte dem Wirth /bey dem weissen Pferde / alle Beschaffenheit dieses blöden Jünglings / und kame erst nach etlichen zu ihm in das Wirtshauß / zu erfahren / wie der Poß angegangen.
3. So bald dieser Storgist angelangt / empfäht ihn der Wirth sehr freundlich / spricht ihm zu / und fraget / wie es seinen Vatter / seiner Schwester und Bruder /die er alle mit Namen nennete / ergienge? Der Teutsche verwunderte sich / daß dieser so viel von seinen Haußgenossen weiß / und als ihn der Wirth absonderlich in eine Kammer geführet / und ihn schwören machen / er wolle geheim halten / was er ihm vertrauen werde / hat er erzehlet / daß er in dem Sommer ein Storch werde / und gegen seines Vattern Hauß über /sein Nest habe; Weil ihme aber von den seinigen viel gutes geschehen / begehrte er sich wider dankbar zu erweisen.
[48] 4. Der einfältige Gesell lässet jhme die Nasen drehen / vnd glaubet alles so viel mehr / weil der Würth kein Gelt von jhm nehmen wolte (seine Gesellschafft hatte für jhn bezahlet) vnd mit vielen höflichen erbieten von jhme scheiden liesse. Als nun dieser nach Hauß kommen / sich verheurathet / vnd über der Mahlzeit die Störche auff deß Nachbarn Hause kommen siehet / nimbt er ein Glas / bringt es dem Storch umb Willkomm / (ben venuto Signor hoste, faccio un brindis à V.S. etc.) erzehlet auch den Gästen / daß dieser Storch ein Wirtt zu Venedig bey dem weissen Pferd / etc. darüber alle Gäste lachen / und vermeinen der Herr Bräutigam sey auff der lincken Seiten nicht recht vnder dem Hütlein verwahret.
5. Folgende Nasen ist fast noch länger. Ein gelehrter tapfferer Mann raiste durch Schwabenland / und wurde zu Tische zu reden von dem Bock holen / daß die Hexen einen können auff dem Bock holen lassen /welchem man etwas von seinem Leibe zu werffen /oder darauff an das gebante Ort durch die Lufft reiten müste: Hiervon wurden vnterschiedliche Exempel erzehlet / die sich der Orten solten zugetragen haben /und daß ein solcher Bockreuter nicht lang hernach lebe / etc.
6. Dieses sagte der Doctor ist eine lautere Verblendung deß Satans / und ist er nicht so mächtig / daß er einem Frommen ein Haar krümmen könte. Gott verstattet jhm zwar viel bey den Bösen / doch nicht nach jhrem Willen / und wie es eine jede Hexe begehret /oder gegen Geld zu leisten verspricht / etc. schleust endlich: Ich wolte den Bock ansehen / der mich holen könte; wiewol ich weiß / daß vielmehr die Jungen /als die Alten solcher Gestalt / zu böser Arbeit erfordert werden / etc.
7. Dieses fasset einer von der Gesellschafft zu Ohren / stehet auff / nimbt den Bock der in dem Wirtshauß bey den Pferden stunde / vnd führet ihn in die Kammer / da der Doctor schlaffen würde / bringt jhn auch vnder das Bett / und schüttet jhm viel Habern für / damit er darunter bleiben solte / biß derDoctor sich zu Bette geleget / wie auch geschahe / als er auff gut Teutsch bezechet war.
8. Nach deme nun der erste Schlaff vorüber / der Bock [49] auffgezehret und außgeruhet / kreucht er vnder dem Bett herfür / gehet in der Kammer herum / weckt den Doctor auff / und kommet für das Bett / recket auch seinen langen Bart hinein / und sprang mit den fördern Füssen in das Bett / daß der gute Mann nicht anders vermeinet / es sey ein Bock / der jhn holen wolle. Er ruffte zu Gott brünstiglich / fienge an sich zu trösten / und den vermeinten Teuffel mit Sprüchen heiliger Schrift von sich zu jagen / und war in grossen Aengsten.
9. Als nun solches die andern in der Gesellschafft gehöret / haben sie die Kammer auffsperren wollen; weil er sie aber verriegelt / nicht können hinein kommen. Nach deme er nun der vermeinten Gefahr eine Zeit gewohnet / ist er auff die Gedancken gerathen /daß man jhme mit dem Bock in dem Hause eine Nasen gedrehet / deßwegen einen Muth gefasset / und den Bock von sich geschlagen. Was Gelächter dieser Poß verursachet / ist leichtlich zu erachten.
10. Es ist eine gewisse Regel / daß wann jhrer zween wollen / der dritte muß Narr sein / und sich vexieren lassen. Dieses hat auch erfahren ein Frembder alhier noch lebender Handelsmann / welcher mit etlichen seiner bekandten auff ein Dorf spatzieren geritten / unter Wegs aber haben sie einen Anschlag gemachet / jhme eine Nasen zu drehen mit seinem Pferde /und vorgeben / sein Pferd hätte das Hanen-Geschrey. Der Kauffmann verstunde sich nichts auff die Pferde /fragte was es für eine Kranckheit? Sie sagten daß es wie die fallende Sucht / und wann er nit Hülffe verschaffte / so were das Pferd in 24. Stunden verrecken /er solte nur den Schmied in dem Dorff fragen. Einer von den Dienern war vor geritten / und hatte die Sache mit dem Schmied abgeredet.
11. So bald sie nun ankommen / reitet dieser auff die Schmitten zu / und wird in seiner Meinung bestättiget / das Pferd hab das Hanen-Geschrey / also gennat / weil man den Hanen und Hennen das Blut nehmen / und es dem Pferde über den Rücken streichen müsse / dardurch das Geblüt erfrischet / und das Roß wider zu Kräfften komme. Der einfältig Mann [50] glaubet dieses / und kaufft alle Hüner in dem gantzen Dorff /lässet das Blut zusammen tropffen / und das Pferd mit bestreichen. Der Gesellschafft verehret er die Hüner /darauff der Poß angefangen / und das Pferd kommet wider zu recht / wie er vermeinet / dem Schmied verehret er einen Reichsthaler / und halff er die Artzney verzehren / daß er also mit einer langen Nasen wol vergnüget wider heim geraiset.
12. Wem diese Nasen nicht gefallen / und ein erfreulicher Schertz zuwider ist / der muß erwarten /daß jhme dergleichen begegne. Etliche Sauertöpffe können nicht sehen / daß andre lachen / da doch Salomon der Weise König / auch solchem eine gewisse Zeit bestimmet / und wird das lachen für das eigentliche Kennzeichen eines Menschen gehalten / weil ein Verstand darzu erfordert wird / die Sachen welche lachens wehrt / von andern zu unterscheiden / wie hievon ümständig zu lesen indem CXXXVIII. Gespräch-Spiel.
114. Die Sieben-Schläfer
(CXIV.)
Die Sieben-Schläfer.
Die Bildungs-Kräfften (Imaginatio) von den Bildern welche sie durch die äusserlichen Sinne fassen / können verletzet werden / daß die Gedächtniß und der Verstand unverletzt bleibet. (Galen. de loc. aff. & de sympt. diff. Cels. l. 3. c. 17. Menoch. Consil. 92.num. 221. vol. 1. Daher man nicht allen wunderlichen Leuten die Verwaltung jhrer Güter nimmet / ob sie gleich zu Zeiten grillisiren. Also drehet sich in den Augen eines Schwindelhirns alles herum. In den Augen eines Gelbsüchtigen ist alles gelb / und die Schlaffenden verlieren jhre Vernunfft und Gedächtniß nicht / ob sie gleich wunderliche und zerbrochene Traum-Bilder sehen: gleicher weiß / wie ein Unsinniger der schläffet / deßwegen nit verständig kan genennet werden.
[51] 2. Wie es mit den natürlichen Ursachen / deß Menschen Schlaffes beschaffen / ist vnder den Naturkündigern noch fast strittig. Etliche wollen / daß der Schlaff sey eine Ruhe aller äusserlichen Sinne zu der Gesundheit und Erquickung deß Thieres dienlich /dardurch wird der Schlaff unterschieden / von den Ohnmächten / Schlage / fraischlich und andern der gleichen Zufällen / die einen krancken Schlaff mit sich bringen / und von übermässiger Feuchtigkeit oder Kälte herkommen.
3. Der natürliche gesunde Schlaff aber / entstehet von den auffsteigenden Dämpffen / welche das Gehirn anfeuchten und gleich einem Tau / wider herunter fallen / und alle Bewegung hinweg nehmen. Etliche aber sagen / daß nicht die Feuchtigkeit sondern der Mangel der Lebens Wärme / deß Schlaffes Ursache / die nemlich nicht genugsam / die Glieder zu beherrschen /ohne darzwischen kommende Ruhe / und deßwegen blassen auch die Schlaffenden / weil das Geblüt zu dem Hertzen eilet / und die äusserlichen Glieder gleichsam verlässet.
4. Die Ursach deß Schlaffes muß eine geschwinde Ursach seyn / welche von einer Schnell beweglicher Sache entstehet: Solches können die groben auffsteigenden Dämpffe nit seyn / die von der Speise herkommen / sondern die Wärme wie gesagt / welche fast in einem Augenblick den gantzen Leib beweget / und auch unbeweglich machet / wann nemlich solche Wärme zu rücke weichet / die Kochungen zu befördern / die zu deß Menschen Unterhaltung vonnöthen sind / und deßwegen muß auch ein Schlaffender ohne Farb seyn.
5. Der Schlaff entstehet auch von der Müd- und Mattigkeit / von der Stille / von dem lieblichen Getön / etc. Diese äusserlichen Ursachen befördern die innerlichen / daß die Hirn-Geisterlein (Spiritus animales) als die vornemsten Werckzeuge deß Leibes / zu gewissen Zeiten ruhen auß angeschaffener Eigenschafft; gleich wie die Lebens Geister (Spiritus vitales) von dem Hertzen regieret / und sich in der Freude / im Zorn / und Traurigkeit bemercken lassen.
6. Dem seye nun wie jhm wolle / so ist der Schlaff ein König [52] der Götter / wie jhn Orpheus nennet / der reiche und arme grosse und kleine vergleichet / und ohne den Schlaff kan deß Menschen Leben nicht lang bestehen. Der Schlaff ist ein Anzeigung einer guten Gesundheit / eine Erquickung der Kräfften / ein Anstand der Sorgen / eine Ruhe deß Leibes / und Beschäfftigung der Gedancken / vermittelst der natürlichen und übernatürlichen Träume.
7. Also giebt es auch übernatürliche Schläffer / wie erzehlet wird in den Kirchen-Historien / daß sieben verfolgte Christen zu Zeiten Käysers Domitianis sieben Jahr (daher das Sprichwort von den faulen Siebenschläfern / oder auch von denen / die biß auff die siebende Stunde deß Tages zu Bette liegen / entstanden) hinter einer alten eingefallenen Mauren geschlaffen / und ob wol solches hart zu glauben scheinet / so muß man doch nicht zweiffeln / daß Gottes Allmacht nicht verkürtzet / und daß er uns unbewuste Mittel habe / die seinigen zu retten in der zeit der Noth. Die Folge gehet auch nicht an: Ich glaube es nicht / wie Thomas / darumb ist es falsch.
8. Albert Crantz schreibet in seinem achten Buch Wendischer Geschichte am 40. Cap. daß zu Lübeck in der Mühl-Strassen (in noch stehendem Hause bey dem Lämlein oder Lamken genant) ein Schuler sich heimlich verschlossen / daß er ohne Hinderniß schlaffen und ruhen möchte; legte sich deßwegen in ein Kämmerlein / dahin niemand zu kommen pflegte. Die Leute in dem Hause vermeintend daß er in sein Vatterland verraiset / und konten doch nicht wissen / warumb er nicht Urlaub genommen.
9. Sieben Jahr hernach (ist eine verdächtige Zahlwegen deß Erlaß Jahrs / da die Juden jhren Knechten die Freyheit versprochen / und selten gehalten) wurde dieser Student ohngefehr gefunden / und von einem in dem Hause auffgewecket. Er vermeinte daß er wenig Stunde geschlaffen / und war an der Gestalt und Kleidern gantz nicht geändert / und hat doch die Zeit über noch gessen noch getruncken / welcher übernatürlich /oder betrüglich zugehen müssen.
[53] 10. Dieses erinnerten sich alle in dem Hause / daß er vor 7. Jahren verlohren / und auch gesuchet worden / wie es auch dazumal zugegangen / hat er alles gewust; was ihm aber inzwischen begegnet / war ihm als einem starck schlaffenden / unbekandt. Dieses wird auch in der Lübeckischen Chronica oder Zeit- Buch gelesen / daß sich gewißlich dergleichen etwas /wo nit alles erzehlter massen zugetragen haben muß. Zu Erfüllung dieser Erzehlung wollen wir zween Träume der wachenden anführen / so theils vortheilig / theils nachtheilig außgeschlagen.
11. Thomas à Vega in Comment. super Gal. c. 84. hat geschrieben hinderlassen / daß einer lang an einem hitzigen Fieber gelegen / und gantz verwirrte Reden geführet. Unter andern bate er / man solte ihn doch in dem Weyer (auff den Fußboden deutend) schwimmen lassen, er verhoffte sich wieder zu kühlen / und gesund zu werden / Der Artzt sahe / daß er keinen Schaden nehmen konte / und verwilliget darein: So bald wirfft er sich auß dem Bette / und waltzte sich in dem Zimmer herum / sagend / daß ihm das Wasser an die Knorren / hernach an die Knie / hernach an die Gurgel gienge / und den gantzen Leib erfrischet habe / daß er nun bald wieder genesen würde / welches auch erfolget.
12. Marcel. Donatus in hist. Medic. mirab. l. 2.cap. 1. schreibet hingegen / daß einer zu Vincentz ihme eingebildet / er habe einen so grossen Leib / daß er nicht könne zu der Thür hinauß gehen; der Artzt wolte ihm seinen falschen Wahn zu verstehen geben /und ließ ihn mit Gewalt auß dem Zimmer tragen / darüber er sehr klagte / daß man seinen Leib und alle Gebeine zerbrochen / über die Träger Rache geschrien /und ist bald hernach gestorben.
115. Der Gegen-Betrug
(CXV.)
Der Gegen-Betrug.
Es ist die Frage: ob ich einen der mich betrügen wil /wieder bettrügen darff; Erstlich ist gewiß zu wissen /daß [54] der / mit welchem wir handlen / uns zubetrügen suche: zum andern / wie weit sich solcher Betrug erstreckt: drittens ob wie jhn nicht überlisten / und gegen einem Kreutzer ein Thaler nehmen wollen: dann Aug umb Aug / Zahn um Zahn möchte noch zuverantworten seyn. Sicherer ist / alle Betrüger zu fliehen / und mit solchen Leuten / die wie das Pech sind /unverworren bleiben; wann man aber mit jhnen zu thun hat / muß man zu erst sehen / daß man nicht betrogen wird / und ist ein redlicher Handel / löblicher und mehr gesegneter als ein trüglicher; daher der weise Mann sagt / Klugheit ist keine Weißheit.
3. Die Welt thut nicht was sie thun soll / sondern was sie thun kan / und bawet er auff Sand / der sich seiner Falschheit vertrauet / welche GOtt ein Greuel ist / und doch nicht lang bestehen kan / sondern zu Schanden machet / die darmit ümgehen. Wie die folgende Erzehlung / der wir den Titel deß Gegen-Betrugs gegeben / mit mehrerm lehren wird.
3. Ein schlechter Spanischer Soldat hat sich zu Sevilla stattlich herauß gekleydet / mit einer güldenen Ketten / Hutschnur und einem Kleinod auff dem Hute / einem vergüldten Rappier an der Seiten / grose Krägen an den Händen unnd Halse / daß er also / wie ein gebutzter Aff herein getretten / und alle Schritte nach dem Circkel abgemessen. Sein Knöbel Bart war so spitzig als sein Stillet / unnd nichts höhers an jhm als sein Gemüt. Das Gold trug er auff den Hosen / aber keines darinnen / er und zween Reichsthaler giengen nicht durch eine Thür; ja er verachtet die Thaler / weil sie von einem Thal den Namen hätten.
4. Als nun dieser in der Kirchen neben eine verkapte Weibsperson zu knien kommet / grüsset sich sie freundlichst / und weil sie eine weise Hand sehen liese / und mit holdseligen Worten zu jhr zu kommen bate / hat er nicht unterlassen sich einzustellen / und diese Abendteur zuversuchen / nahme also in Obacht /wo jhre Behausung / und verlangte die Nacht / damit er nur erfahren möchte / wer diß glückselig Weib / die sich jhme zu dienen ergeben wolte.
[55] 5. Als nun diese beyde zusammen kommen / und viel gravitetische Liebs-Wort wechslen / vermeinte der Spanier / daß diese ein ansehnliche und reiche Heurat für jhn / die Frau in dem Hauß vermeinte gleichfalls diesen stattlichen Herren zu erlangen / und war der Kauff unter diesen bey den bald geschlossen /als er jhr seine güldene Ketten verehret / so / daß sie einen Mönchen beruffen / und sich mit einander trauen lassen; massen der Orten nicht gebräuchlich daß man bey den Hochzeiten so grosse Bereitschafft und Begängniß machet / wie in Teutschland.
6. Das Hochzeitmahl war zu anderer Zeit verschoben / und war nun an dem / daß das Beylager solte gehalten werden / darzu beyde willfährig. Als aber die Braut zu Bette gehen will / ziehet sie die falschen Haare von dem Haupt / und stehet so kahl da / als das Bild der Gelegenheit gemahlet wird; bittet derwegen umb Verzeihung. Der Bräutigam sagte / daß seine Haar gleichsfals beschaffen / und leget solche auch von sich. Zu deme were auch seine Hutschnur nur Messing. Also / sagte die Braut / ist mein Gürtel nicht von Silber / sondern von weissem Messing / und die Brüste / (welche sie mit der Hand auß dem Bussen zoge) sind nur von Holtz.
7. Der Fändrich wolte ferners sein Anliegen entdecken / und wiese jhr sein Funtanella / und weil beyde sich betrogen sahen / und einander nichts auffzurucken hatten / waren sie doch wol zu frieden / und legten sich beyde zu Bette / befahrend daß eines dem andern den Kauff wider auffsagen möchte. Dieses trieben sie etliche Tage / unn vermeinten der Herr Fändrich / er hätte eine reiche Frau / ob sie gleich nicht gar schön und jung von Jahren / befande sich aber auch hierinnen betrogen.
8. Frau Stefana / also nennete sich dieses Weib /vermochte nicht mehr als die Kleyder / so sie an dem Halse getragen / und ob sie wol das Hauß mit aller Eingehör für das jhre dargegeben / ist doch solches jhrer Frauen gewesen / welche mit jhrem Eheherren über Land verraiset / und jhr das gantze Haußwesen zu getreuen Händen anvertrauet.
9. Eines Morgens / als diese beyde zu Bette lagen /kommet [56] der Herr und die Frau wieder / und solcher Ankunfft wird durch die Dienerin angemeldet. Die listige Stefana beschwetzet ihren Mann / daß sie dieser ihrer Freundin das Hauß auff wenig Tage raumen /und ihr dardurch zu einer anständigen Heurat helffen wolte / er solte sich inzwischen zu einer ihrer Gespielin begeben.
10. Der Mann glaubt ihr zwar anfangs / als aber sein Weib mit der Ketten entflohen / fragte er in seinem vermeinten Hause nach / was für eine Beschaffenheit es mit dieser Stefana habe / wer sie seye / etc. Man berichtet ihn mit der Warheit / daß sie eine Magd gewesen / und nun ein Betrügerin worden / und so wol von ihrer Herrschafft / als ihrem Manne geflohen.
11. Hierüber wurde er sehr bestürtzet / und tröstete sich doch darmit / daß seine Ketten nit von Gold /sondern nur über güldter Messing gewesen; danckte benebens Gott / daß das böse Pfand / welches er darum eingelöst / Füsse gehabt / und dahin entgehen können / wo er nachzulauffen nicht schuldig / ihme auch niemand aufferlegt / das zu suchen / was er nicht gerne wieder finden wolte.
12. Also trifft Untreue ihren eignen Herren / und wird der / so andre zu betrügen vermeint / betrogen /wie der Fuchs sich in seinem eignen Bau zu Zeiten fänget. Nach dem gemeinen Sprichwort sagt man /daß man mit Lügen und Listen müsse Heuraten stifften / selbe aber haben meisten theils einen bösen Außgang / und können solche Leute / wann der Betrug entdecket ist / einander nit mehr hold seyn /gleich wie einer der Waare / so er zu theuer eingekramt / und darmit betrogen worden / feind zu seyn pfleget / und mehrmals selbe nit wol anschauen mag.
116. Der beständige Freund
(CXVI.)
Der beständige Freund.
Die Freundschafft ist eine Tugend / welche dieser Zetten fast unbekandt ist / und wird mit guten Ursachen einem Schatze verglichen / den man selten oder gar nit findet. Solche [57] Tugend-Freundschafft kan nit bestehen / als zwischen zweyen mit Treu verbundenen Hertzen / ob gleich eines Theils gefehlet wird / muß doch anders Theils die Gebühr einer beständigen Liebe beharrlich erwiesen werden. Wir sind als Christen schuldig ins gemein auch unsere Feinde zu lieben / sie sind gut oder böß / damit wir gleich werden unserm Vater im Himmel / welcher seine Sonne lässet auffgehen über gute und böse / und den Regen lässet triefen auff den unfruchtbaren Sand / und auff die fruchtbaren Aecker: Aber doch sollen die Sünden und die Sünder beharrlich unterschieden werden / sonsten würden wir thun wie die belägerten Städte / welche sich an falsche Freunde ergeben / und auß Fahrlässigkeit überfallen lassen.
2. Wann wir nun einen lasterhafften Menschen lieben / sollen wir uns seines Lasters nicht theilhafftig machen / sondern den Aertzten gleichen / welche die Kranckheit ohne Verletzung ihrer Gesundheit zu heilen pflegen; sonsten höret der Name der Freundschafft / dessen Grund die Tugend ist / auff / und wird eine sündliche Vertreulichkeit darauß. Wann man wegen eines Fehlers einen Freund wolte auffgeben / und ihn fliehen als einen rasenden / wo würde die Liebe bleiben / welche machet / daß einer den andern verträgt /nach dem Befehl Christi / und dem Exempel Davids /der die Ubertretter gelehret / daß sich die Sünder zu Gott bekehren. Eines solchen Christlichen Freunds Geschlecht soll der Inhalt seyn / nachgehender Erzehlung.
3. Zu Naples wurden zween vom Adel Ascan und Saudin mit einander aufferzogen / und trugen gegen einander so Brüderliche Liebe / daß sie nie ohne Threnen sich geschieden / noch eine Hertzens Freude wider zusammen gekommen. Sie studierten mit einander / sie assen / trancken und lerneten alle Ritterliche Vbungen mit einander / und nahm ihre Freundschafft mit zuwachsenden Jahren zu / daß sie Winters und Sommers / ich wil sagen in Glück und Unglück beständig verblieben.
[58] 4. Mit fortlauffenden Jünglings-Jahren tratte Ascan zu der Rechten / Saudin zu der Lincken / verstehe /daß jener sich zu allem guten / dieser sich zu allem bösen begeben / massen dann die zarte Jugend zu den Lastern geneiget ist / und mehr liebet den Untergang /als den Auffgang der Tugend / wann also zu reden verlaubt ist. Ascan bemühete sich dieses verirrete Schaff wieder auff den rechten Weg zu bringen / und solches mit Sanfftmut und Freundlichkeit: Saudin aber wil ihm nicht Gehör geben / und seine Wunden anrühren unnd verbinden lassen.
5. Saudin hatte unlangst seinen Vatter verlohren /und seiner Mutter Hand war nit starck genug ihn von dem angefangenen bösen Leben zurücke zu halten. Spielen und Frauen-Zimmer-Gesellschafft begleiten lachend an den Bettel-Stab / und weil die Mütterliche Vermahnung nicht fruchten mögen / hat sich die gute Alte so darüber betrübet / daß sie in ein Fieber gefallen / und den Geist auffgegeben. Saudin hatte also den Zaum auff dem Halse / seine Vätterliche und Mütterliche Verlassenschafft in Händen / und begunte den verlohrnen Sohn meisterlich zu spielen.
6. Philargia eine von den offentlichen Dirnen zu Naples / welche Honig auß den Steinen / und Oel auß den Felsen ziehen können / und für gutes Geld böse Wahren zu geben pflegen / rupffte diesen Vogel nach und nach / daß sie endlich von seinen Federn gezieret / und er gantz entblöset wurde. Er hatte keine Augen sein bevorstehendes Unglück zu sehen / und keine Ohren seines Ascans freundliche Ermahnung anzuhören / sondern ergrimmete über seine wolgemeinte Vermahnung.
7. Ascan gleichte in dieser Begebenheit den Engeln / welche bitterlich weinen über der Menschen Unbußfertigkeit. Er borgte aller Orten auff / diesen Abgrund (der Philargiæ Geitz) außzufüllen; noch klagte sie über seine Sparsamkeit / und den Antheil / welchen sie von seinen Gütern gern gehabt / der war alles sein Vermögen. Als [59] er nun seine liegende Güter nicht alsbalden versilbern mochte / muß er sehen / daß Valens ein anderer ihm vorgezogen wurde. Der Eifer verursachte / daß er diesem Seiten-Buler vorwartet / ihn ermordet / und in Ascans Behausung als eine Freystadt flüchten muste. Sein Glaubiger und deß ermorden Befreunde lassen ihn aller Orten mit den Schergen suchen / Ascan aber scheute die Gefahr nit / seine Freundschafft auch in dieser Noth zuerweisen / und alles Unwillens zu vergessen.
8. Ascan bringt endlich Saudin auß der Stadt / und ziehet mit ihm nach Rom / nach Florentz / Venedig /Genua / etc. und Saudins Bildniß wird inzwischen an den Galgen gehencket / welches er in seinem Gemüt /wiewol nit an dem Leib / als einen Tod seines ehrlichen Namens schmertzlichst empfunden / und angefangen in sich selbst zu schlagen / sein böses Leben zu bedencken / und zu betrachten / in was Seelen-Gefahr ihn seine Sünden gestürtzet.
9. Solches würckete er auß zu Loreto / und richtete sein Hertz zu einem andern Leben / daß ihme seine Augen durch die bittere Galle der Armut / wie dorten dem Tobia eröffnet wurden. So bald ihm aber die Gelegenheit zu spielen in den Wirtshäusern begegnete /bate er seinen Ascan / der ihn aller Orten frey gehalten / und Hülle und Fülle verschaffet / er solte ihm doch Geld leihen / er verhoffte daß der Würffel seinen Verlust wieder ersetzen würde. Ascan aber hielte sich wie ein verständiger Artzt / der dem Krancken versaget / was ihm schaden kan.
10. Als er nun Busse gethan / und unter andern Sünden auch die Undanckbarkeit / die er gegen seinem beständigen Freund verübet / bereuet / und Verzeihung erlanget / ward er begierig / wie der verlohrne Sohn / wieder in sein Vatterland zu reisen. Hierüber erfreute sich Ascan wieder als ein Engel über einen Sünder der Busse thut / und nahmen also diese beyde ihren Ruck-Wege auff Rom / der Hoffnung alldar Landshuldigung außzuwürcken.
11. Zu allem Glücke finden sie zu Rom einen neuen Königl. Stadthalter / nach Neaples verordnet /bey diesem bringet [60] Ascan seine Bitte / wegen Saudins an / und erhält vermittelst etlicher Cardinäle Fürbitt /daß er der Bestraffung erlassen / und sich mit besagtem Statthalter auff dem Weg nach Neapoli begeben dörffen / alldar ihm Ascan die Helfft seiner Güter mitgetheilet / und ihm zu einer ehrlichen Heurat verholffen / daß er also sein Leben in allem Wolergehen / in so löblicher Freundschafft beschlossen.
12. Also sind die Italiäner in ihren Leibsneigungen / wie auch in dem Haß und Zorn gantz übermässige Leute / und ist hierauß zu ersehen / daß man nit soll laß werden / auch seinem undanckbaren Freunde beyzustehen / und jm / so viel möglich / an die Hand zu gehen. Dieses ists / was der Apostel Paulus saget /daß die Liebe / ob sie gleich beleidiget wird / sich nit erbittert. Wie wenig solche getreue Freunde sind heut zu Tage zu finden? so selten der Vogel Phönix und die weissen Raben / so selten sind die Freunde / welche diesem Ascan nachahmen. Hiervon wird auch gehandelt in dem CCXLV. Gespräch-Spiele.
117. Der zulässige Ungehorsam
(CXVII.)
Der zulässige Ungehorsam.
Der Spruch: Es wird ein Mann Vatter und Mutter verlassen / und an seinem Weibe hangen / ist auch von Weibern wahr / welche fast noch viel brünstiger ihren Männern anhangen / als nit sie ihnen. In folgendem Exempel wollen wir dergleichen Weib betrachten / in welchem die Unschuld deß Mannes / und die Boßheit deß Vatters verdienet / daß die Wage der Gerechtigkeit / gegen dem beleidigten Theil sich geneiget / wie wir nachgehends hören wollen.
2. An der Loire in Franckreich ist ein berühmtes Schloß / welches die Fahrt der Schiffe auffhalten kan /und von dem König / einem alten wolverdienten Ritter anvertrauet worden ist / Namens Hanebald. Dieses sein altes Adeliches Hauß war andern alten Häusern nit ungleich / in dem es auch viel Risse (Schulden sage ich) bekommen / und sich zu fallen neigen wolte. Vermittelst aber dieses Dienstes / hatte es Hanebald[61] also unterstützet / und zusammen gefüget / daß es noch lang bestehen konte.
3. Dieser Hanebald hatte viel Töchter / die er ehrlich außsteurte / und einen Sohn Namens Insulan /welcher seinem Vettern anvertraute Festung für eine Gefängniß hielte / und sich nach Hoff begabe; hinterlassend sein Weib Oringam mit einer einigen sehr schönen Tochter / Namens Cyria. Der alte Hanebald hatte grosse Freude ob diesem Enckel / und liebte sie mehr als seine eigene Kinder / also daß er fast nicht ohne sie leben mochte / und deßwegen bedacht war /sie noch bey seinen Lebens-Tagen wol verheuratet zu sehen.
4. Leofrod war ein Sohn seines Leutenants / welchem er abwesend die Festung vertraute / und in dem 23. Jahre zu seines abgeleibten Vatters Dienste beförderte / nit zweiflend / er werde der Treue seines theils / wie bey ihm die Liebe / erblich seyn lassen. Diesem dencket er die schöne Cyriam zu / und lässet sich vernehmen / daß er sie / mit Erfüllung ihrer vogtbaren Jahre / ihme allein / und keinem andern wolle trauen lassen.
5. Leofrod achtet diese Ehre sehr hoch / und wartet inzwischen bey allen Begebenheiten / der Cyria auff /und findet solche Gegenneigung / daß diese junge verliebte Hertzen ihr Verlangen mit Worten nicht sattsam außdrucken könten. Die Mutter Oringa liebte ihrer Tochter wolergehen / und liesse ihr diese Heurat / welche ihr Schwervatter vorgeschlagen / gefallen; berichtet es auch an ihren Mann / seine Einwilligung darüber erwartend.
6. Insulan war stoltzes und Tyrannisches Sinnes: der vermeinte jedermann müsse ihm zu Gebott stehen / und so bald er dieser Zeitung berichtet war / setzet er sich auff die Post / solche Heurat zu hindertreiben /und Leofrod wegen solcher Anwerbung gebührlich abzustraffen. So bald er ankommet / fragt er ihn / ob er seiner Tochter begehrte? Leofrod sagte daß er sein Diener / und dergleichen Gedancken niemals gehabt /wann ihn nicht Hanebald darzu veranlast hätte; weil er aber sehe / daß solche Heurat ihme zuwider / wolle er gern abstehen / [62] und ihme auch hierinnen / wie in allen andern Sachen nit mißfallen / sondern schuldigst gehorsamen; wol wissend / daß er sich mit Insulan sonsten schlagen / und auff alle Weise überwinden /oder überwindend in grosses Nachtheil setzen würde.
7. Hanebald wil / daß die Heurat ihren Fortgang haben soll: Insulan verbietet Leofrod sein Hauß / und seiner Tochter / daß sie nicht mit ihme reden solte. In dem ziehet Leofrod die Hand auß der Schlingen / und lässet Vatter und Sohn mit einander streiten. Insulan war deß Hofflebens gewohnt / und verraiset wieder nach Hoff / befihlet aber nochmals seinen Weib und seiner Tochter / daß sie ja Leofrod nicht einlassen solten.
8. Hanebald / Oringa und Cyria lassen sich solches Verbott nicht hindern / sondern beschliessen mit Leofrod die heimliche Trauung / und zwar auß diesem Grunde / weil der Anherr mehr Gewalt über das Enkel / als der Vatter über seine Tochter / welche beyde unter Hanebalds Gewalt zugleich wären. Damit aber nicht ferners Unheil erfolgte / und Insulan sich für beleidiget halten möchte / solte man diese Trauung geheim halten / mit der Zeit werde er zu geschehenen Dingen das beste reden müssen / etc.
9. Es fügte sich aber daß eine Magd mit Unwillen auß der Oringa Diensten kame / welche sich nicht anders zu rächen wuste / als daß sie diese heimliche Heurat verschwatzte / und durch Insulans Diener einen die Sache verriete. Insulan eilet wieder nach Hause / und bedencket sich auff eine sondere Liste /sich an Leofrod als einem Betrüger seiner Tochter / zu rächen. Wie aber? Er nöthigte sein Weib und Tochter / daß sie den Verlauff bekennen musten / wie es mit dieser Ehestifftung daher gegangen / und erkundschafftet / daß Leofrod auff einer Seidenen Leiter zu Cyria hinein zu steigen pfleget; deßwegen er ihnen den Tod androhet / wann sie beyde nicht thun würden / was er ihnen befiehlet.
10. Die Weiber versprechen es auß Furcht / nicht vermeinend / daß es eine so meuchlerische Mordthat betreffen [63] würde. Er nöthigte sich aber zu versprechen / daß sie mit einem Scheermesser die Seidene Leiter /wann er darauff hinauff steigen würde / abschneiden und ihn also in den tieffen Wasser-Graben / darüber er mit einem Schifflein zu fahren pflegte / stürtzen wolten. Dieses berichten sie an Leofrod / und geben ihme benebens den Einschlag / er solte seine Kleider blutig machen / mit Sand und Stroh außfüllen lassen /und an die Leiter / welche sie abschneiden würden /binden / welches er auch gethan / und sich inzwischen verborgen.
11. Als nun der Fall gehöret worden / und ein Diener das mit Blut besprengte Wammes gebracht / stellte sich Cyria / als ob sie von Sinnen kommen wolte /und Insulan wacht das Gewissen auff / und klagte ihn solches Todschlags an. Hanebald lässet seinen Sohn deßwegen in Verhafft nehmen / und so lang außruhen / daß er umb Verzeihung bittet / und erwünschet / daß doch Leofrod wieder in dem Leben seyn möchte / er wolte gerne seines Vatters Willen geschehen lassen /und was GOtt gefüget / nicht mehr scheiden.
12. Leofrod stellete sich auff solches Versprechen wider ein / und lobte seiner Cyria zulässigen Ungehorsam gegen ihrem Vatter / welches Gunst er durch seine Demut gewonnen / daß er ihn so wol liebte / als andre seine Kinder. Also muß man mehrmals die unbedachtsamen Wüterig hintergehen / und mit List zuwegen bringen / was man mit guten Ursachen nicht außwürken kan. Die Juristen nennen es einen guten Betrug / wie die Aertzte ihre Krancken / und die Mütter ihre / Kinder zu gutem Ende betrügen / wie vorgesagt.
118. Das glückseelige Vnglück
(CXVIII.)
Das glückseelige Vnglück.
Wann das Unglück die Tugend belohnet / so gleichet sie den blinden Schützen / welche zu Zeiten das Ziel treffen / das sie nicht sehen können / oder den Schiffen / welche das Ungestümm geschwinder in den Seehafen wirfft / als sie sonsten [64] mit gutem Winde nicht kommen mögen. Also hat Joseph ein Königreich gefunden / in dem er von dem ordentlichen Weege abgetretten / und sich gleichsam verirret hatte / und Daniel / der auß der Löwen-Gruben nechst dem Königlichen Thron erhaben worden. Also ist Cesarien ein Edelmann von Palermo / mit Fug glückselig in seinem Unglück zu nennen gewesen / in deme er unschuldig gefangen / und wegen einer Sünde / die er nicht begangen ist belohnet worden: gleich wie die Ruderknechte / den Rucken wenden / gegen das Orth / da sie hin schiffen / und die Seiler jhr Werck befördern / in deme sie zu rücke gehen / wie auß Nachfolgender Geschichte ümständig erhellen wird.
2. Besagter Cesarien war ein reicher Mann / und führte ein ehrliches Haußhalten seinem Stand gemäß /daß man jhn keinen Vergeuder / und keinen Geitzhals schelten können. Gegen die Armen war er ein Verschwender / und wuste wol / daß derselben Händ deß Höchsten Schatzkasten / und liesse keinen von seinem Angesicht traurig gehen / welches jhm auch in der Noth zu einer Gerechtigkeit gerechnet worden / wie wir ferners hören wollen.
3. Dieser Edelmann war ein frölicher Geber / und deßwegen auch Gott lieb / er achte für seeliger geben / als nehmen / dz er auch gleichsam einen durchlöcherten Beutel hatte / der auff die Armen und seine Freunde / die ihn üm Vorleben angesprochen / reichlich trieffte / und so mit freudigem Angesichte / als ob er die Wolthat empfangen / welche er andern erwiesen / sagend / daß er geben wolle vom seinigen / welches nach seinem Tod / seiner Erben seyn würde.
4. Seine Freygebigkeit war überflüssig / und gabe und verborgte er mehr als er hatte / nemlich die Gelder / so er von andern entnommen / und andern geliehen / die ihn nit wieder zahlen konten. Viel Undanckbare wusten ihn in Bürgschafften einzuflechten / auff seinen Namen Geld auffzubringen / und ihn also auß dem Reichthum in die Armut / auß den Uberfluß in die Dürfftigkeit / auß den Glück in das Unglück zu setzen / da er doch gedenken sollen / was dorten der weise Mann errinnert: Mein [65] Sohn / wann du reich bist / so gedencke / daß du arm werden kanst.
5. Als nun die Zahlzeit herbey kame / und Cesarien ligende Güter nicht genugsam die Schulden abzustatten / muste er mit der Flucht bezahlen / und mit vieler mitleyden ohne Beyhülffe und danckbare Erwiederung empfangener Gutthaten / das Reißaußspielen auß Furcht sein Leben in einen Gefängnuß (der lebendigen Begräbniß) zu endigen. Er hatte Schiffbruch an seinen Gütern aus dem Lande gelitten / und ergriffe was ihm noch übrig war / begabe sich darmit auff das Meer in einem Schiffe / das auff Calabria zu segelte /und landete an zu Otranto / der Fersen an dem Italiänischen Stiefel / wie uns solches Land die Welt-Beschreiber abbilden.
6. Diesen Cesarien hatte seine Wolthätigkeit auß den Lande vertrieben. Eine seltene Sache in Sicilien /da die Laster mehr gestrafft / als die Tugend belohnet wird. Ihm wurde wahr das Schprichwort / welches saget: Kein Unglück kommet allein. Er sasse in einen Wirtshauß betrübt / und gedachte an die vorige Zeiten / sihe da tretten die Menschenfanger / die Schergen-Teuffel hinein / und holen ihn in das Gefängniß. Er konte nit anderst mutmassen / als daß seine Glaubiger ihn auch um seine Freyheit bringen / und an dem Leib wolten büssen lassen / was er mit seinem Vermögen nit bezahlen konte. Aber weit gefehlet.
7. Nach dem er nun in dem Kerker übernachtet /und bey sich erzehlet / wie vielen Undanckbaren er gutes gethan / kamen etliche von der Obrigkeit / und fragten ihn solche Sachen / daß er wachend zu treumen vermeint. Sie nenneten ihn Adelbert von Catana; er solte sagen / ob er Arturam / welche er zu Fall gebracht / heuraten wolte / und wieder zu Ehren bringen / oder nit / Er nennete sich Cesarien von Palermo /und daß er niemals nach Catana gekommen / entschüldigte sich / daß er Arturam nit kenne / und daß man ihn für einen andern ansehe / etc. Der Richter hält solche Außrede für falsch; lässet die geschwängerte Arturam herführen / welche ihm in dz Angesicht saget / daß er und kein anderer Vatter seye zu ihrer Leibes-frucht / und daß sie begehre / er solle sie zufolge gethaner Verlöbnuß / ehelichen. Der Richter giebet ihm biß folgenden Tage Bedenckzeit / ob er Arturam [66] freyen / oder an einen Strang erworgen wolle? Cesraien wolte lieber an einem Weibe / als an den Galgen hangen / und das Leben durch die Thür deß Ehestandsretten / als durch die Diebs Ketten deß Wehestands in Unehren enden.
8. Folgenden Tages kommet Artura / und mit ihr ein Priester / Cesarien auff einen oder anderm Fall beyzustehen; Artura giebt ihm süsse Wort / und verspricht ihn zu einen Herrn zu machen / über ein ehrliches Vermögen / und die Zeit ihres Lebens für ihren Herrn zuhalten / seine Dienerin zu seyn / etc. Cesarien gedachte bey sich / daß / wann diese Artura nit reicher als er / daß sie einen grossen Schatz von aller Dürfftigkeit zusammen bringen würden. Kurtz zu sagen / er liesse sich mit ihr trauen / in Hoffnung der Verhafft zu entkommen.
9. Wie nun in dem Essen der Lust zu Essen kommet / also kame Cesarien in dem Ehestand der Lust zu dem Ehestand / und fande sich zwischen diesen beyden eine brünstige Liebe / welche deß Ehestands stärkstes Band ist; Im Ende gedachte er bey sich / daß er zu diesem Betrug genöthiget worden / und daß er mit der Warheit an den Tag gegangen / sagte auch seinem Weibe mehrmals / daß er Cesarien und nicht Adelbert wäre / den seine Freygebigkeit üm seine Freyheit und seine Wolthaten üm seine Wolfahrt gebracht. Artura hielte es für einen Schertz / und vergnügte sich mit seiner Persõ / er möchte seyn Adelbert od' nit.
10. Auff eine Zeit begegnet Artura Adelbert / und weil er Cesarien an der Länge / den Angesicht / in Geberden und allen ausser der Bekleidũg sehr gleich /fragte sie ihn / warum er andere Kleider angezogen: Adelbert kante sie also bald und wolte anfangen sie zu beschwätzen / und sich zu entschuldigen / daß er sie auff eine Zeit verlassen müssen. Artura erstummete hierob / unn muste ihren Augen glauben / als sie gesehen / daß dieser der rechte Adelbert die Armbänder und andere Sachen / so sie ihm verehret / beyhanden hatte.
11. Das Kind / welches sie auff die Welt geboren hatte / erwartet einen Vatter / und nachdeme Artura den gantzen Handel eröffnet / wolte Adelbert lieber seinen Antheil an Artura Cesarien überlassen / als desselben Theil an sich bringen. Diese beyde kommen zusammen / und finden eine solche [67] Gleichheit in jhrem Angesicht / als ob ein jeder selbes in einem Spiegel beschaute. Ihre höfflichkeit machte beyder Weiß strittig. Cesarien sagte / daß der Baum und die Frucht / welche er darauff geimpffet / sein / und ob er gleich eine Zeitlang desselben als der rechte Gärtner genossen / so sey es doch auß Irrung geschehen / welche nunmehr erörtert werde. Sein gezwungener Wille sey kein Wille / und könne jhn nicht verbinden / da hingegen sein freyer Will das erst: Versprechen gethan. Adelbert wolte das Weib nicht haben / das in andere Hände kommen / und nicht mehr Kauffmans Gut wäre. Daß er die Ehe auff das künfftige / Cesarien aber gegenwertig versprochen / und vollzogen.
12. Also wurde Artura / als ein Ball von zweyen guten Spielern hin und her gespielet. Endlich verwilligte Cesarien Arturam zu behalten / weil er ohne ihre Mittel sich nit zu ernehren wuste; also behielte er den Grund und den Baum / das Geld und das Weib: die Erstlinge aber der Frucht fielen Adelberten heim. Cesarien hatte in dem Elend besser lernen haußhalten /muste auch alle seine Güter in Sicilien jhnen überlassen / und sich nach Neapoli begeben / da er mit seiner Artura in grosser Einigkeit gelebt / Bürge zustehen verschwören und seine Wolthaten mit mehrerm Verstand außzutheilen gelernet hat / ist also wie die unfruchtbaren / glückselig in dem Unglück zu nennen gewesen.
119. Die kluge Bauren-Magd
(CXIX.)
Die kluge Bauren-Magd.
Der Stand ist nicht allezeit bestättiget mit dem Verstand. Wie ein gemeiner Soldat so viel Hertz in dem Leibe haben kan als ein Obrister, also kan ein geringer Baur offt so klug seyn als ein Hochgelehrter; massen klug und gelehrt zweyerley ist / und vielmals gantz abgesonderte Sachen sind; also daß der Gelehrte nicht klug / und der kluge Mann nicht gelehrt ist. Fromm leben ist die beste Klugheit; dahingegen alle Laster unter dem Namen der Thorheit begriffen sind. Dieses wollen wir nachgehends an der klugen Frommkeit einer Bauren-Dirne sehen / und bemercken / was dort der Apostel [68] sagt / Es müssen doch denen die Gott lieben / alle Ding zum besten kehren. Rom. 8. 24.
2. In der Normandia hielte sich ein Edelmann / den wir Alsar nennen wollen / auff seinem Ritter-Gut /dessen Zeit-Vertreibung war die Jagt / unn die Gesellschafft in der Nachbarschafft. Zu deme fügte sich die Arbeit der Müssigen / nemlich die Liebe / gerichtet gegen eine Bauren Dirne in der Nachbarschafft / welcher übertreffliche Schönheit wol wehrt / daß sie von den schattigten Wäldern entfernet / an das Tages Liecht eines Fürsten Hofes hätte gesetzet werden sollen.
3. Alsar wanderte üm das Hauß seine Geliebte zu sehen / und mit jhr zusprechen / sie aber flohe seine Gegenwart / wie Daphnis den Apollo. Er wolte jhr von heuraten sagen / muste aber fürchten / sein Vatter enterbte jhn / und daß er das Recht seiner Erstgeburt /wie Esau / vernaschen möchte. Wer nun eine Sachen nicht erkauffen kan / fället in Versuchung dieselbe zustehlen. Wann sie jhm nun nicht entweichen mochte /hatte sie keine Augen jhn anzusehen / und keine Ohren sein Gespräch zu hören / und keine Zunge jme zu antworten / so vielmals er sie beschencken wolte /hatte sie keine Hände solche Gaben zu empfangen /und gebrauchte sich der Füsse seiner Gegenwart / wie gesagt / zu entfliehen. Also hielte er Nicolina für ein wäxernes Bild / das der Wind darvon führet / und muste nach lang verlohrner Mühe sich in die nechste Statt begeben da er befreundet / und in guten Gesellschafften zu seyn pflegte.
4. Unter andern schauet er Leonidam / eine Jungfer seinem Stand gemäß / welche benebens jhrer Mutter sich der Orten wegen einer Rechtfertigung auffhielte. Diese Leonida wuste Alsar mit solcher Höfflichkeit zu begegnen / daß er nichts anderst erwünschet / als sie zu Kirchen und Strassen zu führen. Inzwischen kommet diese Wittib zu einem Bey-Urtheil / daß jhr fernerer Beweiß aufferlegt wird / deßwegen sie mit jhrer Tochter wider nach Hauß kehrete / und jhre Liebe in der Blüt durch die Abwesenheit (als einen rauhen Wind) verdorren machte.
[69] 5. Nach dieser verliebte sich Alsar in zwo Jungfrauen zugleich / Namens Silviana unn Bathilda / welche sehr gute Gespieline / und ihre Kurtzweil mit diesem Alsar trieben. Er aber gleichte einer schwangern Frauen / welche Zwillinge träget / und vermeint / daß sie nur eine Leibes-Frucht empfangen / oder als wie die 2. Augen nur eine Sache sehen / also machen diese beyde nur eine Liebe. Wie aber das Hertz den Mittelpunct deß Lebens / in deß Menschen Brust sich auff die lincke Seiten neigetz also wendete sich auch Alsars Liebe / nach lang schwebender Wahl gegen Bathilda / deßwegen Silviana Ursach gesucht / sich mit ihme zu entzweyen / und ihn zu meiden.
6. Hierbey liesse sie es nit verbleiben / sondern hielte die Verachtung Alsars für so empfindlich / daß sie solche mit seinem Blut zu heilen gewillet / einen Meuchelmörder bestellet / die gegen einer Summa Geld Alsar zu würgen versprochen. Also gar ist keine Bescheidenheit und Mässigung in dem blinden Weiber-Grimm. Dieser Mörder grieffe Alsar bey Nachts an / und hätte ihn / ohne allen Zweiffel erschossen /wann das Pistol nit versagt hätte. Alsar hatte einen Friedens-Degen / ich wil sagen daß sein Gewehr kurtz und übel verwahret gewesen / der Mörder aber einen langen Stoß-Degen / einen Dolchen / und war an dem gantzen Leib Italiänisch / das ist biß auff die Zähne verpantzert. Als nun Alsar diesem nit widerstehen mochte / gibt er die Flucht / so behänd / oder so wol besüst / daß der andere / mit seinem schweren Zeuge /nicht folgen konte.
7. Alsar war verwundet / hatte aber den Mörder für Silviana Vatters Knecht erkennet / welcher etliche Tage zuvor Urlaub genommen / und seine Feindin in grossem Verdacht / daß solches von ihr herkommen /setzte. Bathilda wird zu gleicher Zeit kranck / und dorrete auß / daß man sie / nach kurtzer Kranckheit zu Grabe getragen / bevor aber ihren Leichnam eröffnet /und Anzeichen einer Vergifftung erkennet / welches wegen Silviana gleichfals in Verdacht kommen; weil aber kein Beweiß vorhanden / haben Alsar und ihre Freunde sie mit Recht nit belangen wollen. Silviana verheuratete sich auch inzwischen / [70] und geschahe Alsar / wie dem Jäger der zwey Wilde in dem Gestell hat / und keines darvon fangen kan.
8. Nach diesem ersiehet Alsar eine andere Jungfer Namens Sabina / und hatte wegen dieser letzten aller vorigen vergessen / hätte sich auch mit ihr alsobald trauen lassen / wann sein Vatter der vielmehr auff die Gelt- als Leibs-Mittel gesehen / darein verwilliget hätte. In dem kommet Leonida mit ihrer Mutter wie der / ihrer Rechtfertigung Außgang zu befördern /hatte er auch der Sabina so geschwind / als eines Traums / vergessen. Er vermeinte daß seine Unbeständigkeit einen guten Grund hätte / weil sein Vatter derselben Ursacher / und viel leichter in diese letzte Heurat willigen würde / weil Leonida ich wil nit sagen reicher / sondern weniger arm / als Sabina ware.
9. Es fügte sich aber daß eine reiche Wittib / Namens Aquila / sich zu der Zeit in Asar verliebte / als sie den Titel der Schönheit bereit verlohren / und verhoffte / daß ihr schönes Gelt ihr diesen Adonis erkauffen solte. Ob sie zwar Kinder erster Ehe hatte /versprache sie doch Alsar / durch eine Mittel-Person /güldene Berge / welches aber alles nicht angehöret wurde / weil sein Hertz bereit von Leonida besessen war. Diesem nach lässet sie / durch einen vertrauten Freund seinen Vatter zusprechen / welcher ihr seinen Sohn alsobald verspricht / und ihm gebietet seine Augen auff Aquilam als einen Tempel zu richten /dessen Thüre mit güldenen unnd silbernem Seulwerck gezieret. Alsar sagte mit dem Munde ja / gedachte aber im Hertzen nein.
10. Leonida hätte lieber den Schluß ihrer Heurat /als ihrer Recht-Sache gesehen / der alte Vatter aber hat sich so mächtig darwider gesetzet / daß solche zu anderer Zeit außgestellet seyn müssen. Inzwischen kame die Sache zu Ritterlichem Außspruch / und muste Leonida wiederumb nach Hause raisen. Alsar bestätigte sein Treue mit vielen Betheurungen; deßgleichen thäte auch Leonida / und stelleten ihre Hoffnung auf deß alten Tod / welcher / nach dem Lauff der Natur nicht ferne seyn könte. In Erwartung solches scheiden sie / mit der Traurigkeit verliebter Hertzen.
[71] 11. Aquila sahe wol ihre Seiten-Buhlerin weichen /merckte aber daß Alsar von jhr nicht zu weichen gedachte / und ersinnet ein solche List. Sie erkaufft durch jhre Magd einen Laqueyen / daß er jhr seines Herrn und Leonida Brieffe zu handen bringet / solcher Handschrifft lässet sie eigentlich nachkünstlen / und schreibet falsche Brieffe einen im Namen der Leonida an Alsar / in welchem sie berichtet / daß er auff sie nicht warten solte / und jhr ein anderes Glück bescheret / daß sie ihm hiermit Urlaub zu geben wichtige Ursachen habe / etc. An Leonida schreibt sie deßgleichen an Alsar / und verursachet dardurch / daß Leonida sich in ein Kloster begiebet; Alsar aber sich auffmachet / und wider seines Vatters Willen Leonida zu heuraten vermeint / sie aber will nicht wider in die Welt / sondern entschleust sich jhre Tage in dem Kloster zu endigen.
12. In dem Alsar wider auff dem Ruckwege ist /begegnet jhm die schöne Nicolina / welche er in 18. Jahren nicht gesehen hatte / Er spricht sie als ein unbekanter an / und giebt sich endlich dar / nit zwar für den Jungen Gaugen / der sie vormals zu betrügen getrachtet / sondern für einen redlichen und auffrichtigen Freyer / welcher nicht auff das Herkommen / sondern auff die Tugend unn den Verstand / so er bey Nicolina gefunden / gesehen / und weil sie jhre Keuschheit mit sonderer Klugheit beschirmet / hat er sie offentlich zu Kirchen und Strassen geführet / zu einer Edlen gemachet / unnd friedlich unnd schiedlich / nach seines Vattern Absterben mit jhr gelebet / da sie dann solche Demuth erwiesen / daß alles Gesind sie geliebet / und jhren Eheherrn furchten müssen. Also muß Zucht und Tugend doch endlich den Krantz darvon tragen / ob sie gleich lang verborgen geblieben.
120. Der albere Herr
(CXX.)
Der albere Herr.
Es gibt nach der Meynung Aristotelis geborne Knechte / welche nicht so viel Verstand haben / als vonnöthen ist / sich selbsten zu regieren: Es gibt auch geborne Herrn der Natur nach / welche andern mit vernünfftigem Rath vorstehen / unnd sich selbsten rühmlich zuverhalten wissen. [72] Das blinde Glück aber setzet manchen auff einen hohen Stul / damit seine grosse Unvollkommenheit so viel erkantlicher werden möge /und ist besser herrliche Tugenden haben in dem untersten Stande / als ein Herr seyn mit einem Narren-Kopff / wie wir hier einen nacher kommen sehen wollen.
2. Malo / ein Herr dem Glück und nicht der Natur nach / hatte einen Knecht / Fremmin genamet / welcher gleichfals auß dem Land seines Herrn ware / da es Narren und Kluge unter einander giebet. Dieser wurde zu einem Hochzeitmahl gebetten / und hatte seinen Diener hinter sich stehen / daß er ihm einschencken / und reine Teller reichen solte. Als er nun trincken wollen / deutet er mit dem Finger auff das Maul. Der kluge Diener stellet sich als ob er eines Jungen spottete / neiget das Haubt / und brachte ihm nicht zu trincken / weil er vermeinte / er hiesse ihn stillschweigen.
3. Malo deutet ihm auff einen Jungen / der ein Glas hinein gabe. Fremmin vermeinte daß er sorgte / der Jung würde schütten / und ermahnte den Nechsten / er solte sich für sehen. Hiermit hatte Malo den Durst nicht geleschet / zoge die Achsel über sich / und sahe die Schenke an / vermeint sein Knecht hinter ihme solle sehen / wo er seine Augen hinwende / und verstehen / was er wolle.
4. Dieser Herr war entrüstet über seinen Diener /wolte aber ihn wegen seines Unverstands / in so guter Gesellschafft nit straffen / sondern winkte ihm / und sagte ihm in das Ohr: gieb mir Wein in einem Glaß. Der Knecht lässet ihm ein Glaß einschenken / verbirgt es unter seinen Mantel / und bringt es seinem Herrn /sagend wiederumb in sein Ohr; Herr hier hab ich ein Glaß mit Wein unter dem Mantel / wie ihr begehret.
5. Hierüber erwischet Malo die Gedult / und sagt überlaut: Ihr Herren / sehet doch meinen Haus Narren an: Ich hab ihm mit allerhand Zeichen zuverstehen gegeben / er solle mir zu trinken bringen / ich habe ihm mit den Augen / den Händen / der Achsel gewunken /und in das Ohr gesagt / unn jetzt bringt er ein Glaß daher / als wann er es gestohlen hätte / und vermeinet vielleicht / [73] ich soll es auch verstohlener Weise außtrincken: Es ist zu erbarmen daß die Knechte dieses Jahr solche Narren sind / etc.
6. Mein Herr / sagt der Knecht / was mir heimlich befohlen war / das hab ich heimlich verrichtet. Die Anwesenden geben dem Knecht recht / und sagten /daß zu erbarmen / daß in diesem heurigen Kalender Malo ein Geck seye.
7. Dieser Malo pflegte sein Angesicht mit seinem Hut zu bedecken / wann man sich zu Tische setzte /und sagte wenig heimliche Wort. Sein Diener fragte ihn / was das bedeutete. Er antwortete: dieses ist die Art zu beten bey Hoff / und lasse ich mir nicht zusehen / wann ich mit Gott rede. Fremim merkte dieses /und auff einen Morgen bedeckte er auch sein Angesicht mit dem Hut / und bate seinen Herrn / er wolte ihm doch seinen Lohn geben.
8. Malo fragte / was das seyn solte? unsere Herren versetzte Fremin sind unsere Götter auff Erden / und weil dieses die Art bey Hoff etwas zu bitten / so lasse ich mir nit gerne zusehen / wann ich mit meinem Herren rede / verhoffe auch bessere Antwort zu erlangen. Also scheuen sich viel offentlich zu beten / aber nicht sich offentlich voll zu sauffen / nicht wissend / daß hierdurch das Hertz von allen hinterlichen Ansehen /abgewendet werden soll.
9. Dieser Malo erzehlte auff eine Zeit / daß er eine Sau hätte in den Lüfften schreyen hören: die Anwesenden erstaunten theils / und lachten ob diesem Säugeschrey / Fremim / ruffte Malo / ist dem nicht also? Ja Herr / antwortet er / Ein Adler hatte ein Spanferkelein in der Lufft mit seinen Klauen gezwicket / daß es geschrien. Nachmals sagte er seinem Herrn in das Ohr / er solte bey der Erden bleiben / sonst würde er ihm nicht mehr helffen können.
10. Malo sagte / daß ihm ein Esel mit neu gemüntzten Gelde auff einer Brücken begegnet / den hätte er / weil er nit welchen wollen / so hoch geworffen / daß man das Geld / weil es inzwischen veraltet / nit mehr nehmen wollen. Fremim sagte: Ja /mein Herr hat mir diesen Traum alsobald morgens erzehlet.
[74] 11. Malo gedachte / daß man in Indien so grossen Köhl habe / daß unter einem Blat hundert Lantzen Reiter halten können: Fremim setzte darzu / daß an dem Kessel / in welchem man solches zu sieden pflegte / hundert Meister arbeiteten / und daß keiner den andern klopffen hörte.
12. Es sagte auch dieser Schneiders genoß / sein Vatter hätte ein so hohes Hauß / daß man die Vögel darauff sätzen / daß sie die Sterne von dem Himmel glucken könten / und daß einem Dachdecker der Hammer entfahren / und in dem er herunter gekommen / so hätte eine Schwalbe darein genistet: der Stiel wäre dem Meister in den Händen geblieben. Fremim sagte darzu / daß er zu seinem Herrn auff der Raise gekommen / und niemals mit ihme zu Hause gewesen wäre.
121. Der wolthätige Feind
(CXXI.)
Der wolthätige Feind.
Die Jagt wird mit Fug der Krieg zu Friedens Zeit genennet. Man gewohnet der Arbeit / Hunger / Durst /Frost / man erlernet der wilden Thiere ihre Liste / man gebrauchet sich der Waffen mit Tapfferkeit / und suchet einen Feind dessen Obsieg viel verantwortlicher ist / als der durch die Menschen und Christen-Mord erhalten wird. Die Soldaten / welche man anführet /sind die Jagthunde / die Kundschaffter die Stauber und Spürhunde / und kan zu Zeiten ein solcher Feldherr auch unterliegen / und von dem Wilde beschädiget werden / oder durch das Jagen sonsten in Unfall kommen / wie auß folgender Geschichte zu vernehmen seyn wird.
2. In der adelichen Stadt Siena / dieser Zeit unter der Florentinischen Bottmässigkeit / hat sich begeben / daß zwey von den vornembsten Geschlechten / die Salambiner und Montanier mit einander eine Hatz angestellet / und ein Haubt-Schwein mit vielen Hunden unnd Leuten / nicht sondern grosse Mühe gefället. Nach vollender [75] Hatze / lobte ein jeder seine Hunde /und wolte das beste darbey gethan haben. Wie nun das Gerücht eine Waage hat / und gleichsam einem Theil zu leget / was dem andern abgehet / als werden sie hierüber strittig / und kommen von den Worten zu den Wercken / daß viel verwundet werden / und der vornembste von den Salimbenern auff dem Platz bleibet / die andern aber die Flucht geben. Nach dem sie sich aber in der Stadt gestärcket / und sich gerächet /haben die Montanier weichen müssen / und sind nach und nach auffgerieben und vertrieben worden / biß auff einen Karl Montani genamet / der mit seiner Schwester Angelica einen schlechten Stand führete /und den Salimbenern gewonnen gabe / weil er nicht bey der Jagte gewesen.
3. Der Adel war meisten Theils auß der Stadt vertrieben / wie gesagt / und hatten sich die Rathsherren /welches gemeine Leute waren / verglichen / und ein Gesetz gemachet / daß wer die Verjagten wieder in die Stadt zubringen / unternehmen würde / solte am Leben gestrafft werden / verhoffen also die eingezogene Güter zu behalten / und an übrigen Adel Ursache zu finden / welcher wegen sie auch selber verbannen könten. Dieses Gesetzes bediente sich ein reicher Burgersmann / dem Montani sein Land Gütlein / das ihm von seiner Eltern reichen Haabe allein über geblieben / nicht verkauffen wolte / und liesse ihn durch die dritte Person beklagen / daß er einem Vertriebenen wieder in die Stadt helffen wollen / deßwegen er auch auff den Tod gefangen lage.
4. Anshelm Salambien / sein Feind war in die schöne Angelicam Montani Schwester verliebet / und wuste nicht / was durch Mittel er ihr zusprechen / und sie zu einer Gegenneigung bewegen solt. Als nun das Urtheil wider Montanin ergangen / daß er auß Gnaden in 10. Tagen 1000. Kronen Straff-Gelt zahlen solte /bey Verlust seines Lebens / inzwischen aber in dem Gefängnuß verbleiben; allermassen Camaleon der reiche Burger und vornemste Rahtsherr solcher Gestalt /das besagte Land-Gut an sich bringen verhoffend /[76] diesen gantzen Handel angesponnen und außgewürcket. In dieser Noth beschickte Cameleon / und wolte ihm das Gut verkauffen. Der Wucherer aber liesse sich vernehmen / daß er dieser Zeit nicht bey Gelt /und ob er ihm wol vor dessen 1000. Ducaten darüm gebotten / wolte er doch dieser Zeit über 700. nicht gern darvor geben / weil die Gelder auff Zinß mehr tragen / als ein Land-Gut / dessen Einkunfften dem veränderlichen Jahrgang unterworffen.
5. Weil nun dieser Montani seine Schwester Brüderlich liebte / entschleußt er sich / in diesen nachtheiligen Verkauff nicht zu willigen / sondern lieber in seiner Unschuld / welche man nicht einmal anhören wollen / zu sterben / und setzet solches Vorhabens ein Gedicht auff / nachgehenden Begriffs.
Was hat doch über mich der Himmel nicht verhänget:
vor / war ich von dem Feind / nun von dem Tod bedränget.
ich bin deß Lebens müd / ihr Schwestern schneidet ab.
den Faden der es hält / unnd reist mich in das Grab.
Ach / daß ich nicht im Streit / gleich andern bin gestorben /
die / durch den kühnen Tod / Ehr / Ruhm und Lob erworben.
wo seyd ihr meine Freund? ihr habt der Raben Sinn /
wo nichts zu rauben ist / kompt euer keiner hin.
zu helffen auß Gefahr. Ach weh! wer hilfft mir streiten.
die Armut und der Tod / die stehen mir zur Seiten.
die Armut schreit mir zu / daß ich den Freyheits Stand
und meine junge Tag / auß diesem Fesselband
ohn Geitz / erkauffen sol. Der Tod verlacht das Leben /
so sonder Ehr unnd Gelt muß in Verachtung schweben /
[77]unschuldig Schuldenreich. Soll ich deß Geitzes Knecht /
mich selbsten bringen üm / und mit mir mein Geschlecht:
Ach nein / der Wucher-Geitz / daß der mich falsch beklaget /
kürtzt mir das Leben ab. Doch hab ich nicht verzaget /
weil ich sterb' ohne Schuld. Es ist mir aber gut /
daß ich mit Vorbedacht zahl der Natur Tribut.
der Engel den ich lieb' (Angelica) soll leben;
ich armer Sünden Mensch / wil mich dem Tod ergeben.
GOTT / der die Hertzen kennt / regiere meinen Sinn /
und nehm' auch meines Feinds und Mörders Sünde hin.
6. Angelica konte ihrem Bruder diese Tods Gedancken nicht auß dem Sinne bringen / ob sie wol gelobte keine Stunde nach seinem Tod zu leben. Die Zeit verflosse inzwischen / und niemand wolte sich dieses Gefangenen annehmen. Die Freunde auff ihrer Mutter Seiten kamen die schöne Angelicam zu trösten / und ihres Brudern Liebe zu rühmen; sie aber wil sich nicht trösten lassen / sondern klagt und schreyet über die unerhörte Unbillichkeit der geitzigen Richter / und stellet sich gantz ungeberdig / daß die Nachbarn / als zu einer Rasenden zu gelauffen / und sie verhindern müssen / daß sie ihr selbsten den Tod nicht angethan.
7. In dem kommet Anshelm von seinem Land-Gut /und höret in dem vorbey reiten das heulen und weinen in seiner Angelica Behausung / verstehet auch nach Befragung warum es zu thun / und betrachtet was ihm in solcher Begebenheit obliege. Wie nun bey seinem Feinde die Armut und der Tod gestritten; als hat sich bey ihm / zwischen der Liebe und der Feindschafft /nicht geringerer Zweiffel erhoben. Die Liebe reitzte ihn an / seinen Feind auß der Gefängnuß zu lösen /und durch solche großmütige That zu einem Freunde zu machen: Hingegen aber hielte er für eine sondere Schickung / daß der letzte von seinen Feinden in dieses Unglück kommen / und darinnen ümkommen solte.
8. Nach langem Bedacht / nimmet er zu sich 1000. Ducaten / [78] und lösete nicht allein den Betrübten unnd zu dem Tod bereiten Gefangenen / sondern zahlet auch die Unkosten gegen einem Schein / und Befehl /daß er also bald der Verhafft solte erlassen werden. Montini ist dieses eine fröliche Zeitung / und fügte sich Abends zu Hauß / als den folgenden Tag / die gegebene Zahlungsfrist verlauffen solte. Wie Petrus in der Apostel Geschicht / bey Nachts nicht wolte erkennet werden / also ergange es auch Montini / und war niemand mehr erfreuet / als Angelica / welche wie er vermeinte das Gut verkaufft oder verpfändet / unnd ihn außgelöset. Nach langem befragen aber fanden sie / daß ihr Feind ihnen diese grosse Freundschafft erwiesen / und daß sie noch ein mehrers von den 1000. Ducaten einzunehmen.
9. Montini hatte beobachtet / daß Anshelm vielmals bey seinem Hauß vorüber gegangen / und so wol in der Kirchen / als anderer Orten die Angelicam mit verliebten Augen betrachtet. Als er nun mit ihr Rath gehalten / und sich danckbar zu bezeugen vermeinet /in dem er ihm diese Freygebigkeit / mit seiner Geliebden zu erwiedern verhoffet / hat Angelica auß vielen Ursachen darein nicht verwilligen wollen; eins Theils / weil er ihres Geschlechts abgesagter Feind; anders Theils / weil ihr übel anstehen solte / einer Mannsperson nachzugehen / und gleichsam üm ihn zu bulen /wider allen löblichen Gebrauch.
10. Dieses beedes hat ihr Montini endlich außgeredet / und auff einen Abend seinen wolthätigen Außlöser / benebens seiner Schwester / in seiner Behausung zugesprochen / und sich ihme / als einem leibeignen teuer erkaufften Knecht dargebotten / mit gebührlichem Ruhm seiner Großmütigkeit und Tugend / ihme benebens / zu Bezeugung danckbaren Willens / seine Schwester Angelicam / zu ehlicher Trauung angegeben. Anshelm erfreuete sich über dieser Erkantniß hertzlich / achtete alle Schätze der Welt zu gering /eine so schöne Jungfer zu erkauffen / welche nicht anderst als durch Liebe zu erwerben / etc.
[79] 11. Nach kurtzer Zeit wurden diese beyde mit einander getrauet / und auß Feinden die vertrauesten Freunde / daß also Angelica Ursach hatte / GOtt für ihres Bruders Erledigung / Erhaltung ihrer Güter /unnd einen so wehrten Eheherrn zu dancken. Der alte Wucherer Camaleon / welcher seines Nachbaren Land-Gut / wie Jesabel deß Nabots Weinberg / in der Hoffnung verschlungen hatte / muste nicht ohne Hertzenleid ersehen / daß ihm der Raub auß den Händen gewunden worden /
12. Hierbey ist es nit verblieben / sondern Camaleon ist widerfahren / gleich jenem der seine Scheuren weiter bauen wollen / und dieselbe Nacht seine Seele von ihm gefordert wurde. Also hat diesen Wucherer ein Schlag gerühret / daß man ihm das Maul mit Erden gestopffet / und also vergnüget hat. Montini ist auch ohne Namens Erben gestorben / und also dem wolthätigen Feind mit seiner Verlassenschafft das Lößgelt reichlich wieder heimgefallen.
122. Die Herolds-Kunst
(CXXII.)
Die Herolds-Kunst.
Von dem Ursprung der Wappen ist unter den Gelehrten ein Streit. Etliche wollen sie von den Olympischen Schauspielen herholen / sagend daß die Kämpfferin denselben gewisse Farben / welche sie den Göttern zugeignet / erwehlet / als das Rote dem Kriegs-Gott Mars / das Schwartze dem Saturno / Feuerfarb dem Jovi / etc. und darvon sey nach und nach hergekommen / daß auch ihre Erben solche Farben in ihren Schilden und Wappen (oder Waffen) geführet. Andere wollen / daß solches von den Thurnieren die Personen zu unterscheiden / den Ursprung genommen; weil nemlich die Ritter in den Helmen nicht erkantlich /und ihr Angesicht verhüllet ist / haben sie durch äusserliche Zeichen sich müssen zu erkennen geben.
2. Beyde Meinungen können neben einander stehen / und ist mit Verlauff der Zeit darzu gekommen / daß man die löblichen Thaten / oder derselben Merckmahle in die Schilde [80] bezeichnet / und also ein Ehren Gedächtniß darauß gemachet / weil man denen / die jhr Leben auffsetzen / nichts darfür geben / oder sie darzu anfrischen kan / als vermittelst deß verewigten Nachruhms. Daher sehen wir in den Wappen Schwerter /Fahnen / Türne / welche die ersten Geschlechts überstiegen / eiserne Handschuhe mit Kronen / und dergleichen. Oder es sind die Schilde mit Löwen / Adlern / Pferden / Hunden / Füchsen / Wölffen / Beeren angefüllet / daß sie entweder solcher Thiere Tapfferkeit nachahmen / oder derselben eines auff der Jagt bestritten und überwunden / wie wir hiervon in Gesprächspielen ümständig von der Herolds-Kunst gehandelt /dahin wir uns beziehen.
3. Die Freyheit Wappen zu geben ist anfänglich bey Käysern / Fürsten und Herren beständen / welche keinen Oberherrn gehabt. Nachmals ist solche auff die Herolden (also genennet weil sie in dem Heer alt worden /) gekommen / welche eine Kunstverfassung daraus gemachet / selbe aber nit schriftlich / sondern mündlich gelehret und gelernet. Weil wir aber dieses Orts ersetzen / was in unsren Gesprächspielen ermangelt / wollen wir die Lehrsätze der Heroldkunst hieher erzehlen / und wie darwider gefehlet werde / kürtzlich beybringen.
4. Erstlich muß in den Wappen der Landsgebrauch in acht genommen werden. Die Frantzosen haben eine andere Art als die Italiäner / die Italiäner eine andre /als die Engeländer und Spanier / wie auch wir Teutschen halten die schlechten und einfältigsten Wappen für die ältesten und besten / wann sie aber gar zu viel Figuren / so sind sie neu / oder wol falsch und ohne Verstand visieret / wie jener Baur in Niderland / der an sein Thor einen gevierten Schild hat machen lassen / und darein einen Adler ein Pflugschar / einen Löwen / eine Seulen / einen Affen und eine Ganß / üm den Schild ein güldnes Flüß. Als nun der Printz von Nassau vorbey geritten / und ihn gefragt / wie er zu dem güldenen Flüß käme / hat er geantwortet: Wel myn Heer / dat stath so fry!
5. Zum ander sollen die Thiere in den Wappen nicht erdichtet seyn / und in einen solchen Stand gestellet / in welchen [81] sie ihre Deutung am besten außdrucken. Wann aber einer die ungereimten Farben zusammen gattet / wie jener der drey grüne Elephanten in einem Goldfarben-Schild geführet / und einandrer /der 3. silberne Gänßköpffe in einem güldnen Felde mahlen lassen / sihet man wol / daß der Erfinder deß Wappens ein Haas gewesen.
6. Drittens / wann ein Wappen kein Bild hat / so muß man allezeit ein Metall / und eine oder zwo farben / niemals aber die Farben allein / oder die Metallen allein gebrauchen. Die Farben sind rot / schwartz /grün / blau: Die Metall Gold und Silber / oder gelb und weiß. Die höchste Farb muß allezeit oben in dem Schild stehen. Wird der Schild nach der Länge getheilet / so ist die rechte Seiten in welcher man das Gewehr führet / die vornemste / der Thiere Klauen unn Schnäbel / oder Halsband sollen von Metall seyn /außgenommen die Amsel / wie Chassaneu wil. Jener wolte zu einem Wappen drey Schneeballen / in einem warmen Wasser.
7. Viertens sol der Helm gezieret seyn / mit dem Bild deß Schildes / Sind nun Striche und Farben in dem Wappen / so sind auff dem Helm Hörner / Federn oder Wülste / welches doch alles mit Unterscheid gegeben wird / und kommet solcher Adel vermutlich von der Feder her / wegen wolgeleister Dienste in Gesandschafft / oder andern Aembtern: Ist in dem Schild ein Thier / so sol auff dem Helm eben solches Thier auch seyn. Sonsten ist unten ein Kalb und oben ein Esel / welches etliche der Kunst unerfahrne nicht beobachten.
8. In den Helmen gilt es auch gleich / und haben die Blinden oder zugethanen Helm die Deutung / daß die edlen Knechte welche solche geführet / ein blinden Gehorsam haben leisten sollen. Die Freyherrn haben 3. Reiffe / die Graffen fünff / die Fürsten sieben / die Hertzogen neun / und die Könige eilff Reiffe in dem Visier geführet. Von den Zentelbinden und Helmdecken haben wir auch gemeldet / daß solche daher gekommen / weil die alten Teutschen ihre Wappen fleissig verwahret / und solche auch also mahlen lassen. Es ist auch dieses zu mercken / daß der Helm auff der Seiten einen Edelmann / eines Herrenstandes aber für sich sehen muß.
[82] 9. Die Kronenwülste und Kräntze auff den Helmen haben auch jhre gemässne Gestalt / und sind die Kronen der Könige / der Fürsten / der Graffen etc. unterschieden. Es wird erzehlet / daß eines Käysers Einheitzer begehret Ihr M. solten ihme sein Wappen verbessern / und eine Perlene Krone darzu geben: Der Käyser hat mit lachendem Munde geantwortet / daß dieses sich nicht wol schicken würde / weil er in dem einheitzen leichtlich eine Perle von der Krone herab stossen möchte. Der Mahler nehmet Geld und machet einem jeden eine Königliche güldene Krone auff den Helm / und niemand saget ihm / Mahler was mahlest du?
10. Als König Ladislaus in Böheim / Käyser Friderichen dem Rotbart genant / wider die Mailänder tapffern Beystand geleistet / daß er auch die Statt Mailand oder Milan erobert / hat er den schwartzen Adler deß alten Böhmischen Wappens in einen weissen Löwen verwandelt. Als nun der Mahler solches gefertiget /und dem Löwen ein gar kurtzen Schwantz gemahlet /daß der König sich über den Mahler erzörnet / und gesagt daß es ein Affen und kein Löwenschwantz er wolte lieber seinen schwartzen Adler wider haben. Als solches für den Käyser kommen / hat er den Löwen mit einem doppelten Schwantz mahlen lassen / wie solchen die Kron Böhmen noch heut zu tage führet.
11. Zu Zeiten Käyser Karls deß Grossen / hat man Herolden genennet / welche zehen Jahr in dem Krieg gedienet / und das viertzigste Jahr uberschritten hatten. Diese waren zu Ruhe gesetzet / in wichtigen Geschefften zu Rath gezogen / mit grossen Freyheiten begabt / aller Beschwerniß und Bürgerlichen Auflagen enthoben / wer sie beleidigte / der bliebe nicht ungestrafft. Zu Zeit Käyser Friderichs ist die Heroldskunst in jhren höchsten Würden gewesen / und lieget solche adeliche Wissenschafft heut zu Tage fast under der Banck.
12. Erasmus sagt in seinen Gesprächen daß die Wirte nicht ohne sondere Deutung der Löwen / Beeren / Füchse / Wölffe und dergleichen gefressige Raubthiere / in jhre Zeichen mahlen liessen; massen sie mit jhren Gästen nicht anderst verfahren / [83] als solche Thiere mit den schwächern / und solle sich ein jeder vorsehen / daß er ja lieber bey der Gans / dem Weintrauben / oder Lamm einkehre / als bey solchen wilden Unthieren / die nicht freundlich sind / als andern Schaden zu thun.
123. Die beglückte Einfalt
(CXXIII.)
Die beglückte Einfalt.
Die Naturkündiger schreiben / daß der Hirsch / wann er verwundet worden / ein Kraut esse / das Hirschen Zungen benant / und daß er von solchem Kraut wieder heil werde. In nachfolgender Geschichte wollen wir sehen einen Gefangnen / der fälschlich angeklagt /und unschuldig verurtheilt worden / welchen ein schlechtes und einfältiges Wort bey dem Leben erhalten hat / als ihm gleichsam das Messer schon an der Gurgel gestanden. Ist etwas lächerliches in dieser Erzehlung / so ists doch sehr ernstlich und ohne Schertze zu betrachten / wie die Göttliche Vorsehung die Unschuldigen / auff gantz unerwarte Weise zu retten pflege.
2. In Aragonien haben die Landherren fast alle den Blutbann / und so viel Macht über die Unterthanen /als über leibeigene Knechte. Man kan an keinen Oberrichter die Sache bringen / sonderlich aber in Diebssachen / Todschlägen / Brennen und dergleichen / da dann ein solcher Herr so viel verlieret / wann er einen hinricht als wann der König in Franckreich in einer Feldschlacht den kürtzern ziehet.
3. Es begabe sich / daß in besagten Königreich ein Marggraff 2. Underthanen hatte / welche sich nit wol mit einander stellen konten. Der eine Manuel genant /hatte Ceviliam eine Dirne sehr geliebt / welche der andre Gauderich gefreyet / und deßwegen zu eiffern Ursach hatte / weil Manuel ihr zu gefallen gienge /und Gauderich zu bösem Verdacht veranlaste. Ob nun wol Cevilia ein ehrliches Weib / so liesse sie doch /auß stoltz gerne geschehen / daß ihr mehr / als einer auffwartete / und achtete solches für einen Ruhm ihrer Schönheit.
4. Gauderich hielte deßwegen sein Weib übel /schluge sie auff einer Seiten / und auff der andern draute er Manuel / er solte sich bey seinem Hause nicht mehr betretten lassen. Manuel [84] lachte dieser Trauwort / und darüber kamen sie zu Streichen und salbten einander mit Fäusten / auff gut Bäurisch / daß kein Todschlag darbey zu befahren.
5. Gauderich hatte wider einen von seinen Nachbaren Sergen 2. Rechtfertigung / eine wegen einer Erbschafft / die andere wegen etlicher Schmähwort / so sie wider einander außgestossen: Cevilia sahe das böse Haußhalten / welches jr Mann mit ihr führte /unn bespricht sich mit Manuel / daß er ihren Mann erwürgen / und sie freyen solte / welches er auch zu thun versprochen.
6. Dieser Manuel nimmet etliche Strassenrauber zu sich / unn wartet Gauderich in dem Walde / da er Holtz laden muste / vor / und hilfft ihn jämmerlich ermorden. Nach dieser That machen sich die Thäter von dannen / und erwartet Manuel die Gelegenheit / wieder zu kommen und Ceviliam zu heuraten; inzwischen aber ließ er den Ruff gehen / daß er in den Krieg gezogen were.
7. Es fügte sich aber / daß eben denselben Tag Sergius in den Wald gegangen / einen Vorrath von Holtz zu schaffen / und fande alldar den entleibten Gauderich / seinen gewesenen Feind. Er erstaunet ob solchem Anblick / und weiß nicht was er sich entschliessen sol. Die Flucht macht ihn verdächtig; solte er darzu stillschweigen / so würde jeder der seine Strittigkeiten mit diesem Entleibten gewust / ihn für den Thäter halten. Nach langem Bedacht gehet er hin /und meldet diesen Fall der Obrigkeit an / bringt es aber mit zittrender und zagender Stimme für / daß er /als der Thäter / in das Gefängniß geworffen wird.
8. Dieser Sergius war zwar unschuldig / doch bekente er auß Furcht der Marter / er were der Todschläger seines gewesenen Nachbaren / und wurde darüber zum Strang verurtheilet. Es mangelte aber deß Orts an einem Galgen / den solte ein Zimmerman auffrichten /der Sergio guter Freund und Gevatter war / deßwegen er verweigerte seinen Tod zu fördern; sonders Zweiffel auß Göttlicher Vorsehung / damit die Unschuld /mit Verlauff der Zeit / an den Tag kommen möchte.
[85] 9. Der Zimmermann wird für den Graffen erfordert / und befragt; warum er den Galgen nit auffrichten wolte / wie S. Gräfl. Gnaden gnädig befohlen. Ach sagte er / wann ich gewust hette / daß der Galgen für E.G. gehörte / ich wolte ihn längst fertig haben, ich habe aber gehört / daß man meinen Gevattern daran hangen solte / daß were mir leid. Nun wil ich den Galgen also bald für E. Gnad machen. Hierüber erzörnete sich der Graf / und ließ diesen auch in Verhafft bringen / wiewol er dieses auß unschuldiger Einfalt gesagt.
10. Inzwischen höret Manuel / daß Sergius üm das Leben kommen solte / und wil sein Gewissen / mit keiner Mordthat mehr beschweren / sondern schreibet an seinen Herrn abwesend / daß er und nicht der Gefangene / den Gauderich ermorden lassen. Man besuchet den Botten / und befindet noch einen Brieff bey ihm an Ceviliam / in welchem Manuel sie bittet / sie solte nach Barcelona kommen / er wolte sich mit ihr trauen lassen / weil nun mehr Gauderich durch ihren Rath und seine Thate auß dem Wege geraumet worden.
11. Diese Nachrichtung brachte Ceviliam also bald in das Gefängniß / und überführte sie ihres Ehebrecherischen Mordes / welches sie auch / ohne alle peinliche Frage gestanden / und an dem Galgen / welcher für den unschuldigen Sergium gemachet / erworget /er aber auff freyen Fuß gestellet worden. Fast wie dort Haminan der Galgen gedienet / welchen er für den alten Mardochai bauen lassen.
12. Also ist deß Gevatter Zimmermans Einfalt mit Fug beglückt zu nennen / weil er dardurch unwissend Sergio das Leben errettet. Er hat auch in der Gefängniß Zeit gehabt seinen Fehler zu erkennen und üm Verzeihung zu bitten / welche ihm auch widerfahren /weil er keinen Vorsatz gehabt / seinen Herrn zu beleidigen. Daher sagt jener recht / daß auch die Unschuld keine sichere Freystatt sey für die Unglückseligen /für welche meisten Theils die Hochgericht erbauet sind.
124. Die rühmliche Freygebigkeit
[86] (CXXIV.)
Die rühmliche Freygebigkeit.
Gleich wie die Sterne unter sich unterschieden / dz je einer grösser als der andere / unn mehr Glantz hat; also ist auch eine Tugend viel herrlicher als die andere / und gibet einen hellen Schein von sich. Die Freygebigkeit und Mildigkeit ist eine Sonnenschöne Tugend (wie die Poeten reden) deren Glantz sich weit und breit erstrecket / daß einen solchen milden Geber Gott liebet / und sein Name bleibet ewiglich. Was ihr wollet / daß euch Gott thun sol / das thut auch ihr euerm Nächsten: Ihr wollet / Gott soll euch mit vielen reichen Wolthaten überschitten / der gleichen erwartet auch der Arme von dem Reichen / und die Barmhertzigen werden Barmhertzigkeit erlangen / nach dem Außspruch unsers Seeligmachers.
2. Diese Tugend wird sonderlich gerühmet von dem Geschlecht der Gyron in Hispanien / deren Haupt der Hertzog von Ossuna / und Don Pedro Gyron Königlicher Reichsverweser in Neapoli / hat sehr merckwürdige Proben dieser Königl. Tugenden gethan / daß man von ihme gesagt / er habe durchlöcherte Hande /welche nichts halten und behalten können / und als man ihn ermahnet / dz er doch wolte besser haußhalten / und die Beschenckungen einziehen / hat er geantwortet / daß er eben durch seine Mildigkeit die Ehre seines Hauses erhalte / und durch die Verschenckung reicher werde.
3. Sein Hofmeister führte ihm mehrmals zu Gemüte / daß mehr Außgeben als Einnehmen das Mittel seye /zu verarmen; Er aber sagte / daß man in solcher Armut Ehrenreich werde / welches mit allen Schätzen nicht zu vergleichen / und daß nicht das verborgene /sondern das außgespendte Geld solchen Nutzen bringe. Wann man ein Hauß bauen wil / muß man den tief gegrabenen Grund mit vielen kleinen Steinen außschůtten / und darauff das Gebäu aufführen: also muß man erstlich arm werden und dardurch seines Namens Angedencken erheben.
4. Ein armes Weib / welche durch ihres Mannes Verschwendung in grosse Dürftigkeit gefallen / bate diesen Hertzogen [87] von Ossuna / er solte ihr einen Sack mit Getreid verabfolgen lassen ihre unmündige Kinder zu ernehren. Der Hertzog sagte zu seinen Hofmeister / verschaffe diesem Weib unn den ihrigen Lebensmittel. Der Hofmeister gabe ihr ein Anweißzeitelein / dz sie einen Sack Korns von den Rentmeister empfahen solte. Als sie wider kommet / und der Hertzog sie ersiehet mit dem Zettel / nimmet er solchen von ihr / und schreibt ein 6. darauff / als 61. Säcke Korns solte man ihr lieffern / wie auch erfolgt.
5. Als nun dieses Hertzogs Vermögen geringert und die Einkunften geschwächet worden / wurde ihme von seinen Bedienten Einhalt gethan / dz er doch seine Freygebigkeit außstellen / seine Hofhaltung einziehen / und die viel unnötige Diener abschaffen solte. Wol / sagte d' Hertzog / macht mir eine Verzeichniß /derer / welcher ich entrahten kan. Der Hofmeister setzet zu Papier / alle die ihme zu wider waren. Der Hertzog lässet sie fordern und befragte sie: ob sie in seinen Diensten verbleiben wolten / sie sagten einstimmig ja wann sie nur solche Gnade erlangen könten. Hierauff wendet er sich zu seinem Hofmeister /sagend: Diese bedörffen meiner; der andern bedarff ich / darum laß sie alle bleiben.
6. Dieser Hertzog hielte ihme für eine Schande /wann er einem was hätte abschlagen sollen. Hat einer ein Gemähl / ein Pferd / Gewehr / Buch und dergleichen gelobt / so hat er ihm solches verehret / und sich bedanckt / wann er es angenommen: Sagend: Niemand / ja auch kein Dieb / könne so begierig seyn zu nehmen / als er zu geben: der gestalt / dz die Freygebigkeit bey ihm gar übermässig gewesen / welches bey wenigen gebräuchlich.
7. Er pflegte mehrmals verkleidet herum zu gehen /und zu erkundschaften / was man von seiner Regierung für Reden führte / unn wie die gemeinen Leute ihr Leben zubrächten. Bald verkappte er sich in Bettlerskleydern / bald wie ein Frembder bald wie ein Kaufmann / und also / daß er nicht erkantlich war. Er befande sich auff dem Platz / in den Wirtshäusern und Gahrkuchen / asse / trancke und machte mit allerhand Leuten Gesellschafft.
8. Auff eine Zeit setzte er sich mit einem seiner vertrautsten [88] Freunde in ein Trinckhauß / und zechte mit 3. gar schlechten Gesellen. Sie sprachen von grossen Abenteuren / und nach deme sie den Schnabel begossen hatten / kamen sie von dem Königlichen Statthalter zu reden. Einer sagte guts / der ander böses; doch sagten sie / daß alle seine Mängel ein güldnes Blätlein bedeckte / und daß es ein löblicher Herr / weil er viel verschenckte.
9. Der erste versetzte / daß er kein anders Geschenck von ihm wünschen wolte / als eine Schergenstelle.
Der ander sagte; so wolte ich nichts mehr / als ein neues Kleid / dessen ich wol bedürfftig bin. Der dritte sagte mit lachendem Munde; wann es wünschen gilt /so wil ich mir wol in mehrers wünschen / nemlich dieses / daß mir der Hertzog seine Tochter vermählen möchte. Hierüber schertzten sie / und bezahlte der unbekante Gast die Zeche mit Bitte / sie wolten folgenden Tages sich wiederum alldar einstellen / und mit einer bessern Mahlzeit vorlieb nehmen / welches sie willig versprachen.
10. Zu bestimter Mittagzeit schicket der Hertzog von seiner Leibwacht etliche hin / und liesse diese drey für sich führen / welche sich sehr befürchtet / daß sie auff die Ruderbanck (so damals mit dergleichen Gesellen besetzet wurden) gefesselt werden möchten /und fragte sie / was sie den Tag zuvor gewünschet? Nach vielen Entschuldigungen sagte der eine / daß er eine Schergenstelle gewünschet / wol sagte der Hertzog / die seye wir hiemit ertheilet. Der andre wurde alsobald mit einem neuen Kleide versehen. Dem dritten liesse er seine Tochter für führen / und fragte sie /ob sie wol lust hätte zu diesem Gesellen. Sie beantwortete diese Schertzfrage ohne Bedacht / mit Nein. Nun sihest du / sagte der Hertzog / daß du gewünschet eine Sache / die nicht in meinem Willen stehet. Wehle mir was anders / so soll es dir werden. Dieser dritte bate üm gnädige Verzeihung / und erlangte auff sein Begehren einen befreyten Platz / unter deß Hertzogs Leibregiment.
11. Zu Marsilien hat er auff einem Tantz mit einer schlechten Jungfrauen getantzet / welche ihm die blosse Hand und einen Kuß gebotten / deßwegen er ihr sehr kostbare Beschenckung [89] überreichen lassen / und nach seiner Ankunfft in Hispanien / ihr noch durch Wechsel eine grosse Summa Geldes übermachet / zu Bezeugung danckbarlicher Erkantniß / wegen der keuschen Gewogenheit / so er von ihr verspüret.
12. In Hispanien ist er für einen Verschwender außgeschrien / und bey Hofübel angesehen worden /deßwegen er sich doch wenig betrübt / und sich mehrmals vernehmen lassen, daß er die Jagten liebe / nit wegen deß Gefängs / sondern wegen deß Jagens und deß Lusts. Daß er ihm wünschte diese gantze Welt /damit er solche außtheilen möchte / wie Josua das gelobte Land den Kindern Israel außgetheilet / und sein Antheil solte seyn die Hoffnung eines guten Namens. Diese seltene aber sehr rühmliche Freygebigkeit hat keins Weges sollen verschwiegen bleiben / sondern in diesen Schauplatz zu einer Verwunderung auffgefuhret werden.
125. Saalbader
(CXXV.)
Saalbader.
Was Saalbader sey / ist fast jedermann bekant / und soll herkommen / von einem Bader an dem Saalfluß /bei Jena / der allen seinen Badgästen nur eine Geschichte von seinen guten Weinbergen erzehlet / und solche gegen einen jeden so offt er kommen / widerholet Deßwegen man eine schlecht Sache / die vielmals mit der Zuhörenden Verdruß für gebracht wird /einen Saalbader nennet. Die Neurung ist in allen Sachen sehr angenem. Ein Gemähl / das wir offt anschauen / ist uns niemals so angenem / als wann wir solches das erstemal sehen: Also auch gefället uns /was wir das erste mal hören / und wann wir es wider hören müssen / so wird ein Saalbader darauß / dergleichen wir hier zu lustigen Beschluß dieses fünfften Theils anfügen wollen.
2. Einer versprache einen andern groben Gesellen spitzfindig zu machen / und warffe eine grosse Anzahl Stecknadel in das Zimmer / und hiesse sie wieder suchen.
3. Die Kunst daß dir eine schöne / reiche / und freundlich [90] Jungfrau nachlaufft: Nimm und stiele derselben Person etwas / daß sie es sihet / so wird sie dir nachlauffen.
4. Die Kunst sich aller Orten beliebt und angenehm zu machen / bestehet in dem man jederman thut was er will / schenckt und giebt was man hat / etc.
5. Wer der reichste auff der Welt werden will / muß sich begnügen lassen / mit dem das er hat / und sich nicht gelüsten lassen / nach frembden Gut.
6. Die Kunst daß man einen seiner Bitte gewären muß / bestehet in dem man bittet / man soll einem das seine nehmen / der man soll einem nichts schencken.
7. Eine Jungfrau zu erlangen / muß man sich zu ihr manen / daß man sie mit dem Finger erlangen kan.
8. Ein Gemähl zu mahlen / daß der Rede nicht ermangelt / Man mahlet einen der trincket.
9. Sechs Gläser mit Wein unter einen Hut zu bringen. Man trinckt die Gläser auß / und setzt den Hut auff.
10. Niemals zu verspielen ist eine schöne Kunst /und ist gewiß / wann man niemals spielet / noch es mit andern / welche spielen / hält.
11. Daß das Getranck nicht wärmer / sondern kälter wird / ist eine probierte Kunst wann man den Wein erst sieden lässet / so wird er nach und nach kälter.
12. Unter 2. Aimer Wein einen halben oder gantzen Aimer Wasser schitten / daß der Wein seinen Geschmack behält / wird zu wegen gebracht / wann man das Wasser unter das Faß schüttet: Dann hier nicht gemeldet wird / daß des Weins mehr werden soll.
Also hat Lachen seine Zeit / und wer dieses und dergleichen nie gehöret / dem kömmet es fast lächerlich für; Der es vor weiß / hält es billicht für Saalbader.
Deß fünfften Theils deß Lusts- und Lehrreichen Schauplatzes.
ENDE.
Sechster Theil
Titel deß Sechsten Theils Lust- und Lehrreicher Geschichten
Titel
Deß Sechsten Theils Lust- und Lehrreicher Geschichten
126. Der Wasser-Trincker
[94] (CXXVI.)
Der Wasser-Trincker.
Wan pflegt zu sagen / die Noth sey der sechste Sinn; weil dardurch mehr als durch alle andre / ergriffen wird; deßwegen jener recht gemahlt einen Hund der durch den Reiff springet / mit der Obschrifft: Was lehret der Hunger nicht? Weil die Seiltantzer und Gauckler durch den Hunger / die Hunde allerhand Künste lehren / und darmit bey dem gemeinen Mann grosse Ehre einlegen / und also in Wirtshäusern und Jahrmärcken ihr Brod darmit gewinnen.
2. Unter allen aber / was uns von solchen Leuten wunderlich fürkommet / ist das seltzamste der Wasser-Trincker / welcher herum ziehet / und / nach dem er viel Gläser mit Wasser eingeschlucket / andre Wasser und Wein darfür herauß sprützet. Weil nun diese Sache vielen Streitursachen unterworffen ist / wollen wir hier eine Erzehlung darvon anstellen / und solches zu mehr verständigen Oburtheil gestellet seyn lassen.
3. Unter denen / welche diese Wasserkunst fůr Geld gewiesen / sind vornemlich drey / ein Malteser /ein Weib in Niederland / und drittens ein Wallon / der in Teutschland herumb ziehet / sein Brod mit Wasser zu gewinnen. Der Malteser nennet sich Blasio Monfredo, ist eine Person von mittelmässiger [95] Grösse /von Nobe / einer Statt in besagter Insel bürtig / seines Alters im 60. Jahre / wiewol scheinet / daß er nur 40. Jahre auff sich habe. Seine Kunst kan er einen Tag dreymal / oder auch viermals weisen. Er lässet sich aber ein Gefäß voll laulichem Wassers bringen / und 15. oder 20. Gläser welche oben weit / und schwäncket erstlich den Mund auß / zu beglauben / daß er nichts zwischen den Zähnen habe.
2. Wann er nun etliche Gläser eingesoffen / so spritzeter herauß ein rothes Wasser / ist aber kein rother Wein / sondern hat nur desselben Farbe. Hernach spritzt er Brandwein / Rosenwasser / Pomerantzenwasser / Anißwasser / weissen Wein / etc. Welches alles in dem Geruch und Geschmack wol zu erkennen; jedoch hat man beobachtet / daß er jedesmal bey dem rohten Wein angefangen / und solchen niemand zuversuchen gegeben: Der Brandwein ist das letzte. Doch nimt er zu Zeiten noch 20. Gläser mit Wasser zu sich / und spritzte dieselben / als aus einem Springbrunnen in die Höhe.
5. Wann man nun dieses beobachtet / so hat man Ursach sich darüber zuverwundern / weil der Magen also beschaffen / daß er selten so viel auffeinander eingiessen lässet / und schwerlich Platz findet / (wiewol ein grosser Unterscheid bey grossen und kleinen Leuten) daß er so geschwind das Wasser kan zu sich nehmen / als ob er solches nur in ein Flaschen gösse /und drittens ist sich zuverwundern / daß er es so geschwind wieder herauß springen kan.
6. Der Cardinal Richelieu hat diesen Monfredo /dessen Schüler die andern alle gewesen / in Verhafft nehmen lassen / und ihm mit dem Strang bedraut /wann er nicht weisen würde / daß seine Kunst natürlich / und nicht teufflisch seye. Der Malteser hat solches in grosser Geheim gethan / und ist hernach wieder auff freyen Fuß gestellet worden / Geld darmit zu verdienen / wie zuvor.
7. Kommet nun dieses Wasser in den Magen und wider auß dem Magen / so ist die Frage / woher die Ordnung und die Veränderung desselben / dann er solches Getrāck gleichsam auß unterschiedlichen Flaschen herfür bringet / als wann [96] einer einen Salat von vielen Kräuter gegessen hette / und solte jedes absonderlich wieder auß den Mund herfürbringen. Es ist auch die Art solches alles streng und gerad außzuspritzen sehr wundersam / welche andern Brechen gantz nit gleichet: deßwegen sie sich sonders Zweiffel von Jugend auf müssen gewehnet haben.
8. Wann nun dieses natürlich zugehet / wie zu glauben / so fragt sich ferner / wie es seyn könne / daß sich das Wasser in so mancherley Art / ja gar in Wein wandle / unn hierüber sind viel und unterschiedene Meinungen / massen ein jeder sich gerne unter dem verwunderten Völcklein herfür thun / und die Ursache sagen wil / welche doch wenig / oder wol keiner erforschen kan. Die ersten halten / daß der Betrug in den Gläsern seye / und daß dieselbe tinctur, den Unterscheid deß Getrancks mache.
9. Andre halten darfür / daß die tinctur zwischen den Zähnen verborgen / und durch dieselbe das Wasser / als auß einer Röhren gespritzet werde / und dardurch so viel unterschiedene Eigenschafften an sich nehme / weil beobachtet worden / daß er den rothen Wein mitten durch den Mund / unn am ersten / die andren Wasser aber allezeit auf den Seiten / wiewol mit Unterscheid / theils mehr rechts / theils mehr lincks / herauß spritzet.
10. Andre glauben dieses / und sagen allein / wie möglich / daß er das Wasser so gar ohne Mühe und sondre Bewegung herauß spritzet? Dieses Ursache mag seyn / die sondre Beschaffenheit deß Magens /welcher Falten haben kan / wie der Thiere Mägen /die wiederkeuen. Er stösset sich auch nit an die Brust / sondern hält in der rechten und lincken 2. Gläser /darein er fast zu gleicher Zeit unterschiedliche Wasser spritzet / die er zuvor in der Apotheken kauffet / wie man von ihm verkundschafftet / aber wol auch zum Schein mag geschehen seyn. Könte nun dieser auß Wasser Wein / oder ja so kostbare Wasser machen /so hätte er nit vonnöthen sich dergestalt zu nehren /sondern könte sich bereichen mit dergleichen Verwandlung / und würde man der Reben und Blumen nicht von thun haben / solcher Wein solte auch aller Auflage und Ungelds befreyet seyn.
11. Man könte sagen / daß dieses eine absonderliche Eigenschafft [97] der Natur / wann nur einer allein solches könte / wie dorten die Dirne von welcher Cardan schreibet / daß sie 2. Maase Wasser getruncken / und selben Tag wol 20. wider von sich gelassen. Wie Maximin der Käyser / welcher 40. Pfũd Fleisch täglich geessen / und viel Töpffe voll von sich geschwitzet. Weil aber das Weib in Niederland und noch andre solches auch können und es gleich machen / wie er /halten viel darvor / er habe gewisse Pulver in dem Serviet verborgen / welches er stetig in den Handen hat.
12. Es ist aber dieses keine neue / sondern ein alte Kunst / weil Cœlius Rhodiginus einen Spruch auß dem Kirchenlehrer Augustino anziehet / in welchem er saget / daß sich etliche finden / die den Leib zusammen zwängen / (wie dieser verborgen mit einen Gurt thun kan) und auß ihren Magen herfür bringen /was sie hinein geschüttet. Wann man aber recht von der Sache reden wil / muß man bekennen / daß dieses alles nur Mutmassungen sind / und daß ein jeder bekennen muß / er wisse die rechte und wahre Ursachen dieses künstlichen Wasser Trinckers / oder vielmehr Wasserspritzers nit / massen die Sache nit in dem trincken / sondern in dem brechen oder spritzen bestehet. Es ist genug / daß wir ihn auff unsern Schauplatz gestellet / und unsere Gedancken darüber eröffnet haben; begehren aber keinen an seiner Meinung zu verhindern; und lernen allein / daß dieses kein ordentlicher Beruff / dergestalt auß Wasser Wein machen /den niemand gebrauchen kan.
127. Die seltene Rache
(CXXVII.)
Die seltene Rache.
Wer mit einen Wolff zu thun hat / sagt das Sprichwort / der schicket ihm zur hinder Thür einen Hund in das Hauß / zu verstehen / daß wir Menschen sehr geneigt sind uns heimlich oder offentlich zu rächen /welches doch nit seyn solte / weil Gott die Rache gebühret / und unsre Rache zwar sanfft thut / aber einen bösen Lohn giebet / und ein solcher Rachgieriger nit zu hohen Ehren kommet / oder wann er in denselben sitzet / sich durch die Rache wider stürtzet. Gerecht und Fromm seyn ist die gröste Rache / die man dem Neidhart und Feinde thun kan. Wer [98] sich rächen wil /muß sich wol verwahren: daher der Ahl in dem Lehrgedicht die Schlange fraget / wie es komme / daß man ihr mehr / als der Schlangen nachtrachte? Die Schlange antwortet: die Rache ist meine Wehr / niemand beleidiget mich ohne Schaden und Gefahr / wie dich.
2. Wir Menschen ehren Gott nit / weil er die Missethaten rächet / sondern / weil er selbe verzeihet /und uns unsre Sünden vergiebet: also werden auch die Wolthätigen und Sanfftmütigen geehret und gerühmet / die Rachgierigen aber haben Gott und Menschen zu Feinden. Hier wollen wir von einer löblichen und zu lässigen Rache eine Erzehlung einfügen / und deß allergnädigen Gottes wunderbare Schickung darauß erkennen / welche sich in dieser Begebenheit blicken lässet.
3. In Franckreich an dem Loirefluß / hielte sich auff eine adeliche Jungfrau / genāt Sydonia / welche nach ihrer Mutter frühzeitigen Tod / von ihrer Basen angenommen worden / da Apronian / ein reicher Edellmann / der von seinen Vattern zu den Regimentsdiensten erzogen worden / mit ihr in Kundschafft und Freundschafft kommen / hat er in ihren Angesicht grosse Schönheit / in ihren Geberden / grosse Holdseligkeit / und in ihrem Verstand solche Ubertrefflichkeit gefunden / die ihn zu ehlichen Gedancken veranlasst /und were die Sache sonders Zweiffel / nach Wunsch Werckstellig gemachet worden / wann nicht Flesculus der Jungfrauen Vatter solches verhindert.
4. Dieser war aller Gelehrten Feind / weil er ungelehrt war / gestalt die Wissenschafften keine ärgere Verächter / als die derselben unfähig sind; und solches auß dem falschen Wahn daß die Rechtsverständigen alles Unheil in einem Geschlecht anrichten /zancken und grübeln / ja sich niemals mit billichen Sachen ersättigen lassen. Sie sind / sagte dieser Edelmann / wie der Epheu / oder Wintergrün / ein Kraut /daß sich an einen Stamnien oder einer Mauren erhöhet / allen Safft außsauget / und endlich zu Grund richtet: wolte also seine Tochter lieber einem geben /der den Degen an seiner Seiten hätte / und seines gleichen wäre / als einen / der sich unter dem Schein Rechtens von ander Leute Ungerechtigkeit nehren müsste.
[99] 5. Apronian war zwar bereit die Feder / so er in der Hand zu haben pflegte / auf den Hut zu stecken / und das Schwert anzugürten / wo er dz Dintenfaß zu tragen pflegte; Aventin aber sein Vatter wil darein nit willigen / sondern seinen einigen Sohn sein Amt und seine Güter hinterlassen / weil er sich wol darbey befunden und lachte dieses verliebten Vorsatzes / daß er Sydonia Vatter zu Gefallen in den Krieg ziehen wollen / welchen er über hundert Meil Wegs / weil damals in gantz Franckreich Friede war / suchen müßte /und viel näher eine andre und ihm anständigere Heurat finden könte.
6. Apronian lässet bey Flesculo üm seine Tochter anwerben / muß aber zum andern und drittenmal hören / er gebe seine Tochter keinem von der Federn aus erheblichen Ursachen / welcher er zu eröffnen nit schuldig seye. Inzwischen aber mehret sich dieser Verliebten Hertzensneigung / und wol der Sydonia und Apronian durch ihre Eltern verbotten / mit einander zureden / so unterliessen sie doch nit schrifftliche Versicherung ihrer Beständigkeit zu wechslen / entschlossen / alle Hinternissen zu überwinden: ja endlich ihr Eheliches Versprechen eidlich zu bekräfftigen / daß sie niemand als der Tod scheiden solte / es seye gleich selber natürlich / oder bürgerlich / wie die Juristen reden / das Grab / oder das Kloster.
7. Zu solchem Gelübd hatte Ursach geben Odilio ein junger Gauch / der erst von dem Italianischen Fechtboden kommen / und vermeinet / daß ihn alle Weibsbilder in der Welt (wie in dem Pomerantzen-Land die Hofdirne üm Gelt zu thun pflegen) ohne Liebsbrunst nit ansehen können. Als er nun Sidoniam erblicket / und von ihr schlecht abgewiesen worden /hat er sie an ihren Vatter begehret / weil er gehöret /daß sie ein Soldat und kein Schrifftling / darvon bringen solte.
8. Flesculus erfreuet sich dieses künfftigen Tochtermannes / und verspricht ihm / was nit sein eigen war /der Hoffnung / er würde Sydoniam so leicht / als ihn /zu solchen Verlöbniß willigen machen. Sie fanden sich aber beede weit betrogen / weil Apronian bereit den Ort eingenommen / und mit seiner Besatzung /deß Belägrenden Theils spottete. Als nun Odilio sahe / [100] daß ihm Apronian vorkommen / wolte er mit ihm fechten / und Sydoniam zum Preiß ihres Streites aufwerffen; Apronian aber welcher mit der Feder / und nit mit dem Degen umzugehen pflegte / konte sich ohne Lebensgefahr nit darzu verstehen / deßwegen ihn Odilio / nach dem verjüngten Masstab prügeln liesse.
9. Apronian erzehlte seiner Sydonia / was er wegen ihrer gelitten / und daß er sich zu rächen begehrte / in dem sie beede in das Kloster gehen / und diesen Odilio mit leerer Hoffnung abziehen machen würden. Nach kurtzem Bedacht entschleußt Sydonia sich dergestalt ihres Vatters Gehorsam / und Odilio Vermessenheit zu entziehen / und Apronian machte den Anfang und begabe sich in ein Carthäuser Kloster / welches unferne von der Statt gelegen war
10. In dem Kloster schriebe er beharrlich an Sydoniam / sie solte ihm folgen und sich an Odilio / ja an der gantzen Welt mit ihren Abtritt auß der Welt rächen. Sydonia wurde anders theils von ihren Vatter genöthiget / sich mit Odilio / welchen sie als einen Feind hasste / trauen zu lassen / und entschlosse sich endlich lieber die Mauren als den Mann zu haben /flohe auch heimlich dahin / und berichtete solches zurücke / daß sie niemand als der Tod von so heiligem Vorsatz scheiden solte.
11. Als Apronian solches gehöret / und zugleich vernommen / wie Flesculus und Odilio sich darüber betrübet / hat er sich hertzlich erfreüet / und weil er noch in dem Prob-Jahre / hat er vermeint / er habe nun seine Rache werckstellig gemacht / weil er Odilio Sydoniam auß den Händen gerissen / und ist wieder auß dem Kloster gesprungen / willens weltlich zubleiben und zu heuraten wo er aber hingekommen / ist er mit den Mönchsstand geschertzet und verlachet worden / daß keine Jungfer deß Ortes seiner Hulde haben wollen.
12. Nach etlicher Zeit ist dieser Apronian in eine schwere Kranckheit gefallen / und hat dardurch Zeit gewonnen / alle Thorheiten seines Lebens zu betrachten / da ihm dann das Klostergelübd / welches er benebens Sydonia gethan / wieder zu Sinne kommen /und ihn in seinen Gewissen also geängstiget / daß [101] er nochmals sich verbunden / wann ihn Gott anff dem Siechbette der Kranckheit würde ob siegen lassen /daß er wiederum in das Kloster gehen / und die übrige Zeit seines Lebens in Gottes Diensten zu bringen wolte: dieses hat er auch / nach erfolgter Genesung gethan / unn sich also an der Welt / Fleisch und Blut /ja an allen seinen Feinden / auff eine seltene Weise gerächet.
128. Das Furchtpflaster
(CXXVIII.)
Das Furchtpflaster.
Die Furcht richt / nach dem Sprichwort / alles anderst an / als es gekocht ist. Die Furcht ist ein Tyrann / der nit glaubet was wol gemeint ist / und hält alle Speisen für Gifft. Es ist aber solche Furcht zweyerley: 1. Wann man fürchtet was man erfahren hat / wie der Hund in der Kuchen / so mit warmem Wasser begossen worden / auch das kalte fürchtet / und wie ein gebrantes Kind das Feuer scheuet / und eine solche Furcht ist der Natur gemäß / in dem sie den Menschen sich zu erhalten eingepflantzet / und wer sich also fürchtet / schläffet gerne auff gantzer Haut.
2. Die andre Art der Furcht bildet ihr ein eine Bestraffung / welche sie noch nit erfahren / und ist nichts schmertzlichers als solcher massen in steten Fürchten leben. Eine solche Furcht ist ein Regel der Sünden /und sagt hiervon das Sprichwort: Wann hinder jeder Sünde der höllische Löw sich sehen liesse / so würden wir uns keine gefallen lassen. Diese Furcht wird durch den Wahn vermehret / daß man auß einer Mucken einen Elephanten im Sinne machet / und ist diese Furcht gut / wann man in Gelegenheit ist böses zu thun / daß man die Straffe fürchtet / wie wir alle die Hölle fürchten sollen, wann aber das Böse vollbracht / so mehret sich die Furcht und Wartung der Dienge /die da kommen sollen / wie auß nachgehender Erzehlung zu hören seyn wird.
3. Bey Emanuel König in Portugal hat sich einer von seinen Hoffdienern angemeldet / und gebeten S.M. wolle ihn doch in ihre gnädige Beschirmung nehmen / weil er etliche [102] Feinde / die ihn zu tödten gedrauet. Der König erkläret sich gnädigst / daß er solches gerne thun wolte / und gabe ihm auch einen Schutzbrieff / wie er selbsten haben wolte.
4. Nach etlichen Tagen kame er wieder und sagte /daß dieser Brieff kein genugsames Pflaster / seinen Schaden und die Wunden / welche die Furcht in sein Hertz geschlagen / zu heilen. Wol / sagte der König /für dem Unheil / das dir begegnen möchte / wil ich dich wol schützen / aber für dem Unheil das du fürchtest / kan dich kein König der Welt beschirmen / und hilfft weder Kraut noch Pflaster für der Wahnsinnigen Furcht; Dann die Furcht ist schmertzlicher als das /was man fürchtet.
5. Gleich wie die Wollust / welche wir uns einbilden / viel geringer in dem Wercke / als in unserm Verlangen sich befindet: also ist auch das Unglück so wir fürchten viel geringer / als der Wahn / den wir darvon fassen. Wer aber für der Schmitten gewesen /wie man zu reden pflegt / der fürchtet die Funcken nit; ja die Furcht der künfftigen Straffe / ist ein Antheil der Straffe / und ist öffter ein Lügner / als ein Warsager.
6. Zu Bologna welche von dem Fetten Erdreich die Fette und der Mutter Musen genennet wird / war ein Zärtling Badenio genant / welcher sich für den geringsten Wunden und Kranckheiten entsetzet / daß er aus Furcht derselben von Sinnen kommen mögen. Er hatte vielleicht jemand sehr verwundet / oder in schmertzlichen Kranckheiten gesehen / und bildete ihme deßwegen ein / daß er wegen deß geringsten Fiebers sterben müste / hielte sich deßwegen / als ob er gläsern wäre / weil er den werthen Schatz seiner Gesundheit in gebrächlichem Gefässe trüge.
7. Wie jener auff den zukünfftigen Durst getruncken / und auff den zukünfftigen Hunger gegessen /welches die Kunst ist niemals durstig und hungerig zu werden / also hat dieser auff die künfftige Kranckheit Artzney und Mittel gebraucht für die Kranckheit / von welcher ihm zu Zeiten getraumet hatte. Der Artzt /Namens Florian / fragte / ob [103] er wol schlieffe / ob ihm Speiß und Getranck schmeckte / ob er öffnung deß Leibes hätte? Badenio beantwortete alle Fragen mit ja / daher er abnahme / daß es ihm allein an dem Gehirn mangelte.
8. Der Medicus sahe wol daß Badenio nicht seiner / sondern er seines Geldes vonnöthen hatte / fragte deßwegen / was er dann von ihm begehrte? Er sagte ein Purgation / den künftigen Kranckheiten für welchen ich mich fürchte / zu begegnen / wol / gedachte der Artzt / der Beutel soll dir purgiret werden / und bedachte diesem ein Furchtpflaster über zu legen /welches ihn der Entsetzung abhelffen solte.
9. Dieses Vorsatzes giebt er ihme eine Artzney /welche ihn Frost und Hitz haben machet / als einen der das Fieber am Halß hat: Badenio vermeint er sey in der Hölle. Als er wieder kommet / schickt er sich besser darein / und wurde von Florian getröstet / daß solches bald vergehen / unnd er ein neuer Mensch werden würde / gestalt er ihm auch nach und nach machte die Kranckheit zu Fuß abziehen / welche er auff der Post ankommen machen / daß er endlich sich nit mehr für dem Fieber gefürchtet / und also den gefasten Wahn verlohren hat.
10. Auff besagter hoher Schul hielte sich ein Student auff / Namens Faron / der von einem Parmesaner Largo genant / etliche scharffe Schertzreden in guter Gesellschafft schiessen lassen. Dieses wurde Largo verkundschafftet / welcher alsobald ergrimmet / und seine Bekanten zusammen fordern lassen / ihnen die Außgestoßnen Wort eröffnet / und üm Beystand angeruffen / solche Unbillichkeit zu rächen. Faron war wie eine Taube gegen diesen Sperber: er gienge nur bey Nachts / und versicherte den Weg mit etlichen Kundschafftern / damit er ja den Parmesaner nicht möchte in die Hände fallen.
11. Als er nun in diesen Aengsten / welche die grosse Furcht einen Menschen einsagen und einjagen kan / übereilt ihn Largo / und erweiset sich mit vielen Prügeln sehr freygebig gegen ihn / daß sein gantzes Kleid damit überbremet war / nechst unfreunlicher Ermahnung / er solte künfftig besser bedencken die[104] Worte / welche er über die Zungen springen liesse. Nach deme nun dieses Furchtpflaster von seinem Rucken / dancket er dem lieben GOtt / daß er so wol darvon gekommen / und noch Arm oder Bein entzwey gebrochen hatte / noch gar getödtet worden; Da ihm doch die Furcht diese Gefahr viel grösser fürgemahlet / und er Tag und Nacht darmit geplaget / welches doch in kurtzer Zeit überwunden / und nunmehr ausgestanden.
12. Also solten die jenigen / welche durch deß Henckers Hand sterben sollen / bekennen / daß die Furcht deß Todes viel schmertzlicher ist / als der Tod selbsten. Die beste Furcht ist Gott fürchten / und versichert glauben / daß alles von ihm komme gutes und böses. Gleich wie der Zauberer Schlangen von Mose Schlangen verschlungen worden; also verschlinget die ewige Straffe alle zeitliche Schmertzen: Daher jener recht gebetten / Gott wolle ihn hier lassen leyden /was er wolle / und seiner nur dort verschonen.
129. Der verborgene Falck
(CXXIX.)
Der verborgene Falck.
Das Sprichwort sagt recht / daß die / welcher Eltern noch leben / und sie nichts lernen lassen / arme Waisen / die aber von ihren Eltern viel erben / sind keine Waisen zu nennen. Die Mütter lehren die Kinder gehen wie der Krebs seine Jungen / und sagte der Mohr zu Heydelberg / sein Vatter habe auch ein wackers Söhnlein wollen haben / da er nun geboren / und die Weiber bey der Kindertauff den Wein allen außgetruncken / und gerne mehr gehabt / habe er solches gehöret / den Krug genommen / und Wein geholet /nachmals sich wieder zu seiner Mutter in das Bette gemachet / die ihn gescholten / daß er Barfuß im Schnee über die Gaß gelauffen / und keine Schuh angezogen.
2. Dieses ist nun eines kurtzweiligen Tischraths Schertz / ausser allem Streit aber unwidersprechlich /daß die Kinder den Eltern sollen Gehorsam leisten /weil sie leben / und sonderlich ihre letzte Wort unnd Vermahnungen in [105] unentfallenen Angedencken behalten und jederzeit beobachten; wann sie aber solche übertretten und verachten / werden sie es spat bereuen müssen / ob gleich selbe zu Zeiten nur schlechte Sachen antreffen / wie jener seinen Söhnen von dem Lurtschspiel befohlen.
Welche aber unter ihnen dieses nicht beobachtet /haben sich arm gespielet.
3. Dieses wird gemeldet wegen eines Genuesers Namens Reinaldo Scaglia / welcher einem einigen Sohn grossen Reichthum hinterlassen / und ihme auff seinem Todbette diese drey Lehren gegeben: 1. Soll er seinem Weibe keine Geheimniß vertrauen. 2. Soll er keinen an Kindsstatt aufferziehen. 3. Soll unter keiner Herrschafft wohnen / welche keinen Oberherrn habe. Wann er aber eines oder das andre auß der Obacht lassen solte / könne er versichert seyn / daß die Reue nicht werde außbleiben. Hiermit gabe er ihm den letzten Segen / und verschiede.
4. Salardo hatte gehöret / daß der Sterbenden letzte Wort wol zu mercken / weil sie gleichsam einen Vorgeschmack deß ewigen Lebens haben / unnd von zukünfftigen Weissagungen / war auch gewillet / dieses alles in unentfallenen Angedencken zu behalten. Nach wenig Monaten verliebte er sich in Theodoram Doriam / und liesse sich mit ihr / auff vorhergehende Einwilligung beederseits Freundschafft / nach Landsgewohnheit trauen.
5. Dieser beeden Liebe war so brünstig / daß sie gleichsam wie Leib und Seele verbunden / und ohne Schmertzen nicht mochten geschieden seyn; jedoch waren sie ohne Kinder / welche ihre Glückseligkeit vollkommen machen können / deßwegen sie solchen Mangel ersetzet / und Posthumio / einen schönen Knaben einer Wittibin der Nachbarschafft / an Kindsstatt / angenommen / und mit Vätterlicher und Mütterlicher Liebneigung aufferzogen.
6. Es fügte sich auch nach etlichen Jahren / daß Salardo [106] eine Raise in Monferrat verrichtet / und alldar einen Herrensitz an sich kauffet / weil er seine Gelder nicht besser / als an unbewegliche Güter angelegt vermeinte. Der Hertzog nahme diesen Frembden gnädig auff / und weil er ein höflicher und kluger Kopff /muste er fast täglich bey Hofe seyn / und wurde endlich so geliebet / daß nichts ohne ihn gehandelt / und alles durch seine Vermittlung geworben wurde.
In diesem Wolstand gedachte er an seines Vattern letzte Vermahnung / und sagte bey sich selbsten / daß die Alten nit allezeit wol rahten / und daß die Erfahrung ihm nun ein anders lehre / in dem er einen gehorsamen Sohn an Posthumio / und einen gnädigen Fürsten an seinen Hertzog: Er wolte nun das erste auch probiren und seinem Weib ein Geheimniß vertrauen /zu erfahren / ob sie ihm dann untreu / und ihn in Ungelegenheit bringen würde.
8. Dieses Vorhabens nimmet er den besten Falcken / auß seines Herrn Federflug / und gibt ihn seinen Freunde Sostheno / mit Bitte solchen lang zu verbergen / biß er böse Zeitung von ihm hören werde. Der Freund ist ihm in diesem zu willen / und nimmet den Falcken an. Als solches geschehen / fügte er sich zu seinem Weib / und sagt ihr / daß er ein Mittel gefunden / sich deß Hoflebens zu entziehen / und deß Fürsten Gnaden / welch ihm so viel Verdrust machten /zu entgehen / in deme er seinem besten Falcken den Kopff umgedrehet / (er hatte aber einen schlechten Vogel von den seinigen in den Händen) und nun gewillet were / solchen mit ihr heimlich zu verzehren /sie solte ihn zurichten / und dieses verschwiegen halten.
9. Theodora sagte / daß er übel gethan / doch sey das beste hiervon kein Wort zu sagen / und solche geschehene Sachen in höchster Stille zu halten; massen keine Marter in der Welt sie dieses solte bekennen machen / etc. Als nun der Falck über Tisch kame /wolte Theodora nit darvon essen / auß Furcht sich dieser Mißhandlung theilhafftig zu machen. Salardo legt ihr für / sie wil nicht einen bissen darvon kosten: Er befihlet ihr sie soll essen / sie sagt nein: Er drauet ihr / sie spottet seiner / [107] daß er endlich erzörnet / ihr die Hand auff die Wangen leget / und ihr einen harten Backenstreich versetzet. Hierüber laufft sie auß dem Hause / und weil sie kein andres Mittel sich zu rächen / eilet sie nach Hoff / und verschwatzet das Geheimniß dem Hertzog / welcher Salardo alsobald in Verhafft bringen lässet / und nach befragen / wegen solchen Frevels zum Tod verurtheilet.
10. Zu allem Unglück war kein Scharffrichter vorhanden / welcher Salardo das Leben enden solte / und der Hertzog hatte verruffen lassen / daß seiner Güter ein drittel dem Weib / ein drittel dem Sohn / und der dritte Theil dem der ihn erwürgen würde / heimfallen solte. Als Posthumius solches hörte / meldet er sich an / seinen Pflegvatter zu hencken / damit die Güter beysammen bleiben möchten / und hierein verwilligte Theodora / und lobte Posthumium als einen guten Haußhalter.
11. Salarda reute nun der Schimpff und gedachte /daß vielleicht der Falck inzwischen gestorben seyn möchte / weil Er niemand von seiner Unschuld / sondern jederman von seinem augestellten Rechtstag reden höre. In diesem Zustande gedachte er zu rücke an seines Vatters Vermahnungen / welchen er zu wider sich in Todes Gefahr gestecket / und nun leichtlich darinnen ümkommen könne / in deme er seines Weibs / und seines Sohnes Untreu / so wol als seines Fürsten Ungnade zugleich erfahre.
12. Als er nun das Urtheil angehöret und sich zum Tode bereiten sollen / kommet Sosthnes mit dem verborgenen Falcken hervor / beglaubet Salardo Unschuld / und erzehlet dem Hertzog alles / was sich mit diesem Edelmann begeben / und wie er seines Vatters Lehren auff die Probe setzen wöllen. Als der Hertzog solches angehöret / hat er ihn auff freyen Fuß gestellet / Posthumium aber als einen undanckbaren Sohn an den Galgen wollen hencken lassen / Salardo aber hat ihn erbetten / und mit dem Strang deß Lands verwiesen: Theodora hörte von ferne / wie es ihrem Manne ergangen / und ist seinem Grimm zu entfliehen / in ein Kloster entloffen.
130. Die Leibes-Stärcke
[108] (CXXX.)
Die Leibes-Stärcke.
Ein müssiger und ein gesunder Mensch wohnen nicht in einer Haut / sagt das Sprichwort / weil zu der Gesundheit / die Ubung deß Leibes so nothwendig / als Essen / Trincken und Schlaffen zu desselben Ernehrung: Deßwegen sagte jener daß die beste Regel und Diet were: Im Schweiß deines Angesichts / solt du dem Brod essen. Zu verstehen / daß die Arbeit und Bewegung deß Leibes / die natürliche Wärme erwecke / durch den Schweiß die bösen Feuchtigkeit außtreibe / und die Stärcke desselben erhalte; massen man viel ältere Arbeiter als Müssiggänger findet / und viel stärckere Leute unter den Bauren / als Edelleuten.
2. Wie sich die jenigen / welche sich von Jugend auff in springen und tantzen üben / leichte und gelencke Leute werden; also auch die / welche sich bemühen grossen Last zu tragen / und grosse Stärcke zu erweisen: wie wir dann lesen / daß Milo Critoniensis sich in seinen jungen Jahren bemůhet ein Kalb zu tragen / und solches mit zuwachsenden Kräfften seines Leibs unn deß Kinds / es endlich dahin gebracht / daß er einen Ochsen auff der Achsel tragen können. Von solcher Leibes Stärcke wollen wir etliche sondre Exempel in dieser Erzehlung anführen.
3. Zu Neapoli war ein Soldat Namens Peter / der setzte auch auff eine Banck / als ob er auff einem Pferd sässe / und liesse auff jeden Fuß einen Mann sitzen / wie auch auff jede Achsel / oder Arm / und hielte die lange Zeit empor. Er truge auch auff jedem Arm / und auff jeder Achsel einen Mann / und gienge unter solchem Last / als ob er so viel Federn auff sich hätte; ja er hube die zween auff den Arm noch über seinen Kopf in die Höhe / man bande ihm auch die Hände mit zweyen Stricke / und zogen 5. Männer zu beeden Seiten / konten jm aber die Arm nit niderreissen. Mit seiner Stirn hat er einen Nagel so tieff in die Wand geschlagen / als mit einem schweren Hammer /[109] doch hatte er die Haut nur ein wenig verletzet / weil der Nagel keine gar breite blatten gehabt.
4. Zehen Personen haben ihm seinen Arm nit beugen können / noch seine Hand auffmachen. Zween Rauber wolten diesen halben Riesen angreiffen; er faste sie aber bey den Hälsen / und stiesse ihnen die Köpffe zusammen / daß das Gehirn auf die Erden spritzte / und sie also tod auff der Strassen gefunden worden. Dieser Starcke war nicht gar groß / hatte ein liebliches Angesicht / unn ein hartes Fleisch / daß man ihn / wann er den Arm außgestrecket / nicht zwicken können. Er sange wol und mit starcker Stimme. I.B. Porta im 4. Buch von der Physiognomia.
5. Mirus meldet von einem der zu Augspurg ein Faß Bier von vielen Ohmen / mit den Zähnen auffgehoben und empor gehalten; daß er auch 3. Nägel /deren ein jeder einen Finger dick / zerwunden / wie einen Zwirnfaden / dieser hat auch das stärckste Bein von einem Ochsen zerbrechen können.
6. Im Jahr 1582. Wurde Mahumet der dritte Sohn Amuraths Sultans beschnitten / und bey solcher Begängniß hat man allerhand Schauspiele angestellet /darunter auch folgende zu Erweisung grosser Leibes Stärcke gewesen. Fünffzig auff Arabisch gewapnete Reuter / mit halben Picken / Bogen und Pfeilen /schiessen nach 4. hohen auffgerichten Stangen / welche sie in dem Lauff mit ihren Seiblen abgehauen / in die Höhe geworffen und mit der Hand wieder gefangen / in vollem lauffen der Pferde von der Erden auffgehoben / und allerhand Kurtzweil damit getrieben.
7. Unter andern waren zween / deren der eine auff seinem Pferd in dem Sattel stunde / und den andern auf sich sitzen lassen / also daß der Oberste in vollem Lauff deß Pferds nach einem Ziel geschossen / und solches auch getroffen. Etliche wendeten sich in dem Lauff auff dem Pferde / daß sie rückwartz zu sitzen kommen / und wendeten sich wiederumb auff die andere Seiten. Etliche stürtzten das Haupt auff den Sattel / nahmen den Zaum in den Mund / und hielten sich [110] mit den Händen an / in dem die Pferde also lieffen. Georg Lebesky ein Pol hat solches alles ümständig in einem absonderlichen Wercklein beschrieben / und vermeldet / daß er zu selben Zeit zu Constantinopel gewesen / und es alles mit Augen angesehen habe.
8. Zu Bamberg hat sich vor Jahren ein Bauer gefunden / welcher auff allen vieren zu gehen pflegen /als ein Thier / und ist auch auff den nechsten Bergen unter den Thieren aufferzogen worden / wie er selbsten bekennet. Dieser Bauer hat so ein jämmerliches Geschrey angefangen / daß die Hunde zu gelauffen /und ihn beissen wollen / welcher Er sich aber mit grosser Stärcke erwehret / und hat ihm keiner fast gleich lauffen können. Auff diesem Bauren pflegte ein Zwerg / als auff einem Pferde zu reiten / den er aber herab werffen können / wann er gewolt. Er thät solche Sprünge / die kein Gauckler nachthun konte. I. Camerarius beschreibet dieses ümständig / cap. 75.
9. Der Printz von Sulmone pflegte zwey Stücke Müntz unter die Knie zu legen / wann er ritte / unnd dumelde die Pferde mit solcher Geschwindigkeit und Stärcke herum / daß er derselben keines verlohre und dardurch erwiese / daß er fest in dem Sattel gesessen /und sich also gehalten / daß er kein Knie verrucketMontaigne aux essais cap. 48.
10. Etliche pflegen im Auff- und Abgehen über etliche Staffel der Steigen zu schreiten / und machen ihnen dardurch ein Ubung / daß sie auch in ihrem hohen Alter solches zu thun vermochten: Daher vielleicht Balsac von Rom nach Pariß an seine Liebste schreibet / sie soll zu ihm kommen; sie werde nicht mehr Mühe haben / über die Alpen zu raisen / als in ihre Kammern außzusteigen.
11. Man weiß auch daß etliche Hufeisen zerrissen oder zerbrochen / doch mögen solches Zauberer oder die Huffeisen zuvor gebrochen gewesen seyn: dann sonsten ein Mann schwerlich solche Stärcke haben kan.
12. Montaigne erzehlet auch / daß sich einer hinder den [111] Sattel auff sein Pferd gesetzet / den Sattel in vollem Lauff auffgegürtet / und auff das Haubt gehoben /nachmals in eben solchem Lauff den Sattel wieder angegůrtet / und sich darein geschwungen. Dieses alles kan ohne grosse Stärcke und sondere Behändigkeit nicht geschehen.
131. Das Menschen Hertz
(CXXXI.)
Das Menschen Hertz.
Wann wir von einem empfindlichen Schertz reden wollen / sagen wir: er hat ihm das Hertz getroffen /weil nichts schmertzlicher und gefährlicher / als die Wunden deß Hertzens / so gar / daß solche alle tödlich sind / und das Lebens Ende schnell mit sich bringen; massen alle Artzney verständige das Hertz den erstlebenden und letzsterbenden Theil deß Menschen nennen. Das Hertz ist die Quelle deß Bluts / der Geisterlein darinnen das Leben bestehet / und die Ursache guter und böser Gedancken; daher auch Gott das Hertz zu seinem Dienste erfordert / und in unsern Hertzen mit uns redet / welches ein jeder der es nur glaubig hören wil / bey sich prüfen kan. Von dem Hertz und seinen Wunden / wollen wir in dieser Erzehlung etliche sondre Fälle anmercken.
2. Die innerliche Glieder deß Leibes bringen den Tod auff viererley Weise. 1. Wann sie jr Ambt nit mehr verrichten können / wie die Lungen. 2. Wann das Leben in demselben bestehet / wie das Hertz. 3. Wann zu viel Blut verloren wird / wie die Leber und die Spanadern vernachtheilt werden können. 4. Wann die gefährlichen Zufälle ein Glied schwächen / wie die Nerven / der Magen und die Blasen unterworffen sind. Es find auch viel Schäden unheilsam / aber deßwegen noch nicht tödlich. Eine abgehauene Hand kan nicht wieder angeheilet werden / der Mensch stirbet aber deßwegen nicht.
3. Dieses muß man verstehen wann man von den Wunden der Brust reden wil: Das Häutlein (pericardium) kan wol verlätzet und nimmermehr geheilet werden / aber doch ist [112] solche Wunden nicht allezeit tödlich / ob man sie gleich nicht heilen kan / wie Cardan. (in Commentar. über die Aphoris. Hippocrat. l. 6. Aph 18.) bemercket / daß Antoni Aligat also verwundet worden / aber doch etliche Jahre hernach gestorben seye; inzwischen aber habe er offt und viel geseufftzet.
4. Columbus schreibt / daß etliche kein Vorhaut deß Hertzens haben / und daß dergleichen Leichnam selbsten zergliedert: solche aber fallen vielmals in Ohnmacht / und sterben bald.
5. Benivenius erzehlet von einem der von dem Galgen gefallen / und weil er nicht gar erworget / wieder zu recht gekommen seye. Nachdem er aber von dem Diebshandwerck nicht ablassen wollen / ist er am Strang gar erworget / und als man seinen Leichnam eröffnet / hat sich befunden / daß sein Hertz gantz haarig gewesen / welches dann ein Zeichen eines unverzagten und Frevlen Menschen ist.
6. In etlichen Cörpern hat man auch Beine gefunden / so unten oder oben in dem Hertzen gewesen /wie man auch dergleichen Beinlein auß eines Hirschen Hertz geschnitten. Com. Gemmal. 1. c. 6. de cosmocrit.
7. Felix Plater schreibet daß eines Knaben zu Basel Hertz / der sich wie ein Rad auff den Händen herum zu drehen pflegen / sich herunter gesencket / und nach seinem Tod gantz umgekehret gefunden worden.
8. H. Casimirs Marggrafens zu Brandenburg Hertz ist nach seinem Tod gantz dürr und außgetrocknet gefunden worden / welches die Artzney verständige der Traurigkeit unnd vielem Wachen / so dieser Printz außgestanden / zugeschrieben. Theol. Iord. l. 1. cap. 16. von der Pest.
9. Ein krancker Fürst klagte sehr das Hertzweh /und liesse viel Aertzte zusammen kommen / wegen seiner Kranckheit zu berathschlagen: unter diesen sagte der jüngste / dz für den Hertzwurm nichts besser / als der Safft von Knoblach / welcher solche Würmer tödete. Die andren lachten diesen auß / und sagten daß er einen Wurm in dem Haubt hätte. Der Fürst stürbet und sein Leichnam wird geöffnet / da sich dann ein weisser Wurm in seinem [113] Hertze fande mit einem spitzigen Schnabel / wie eines jungen Huns: Diesen hat wan lebendig auff einen Tisch gesetzet / und von Knoblach-Safft einen Ring üm ihn gemachet / da dann der Wurm darinnen geblieben /und endlich von dem Geruch deß Knoblachs ist getödet worden. Daher sagt man in dem Sprichwort von dem der ein böses Gewissen hat / daß er einen nagenden Wurm in dem Hertzen etc. I. Hebenstreit in seinem Buch von der Pest.
10. Wann die Wunde in dem Hertzen nicht tieff ist / so stirbt der Verwundte nicht also bald / und hat man Exempel / daß solcher noch hundert Schritt gegangen / biß ihm mit dem Blut alle Kräfften entsuncken. Allhier zu Nürnberg ist einem Armbrust-Schützen ein Poltz außgefahren / und einen Mußqueten Schuß darvon einem Bauren der Mist geladen in die Hertzkammer gefahren / daß er selben Augenblick tod zu der Erden gefallen.
11. In vielen Hertzen hat man auch Kalch gefunden / so groß als eine Haselnuß. Es giebt auch Geschwer und Eyter / so groß auffgeschwollen / als ein Hennen Ey; Darvon faulet das Häutlein über dem Hertzen /und kan ein solcher Mensch von Hertzen nicht frölich seyn.
12. Zween Brüder sind mit einander von bösen Worten zu guten Streichen kommen. Einer versetzte dem andern einen Stich mit dem Messer / und traffe ihn gleich auff das Hertz: Viel Blut vergosse die Wunden / die Adern wurden klein / dz Angesicht blaß / ein kalter Schweiß floß über den gantzen Leib / die Puls war schwach / und alle Anzeichen deß Todes befanden sich bey diesem Verwundten. Der Artzt Benivenius / der dieses (c. 42. de Abditis causis) beschreibet / hat jm Hertzstärckungen gebrauchet / und wieder zurecht gebracht / weil wie vermuthlich / nur die Vorhaut deß Hetzens verletzet worden.
132. Die verbulten Joseph
(CXXXII.)
Die verbulten Joseph.
Schleyer und Schöppel versperren manchem das Himmelreich / sagt das Sprichwort. Die Hurer welche sagen / [114] der Wald ist besser / als der Baum / gehen den Weg zum Spital. Welchem eine Hur in das Hertz kommet / dem kommet sie auch in den Beutel / und ist der ein Narr / welcher wegen einer guten Nacht ihm viel böse Tage kauffet / und solche werden Motten und Würmer zu Lohn. So schändlich nun die Hurerey / so löblich ist die Keuschhett / von welcher wir hier zwey Exempel wollen anführen / und darauß absehen / wie ein böser Vorsatz / durch gute Gedancken kan unterbrochen werden.
2 Aleria ein Adelich Fräulein in Siena / war vermählet mit einem Grafen von Malo / und wegen ihrer Schönheit von ihm hertzlich geliebet / welche verbunden war / mit so hohen Tugenden / daß noch der Neid / noch die Verleumdung ihr etwas böses mit dem Schein der Warheit nachsagen können. Doch hat dieses alles Arderich einen Marckgrafen deß Orts / nicht abhalten / daß er nicht seine Liebe / welche er auf Alertam geworffen / bevor sie vermählet worden / in Vergessenheit hätte fincken lassen.
3. Dieser Ehestand Aleria und Malo ist ihm zu einen Wehstand worden / in welchem er sich mit der Weiber. Unbeständigkeit tröstend / die Feder ergriffen / und ihr schrifftlich zu verstehen geben / daß seine Künheit sie zu lieben und zu loben verhoffentlich mit Verachtung nit abzustraffen / weil solche ihn mit allen Rittersleuten die sie kennen gemein; und auch Gott /wiewol auff geistliche Weise / Lob und Liebe von uns erfordere / etc. Diesen Brieff steckte er in Aleria Betbuch / welches ihr Diener (den er mit Freygebigkeit gewonnen) getragen.
4. Aleria wuste zwar wol / daß man nicht nur das Böse / sondern auch allen Schein desselben vermeiden solle; doch konte sie sich aus weiblicher Neugierigkeit nit enthalten / das Brieflein zu erbrechen / und zerrisse es / an statt der Antwort / in mehr als 100. Stücke. Es fügte sich aber bald hernach / daß der Graff mit seiner Gemahlin auff seine Güter verraiste /aldar den Herbst zu zubringen. Arderich suchte Gelegenheit mit seinen Windspielen da herum zu hetzen /unn mit Vorwand / er hätte [115] einen Stäuber verlohren /nahme er seine Einkehr bey Graff Malo / welcher ihn höflichst nöthiget alldar zu übernachten.
5. Nachdem nun Ardrich nachgehenden Tages seinen Weg weiter genommen / und den Abend Gelegenheit gehabt Aleria Schönheit näher zu betrachten / hat er allerhand nichtige Anschläge getraumet / und ist ihm doch fast alle Hoffnung Würcklicher Liebsgeniessung entsuncken. Die Gräfin fragte Morgens ihren Eheherrn / wer der Herr / dem er mit so höflicher Begünstigung zugesprochen? Der Graff fienge darauff an Arderich über alle massen zu loben / wie er der vollkommenste Rittersmann wäre / dessen Tapfferkeit / Geschickligkeit / Verstand und Höfligkeit wenig gleichten und keiner übertreffe / sich verwundrend /daß sie den nit mehr kennte / welcher ihr vor diesem auch auffgewartet und fast wenig Weibspersonen / die diesem Rittersmann wegen seiner anständigen Gebärden und liebreichen Worten abgünstig seyn könten.
6. Dieser Lobspruch beharrete in Aleria Ohr / dergestalt / daß / als auff eine Zeit ihr Herr verräiset / sie auß rasender Begierd die Feder ergriffe / und ihm ohne Beschämung / den Ort und Zeit zu ihr zu kommen benennte. Den Brieff ließ sie ihm durch ihre Kammermagd einhändigen / und erwartet seiner mit grossem Verlangen. Nach dem nun der Graff erschienen und sich außzuziehen angefangen / fragte er die Ursach / so geschwinder Veränderung ihres Sinnes /und warum sie den Haß so eilig in Liebe verwandelt?
7. Hierauff erzehlte Aleria das grosse Lob / welches ihr Herr Gemahl seiner Person beygemessen /und daß ihr Hertz dardurch ihn zu lieben gezwungen worden. Da sey Gott vor / antwortete der gewesne Buler / nun keuscher Joseph / daß ich den seiner Ehre berauben sol / der mich mit so trefflichen Nachruhm /wolmeinend geehret hat: Zoge darauff die Kleider wieder an / und gienge den Weg wider zu rucke / welchen er herkommen war.
8. Deßgleichen hat fast auch gethan Luchin Viral ein Genuesischer Edelmann. Dieser verliebte sich in eine arme / aber sehr schöne Jungfrau / Namens Janiquetta. Er wendete alle [116] ordentliche Mittel an / sie zu Schanden zu bringen / aber alles vergeblich / massen sie keine Augen hatte ihn anzuschauen / keine Ohren seine Wort zu hören und keine Hände seine Geschencke anzunehmen. Hernach heuratete sie einen Schiffer / und hielte sich / als einem Eheweib wol anstehet /erzeugte auch etliche Kinder mit ihme.
9. Luchin hatte sich inzwischen mit seines gleichen auch vermählet / unterliesse doch nicht diese Janiquettam auch zu lieben / wiewol ohne Hoffnung ihrer zu geniessen / weil sie ihn / als eine Schlange / flohe /und nicht mit ihm reden wolte / alle Gelegenheit und Argwahn gäntzlich zu vermeiden.
10. Es begabe sich aber / daß der Schiffer von den Corsaren gefangen wurde / und Janiquetta mit ihren Kindern in grosse Dürfftigkeit geriete / weilen eine schwere Theurung eingefallen / die das Land hart drückte. Das Mutterhertz muste ihre Waisen halb verschmachten sehen / und entschlosse deßwegen in solchem verzweiffelten Fall / verzweiffelte Mittel zu er greiffen.
11. Sie gehet zu Luchin und findet ihn allein / kniete für ihm nider / und bittet / er solte sie und ihre arme Kinder ernehren / so wolte sie / als seine leibeigene Magd sich seinem Willen in allem unterwerffen / die Noth treibe sie zu solchem Entschluß / und habe sie kein anders Mittel / sich deß Hungers zu erwehren. Luchin erstaunet ob diesem Vortrag / und ergreifft auß vielen zweiffelhafften Gedancken die besten /nimmet sie bey der Hand / und verspricht ihr und ihren Kindern reichliche Unterhaltung zu schaffen; jedoch nit gegen vormals verlangter Ungebühr / sondern wegen ihrer Tugend und Keuschheit.
12. Die That hat Luchin in der gantzen Stadt berühmt gemachet; daß er auch von der Obrigkeit zu hohen Ehren erhaben worden / und den Segen Gottes /welchen er den Keuschen versprochen / in allen reichlich gespühret / hier setze ich bey / die Wort unsers Erlösers: Du Leser / gehe hin / und thue deßgleichen /ich wil sagen / sündige nicht / wann und wo du auch Gelegenheit und Veranlassung zu sündigen [117] hast / so wird dir auch dergleichen Belohnung wiederfahren.
133. Der guldene Zahn
(CXXXIII.)
Der gůldene Zahn.
Das Geld in dem Seckel / sagt das Sprichwort / dutzet den Wirt: Dann wer Geld hat der ist angenehm / und alle Fehler lassen sich mit einem güldnen Blätlein zudecken. Gold ist das werthste Metall / welches durch das Feur nit abnimmet / wie andre / sondern nach und nach reiner und schätzbarer wird. Gold und Silber sind liebe Gäste / sie bringen die Zehrung mit so lang sie bleiben / wann aber die Soldaten diesen ihren gemeinen Feind außkundschafften / so nehmen sie ihn gefangen / und machen ihn mehrmals durch Karten und Würffel wieder loß. Were also nicht gut / daß ein jeder guldne Zähne hätte / wie der von dem wir sagen wollen / sonsten solten sich noch vielmehr Zahnbrecher finden.
2. Ein Zimmermann und Müller / Nahmens Hans Müller / wohnhafft in Weigelsdorff / einem Flecken in Schlesien / verherrt hinder einem Edelmann Friederich Gelhorn genannt / hatte sich verheuratet mit Hedwig von Endersdorff unferne von Breslau gelegen /diese beede lebten in friedlicher Ehe / wol vergnüget in ihrem geringen Stand.
3. Sie erzeugten einen Sohn / welcher auff diese Welt geboren worden den 22. Christmonats 1585. und in der H. Tauff / hat er den Namen Christoff empfangen / und ist von seinen Eltern mit grosser Auffsicht erzogen und in die Schulgesendet worden / da er mit andren Bauren Kindern sich unterrichten lassen /und wol gelernet.
4. In der Schul nahme ein Kind in acht / daß Christoffels letzter Zahn auff der lincken Seiten gläntzte wie Gold / und als sie solches den andern Kindern sagten / wolten sie alle den Zahn sehen / und erschallet hiervon ein Geschrey / welches auch dem Hertzogen zu Lügnitz / Brige und Münsterberg zu Ohren kommet / wie auch dem Bischoff zu Nissa / [118] welcher diesen Knaben zu sich kommen / und den Zahn von den Wundärtzten besichtigen lassen.
5. Doctor Horst / welcher dieses beschreibt / meldet / daß er selbsten solchen Knaben gesehen / und den güldnen Zahn berühret / da er ihn dann fest und unbeweglich gefunden / und daß der Knab einen dickern Kinbacken / als sonst andre: In dem achten Jahre hatte er alle Zähne / außgenommen den nechsten Stockzahn / vor dem güldnen / deßwegen solcher auch viel leichter zu sehen / und zu betasten war.
6. Er pflegte darauff zu essen / wie mit den andern Zähnen / und wurde der Zahn mit dem Probierstein gestrichen und gutes Gold / daß dem Ungerischen gleich war / befunden. Dieser Knab ist schön von Angesicht gewesen / warmer und trockner Natur / zu seinem Alter verständig und von Leib wol gestaltet, Wie aber das Gold in seinen Mund gekommen / kan kein Mensch ersinnen / und ist allein Göttlicher Allmacht zugeschrieben worden.
7. Etliche haben vermeinet / daß ihm in der ersten Kindheit / als die Zähne noch ermangelt / oder als ihm ein Zahn außgefallen / einer von Gold eingesetzet /welcher in das Zahnfleisch vertheilet / fest worden und also gedienet gleich einem andern; massen man sonsten auch Zähne von Helfenbein wider einsetzen kan.
8. Daß aber dieses nit seyn können / ist auß vielen Ursachen abzunehmen; weil nehmlich der Zahn nit forne / sondern zu Ende deß Zahnfleisches gestanden /da man mit keinen Werckzeuge greiffen können / und das Kind würde den Zahn / wann deme also / nicht unbewegt in dem Munde erdultet haben / daß er hätte fest in das Zahnfleisch einwachsen mögen.
Alles was beschihet / hat unter diesen dreyen Würckursachen eine: Nemlich es ist natürlich / übernatürlich / oder künstlich. Ob es natürlich seye / daß ein Metall in eines Menschen Munde wachsen sol / ist sehr zweiffelhafftig / oder zum wenigsten so selten /daß man dergleichen / ausser diesem Knaben / nicht gehöret hat.
[119] 10. Welche es nun für übernatürlich halten / weil sie keine Ursache finden können / irren sich vielleicht auch / und ist nit abzusehen / warumb Gott solches Wunder geschehen lassen. Solte es aber künstlich zugehen / so ist ausser allem Zweiffel / daß diese Kunst andre mehr gethan haben würden / üm Geld damit zu gewinnen; massen die Armut solches und viel anders /wann es nur möglich / zu wegen bringen bemühet ist.
11. Wann wir also unsre Meinung darvon sagen sollen / so halten wir die Sache zwar für natürlich /aber also / daß desselben Ursache / wie vieler andren natürlicher Sachen uns gantz verborgen ist; deßwegen aber nit alsobalden ein Wunderwerck darauß zu machen / wie etliche unverständige zu thun pflegen.
12 . Zum Beschluß dieser Erzehlung wollen wir einen solchen Geschicht-Räthsel von diesem Knaben auffgeben / welchen gewißlich keiner / als deme die Geschicht bekant / aufflösen wird.
Räthsel.
Wer mag doch der Müller seyn / Der mahlt mit dem güldnen Stein? Was man sonst trägt in der Taschen Pfleget er in seinem Mund Mit dem Bier und Wein zu waschen / ** im trincken Als den Schatz nechst bey dem Schlund / Leichter soll man Marmel braten / Als den Räthselspruch errathen.
134. Die Außschindlinge
(CXXXIV.)
Die Außschindlinge.
Es ist ein altes Sprichwort / man müsse Gefahr mit Gefahr vertreiben / und wer Gefahr liebt / der kommet darinnen üm. Wann ein Glied mit der Faulung angegriffen wird / lässet man solches / als ein Lößgeld deß gantzen Leibes / hinweg schneiden und brennen / wiewol solches ohne Gefahr nicht geschehen kan / das Leben aus der Gefahr zu retten / und [120] ergehet es auch also mit den Ausschindlingen / wann die Geburt auß Mutterleib gleichsam geschunden und geschnitten wird / beedes Mutter und Kind / oder eines von beeden zu erhalten. Ob nun dieses keine sachen auff den Schauplatz zu bringen / so wollen wir etwas weniges /andren zu dienlicher Nachrichtung / von dieser fast seltnen Sache vermelden.
3. Die Ursachen zu dergleichen Mitteln sich zu entschliessen sind zweyerley. 1. Wann die Geburt zu groß ist / daß sie durch den ordentlichen Weg nicht heraus kommen kan / welches beschiehet / wann ein grosser starcker Mann / ein kleines schwaches Weib hat / welches ihr Kind in Mutterleib mit viel Obsessen mästet / daß es groß und starck wird / aber doch sich durch den engen Gang nicht zwängen kan. 2. Wann das Kind tod ist / und ihm selbsten nicht helffen mag / da es dann übel hergehet / und man dergleichen Frucht mehrmals Stuckweis heraus bringet.
3. In solchen gefährlichen Fällen / gebrauchet man auch das gefährliche Mittel / und eröffnet der Kindhaberin Leib in der Seiten / und zu gleich auch die Mutter / nimmet das Kind mit der Afftergeburt heraus /nähet mit etlichen Häfften den Leib wider zu / und genesen mehrmals Mutter und Kind / wann sonderlich dieses Mittel fürgenommen wird / bevor die Mutter sich mit der Kindsarbeit schwächet und abmattet; da dann leichtlich ein Zufall den Garaus machen kan.
4. Verständige Wundärtzte halten diese Sache für gar thunlich / und wissen sich so zu verhalten / daß das Geäder nit verletzet wird / und kein Bruch darauß erfolget / wie geschehen kan: ja sie heilen solchen Schnitt so leicht als ein Fleischwunden; die Weiber begehren auch vielmals auffgeschnitten zu werden /weil sie solchen Schmertzen für gering halten / und ist nit zu zweiffeln / daß viel auß Unwissenheit solches Mittels / und Manglung verständiger Wundärtzte /verderben und sterben müssen.
5. Daß aber dieses thunlich / beglauben so wol alte als neue Exempel / und soll Cajus Julius den NamenCæsaris von [121] cædendo bekommen haben / weil er auß Mutterleib geschnitten worden / daß also dieses Mittel bereit den Alten bekant gewesen. In Franckreich aber findet man viel die noch leben / und besagter massen in die Welt kommen; ja fast kein Wundartzt /welcher ein Buch von seiner Kunst geschrieben / lässet dieses in vergeß / daß er dergleichen Ausschindling auff die Welt bringen helffen.
6. Frantz Drusset hat ein gantzes Buch hiervon (de partu Cæsareo) und erzehlet unter andern von einem Namens Godart zu Meseil wonhafft / daß er ein Weib gehabt / welche zum sechstenmal auffgeschnitten worden / und allezeit glücklich geboren habe / den Wundartzt nennet er Nicolas Chuiclet, nach welches Tod sie in Kindsnöthen gestorben / weil kein andrer sich deß Orts unter stehen wollen sie auffschneiden.
7. Ambrosius Noir ein berühmter Wundartzt zu Poithuiers und Gilles Grün haben eine arme Frau zu Morinville auffgeschnitten / und drey Kinder von ihr genommen / welche alle drey nicht lang gelebet / die Mutter aber ist darvon gekommen / und etliche Jahr hernach an der Pest gestorben.
8. Bernharda Arnoul unferne Estampes hat vier Tage gekrissten / und endlich um Gottes Willen gebetten / man solte sie öffnen / welches ein ungeschickter Wundartzt kühnlich und glücklich verrichtet / und als ein gemeines Geschwer eröffnet / mit Häfften den Leib wider zusammen genähet / und mit einem Stärckpflaster versehen / daß Mutter und Kind darvon gekommen. Ja dieses Weib hat sich nach ihres Mannes Tod wider verheuratet.
9. Collatte Berenger zu Ury bey Fontaineblau gienge über den zehenden Monat schwanger / und truge ein Todes Kind / welches durch den ordentlichen Gang nicht hinaus wolte: Ist aber auffgeschnitten und das Kind mit der halb verfaulten Afftergeburt an ihr genommen worden. Diese wurd wider heil / und hat hernach mehr Kinder zu der Welt gebohren.
10. Der gleichen hat sich auch in der Schweitz begeben / da Elisabet Alespachin eines Wundartztes Jacob Nufers [122] Weib zu Sigershausen / zum erstenmals in Kindsnöth überaus grosse Schmertzen erlitten / und alle Hebammen deß Orts zu ihr kommen lassen / welche ihr doch nicht helffen können / Ihr Mann sagte ihr in das Ohr / wann sie wolte / were er entschlossen ihr den Leib auffzuschneiden. Das Weib willigte darein und bate solches ja nicht zu verzögern. Der Mann gehet hin / und saget es der Obrigkeit an / damit wann es übel außschlagen solte / man ihn nicht für seines Weibes Mörder halten möchte.
11. Nach diesem sagte er / daß alle zage und seiche Weiber auß der Stuben gehen solten / welches auch erfolget / daß ihrer nur zwo bey ihm geblieben. Er bittet Gott um gnädigen Beystand / leget darauff das Weib auff den Tisch / und schneidet mit einem Scheermesser einen eintzigen Schnitt / daß die Weiber das Kind aus ihrem Leibe nehmen / ohne Verletzung der Mutter. Ob nun wol die Weiber für der Thür das Kind weinen hörten und hinein wolten / machte er doch nicht auff / bevor er die 5. Häffte gegeben / welche in wenig Tagen wider geheilet worden / das Kind ist frisch und gesund erwachsen. Die Mutter hat nach diesem noch Zwillinggebracht / und leben der Orten noch von diesem Geschlechte.
12. Hier möchte man sagen / daß man von denen nur lese / welche darvon gekommen / aber nicht von denen / welche darvon gestorben. Ist wahr / man muß aber glauben / daß andre Ursachen mit unterlauffen; als / daß die Kindbetterin viel zu schwach daß die Frucht in dem Leibe nicht gesund / welches vielerley Zufälle verursachet / daß der Wundartzt der Sachen nicht genugsammen Bericht / und den Handgriff nicht weiß / daß die Mutter nicht gesund / alt und unheilsam / etc. Solcher Gestalt kan dieses Mittel / und kein anders das Todesziel zurück halten. Es ist aber eine seltene Frage: Wann dem Weib Zwilling in dem Leib hat / und kan sie nicht zu der Welt bringen / daß man ihr gleichsam die Wand der Mutter öffnen muß / welches auff der lincken und rechten Seiten geschehen kan / welcher under beeden der Erstgeborne? Auff welcher Seiten der Leib am höchsten / da soll man den Schnittwagen [123] und derselbe wird der Erstgeborne seyn / ob er gleich der letzte in der Empfängniß gewesen were /
135. Die Regung deß Geblüts
(CXXXV.)
Die Regung deß Geblüts.
Uber dem gemeinen Sprichwort / die Liebe steigt untersich / und nicht übersich / ist die Frage; woher doch solches komme? Kein Gebot heisst die Eltern ihre Kinderlieben / weil solches ohne Gebot beschihet / zum andern trachtet der Mensch in diesem Leben nach nichts eiferiger / als nach der Unsterblichkeit /welche er gleichsam in seinen Kindern vorsihet / und ihme selbsten verheissen kan. Drittens ist die Ursache an den Kindern / welche wie fast alle Menschen gegen GOtt dem himmlischen Vatter / undanckbar gesinnet sind gegen ihre Eltern / welche alles was von ihnen kommet / solt es auch das unvollkommenste Ding in der Welt seyn / mit blinder Liebe behertzigen. Ja es findet sich in jhrem Gemüt eine solche Regung deß Geblüts / wann sie die lieben ihrigen / auch unbekanter Weise ansehen / daß jhnen das Hertz saget / was sie nicht wissen wie auß nachgesetzter Erzehlung zu ersehen seyn wird.
2. Zu Toledo spatzierte auff den Abend an den Fluß ein alter aber sehr armer Edelmann mit seinem Weib / einer Magd / und seiner Tochter / welche kaum das sechszehende Jahr an etretten hatte. Die Nacht war hell / der Lufft heiter / der Weg in einer so grossen Statt sicher / aber doch / wie wir hören wollen / nicht versichert / und hat jhn solche Spatzierlust viel Jahr grossen Unlust verursachet.
3. Rudolf (oder Rodolfo, wie jhn der Spanische Scribent nennet) ein vornehmer reicher / und deßwegen mutiger junger Herr / begegnete jetztgemeldten mit noch vier seiner jungen und frischen Edelleuten /welchen gleich ihme kein Frevel und Mutwillen zu verüben bedencklich war. Diese Wölffe begegneten den Schafen / und liessen sich gelusten / das zartste von der Heerde zu kosten. Der Schäfer (ich sage der alte Edelmann) verwiese jhnen solche Ungebühr / und hiesse sie ihren Weg gehen / welches sie zwar gethan / in dem fortgehen [124] aber einen Anschlag auff Leocadia (also nennte man die Jungfrau) gemacht / und jhr auff der nechsten Strassen vorgewartet / sie zu entführen /einstimmig entschlossen.
4. Solches zu vollziehen war unschwer / massen diese fünff bewehrte / mit drey schwachen und verzagten Weibspersonen und einem unbewaffneten Mann zu thun hatten / daß also Rudolf Leocadiam umarmet und in seine Behausung träget / welche in dem Schrecken in eine Ohnmacht gesuncken / und nicht wissen mögen wie ihr geschehen / die andren Gesellen aber jagen den Vatter und seine Haußgenossen mit blosen Degen durch etliche Gassen / und hat jhnen und ihrem Geschrey bey der stillen Nachte niemand zu Hülffe geeilet.
5. Inzwischen hatte Rudolf seinen viehischen Willen mit der ohnmächtigen Leocadia brünstigst vollbracht / und als er sie wider an jhrem Orte gewünschet / (massen dergleichen Sünde mit der Reue und dem Abscheuen verbunden ist /) unn dahin zu bringen bedacht / kommet sie wider zu jhrem Verstand / und erwachet gleich auß dem Sündenschlaff jhrer Unschuld / und bedachte / was ihr wider ihren Willen unwissend geschehen; mit hertzlichem Wunsche / daß selbe Nacht die letzte jhrer Tage / und das Bett / auf welchem sie sich entblöset befunden (dann Rudolf hatte sie verschlossen / und wolte sich bey seinen Gesellen Raths erholen / was ferners zu thun) jhr zu einer Grabstette werden möchte. Weil nun mit Klagen der Sache nicht geholffen / beschauet sie den Ort / in welchem sie sich befande / und fühlte daß die Thüre verriegelt / das Zimmer mit schönen Tapeten bekleidet / und daß das Fenster in einen Garten sahe; nahme auch darauß ab daß jhr Unglück sie an kein schlechtes Ort begleitet hatte.
6. Unter andern fande sie bey dem Schreibzeug ein kleines Crucifix von dichtem Silber / welches sie zu jhr nahme / der Hoffnung / daß sie GOtt aus diesen Nöthen retten / und aus jhrer Unschuld wider zu Ehren bringen werde. In dem kommet Rudolf wider /und zwar stillschweigend / damit sie jhn an der Rede nicht erkennen solte. Er thäte sich wider freundlich zu jhr / und wolte wider anfangen / wo er zuvor auffgehöret [125] hatte / sie aber vertheidigte sich mit Händen und Füssen / und wolte nit zulassen / was sie zuvor unwissend verstattet. Als er nun nichts richten können hat er abgelassen / jr die Augen verbunden / und wie sie flehendlich begehret / zu der Hauptkirchen geführet / und alldar stehen lassen, da sie dann den Weg /mit vielem Wehklagen wider nach Hause gefunden /und ihre hertzbetrübte Eltern mit ihrer Gegenwart erfreuet / durch die Erzehlung aber ihrer Begegniß noch mehr bekümmert hatte.
7. Ob sie nun erstlich vermeinten das besagte Crucifix auf allen Cantzeln verruffen zu lassen / und dardurch desselben Herrn in Erfahrung zu bringen; hat sie doch leichtlich ermessen / daß desselben rechter Inhaber sich nicht anmelden / sie aber dardurch in offentliche Schandegesetzet werden möchte / von welcher ein Quintlein schwerer ist / als ein Centner heimlicher und wider Willen begangener Unehre. Der Vatter und die Mutter trösteten ihre unschuldige Tochter /und stellten sie endlich mit beharrlicher Neigung gegen sie / etlicher Massen zu frieden: Doch erneurte sich ihr Schmertzen / als sie sich schwanger befande /und dem Spott ihrer Befreunden zu entfliehen / auff das Land begeben muste / da sie zu rechter Zeit eines jungen Sohnes genesen / und ihn Ludwig nennen lassen.
8. Rudolf raiste inzwischen in Welschland / und hatte dieser That vergessen / mit seiner ersten Windel; lebte alldar wol / und übte sich in allen ritterlichen und wolständigen Sitten / daß er also mit grossem Lob / nach etlichen Jahren / wider nach Hause gekommen. Auff eine Zeit fügte sich / daß dieser Ludwig auf der Rennbann / unter das Pferd seines unbekannten Anherrns lauffet / und schmertzlich getretten wird. Dieser Rittersmann / Maximin genannt / springet so bald von dem Pferd / nimt das schöne Kind in seine Arm / und trägt es selbsten nach Hause / nit ohne sondre Regung deß Geblüts / und hertzliches Mitleiden /wegen begebenen Unglückes.
9. Das Geschrey von dem verwundeten kleinen Ludwig erschallet / und fraget die Mutter nach ihrem Pflegkinde / (wie sie es zu nennen pflegte / ) erfuhre auch endlich / daß solches in [126] Maximins Hause getragen worden; dahin sie sich eiligst begiebet / den verletzten Knaben abzuholen. So bald sie nun in das Zimmer kommet / erkennet sie das Bett / das Gartenfenster / die Thür und den Schreibzeug / von welchem sie das Crucifix genommen; hörte auch mit Freuden /daß der Schaden ohne Gefahr / und leichtlich wieder zu heilen seyn würde. Maximin und sein Weib hatten mit dem Kind übergrosses Mitleiden / und wil es nicht aus dem Hause lassen / bevor es völlig geheilet und von der Verletzung genesen / welches Leocadia geschehen lassen / und verhofft / zu Erkäntniß dessen ihres Ehrenraubers dardurch zu gelangen.
10. Dieses Sinnes eröffnet sie ihren Eltern den gefasten / und bey ihr sichern Wahn / daß in selben Hauß / und in selben Zimmer der Anfang ihres Unglücks sich begeben / und durch diese Fügniß auch geendiger werden möchte; zu deme weil Maximin unn sein Weib Stefania vielmals sagten / daß dieser Knab ihrem vorsieben Jahren abgereisten Sohn in dem Angesicht sehr gleichte / unn solches eben die Zeit in welcher Leocadia verunehret worden? Zu fernern Beweiß probirte sie dz Crucifix / und fande / daß es eben der Schreibzeug / auf welchen es gestecket. Solches alles eröffnete sie Stefania / und bate sich ihrer / als ihre Mutter und Großmutter deß kleinen Ludwigs /anzunehmen.
11. Stefania liesse ihren Sohn Rudolf ohne das wieder auß frembden Landen kommen / und erforschte von seinen Gesellen und Dienern / daß er vor 7. Jahren eine unbekante Jungfrau entführet und in sein Zimmer gebracht hatte / deßwegen sie ausser allem Zweiffel der Leocadia Worten Glauben zugestellet. So bald auch Rudolf das Kind ersehen / und das Kind Rudolf hinwieder / ist das Geblüt / wie man zu reden pfleget / zusammen gerunnen / und hat sich nicht triegen lassen.
12. Kurtz zu sagen Rudolf hat seinen begangenen Fehler ersetzet / die betrübte Leocadiam gefreyet und erfreuet / welche ihre Armut mit der Tugend erstattet /und alles außgestandenen Unglückes vergessen; ja erkennet / daß sie sonder solches zu einer so stattlichen Heurat nicht gelangen mögen. Hierin haben nun beederseits Eltern gewilliget / [127] und sich diese Eheleute schiedlich und friedlich mit einander betragen / daß also wahr scheinet / daß der die Erste Blum der Jungferschafft abbricht / bey der verunehrten Person leichtlich wider zu Gnaden kommet / und sie ihme die Zeit ihres Lebens nicht abhold seyn könne.
136. Die Vollsäuffer
(CXXXVI.)
Die Vollsäuffer.
Ein Trunckenbold giebt keinen guten Mond: Er ist alle Tag voll / der Mond aber in vier Wochen nur einmal. Solche werden nachdenklich Helden in der Fůllerey / von den Propheten genennet / weil sie mit Gläsern streiten / und wann sie einen erlegt / so rühmen sie sich / als ob sie eine Heldenthat verrichtet. Darzu dienet nun das Gesundheittrincken / welches den Artzten und Apotheckern allein wol bekommet /denen aber welche solcher Gestalt andrer Gesundheit anwünschen mit Worten / bringen ihnen mit Wercken die Kranckheit an den Halß / und scheinet fast verantwortlicher / daß man die Gesundheit nit bescheid thue / und nüchtern die Stiege abgeworffen werde / als daß man sich dardurch vollsauffe / und die Stiegen selbst abfalle.
2. Woher nun dieser Gebrauch komme / sind unterschiedliche Meinungen. Etliche führen das Gesundheittrincken von den Hebreern her / welche bey den Geburtstagen jhrer Könige und Fürsten / ihnen langes Leben / glückliche Regierung / und alles Wolergehen angewünschet / dieses ist auch nachmals auff gemeinen Mahlzeiten in Gebrauch gekommen / und soll auch Joseph solches gethan haben / mit dem Becher /den er Benjamin hat lassen einbinden / von welchem geschrieben stehet / daß er damit weisgesagt / das ist dem König viel gutes angewünschet. Nachmals ist es auch auff Gemeine und Anwesende gebracht worden /daß die Lateiner zu sagen pflegen: Bene Te, bene me, bene nostras familias, etc.
3. Etliche wollen diese Gewonheit sey von den Leichb gängnissen entstanden / in welchen man nach abgelegter Traurigkeit den Trost und Freuden Becher hat lassen herum gehen / zugleich auch den noch übrigen Gesundheit / Heil und Segen [128] gewünschet. Dieses weren noch verantwortlich / wann es bey dem Becher der Frölichkeit verbliebe / mit vorbehalt der alten Teutschen Freyheit / daß man wie bey Ahasveri Mahl / Bescheid zu thun nit gezwungen würde / welches gewißlich der Stiffter alles Unheils / der leidige Teuffel erfunden haben mag; massen solche Säufferey Sünde /und ein Anlaß zu allen Lastern.
4. Je köstlicher eine Sache / je schädlicher ist desselben Mißbrauch. Was ist doch schätzbarer und köstlicher / als der Wein? Er giebt die beste Nahrung / er wird am geschwindsten zu Blut / er erfreüet dz Hertz / versichert solches für allen Gifft / dient dem Hirn / vertreibt die Sorgen / macht wol schlaffen / und die Zunge fertig zu reden / er erwärmet den Magen /hilfft der Deyung / macht gutes Geblüt / stärcket die Lebens geisterlein / und ist eine alltägige Artzney. Wird er aber mißbraucht / unn zu viel getruncken / so bringt er nit weniger Schaden; er verursachet den Schlag / Lähmūg der Glieder / das Zipperlein / Flüsse / Haubtweh / und schwächet / wegen der Menge die natürliche Lebenshitze / daß dz Sprichwort wahr /welches saget: Offt und frühe getruncken / früh gestorben. Der Wein sagt Celestina / hat 2. Mängel / der gute verderbet den Beutel / der böse den Magen. Trinck ich Wein so verderb ich / sagt jener / trinck ich Wasser so sterb ich; doch ist besser dreymal verdorben als einmal gestorben.
5. Noch viel grössers Nachtheil bringt das ůberflüssige Weintrincken dem Verstand: In dem dardurch das Gehirn verdüstert / der Mund die Geheimniß deß Hertzens verräth / den Willen deß Menschen zu böser Brunst verleitet / und das Ebenbild der Gottheit / dessen Anzeichen in unsrer Vernunfft / wiewol sehr unvollkommen / übergeblieben / wird durch die Trunckenheit ausgeleschet / und der Mensch dem Viehe gleich / ja noch ärger / dann das Viehe nit mehr trincket / als der Durst und Notturfft erfordet / und liesse sich über Noth zu sauffen nicht nöthigen / solte man es auch zu tod schlagen.
6. Also wird der Wein wol gemeinet: Die beste und die ärgste Gabe / so den Menschen verliehen worden. Wie nun jener gesagt / ein Zorniger solte sich in dem Spiegel beschauen / und sein ungestaltes Angesicht betrachten: Also soll auch ein Nůchterner [129] andre Trunckene betrachten / so wird er leichtlich absehen können / daß auch ihme solches übel anstehe: wie wir dann lesen / daß die Lacedemonier ihre Knechte voll sauffen lassen / ihren Kindern für diesen Lastern einen Abscheu zu machen / als durch welches sie den Gebrauch aller äusserlichen und innerlichen Sinne verlieren.
7. Das viel trincken ist nun das einige / welches man uns Teutschen aufrucket / und ist doch etlicher massen zu entschuldigen / ja unter die Hoftugenden zu rechnen / wann nemlich einer einen starcken Trunck vertragen kan / daß er bey guten Verstand bleibet / seine Sachen bey solcher Gelegenheit werben kan (massen etlicher Fürsten Gnade mit sauffen zu erkauffen) sonsten aber kein Gefallen oder Belieben zu dem Trunck träget / und durch viel bescheid thun die Bescheidenheit nicht verlieret. Wann nun solches selten und gezwungen beschihet / ist er wol bezecht oder betruncken / aber deßwegen kein Trunckenbold und Vollsäuffer zu schelten; und halten die Artzney verständigen mit Hippocrate deß Monats einmal / solches für gesund / hingegen aber ein gar zu unordentliches Leben für sehr gefährlich und beschwerlich.
8 Solche Leute sind von einander leichtlich zu unterscheiden. Der Vollsauffer wird in Regimentssachen wenig dienen / weil sein Verstand sich nit gar weit erstrecken kan / und heist es bey ihm heut voll / morgen doll. Nach deme die Feuchtigkeit od' die Hitze deß Weins den Leib beherrschet / nach deme werden die Anzeichen zu beobachten seyn. Die Hitze verursachet den Zorn / die Fertigkeit zu reden / die Röthe in dem Angesicht / wie auch der Prophet solches beobachtet /wann er das Weh schreiet über die / so Abends und Morgends sitzen außzutrincken / wz eingeschencket ist / daß sie der Wein erhitze. Darvon kommen die kupfern Wangen / die scharlacken Nasen mit Rubinen versetzet / und die funklenden Augen.
9. Wann nun die Feuchtigkeit überhand hat / erfolget darauf die Trägheit / ein auffgelauffner Bauch /ein schweres Haubt / das lauffen über den gantzen Leib / eine schwache Zunge [130] und noch schwächere Beine / darauf sich der Leib / ohne schwanken nit halten kan. Dieses alles würcket nach Beschaffenheit deß Weins unn deß Gehirns dessen / der solchen zu sich genommen: deßwegen auch die alten Bacchum gemahlet auf einen Melancolischen Thiegerthier / neben ihn einen Cholerischen Löwen / hinter ihn ein phlegmatisches Schwein / und vor ihn einen blutreichen Affen.
10. Welche aber dem vollsauffen nicht ergeben sind / sondern nur zu Zeiten / wann es seyn muß / sich bezechen / ohne Verletzung ihres Verstandes / erweisen / daß sie ein gutes und reines Gehirn haben / und also vermuthlich kluge und weltweise Leute sind: massen ein schwaches Hirn / wie die Weiber und Kinder haben / keinen starcken Trunck vertragen können. Diesen wird man in dem Angesicht nicht ansehen /daß sie gerne trincken / und wann solches seyn muß /werden sie wieder außnüchtern und darauf fasten. In gemein sind sie grosse starcke Leute / wie die Teutschen zu seyn pflegen / daß man wol zween Spanier und ein Italiäner daraus schnitzen könte / wann sie von Holtze weren. Cyrus hat das Königreich ertruncken / und die Athenienser haben ihre Obrigkeit (Onoptas ap. Cæl. Rhodig.) erwehlet / nach der Wolvermögenheit zu trincken. Nestor wird bey dem Homero mit seinem grossen Becher eingeführet / und viel werden durch den Trunck kluger: ja es scheinet /Gott habe aus sondrer Vorsehung den kalten Mägen der Teutschen den guten Rheinwein verordnet / und das Eichene Holtz selben aufzuhalten gegeben / daß sie solches herrlichen Gewächses deß Patriarchen Noa / mehr als andre Völcker geniessen sollen und können.
11. Dieser Unterscheid zwischen einem Trunckenbold und einem Trunckenen / hat auch der Apostel beobachtet / wann er sagt / daß kein Trunckenbold / das ist / der sich täglich vollzusauffen pfleget / dem der Tag zu trincken zu kurtz / und die Nacht üm auszunüchtern nicht lang genug ist / soll das Reich GOttes ererben. Wann solches von den Trunckenen / welche keine Gewonheit daraus machen / solte gesaget seyn /were es manchem zu kurtz geredet. Wir vergehen [131] uns aber zu weit / und wollen auff dem Schauplatz etliche närrische Säuffer stellen / welche einander zu abenteurlichen Bescheid thun vermüssiget.
12. Die Schiffer schneiden sich in die Weichen deß Leibs / oder in die Hand / und lassen ein Tröpfflein Bluts in den Becher oder Glaß triefen / wann sie mit einander Brüderschafft machen: etliche schneiden /oder durchstechen die Ohren / sie trincken aus Pantoffeln / aus den ledern Häublein / durch de Knebelbart /etc. wie solches der Säuffer Buchhalter / der Teutsche Rabalais fleissiger in sein Regiester getragen. Die Frantzosen haben sich in diesem Stucke / wie auch allen andern Sachen sinnreich erwiesen / wiewol fast unhöflich / in deme etliche gute Gesellen eine Gesundheit getruncken von dem Wein / der einer gantz entblösten Weibsperson auf den Rucken gegossen worden / etc. Von solchen Soldaten Baccchi ist ein mehrers zu sehen in dem VI. Theil der grossen Schauplatzes jämmerlicher Mordgeschichte.
137. Der Kinder Segen
(CXXXII.)
Der Kinder Segen.
Man sagt in dem Sprichwort: Ein Ehestand ohne Kinder ist eine Welt ohne Sonne / verstehe ohne Freude /so das liebe Sonnenliecht mit sich bringen kan / und wie ohne die Sonne nichts nit auff Erden wachsen kan / also kan / ohne Kinder das Menschliche Geschlecht nit fortgepflantzet werden. Vielen aber ist die Sonne gar zu fruchtbar / daß sie vor solchem Segen nit können in die Schüssel langen: Vielen werden auf einmal mehr Kinder gebohren / als sie verhoffet / und weil dergleichen Fälle selten / wollen wir solche von vergangener Zeit herholen / und solche Kinderreiche Mütter auff unsern Schauplatz stellen; massen man auch sonsten dergleichen Personen zu einem Schauspiel herüm zu führen pfleget.
2. Aus dem Hause von Beauville in Franckreich (aus welchem der Mareschall von Monlůc seine Gemahlin gefreyet) hat eine Princessin / die Anfrau besagter Marschallin neün Töchter auff einmal zn der Welt geboren / welche alle [132] neune sind verheuratet worden / und begraben liegen in der Haubtkirchen zu Agen / welche geweyhet ist S. Crepasi / und von dem Hause der Herren von Beauville erbauet worden. Die Geschichte verhält sich also: Anna von Beauville eiferte mit ihrer Kammermagd / weil sie schön und mit ihrem Herrn zu reden pflegte. Fernere Gemeinschafft zu verhüten / bringt sie zu wegen / daß sich die Kammermagd verheuratet: welches geschehen / fügte sich /daß ihre Zeit der Geburt herbey kame / und sie drey Kinder zugleich auff die Welt brachte. Hierüber eifferte die Frau von Beauville noch mehr / und sagte /daß ihr Herr müsse darzu geholffen haben: GOtt aber verhengte / daß sie neun Töchter gebare / und doch wol wüste / daß ihr Herr allein darzu Vatter; deßwegen sie auch acht darvon zu ersäuffen befohlen.
3. Der Herr von Beauville kame von der Jagt und begegnet die Amme / welche die Kinder versäncken solte / nimmt sie alle / und lässet sie heimlich erziehen / und alle mit einem Namen Burgua nennen / wie auch die neunte geheissen. Nach deme sie nun erwachsen / hat sie der Vatter alle neune gleich kleiden / und in ein Zimmer sperren lassen / seine und seiner Gemahlin Freunde zu Gast gebetten / und dem Weib befohlen / sie soll die Tochter Burgua holen / welches sie thun wollen / aber an einer Tochter statt alle neune gleicher Grösse / Kleidung und Namens gesunden /solche auch für ihre Kinder erkennen / und ihren falschen Wahn von der gewesenen Kammermagd bekennen müssen. Dieses Inhalts erzehlet solche GeschichtM.L. Jaubert im 3. Buch von den gemeinen Fehlern.
4. Picus Graff von Mirandula schreibet / daß eine Teutsche Frau / auff zweymal XX. Kinder geboren: das erste mal XII. und habe ihren Leib in einem Band tragen müssen / das andremal habe sie VIII. zur Welt gebracht.
5. Martin Kromer erzehlet in seinen Polnischen Geschichten / daß eine Gräfin von Vierbossas in Krakau / 36. Kinder zu der Welt geboren / weren aber alle sehr unvollkommen gewesen / und bald gestorben.
[133] 6. Eines Haubenmachers Weib zu Paris zeugte fünff Söhne auf einmahl / unter welchen der Mittlere allein im Leben geblieben.
7. Bey Chanbelay in Franckreich ist ein altes Geschlecht / die Maldemere genant / dessen Weiber eine das erste Jahr 2. Kinder / das andre Jahr 3 / das dritte 4 / das vierte 5 / das fůnffte Jahr 6. Kinder zur Welt geboren / und an der Geburt sterben müssen. Eines von den letzten sechsen ist noch in dem Leben / und wird genennet von dem Stammhauß / der Herr von Maldemere. Pareus im 24. Buch am 5. cap.
8. Avicenna schreibet in seinen 9. Buch / daß ein Weib 70. vollkommene / aber gar kleine Kinder zu der Welt geboren / und Plinius / daß eine arme Frau zu Rom auf viermal 20. Kinder geboren / darunter die meisten das Männliche Alter erlanget.
9. Was man von der Gräfin in Holland saget / daß sie so viel Kinder geboren / als Tage in dem Jahre sind ist eine Lügen etlicher Mönichen / welchen es der Orten gar genau gegangen / unnd sich bey dieser erdichten Geschichte sehr wol befunden / massen solches in einem geschriebenen Holländischen Jahrbuche ümständig zu lesen.
10. Die Empfängniß und Geburt deß Menschen ist durchgehend wunderbar. Ins gemein wird ein Kind allein auff die Welt geboren: welches länger in Mutterleib verbleibet / als die Thiere / weil es ein viel vollkommeners Wesen / darzu längere Zeit erfordert wird / und die Thiere werden in mehrerer Anzahl gebohren / weil sie den Menschen zur Speise gegeben / und zu andren Diensten gewidmet sind.
11. Es sind aber in der Mutter weiblichen Leibes nit mehr als zwey Behaltnissen / eine zu der lincken /die andre zu der rechten Hande / dz Weib hat nur 2. Brüste / da die Thiere selber vielmehr haben / mehr Jungen zu nehren / daraus zu schliessen / daß über 2. Kinder von einem Weib nit geboren werden / es seye dann daß solches geschehe aus besondrer Beschaffenheit der Mutter / welche gewisse Behaltnissen haben muß / wie die Thiere / oder der Frucht / die so viel kleiner und unvollkommener / [134] oder von der Einbildung deß Weibs / und deß überflüssigen Samen deß Mannes / oder andren natürlichen Ursachen / welche allhie nicht alle anzuführen.
12. Es ist aber leichtlich zu ermessen / daß solche vielfältige Kinder nit zu einer Zeit in Mutterleib empfangen werden / sondern wie die Zwillinge / bald nacheinander / massen sonsten sie gleiche Kräfften und reiches Wachsthum und die Zeitigung zu gleicher Zeit nit haben könten. Bey den Zwillingen liegen die gleiches Geschlechts in einen Bälglein abgesondert /und die Knäblein auff der rechten / die Mägdlein auff der linken Hande. Wann nun die Geburt gezeitiget /und an das Liecht begehret / so hanget sie mit dem Nabel als dem Mittelpunct deß Lastes / und weil der Kopff am schwersten / dringt er erstlich hervor. Hierauß ist zu erachten / daß die Nahrung / welche ihrer vielen zugleich zugehen soll / nicht gnugsam / sondern nur eine schwache und kleine Frucht ernehren kan.
138. Die Wächselbälge
(CXXXVIII.)
Die Wächselbälge.
Das gemeine Sprichwort saget: Es ist kein List über deß Teuffels List. Daß deme also / hat er von Anfang der Welt meisterlich erwiesen / und beglaubet es noch zu Tage / nit nur in den klugen Weltkindern der Finsterniß / sondern für sich selbsten persönlich / in deme er / wie ein erfahrner Fischer einen solchen Anbiß an seinen Angel ludert / welchen er weiß / daß die Weltfische begürigst verlangen; deßwegen man Ursach sich für den trüben Wassern / in welchen dieser Seelenfeind zu fischen pfleget / zu hüten / und herein zu gehen in Lauterkeit und Mässigkeit / etc.
2. Der Teuffel ist der Schlangen-Beschwerer für welchem man die Ohren verstopffen soll; Es ist der Löw so unsren Seelen nachstellet / sie zu verschlingen: Er ist der höllische Nachtjäger / welcher mit seinem Gefänge / ich sage mit den Belials-Kindern anludert / unnd theils auch mit Gewalt in seine Garne jaget. Solches Luder ist die [135] Fleisches Lust / welche Gott dem Herrn ein solcher Greuel / daß er Land und Leute darüber mit Schwefel und Feuer verbrennet / ja ihrer viel tausend durch das Schwert fallen lassen /wie wie wir lesen von den Benjamitern / daß fast der gantze Stamm wegen eines Kebsweibs ausgerottet worden.
3. Ist nun die fleischliche Befleckung mit Menschen / für dem Allerheiligsten eine so straffwürdige Sünde / wie viel verdamlicher werden die jenigen seyn / welche sich mit dem bösen Feinde vermischen / es beschehe solches würcklich oder scheinbarlich; massen unter den Gelehrten unterschiedliche Meynungen /und sind etliche / welche auß Aberglauben alles was sie nit begreiffen können / Gott oder dem Teuffel zuschreiben. Andre aber glauben noch an einen / noch an den andern / und lehren eine solche Art der Geister die eine Mittelnatur zwischen den Irrdischen und Himmlischen Cörpern haben / und deßwegen von beeden einen Antheil / welchen sie einem oder andern gemein machen können.
4. Die Naturverständige wissen die Ursachen anzumelden / welche man den Nachtmännlein zu zuschreiben pfleget / und nit anders ist / als eine Verhinderung und Zuruckhaltung deß Odems / der Stimme / der Bewegung / und eine Beschwerung deß Leibes / daß man vermeinet oder traumet / als lege ein solcher unter Centnerschweren Steinen. Dieses kommet von einen groben Dunst / welcher sich geschwind verziehet / inzwischen aber das jenige in dem Traum bildet /was man verlanget (wie man an den Hungerigen /Blinden und Verliebten siehet /) und vermeinet bey zu schlaffen / welches doch anderst nit / als in der Einbildung geschehen kan / oder daß eine andre Person für welcher man sich fürchtet (als da sind die alten Hexen) solche drucke und betaste; da doch solches alles von den bösen Dünsten / und nicht von den Geistern herkommet.
5 Es ist nun dieses ausser Zweiffel / und bestärcket solche Meinung die Ungleichheit / welche ist zwischen Leib und Geist. Das Leibliche kan von dem Geistlichen Wesen nit leiblich belästiget / oder belustiget / also auch nit geschwängert werden. 1. die Unterscheid der Geschlechte / männlich und weiblich /welche [136] die bösen Geister nicht haben / 2. daß sich Mann und Weib natürlich zusammen thun / und 3. daß das Weib von dem Mann besamet werde / welches kein Geist verrichten kan / als der keinen lebhafften Samen hat. Nun möchte man sagen / der böse Geist kan einen toden Cörper beseelen / bewegen / erscheinen machen / sich in solchen verstellen / und den Samen augenblicklich von andren Orten entwenden /also nicht von dem Seinigen / sondern von fremdem Vermögen / die männliche Gebühr leisten.
6. Hierinnen waltet nun auch ein grosser Zweiffel /und ist gewiß / daß er ohne Gottes Willen und Verhängnis nichts nit kan / und über die Frommen gantz keine Gewalt hat: über die Bösen aber / und sonderlich über die welche Gott verachten / und der Unzucht ergeben sind / hat der Teuffel Gewalt / wie der Engel zu dem jungen Tobia saget cap. 6. vers. 16. 17. und solche mag er betrügen / fast wie er selbsten wil. Sonsten aber ist der Mannssamen so voller Lebensgeisterlein / daß solche augenblicklich zerstieben / wann sie nit von einen Gefäß ohne darzwischen kommenden Lufft / in das andre gesprützet würden.
7. Diesem sey nun wie ihm wolle / so finden sich doch solche Gebürten / welche von dem bösen Geist erzeuget scheinen. Zu geschweigen von der Heyden Geschichten / die mit den Faunen und Satyren / welches nichts / als Waldteuffel gewesen / deren oberster Pan / von den Ebreern genant Haza / (darvon unser teutsches Wort Hex herkommet) von den Lateinern werden die Teuffel in Mannsgestalt Incubi, in Weibsgestalt Succubi benennet / auff Hebreisch Lilith. Eine solche Teuffelsbrut soll gewesen seyn / der Engelländische Cantzler Merlin / ein grosser Zauberer: die Grafen von Boitiers / so von der Melusina hergekommen / die Jagellons in Poln / die Huns in Hungern / so von den Göttischen Faunen Arlun oder Alraun sollen herkommen.
8. Chieze ein Spanischer Scribent meldet in seiner Geschichtschreibung von Peru / daß der Teuffel in ihrer Sprache Corocote genennet / sich mit den Weibern deß Orts würcklich vermischt / und daß die Kinder / welche von solchem Beyschlaff [137] geboren worden / kleine Hörner auff dem Haubte tragen. Bey den Türcken sind die Nefesoliner / welcher Vatter ist der böse Geist / und sie sind ins gemein Schwartzkünstler.
9. Von diesen Leuten schreibet Augustinus der alte Kirchenlehrer / daß der böse Feind die Kinder verwechsle / daher sie auch Wechselbälge unn Kilkröpffe genennet werden (weil es in jrem Kropff stetig kilt) werden an deme erkennet / daß sie nit reden od' lachen / sondern wie ein stück Fleisch nur essen und trincken wollen / werden aber niemals satt / und daran erkenne man sie.
10. Es ist eine Frage: Ob man solche Kinder taufen sol? Die Lehrer deß Worts Gottes sagen ja / weil man sie nit alsobalden erkennen kan / und sol ihnen die Taufe nit versaget werden: wann sie andern Kindern gleich / und kein Merkzeichen ihrer Unart sehen lassen. Sie bringen ihr Alter nicht über 18. oder 19. Jahre / und werden für Gespenster gehalten / dafür ein jeder einen Abscheu hat.
11. Viel vermeinenen solche Kilkröpffe haben keine Seele / sondern nur einen scheinbaren Leib /wie dergleichen zu Dessau gewesen / und zu Halberstatt / darvon zu lesen in den Tischreden D. Luthers am 87. Blat. Was wunderliche Veränderung dieser Tausentkünstler würcken / und wie meisterlich er die Menschen verblenden kan / ist ümständig zu lesen in allen Scribenten / welche von den Hexen geschrieben haben; Kan er auß Stäben Schlangen machen / kan er Unziffer hervor bringen / und sich in einen Engel deß Liechts verstellen / wie solte er nit auch eines Menschen Leben / jedoch ohne Seele / (welche von Gott allein kommet) unter seinen Bundsgenossen / fürstellig machen können.
12. Gewiß ist / daß der böse Geist ein Geist der Unreinigkeit und aller Befleckung ist / deßwegen ist er auch dem Ehestande feind / und suchet denselben auf alle Weise zu hindern. Wann er nun jemand durch den Traum oder Schlaff / welcher wärmet und feuchtet / ohne wissen oder wol auß böser Einbildung / die er vor und in dem Schlaffen gehen gehabt / dahin bringet / daß ihm der Same entgehet / wie die Schrifft redet /so hat er einen Anfang zu seinem Betrug / und ist in dem alten Testament [138] ein solcher unrein gewesen / biß auf den Abend; ja die Heyden haben sich deßwegen mit Wasser gebadet / und es genennet die Träume abwaschen / wie hiervon zu lesen in Cœl. Rhodigin. l.A.L.C.
139. Der natürliche Zauberer
(CXXXIX.)
Der natürliche Zauberer.
Der Betrug ist selten klug / nach dem gemeinen Sprichwort / verstehend / so klug / daß man die Betrüger das Handwerck solte außlernen lassen. Gleich wie nun die Schlangen von Natur so klug / daß sie den Kopff verbergen / weil sie wissen / daß alle Haubtwunden tödlich / die Verwundung deß Leibes aber leichtlich wider heilet: Als solten solche Betrůger nichts mehr als das Haubt verwahren / welches leichtlich durch deß Henckers Strang oder Schwert kan verwundet werden / und kommet das Meisterstück der Kunst an den Galgen / massen einen zeitigen Dieb ein hinckender Scherg ereilet / wie man in dem Sprichwort saget.
2. In der vornehmen Käyserl. freyen Reichstadt Nürnberg hielte sich ein vermöglicher Kauffmann /der theils von seinen Eltern / theils von seinem Handel ein grosses Vermögen zusammen gebracht / mit was recht / ist nit zu gedencken: ein Reicher ist entweder ein ungerechter Mann / oder eines ungerechten Erb; mehrmals ist beedes beysammen.
3. Dieser Valentin / (also war sein Name) hatte einen Sohn / den er in allem Uberfluß / Müssigang und Uppigkeit aufferzoge / daß er also das Junckern Handwerck mit zuwachsenden Jahren erlernet weil der Vatter den Verlag darzu reichlich verschaffte. Nach deß Vatters Tod befanden sich mehr Schulden abzuzahlen als einzunehmen / gestalt es mit den Kaufleuten heist / wie dort Solon gesagt / daß keiner vor dem Tod glückselig zu nennen.
4. Bartholin der von den Schuldnern enterbte Sohn / bliebe eingesetzter Erb der Dürfftigkeit / jedoch liesse er ihm kein trauren das Hertz abstossen / sondern gesellte sich zu seines [139] gleichen leichtsinnigen Gesellen / Gaucklern / Zahnbrechern / Seiltantzern / Taschenspielern / und erlernet von ihnen / wie man den Leuten dz Geld ohne Zauberey / auß dem Beutel storgen und betrügen könte. Er war ein Ertzbub / mit Karten und Würffeln Brodtkünste zu machen / die Nüß unter die 3. Becher zu bringen / und was dieser Leute Ordensbrief mehr außweiset:
5. Nach dem er nun etliche Länder durchwādert /alle Franckfurter und Leipziger Messen besuchet /lässet er sich in einer vornemen Stadt in Schlesien nider / und weil er deß raisens müde / und viel Liebhaber seines Gauckelwercks der Orten fande / nimmet er einen Jungen an / der aller Schelmerey fähig / unn unterweiset ihn / der Hoffnung / daß er solchen Unterricht / mit getreuer Dienstleistung erwiedern solte /wie er auch gethan.
6. Diesem Jungen vertraute er alle Heimlichkeit /weil er ihn probieret und verschwiegen gefunden. Es ist unschwer zu erachten / daß dieser Bartholin einen guten Korb / darinnen er seine schlechte Waare gen Marckt getragen / ich wil sagen / daß er wol schwetzen / und auffschneiden können; ja mehr versprochen / als er zu leisten vermögt; daß er also in den Gesellschafften angenehm / und bey allen Frölichkeiten sich befande.
7. Als er auff eine Zeit versprochen / er wolte etliche verstorbene Geister sehen lassen / hatte er seinen jungen vorgeschicket / und Krebsen oder Schildkroten Wachsliechter auffgekleben / anzünden / und selbe also kriechen lassen. Die gantze Gesellschafft stunden erstaunet von ferne / und sahen die Wachsliechter (welche er Geister nennte) auff den Kirchhoff herum lauffen / verwundern sich darüber und giengen darvon.
8. Zu allen Unglücke wurde dieselbe Nacht in ein Hauß gebrochen und viel kostbare Sachen darauß entwendet. Jedermann schreyet / daß solches der Zauberer mit seinen Geistern müsse gethan haben / und weil die Sache für die Obrigkeit / benebens andern Anklagen wider Bartholin / angebracht wurden / wird den Schergen befohlen / diesen Zauberer zu greiffen und in Verhafft zu bringen.
9. Dieses wird Bartholin bedeutet / und hatte er sich auff [140] eine solche Begebenheit von langer Zeit hero bereit / und in einem Kalter ein Bret / hinder welchem er sich bergen können / außgebrochen / seinen grossen schwartzen Hund aber gewehnet / in denselben Kalter / alle Nacht zu liegen / und weil er Kleider /Mantel und Degen zweymal gleich hätte / und jedesmals eines in dem Kalter hinterlassen / die andre an dem Leib getregen / hat er sich in dem Hause nicht betretten lassen.
10. Die Schergen aber / welche das gantze Hauß durchsuchet / und auch in den Kalter gekommen /sind auff die ungezweiffelte Meinūg geraten / Bartholin sey ein Zauberer der sich unsichtbar gemachet /und habe seinen Geist in diesem Hunde: solchen Wahn bestärckte auch der Hund / in dem er sich wehrte / unn etliche von den Schergen gefährlich angefallen / daß sie die Flucht auß Furcht genommen /und die Kleider nicht darvon bringen können.
11. Bartholin hatte sich inzwischen auff flüchtigen Fuß gestellet / und sich an andre Orten begeben / da er wie zuvor / seiner armen Kunst elendiglich gelebet. Ob er aber dem Hencker in die Hände gefallen / ist nicht bewust. Ohne Zweiffel ist er gestorben wie er gelebt / und lässet man dergleichen Gesellen nit zu dem Sacrament / wann sie nicht von solchem Leben abzulassen und Busse zu thun versprechen.
12. Die Lehr auß dieser Erzehlung kan seyn / was dort der weise Mann sagt: Mein Sohn bleib im Land /und nehre dich redlich / auff daß du habest zu geben dem Dürfftigen / etc. Ein ehrliches Handwerck hat einen güldnen Boden / da hingegen die Meister der 7. freyen Künste oft betteln gehen / und einer der ein gutes Handwerck kan / sich und die seinigen darvon wol ernehren / und in seinen Haußhalten Gottes Segen (der bey unverantwortlichen Sachen nicht ist) täglich verspůret.
140. Der Mutter Fluch
(CXL.)
Der Mutter Fluch.
Deß Vatters Segen und der Mutter Fluch fehlen nicht / sagt das Sprichwort. Den frommen und gehorsamen Kindern / wird von den frommen und Gott gefälligen Eltern die angewünschte Wolfahrt gedeyen / und sagt hiervon wiederum [141] das Sprichwort: Eine weisse Henne leget ein weisses Ey. Hingegen aber wird auch über die unartigen Kinder der Fluch kommen / den ihre Missethaten verdienet haben / und auß einem weissen Eye schlieff auch wol ein schwartzes Hünlein. Manche lehren ihre Kinder gehen wie die Krebs ihre jungen / und ist kein Wunder wann sie Schand an ihnen erleben; Da man sie also ziehen soll / daß / was man ihnen mit der rechten Hande gibt / daß sie es nit mit der lincken nehmen; daß sie (wil ich sagen) nit anderst thun / als sie gelehret seyen. Folgen sie nun nit /so verschulden sie der Eltern Fluch / welcher nit aussen bleibt.
2. In einer vornehmen Stadt in Franckreich / an dem Ertz- oder Mittelmeer (Archipelago) gelegen /hat sich vor wenig Jahren eine Wittib auffgehalten /welche ihre gröste Sorge seyn lassen / daß sie ihre zwey Kinder in der Furcht deß Herrn auferziehen möchte. Sie war fromm / Gottsfürchtig / keusch und gegen jederman demütig und freündlich / daß sie also / wegen ihrer Tugend von der gantzen Nachbarschaft geehret worden. Wiewol sie nun keine Gedancken hatte sich wiederum zu verheuraten / fande sich doch ein alter Wittber von grossem Vermögen / der sich durch ihre Freunde anmelden / und güldne Berge anbieten liesse / sonderlich aber versprache er ihre Kinder / als die seinen / zu halten / und reichlich außzusteuren.
Die Freunde halten diese Heurat für anständig /und bringen die Sache dahin / dz Marcella und Onofrio mit einander getrauet werden. Unter andern wurde in dem Heuratschluß bedinget / Florentina deß Onofrio Schwester Tochter / mit Maximin der Marcella noch jungen Sohn / mit einer ansehnlichen Außsteuer solte verlobet werden / welches noch wegen Maximins minder jahren / so wol auch wegen Cecilia /Marcella Tochter mit einen andern seiner Freundschaft / nit werckstellig gemachet werden konte. Verhoffend nit weniger / als ungehorsam / weil ihr Nutzen allerseit darunter gesuchet würde.
4. Wie nun der Will deß Menschen nicht wil gezwungen seyn / und die Liebe eine Tochter deß freyen Willens ist / also trugen sich die Gemüter Maximin und Florentina gantz nicht zusammen / und konte er sie sonder verachtung nicht ansehen / [142] weil sie ein Bürde anff dem Rucken / welche ihr der beharrliche Fleiß in nehen und würcken auff den Hals gezogen /und wolte dieser Knab kein Weib mit solchem Uberfluß haben / wie er sich vernehmen liesse / und sie eines Botten Tochter nennte / die das Felleisen auff dem Rücken trüge / etc.
5. Zu deme hatte Florentina keine Schönheit noch in dem Angesicht / noch in den Worten / noch in den Geberden / und wolte Maximin mehr auff die Waar als auff das Geld sehen / und ob ihm zwar seine Mutter inständig vermahnte / er solte mit den zuwachsenden Jünglings Jahren sich gegen seine künfftig Hochzeiterin freundlicher erzeigen / hat er geantwortet /daß sie seinen Augen nit gefalle / daß er die gute Tage bey ihr (wann anderst diesen Namen haben können /mit einem reichen und unfreundlichen Weib zu leben) wegen der bösen Nächt nit begehre / und dz er ihr nicht könne hold seyn etc. Die Mutter nöthigte ihn mit bedrauen: Maximin aber verachtet solchen gewinnsichtigen Zwang / und gelobet daß ihme Florentina nit an die Seiten kommen solte.
6. Dieses konte nun Onofrio nit verborgen bleiben /massen Marcella ihren Sohn bey dem Stieffvatter beklagte / und nach deme Maximin mit grosser Unbescheidenheit die Marcellam verachtet / enzweyet sich Onofrio der gestalt mit ihme / daß es fast zu Schlägen gekommen / und er mit seinem Vätterlichem Erbe auß dem Hause gestossen wurde / und begleitet ihn der Mutter Fluch / welche ihm alles Unheil auf dem Halß gewünschet als einem ungeratnen Kinde / das seinen wolmeinenden Eltern viel Hertzenleid gemachet.
7. Maximin kommet mit seinen Gütlein nach Genua / beginnet aldar ein sonderliches Schandleben /welches man auch mit Verfluchung nit wol melden darff / und dieses war das Mittel seiner Mutter Fluch auff sich zu laden / in dem sie ihn mit solchen Worten von ihr ziehen lassen. Geh hin / du gottloser ungehorsamer / leichtfertiger Bub / du weist / daß ich mich wegen deines frommen und Nutzens wider verheuratet / damit du eine reiche und ehrliche Heurat erhalten möchtest: Du bist aber einer so Tugendsamen Jungfrauen nicht [143] werth. Ziehe hin du undanckbares / ungehorsames Kind / GOtt wird dich und alle deines gleichen zu rechter Zeit nicht ungestrafft lassen.
8. Die Thorheit der Jugend / ist dz Unglück / von welcher das Sprichwort saget / daß es nit allein komme. Also vergasse Maximin seiner Mutter Wort /und machte gute Kundschafft mit bösen Weibspersonen / welche nit sonder Ursache / ein böses Geschrey hatten / und weil er sahe / daß sein Geltlein nach und nach in dem Abnehmen / verhoffte er eines reichen Kauffmanns Tochter zu heuraten / und gebraucht sich darzu seines Anhangs / welche wir Delilam nennen wollen. Diese sahe die Schwindsucht an Maximins Beutel / und versprache die Sache werckstellig zu machen / weil sie in dem Hause deß Kaufherrens / wol bekannt / und ihme zu Agatha einen Zutritt machen wolle.
9. Es diente aber eine Magd in der Agatha Hause /welcher sie bey dieser Gelegenheit den Vogel so sie wol berupft / zuschicken wolte. Nach etlichen Tagen giebt sie vor / daß sie seine ehliche Neigung gegen die I. Agatham den Eltern bedeutet / finde aber dieselben nit gewillet / ihre Tochter einen Fremden außzuheuraten / hingegen seye die Jungfrau seiner Person wol gewogen: Wolte er sagerin nit glauben / möchte er schrifftlich oder mündlich sich solcher versichern. Maximin ergreifft die Feder und setzet zu Pappier /was eines verliebten Thorheit zu verstehen geben kan; behändiget auch darauff eine erwünschte / aber /durch Delila Anstifftung / gantz falsche Antwort / so gar / daß er mit der Magd Carida (oder Caribde) welche ihrer Jungfrauen Agatha Namen angenommen /durch das Fenster zu reden kommet und selbsten angehöret / was er gerne gehöret.
10. In dieser versicherten Hoffnung schmeltzet er den überrest seines Gütleins / und ein Genuesischer Edelmann lässet üm Agatha anwerben / und wird ihm die Jungfrau / von den Eltern zugesaget: Bevor aber solches ruchbar wird / gibt Delila Maximin zu verstehen / daß er Agatha entführen solte / es würden die Eltern das beste zu geschehenen Sachen reden / und noch frohe seyn / daß ihre Tochter nicht zu Schanden werden möchte: [144] Ihr habt das Meer offen / Franckreich in der Nähe / viel Rennschiffe zur Uberfahrt / die Person und das Gut wird zu seiner Zeit schon folgen. Damit ihr aber dieser Jungfrauen Liebe gegen euch noch klärlicher ersehen müsset / ist sie bereit in Mannskleidern mit zuziehen / wann ihr sie alsobald /eure Liebe auch gegen ihr zu beglauben heuraten wollet.
11. Maximin schätzet sich glückselig in dieser Begebenheit / und wie den Frommen alles muß zum besten dienen; also muß auch den Gottlosen alles zum bösen gedeyen. Diese beede tretten in das Schiff /kommen mit gutem Vorwinde zu Marsilien an / er erzehlet seiner Mutter / was er mitgebracht / und was er noch für einen Reichthum zu erwarten. Marcella hält nicht viel auf eine Jungfrau / die sich also entführen lässet / es gienge aber das Geschrey / Agatha were zu Genua verheuratet / und eine Kammermagd entloffen /nach welcher niemand der Zeit gefraget hätte.
12. Dieses verursachte / daß Marcella einen absonderlichen Botten nach Genua abfertigt / glaubwürdige Urkunden deßwegen zu hinderbringen / da sich dann die Warheit nicht ferners bergen lassen / und Caride bekennen müssen / daß sie zwar die Tochter in dem Hause / aber unehelich erzeuget / und für eine Magd gedienet habe. Hierüber wurde Maximin bey jederman zu Spotte; er hatte sich umb sein Vermögen gebracht / eine reiche Heurat verachtet / sich von Huren betrügen lassen / und würde er mit Kindern überfallen / daß ihm auch der Ehesegen zu einem Fluch und Vermehrung seiner Armut / gedeyet.
141. Die Spätlinge
(CLXI.)
Die Spätlinge.
Man sagt nicht ohne Ursache / daß die keine Kinder haben / unglückselig glückselig sind / weil kleine Kinder kleine Sorg / grosse Kinder grosse Sorgen mit sich zu bringen pflegen. Von Anfang deß Menschlichen Lebens / ist Schmertzen und Angst / in der Geburt Jammer und Elend / in der Erziehung Sorg und Mühe / in Erwachsung der Kinder [145] Mangel und Unterrichtung vonnöthen / bey ihrem Tod / Klag und Betrübnis. Dieses alles haben die Weiber nicht zubefahren / welche unfruchtbar sind / und ist gleichsam der Fluch Eva auf sie nicht geerbet. Wann es aber mit dem Kindertragen übel hergehet / so mehret sich der guten Weiberlein Elende / und werden sie zu Zeiten wegen eines Spätlings außgeschrien / da sie doch keine Schuld daran haben.
2. Spätlinge nennen wir / wann die Schafe in dem Herbste lammen / Frülinge / wann sie in dem Lentzen werfen. Hier aber wird dieses Wort genommen für solche Kinder / die spat nach ihrem Zwilling oder Dreyling geboren werden / und kommet solches her von unterschiedlichen Zeiten der Empfängnis. Diese Sache wird verglichen einerley Fleisch / welches Stücke zu unterschiedener Zeit in den siedenden Hafen geleget wird. Hier fragt sichs nun / warumb solches nit öffter beschehe / da man doch sich der Weiber bediene / nachdeme sie empfangen haben. Die Artzneyverständige ziehen theils folgende Erzehlungen in Zweiffel / und wollen / daß die Mutter nach der Empfängnis geschlossen bleibe / theils / daß sie durch kräfftige Beywohnung / und weibliche Begierde wieder eröffnet / und noch einer affter Frucht zu Zeiten fähig werde.
3. Etliche geben noch eine andere Ursache / und sagen / daß die Knäblein ins gemein in dem siebenden oder achten / die Mägdlein aber in dem neunden Monat geboren werden; Wann nun der Knab gezeitiget / sey kein Wunder / daß die unvollkommene Frucht noch länger in ihrem Orte verbleibe / und dann auch hernach folge / wie etwann das Winter- und Sommer-Korn nicht zu gleicher Zeit reiffe wird. Was für Unterscheid zwischen der rechten und lincken Hand / dergleichen ist auch zwischen Mann und Weibspersonen / daher sehen wir / daß keine Weibsperson lincks und rechts zu gleich ist / weil sie nicht gnugsame Wärme / so die beede Arm gleich stärcken könte. Wir wollen aber diesen Streit nicht außfechten / und uns begnügen / etliche sondre Begebenheiten anzumercken.
[146] 4. Zu Achen ist für etlichen Jahren ein Frau darnider kommen mit Dreylingen / welche 8. Tage und 8. Nachte nacheinander geboren worden / daß der erste vierzehen Tage nach dem letzten auf die Welt gekommen. Dieses hat den Naturkündigern grosses Nachdencken verursacht. M.L. Jaubert in dem dritten Buch von den gemeinen Fehlern am 1. Cap.
5. Zu Beaufort bey Angiers ist ein junges Weib Mariæ Chamiere Tochter / eines Kindes genesen / und 10. Tage hernach / wider eines Kindes / welches man ihr auß dem Leibe reissen müssen / und darüber ist sie gestorben / Pareus in seinem 22. Buch am 5. Cap.
6. Eine Spanierin brachte ein Kind auf die Welt: die Diener sagten ihrem Herrn die neue Mähr; er aber gabe zur Antwort; es wird darbey nit bleiben / und were mir eine Schand / daß ihm nit mehr Kinder auf einmal geboren werden solten / als einem gemeinen Mann. Was geschihet? nach etlichen Stunden bringt sie noch fünff Kinder auf die Welt. Al. Torquemada in dem 1. Buch.
7. Zacharias Scarpaire Weib / kame zu Florentz mit einem Sohn darnider; und 3. Monat hernach noch mit einem Sohn / welcher heut zu Tage noch bey Leben ist / und mit Gewürtz handelt / in der Burg S. Laurentz N. Nicolas in dem 6. Discurs Tr. 1. c. 22. dergleichen erzehlet auch Dodonäus in seiner 3. Anmerckung.
8. Deß Gaillarts Präsidentens zu Valence Weib hat 4. Monat nach ihres Herrn Todt / einen Knaben zur Welt geboren / und 5. Monat hernach noch einen / der erste war unvollkommen / und ist bald gestorben / der ander aber ist groß worden A. Laurent in seinem 2. Buch von der Zergliederung / bey der 32. Frage.
9. Christina Schühtin / hatte mit ihrem ersten Mann zehen Kinder erzeuget / und verheuratete sich nach ihrem Tod zu Michael Vogel / Richter zu Bolligheim / in einem Flecken 3. Stunde von Basel / und befande sich wieder schwanger in dem 50. Jahre ihres Alters /unnd in dem 30. ihres [147] Ehestandes. Diese kame erstlich mit einer Tochter / Maria nachgehends benamet darnider / und 8. Wochen und 5. Tage hernach mit einem Sohn Michael nach seinem Vatter genennet /welcher Sohn noch im Leben. Christina aber ist nicht mehr schwanger worden. Fr. Rousset.
10. Weil die Sache nicht gar erfreulich / wil ich hier noch zwo kurtze Erzehlungen anfügen / welche einen miltzreichen noch wol solten lachen machen. Ein Spanier gienge nach Gewonheit in die Kirchen /als sein Weib in Kindsnöthen lage. In deme er nun sein Gebet verrichtet / kame einer seiner Diener und brachte die fröliche Zeitung / daß sein Weib genesen. Wol sagte der Herr: Was hat sie gebohren? eine Tochter.
Knecht: eine todte Tochter. Dieses hat er für das beste gehalten / weil die Weiber / wegen ihrer Menge in Hispania sehr verachtet sind.
11. Ein Edelmann hatte Verlangen zu wissen / ob sein schwangers Weib / einen Sohn gebären würde? Er hatte viel Mannslehen / welche alle ohne männliche Erben / nach seinen Tode heim fielen. Solches versprache ihm ein Storger oder Landsfahrer zu sagen / wann er ihn sein Weib gantz entblösset wolte sehen lassen. Der Edelmann willigte darein / wiewol nit gerne. Nachdem er nun das Weib / ihr unwissend / geschauet / sagte er: forne wie ein Mägdlein; hinten wie ein Knab.
12. Hierůber erzörnte sich der Edelmann / und lohnte dem Propheten mit Prügeln. Es fügte sich aber daß das Weib darnider kame / und Zwilling / einen Sohn und eine Tochter auf die Welt brachte / deßwegen der Edelmann bereute / daß er die Warheit so übel bezahlet. Es ist aber die Natur gleichsam keusch zu nennen / in deme sie Zwilling eines Geschlechts in[148] ein Balglein / unterschiednes Geschlechts in zwey Bälglein absonderlich verhüllet.
142. Die Verschnittnen
(CXLII.)
Die Verschnittnen.
Wer Gewalt übet im Gericht / ist eben wie ein Verschnittener (oder ein Hofmeister) der eine Jungfrau schändet / die er verwahren soll / sagt Syrach am 20. Cap. v. 4. Absehend auf den Gebrauch / welchen die Morgenländer noch haben / daß sie Verschnittne über das Frauenzimmer setzen / und zu ihren Kämmerern machen: Es wird also die Gerechtigkeit verglichen mit einer Jungfrauen / welche der / dem sie zu hüten vertrauet ist / nit schänden / oder von andern verunehren lassen soll. Es werden aber die Richter den Verschnittenen verglichen / welchen die Gesätze verbieten / daß sie keine Jungfrau beflecken sollen; wie den Verschnittenen die Natur / und daß die solches thun / zu Schanden werden / und nicht ungestrafft breiben sollen.
2. Wann nun die heilige Schrifft von solchen Meldung thut / wird verhoffentlich der Leser ihm nicht mißfallen lassen / daß wir auch die Verschnittenen auf unsren Schauplatz stellen / und von ihnen anhören /ob sie die Jungfrauen schänden können / welche man einem anvertrauet. Es wird auch dieser Leute in den Büchern Mosis gedacht / daß sie nicht sollen zu dem Dienst deß Tempels gelassen werden. In dem Neuen Testament aber ist unter den ersten einer gewest der Kämmerer der Königin von Candaces / welcher sich von dem Apostel Philippo tauffen lassen.
3. Es sind dreyerley Verschnittene: Etliche von Natur / etliche durch Beschneidung deß männlichen Samgefässe / etliche die sich selbst beschneiden wegen deß Himmelreichs / wie Origenes ihme thun lassen / und deßwegen von Hieronymo mehr verwundert / als gelobt werden. Viel verstehen es von Geistlicher Beschneidung / wie stehet von dem Aug außreissen / und Hand abschneiden: wann man aber das vorhergehende betrachtet / so wil es sich nicht anders / als von wůrcklicher [149] Verschneidung deß männlichen Gliedes verstehen lassen / man wolte es dann auf eine Gelübd der Keuschheit deuten.
4. Diese Verschnittne sind fast von Anfang der Welt gewesen / massen die Gefangenen in dem Krieg nit getödet / sondern verschnitten worden / damit sie getreu seyn sollen / weil ihnen die Quelle der bösen Begierden / der Muth und die Hofnung künfftiger Leibserben dardurch benommen / und ihnen auch das Weibervolck so viel sicherer zu vertrauen seyn möchte. Sie sind auch von grossen Herren sehr hoch geachtet / und wann sie Leibeigene / werden sie viel höher /als gemeine Knecht verkaufft.
5. Ein solcher Verschnittner ist kein Mann / weil er verlohren / was einen Mann machet / und ist auch kein Weib / wiewol weibisches Gemüts / und gleich wie die Kinder und die Fruchtbarkeit ein Göttlicher Segen / also ist die Unfruchtbarkeit ein Fluch / welche dann solchen Verschnittnen zugeschrieben wird. Die Natur hat solchen Leuten zur Schande den Bart / als deß Angesichts Zier weggenommen / und hat bey ihnen außgetrocknet den lebendigen Safft / welcher sich sonsten in allen Wachsthum befindet.
6. In den Käyserlichen Rechten können die Verschnittnen keinen an Kindsstatt aufnehmen / es ist wider sie die Straffe / (wann sie solches vorsetzlich geschehen lassen) erkannt l. 4. ff. adl. Cornel. und l. 27. ff. ad l. Aquil. und ist durch das gantze Reich bey Lebensstraffe gebotten / daß man kein Kind verschneiden soll C. de Eunuch. ja der solches thut / begehet so viel Todtschläge / als der verschnittene Kinder zeugen können.
7. Diese Verschnittenen haben bey ihrem Unheil diesen Vortheil / daß nie keiner kein Zipperlein / noch den Stein bekommet / noch kahl auff dem Haubt wird. Hipocr. Aph. 28. sect. 6. noch weniger Außsätzig wird. Zu deme haben sie eine angenehme Stimme /welche andre nicht nachahmen können. Sie sind der ersten Welt Sünde nit unterworffen / und ob sie wol begierig darzu seyn möchten / und einem Weibsbild beywohnen / können sie doch nichts richten / weil sie keine Zeugen mit bringen / die ihnen glauben machen sollen. Da hingegen die Unzucht / welcher sie nit befreyet / viel tausent in die Hölle stürtzet. [150] Wann aber das so hoch zu schätzen / worinnen die Esel und Pferde besser versehen / als die Menschen / so müste man solchem viehischen Laster den Namen der Tugend geben.
8. Zu Onzain bey Amboise hat ein leichter Gesell mit einer Wirtin in Ehebruch zugehalten / und ihren Manne alle Ursachen der Eyffersucht zu benehmen /hat er sich entschlossen / verschneiden zu lassen /durch Peter von Serpens / einen trefflichen Wundartzt desselben Orts: Er hatte es aber mit demselben angelegt / daß er sich nur also stellen / und blutige Nieren von einem Thier vorweissen solte / welches dem Wirt umständig verkundschafft worden / der jm auch über die 4. Kronen / so der Ehebrecher ihm zu geben versprochen / noch 8. Kronen verheissen / wann er ihm völlig die Mannschafft außschneiden würde.
9. Der Betrůger lässet sich binden / und gibt bey seinen Freunden vor / daß der wütige Schmertz deß Steins ihn zu solchem gefährlichen Mittel entschliessen machen: Als er aber vermeinte / daß der Wundartzt sein Wort halten / und sich nur stellen solte / als ob er den Schnitt verrichtete / ist er zugefahren / und hat ihm die Nieren rein außgeschnitten. Der Entmannte beklagte sich deßwegen: muste aber hören / daß der Wundartzt mit seiner Kunst nicht spotten liesse.
10. Camerarius erzehlet von einem / der mit einer Fürstin verraisen sollen / und ihme selbst die Nieren außgeschnitten / und seinen Fürsten zu verwahren gegeben habe / wol wissend / daß er von der andern Hofbursch sehr angefeindet würde. Als er nun auß Neid bey dem Fürsten für einen Ehebrecher angegeben worden / hat er begehrt / der Fürst soll das anvertraute Kästlein öffnen / da sich dann seine Unschuld also gefunden / und hat sich über diese That männiglich verwundert.
11. Zu Genff hat sich ein Mann von seinen Weibe beklagen lassen / daß er ihr zu viel thue / weil er 3. Nieren / dz sie zu viel empfahe / wz alle andre zu wenig bedünckte. Diesem ist aufferlegt worden / daß er jm den dritten Nieren hat außschneiden lassen müssen / wie er auch gethan / unn doch hernach noch Kinder gezeuget; massen auch viel gethan die nur einen Nieren / und den andern durch stossen / hauen oder fallen verloren / und sich haben müssen schneiden lassen.
[151] 12. Hieher gehöret / was Lucas Assarino erzehlet /daß ein Bildhauer alle Flüsse in Gestalt alter Männer Lebensgrösse mit ihren Wasserhöfen gebildet / und allein den Tago / mit einem Blat über der Scham /fürgestellet. Als nun darüber unterschiedliche Gespräch gehalten wurden / sagte einer / daß dieser Fluß (an welchem viel Juden und Christen wohnen) beschnitten wäre / und deßwegen seine Mannschafft lieber bedecken wolle / als sehen lassen. Aubigny hat auch etlichen Hofdienern / welche ihn für einen verschnittenen gescholten / gesagt / daß sie doch wol Huren seyn können / wann gleich solches wahr wäre /etc.
143. Die Zwiedorn
(CXLIII.)
Die Zwiedorn.
Von seltzamen Sachen haben wir Teutsche seltzame Sprichwörter: Es ist so seltzam / als ein weisser Floh / als die Faßnacht ohne Narren / als ein Kramer der keine falsche Waar hat / als ein Wahrsager / der allezeit eintrifft / als ein Schneider / der alle Flecke wieder gibt / als ein Schornsteinfeger / der nie russig worden / etc. Ich setze noch darzu: es ist so seltzam /als ein Weib / die ein Mann ist / oder als ein Mann /der ein Weib ist.
2. Diese Leute nennen wir ins gemein Zwidorn /und finden sich solche Pferde / Geisse / Hasen /Schlangen / die Hyena in Ægypten / ein Fisch Trochus genannt / und fast alles Ungezieffer / das männlicher und weiblicher Natur zugleich. Solche Menschen aber werden herum geführet / und für Geld gezeiget /wie andre Mißgeburten und Wundersachen / wer nun solche zu sehen nit Luft hat / der bleib darvon / und wer hiervon nit lesen wil / schlage das Blat um. Uns begnüget solche Leute hier vorzustellen / und zu bedeuten / daß ein jeder Gott zu dancken / der mit dergleichen Beschaffenheit / so in unsrem Lande seltzam / sich nicht befindet.
3. Die natürliche Ursachen solcher Geburten sind /daß sich in ehelicher Vermischung mehr Samen / als zu einer Frucht vonnöthen / und weniger als zu Zwillingen erfordert wird / vorhanden / und so wol der Männliche als Weibliche Same [152] in gleichen Kräfften /daß / wann desselben mehrers / Zwillinge männliches und weibliches Geschlechtes darauß werden müsten. Hierbey thut nun die Einbildung der Mutter nicht wenig / in dem sie ihr ein Manns- und Weibsperson zugleich in das Gedächtnis drucket / und bald diese /bald jene wünschet.
4. Die Sternkůndiger wollen / daß solcher Zwidorn Empfängniß beschehe / wann Mercurius und Venus (von welchen sie Hermaphroditen genennet werden) in dem achten Hauß / als dem Zeichen deß Löwens sich befinden. Dieses aber könte so viel nit würcken /wann nit vorbesagte Umstände mit einlauffen. Viel halten solche für keine Mißgeburten / weil sie nichts an ihnen / das einem Thier ähnlich / und Gott keine Landstraffen dardurch bedeutet / und solche Leute unter den Männern oder Weibern von den Gesätzen erdultet werden. l. Quæritur ff. de statu homin. l. Repetund. §. Hermaphrod. ff. de Testib. l. sed est quæsitum in ff. de lib. & posth. c. si testis §. Hermaphrod. 10. quæst. 3.
5. Die Heyden haben solche Geburten ersäufft /oder verrennet / und unter die Mißgeburten gerechnet / wie auch diese sind / welche zween Köpffe / vier Füsse / vier Hände / und dergleichen / gestalt solches so leicht geschehen kan / wann / wie gedacht / der Samen zu Zwillingen zu wenig und zu einen Menschen zu viel ist: nicht anderst / als wie aus zweyen Dottern / wann das Häutlein in der Mitten durch einen Fall oder Stoß zusammen reisset / ein doppeltes Hun wird / wie bey Aldrovando und Fortunio Lyceto zu lesen.
6. Es sind aber der Zwiedorn viererley Arten: dreyerley in den Mannspersonen / und eine in den Weibspersonen. Wann nemlich nechst / oder hinter / oder ober dem männlichen Geschlecht / auch das Weibliche sich befindet; iedoch / daß das Männliche das stärckste ist / es diene gleich zu dem natürlichen Gebrauch oder nicht / und diese könte man nennen weibliche Männer / oder Weib-Männer.
7. Die vierte Art ist / wann sich über der weiblichen Schame ein männliches Glied / oder etwas so demselben gleichet befindet / jedoch ohne Gebrauch /und diese möchte man nennen [153] männliche Weiber /oder Mann-Weiber: massen nach der Eigenschafft unsrer Sprache das letzte Wort in den verdopelten /oder zusammgesetzten Zwillingswörtern (wie Lutherus die composita teutschet) besagt was ein Ding seye / als wann ich sage / Rahthauß / Kauffhauß / Spielhauß / Wirtshauß / etc. Da hört man / daß es ein Hauß / und wie oder was es für ein Hauß / sagt dz vorgesetzte Wort. Verwendet / ist es ein Haußrath /Haußkauff / der nit auf dem Marck geschiehet / ein Haußspiel / ein Haußwirt / etc. Also sag ich auch Mannweib und Weibsmann / wiewol es noch etwas neu klinget.
8. Es befinden sich aber solche zweyerley Geschlechte / entweder so bald sie geboren werden / oder etliche Wochen hernach / und ist in etlichen das männliche Glied verborgen / daß solches erst in den 14ten und 15ten Jahren / wann die natürliche Hitze bekräfftiget / herauß bricht. Zu meiner Zeit ist ein Teutscher zu Sancerra gewesen / der beklagt worden /daß er eine Magd geschwängert / er aber erwiesen /daß er solches nit fähig / und nur eine kleine Außladung das Wasser von sich zu lassen habe; deßwegen ihme auch von den Richtern nichts beschwerliches aufferlegt worden.
9. Der Herr de la Thomasiere aber hat ihm mit einem Schnitt geholffen / daß das männliche Glied in seiner Vollkommenheit herauß gebrochen / und hat sich dieser nachmals wider geübet / und einen jungenTitium hinderlassen.
Dergleichen Geschichten finden sich auch in Otthonis Melander Schimpff und Ernst. Diese werden falsch- oder Schein-Zwiedorn (Pseudoandrogyni) genennet.
10. Etliche haben noch ein / noch das andre Geschlecht in ihrer Vollkommenheit / und solche können keine Kinder zeugen / und sind den Verschnittnen gleich zu achten / etliche haben beede nach äusserlichen Ansehen vollkommen / könten sich aber nur eines bedienen / jedoch daß sie von den andern etliche Eigenschafften weisen. Plato wil / daß der erste Mensch ein solcher Zwiedorn gewesen / und von den Göttern zertheilet worden / daher komme die Liebe noch / die Mann und Weib zusammen tragen Sonders zweiffel hat er gelesen oder gehöret / daß Eva [154] auß der Rippe Adams erschaffen worden / und zuvor (1. Mos. 1. v. 27.) von ihnen / als von einem Menschen geredet worden / daher er sie auch alsobald erkennet und gesagt / daß sie Fleisch von seinem Fleisch (1. Mos. 5. v. 23.)
11. Von diesem ist nun die Frage / wie man sie erkennen und tauffen soll; weil sich nit geziemet / daß man einem Mann einen Weiber-Namen / noch einen Weib einen Männer-Namen in der H. Tauff zueigne. Die Antwort ist diese / daß deß Geschlechtes Zeichen / welches auf der rechten Hand gesehen wird / allezeit das stärckste und darvon der Name und Beschaffenheit eines solchen Menschen beurtheilt wird. Wann aber ein solcher Zwiedorn bey seinen Verstand / kan er selben sagen / ob er mehr Männisches oder Weibisches an sich befinde. Ins gemein sind die in dem Männer Geschlechte gar zu kalter / in dem Weiber Geschlecht gar zu warmer Natur / daß sie selten Kinder zeugen / wann sie unwissend zugelassen werden.
12. Hieher gehöret auch die Frage von den Mauleseln / und warumb keine männliches Geschlechtes erfunden werden? Die Naturkündiger halten solche für unvollkommene Thiere / weil sie von einer gemeinen Eselin / mit welcher ein Hengst belegt worden /fallen / und doch noch Esel noch Pferbe / sondern zwischen beeden eine dritte Art sind / und Maulesel genennet werden. Wer aber wissen wil / was der übermässige Beyschlaff bey den Menschen verursachet /der schaue einen geilen Hengst an / wie mutig und frisch er das Mutterpferd angehet wie schwach und matt er wieder darvon kommet: deßwegen Gallenus recht geantwortet / als ihn einer gefragt: Wann er einem Weibe beyschlaffen soll? geantwortet: Wann er an allen seinen Kräfften schwächer werden wolte. Aus einem alten Stein soll man dieses Inhalts Lateinische Verse gefunden haben:
Wilt du leben lang gesund / so lieb nicht das Venuswerck, überfülle nicht den Mund / und üb täglich deine Stärck.
144. Die Riesenkinder
[155] (CXLIV.)
Die Riesenkinder.
Wann wir von einem grossen Mann sagen wollen / so nennen wir ihn vierschrötig. Was schrot und schroten seye / wissen die Müntzer wol / welche dieses Wort für das Gewicht / das Korn aber fůr den halt der Müntze gebrauchen: Wie es sich aber auf einen grossen Mann ziehen lasse / und wie das Wort vier darzu komme / das ist unlautbar. Wir halten darfür / daß es vor alters geheissen vierschrittig: massen ins gemein ein jeder so hoch / als drey seiner Schritte / das ist 6. Schuhe in die weiten außtragen / welche aber vier Schritte lang sind / die müssen acht Schuhe / und also übermässig hoch seyn. Deme seye nun wie ihm wolle / (gestalt wir eigentlichern Muthmassungen gerne weichen) so sollen dieses Orts etliche solche Riesenkinder auf den Schauplatz gestellet werden.
2. Von den ersten Riesen ist ein grosser Streit unter den Gelehrten / über den Spruch 1. Mos. 6 / 2 / 4. Da stehet / daß die Kinder Gottes die schönen Töchter der Menschenkinder zu Weibern genommen / welchen sie gewolt / sie beschlaffen / gewaltige und grosse Riesen von ihnen erzeuget. Durch die Kinder Gottes werden ausser allen Zweiffel die Nachkommen Seths verstanden / durch die Töchter aber der Menschen /das Cainische Geschlecht. Etliche halten darfür / daß der böse Feind / in leiblicher Gestalt / die Weibsbilder beschlaffen / und dardurch sein Reich vermehret /ist aber gefehlt / weil die Frommkeit oder Boßheit keine grössere oder kleinere Kinder erzeugen machet.
3. Andere verstehen durch die Kinder oder Söhne Gottes sehr grosse Leute / weil die Berge / die Cedern und alles wz groß ist / bey den Hebreern Gott beygemessen wird / als Ninive war eine Stadt Gottes / das ist / sehr groß. Wann aber vorhin Riesen gewesen / so hätte die heilige Schrifft hiermit ihre Ankunfft nit vermelden dörffen / daß solcher hergekommen von den Kindern Gottes / welche zu den Kindern der Menschen eingegangen: man wolte dann sagen / daß solche Riesenkinder dermals angefangen Gewaltige zu werden / und andre unter zu drucken / [156] wie Nimroth gethan / von welchem in dem Text folget.
4. Die Grösse deß Leibes scheinet ein Zeichen einer Vollkommenheit / deßwegen auch die Götter von Poeten für doppelt groß / die Halbgötter / halb so groß / als gemeine Leute sind / beschrieben / und von den Mahlern auch grösser gemahlet werden. Saul der erste König in Israel / war eines Kopffs grösser / als alle andre / unn ihn hatte Gott erwehlet / und ist die Grösse deß Leibes / ein grosses Stuck der Schönheit /daß auch die kleinen Weiberlein sich auf ihren hohen Schuhen groß machen wollen / und also ihrer Länge eine Elln zusetzen. Ein kleines Männlein wird allezeit wünschen grösser zu seyn; ein Grosser aber wird nicht wollen klein werden. Gleich wie ein Herr auß seiner Behausung erkennt wird / und kleine und schlechte Leute nicht pflegen in grossen Palästen zu wohnen: also ist in einem grossen Leib auch ein grosser Geist vermutlich / und solche Leute sind ins gemein die Mitternächtigen Völcker / und die Teutschen / von welchen Tacitus schreibet / daß sie sich vor dem 20. Jahre nit geheuratet / und deßwegen so viel stärckere Kinder erzeuget / und die Weiber die Geburtsschmertzen leichter erdultet.
5. Wann nun die Grösse deß Leibes so hoch zu achten / ist ausser Zweiffel / daß die Thiere hierinnen überlegen / als die Elephanten / Pferde / Püffel / etc. Es findet sich aber / daß die grösten Thiere den kleinsten Verstand haben / und daß ein kleiner viel gesunder und vernünfftiger / als ein grosser weil jenes Leib von der natürlichen Hitze viel leichter erwärmet und beseelet werden kan / als dessen / da die Hitze zertheilet / und die böse Feuchtigkeiten nit verzehren mag. Ein Grosser ist besser zu der Handarbeit / ein kleiner zu der Haubtarbeit. Samuel hat den kleinen David seinem grossen Bruder auß Gottes Befehl vorgezogen / und sind die grossen Riesen gottlose Leute gewesen / welche mehr Fleisch auff sich haben / und mehr fleischlich gesinnet gewesen / als andre.
6. Die natürliche Ursache deß Wachsthums ist die Feuchtigkeit mit Schleim vermischet / dahero kommet auch / daß die Fische in kurtzer Zeit so groß erwachsen sind / aber unn [157] den Thieren die allerdummsten und unberichtesten. Diese Feuchte betaubet das Gehirn / daß kein grosses Nachsinnen darbey seyn kan; wie dann auch die Weiber feuchterer Natur / als die Männer / und weniger klug / als sie. Wann nun der Mensch wegen seines Verstandes ein Mensch genennet wird / so ist diese Grösse deß Leibes ihme die dienlichste / welche als ein schicklicher Werckzeug seiner Vernunfft zu gebrauchen / und solte die mittelmässige Grösse / wann es wünschen gelte / fast am vorträglichsten seyn.
7. Es ist aber das Riesengeschlecht noch nicht abgestorben / und haben sich zu unsrer Vätter Zeiten /wie auch bey uns übergrosse Leute gefunden. Dergleichen einen Surius (in den merckwürdigen Sachen unsrer Zeit) beschreibet / und vermeldet / daß er ein Schaff oder gantzes Kalb auf einmal verzehren können / mit Haut und Haare / und noch gesagt / daß ihm solches erst einen Lust zu essen mache.
8. An Joachim deß zweyten Churfürsten von Brandenburg Hof ist einer der kleine Michel genant /Thürwarter gewesen / welcher 8. Schuhe hoch gemessen worden / hat aber nicht lang gelebt. Matth. Horstius, in seinem Zweykampff von David und Goliath.
9. Chassagnion meldet in seinem Buch von Riesen / daß König Franciscus in Franckreich einen Bauren von Bourdeau unter seine Trabanten genommen / dem andre mittelmässige Männer durch die Beine unangestossen gehen können; er hat sich aber in das Hofleben nicht geschicket / und ist wieder zu der Bauren Arbeit entflohen.
10. In Indien sollen noch viel Riesenkinder gefunden werden / sonderlich in der Insel Sametra und China / da etliche 12. etliche 15. Schuhe hoch sind /und hat König Henrich der vierte einen Trabanten gehabt / der so hoch ist gewesen / als er / wann er zu Pferde gesessen.
In Engelland habe ich einen solchen grossen Mann gesehen / daß ihm alle die höhesten unter den Armen durchgehen können. Dieser war ein Schmidsknecht in Schottland / und hatte man ihm eine Gruben gegraben / darinnen er stehen müssen / [158] mit den andern gleich auf den Ambos zu schlagen: Als der König diesen Riesen gesehen / hat er ihn zu seinem Thorwärtel gemachet / und mit sich geführet / daß er auch bey jüngsthingerichtem König Karls Zeiten / noch bey Hoff gewesen.
12. Diese Erzehlung von den Riesen / wollen wir mit den kleinen Männlein beschliessen. Ein Zahnbrecher unn Storcher hatte sich vermessen 3. Männlein /vermittelst eines Bades / grösser zumachen: Sie versprachen jme dz begehrte Geld / und zahlten die hälffte alsobald. Als diese nun in dem Bad sassen / liesse er ihre Kleid' durch etliche Schneid' kleiner und kürtzer machen / und vermeinten diese Zwerge / daß sie so viel höher worden / fanden sich aber betrogen / und von jederman außgelachet.
145. Die Einbilder
(CXLV.)
Die Einbilder.
Wir sagen in dem Sprichwort: Einbildung ist ärger als Pestilentz. Was die Pestin für Unheil mit sich bringet / ist sonderlich denen bekant / welche ihre Freunde und Bekante an dieser Seuche fallen sehen: Die aber so in ihrer Einbildung verderben / nehmen wir fast nit in acht / weil es so gemein / daß wir es für keinen Fehler erkenen. Wie nun die Pestin eine ansteckende Kranckheit ist / also machet auch ein Einbilder (ich wil nicht sagen Narren) derselben zehen / und hat Seneca recht gesagt: Daß ihrer viel zu der Weißheit und Wissenschafft gekommen weren / wann sie nicht vermeinet / sie weren schon darüber weit hinauß / und die alten Hebreer haben ein Sprichwort: So lang du lernest / so bist du klug; so bald du vermeinst / du könnest es / so bist du ein Thor.
2. Die Erkantnis der gegenwertigen Sachen ist nicht genug zu Erhaltung deß Leibes / sondern erfordert auch das Vergangene und Zukünfftige: Deßwegen hat die fürsichtige Natur nicht nur fünff äusserliche Sinne den Menschen ertheilet / vermittelst welcher das Gegenwertige erkennet wird / sondern auch den gemeinen Sinn (lensum communem) alles zu unterscheiden / die Bildungs-Kräffte [159] das abwesende fürzumahlen / und die Gedächtniß solches Gemähl zuerhalten / ertheilet. Wie nun unter den äusserlichen Sinnen das gute Auge am besten sihet / das gute Ohr am besten höret / also hat auch das wol beschaffene Hirn die stärckste und beste Bildung: ist es feucht / so würcket der gemeine Sinn am kräfftigsten / ist das Gehirn trucken / so drucket das Gedächtniß ihr Bildung gleichsam in ein Wachs / ist es hitzig / so kan sich das Bild leichtlich verfarmen / und haasirliche Gedancken darauß werden. Wann aber das Gehirn kalt und trucken zugleich / verursachet solches reiffes Nachsinnen / wie bey den alten und melancholischen Leuten.
3. Hier ist sich nun zu verwundern / daß die Einbildung den Verstand und Willen beherrschet / ja wider den Verstand und den Willen ihre Würckung leistet; massen die Mütter ihren Kindern Mahle anhangen /und wann die Schlaffgänger sich in Gefahre begeben /auf die Haußdächer steigen / in das Wasser gehen /etc. welches sie nit thäten / wann ihre Einbildung nit verletzet were. Also fürchtet sich mancher in der Finsternis / wo nichts zu fürchten ist: was ist die Ursache / daß man denen / welche in Todesgefahr gehen sollen / Wein zu trincken gibt / als daß desselben aufsteigende Dämpffe verhindern / daß sie ihnen nichts furchtsames einbilden sollen / oder man mahlet ihnen mit Worten den Sieg / die Großmütigkeit / die Ehre / die Beuten und dergleichen für / daß sie dardurch kühn angehen sollen.
4. Diese Einbildung wird auch genennet der Wahn / welchen man von einen Dinge fasset / und in solchen stehet fast alle Eitelkeit unsres menschlichen Wesens. Die erste Einbildung welche wir fassen / beharret lange Zeit / es seye selbe gegründet oder nit / unn machet uns solcher Wahn glückselig od' unglückselig /als welcher gleichsam zum Richter unsrer Gedancken ist / und für gut oder verwerfflich / für schätzbar oder verächtlich außspricht / was man ihm fürhält. Diese Krafft der Einbildung haben auch die Thiere / jedoch nach der Vollkommenheit oder Unvollkommenheit ihres Leibes Zustand / und erscheinet unter andern auch darauß / daß die Hunde in dem [160] Schlaff traumen /und dem / der ihnen gutes thut / von andern / wol zu unterscheiden wissen.
5. Also muß auch das Ungeziefer etlicher massen mit den Einbildungskräfften begabet seyn / weil sie ohne solche nicht wissen oder fassen könten / was vortheilig oder nachtheilig / dienlich oder schädlich /wie die Immen oder Biene die Blumen zu unterscheiden wissen / die Omeisen ihre Nahrung zusammen zu tragen / und weil die Einbildung von den Bildern /welche für gestellet werden ihren Namen hat / lässet sich zweiffeln / ob auch der blinde Maulwurff solcher fähig. Die Poeten erwärmen das Gehirn und stärcken ihre Einbildung mit dem edlen Rebensafft / welcher auch der Poeten Pferd genennet wird / was nun diese Einbildung für eine überauß grosse Krafft / wollen wir noch mit etlichen Erzehlungen beglauben / wiewol wir hiervon bereit an einem Ort auch gehandelt haben.
6. Ein Jud in Hispanien ist auf einem Esel entschlaffen / und das Thier wuste den Weg / und gienge über eine sehr schmale Brucken / die zwischen zweyen hohen Bergen war. Der Jud kame wol nacher Hause / als er ihm aber eingebildet die Gefahr / in welcher er gewesen / und wie leichtlich er den Halß brechen können / hat er sich so sehr entsetzt / daß er vor Schrecken gestorben. L. Vives in dem 3. Buch von der Seele.
7. Montaigne erzehlet von einem Weibe / welche ihr eingebildet / sie habe ein Stecknadel mit Brod eingeschlungen / und wolte ihr solches nicht lassen außreden. Der verständige Artzt giebt ihr ein Getranck ein / daß sie brechen machte / und wurffe eine gebogene Stecknadel in das Beck / welche die Frau ersahe / und dadurch wieder genesen. Diese beredete ein Edelman in Schertz / er hette ihr für einen Hasen eine Katz zu essen gegeben / darüber entsetzte sie sich so beweglich / daß sie ihr dieses für wahr eingebildet /und darüber in ein Fieber gefallen und gestorben.
8. Martin Weinreich meldet c. 17. von Wundergeburten / daß ein Weib für einem Ratzen erschrocken /und auch einen Ratzen zu der Welt geboren habe. Ein andre ist [161] für einem Leichnam erschrocken / und ihr Kind hat die Zeit seines Lebens einem Toden gleich gesehen.
9. Viel die man schertzweis zum Tod verurtheilt /sind auß Furcht und Einbildung gestorben / darunter Donella deß Hertzogen von Ferrara Tischrath gewesen / welcher seinen Herrn in das Wasser geworffen /ihm das Fieber abzuhelffen / unnd deßwegen die Flucht nehmen müssen: nachdem er aber in dem Parmesanischen Gebiet etliche Wafen gekaufft / und sich darauf auf einen Karren führen lassen / fürgebend / er were auf seinen Grund und Boden / hat der Hertzog den Karrn zu zerbrechen befohlen / und ihn wie gesagt / zu dem Schwert / welches ein klein Stäblein war / verurtheilt: von dem Schlage aber ist er auß Einbildung gestorben.
10. Einem Weibe in Beausse ist ein Frosch in die Hand gebunden worden / daß sie solchen darinnen solte sterben lassen / und ihr deß Fiebers damit abhelffen: sie hat ihr aber dz Thier so starck eingebildet / daß ihr Kind einen Froschkopff bekommen / welches sie damals empfangen hatte. Pareus.
11. In Westphalen hatte ein Edelmann die heiligen drey Könige in seiner Kammer abgemahlet / darunter einer als ein Mohr gantz schwartz gestaltet. Diesen bildete ihr die Edelfrau so starck ein / daß sie ein gantz schwartzes Kind mit grossen aufgelauffenen Lippen zu der Welt gebahre.
12. Zu Paris bildete ihm einer ein / er hätte ein Glocken in dem Kopf / und hörte sie klingen. Ein andrer sagte / er were von Mutter / und wolte nit in die Sonnen gehen. In dem Lymosinischen Gebiet hatte ein wildes Schwein einen Edelmann zu Boden geworffen / welchem doch die Jäger zu Hülff gekommen / und dem Schwein so viel Fänge gegeben / daß der Edelmann nit verwundet worden: Er hat ihm aber ungezweiffelt eingebildet / das Schwein habe jm mit den Waffen das rechte Bein abgeschlagen / und wolte sich keines andren bereden lassen / biß endlich zween Mönchen bey ihm eingekehret / deren der eine ihm erzehlet / daß er auch einen Schenckel verloren / aber durch Fürbitte deß H. Frantzen / denselben wieder bekommen. [162] Diesem stellte er Glauben zu / und kame also / ohne Wunderwerck / wieder zurecht.
146. Die Kunst-Gedächtnis
(CXLVI.)
Die Kunst-Gedächtnis.
Die Unart der Menschen wird mit diesem Sprichwort vorgestellet / sagend: Das Böse schreibt man in Stein / das Gute in den Staub. Ist fast so viel / als wz dort jener Rabbi von einen alten Schuler gesagt: Heut (in deinen Alter) schreibest du in Sand / (in ein schwaches Gedächtnis) was du gestern (in deiner Jugend) hättest in Marmol graben können / verstehend leichter lernen / und besser behalten mögen. Die Gedächtnis ist die Schatzkammer aller unsrer Wissenschafft / und ohne solche weren wir elende Leute / und den Knaben gleich / die nit mehr wissen / als sie gesehen haben. Wann einer von dem Schlafe erwachet / und solte nichts mehr wissen / von allem dem / das ihm in seinen zuruck gelegten Leben begegnet / was were doch dieses für ein Elend? Wir würden alle Tage zu Kinder werden / und ein neues Leben anfangen müssen: und Gott hat noch niemand für die herrliche Gabe mit pflichtiger Schuldigkeit gedancket.
2. Die gute Gedächtnis kommet her von einen wolbeschaffenen Gehirn / das durch die Artzeney so wol innerlich als äusserlich kan gestärcket werden / das trockne und weiche Gehirn ursachet ein gutes Gedächtnis / das harte oder verdüsterte Gehirn aber kan nichts bemercken; daher sihet man / daß die Kinder ein besseres Gedächtnis haben / als die Alten / und die Bezechten können sich nichts erinnern. Ob nun wol die Beschaffenheit deß Gehirns nit völlig zu endern ist / so gibt es doch solche Mittel / welche dz schwache Gehirn stärcken / das trockne anfeuchten /und das hitzige abkühlen. Wiewol etliche ihren Verstand durch solche Artzeneyen geschwächet / in dem sie die Gedächtnis zu stärcken vermeint; vielleicht /weil sie deß Melissen Wassers und andrer Sachen zu viel gebraucht.
3. Welcher aber der Gedächtnis durch kunstgründige [163] Verfassung helffen wollen / haben gewisse Haubtsätze erfunden / bestehend 1. in dem Ort oder Stellen /2. in den Bildern / 3. in der Ordnung. Das Ort erinnert uns vielmals / was wir alldar gethan od' gehöret haben / also ist uns bekant eine Gassen / in der selben alle Häuser / und die Ordnung der Häuser / wie sie darinnen gebauet sind. Also wann ich sehe meines Brudern Bildnis / muß ich mich seiner erinnern / weil es eine Vergleichnis mit jm hat / wie alle Bilder mit dem gebildeten haben müssen / und diese müssen uns bekant seyn / und das unbekante bedeuten. Also wann ein Bild ein rotes Angesicht und eine purpurne Nasen mit Rubinknöpffen versetzet / uns zu Gesicht kommet / werde ich mich leichtlich der Trunckenheit darbey erinnern. Die Ordnung ist drittens die Mutter der Gedächtnis / und durch die Einstimmung aller Völcker in gleicher Richtigkeit bekant.
4. Wann man in dem Gegensatz betrachtet / was Unheil auß der Verwirrung und Unordnüg entstehet /muß man bekennen / daß wir dieser Kunst unwissend beypflichten / unn dz was wir in den Gedächtnis haben / eben das was wir wissen / und was wir nit wissen / das haben wir auch nit in unsrem Gedächtnis. Wer aber alles durcheinander mischet / der kan mit aller seiner Wissenschafft wenig / oder niemand dienen. Es hat alles mit sich eine natürliche oder künstliche Verbindung. Die natürliche ist nun viel leichter / als die künstliche / welche zu Zeiten der natürlichen nit nachahmet / und also schwerer zu beobachten ist. Also erfahren wir / daß eine Rede / die nit ordentlich abgetheilet und kunstmässig verabfasset /schwer zu mercken ist. Cardan schreibet / er habe alle seine Wissenschafft dieser Gedächtnis-Kunst zu dancken / und der Cardinal Perron hat ein gantzes Gedicht / wie es ihm fürgelesen worden / in dem Gedächtnis behalten / und wider hergesagt / daß sein König geglaubet / er habe solche Verse gemachet /welches doch nit war.
5. Diese Sache bestehet aber in Erfindung der Gleichnis / und hat Lulus Rombercio und Gesvaldo ein Neapolitaner / wie auch Schenck hiervor umständig geschrieben / und erwiesen / wie man in den 5. Kammern und in die 5. Haubtglieder [164] deß Menschen /das Haubt nemlich die 2. Hände und 2. Füsse / alles eintheilen soll. Ist aber ein Wort in frembder Sprache zu mercken / muß man auß der bekanten Sprachen eines oder mehr finden / die solchen gleichen. Zum Exempel Relambajo, (der Blitz) ist ein Spanisches Wort / solches zu mercken / bilde ich mir ein / ein Reh / ein Lamm und einen Bach / oder ein Rehlein an einen Bache. Sind es Namen der Personen / so mache ich aus ihren ersten Buchstaben ein Wort / und erinnere mich darbey der Ordnung / als ich wil diese Kirchenvätter anziehen: Tertullianum / Augustinum / Basilium / Ambrosium / etc. So setze ich das Wort Taba. Etliche suchen einen Behuff / in deme sie die Rede schliessen mit der Sylben / mit welcher ein neuer Absatz anfängt.
6. Viel halten nichts auf diese Kunst / und finden für schwerer / 2. Dinge / als eines zu mercken / da sie sagen / daß man leichtlich irr werde / unn das Gedächtnis durch die Vielheit der Einbildung verhindere; wie wan weiß / daß Budeus / Reusnerus und viel andre / als sie für Königen reden sollen / gantz erstaunend ihre Rede nit fortsetzen können / und endlich mit Schanden still schweigen müssen; weil sie sich auf Bilder verlassen / die ihnen nit für Augen stehen können / und jener Pfarrer der das erstemal predigen sollen / in einen Krautacker seine Predigt bemercket und richtig hergesagt / als er aber in der Kirchen keine Kohlhaupte mehr für sich / und die Leute die Köpffe zusammen stiessen / ist er irr gemachet worden / und hat nit fortkommen können.
7. Wie nun die äusserlichen Sinne ihre Behuffsmittel von der Kunst haben / als das Gesicht von den Brillengläsern / das Gehör durch gewisse Röhrlein /die lahmen Beine und Hände durch eiserne Gewerbe /Krucken und dergleichen: also haben auch die innerlichen Sinne ihre Kunstmittel und Abbildungen / deren sich etliche übel bedienen / und die Fehler der Kunst beymessen / welche sie entweder nicht recht gelernet /oder durch andre Zufälle nicht glücklich angebracht. Wann man eines Wortes vergessen / und höret ein andres / das selben gleichet / kommet man leichtlich wiederumb daran. Die nun solcher [165] Mittel nicht nöthig haben / (wie ein junger Knab der Brillengläser nicht bedarff / und ein Gesunder der Artzney spottet) können nicht wissen / was ihnen in dem Alter begegnen mag / und sollen sich versichern / daß die Gedächtnis am ersten deß heran nahenden Todes empfindet / und mit zuwachsenden Jahren ab zunehmen pfleget.
8. Die Proben aber dieser Kunstgedächtnis beweisen sich mit Verwunderung / in dem wir wissen / daß ein Student aus Corsica bůrtig sechs und dreissig tausent Wörter / auß allen Sprachen die schwersten /nacheinander in der Ordnung sie ihm vorgelesen worden / hergesagt / ja wider ruckwarts oder von der Mitten anzusagen gewust / als ob er solche auß einem Buch hergelesen hätte. Diese Kunst hat er in kurtzer Zeit einen Venetianischen Edelmann gelehret / Namen Francisco di Moulino, welcher zuvor eine gar schwache Gedächtnis gehabt.
9. Sabellicus (im 10. Buch am 9. cap.) erzehlet von einem Antoni genant / von Ravenna bürtig / der es dem Corsen gleich gethan. Es ist aber noch wunderlicher was Montaigne schreibet / daß einer 500. Eyer in gewisse Ordnung legen lassen / selbe gezehlet / und hernach / wann sie zusammen geleget und verwechselt worden / eine jede Zahl wider zu finden wissen.
10. Gleich wie aber die Rädlein in der Uhre / wann sie subtil und zärtlich gemachet sind / leichtlich außlauffen und schaden nehmen; also lehret die Erfahrung / daß die allergelehrtsten Leute in ihren Alter viel /und wol alles was sie gewust / wie Franciscus Barbarus / Georgius Trapezoncius und andre / wider vergessen / und den Kindern gleich worden / und ist selten oder gar nit zu finden / daß eine übertreffliche Gedächtnis / bey einem grossen Verstand und guten Urtheil were.
11. Es geschihet auch / daß man durch Kranckheiten die Gedächtnis verleurt / wie S. Rondelet einem Doctor der Artzney zu Mompelier / erzehlet / daß einem Studenten auf besagter hohen Schule ein Aug außgestochen worden / darüber er alle Gedächtnis verlohren / und wieder bey dem A b c anfangen müssen / da er doch zuvor sehr gelehrt in den untern [166] Wissenschafften. Thom. Iourdan. 2. cap. 2. Buch von der Pest.
12. Ein Seneser / Namens Antonio / war von einer schweren Kranckheit genesen / und hatte alle Gedächtnis verlohren / daß er seine Freunde und Feinde vor einander nit erkennen mögen. Nach 3. Wochen bekommet er einen Durchbruch in dem Leib / welcher die bösen Feuchtigkeiten hinweg nahme / daß er hernach wieder zu seiner völligen Gedächtnis gelanget.A. Benivenius im 42. cap. Deßgleichen lieset man von einem Franciscaner Mönchen / daß er die Gedächtnis nach einer Kranckheit verlohren / und solche durch dienliche Artzneyen wiederum erlanget. Christ. de Vegua lib. 3. c. 10. de arte medendi. Jener sagte /man solte ihn nit lehren / die Kunst der Gedächtnis /sondern die Kunst der Vergessenheit / welche unter den beleidigten Christen fast abgestorben.
147. Wunderliche Naturen
(CXLVII.)
Wunderliche Naturen.
Ein jeder / sagt das Sprichwort / bleibt bey seiner Weis / was dich gelüst / ist deine Speiß. Wie wir Menschen in dem Angesicht in der Stimme / in den Geberden und Reden unterschieden sind / also ist auch unsre Liebe und Haß / unsere Zu- und Abneigung unterscheiden / und thut offt die Erziehung und Gewonheit so viel als die Natur / wie wir dann lesen /daß die Grafen von Stollberg einen Hirschen abgerichtet / daß er sich wie ein Pferd / reiten lassen. Als nun Käyser Carl 1548. auf den Reichstag zu Augspurg ein Roßlauffen angestellet / hat der Hirsch alle Rosse / Spanische / Türckische und Ungerische überloffen / daß solches mit Lust und Verwunderung gesehen worden.
2. Wie man die natürliche Neigungen überwinden kan / und sich zwingen / eine Artzney zu gebrauchen /welche nicht angenehm ist; also finden sich auch heimliche Feindschafften / [167] die sich nicht wollen beherrschen lassen / und deren Ursachen in deren Natur verborgen / und uns unwissend sind. Viel können keine Katzen leiden / ob sie gleich dieselben noch sehen noch hören / welches keiner andern Ursach beyzumessen / als daß der Lufft durch der Katzen Odem angetufft / einem solchen Menschen zu wider / daß er deßwegen schwitzet / erblasset / und nicht bleiben kan / wo ein Katz eingespert ist. Matthiol. über das 6. Buch Dioscorid c. 25.
3. Ein Edelmann hatte nicht leiden können / daß ihn ein altes Weib angeschauet / und als er auf eine Zeit bey einen Gastmahl gegen eine Alte zu sitzen kommen / daß er ihren Anblick nit entfliehen mögen /hat er sich darob entsetzet / daß er alsobald tod zur Erden gesuncken. Mart. Weinrich von den Mißgeburten.
4. Die Herren von Candales in Guyenne / und alte von selben Geschlecht können keine Aepffel riechen: deßgleichen hat auch Iean de la Chesnaye die Aepffel so gehasset / daß ihm alsobald von dem Geruch die Nase geschweist.
5. Ein Bauer in der Normandia hat nie noch Brod noch Fleisch / noch Käß / noch Fische / sondern die gantze Zeit seines Lebens nur Eyer gessen. Brugerin in dem 1. Buch von den Speisen / c. 24. Hingegen schreibet Marcellus Donatus l. 4. Observ. Medicinal. daß er eines Italianischen Grafen Diener gekant /der hat kein Ey sehen noch rüchen können / und alsobalden ihm solche zu Gesicht gekommen / den Magen ausleeren müssen.
6. Scaliger (exercit. 153. contra Cardan.) meldet /daß etliche keinen Wein / etliche keine Rosen rüchen können / und daß ein gantzes Geschlecht zu Meyland die Cassie (eine Indianische Frucht) nicht rüchen mögen / sondern sind alsobald darvon gestorben.
7. Marande (l. 3. von den Kräutern c. 3.) schreibt /sein Vatter habe nie keinen Bissen von allem Geflügel versuchen können / wie auch keine gesaltzene Speise / so wenig sie auch gesaltzen seyn mögen.
8. Viel können keinen Aal sehen noch versuchen /unnd [168] wann sie an einem Ort / wo solche Fische verborgen / können sie vor Aengsten nit bleiben Weinrich und Pareus.
9. Ein Graf von Arnstadt konte kein Baumöl sehen / noch rüchen / und fiele alsobald in eine Ohnmacht /bliebe auch so lang unempfindlich ligen / biß man das Oel ferne getragen hatte. Horst. und Lemnius.
10. In der Schweitz gibt es viel Bauersleute / die allein von der Milch leben ohne Brod / und werden mit Gesundheit alt und grau. Zwinger.
11. Bernard Bony von dem edlen Geschlecht der Raguosen / konte nichts süsses zu sich nehmen / kostete niemals einige Baumenfrucht / weil sie süßlicht /sondern Mandel / Nüsse und Essig / so bald man ihm eine Artzney verordnet / die süß war / fiele er in eine Ohnmacht / und mochte sie nicht behalten Amatus Portugais.
12. Ein Soldat der seine Tapfferkeit vielmals erwiesen hatte / konte keine Weinrauten rüchen / und flohe solches Kraut von ferne Marcel. Donat. l. 6. c. 4. Wolte GOtt / daß uns die Sünde so zu wider / daß wir selbe fliehen und meiden müsten!
148. Der Warheits-Zwang
(CXLVIII.)
Der Warheits-Zwang.
Viel leichter ist / nach dem Sprichwort / die Warheit hören / als reden / weil man mehr Zuhörer derselben findet / als welche solche reden: Deßwegen jener / als man ihn gefragt? Wie weit die Lügen von der Warheit? recht geantwortet / so weit die Augen von den Ohren / weil nemlich nur das für wahr gehalten wird /was man mit den Augen sihet / und nicht was man höret. Man soll der Lügen ein Hauß bauen / ausser der Stadt / wie ein Pestilentzhauß / aber nur auf drey Seulen / daß sie der Wind reinigen kan. Von solchen Warsagern wollen wir etliches in dieser Erzehlung anmelden / und bemercken / wie solche auff nicht gemeine Weise erzwungen wird.
2 Wir wollen hier nicht widerholen / was wir von der [169] peinlichen Frage / an unterschiedlichen Orten /beygebracht / auch nit gedencken / daß der Wein und die Weiber durch angenehmen Zwang / die Warheit herauß pressen können / und daß man ohne Bekantnis deß Verbrechens niemand zu dem Tod verurtheilen kan; deßwegen die Richter auf solche Mittel gedacht /die schmertzlich aber nicht tödlich sind / und unterwerffen keinen solchen Proben / wann nicht genugsamer Beweiß / oder Zeugschafft wider einen Ubelthäter vorhanden / und er doch mit der Warheit nicht herauß wil. Da dann die Marter ein Antheil seiner Straffe wird.
3. Uber die gewöhnliche Marterbanck oder Folter /da man die Glider deß Menschen außeinander ziehet /hat man noch viel Mittel erdacht / die Missethäter zu peinigen / und ist eines der Hunger und Durst / welchen der Mensch nit gar lang ertragen kan: Sonderlich aber der Durst / in dem man solchen Leuten täglich gesaltzne Speisen zu essen giebet / und keinen Tropffen zu trincken. Weil aber etliche wenig / etliche gar nit trincken / wie Dr. Schenck viel solche Exempel er zehlet / ist dieses jetziger Zeit nit mehr gebräuchlich. Die Pillulen von Taback machen / daß man Hunger und Durst leichtlich erdulten kan.
4. Von den grossen Plagen eine ist / daß man einen solchen Ubelthäter der nit bekennen wil / viel Speise und starckes Geträncke zu lässet / bindet ihn aber auf eine Banck / da er die Füsse nit aufstellen kan / und die 2. entblösten Arm über sich / so offt er nun schlaffen wil / stossen jn die Henckersbuben mit brennenden Facklen in die Seiten / und ist keine Pein schmertzlicher und deß Menschen Leib wenig schädlicher / massen man einem solchen die Ruhe und den Schlaff verspricht / so bald er die Warheit bekennet.
5. Ferners hat man sich von Alters deß Feuers unnd deß Wassers gebrauchet / und zwar deß Feuers auff zweyerley Weise; daß sie entweder die Ubelthäter gezwungen auff glüenden Kohlen zu gehen / dardurch die Fußsohlen gantz verbrennt / und ein solcher nit mehr die Zeit seines Lebens gehen kunte: oder beschmierten die Fußsohlen mit Schweinsfett / und liessen sie von ferne also braten.
[170] 6. Das Wasser gebrauchten die Alten also: Sie banden dem Ubelthäter die Hände und Füsse / spanten ihm den Mund mit einem Knöbel auff / gossen hernach einen Kübel nach den andern über sein Angesicht / daß zu Zeiten ein solcher ersticket ist. Etliche haben gar Kalchwasser genommen / etliche Essig /oder Wasser mit Essig vermischt / und es auch wol in die Naßlöcher gegossen; ist aber keine peinliche Frage / sondern eine Straffe / mit welcher man die Leibeignen Knechte zu belegen pflegt.
7. Lächerlich ist / aber noch viel verdrüßlicher was folgen soll. Man hat den armen Sünder außgezogen /und ihm einen Kefer auf den Nabel gesetzet / solchen mit einem Glaß oder einer Stürtzen bedecket / und also beedes den Menschen und besagte Stürtzen aneinander gebunden / daß keines weichen können. Es soll nicht außzusagen seyn / was dieses grüsseln deß Kefers für eine Plage / und ist leichtlich zu glauben /weil ein Floh in dem Ohr sehr beschwerlich ist / der doch keine so spitzige Füsse hat / als ein Kefer.
8. Es scheinet auch / daß die Menschen auff noch wunderlicher Qualen sich bedacht / in deme sie einen Ubelthäter auff eine Banck gebunden / die Füsse entblösset und die Sohlen mit Saltz gerieben / oder mit Saltz-Wasser angefeuchtet / hernach eine Geiß / welche unter allen Thieren die rausten Zungen haben /das Saltz ablecken lassen / da man gesehen / daß die Geiß alles Fleisch / biß auff die Gebeine weggefrettet.
9. In deme nun der Richter die Warheit herauß zwingen wil / muß er bescheidentlich verfahren /damit der unschuldige darüber nicht leide / unnd er ihme die Straffe Gottes auff den Halß ziehe. Wann genugsame Proben zu der peinlichen Frage vorhanden / und der Ubelthäter eine Person / welche nach den Gesetzen an die Folter gespannet werden kan / (dann man die Knaben / schwangere Weiber / krancke oder sonst schadhaffte Leute verschonet) muß man [171] erstlich betrachten das Verbrechen / alsdann mit Schreckworten bedrauen / mit binden / mit dem Daumstock / mit Anhangung deß kleinen Steins. Wann alles dieses zu unterschiedlichen Zeiten vorgenommen / nichts helffen wil / mit den grösten Steinen verfahren.
10. Wil dieses alles nicht gnugsam seyn / pflegt man den Ubelthätern kaltes Wasser in den Rücken zu giessen / lässet ihn an der Folter hangen / erschittert die Stricke daran er gebunden / jedoch / daß man länger nit / als eine Stunde darmit umgehe / in welcher Zeit man ihn rasten lassen muß / daß er verschnauffen / sich bedencken und bekennen kan: Hat er aber diese peinliche Frage zum drittenmal außgestanden / so hält man ihn für unschuldig / und wird der Verhafft entlassen; jedoch nach Beschaffenheit der Sachen / und wird dieses zu unterschiedenen Tagen / unnd allezeit vorgenommen / wann der Missethäter zuvor gessen hat.
11. Hier fragt sich nun zweyerley / erstlich: Warum man die Ubelthäter zu bescheren pflege; und wann derselben viel / welche man am ersten mit der Frage angreiffen soll? Daß sie ohne Haare bekennen / lehret die Erfahrung / und wissen wir / daß Samson seine Stärcke in den Haaren gehabt. (Richt. 16. v. 19.) bey dem Ovidio hat Nisus nit können überwunden werden / so lang er die Haare auf dem Haupt hatte / welche ihm Scylla abgeschoren. Mit den Haaren nimmet man vielen auch die Künheit und Tapfferkeit / daher alle leibeigene abgeschorne Haare tragen müssen / und ist bekant / daß die Verschnittenen und Weiber / welche keine Haare um den Mund haben / furchtsam und verzagt sind. Es werden ihnen aber die Haar abgeschnitten / wegen verdächtiger Zauberhändel / und weil solchen Beschornen auch die Kälte das Haubt schwächet unn Schmertzen verursachet; welche sie unter den Haaren zu verbergen pflegen / und beschehet solches /wann sie das erstemal nit bekennen wollen / und dann weil sie grössern Schmertzen an dem entblösten Haubt leiden / in deme alle Schweißlöchlein eröffnet werden / und die Feuchtigkeit der tieffgewölbten Gefängnissen / welche die Haare aufhalten / nit kan gehindert werden.
[172] 12. Auf die andre Frage finden sich unterschiedliche Meinungen / und wollen etliche / man sol den ältesten / welche am verständigsten seyn / und die andern abmahnen sollen / am erste angreiffen: andre wehlen den jüngsten / als den einfältigsten / der die andren am leichtsten verrathen solte: Etliche aber nehmen den / dessen Angesicht am tyrannischsten außsihet / und ist nit zu zweiffeln / daß in den Augen das Hertz gleichsam erscheinet / und fehlet man nit leichtlich / wann sonderlich andre Umstände / die einen solchen beschweren / darzu kommen.
149. Der Findling
(CXLIX.)
Der Findling.
Mann soll das Kind nit mit dem Bad außgiessen /oder die beschlepten Kinder weg werffen / nach dem gemeinen Sprichwort / welches hergenommen von den Hebammen / die eine erstgeborne Leibesfrucht zu reinigen und zu säubern / nicht aber hinzuwerffen pflegen: Daher solche Eltern Raben Eltern in der Schrifft genennet werden / weil die Raben ihre Jungen in den Nest verlassen / und sie von dem Tau / oder wie andre wollen / von den kleinen Würmlein / welche auß ihrem Koth erwachsen / erhalten werden. Wann aber die Kinder in Unehr gebohren / den Eltern nit angenehm / begibt sichs vielmals / daß solche hingelegt / und von andern gutthätigen Leuten gefunden ( daher sie Findlinge heissen) und aufferzogen werden: Zu Rom / Venedig und Pisa / den Kindermord zu verhüten / gewisse Oerter gestifftet / da man solche Findlinge aufferziehet / und die Zeit ihrer Einkunfft /sampt bey gelegten Kennzeichen / ordentlich beschreibet. Von einem solchen Findling soll folgende Geschichte umständige Meldung thun.
2. Zu Bolonia oder Bononia in Welschland hielten sich zween Spanische Studenten auf / Namens Antonio von Yhunea und Johan von Gamboa vornehmer Leute Kinder / welche beede kaum das 25. Jahr erreichet / und keine Belustigung der Jugend unterwegen liessen / massen sie die Mittel darzu überflüssig in den Händen hatten. Ob sie nach [173] Frauenzimmer gefragt / und selber Gesellschafft gesuchet / ist bey so hitziger Jugend Müssiggang leichtlich zu erachten /und waren sie / kurtz zu sagen nicht lässig / solche schöne Bücher zu durchsehen und fleissig darüber zu liegen / gebrauchten auch mehr / als einen solchen Kalender.
3. Unter vielen war wegen ihrer Schönheit in Rhum Cornelia Bentivogli / deren Voreltern auf eine Zeit über Bononia geherrschet / von welchen niemand im Leben / als Lorentz Bentivogli ihr Bruder / in dessen Schutz und Auffsicht Cornelia damals ware / und ob sie wol ohne Vatter und Mutter / ware sie doch kein Waisen-Kind zunennen / weil der Reichthum ihr an Eltern statt verblieben / und ihr sattsamen Unterhalt verschaffte. Diese Cornelia hielte ihr Bruder / wie ein schönes Gemähl verwahret / das der Lufft leichtlich verderben möchte / und ausser der Kirchen nit könte gesehen werden.
4. Als sich nun begeben / daß Johann von Gamboa der Spanische Student auf eine Zeit bey Nachts nach Hause gehen wollen / hat man ihm geschrien / und bey einer Haußthür gefragt: ob er Fabio were? Johann sagte / auf alle Wagniß / ja und empfange einen eingewickelten schweren Bündel / mit Bitte solchen fleissig zu verwahren / und wider zu kommen / also schlosse man das Hauß hinter ihme zu / und ließ ihn mit einem neugebornen Kind in der Gassen stehen. Nach kurtzem Bedacht / trägt er diese Gabe nach Hause / und befihlet sie einer Frauen in der Nachbarschafft / wol vermerckend / daß man ihn fůr einen andern angesehen hatte. Das Gezeug / in welches das Kind eingehüllet / beglaubte leichtlich / daß die Eltern dieses Findlings reiche Leute / zu deme war auch das Kind so holdselig / daß Johann sich darüber erfreute / und zu solches Aufferziehung keine Unkosten sparen wolte.
5. Nachdeme nun Johan wieder kommen zu dem Hause / da er so kindlich begabet worden / hat er einen schreyen und sich wehrend befunden / den ihrer viel ermorden wollen / deßwegen er alsobald von Leder gezogen / und dem Betrangten einen Beystand geleistet / biß endlich die Wacht darzu gekommen /[174] und diese Meuchelmörder verjaget / jedoch daß diese beede darüber verwundet worden / und Johann / dem andern seinen Namen / um welchen er gebetten /damit er wisse / weme er zu dancken schuldig / angezeiget. In diesem Tumult hatte Johann seinen Hut verlohren / und den nechsten besten aufgesetzet / ist auch darmit / weil andre kommen / und den / dem er beygestanden / hinweg geführet / wol nach Hauß gekommen.
6. Unterdessen wolte Antonio seinen Spießgesellen suchen und begegnet ein Weib / welches ihn um Gottes Willen bate / er solte sie in Sicherheit bringen und sich ihrer annehmen / dieses thate er willig / und brachte sie auf seine Kammer / da er mit Verwunderung sahe / daß sie eine sehr schöne und reich bekleides Weib / hörte aber von ihr keinen andern Bericht /als daß sie ihn bate / er solte sie in verborgen halten /und eilen Friede zu machen / unter denen die in der nechsten Gassen einander würgen wolten: als er nun solches zu thun gewilt / begegnet ihm Johan / und erzehlen diese beede / was ihnen diese Nacht begegnet. In deme sie nun in ihrer Behausung angelangen / wil Antonio seinen Gesellen nit lassen in die Kammer gehen / und in dem er aufsperret / schimmert der Hut mit den Diamanten so herrlich / daß die schöne Gefangene solches ersihet / und bittet / der Hertzog wolle doch hinein kommen / und sie in ihrem Elend besuchen. Antonio sagte / daß kein Hertzog hier / und führte mit ihrer Bewilligung Johan hinein / welchen sie befragte / ob er dann den / dessen der köstliche Hut seye / kennte? Johan antwortete mit nein / und erzehlte / wie er ihm beygestanden / und bey dem Leben erhalten hätte.
7. Hierauff gabe sich diese Weibsperson etlicher massen zufrieden / betrocknete die Threnen Perlen /welche über ihre Wangen häuffig triefften / und in dem sie erzehlen wil / was sich mit ihr begeben / hört sie ein neugebornes Kind weinen / und als sie befragte / wo es were / verstande sie daß solches ihr seyn müste / und bate man solte ihr doch solches zu säugen bringen / welches geschehen / unnd nach dem sie sich[175] wieder erholt / hat sie erzehlet / daß sie Cornelia Bentivogli seye / welche der Hertzog von Ferrara Alfonso von Este geliebt / vermittelst ehelicher Versprechung geschwängert; massen sie auch bey ihrer Befreundin einer genesen / und diese ihre Frucht zur Welt gebracht / eben in der Nacht / als der Hertzog sie entführen wollen / und von ihrem Bruder feindlich angegriffen worden / in deme sie das Kind eine von ihren Kammermägden vertraut / und auß Furcht deß Todes /welchen sie von ihrem Bruder zu erwarten gehabt /entflohen etc.
8. Ob nun wol die Magd vermeint / sie gebe das Kind Fabio / deß Hertzogen Diener / hat sich doch entlich befunden / daß alle Umstände eingetroffen /und das Hertz hat ihr gesagt / daß dieses ihr Kind. Die zween Studenten haben ihr das Zimmer eingeraumet / das Weib / welchem erstlich das Kind gegeben worden / bey ihr gelassen / und mit anbrechendem Tage / an das Ort / wo der Streit zu Nachts sich begeben / verfüget / aber gantz keine Zeitung und Nachrichtung von dem Hertzogen vernehmen können.
9. In dem begabe sich / daß Bentivogli auß sonderlichem Vertrauen gegen die Spanier / Johan erzehlet /wie der Hertzog von Ferrara seine Schwester verunehret / und bittet ihn / mit nach Ferrara zu reiten / und wegen seiner den Hertzogen für die Klingen zu fordern / weil er so mächtig nit / daß er Volck werben /und einen Krieg mit diesem Hertzoge anfangen könte. Johan liesse sich hierzu willig gebrauchen / unn verhoffte also zuvermitteln / daß den Hertzog andrer Gestalt Vergnügung beschehen möchte / bedancket sich deßwegen deß guten Vertrauens / und machet sich mit ihme auf den Weg / nimmet auch mit seiner Einwilligung Antonio mit sich / als einen glaubwürdigen Zeugen / alles dessen / was sich mit den Fräulein Cornelia begeben.
10. Nachdeme diesen verraiset / bildet die Warterin der Cornelia für / daß Bentivogli / ein Italianer / der hinterlistiger Weise / diese Spanier / wegen ihrer /umb das Leben bringen werde / räht also / und beredet sie / daß sie sich sampt dem Kinde auffmachen /unnd bey einem Dorffpfarrer unferne von Ferrara / da sie vor diesem [176] gedienet / ihre einkehr nehmen solte /führte ihr auch zu Gemüt / daß ihr viel anständiger und verantwortlicher / wann sie bey einem alten Geistlichen / als bey jungen Studenten gefunden werden würde: Cornelia befindet alle die Vrsachen für richtig / machet sich mit ihrem jungen Sohn auff den Weg / und kommet zu besagtem Dorffpfarrer / welcher sie willig auffnahme und wol empfienge.
11. Es fügte sich aber / daß Alfonso und Bentivogli von ferne einander begegnen / und Johann / der ihn alsobald erkennet / rennte vorauß ihme entgegen / und gab ihm zu verstehen / welcher massen Bentivogli sich von ihm beleidigt vermeinet. Alfonso erkläret sich hierauff alsobald / daß er Corneliam für seine Gemahlin halte / ihr die Ehe versprochen / und gewillet seye / sich förderlichst mit ihr trauen zu lassen. Als nun Johann diese Antwort zurücke brachte / wurde Bentivogli sehr erfreuet / und kamen einander zu umarmen.
12. Vnterwegs erkennte Alfonso seinen Hut / und widerholte seine Dancksagung gegen Johann / daß er ihm in seinen Nöthen beygestanden / erzehlten auch /wie alles mit Cornelia dahergegangen. In dem gelangten sie bey vor besagtem Dorffpfarrer an / und weil sie der Regen überfiele / stiegen sie ab / und fanden /was sie nicht suchten. Hielten also dieses für eine sondere Schickung / und ließ sich Alfonso mit Cornelia alsobalden trauen / und führte sie mit sich nach Ferrara / da sie in grosser Vergnügung lange Zeit gelebet / und mit den zweyen Spaniern sehr grose Freundschafft anwesend / und durch Brieffwechsel /abwesend gepflogen.
150. Der Naturkündiger
(CL.)
Der Naturkündiger.
Wer der Natur ihrer Latern folget / sagt das alte Sprichwort / der irret nicht / verstehend / daß die Anleitung der Natur die beste Richtschnur / in solchen Sachen / die zu deß Leibes Unterhalt vonnöthen: also lebt ein Ochs / ein Pferd / ein Hirsch nach der Natur /und isset und trincket nicht mehr / als [177] sein Hunger und Durst erfordert. Ein Thier ist nit neidisch / es trachtet nicht nach mehr / als es bedarff / es thut niemand Schaden und nimmet nur sein bescheidenen Theil / der zu Unterhaltung seines Lebens vonnöhten ist. Viel aber unter den Menschen wissen hiervon nichts / und widerstreben den guten natürlichen Neigungen / ja sie verachten ihre Ursachen / welche sie doch billich ergründen solten. Wir wollen zu Beschluß dieses Theils einen Naturkündiger auff den Schauplatz stellen / und von ihm etliche Fragen und derselben Antworten anhören / gleicher Weise als einer vor Jahren einen leeren Kram zu Franckfurt eröffnet / und mit Vorwand / er habe die Weißheit zu verkauffen / keine bessere Waaren als diese gehabt.
2. Warum hat man vor alters nur einerley Speisen auffgesetztt? Antwort.
Weil die Warme deß Magens unterschiedliche Speisen nicht gleicher Weise verdauen und kochen kan; gleich wie in einem Hafen Rindfleisch und Kalbfleisch / gesaltzene Hechte und Salm nicht mit einem Feuer und zu einer Zeit wol gesotten werden können. Hierdurch wird der Magen geschwächt und verbleibt noch etliches roh / und undienliches übrig.
3. Warum haben die kleinen Thiere mehr Hertz /als die grossen? Antwort.
Weil die Hitze in einem kleinen Gefäß besser zusammen gehalten / und viel stärcker ist.
4. Auff wie viel Weise reiniget sich das Gehirn?
Das Gewässer oder die Feuchte dringet durch die Augen das Melancolische durch die Ohren / das phlegmatische durch die Haare / und das Colerische durch die Nasen.
5. Warum werden die Menschen / welche in ihrer Jugend garfett sind / nicht alt? Antwort.
Weil sie kleine Adern haben / die von dem Fleisch und der Fettigkeit gleichsam zusammen gepresset werden / daß die Geisterlein nicht ohne Zwang hindurch wallen / daher kommet / daß die natürliche Hitze von dem Lufft nicht lang erfrischet werden kan und gleich wie ein Liecht das keinen Lufft hat / erlischet.
[178] 6. Warum schadet das studieren nach dem essen? A.
Weil die natürliche Hitze nicht zugleich den Magen zu der Deuung / und dem Gehirn zu dem Nachdencken dienen kan.
7. Warum sind die / welche gerne starcke Wein trincken / vielen Kranckheiten unterworffen? A.
Der starcke Wein wärmet nicht / sondern brennt und verzehret die natürliche Hitze / schwächet die Lebern / daß die kein gutes Geblůt kochet / sondern Wasser / darauß die Wasser- und Schwindsucht /sampt andren Kranckheiten und Beschwerlichkeiten entstehen.
8. Warum nisten die Vögel in dem Früling / da sie mager und nicht in dem Herbst / da sie voll und feist sind? A.
In dem Früling ist alles lebhafter / und die Hitze unnd Feuchte gemässigter? in dem Herbst aber sind die Leiber kalt und trocken / und dienet also weniger zu Fortpflantzung der Geschlechte.
9. Warum pflegt man sich auff dem Meer zu brechen / und solches geschihet nicht von lauffen und gehen? A.
Weil die Bewegung auf- und ab / wie in dem Schif unserer natürlichen Bewegung / hinter sich und für sich zuwider ist / und unsren Leibern gantz ungewohnt / dardurch der Magen gleichsam gestürtzet und verunruhet wird.
10. Warum pflegen etliche in dem Schlaf zu schnargen / etliche schlafen ruhig / etliche murmeln /etliche reden auch laut und vernemlich? A.
Der Unterscheid kommet her / theils von der Einbildung / theils von der verschleimten Brust / und auch wol von den Gedancken / mit welchen sie entschlaffen.
11. Warum brennet auß einem weissen Holtz eine schwartze Kolen / oder ein grauer Aschen? A.
Wann die Hitze sich mit der Feuchtigkeit vermischet / so wird die Würckung schwartz seyn / und dieses erweisen die Kolen. Wann nun die Hitze würcket in einem trocken Dinge / so wird es halb weiß / ist es halb feucht / so wird es grau.
[179] 12. Warum spielen die Esel mehr mit den Ohren /wann es regnen will / als sonsten? A.
Sie sind / melancolischer Natur / trocken und kalt /empfinden also den angefeuchten Lufft gar leichtlich /und solchen spühren auch andere melancolische Thiere / als die Frösche / die Delhpine / die Raben und Guckuck.
Deß VI. Theils der Lust- und Lehrreichen Geschichte.
ENDE.
Siebender Theil
Titel deß VII. Theils Lust- und Lehrreicher Geschichte
Titel
Deß VII. Theils Lust- und Lehrreicher Geschichte.
151. Die betrubte Geliebtde
[182] (CLI.)
Die betrůbte Geliebtde.
Weil wir den siebenden Theil dieses Schauplatzes mit Räthseln schmücken wollen / müssen wir bey dem Eingang melden / daß die Hispanier und Italianer /welche Gedichte oder Mähren (Novelas) geschrieben /zu Ende derselben jedenmals ein Räthsel oder tunckele Frage beygesetzet / deß Lesers Verstand zu üben /denen wir in diesen / wie vielen andren Sachen gefolget. Es sind aber der Räthsel viererley Arten / und werden hergenommen:
I. Von den Geschichten / wie Simsons Räthsel / und diese sind die schwersten / benamt Geschicht-Räthsel.
II. Von versetzten Buchstaben / und diese sind auch nicht leichtlich aufzulösen; Buchstaben Räthsel genennet.
III. Von verblümten Gleichnissen / Gleichnis-Rähtsel.
IV. Von einer tuncklen Beschreibung oder gemeine[183] Räthsel. Die Exempel sollen folgen / und ist auch hiervon zu lesen in dem CCXXXV. Gesprächspiele. Nun schreiten wir ohne Eingang zu der Geschichte.
2. Dionysius König in Sicilia / hatte mit seiner Gemahlin eine Tochter gezeuget / welche wegen ihrer Schönheit Stralgulda genennet worden / es hatte ihr zuwachsendes Alter die letzten Jahre in der Kindheit kaumlich erfüllet / als jhr holdes Angesicht mit vieler Betrübnis verhüllet / gleich wie die güldnen Sonnenstrallen mit den finstren Wolken verdecket werden; in deme nach jhrer Frau Mutter frühzeitigen Ableiben /eine gar kurtze Zeit jhres Herrn Vatern falsche Threnen getrocknet / und Arminde / welche ein Frantzösin / und jhn zu vergeß Ehelicher Treue verleitet ) eine Liebesneigung völlig beherrschet.
3. Nach Verfliessung weniger Monat / würde diese Arminda / durch eheliche Trauung / zu der Königlichen Hoheit erhaben / und ob sie wol ein Weib von trefflichem Verstand und reinem Gehirn / wie auch nicht gemeiner Schönheit war / hat sie doch der blößliche Ehrgeitz so bethöret / daß sie der Meinung ihre geringe Ankunfft zu bergen (welcher sie doch wegen ihres Stoltzes erinnern gemacht) sich gegen jederman hönisch und übermütig zu erweisen / nicht unterlassen.
4. Stralgulda wolte die hochfahrende Stifmutter /guter Meinung / bey begebener Gelegenheit ermahnen / sie solte sich nicht einig und allein auff deß Königs Liebe steuern / und gedencken / wie schnell es um einen Menschen / und eines Königs Leben und Gnade geschehen were: setzte benebens darzu / daß die Demuth aller Tugenden Grund / und daß das Glück dem Glase gleiche / welches hell gläntze und bald zerbreche. Armida ergrimmte über diese Rede / jedoch wuste sie wol / daß sich grosse Leute nicht erzürnen sollen / wie gemeine Leute bedanckte sich mit falschen Worten solches wolmeinens / etc. Trachtete aber von der Stund an / diese ungebetene [184] Rathgeberin / auß dem Mittel zu setzen: hielte deßwegen bey dem König an / er solte das Ebenbild seiner vorigen Gemahlin nicht für Augen dulden / weil die Neigung gegen ihre Person gehindert und gemindert werden möchte / daß endlich die Anklägerin zu einer Richterin und ihr frey gelassen würde / Stralguldam von Hofe zu schaffen.
5. Dieses zu vollziehen / lässet Arminda ihre Stieftochter die Princessin Stralguldam auff eine Insul überbringen / und zwar in höchster Geheim / damit der gemeine Männe nit Ursache zu böser Nachrede gewinnen solte. Sie wurde bedienet von wenig vertrauten Manns- und Weibspersonen / welchen allen bey Lebensstrafe verbotten / Stralguldam keinem Menschen namhafft zu machen. Sie hatte das lässige Nachsehen ihres Herrn Vattern und die Unbillichkeit ihrer Stiefmutter mit mehr / als weiblicher Gedult ertragen / und ihre Zeit mit spatzieren und fingen belustiget / welcher auch die Waldvögelein beygestimmet / und als die guldnen Morgenstralen willkom geheissen. Bald kürtzte ihr / wie allen Betrübten / die Zeit eine lange Betrachtung ihres Unglücks / bald die Anschauung der silberhellen Wellen / welche mit ihrem Schaum die Klippen außspühlten / bald das Gespräch mit ihrer Celia / welche die vertrautste unter ihren Kammerdienerinnen. Wann sie dann in solchen allen ermüdet / suchte sie ihre Kurtzweil auff der Laute zu spielen / welche sich in ihren Händen rühmen kunte /daß sie kein stummes Holtz zu nennen / mag also folgenden Begrieffs gesungen haben.
7. Als nun diese Princessin alle Abends in den Warmen Sommertagen / an das Ufer / und eine darvon nicht ferne darvon gelegenen Berge spatzierte /ersahe sie von ferne einen Menschen / welcher auf einem Bret / von einem gescheiderten Schiffe / mit grosser Lebensgefahr daher schwame. Sie befahle so bald / daß man ihme mit einer Nachen zu Hůlffe eilen / und jn retten solte / welches auch unverzögert beschehen. Richard (also nennte sich der in dem Meere erhaltene Jüngling) hatte sich nach etlichen Tagen /von dem außgestandnen Unglück wider erholet / und durch seine anständige Sitten / und holde Gestalt /wie auch etliche Kleinodien / die er an seine Wolthäter verehret / zu verstehen gegeben / daß er keine gemeine Person wäre. Bliebe also bey den Einwohnern der Insel / und hörte auf einen Abend / als er zu jagen außgegangen / dieses von unbekanter und lieblicher Stimme erschallendes Klagliedlein.
8. Richard wurde ůber das Gesang sehr bestürtzet /unnd fienge darauff an / sich gegen der ihm unbekanten danckbar zu erweisen / und sange also folgendes:
Augen wie habt ihrs verschuldet /
daß mit holder Liebespein
[188]dieser Insel Sonnenschein
Euch gehuldet?
die den Lebensfaden guldet
welcher meines Hertzens Schrein
bindet / will verborgen seyn
und erdultet.
Ohren / es ist euer eigen /
diese liebbetrübte Lied:
haltet Fried
und du Zunge solt auch schweigen:
weil ihr dancken sonder Wancken
die Gedancken.
Mit nicht weniger Verwunderung hat die Princessin dieses Gegensang angehöret / wol wissend / daß unter allen ihren Bedienten keiner sölches leisten konte. deßwegen wünschte sie den Orpheus dieser Wälder /und er hingegen die Syrene dieser Ufer zusehen. Stralgulda fragte zwar / was für Leute in d' Insel / und verstande / daß niemand sonderes ausser vielleicht den Fremden / welchen sie jüngsthin bey dem Leben erhalten. Allen Verdacht zu meiden / wolte sie fernere Erkundigung nicht einziehen; wol wissend / daß die Liebe hoher Personen nicht kindisch verfahren soll /hette deßwegen allerhand Gedancken / sich der angenehmen Gewaltsamkeit zu befreyen / und als sie diesen Jüngling gesehen / wolte sie unter dem Namen unn Bekleidung ihrer vertrauten Celia / auch mit jme reden.
9. Richard war deß Königs in Polen Sohn / welcher auff seiner Reise nach Sicilien / einen unglückseligen Schiffbruch erlitten / er aber für sehr glückselig erachtet / weiln er bey solcher Begebenheit in die Kundschafft der schönsten Princessin zu gelangen verhofft; dieses Vertrauens nahete er sich Nachtes dem Königlichen Lufthause / und beginnet solches Inhalts fingen.
Stralgulda schreyet ihm von einem hohen Fenster zu /daß keines von seinen Worten verlohren / und daß sie mit grossen Belieben aufgenommen worden. Richard war mit dieser gnädigen Bezeugung sehr wol zu frieden / erkühnet sich deßwegen die Feder zu ergreiffen /und zu bitten daß die Princessin / wie die Sonne ihre Stralen herfür bringen / und ihn nicht länger in der Nacht der Betrübniß sitzen lassen solte.
10. Nach dem nun Stralgulda / unter der Celia Namen mit Richard zu Abends gesprochen / haben ihre Diener entschlossen zu vermeidung ihrer Gefahre / diesen Frembdling auß dem Weg zu raumen / unnd hetten es auch in das Werck gesetzet / wann Stralgulda nicht darzwischen kommen / unnd ihn auß ihren Händen gerettet.
[190] Fernern Unheil vorzukommen / schriebe Stralgulda Richard er solte seinen Fuß ferner und ihre Ehre auß allen ungleichen Verdachtsetzen / und schickte ihm zu einer Ritterzehrung 1000 Kronen / und eine Rose von Diamanten / bey welcher er sich erinnern solte / daß sie die jenige seye / und ihr hohes Herkommen zu eröffnen billiches Bedencken trüge. Richard war ent schlossen / solche Bitte / für Befehlswort aufzunehmen / und schriebe zu danckbarlicher Gegenwort folgendes Liedlein.
11. Dieses Lied machte die Princessin entschliessen / mit Richard vor seinem Abraisen noch einmahl zu sprechen / welche sie bey einer so finstern Nacht /als [191] beede Verliebte wünschen mögen / werckstellig gemachet / und haben sie einander ihre Ankunfft und Zustand vertreulichst eröffnet / und ihre Liebe brünstig vermehret. Weil aber in zwischen Dionysius von seinen Unterthanen gebürlich ersuchet worden / die Princessin widerum in das Reich zu bringen / hat er entschlossen / selbe abzuholen / und ist bey Nacht /mit gutem Vorwind in der Insul angelangt / und seine Fräulein Tochter eiligst übergebracht / daß sie solches Richard nicht berichten können. Auß Sicilia aber sendet sie einen Brief under der Celia Namen an Richard / mit Bitte / er solte doch mit förderlichster Gelegenheit nach Hofe kommen. Dieses Schreiben sendet sie bey einem vertrauten Diener / Namens Liberio / und dieser wird von der Celia rechten Bulschafft / in einem Wirtshause begegnet / wo eben auch Richard auff dem Weg nach dem Sicilianischen Hof / eingekehret / und diesen über der Celia Untreue klagen hören.
12. Richard meldete endlich / daß er eine dieses Namens gekennet / und sahe auff Vorweisung deß Briefs / daß es nicht der Celia Hand / welche ihm zuvor vielmals zugeschrieben und berichtete / daß ein Irrthum in den Namen vorgegangen. Zu Morgens fande Richard seine Galern in dem Schifhafen / welche nach lang erstandenem Ungewitter / ohne Mast unnd Segel entronnen war / das kleine Schif aber /oder der Kahn / auff dem sich Achard benebens den besten Waaren retten wollen / war gescheidert. Als er nun zu Hofe angelanget / ist er als ein Königlicher Printz auß Polen empfangen / unn ihme nach gethaner Anwerbung / die Princessin / wie auch Celia dem Königlichen Kammerdiener getrauet worden / und haben dieses in so Hertzlicher Liebe / als ob jede Tage die ersten ihrer Hochzeit gewesen / lange Zeit gelebet.
Räthsel.
Welches Weib hat durch verlangen einen Sohn im Traum empfangen? es kam auff die Welt der Knab / als das vierte Jahr verflossen / und sein Vatter in dem Grab / hat der Toden Ruh genossen. [192] rahtet alle nicht üm sunst / wisst ihr solche Mannsparkunst:
152. Der ehrliche Bastard
(CLII.)
Der ehrliche Bastard.
Vorgesetzte Räthsel wird folgende Geschicht erklären / und ist von der ersten Art / welche wir Eingangs gedacht haben / wir wollen aber ordentlich verfahren /und erstlich den Fall / hernach das erste und andre Urtheil / drittens die Ursachen derselben / und alsdann erwegen / ob der Titel hierzu schicklich oder nicht. Ob wir wol dieser Geschichte auch an einem andern Orte Anregung gethan / soll sie doch hier ümständiger außgeführet werden.
2. Hieronymus Augustus von Montleon / ein Edelmann unferne von Grenoble truge zu Mannlehen Aiguenere / ein Rittergut der Orten gelegen / von dem König in Franckreich / und nach deme er vier Jahre von seinem Weibe Magdalene genannt abwesend /und mit dem Cardinal Valette in Elsaß verreist / auch darinnen todes verblichen / hat besagtes sein Eheweib einen Sohn zur Welt geboren / und weil sie solchem ihres Mannes S. Namen und Lehengüter zu eignen wollen / haben sich ihres Mannes Brüder Adrian und Carl von Montleon widersetzet / und den jungen Emanuel einen Bastard erkennen und gerichtlich außsprechen machen.
3. Bey diesem Urtheil hat es besagte Wittib nit verbleiben lassen / sondern die Sache an den Oberrichter gebracht / der das erste Urtheil durchstrichen / und den benanten Spätling Emanuel von Mandleon / für ein ehliches Kind unnd rechtmessigen Lehenserben /seine Mutter auch für eine ehrliche Frau erkläret. Nach etlichen Jahren aber hat die Sarbona zu Paris /dieses Oberurtheil wieder durchstrichen / und für sich selbsten / ferners Ergernis zu vermeiden / den besagten Emanuel / der zuvor für ehlich hat müssen gehalten werden / für einen Bastard erkläret / dem Parlament zu Grenobel auch einen grossen Verweiß deßwegen zugeschrieben. Ob es nun wol etliche laugnen wollen / und alles für ein Gedicht außgeben / so hat sich doch in ihren Gerichtsbüchern das Urtheil beschriebener [193] massen eingetragen gefunden / unter den Sachen / deß 1637. Jahrs den 13. deß Hornungs / und ist mit dern getruckten Verlauff durch Robertin /einen geschwornen Sachwaltern der Orten gleichstimmig befunden worden.
4. Die Ursachen / welche das Parlament zu Grenoble bewogen / den Emanuel für ein ehliches Kind zu urtheilen ist gewesen / 1. daß Magdalene seine Mutter so kühn / daß sie solche Sache / wider den gemeinen Lauff der Natur beständig bejahen / und zu einem richterlichen Außspruch dörffen gelangen lassen /welches ein Anzeichen / daß sie in ihrem Gewissen versichert / und von keinem andern Manne gewust /als von ihrem verstorbnen Eheherrn / der / wie sie vorgeben / ihr auf einem morgen in dem Traum erschienen / unnd das ehliche Wercke / nach ihrem Beduncken und empfindlicher Belustigung / mit ihr getrieben / daß sie sich von der Zeit an / sonder zuthun andrer Mannspersonen / schwanger befunden / unnd diesen Sohn auf die Welt gebracht.
5. Zum andern sind hierüber vernommen worden Elizabeth Deilberiche / Ludwig in Nacard / Maria von Salles / welche einstimmig außgesagt / daß sie die Magdalene zu Zeit / als sie diese Schwängerūg gespüret / bey ihnen vermeldet und erzehlet / daß sie von keinem Manne wisse / und doch auf der Meinung /und alle Anzeichen eines Kinds in ihrem Leibe spüre: halte darfür / es komme solche aus starcker Einbildung / in vorbesagtem Traum.
6. Hierüber sind auch drittens vernommen worden die Hebammen / Wilhelmin Garnier / Ludwigin von Airraut / Perrette Chaussage / und Maria Laumand /welche außgesagt / daß solches wol seyn könne / und daß auch ihnen dergleichen widerfahren / in deme sie bey Abwesen ihrer Männer / durch eine starcke Einbildung in dem Schlaffe geschwängert worden / und Kinder zu der Welt geboren / die theils noch im Leben.
7. Viertens hat man über diesen Fall die Artzney Verständige zu Raht gehalten / Ludwig Sardine /Peter Meraude / Jacob Grassie / und Elenor von Belleval vornehme Lehrer der Artzney zu Montpellier /welche alle auch behauptet / [194] daß ein solcher Fall sich natürlicher Weise zutragen könne. Zu deme soll es bey den Türcken Weibern / welche in dem Frauenzimmer an der Ottomannischen Porte verschlossen sind /nichts neues seyn / und auch eine Insel gefunden werden / da die Affen alle weibliches Geschlechtes / etc.
8. Im Gegensatz hat die Sorbona betrachtet / daß hierdurch deß Herrn Christi Geburt verunehret / und Maria dergleichen Einbildungen auch beygemessen werden könte; ja daß sich alle leichtfertige Dirne hierauf beziehen würden / und ihren starcken Einbildungen beymessen / was sie von ihren Bulen empfangen. Das Weib hat zwar ihren Samen und was zu der Nahrung der Frucht vonnöthen; solcher aber kan nicht fruchten / es werde dann deß Mannes Samen gebührlich darmit vermischet / gleich wie der Acker den Safft und die Fähigkeit hat / eine Frucht hervor zu bringen / solche aber ist ein Unkraut / (mit den Gewächsen oder molis verglichen) das nit nutzen kan /ohne die eingesenckte Besämung.
9. Alle Naturkündiger messen dem männlichen Samen die Gestaltungs Krafft bey (facultatem formatricem) und vergleichen solche mit einem Pitschafft /welches ohne weiches Wachs sein Bild oder Wapen nit eintrucken / dz Wachs auch ohn das Stegel nit gebildet werden kan. Ist also natürlicher Weise nit möglich / daß eines ohne das andre einige vollkommene Frucht / wie Emanuel von Montleon gewesen / durch die bald veränderliche Einbildung zuwegen bringen solte.
10. Es ist bewust daß in Feldmarschal Paners Frauenzimmer eine Dirne sich mit einem Englischen grossen Hunde vermischet / und ein Kind mit einem Hundskopff auf die Welt geboren / vermuthlich ist hierauß eine sondre Straffe Gottes erschienen / und hat diese mit andren Manspersonen kurtz zuvor oder darnach auch zu schaffen gehabt / daß daraus nicht zu schliessen / es habe der Weibliche Samen auch einige Bildnuskrafft / das weiß man wol / daß etliche Weiber ohne ihre Monatliche Zeiten sich verheurathet / unnd Kinder getragen / weil nemlich [195] der Samen in ihnen ohne solche Blumen Frucht bringen kan / daß aber solcher von der Einbildung / die in ehlicher Beywohnung so wol bey dem Mann / als in dem Weibe würcket / solte können vollkommen gestaltet und beseelet werden / diß ist gewißlich nicht zu erweisen.
11. Es ist auch nit glaublich / daß obgemeldte Magdalena von Montleon durch den bösen Geist solte seyn betrogen / und ihr in dem Schlafe männlicher Same beygebracht worden seyn / weil eins Theils der Satan ohne sondre Verhängniß Gottes solche Macht nit gehabt / und der Same in den hin und wieder bringen alle Geisterlein verlohren haben wůrde / an dem Kind auch / sonders Zweiffel etwas teufflisches sich würde gefunden haben / daß aber ein Geist für sich einen Leib solte erzeugen können / ist nicht zu behaubten / noch weniger kan er eine unsterbliche Seele zuwegen bringen.
12. Bey den Türcken giebt es Weiber / welche man Tribaden nennet / die sich mit dem Mann vermischen / und den empfangenen Samen andern Weibern beyzubringen bemühet sind / und sollen zu Zeiten also geschwängert werden: Vielleicht ist es das was dorten Paulus zum Rom. 1. saget / daß Gott die Heyden in ihren Lüsten dahin gegeben / daß Weib mit Weib Unzucht treibe / welcher Verdamniß gar gewiß ist: Ein mehrers hiervon zu melden tragen wir billiches Bedencken / und halten darfür / daß wir keusche Ohren hiermit nicht geärgert / weil wir von den Sachen gehandelt / mit welchen alle Menschen gebohren werden müssen: Hassen aber deß Socratis Meinung / der auf freyer Straffen Menschen pflantzen wollen / wie man ohne Scheue Baumen setzet / oder einen Acker besamet.
Rähtsel.
Ihr Leute rahtet doch / wie nennet man die Frucht / Die jeden Feind besiegt und jaget in die Flucht? Wann wan der Flucht geneust / so eilet zu den Hertzen das Blut / der Mensch erblast / stirbt auch wol in den Schmertzen.
153. Furcht und Schrecken
[196] (CLIII.)
Furcht und Schrecken.
Diese Rähtsel ist von der zweyten Art / und bestehet in versetzten Buchstaben deß Wörtleins Furcht und Frucht. Was nun hier von der Frucht gesagt wird / das ist von der Furcht leichtlich zu verstehen. Es wird aber die Furcht von dem Schrecken unterschieden; wir fürchten uns für der Gefahr / als wann uns etliche Mörder nacheilten; wir erschrecken aber für einem unversehenen Fall / als wann ein Mann von einem Dach herunter fiele. Gewißlich ist die Furcht eine von den stärcksten Gemütsbewegungen / und übertrifft die Liebe und die Hoffnung.
2. Es ist aher eine kindliche Furcht / welche mit Ehrerbietung und Vertrauen beknüpffet ist / unn eine knechtliche Furcht / die von Erwartung der Straffen herkommet: Jene ist in der Frommen / diese in den Bösen zuerkennen. Es fürchten die Menschen nit das gröste / sondern das nähste und ihnen widerigste Ungemach; wie wir sehen / daß ihrer viel den Galgen /die Galeen / und andre offentliche Schandmahle fliehen; die Laster aber / welche sie die Gnade Gottes verlieren machen / und ihre Seele verderben in der Hölle / die scheuen sich nit im verborgen zu begehen. Warum? Weil die Straffen Gottes verzögern / die Straffen der Menschen aber bald kommen können.
3. Die Furcht ist das Band deß Gehorsams / und wann solches entlediget / so gehet alles über und über; deßwegen jederzeit die klugen Gesetzgeber auch bey den Heyden / die Furcht der Götter / der Eltern und Oberherren für den Grund aller beständigen Regimenter gehalten: weil nemlich die Obrigkeit aller Orten nicht seyn kan / so soll man sich für Gott / und für denen die uns zu der Welt geboren / scheuen. Also ist die Furcht in allen Welthändeln / und wird derselben Anfang Fürsichtigkeit und Bey- oder Vorsorge genennet / und gegen die künfftige Gefahr zu verwahren / oder derselben zu entschütten.
4. Wie mächtig nun die Furcht in den Menschen ist / [197] daraus zu schliessen / daß etliche aus Furcht von Sinnen kommen / und wann eine Traurigkeit unn die Einsamkeit dazu kommet (Misrachia genant) so hat der böse Feind ein gewonnenes Spiel: deßwegen man die Kinder mit allerhand Gauckelwerck nit soll fürchtend machen / damit sie nicht gewohnen ihnen selbsten Sachen einzubilden / die nicht sind / sondern sie unter der Ruten halten / und sie selbe fürchten lassen.
5. Es ist sich aber nit zuverwundern / daß etliche fürchten was nit ist / weil vielmals die behertzten Feldherren die Flucht genommen / bevor sie einen Feind gesehen und wird solche Furcht von dem Hirten Gott Pan benamet / weil die Heyden vielmals erfahren / daß die Heerden sich zerstreuet und geflohen / da sie doch niemand gejaget und kein Wolff in der Nähe gespůret worden / welches sie dem Pan zugeschrieben. Wann sich nun dergleichen unter den Soldaten begiebt / so nennet man es Pansfurcht (terrorem Panicum) wolte man nun durch den Gott Pan / den höchsten und Allmächtigen Gott verstehen / so würde man sich nicht irren / weil er bedrauet den Gottlosen ein feiges Hertz zu geben / daß sie beben sollen / wie das Laub an den Bäumen / daß sie zu einem Thor außziehen / und zu sieben einfliehen sollen.
6. Verständige Feldherren sind jederzeit nit weniger bemühet gewesen / ihren Soldaten ein Hertz einzusprechen / als den Feind das Hertz zu nehmen und eine Furcht einzujagen / deßwegen man viel falsche Zeitungen pflegt außzusprengen / welche / wann sie 24. Stunde leben / grosses Heil und Unheil / auf einer oder andren Seiten verursachen können. Gleich wie eine Goldwage durch ein Stäublein oder durch den Odem kan beweget / und auf die lincke oder rechte Seiten bewogen werden; also auch ist deß Menschen Sinn / in Erwartung der Dinge / die da kommen sollen / mit einer falschen oder wahren Zeitung / auff eine oder andre Seiten zu ziehen / daraus grosser Vortheil oder Nachtheil erwachsen kan.
7. Also gebrauchte Gedeon der Trompetenschall /und die zerbrochnen Häfen die Amalekiter zu schrecken. Doch kan solches keine Pansfurcht genennet werden / weil solche keine [198] offenbare Ursach hat wie gesagt / sondern von übernatürlichen Ursachen eingegeben wird. Wir lesen 1. Sam 14. 15. daß in der Philister Lager / welches Jonathan unn sein Waffenträger angegriffen / ein Schrecken gekommen / also / daß dz Land erbebet; dann stehet darbey / es war ein Schrecken von Gott gekommen. Psal. 6. 13. 1. Mos. 35. 5. und an vielen andern Orten mehr / ist umständig hiervon zu lesen. Die falsche Einbildung hat hierbey keinen geringen Antheil / und rühret her von einen ungefähren Wahn / und verblendet den Verstand / daß er als durch ein grünes Glas / alles grün anschauet / und anders als es ist / betrachtet / deßwegen jener wol gesagt: Ein Feldherr soll nit alles glauben / und nicht alles verachten / was man ihm vorträget.
7. Viel sind aus Furcht in kurtzer Zeit grau worden / viel haben aus Furcht und Entsetzen die Pest an den Hals bekommen / viel haben aus Furcht bewilliget /das hernach nicht hat gelten können / und haben die Rechte hierinnen weislich verordnet / daß in solcher mit Furchten behaffter nichts verbindliches schliessen könne l. 1. ff de eo quod met 9 causa. etc. weil er nemlich nit bey völligen Verstand / und von der Furcht in seinen Gedancken verwirret / unn sein freyer Will / der zur solchen Handlung vonnöthen ist / durch die Furcht gehemmet wird. Wie aber solche Furcht beschaffen seyn müsse / ist hin und wider bey den Juristen zu lesen.
9. Carolus Molineus ein gelehrter Jurist von Paris / hat zu Tübingen gelehret / in Bestallung deß Hertzogen von Würtenberg / als aber sein Wirt ihn gerne aus dem Hause vertreiben wolle / und gehöret / daß er noch Ratzen noch Mäuse hören oder sehen könne /hat er in der Nachbarschafft solche Thierlein zusammen fangen / und ihm verborgen in seine Kammer sitzen lassen / dafür er sich so entsetzet / daß er bey der Nacht das Hauß geraumet / und eine andre Wohnung gesuchet.
10. Aldana ein Hispanier in Siebenbürgen hat sich zu Lippe so sehr gefürchtet / daß er entschlossen / die Festung mit Pulver in die Lufft zu sprengen / so bald der Bassa von Budweiß auf ihn würde anziehen / wie das Geschrey [199] erschollen: Als er nun zween außgesendet / sie solten Kundschafft bringen / und sie von keinen Soldaten weit und breit gehört / sind sie Spornstreichs wider zurucke gekommen / und als ungefehr eine Herd Viehes / einen Staub hinter ihnen gemachet / hat sich Aldana so sehr gefürchtet / daß er das Pulver angestecket / und die Festung in die Lufft gesprengt / deßwegen er auch auf Leib und Leben gefangen gelegen / und hernach erbetten worden. Ascanius Centorius l. 5. de bell. Transylvan.
11. Vor Jahren zu unsrer Vätter Zeiten ist zu Labath der Hauptstadt in Kärnten / ein solcher Schrecken für den Türcken entstanden / daß jederman darvon geflohen / und kein vermahnen noch zusprechen helffen wollen. Inwendig war Furcht / und außwendig befurchtete man das Schwert / und dieses wärte 3. Tage / in welchen ihrer viel erdrucket und zertretten worden. Nach dem man aber das Volck versichert /daß es ein falsches Ausgeben / dessen Urheber nicht mögen erfahren werden / ist ein jeder wieder an sein Ort gekehret.
12. Es ist auch in Oberöstereich ein Geschrey außgekommen / daß der Türck weit in das Land streiffe /und hat der Haubtmann auf dem hohen Schloß Schallenburg / welches jetzund dem tapferen und hochberühmten Herrn Johann Wilhelm von Stubenberg zustehet / viel flüchtige Leute von fern gesehen / und deßwegen ihnen entgegen geschicket und fragen lassen / wo sie herkommen / und wo sie hin wolten. Sie berichteten / daß die Türcken in grosser Anzahl unferne hinter ihnen als man aber zugesehen / ist es eine Heerde Ungerischer Ochsen gewesen / welche einen grossen Staub gemacht: Es sind aber dieselbigen Türcken hernach verzehret worden.
Rähtsel.
Aus der Sonnen Bettgezelt kroche hervor eine Schlange / die den dritten Theil der Welt mit vegiffter Stärck fange: Sie hat eine Kron geraubt / die sie träget auf dem Haupt. keiner hat sich noch gefunden / Der die Schlang hat überwunden.
154. Der Türckische Pilgram
[200] (CLIV.)
Der Türckische Pilgram.
Diese erstermeldete Rähtsel ist von der dritten Art /und bestehet in vergleichen deß Türckischen Lügen Propheten Mahomets / mit einer grossen feurigen Schlange. Der Sonnenbett ist Morgenland / da das Liecht der Welt pfleget aufzugehen / Mahomet wird einer Schlange verglichen / wegen seiner vergifften Klugheit / die den Schlangen beygemessen wird / und solche hat er meisterlich erwiesen in seinem falschen Gesetz Alkoran / oder Koran genamet / in welchem er sich nach den Türcken / Juden und Christen gerichtet / und aus dreyen Religionen eine gemachet / ihnen auch verbotten / sich deßwegen in keine Wort Streit einzulassen. Zum andren wegen seiner Stärcke / dann er schnell / wie die Schlangen zu schiessen pflegen /mit Tyranney und Gewalt grosse Lande berucket / und die Kron deß Käyserthums aufgesetzet / wie dann auch die Schlangen Kronen aus dem Haubte haben. Kein Christlicher Ritter hat diese Mahometer überwinden können.
2. Unter andern aber daß die Türcken auch in ihren Wahn bestärcket / sind die falschen Wunderwercke /welche ihre Priester / Pilgram und vermeinte Heiligen thun / so mit einem Schein grosser Andacht herum ziehen / und durch deß Satans List oder Verblendung unglaubliche Sachen sehen lassen; daß / wann es möglich / auch die Außerwehlten verführet werden sollen / wie von solchen falschen Wundern der letzten Zeit der Warheit Mund und Grund geweissaget.
3. Ein solcher ist gewesen der jenige / von welchem Busbechius, Käyserischer Gesandter an der Ottomanischen Pforten / berichtet / daß er einen langen weissen Mantel angetragen / und einen grossen Bart / wider den andern Türcken Gebrauch gehabt / gleich wie die Mahler die Apostel zu bilden pflegen. Unter diesem Schaffskleid truge er einen Wolffssinn / und wurde von allen Türcken hochgeehret / als ein heiliger Wunder-Mann.
[201] 4. Dieser ase an deß Herrn Gesandten Tafel wenig und bescheidentlich / und wurde von den Dolmetschern mit Gesprächen unterhalten. Nach der Mahlzeit gienge er in den Hof / und truge einen grossen Stein hinauff / schluge sich darmit auf die entblöste Brust / so starck / daß kein Ox solches hätte können außhalten. Von den Gaucklern weiß man wol / daß etliche einen Mühlstein auf sich legen / und denselben zerschlagen lassen mit gewissen Vortheil / wie es aber dieser gemache / ist nicht wissend.
5. Nach deme solches geschehen / hat besagter Pilgram ein glüendes Eisen / so sonderlich darzu in der Glut gelegen / mit den Händen angerühret / und in den Mund genommen / und darinnen herum gedrehet /daß der Speichel darvon gegüsset / und es einer brennenden oder angefeurten Kohlen gleich gesehen.
6. Nach solcher Prob hat ihn der Herr Gesandte etliche Ducaten verehret / und wieder ziehen lassen. Seine Diener verwunderten sich über diesen Pilgram /und einer unter ihnen sagte / er wolte wol deßgleichen thun / als dieser Betrüger / und erkühnte sich das Eisen / wo es nicht geglüet / anzufassen / verbrente aber die Hand / daß er viel Tage darmit nicht zugreiffen können / und nach langer Zeit wieder geheilet worden ist.
7. Die andren lachen dieses verbrennten Affen / der gewißlich glauben muste / daß das Feur warm were /unnd fragten ihn ob er noch einmal Luft hette / das warme Eisen zu betasten? Er bedanckte sich aber / sagend / daß das gebrennte Kind das Feur fürchte / und daß der Hund / so in den Kuchen mit warmen Wasser gegossen worden / auch das kalte fürchte und fliehe /etc.
8. Dieser Pilgram / welcher sich einen Mönich bey des Mahomets Grab nente / erzehlte / daß sein Abbt /ein Heiliger / und wegen seiner Wunder berühmter Mann / auf seinen Mantel über den Fluß bey dem Kloster zu fahren pflegte / als ob er in einen Schiffe sätze. Wann sie ein Kalb schlachteten / so liesse sich der Abbt in die Haut oder das Fell nehen / und darinnen in einen Bachofen schieben / biß das Kalbfleisch gebraten / [202] oder gesotten / darnach ziehe man ihn gesund unn unverletzt wieder herauß / damit er seinen Theil auch mit essen könne.
9. Wie nun dieses zugehe / wird dem Satan nicht unwissend seyn Massen die Wunderwercke Christi und seiner Apostel / zu Nutz deß Nächsten / und nicht zu Versuchung Göttlicher Allmacht gedienet / und weiß man wol / daß etliche die Hände mit brennendem Pech waschen / welche sie zuvor gesalbet / und das Pech sie nicht brennen kan / wie hiervon Cardan kan gelesen werden / und wann es natürlicher Weise zugehet / ist ausser Zweiffel / dieser Pilgram habe dergleichen etwas in seinen Mund genommen / daß ihn das Feur auf eine Zeit nicht schaden können.
10. Hieher gehöret was im 5. Buch Mose am 13. vers. 1. 2. 3. gelesen wird: Wann ein Prophet / oder Träumer unter euch aufstehet / und giebt dir ein Zeichen oder Wunder / und das Zeichen kommet / darvon er gesagt hat (als hier dieser zuvor gesagt / ich wil glüend Eisen in den Mund nehmen) und spricht / lasset uns andern Göttern folgen etc. so solt du nicht gehorchen etc. Dann der HErr euer Gott versuchet euch /etc. Ja solches ist ein rechtes Kennzeichen deß Wider-Christs / welches Zukunfft geschicht nach Wůrckung deß Satans / mit allerley Lügenhafftigen Kräfften und Zeichen und Wundern / wie Paulus hiervon redet 2. Thess. 2. vers. 9. Nach der Grundsprach lautet es /mit vielen scheinbaren Wunderwercken / dardurch uns die Augen verblendet werden.
11. Es ist auch nicht alles / was uns wunderlich fürkommet / für ein Wunderwerck außzuschreyen. Also hielten die Indianer für ein Wunder / als sie die Stücke und grossen Geschütze hörten / ja sie vermeinten die Briefe könten reden / und hielten sie zu ihren Ohren; deßwegen Gellius recht gesagt / die Unwissenheit sey eine Mutter der Verwunderung / dann alles was wir sehen und derselben Ursachen [203] nicht wissen /das verwundern wir / wie die Gauckler Händel / niemand aber hält es für Wunderwercke.
12. Zu einem vollkomnen Wunderwercke / werden folgende VII. Stücke er ordert: 1. Muß es übernatürlich seyn 2. Durch Göttliche Kraft geschehen / und nicht aus des Teuffels Krafft / wieder Zauberer Schlangen in Egypten. 3. Dessen Würckung ungezweiffelt am Tage liegen. 4. Zu Gottes Ehre und Stärckung deß Glaubens dienen. 5. Daß das was sonsten mit Verlauff der Zeit geschehen kan / schnell und in einen Augenblick geschehe. Dieses betrifft die zwo letzte Arten der Wunderwercke. 6. Daß solches ohne Schmertzen oder sondre Bemühung geschehe. 7. Daß dz Wund ein vollständiges Werck seye. Wann man nun nach diesen Stücken vorbesagten Pilgrams Wunder probieret / wird sich finden / daß es eine Teuflische Verblendung / und kein Wunderwerk Gottes
Rähtsel.
Ein unbescheidner Gast heischt an mich eine Schuld: Ich zahl ihn nach und nach / doch hat er nicht Gedult: Was ich ihm heute zahl / erheischt er morgen wider / Und übermorgen auch: Raht wer es ist / ihr Brüder?
155. Die Hungerleyder
(CLV.)
Die Hungerleyder.
Es ist leicht zu verstehen / daß dieser Gast / und beschwerliche Glaubiger der Hunger seye: was man heut bezahlt und ihn mit Speiß und Tranck gestillt / das muß man ihm morgen und übermorgen bezahlen / und wäret diese Schuldigkeit so lang wir leben / dann ob sich zwar Leute gefunden / die der Speise und deß Getranckes sich enthalten / so ist es ihnen doch endlich ergangen / wie deß Eulenspiegels Esel / der die Kunst hat lernen sollen / und endlich darüber gestorben.
2. Gewißlich kan nichts lang leben ohne Nahrung und ist Speiß und Getranck nothwendig zu Ersetzung der natürlichen [204] Feuchtigkeit / welche nach und nach verzehret wird / und zu Erhaltung der Lebensgeisterlein / welche in allen unsrem Thun abnehmen / welches auf viel Weisse geschihet: Massen das Leben nichts anders ist / als die natürliche Hitze / durch die Lebens Feuchtigkeit unterhalten / gleich wie in einer Lampen die Flamme von dem Oel brennend genehret wird / und hangen an der Nahrung deß Menschen alle andre Geschäfftigungen seiner Glieder / als deß Magens / der Lebern / der Lungen / etc.
3. Zu Speier soll zu Käyser Ferdinands Zeiten ein Mägdlein / vier gantzer Jahre / ohne Speiß und Getranck gelebet haben / deßwegen der Käyser die Gelährten derselben Zeit angehöret / und unterschiedliche Meinungen befunden. Wie hiervon zu lesen Langij zweyte Epistel / Dieser gedencket auch Greg. Horst. im 7. Buch seiner Artzney Geschichte.
4. Licetus erzehlet von einer solchen Hungerleyderin in dem Florentinischen / welche die Hertzogin zu ihr holen lassen / und befunden / daß sie 16. Monat ntůchtern / ohn Essen und Trincken geblieben. Savanarola bestättigt solches im 16. Buch am 13. Cap. auß welchem es Licetus vielleicht genommen.
5. Zu Schmiedweiller in der Pfaltz / hat eines Küfers Tochter / Namens Catharina sieben gantze Jahre /ohne Nahrungsmittel gelebt / welcher Geschichte Beglaubung und Zeugschafft 1556. zu Heidelberg Teutsch getrucket worden. Lemnius / Licetus / Huls /Schenck und viel andre / die es einander außgeschrieben haben. In einer Kranckheit hatte diese Catharin die Rede verlohren / und solche wunderlich wieder bekommen. Dergleichen hat auch eine Dirne in Piemont nur Wasser getruncken / aber keine Speise an sich genommen / ist zu Genua lange Zeit für ein Wunder verwahret worden / und hat die Prob außgehalten. Licetus.
6. Peter Under ein Schweitzer / soll die 20. Jahre seines Lebens ohne Essen und Trincken zugebracht haben. Es ist ein dürrer magerer Mann gewesen für welchen man einen [205] Abscheu beginnet. Sein Bildniß weiset man noch in der Schweitz. Dieser Exempel werden nun hin und wieder in grosser Anzahl gelesen / auch von etlichen / daß sie noch geessen noch geschlaffen / und an statt desselben sich in die Sonne geleget / geschrieben. Mercurial. l. 3. pract. c. 7.
7. Hierüber fallen nun unterschiedliche Meinungen. Etliche glauben nicht daß diesem also / und halten dafür / es sey Betrug / oder ein Teuffelskunst darunter verborgen / welches auch bey vielen solchen Hungerleidern / die es mit dem Schein der Heiligkeit thun /wol war seyn mag; und vermeinen solche / daß dem Wunderfasten Mosis / Elia und deß Herrn Christi dardurch zu Nachtheil geredet werde / von welchem wissend ist / daß sie aus übernatürlichen Kräfften gefastet / und doch bey guter Gesundheit gewesen.
8. Etliche aber sagen / daß man auch ohne Essen und Trincken lange Zeit sich erhalten könne / durch die Pillulen von Tabac / so die Indianer drey oder vier Tage deß Hungers befreyen / von wolriechenden Sachen / von einem Safft auß dem Brot und Wein gemacht / oder auch / wann der Leib mit kalten und zähen Feuchtigkeiten angefüllet ist / daß der Magen dieselben zu däuen hat / und dem Hunger wäret. Man beobachtet auch / daß solche Hungerleider kranck /oder Krancken gleich sehen / und höret bey ihnen auch der natürliche Stullgang auff.
9. Andre schreiben hiervon / daß alles was lebet /bey sich habe eine eingeschaffene Nahrung / gleich wie in den Samen und Blumen / welche abgebrochen und ihres Nahrungssaffts beraubet sind / nicht alsobalden verwelcken / und sich offt etliche Tage frisch erhalten lassen / also ist in den Eyern eine solche wesentliche Krafft / daß sie ohne äusserliche Nahrung frisch können erhalten werden.
10. Dergleichen Eigenschafft soll sich auch bey etlichen Menschen befinden / und wie ein Getreid bald /das andre langsam fruchtet / theils auch gar verdirbet; also können etliche Menschen lang / etliche aber gar kurtze Zeit Hunger leiden / [206] nach der Beschaffenheit ihres Leibes / welche wegen innerlicher Nahrung auf eine / aber kurtze Zeit der äusserlichen Unterhaltung entrathen können.
11. Es sind auch noch zweyerley Hungerleyder: Erstlich diese / welche aus Armut fasten / von denen Socrates / als er gefragt worden / wann man Mahlzeit halten soll? geantwortet: Die Armen / wann sie können / die Reichen / wann sie wollen. Jener Schmarotzer bey dem Plauto / sagte / der Hunger were sein Vatter / und daß er / so lang er auff dieser Welt / niemals satt worden / etc.
12. Andre die martern sich mit fasten aus Gottes furcht / oder aus Heucheley / oder auch auß einem bösen Fürsatz. Also wolte Charnasse, ein Frantzösischer Herr Hungers sterben aus Traurigkeit / wegen seines verstorbenen Weibs / als er nun in der vierten Tag keine Speise zu sich genommen / ist er in eine grosse Schwachheit gefallen / und hat ihn der halbe Schlag die rechte Seiten gelähmet: Als er nun die Straffe GOTTES erkennet / hat er sich von seinen Gefreunden bereden lassen zu leben / und Speiß und Getranck zu sich nehmen. Dieser Herr ist hernach für Důttenhofen erschossen worden.
Rähtsel.
Ein alter stummer Mann bat einmal einen Blinden / er solte schauen zu / ob irgend wo zu finden ein Geiger / seinen Sohn / der taub / zu spielen auf / Der Blinde sagte ja / schickt auch in schnellem Lauf / Den lahmen jungen zu / der ihn sonst pflegt zu leiten. Den Geiger holt er her / er spielt' auf seinen Seiten / Doch hatt' er keine Hand. Der Taube hörte zu / Der Blinde sah' ihn an / der Lahme sonder Schuhe dantzt' in der Stuben um: Der Stumme must sie loben / Dieweil sie ingesammt erwiesen Meistersproben. [207] Nun rahtet alle her / und sagt mir was ich mein Es soll / der es erräht / zu Schweigheim Rahtherr seyn?
156. Die Wolthätige Natur
(CLVI.)
Die Wolthätige Natur.
Obwol in vorgesetzter Rähtsel der Welt Beschaffenheit abgebildet wird / da der Unberedte / der Unverständige / der Ungerechte / der Trunckenbold (also genent / als ein truncknes Bild) einander die Hände bieten / und mit den Armen ihre Kurtzweil treiben; so kan er doch auch füglich gezogen werden / auf die wolthätige Natur / welche einen einen Mangel mit einer besondern Gabe zu ersetzen pfleget / wie wir auß nachgehenden Geschichten vernehmen wollen.
2. Nechst Koburg war ein Knab ohne Hände gebohren / konte aber / durch beharrliche Gewonheit mit den Füssen thun / was andre mit den Händen verrichteten. Er gebrauchte das Messer und schneide Brod und die Speise damit / ase / trancke / schriebe sehr zierlich / schniede Federkiele / und was man sonsten mit Händen zu thun pflegte. Es waren aber seine Zeen länger / als sonsten ins gemein / daß er etwas umfassen können. Als ich diesen in Welschland gesehen /war er 31. Jahr alt.
3. Zu Nantes in Franckreich ist gleichfals ein Knab / ohne Hände geboren worden / welcher seine Füsse auch so meisterlich gebrauchen können / daß er ein Pistol laden unnd losbrennen / eine Nadel einfedeln /spielen mit Karten unnd Würffeln / sich kemmen /Geld zehlen / je den Degen führen können. Mit einer Peitsche hat er so klatschen können als der stärckste Fuhrmann. Montaigne l. 1. c. 22.
4. In Gelderland ist ein solcher Mann / ohne Hände geboren / gerichtet worden / weil er einen mit seinen Füssen / wie erst erzehlet worden / ermordet und beraubet. Dieser war 40. Jahr alt / und hat mit den Muskeln der Schuldern eine Axte gefast / und samt den geneigten Haubt Holtz spalten können / und so starck zu hauen / als ein andrer. Hat auch schnell [208] lauffen können und ist ein böser Mensch gewesen. Pareus von Mißgeburten l. 24. c. 8.
5. Nechst Paris hat ein grosses Schwein einem Kinde in der Wiegen die Hände abgefressen: Als es aber groß worden / hat es sich der Stümpffe und Muskeln fast wol bedient / als andre der Hände und Finger. Diese Weibsperson konte Teppicht wurcken / geschwind und künstlich nähen / daß sich jederman darob verwundert.
6. Camerarius / der gelährte und berühmte Mann schreibet / daß zu seiner Zeit zu Nürnberg gelebt ein Knab / und ein Mägdlein von einem Vatter gezeuget /welche stumm und taub von Mutterleib geboren; Doch von der wolthätigen Natur so reichlich begabet /daß sie beede wol in dem Sinne lesen / schreiben und rechnen können. Der Knab hat deuten können / was er zu verstehen geben wollen / und hat auch verstanden /was man ihm gedeutet. Er ist ein Meister in allen Spielen gewesen / wie seine Schwester in aller Nadelarbeit / und haben sie geschrieben / daß sie den Leuten an der Bewegung der Lippen ansehen / was sie sagen / ob sie solches gleich leicht vernehmen durch das Gehör. Diese beede / schreibt ferners Camerarius weren in die Predig gegangen / und hätten fleissig zugehöret / wann man den Nahmen unsers Erlösers genennet / auch sich gleich andren mit Hut abnehmen und Neigung andächtig erwiesen.
7. In Flandern ist Jean Ferdinand ein blind geborner armer Mann / in Philosophia und in der Poeterey sehr gelehrt worden / hat auch auf allerhand Seitenspielen sich meisterlich hören lassen / und Lieder mit 24. Stimmen gesetzet.
8. Zu Mecheln in Braband hat gelebt Nicas von Werte / welcher blind worden bevor er das dritte Jahr erfüllet / aber doch ein wundergelehrter Mann worden / (ohne Wissenschafft deß A b c) daß er Magistrirt /unnd der Raht ihm die Schul zu Mecheln anvertrauet. Nachmals ist er Doctor beeder Rechten und Professor zu Cölln worden / da er mit grossem Ruhm und Verwunderung viel Jahre gelehret.
[209] 9. Ludwig Groco von Hadria beygenamt der Blinde hat in gebundner und ungebundner Rede treffliche Bücher geschrieben / und ist ihm in den alten und neuen Schrifften fast nichts unwissend gewesen. Seine Trauer und Freudenspiele sind so sinnreich und zierlich / daß viel von diesem Blinden ihre Erfindungen absehen.
10. Romigläus ein Blindgeborner ist so sehr gelehrt worden / daß er mit den Gelehrtsten sich in Streit eingelassen / gepredigt / ein gutes Urtheil und nicht minder eine übertreffliche Gedächtniß erwiesen. Es liegen auch noch etliche Bücher in offnem Druck / so dieser Mann geschrieben.
11. Es lehret die Erfahrung / daß die jenigen / welchen mit grossem Verstand begabt / eine schwache Gedächtniß haben. Die aber eine gute Gedächtniß /daß sie nicht gar zu klug sind / und ob wol natürliche Ursachen hiervon angezogen werden können / so wollen wir es doch lieber der wolthätigen Natur zuschreiben / welche unsre Unvollkommenheit etlicher Massen zu entsetzen / bemühet ist. Von einem / der eine gute Gedächtniß ohne Verstand hat / sagte jener recht / daß er gleich seye einem schönen Buch / dessen Bögen verhefft und unrecht eingebunden / darinnen man alles findet / was man nicht suchet.
12. Hieher könte man auch zehlen / daß die Armut mit der Gedult / die Demut mit Gunst / der nidrige Stand mit der Vergnügung ersetzet / der Reichthum hingegen mit Ungedult / der Stoltz mit Haß / die Ehre mit Sorgen vernachtheilt wird / dahin nemlich auch der Eingangs gemeldte Rähtsel zielet / und auf zweyerley Weise / nemlich in Buchstablichen Gleichniß Verstand hieher kan gezogen werden.
Rähtsel.
Mich hat deß Künstlers Hand zu Freund' und Leid gemacht / Wann Venus und ihr Mars auf meinen Bauch gebracht. [210] Ich rede stumme Wort / doch kann man nicht verstehen / bald ein pechschwarzer Mann pflegt mit mir umzugehen. Wie manches graues Haubt hab ich vulcanisirt / und ihn mit einer Kron / den Oxen gleich / geziert. Ich gebe / was ich selbst nit hab' / und solche Thaten / wird von dem starcken Wein der Essig leicht errahten.
157. Die betrogene Eifersucht
(CLVII.)
Die betrogene Eifersucht.
Erstgemeldte Rähtsel ist von der vierten Art / welcher wir zu Eingang dieses siebenden Theils gedacht / und beschreibet eine Spanische Chytarr / welche zu Freude und Leid / zu frölichen unnd traurigen Liedern gemachet ist / die Saiten / so auf der Cytarren Bauch gezogen werden / sind Kupfern und Eisern durch beede Planeten Venus und Mars (nach der Chymisten Art zu reden) bedeutet. Die stummen Wort sind der Klang /den niemand verstehet / wann nicht ein schwartzer Mohr darein singet / wie sie in Spanien zu thun pflegen. Daß nun hierdurch die Alten Hörner bekommen /wie Mars Vulcanum gekrönet / wird aus folgender Geschichte zu vernehmen seyn. Hierauß erfolgt nun /daß die Chytar gebe / was sie mit hat / nemlich die Hanreyschafft / und verursache die Eifersucht / so der Essig ist / in einer starcken aber verbitterten Liebe.
2. Zu Sevilla in Hispanien hielte sich wohnhafft ein junger Edelmann von Carrizales / welcher sich seines Vermögens / biß auf gar ein geringes durch die drey W. Weiber / Wein / und Würfel / verlustiget / unnd als ihm die annahende Armut von ferne unter die Augen trate / raffte er den Rest zusammen / kaufte allerhand Waaren / als Messer / Schellen / Spiegel / etc. darum / und gabe sich auf den Weg nach Indien / sein Glück in der andern Welt zu suchen. In dieser Hofnung hatte er sich nicht betrogen / und durch seinen Fleiß und Klugheit / grossen Reichthum zusammen gebracht / dessen Grund war die Sparsamkeit / und das Band gleichsam / welches den Geldbeutel verknüpffet.
[211] 3. Carrizales hatte bereit das 50. Jahr überschritten / und Verlangen getragen / den Rest seines Lebens in seinem Vaterland zuzubringen / machte sich deßwegen auff und kam mit grossem Gut wieder nach Sevilla / da er seiner Befreunde Tod und reiche Verlassenschafften gefunden / daß ihme also nichts ermangelt /als eine Seiten Freundin / welche so Tag so Nachts seiner warten und pflegen / ihn auch mit ehlicher Holdseligkeit unterhalten / er sie aber seiner guldnen Glückseligkeit theilhafftig machen könte. Für einer solchen Gehülfin / welche ihm den Sorgen Last seines Reichthums ertragen helffen / hüttete er sich / weil der Schatz / dem viel Schlüssel sperren übel zu verwahren / und ihme auß eigner Erfahrung wol wissend /wie listig die Diebe solchem nachstellen. Wann ihme zu Sinne kam / ein Weib zu haben / willigte er darein aus vielen Ursachen: So bald er aber gedachte / daß solches Weib noch einen Helfers Mann / neben ihme annehmen möchte / hat er diese Gedancken so bald wider fahren und sincken lassen.
4. Es fügte sich aber / daß er eine sehr schöne Jungfrau / Leonora genant / an einen Fenster ersahe /welche ihm so brünstig beliebte / daß er ohne fernern Bedacht üm sie anwerben liesse / und von ihren Eltern das Ja Wort / also bald erhielte / und so wol seine Hochzeiterin / als ihre arme / aber doch adeliche Eltern / sehr reichlich beschenckte / massen er sich erwiesen / freygebiger / als sonsten andre alte und reiche Leute zu seyn pflegen. Er wolte sie kleiden lassen / traute aber keinen Schneider / daß er ihr einen Rock anmessen solte / sondern er sahe eine andre Dirnen in ihrer Grösse und Dicke / welche er dem Schneider ohne Eifersucht vertrauen könte. Er hatte auch ein absonderliches Hauß zurichten lassen / in einem abgelegnen Ort der Stadt / das liesse er verwahren mit einfallenden Liechtern / daß man nicht auf die Gassen sehen konte / zu dem Eingang liesse er eine kleine Wohnung bauen / dardurch man in die Behausung gehen muste / und darein setzte er einen verschnittnen Mohren / der solte der Thorhüter seyn seiner Liebsten / und den Haubtschlüssel zu allen Thüren truge er bey sich.
[212] 5. Er kauffte auch vier weisse leibeigene Mägde und bestellte eine Hofmeisterin Marialonsa genannt /deren Treue vertraute er seine Leonoram / und liesse auch keinen Hund / Katzen oder Ratzen in dem Hause / der männliches Geschlechts war. Zu Abends kame er seiner Leonora Gesellschafft zu leisten; bey Tage aber wohnte er in einer andern Behausung / damit / wann jemand zu ihr käme / nit solte Ursach haben / nach seiner Liebsten zu fragen. Sein Weib kame also nicht aus ihrer Gefängniß / als an den hohen Festtägen / an welchen er mit ihr in die Kirchen gienge / aber so verkappt / (wie in Hispania der Gebrauch) daß der Lufft / so sonsten die Spanischen Mutterpferde schwängern soll / sie nit wol anhauchen könte.
6. Leonora war mit ihrem Alten wol zu frieden /und hatte bey ihren Eltern auch eines stillen und eingezognen Lebens gewont / daß ihre Erhaltniß und ehliches Nonnenleben sie nit befremdet / sondern vermeint / es müsse also seyn / daß also in dem Probjahr kein böser Gedanck in ihr Hertz kame. Es fügte sich aber / daß ein Jüngling von den reichsten in der Stadt verlangte / diese schöne Gefangene zu sehen / und in die Festung / welche die Eifersucht erbauet / und die Furcht bewachte / zu kommen bemühet war / bedachte deßwegen ein listiges Mittel / das unmögliche möglich zu machen.
7. Loasa / also nente sich dieser Buler / kleidete sich an / als ein Bettler / verbande den rechten Schenckel / unn verklebte das lincke Aug / spielte also Abends für deß Mohren Fenster auf der Chytarr (darvon die Räthsel besagt) und sange etliche Lieder in seiner Sprache / welche dem verschnittnen sehr beliebten. Hierdurch machte er mit diesem nachtfarben Gesellen kundschafft / daß er durch dz Fenster zu ihm hinein kommet / und ihn singen und spielen auf der Chytarren unterrichtete. Die Mägde der Leonora hörten diese spielen und singen / und kamen bald an das Fenster / dardurch der Haußvogt täglich dem Mohren und dann dem Frauenzimmer das Essen brachte / sagten es auch ihrer Frauen / welche die Zeit zu vertreiben erstlich zuhörte / nachmals auch Loasa sahe / nit zwar in seinen Bettlerskleidern hincken / sondern auf das adelichste gezieret / Sarabanda tantzen [213] und springen; brachte also endlich zu wegen / daß Leonora ihren Alten einen Schlaftrunck beybrachte / die Schlüssel unter dem Haubtküssen hinweg nahme /und den jungen Freyer hinein liesse.
8. Bevor er in diese Eiferburg kame / muste er an der Schwelle einen Eyd ablegen / daß er nichts anders thun wolle / als was sie ihn schaffen werden / damit er sich nit zu viel Freyheit anmaste / etc. Zu dem Eyd war er erbietig / die Hofmeisterin aber wuste nit / wie sie ihm solchen fürhalten solte / schwure derowegen bey dem Ein- und Außgang deß Berges Libani und bey der Vorrede in Käyser Karls Geschichten daß er ihren Befehlen gemäß leben wolte / und wann jetzt alsdann und dann als jetzt / er ihnen nit gehorsamen würde / dieser Eyd in seinen Unwürden verbleiben und gantz unbůndig seyn solllte. Hiermit wurde er eingelassen / daß man alle Wort und Sylben in seinem Gesange besser verstehen könte. Der Getranck hatte seine Würckung / wie gesagt / und schliefe der alte Carrizales mit den Verstorbenen gleichsam in die Wette / und dem Loaso also / in Gegenwart der Leonora und ihres Frauenzimmers / im Namen einer Mannsichtigen Jungfrauen zu singen begunte.
10. Nach diesem legte sich der Alte auf die andre Seiten und Guiamar / die Leibeigne / welche bey seinen Bette Schildwacht halten muste / lieffe eilig / sagend / daß der Herr erwachet / sie erschracken alle und suchten sich zu verbergen / sonderlich aber Loaso und Leonora / als welche sich am meinsten schuldig wusten. Die Hofmeisterin kame in die Kammer alles Unheil zu verhüten / fande aber ihren Herren noch schlaffen / deßwegen sie noch sicherer / sich gleichfals zu Ruhe begeben / und diese gute Zeitung ihrer Frauen angemeldet. Als nun alles in Ruhe / wird die falsche Zeitung war / und erwacht Carrizales / suchte aber in seinem Bette seine Leonora und seine Schlüssel vergebens / darüber er dann so sehr erschrocken /als ein Hanrey jemals erschrecken mögen / und stunde alsobald auf zu suchen / was er lieber nicht finden wolte sahe auch durch ein Schlüsselloch / wie Leonora sich einem jüngern sündlich untergeben.
[215] 11. Er erstaunte über diesem Anblick / wolte auch alsobalden ein Gewehr holen / Rache zu üben an diesem Frevelpar: als er aber in seine Kammer kommet /sincket er in eine Ohnmacht auf das Bette / und bleibet in solchen Zustande / biß Leonora mit anbrechenden Morgen sich auß ihres Bulers Armen gerissen /und ihre Stelle in ihren Ehebette wieder genommen nit anderst wähnend / als daß ihr Alter noch starck schlaffe / und daß der Trunck (so bey den Italianern gar gemein ist) noch würcke. Nach deme er nun wieder zu sich selbsten gekommen / hat er begehrt / sie solte ihre Freunde alsobald entbieten / er wolle seinen letzten Willen / in ihrer Gegenwart zu Pappier bringen lassen. Leonora schickte den Mohren nach ihren nächsten Verwandten / und machte ihn glauben / der Haubtschlüssel were auf die Erden für das Bett gefallen / weil er die Nacht gar unruhig geschlaffen.
12. Als nun die Freunde erschienen / fienge Carizoles an zu erzehlen / daß er nunmehr mit Leonora 1. Jahr / 1. Monat / 5. Tage und 9. Stunde verehlicht /daß er sich bemühet ihr Hertz mit Geschencken zu gewinnen / welche sie zwar angenommen / sich versperren lassen / und mit den Worten sich ihm gehorsam /mit den Wercken aber als ein andre leichtsinnige Dirne verhalten; allermassen er mit seinen Augen gesehen / daß sie mit einen Jůngling vergangene Nacht Unzucht getrieben: Ob wol er nun Fug und Recht ihr das Leben zu nehmen / so wolle er doch solches nit thun / weil er den annahenden Tod spühre / und seine Sünde mit einer solchen Mordthat zu häuffen nit gedencke: verzeihe ihr also den begangnen Fehler / und beklagte vielmehr seine Thorheit / der alle solche Schuld beyzumessen / daß er in dem 75. Jahre eine Jungfrau von 15. Jahren geheuratet / wolle deßwegen sie solches nit entgelten lassen / und zu seiner Erbin eingesetzet haben / jedoch daß sie etliche tausend Kronen den armen Mönchen gebe / etc. Leonora erkannte ihre Missethat / und gienge mit allen ihren Vermögen / nach ihres Mannes Tod auch in das Kloster / Loaso aber schiffte in Indien.
Räthsel.
Achtet welches Wunder Thier / [216] fält und steht mit gleicher Zier; Sein Sohn nennt sich Würmerbrand und sein Vatter Elephant. Es hat dreymahl sieben Augen / allezeit sechs Angesichter / ist offt der Soldaten Richter / kein Geld auß dem Beutel saugen daß es auf vier Ohren steh / wend es so viel in die Höh'. es geht mit Verschnittnen um / ist der Freyart Eigenthum?
158. Die Edle Dienstmagd
(CLVIII.)
Die Edle Dienstmagd.
Diese Rähtsel ist eine verblümte Beschreibung deß Würffels / welcher fället und stehet mit gleicher Zier: Sein Sohn ist ein Wurmbrand / wann man sich über dem spielen erzörnet / und wurmet / wie man zu reden pfleget. Der Vatter ist ein Elephant / von welches Zähnen die Würffel gemachet werden. Die dreymal sieben Augen / in sechs Angesichtern ist leicht zu verstehen: Die Ohren sind die 8. Spitzen oder Ecke / daß nun der Würffel der Soldaten Richter / und mit den beschnittenen Juden ümgehet / ist jedermann bewust /wie auch das Würffel und Karten der Freyarten oder Spitzbuben Eigenthum seyn / von welchen sie leben /und sich gleichsam nehren. Dieses Wunderthier kan man schwerlich / sonder Dolmetscher / erkennen.
2. Zu Burgas in Hispanien haben bey Mannsgedencken / gelebet zween vornehme von Adel Namens Diego von Carriazo und Juan von Avendano genamet. Der erste hat seinen Sohn seinen Namen gegeben / der andre hatte auch einen Sohn / und ihn Thomas von Avendano genennet. Von diesen beeden folgen die meisten Erzehlungen / und wollen wir sie nur mit dem Vornahmen Diego und Thomas vorstellen. Diego gesellte sich zu böser Gesellschafft / Beutelschneidern /Sailtantzern / Taschenspielern / Spitzbuben und dergleichen Bürschlein / die in allerhand Künste mit Karten und Würffeln (darvon die Rähtsel gehandelt) gelehret / und ihn heimlicher Weise von Burgos mit sich geführet.
[217] 3. Diese Pilgrame deß Wein Planeten Bacchi / raisten in ihrer Wahlfart in den Schiffhäfen und grossen Städten herum / und Diego verstunde alle Taschenlererey so meisterlich / daß er Magister in diesen freyen Künsten seyn könte und andre Neulinge unterrichten. Spielen und Beutelschneiden ist ein freyes Handwerck: so bald die Arbeit verrichtet / hat man das bare Geld in den Händen / aber das meisterstück kommt letzlich an Galgen. Das Glück in dem Würffelspiel war ihme einst so günstig / daß er sechshundert Realen gewanne / mit welchem er von seinen Gesellen Abschied nahme / seine Befreunde zu besuchen / mit versprechen / auf künftigen Früling wieder zu kommen.
4. Zu Hause fande er seinen Vatter in gutem Zustande und erzehlte von fernen Orten weit gelegene Lügen / mit Verwunderung aller / die ihn hörten /unter welchen auch Thomas / sein vertrauter Freund und Bruder war. Als der Winter vorüber / und mit allerhand Kurtzweil durchgebracht war / verlangte Diego seinen Worten folge zu leisten / und erzehlte Thoma / in was für einen Fürstlichen Freyartstande er gewesen / und daß er wider dahin zu raisen gewillt. Thomas verspricht sich ihm zu einem Geferten / jedoch mit Vorwand nach Salamanka den Weg zu nehmen / und alldar zu studieren / welches dann beederseits Eltern wol zu frieden / und gaben ihnen einen verständigen Hofmeister / Namens Petro Alfonso zu /der über diese zween Jünglinge Aufsicht haben / und sie zu dem studieren antreiben solte / wurden ihnen auch vier hundert Kronen zu einer Zehrung mitgegeben.
5. Als nun diese nach Valladolid kamen / wolten sie den berühmten Brunnen Argales / etliche Stunde darvon gelegen / besehen / und der Hofmeister wolte nit mit reiten / welches ihnen sehr lieb / nahmen deßwegen das Geld alles zu sich / und senden unterwegs ihren Diener wiederum zurucke / mit einen Briefe an ihren Hofmeister / deß Begriffs: Er solte sich wegen ihrer nit länger aufhalten / weil sie entschlossen die Bücher mit den Waffen zu vertauschen / und in den Niderländischen [218] Kriegen sich zu versuchen. Mit dieser Erklärung muste Alfonso wieder nach Hause ziehen / und wuste keinen Raht / wie diese noch wiederum einzuholen. Auf den Weg nach Madrid begegnen sie zween Eseltreibern / deren der eine anfieng die schöne Dienstmagd in dem Wirtshauß / Sevilla genannt / zu Toledo zu loben. Sie hat ein Angesicht sagt er / wie Ostern / ein paar Wangen / wie man die gute Zeit mahlet / ihr Hals / fuhre er fort / ist weiß und glat wie Marmol / aber ihre Wort sind rauh wie Brennessel. Viel Fremde bleiben Jahr und Tage in dem Wirtshauß / diese Magd nun anzuschauen. Sie were zu einer Ertzbischoffin schön genug / und solte sich der Priester Johann in sie verlieben / etc.
6. Thomas fasste dieses zu Ohren / und truge grosses Verlangen diese schöne Constantiam / also nennte man die Magd / zu sehen / eilte deßwegen den Eseltreibern vorzukommen / und als sie ihme zum Gesichte kame / muste bekennen / daß er dergleichen Schönheit noch nie gesehen / suchte derowegen Gelegenheit sich in dem Wirtshauß aufzuhalten / und versprache sich auch endlich für einen Haußknecht zu dienen. Deß Stadthalters zu Toledo Sohn hatte sich auch in diese Constantiam verliebt / und brachte ihr fast alle Nächte eine Music / mit Lobgedichten auf ihren Namen gerichtet / sie aber wolte solche nicht einmahl hören / sondern hielte sich so bescheidenlich und stille / daß man wol sahe / daß sie keine gemeine Dirne. Sie fragte Thomam / wessen Diener er were? Weil er als ein angehender Lotterbub schon schlecht aufzoge: Er antwort / daß er niemands Diener / als der ihrige. Sie versetzte ihm den Rucken wendend: die dienen /wie ich / bedörffen keiner Diener.
7. Diego kauffte inzwischen einen Esel zum Wassertragen / und wurde von einen Zügeuner betrogen /der ihm einen verkauffte / welcher einen angenehten Schwantz hatte: zu Nacht denselben wider stole /unnd den andern Tag / weil er zuvor gesagt / er hette noch einen gleicher Haare / wie der [219] zu Marckt führte. Diese zween verblieben noch eine Zeitlang in dem Wirtshauß / weil Thomas die Liebes-Pestilentz gerühret / und aus solchem Trieb schriebe er in sein Buch /in welchem er Rechnung über den Habern führte / folgende Reimzeilen nach Spanischer Art.
8. Der Wirt lieset dieses / und befragt Constantiam / ob Thomas (der sich Peter genennet) in sie verliebt? In deme sie aber antworten wil / komt der Stadthalter / und fraget nach der Magd / in welche sein Sohn verliebt / und als er sie [220] anschauet / liesse er sich beduncken / daß er nicht übel gesehen / und fragte den Wirt / ob sie ihm verwandt / oder wo sie hergekommen? Der Wirt erzehlet daß ungefehr vor 16. Jahren eine vornehme Frau bey ihm eingekehret / welche diese Constantiam in seinem Hause geboren / und bey ihrer Abraise solche samt einer guldnen Ketten / in welcher etliche Glieder mangelten / wie auch einen Zettel mit etlichen Buchstaben hinterlassen / und ihm sechshundert Kronen verehret / mit Bitte / er solle sie als ein Kind auferziehen: habe ihm auch vor 6. Jahren 400. Kronen zugesendet / zu ihrer Unterhalt. Wer aber solche Frau gewesen oder noch seye / könne er nicht wissen.
9. In dem sie miteinander reden / und der Stadthalter die Schrift mit diesen Buchstaben:
D.s.s.d.s.e.h.e.e.c.e.
zu sich nimmet / führte man den Diego gefangen daher / mit beklagen / daß er einen Jungen / welcher ihm nach geschrien: Eselsschwantz / Eselsschwantz /(wie vor §. 2. gesagt worden) zu Boden geschlagen. Der Stadthalter hörte die Klage und Verantwortung an / befiehlet auch / zu Vermeidung andrer Ungelegenheit / diesen in Verhafft zu nehmen. Der Wirt und sonderlich Thomas baten für ihn / und versprachen ihn zu stellen / man solte ihn nur nicht in das Gefängniß / als das Grab der Lebendigen / verstossen / etc.
10. Bevor nun der Stadthalter hierinnen einen Bescheid ertheilt / kommen zween alte Rittersmänner hinein / die der Herr Stadthalter / als gute Freunde also bald erkannte / unn diese waren Diego von Carriazo unn Juan von Avendano. Diego sagte alsobald /daß er kame ein Pfand von den Wirt abzuholen / welches ihm dz Liebste von der Welt / nemlich die Jungfrau Constantia / seine leibeigne Tochter / und brächte er hier das Lösegeld nemlich 1000. Kronen / und beede Kennzeichen / die Ringe auß der Ketten / in gleicher Grösse und gleicher Arbeit / samt dem Zettel / welcher gegen den andern gehalten / die Wort dieses Begriffs in Spanischer Sprache machte:
[221] D.s.s.d.s.e.h.c.e.c.e.
a.i.t.a.r.c.t.z.i.h.n.
Das ist das rechte Zeichen.
11. Hierauf erzehlte Diego / wie er zu Mittagszeit zu einer Gräfin kommen / und sie auf dem Bette schlaffen gefunden / und weil sie eine Wittib und sehr schön / habe er sie wiewol wider ihren Willen / und fast unwissend zu ehlicher Gebühr angehalten / daß sie / wie er auf ihrem Todbette erst verstanden / von ihme schwanger worden / und diese Tochter erzeuget /deßwegen sie ihm solche / samt der Kennzeichen anbefohlen / und gebetten aus ihrem Dienststande /gegen würcklicher Danckbarkeit zu sich zu nehmen /etc.
12. Als nun Thomas solches verstanden / hat er sich sehr erfreuet / und Constantiam ihrem Vatter in unbewuster aber bald erkannter Gestalt zugeführet /welcher sie ihme auf gebührliches Anhalten / nicht abschlagen wollen / und mit beeder Vätter höchstem Vergnügen / daß sie ihre Söhne wieder gefunden / ist die Sache zu einer frölichen Hochzeit außgeschlagen /welches so wol der Stadthalter seinen Sohn wendig zu machen / als der Wirt wegen kostbarlicher Beschenckung und nun ergäntzter Ketten / gerne geschehen lassen. Also ist diese edle Dienstmagd / wider aller verhoffen wol und ehrliches ausgeheuratet worden / unnd hat ihr die Gräfin ihre Frau Mutter grossen Reichthum hinterlassen / daß an Advendano wahr worden das Sprichwort: Beschert bleibt unbewehrt.
Rähtsel.
Ob ich zwar hab einen Kamm kämm ich mich doch nicht darmit: vor der früen Sonnen Flamm / höret man mein Morgenlied. Ich trag' einen Sporen an / ich bin doch kein Rittersmann / ausser wann ich je beschreit' meine Weiber und Bekanten: meine Stimme jaget weit Löwen und die Elephanten. Mein Bart hat nie keine Haar / und mein Krieg ist ohn Gefahr.
159. Die Hanreyschafft
[222] (CLIX.)
Die Hanreyschafft.
Diese Rähtsel ist leichter / als die vorhergesetzten /und beschreibet einen Haanen / der einen Kamm hat /und sich nit kämmet / trägt einen Sporn und ist kein Ritter / beschreitet seine und fremde Hennen Weiber /seine Stimme fürchten die Löwen und Elephanten /weil ihrer Ohren Röhren viel zu groß und grob zu einem so scharffen Getön: gleich wie uns das Knirschen / und den Hunden das leuten oder singen in den Ohren schmertzlich zu seyn pfleget. Sein Bart hat keine Haare / und der Krieg / den er mit andern Haanen führet / der ist ohne Gefahre / dann sie selten einander gar erbeissen / und doch noch zur Speise dienen.
2. Von den Haanen werden die Hanreyen genennet / und kist die Frage / was das Wortrey oder reh für ein Zusatz. Sollte es von den reuten herkommen / sehe ich nit / was ein Hannenreuter für Deutung haben kan; noch weniger vom Reyen / oder Reuen / sondern ich vermeine das Wörtlein Reh od' roh werde von alten Haanen gesagt / welche / wie die Pferde schwach auf den Gliedern / und ihre Schuldigkeit nicht mehr ablegen können / deßwegen ihre Hennen einen andren Haanen suchen müssen. Zu einem Hanrey machen /were also viel / als bey eines andern Weibe erweisen /daß er ein alter und reher Haan / und daß er die Gebühr für ihn bezahlet.
3. Es giebt aber unterschiedliche Haanreyen. Etliche wissen wol / daß ihre Weiber nit Farb halten /und helffen ihnen auch darzu / daß sie also Fisch und Fleisch / Kupler und Hanreyen sind. Diese tragen güldene Hörner und lachen über ihre Schande. Etliche sind Hanreyen und wissen es nit; diese sind reicher /als sie vermeinen. Etliche vermeinen / aus Mißtrauen / sie seyen Haanreyen / haben aber ehrliche Weiber /und diese sind viel elender / als welche würcklich diese Federn von S. Lucas-Vogel unwissend tragen. Etliche bitten ihre Freunde / sie sollen ihre Weiber auff die Probe setzen / oder befehlen ihren Knechten /sie sollen an ihre Stelle tretten / [223] unn kommen auß Unbedacht in diesen hochansehnlichen Orten.
4. Also hat ein bekanter Edelmann seine Haußmagd zu seinem sündlichen Willen bereden wollen /sie aber hat solches / als ein ehrliches Mensch / ihrer Frauen angemeldet / die sich dann an ihre statt an bestimten Ort befunden. Den Edelmann kame die Reue zu Sinne / und befihlt seinen Knecht / er soll an seiner Stelle bey Nachts die Magd heimsuchen. Der Knecht gehorsamt / findet aber die Frau / und der Edelmann wurde würcklich gestrafft / dardurch er zu sündigen vermeint. Die Personen / Zeit und Ort zu benennen /ist ohne Noth.
5. Etliche zweiffeln / ob sie Hanreyen oder nit /sehen daß es seyn könte / trauen doch ihren Weibern so lang / biß sie völlig hinter die Springe kommen /daß mehrmals ungefehr beschihet. Etliche wissen wie es in ihren Hause zugehet / hindern auch so viel sie vermögen / und schweigen darzu stille. Diese nennet man Cornelios Tacitos, jene Cornelios Publios. Weil nun diese Händel die Straffe deß Ehebruchs dort ewig und auch hier zeitlich Mord und Todschläge auf sich ziehen / ist der Mühe wol wehrt / daß man darvon /als einer abscheulichen Sünde redet.
6. Cocu oder Gukguk ist ein bekanter Vogel / von kalter und feuchter Leibsbeschaffenheit / und weil er seine Jungen nicht ernehren kan / leget er die Eyer in andrer Vögel Nester / daß also der vielmehr / welcher andern Hörner auffsetzet / ein Gukguk zu nennen. Man nennte auch vor alters die Feigen und Verzagten / ohnmächtigen und furchtsam Gukguks / welche zu faul das ihrige zu versehen. Etliche wollen das WortCocu von dem Lateinischen Coqvus herführen / weil solche Leute die Speise für andre anrichten / welcher sie selbsten nicht geniessen.
7. Etliche sagen / daß diese Unehr nur in dem Wahn / und in der Einbildung bestehe / weil deß Weibes Schand / welche der Mann nicht hindern kan / den unschuldigen Theil nicht beschämet. Das Laster trifft nur die lasterhaffte Person an und kan den nicht belangen / der solches hasset / und zu hindern treiben trachtet. Dem Rechten nach / ist die Handlung / welche [224] ohne Zeugen / ohne Einwilligen und Wissen der dritten Person geschihet / selber auch nit nachtheilig: Weil nun die Weiber ihre Männer zu diesem Wercke nit beruffen; also kan es ihnen auch an ihrer Ehre keinen Abbruch thun. Es finden sich auch gantze Völcker / welche solches für keine Schande halten / als die Abyssiner oder Mohren / lassen ihre Hochzeiterin die Priester beschlaffen / die Indianer vergeben ihre Weiber für einen Elephanten. Pompejus / Cesar / Augustus / Lucullus / Caton hatten unzüchtige Weiber /haben aber deßwegen bey der Nachwelt keinen geringern Ruhm und guten Namen. Ja es hat ein König in Franckreich H.D.V. sich ohne Scheu einen König der Hanreyen geheissen / welches seiner Königlichen Mayestät ohne Abbruch geschehen.
8. Wie nun die Ehre dessen ist / der sie einen andern anthut / also ist auch die Unehr den zuzuschreiben / der sie begehet. Man kan ohne Verdienst geehret und verunehret werden. Wann ein Unschuldiger mit Ruten ausgestrichen / oder eine Jungfrau geschändet wird / so hat sie darvon die Unehre / ob sie gleich keine Schuld unn keine Ursache darzu gegeben / und ist solche Unehre nit allein ihr / sondern auch ihrer gantzen Freundschafft; gleich wie deß Weibes Schmach auf den Mann kommet / unn kan also einer wol ein verlachter Hanrey und ein ehrlicher Mann seyn.
9. Warum sagt man aber daß diese Schande von den Hörnern herkomme? das Horn bedeutet Macht /Gewalt / Herrlichkeit. Wem traumet / daß ihm die Hörner auf der Stirn wachsen / der wird gewiß ein grosser Herr / nach der Traumdeuter Meinung. Jupiter / Hammon / Pan / Bacchus und andre Götter sind mit Hörnern gemahlet worden / und ist dz Horn Amalthee / oder deß Himmels Geise jederman bekant. Als Claudius Albinus geboren worden / hat zu gleicher Zeit eine Kuhe ein Kalb mit zweyen roten Hörnern gehabt; die Zeichendeuter haben geweissaget / daß solche Hörner / ihm das Reich und die Regierung bedeuten /welches auch erfolget.
10. Ob nun wol die Ehre und die Tugend in unsrem Gemüte / und nicht in dem unverständigen Wahn deß gemeinen Mannes bestehet / so ist doch solcher Wahn solche Werth- [225] und Unterhaltung ein Antheil deß Tugendlohns. Also achten wir hoch / die von alt Adelichen Geblüt herstammen / ob sie wol zu ihrer Ahnen Ehren nichts rühmliches geleistet / oder wegen der unvogtbaren Jahre leisten können / und nur den Namen ererbet. Wann nun die Eltern uns ehren oder unehren /wie viel mehr kan solches ein Weib thun / welches mit uns ein Leib worden / ja die Hälffte unser selbsten ist. Die Schande ist also ein fressender Krebs / welcher endlich den gantzen Leib angreifft und verzehret.
11. Es ist wahr / daß die Unehr die Lasterhaffte Person allein angehen solte; Weil wir aber den Lohn der Tugend ausser uns wehlen / und von der gemeinen Wehrthaltung betteln / müssen wir geschehen lassen /daß auch die Unehre eben von diesem Richter erkannt werde / nit als eine würckliche Ehre / sondern als derselben folge / und zwar mit grosser Unvollkommenheit / weil solche nit in unsren Mächten. Das Weib hat ihre Ehre von dem Mann / wie der Mond von den Sternen / wann aber die Sonne entfernet /oder von andern Planeten übel angesehen wird / so ist der Mond gemindert / oder zum wenigsten scheinet er also / in unsren Augen. Die Schande kommet auch in diesem auf den Mann / daß er so übel gewehret aus Unverstand / oder aus geringen Ansehen / daß er seine Untergebene nicht weiß in der Zucht zu halten.
12. Zu Stein / einem Flecken in Engeland nächst Winsor gelegen / da pflegte ein Alter herum zu gehen mit einem langen Rock / und einem Buch / darinnen der Orden der Hanreyschafft verfasset / und alle Ordensgenossen / Fürsten / Grafen und Herrn eingeschrieben sind. Dieser bringet sein Buch den durchraisenden Gästen / und bittet Reimweis / daß sie ihre Namen einschreiben / und ihme eine Verehrung geben wollen / fast wie bey uns die Spruchsprächer. Er fängt an Reimweis zu beschreiben / was ein jeder an dem Tisch für Geberden hat / wie er isset / trincket / die Speise schneidet / redet / etc. ja er sagt jedem aus dem Angesicht / was er im Schild führet / und worzu er geneiget seye; welches ich ihn [226] mit Lust erzehlen hören /und hat in den meinsten wol eingetroffen.
Rähtsel.
Ich der Stärckst' auf dieser Welt / schütz und nehre Stadt und Feld. Ich bin nutzer als das Gold hasse so den Müssiggang / daß ich in der Ruhe Zwang mich wol selbst auffressen solt. Ich bin alles Wassers Feind / und deß reinen Leders Freund.
160. Die Heldenthaten
(CLX.)
Die Heldenthaten.
Die erst vorgeschriebene Rähtsel betrifft das Eisen /welches ist das stärckste Metall unter allen / deßwegen es auch durch das Schwert die Städte beschützet /die Felder ernehret / ungebraucht verrostet / und durch das Wasser verderbet / hingegen aber durch das Leder / in den Degenscheiden / erhalten wird. Weil die Furcht so zu unsrer Erhaltung gehöret stärcker ist als die Hoffnung / so nur zu dem Wolstand vonnöthen /und der Bösen mehr / als der Frommen / nenne ich das Eisen / der Furchte Werckzeug billig stärcker / als das Gold / so mit diesem Metall üm den Vorzug streiten könte. Das Eisen erhält sich selbsten von tapferer Hand geführet; das Gold aber erkauft feile und Knechtische Gemüter / macht wenig Geschrey und würcket gar kurtze Zeit. Hiervon ist in unsren Gesprächspielen zu lesen / und wollen nun von etlichen sagen / die das Eisen mit sondrer Tapferkeit geführet haben.
2 Machiavellus der listige Florentiner bejahet / daß die Heyden mehr Tapfferkeit in ihrem Aberglauben /als die Christen in dem rechten Glauben erwiesen /unnd erzehlet wie unverzagt Horatius, Curiacius, Curtius, unnd andre dem Tod unter Augen gegangen /da hingegen die [227] Christen GOttes Beystand nit versichert / sich in den Schlachten vielmals feig erwiesen. Dieser Meinung werden wenig beypflichten / in Betrachtung eine gerechte Sache / ein gutes Gewissen und bußfertige Vorbereitung zum Tod einem Christen weit mehr Muth machen / als kein Heyd haben können / welche von den zukünfftigen Leben nichts oder Fabelwerck gewust. Ausser erstbesagten rechtmässigen Ursachen kan man wol ein Verzweifflung und Verachtung der Gefahr sehen lassen / solche aber ist keine Tapferkeit zu nennen / welche mit Verstand muß rühmlich gemachet werden; massen auch der geringste Soldat so viel Hertz in dem Leibe haben kan /als ein Obrister
3. Es fragte sich aber / ob für einen Heldenmut zu halten / daß ein Feldherr sich mit in die Gefahr begiebet / oder ob er nur mit Raht und befehlen seinem Ambt genug thun soll? Die mit ja antworten / geben folgende Ursach: I. Weil der Theil an der Gefahr haben soll / der den grösten Antheil bey dem Glück der Waffen. II. Das keine Beredsamkeit deß Feldherrn nachdrucklicher / als sein Exempel / wie ein gutes Leben eines Geistlichen die beste Predig ist. III. Wann der Feldherr sich fürchtet / so lauffen die Soldaten darvon / und wird er solche Feldflüchtige nit straffen können. IV. Daß ein Haußvatter der mit Hand anlegt / gute Arbeiter machet / wie ein Feldherr der mit forne an der Spitzen stehet / gute Soldaten und Nachfolger / wie solches erweisen die Exempel der Marcellen / Camillen / Scorpionen / Alexanders / Cesars / und jüngst verstorbnen Königs in Schweden /Gustav Adolph / hochlöblichsten Angedenckens.
4. Die solche Frag mit Nein abfertigen wollen: I. Das Befehlen und Gehorsamen unterschiedene Sachen / unterschiedenen Personen zustehe; als jenes dem Befehlhaber / unter welchen der Feldherr der höchste /und dieses den Soldaten. II. Daß zu dem Befehl grosser Verstand / zu dem Gehorsame blinde Nachfolge vonnöthen / und daß die Klugheit zu befehlen müsse entfernet seyn von der ergrimmten Dollkünheit zu morden und schlachten. III. Das Haubt / der Feldherr / soll seine Glieder / seine Soldaten arbeiten lassen /wie der Artzt [228] den Apothecker / der Schiffherr die Schiffleute / der Richter die Schergen / etc. IV. Weil deß Haubts Verlust grösser als keines Gliedes / gleich wie der Gipfel an dem Cypreß / wann er einsmals abgebrochen wird / den gantzen Stock absterben machet. V. Daß die Gegenwart deß Feldherrns auch ohne Gefahr in den nechsten Höhen seyn könne.
5. Diese und andre Fragen / können in dergleichen keinen gewissen Ausschlag haben / wie die Aufgaben / auß der Naturlehre / und hangen an den Umständen /die sich darbey begeben; Also muß man auch hier sehen / ob die Gefahr deß Feldherrn in einer Haubtschlacht oder in einem Scharmützel betrachtet wird? Ist es ein Haubttreffen / so muß er befehlen und seinen Befehl zugleich mit außrichten helffen / wann sonderlich der Feind schwächer als Er. In allen andern Fällen ist eine Vermessenheit und unverantwortlich /daß ein Feldherr seine Person / an welcher fast alles gelegen / in Gefahr setzet / gleich den Zahnbrechern /welche zu schlechten und geringen Kranckheiten / die aller gefährlichsten Mittel gebrauchen / so nur zu verzweiffelten Schäden gehören.
6. Wann wir nun unsren Krieg gegen der alten Streiten halten / so scheinet es ein Kinderspiel gegen unsrem Helden Handwerck. Hiervon redet der berühmte Schottelius in seiner Einleitung am 18. Blat 108.
Was soll uns jetzt die Schlacht / mit Pfeilen / Pfriemen / Stecken /
und der bepralte Sturm / mit Thürnern unnd mit Böcken?
beschreib jetzt unsren Streit und eine grosse Schlacht /
der Donner und der Blitz wird mit zu Feld gebracht.
Der gegenwärtige Tod / so abscheulich er auch zu Gesicht kommen möchte / kan doch die Teutsche Tapferkeit nicht zurucke halten / und sind viel tausend / ja viel hundert tausent in dem dreissigjährigen Kriege mit tapferem Entschluß / als [229] Soldaten auf ihrem Ehrenbette gestorben / unter welchen der vornemsten Helden Grabschrifften zu lesen in den Pegnetzischen Schäfereyen / und in dem Anhang der Friedensrede Sigismundi Betulij.
7. Zua und Arias Gebrüdere von Cocillo und ein Fischer Namens Antoni Grimaldi / sind auf dem Weg nach Ost-Indien von einem grossen Seerauberischen Schiffe angegriffen worden / von welchen ihrer acht wol gewaffnet hinein gesprungen / von den zweyen Brüdern und ihrem Diener aber nieder gemachet und zurucke getrieben worden / massen beende Schiffe aneinander geklammert. Die Portugeser riessen sich von der Fregate loß / und als die Seerauber verstanden /daß in dem gantzen Schfsfe nur vier wehrhaffte Männer / und etliches Weibervolck / setzen sie nochmals nach / und griffen das kleine Schiff wieder an / mit 16. von den ihrigen / und haben sich diese vier aller erwehret / theils in das Meer geworffen / theils erschossen / theils durchrennet / und haben also zum andern mahl den Sieg erhalten; wiewol sie auch verwundet worden / aber nit tödlich. Obsorius de rebus Purtugal.
8. Peter Aubusson ein Frantzos hat in der Belegerung Rhodes den aller gefährlichsten Platz zu verwahren unternommen / und als die Türcken zum dritten mahl gestürmet / hat er mit seinen zweyen Vättern und noch sechs Soldaten / die eingeschossene Mauren vertheidiget / ob er wol fünff Wunden empfangen /und seine Waffen durchboret worden / so haben ihm doch die Türcken nichts anhaben können / und die Belägerung aufheben müssen.
9. Es schreibt Stumpff von einem Schweitzer / der für tod gehalten worden in der Schlacht für Basel /und gehöret wie spöttisch ein Mönich Burkard auf der Wahlstade wider die Schweitzer geredet / sich auf die Knie gerichtet / einen Stein ergriffen / und den Mönichen darmit geworffen / daß er von dem Pferd gesuncken.
10. Als Marckgraf Albrecht von Brandenburg wider die Stadt Nürnberg Krieg geführet / hat er Gräfenberg / [230] eines von ihren Städtlein belägert / und an vier Orten zugleich bestiegen. Wo nun der Graben am tieffsten und die Mauren am höchsten gewesen / ist der Marckgraf der zweyte auf der Leiter / und also gleich andern Soldaten der ersten einer in der Stadt gewesen. Ob man ihm nun in der Stadt sehr zugesetzet / hat er sich doch tapffer gewehret / und ist von den seinen bald entsetzet worden. Die Stadt hat er geplündert und mit Feuer anstecken / deß Weibervolcks aber verschonen lassen.
11. Zu unsrer Vätter Zeit hat der König von Fez sich in das Feld begeben / Tingt eine Stadt von den Portugesen besetzet zu belägern / der Stadthalter darinnen hat einen Ausfall gethan / wurde aber mit grossem Verlust wieder hinein getrieben / und trachteten die Mohren mit einzukommen / welches auch gewiß geschehen were / wann der Stadthalter nicht mit frischem Volck sie zuruck gejaget hätte: Unter dem halbzugemachten Thor bliebe Lopes Martin meiner von den gemeinen Soldaten mit einem Schlachtschwert stehen / unnd als sie schrien / er solte das Thor gar zuschliessen / wolte er nit / sondern sagte /die Mohren möchten sonsten vermeinen / daß sich die Portugesen für ihnen fürchteten / verfochte auch das halbe Thor so ritterlich / daß viel von den seinigen hinein gekommen / viel Mohren aber durch seine Hand gefallen. Durch diese That ist er von dem König zu einem Obristen gemachet worden.
12. Wer sein Leben in leichtfertiger Gefahr gering schätzet / der giebt zu verstehen / daß es nicht viel müsse wehrt seyn. In rühmlicher Rettung seines Vatterlandes ist eine Tugend sich tapfer halten / unnd auch darfür zu sterben; welches wegen einer unzüchtigen Dirne oft leichtfertiger Weise in die Schantz geschlagen / unnd eingebüsset wird. In Franckenland wurde von einem Edelmann ein Frantzoß der ein Dorf anstecken wollen / gefangen / und als er ihm mit dem Galgen bedrauet / sagte er / daß er sich darfür nicht fürchte / er solte ihn hencken lassen / weil er ein Soldat / der mit den Gedancken in den Krieg gezogen /[231] daß er wol könne gehencket werden. Er hat ihn aber /grössers Unheil zu vermeiden / wider zu seinem Regiment geschicket.
Rähtsel.
Ich / der Schlüssel aller Orten / zu den fest verschlossnen Pforten. Ich bin hart und mache weich / Gott durch einen Buchstab' gleich. Ich verkauffe manche Brüllen / kan der Richter Hände füllen / daß die Frau Gerechtigkeit sich neigt auf die lincke Seit' / und ihr Straff-Schwert kan nicht schneiden / wann es mich nicht wird vermeiden. Ja mein fünfftes Element machet krumm die graten Händ.
161. Die Schatzgräber
(CLXI.)
Die Schatzgräber.
Ersterzehlte Rähtsel beschreibt das Gold / welches nach jenes Käysers Meinung / der Schlüssel zu allen Pforten / solte ihn auch ein Esel tragen. Das Gold ist hart und erweichet die Felsen Hertzen / der Buchstab L. machet auß Gott Gold. Dieses Sonnen-Metall verblendet den Richter / unterbricht die Gerechtigkeit /kan das fünffte Element heissen / weil fast nichts ohne selbes geschehen mag. Ich setze diese Rähtsel nachfolgenden Geschichten von Schätzen und Schatzgräbern vor / auß welchen erhellet wird / daß das Gold in der Höllen Vorstatt nicht sicher.
2. Zu Deve in Siebenbürgen haben vor Jahren die Bauren unter einem alten Baum etwas glüntzern sehen / und weil es etliche Tage hart geregnet / und das Wasser den Sand weg gespühlet / haben sie gesucht und einen überauß grossen Schatz gefunden / welcher bestanden in einer Schlangen von dichtem Gold / eine grosse Anzahl guldner Müntzen zu 3. und 4. Kronen schwer / auf welchen das Bildniß Lysimachi deß Thracer Königs / und auf der andern Seiten das Bildniß deß Sieges. Den Bauren hat man darvon bey 20. tausend Kronen gelassen / das übrige so bey [232] hundert tausend Kronen war / ist dem König in Ungern und Böheim zugeeignet worden. Centerius von den Kriegen in Siebenbürgen im 4 Buch.
3. Ein armer Fischer zu Bresse in Franckreich Nahmens Barthol / fande an dem Wasser ein Gefäß voll Silbers / alter Müntzen / welche er verwechselt und ein Hauß darvon gekaufft / von dem übrigen hat er sein Weib und seine Kinder / deren fast viel gewesen /versorget / und ist ein Kauffmann worden / daß sich jedermann über den schnell erlangten Reichthum verwundert. Hiervon hätte man fragen können; ob solcher Schatz / welcher in dem Wasser / und nit unter der Erden gefunden worden / von dem Landherrn mit Recht ansprüchig hätte gemachet werden können. Die Fürsten halten das gemüntzte Geld für keinen den Fürsten zuständigen Schatz.
4. Der Markgraf von Piscaire / nachdeme er Tunis einbekommen / hat er vermittelst eines Genuesers Anweisung / in einer Cistern oder Wasserbehälter dreissig tausent Ducaten in ledern Säcken gefunden. Diese hat ihm nachmals der Käyser Carl der fünffte verehret. Jovius 24.
5. Der Schatz welchen der Hertzog Karl von Burgund in die Schweitz gebracht / und zu Grauson und Morat verlohren / ist fast unzehlig an gemüntzten und ungemüntzten Gelde gewesen. Die Schweitzer aber haben dazumal das Eisen an ihren Spiesen und Hellebarten wehrter geachtet als das Gold.
6. Zu Basel ist ein einfältiger Mensch / Namens Leonhard Liemman / eines Schneiders Sohn / in eine kleine Hölen / unferne von der Statt gelegen / gegangen / und hatte mit sich genommen eine geweihte Waxkertzen / und als er wieder herauß kommen / hat er Wundersachen erzehlet. Nemlich daß er durch ein eisernes Thor gekommen / durch viel Zimmer in einen Garten gelangt / darinnen ihn ein Jungfrau / welche eine halbe Schlange / zu einer eisern Truen geführet /darfür zween grosse schwartze Hunde gelegen / die ihn düsterlichst angebild: Die Jungfrau hette sich bedroht / die Küsten aufgeschlossen [233] und viel guldene /silberne und kupfferne Müntze herauß genommen /und Leonhard damit beschencket / die er auch gewiesen / und hoch verkauffet.
7. Diese Jungfer / oder vielmehr Teuffelsgespenst /hat ihm zu verstehen gegeben / daß sie eine verfluchte Königs Tochter und nit zu ihrer Gestalt kommen könne / es küsse sie dann / ein Jüngling / welcher niemals kein andres Weibsbild berühret. Darauff hat er sie zweymal geküsset / sie aber hat sich so ungeberdig und grimmig gestellet / daß er befürchtet / sie zerrisse ihn / wann er sie dz dritte mahl küsse. Als er aber wider ohne Schaden heraußgekommen / und sich mit seinem Geld bey Frauenvolck lustig gemachet / hat er die Hölen nit mehr finden können. Dieses erzehlet Stumpf / und sagte darbey / daß / ohne allen Zweiffel / der Orten ein Schatz vergraben / den ein Teuffel verhütet / wie in den Bergwercken der Meisterhämmerlein / oder das Bergmännlein / wie man ihn zu nennen pflegt.
8. Zu andrer Zeit ist auch ein armer Mann in diese Hölen gestiegen / und hat verhofft eine Steur zu seinen Haußwesen zu erheben / weil stadtkündig worden / daß es dem Leonhard so wol gelungen: ist aber nit weit hinein gekommen / so hat er sehr viel Todtenbeine angetroffen / darfür er sich so sehr entsetzet /daß er in grosser Eile den Ruckweg genommen / und mit leerer Hand und grossem Schrecken wieder nach Hause gelanget.
9. Unferne von Nürnberg hat vor 200. Jahren ein Zauberer einen Pfaffen einen Schatz in einen Krystall gewiesen / und die Hölen angezeiget / wo er hinzu gehen soll. Der Pfaff nimmet einen von seinen Freunden mit sich und gehet hinein. Der andre aber bleibet stehen / und wil dem Pfaffen nit folgen / wie er vermeint; er ist aber nit weit hinein gekommen / sihe da fället die Höle ůber ihm zusammen / und schlägt ihn tieff in den Erdboden. Johan. Wier. in 2. Buch am 5. Cap.
10. Es ist eine Frage unter den Juristen / wann ein Schatz gefunden wird / wem er zustehe? Hier ist zweyerley zu wissen erstlich wo / und dann wie er gefunden worden. Ist er auf gemeiner Strassen / oder unbewohnten Orten gefunden worden / so stehet er dem Fürsten oder der hohen Obrigkeit deß Orts zu [234] und gehöret gleichsam zu den Bergwercken / welche ein Antheil der Regalien sind / und unwidersprechlich den nicht angehet / der solches entdecket / ausser einer Belohnung für seine Mühe.
11. Wird ein Schatz durch Zauberkunst gefunden /welches mit der Wünschelruten / und auf andre Weise geschehen kan / (daß auch die Spanier / daß unter dem Wasser vermaurte / und mit besämten Ackern verborgene Geld erkundschaftet und außgegraben) so gehöret solcher Fund gleichfals dem Fürsten / und ist also verordnet / daß sich niemand deßwegen auf unzulässige Weise zu bereichern gelüsten lassen soll /und sagt hiervon das Sächsische Recht: Alle Schätze unter der Erden begraben / tieffer dann der Pflug gehet / gehören zu Königlicher Gewalt.
12. Wann ich aber einen Schatz finde in meinem ererbten / oder erkauften Gut / und kan stillschweigen / so mag ich solchen als einen absonderlichen Segen Gottes mit gutem Gewissen wol behalten: Es gehet aber ihrer vielen wie jenem / der gesagt / es mangle auf seinem Landgut nichts / als ein gar kleine Goldquelle / und ist das beste Mittel Schätze zu finden /fleissig beten / emsig arbeiten / und das seine zu rath halten. Jener Vatter sagte zu seinen Söhnen auf sei nem Todbette / er hätte einen Schatz in seinem Weinberg vergraben / könte ihnen aber nit sagen / wo hin. Nach deß Vatters Tod gruben sie den gantzen Weinberg üm / fanden zwar keinen Schatz / aber durch die fleissige Arbeit wurde der Weinberg so viel fruchtbarer und nutzbarer.
Rähtsel.
Ich bin der Blumen Feind / ein runder kleiner Stricke / Von feuchtem Erden Schlamm beseelet unnd gebunden / Ich frage nicht darnach man schneide mich in Stücke' ich hab in kurtzer Zeit mich bald zusamm gefunden.
162. Die Würmer
[235] (CLXII.)
Die Würmer.
Ohn grosses Nachsinnen wird der Leser leichtlich mercken / daß vorgesetzte Rähtsel von einem Regenwurm redet / der die Blumenzwiffel naget / einem runden Strick gleichet / von dem Schlamm oder fetten Felder erzeuget wird / und wann man ihn gleich zerstucket / wachsen doch die Theile wider zusammen /wann sie nur einander berühren können. Wie man diese Würmer fangen soll / lehret Ferrarius in seiner Flora. Man könte sie fast vergleichen mit jenes Aufschneiders Indianischen Kirschen / welche 1000. Schuhe lang / und einen Schuhe breit gewesen seyn soll. Hier wollen wir aber nit von der Erden / sondern von der Menschen Würmern reden.
2. Lorentz eines Fleischers oder Metzkers Sohn zu Nantes / seines Alters in dem siebenden Jahre / ist drey Tage für Tod gelegen / und hat nichts zu sich genommen / als ein gesottenes Gerstenwasser / mit Zucker und Weinessig vermischet. Den vierten Tag gab man ihm ein Getranck von Aloe ein / das 148. Würmer von ihm getrieben / und hernach hat er sich besser gehabt. Benivenius c. 85.
3. Ein Weib von 49. Jahren hat grossen Schmertzen in ihrem Leibe gehabt / und nachdeme man ihr eine Artzney bey gebracht / Hierapiera genant / hat sie 40. grosse Würmer gebrochen. Dodonæus observ. 85.
4. Brasavol schreibet / daß er einen alten Mann von 80 Jahren unterhanden gehabt / der einen übelriechenden Odem / wie die Kinder so Würmer haben / von sich gehen lassen / deßwegen er ihm ein Getranck beygebracht / das darauf gerichtet / und dardurch 500. Würmer von ihm getrieben. Dieses schreibt er / sey ungefehr geschehen / dann er nichts gewust / daß so alte Leute auch mit den Würmern geplaget werden.
5. Amatus Portugals schreibet / daß von einem Mägdlein von vier Jahren / ein grosser grüner Wurm gekommen / welchen ihr Vatter zertretten / und in demselben viel hundert kleine Würmer gefunden. Das Mägdlein ist wenig Tage hernach gestorben.
[236] 6. Johann Baptista Cavallaire / ein gelehrter Mann beglaubet / daß er einem Kind von drey Jahren Würmer durch den Nabel fressen sehen / darüber auch das Kind sterben müssen. Dergleichen schreibet auch Pareus von einer Frauen / und saget / daß die Würmer Fingers lang gewesen / und daß sie ein Geschwer an dem Nabel gehabt / seye aber gebeilet worden / und zu völliger Gesundheit gelangt / im 19. Buche c. 3.
7. P. Forest bestättiget solches von einem andern Weib / welcher ein Wurm von anderthalb Schuhe auß dem Nabel gekrochen kommen / und zween Tage hernach noch ein grösser. Den dritten Tag einen kleinern. Den vierten Tag gebare sie einen Knaben auf die Welt. Den siebenden und achten Tag hernach krochen wider zween Würmer auß ihr / und weil sie arm /muste sie sich in grosser Dürfftigkeit behelffen / ist aber noch wieder zu recht kommen. l. 1. observ. 35.
8. Alex. Benedict und Benivenius c. 87. melden /daß zu Siena in Welschland von einer Frauen täglich ein Wurm 15. Elen lang gekommen / und solches 8. gantzer Tage / weil sie mit einem Trunck Wasser einen Erden Schlamm / darvon die Regenwürmer wachsen / wie anfangs dieser Erzehlung berühret worden / mit eingetruncken.
9. Ein Weib aus Sclavonia hat durch den Mund einen Wurm gebrochen / wie eine Schlange vier Ehln lang / Amatus Portugals / in der 74. Cur.
10. Thad. Dunus erzehlet etliche Exempel. Daß solche Wůrmer schüppicht gewesen / darauf aber allezeit der Tod gefolget / und daß man solche in dem Rauch gedörret / und noch weise zu Basel.
11. Damit wir aber sehen was Elend wir Menschen unterworffen / und wie grosse Ursach wir haben unsre Speiß und Getranck mit Dancksagung zu empfahen /so wil ich hier noch von andren dergleichen Fällen erzehlen / daß nemlich etliche Aale / etliche Ottern / etliche Eydexen / etliche Krotten und andre abscheuliche Würmer in sich getragen / [237] und sonderlich schreibet Marcellus Donatus. l. 4. c. 26. Daß Laurentz Zaffard ein Haubtmann zu Mantua / einen rötlichen Wurm durch den Mund gebrochen / der zwey Hörner auf dem Haubt / und hundert Füsse gehabt / habe sieben Stunde gelebt / und sey einen Schuh lang gewesen. Hiervon ist zu lesen Gemma / Schenck / Dodoneus unnd andre.
12. Pareus erzehlet auch auß den Alten / daß vielmals Würmer von den Menschen gekommen / welche so lang / als seine Därmer / das ist siebenmal so lang / als seine Höhe. Velascus erzehlet von einem dem 3. Würmer durch die Ohren herauß gekrochen / unnd hat sich auch hier begeben / daß einer Bauren Magd / die in dem Feld geschlaffen ein Ohrhöllerer in das Ohr gekommen / unnd in dem Haubt seine Brut außgeheget / darüber sie Tag und Nacht grossen Schmertzen gehabt. Der hochberühmte Mann Philip Camerarius hat ihr lassen den Dunst von einem neugebacknem Brod für das Ohr halten / durch welchen alle die Würmer wider herauß gekrochen / darüber das Mensch aber die Gedächtniß fast gantz verlohren.
Rähtsel.
Ich bin mit grosser Müh' auff einen Berg gestiegen. Es fleust ein trüber Strom in nechst begrüntem Thal / nechst welchem unter sich viel Thiere sonder Zahl nach lang betrübtem Streit im schlancken Fluß erliegen / Der Löw / der Fuchs / der Beer / die Schwein / und Hunde kommen / Der Ochs / der Wolff / das Schaf und viel nie gute Freund' entfliehen / jagen nach und haben ihren Feind. Wol dem / der seinen Weg hat einst hindurch genommen.
163. Das verjungte Alter
[238] (CLXIII.)
Das verjungte Alter.
Dieser Rähtsel ist auß Cypriani Send-Schreiben deß 2. Buchs genommen / da er einen Frommen vergleichet mit einem Mann / der in seinem Alter die Eytelkeit der Welt erkennet / gleichsam auf einem Berge stehet / und betrachtet die grimmigen Löwen / die listigen Füchse / und die unflätigen Beeren / die gefressigen Schweine / die unzüchtigen Hunde / die dummen Ochsen / die blutgierigen Wölffe / und darunter etliche einfältige Schäflein; Diese alle streiten wider einander / und sind in gröster Unruhe / biß sich eines nach dem andern in den Todenfluß / der in dieses Berges Thal lauffet / stürtzet. Deßwegen er darzu setzet die Wort deß 14. Psalms: Der HErr schauet vom Himmel auf der Menschen Kinder / daß er sehe / ob jemand klug seye / und nach GOtt frage: aber sie sind alle abgewichen / und allesame untüchtig; da ist keiner der gutes thue / auch nicht einer. Und auß dem Osea c. 4. Der HErr hat Ursach zu schelten die im Lande wohnen; Dann es ist keine Treue / keine Liebe / kein Wort Gottes im Lande / sondern Gotteslästern /lügen / morden / stelen / und ehebrechen hat überhand genommen / und kommet eine Blutschuld nach der andern / etc.
2. Es ist auch nicht zu verwundern / daß die Welt im Argen lieget / und in derselben so viel viehisch gesinnte Leute sind / weil ihr Herr und Fürst ist die alte Schlange / der Höllen Drach / der Löw so herum gehet uns zu verschlingen etc. Deßwegen preise ich die Todten / sagte dort Esra / weil denen wol / die ihren Weg durch diese Welt genommen / und wie der thörig thut / der einen Berg erstiegen / und ihm wünschet wiederum unten anzutretten; also ist auch ein Alter nicht zuverdencken / wann er vielmehr den Tod / als die Tage seiner Jugend verlanget. Von Verlängerung der Jahre und wieder erjungten Alter wollen wir etliche Exempel aufmercken.
3. Bensanier ein Frantzösischer Edelmann schreibt in seiner [239] Florida / daß die Frantzosen in der Insel besagten Namens / einen alten Mann angetroffen / für welchem sie sich geneiget und ihm Ehre erwiesen /die ihm sehr angenehm gewesen / wie sie auß dem Denckzeichen abgenommen. Dieser zeigte ihnen noch einen ältern Mann / der nichts als Haut und Bein an sich / ohne Gehör und Gesicht / daß er kaum unnd mit Mühe reden kunte; bedeutend / daß dieser sein Vatter / und ruffte zu sich 5. Hauffen Indianer / welche alle seiner Kinder-Kindes Kind und Nachkommen / in 5. Geschlechte außgetheilet / die er mit so viel Handschlagen auf seine Knüe zu verstehen gegeben. Unter diesen zweyen Alten ist der jüngste 250. Jahr alt gewesen.
4. Valasque gedencket einer Abbtessin in dem Kloster Monviedre / welche das hunderste Jahr erreichet /doch haben die natürlichen Kräfften bey ihr sich so verjunget / daß es ihr wieder gegangen nach der Weiber Weise / und neue Zähne eingeschossen / so die alten herauß gestossen. Die Runtzeln in dem Angesicht haben sich wegen deß neu unterwachsen Fleisches verzogen / daß sie einem dreissigjährigen Weib gleich gesehen / und hat viel Jahre darnach gelebt. A. Torquemada in der ersten Tagraise.
5. Zu Taranta ist auch ein alter Mann gewesen /welcher in seinem hunderten Jahre sich / wie erstgedachte Abtessin / verjungt / und als die Schlangen die alte Haut fahren lassen / und eine neue angezogen /daß man ihn nicht mehr erkant. 50. Jahre hernach ist er wieder veraltet / und außgedorret / als wann er von Baumen-Rinden zusammen gesetzet worden were.Torquemad.
6. Ferdinand Lopez Castagneda erzehlt in seinen 8. Buch von Portugall daß 1536. Zu den Königl. Stadthalter in Ost-Indien Nugnez Eugne / ein Mann geführet worden / welcher 340. Jahr alt worden / und sich erinnert / daß seine Stadt noch nit bewohnet gewesen. Dieser hatte sich vielmals verjunget / daß ihm andre Haare und andre Zähne gewachsen. Damals hatte er schwartze Haare / und einen schwartzen Bart. Er war bürtig von Beniala / und hatte / wie er sagte 700. Weiber [240] gehabt / deren viel gestorben / und viel von ihme hinweg geschaffet worden. Dieses wurde nach Portugall berichtet / und wolte der König jährlich Zeitung haben von diesem Wunderalten / welche er auch erlanget / biß in seinem 370. Jahr gestorben.
7. Eben dieser Geschichtschreiber erzehlet auch von einem Mohren Namens Xequpir, welcher gleichfals das dreyhunderte Jahr erreichet / und hat sehr sparsam gelebt / daß er auch für einen Heiligen gehalten worden / wie solches viel glaubwürdige Personen / von welchen er es gehöret / einstimmig bezeuget.
8. Alexander Benedict erzehlet / daß einen WeibVictoria genannt / in dem 80. Jahre die Zähne wieder gewachsen / ob sie wol keine Haare mehr auf dem Haubt gehabt. Pareus.
9. R. Solenander in seinem 5. Buch am 15. Cap. erzehlet von einem Weib / die in dem hunderten Jahr ihre monatliche Zeit wieder bekommen / und sich dardurch sehr erleichtert befunden / welche sie ordentlicher gehabt als in ihrer Jugend / biß in das 103. Jahre / in welchem sie gestorben.
10. Deßgleichen schreibt er auch von der Mareschallin von Plettenburg / einer gebornen Ketlerin auß Westphalen / daß sie nach ihrem siebentzigsten Jahren / dergleichen monatliche Reinigung empfunden /und dardurch gleichsam zu völligen Kräfften gelanget / welches gewäret biß in ihr 82te Jahr / da solches wieder aufgehöret / sie aber hat das neuntzigste Jahr erreicht.
11. Zum Beschluß dieser Erzehlungen / welche der / so sie ihm mißfallen / übergehen kan / wollen wir fragen: an welchem Ort in der Welt man am längsten lebet? Daß die Länder theils gar kalt / theils gar warm / ist weltkündig. Welche Länder nun beedes noch zu wenig / noch zu viel haben / sind am meinsten bewohnet / und haben vermuthlich auch die ältesten Leute /weil der Orten der Lufft am reinsten / und die Erdenfrüchte am gesundesten. Hierbey sind auch zu beobachten die Winde / unter welchen die Sudwinde am schädlichsten / und die Städte / welche gegen Mittag einen Berg [241] haben / der den Wind aufhält / sind sehr gesund. Die Winde von der Sonnen Außgang / sind die vorträglichsten zu der Gesundheit. In den Insuln Sumatra und Bornaio leben die Leute ins gemein 130. Jahre.
12. Andre vermeinen / daß die Sonne mit ihrer Hitze / die natürliche Lebensfeuchte außtrockne / und daß die Länder gegen Mitternacht stärckere Leute und ein längers Leben verursachen; Es widerstreitet aber die Erfahrung solche Meinung / und were unser Leben lang genug / wann wir solches durch ein unordentliches Leben nit selbsten abkürtzen / daß auch Seneca zu seiner Zeit geklagt / sagend: Wir empfangen kein kurzes Leben / sondern wir machen es kurtz / und redet hier von auch sehr wol Verulam / daß wir Menschen uns nicht können lassen wol seyn / weil wir unsre Kräfften nicht erhalten / sondern selbe durch Geilheit / oder Trunckenheit zu schwächen gewohnet sind.
Rähtsel.
Es ist fast jedem Mann ein Engel zu gegeben / der ihn mit Raht und That soll führen durch das Leben. Es ist ein guter Geist / der von ihm geliebt? auch wol ein böser Geist / der seinen Sinn betrübt / Biß daß die Mutterschoß sie beede machet scheiden / da sich der Würmer Heer von diesem Engel weiden; Wer diese Rähtsel weiß / den wünsch' ich biß ins Grab. Daß er so Tags so Nachts den guten Engel hab.
164. Die Ehliche Freundschafft
(CLXIV.)
Die Ehliche Freundschafft.
Dieser Rähtsel ist abgemercket von eines gelehrten Mannes Rede / der behaubten wollen / die Weiber weren keine Menschen: Als er nun deßwegen auf einer Hochzeit übel angesehen worden / und die Weiber ihn wiederum verachtet / ist er für den Tisch getretten / und hat sich also erkläret; daß er darfür halte / die Weiber weren keine Menschen [242] sondern Engel /mit dieser Meinung sind sie alle wol zu frieden gewesen: Er setzte aber hinzu / daß es gute und böse Engel gebe. etc.
2. Hierauß ist nun die Auffgabe leicht zu finden. Das Weib ist dem Manne eine Gehülffin / durch sein gantzes Leben / biß sich die Mutter / die Erden / so unser aller Mutter ist / darzwischen leget / und das Weib oder der Mann von den Wůrmern in dem Grab verzehret wird. Solche Engel soll man auch anbeten /noch verunehren / und betrachten / daß sie noch aus deß Mannes Haubt / noch von seinen Füssen / sondern von seiner Seiten genommen / und Fleisch von seinem Fleisch / Bein von seinen Beinen / und ein Hertz von seinem Hertzen / welche von dem Ersten Menschen gesondert / durch den Ehestand aber mit den andern Menschen wiederum verbunden worden /biß der Tod solches Band mit seiner Sensen zuschneidet / das dann ohne Schmertzen nicht geschehen kan. Inzwischen aber solcher Verbindniß sind sie schuldig einander / wie Glieder an einem Leibe beyzustehen.
3. Dieses hat Benxamut und Hote Ararber in dem Königreich Marocco rühmlichst geleistet / und hat sich die Sache verloffen / wie folget. Die Portugesen führten Krieg wider die Mohren in dem Königreich Marocco / und überfielen sie so behänd / daß sie sich zerstreuet und geflohen / wie jeder gekönt. Unter den Entrunnenen war auch Benxamut / ein tapfferer Haubtmann / der einen guten Namen hatte unter den Ararbern / deßwegen er die Feldflüchtigen wieder samlete / und bey 70. Pferde zusammen brachte / als die Portugesen mit grossem Raub zurücke zogen / ungefehr zwo Meil von Marocco etc.
4. Unter den Gefangenen war auch Hote / Benxamuts Weiber eine / welche ihn von ferne ersehend /mit Namen zurufte / Benxamut / Benxamut / bate auch und erbate von dem der sie gefangen / mit ihrem Manne ein Wort zu reden / sagende / daß er nun seine Liebe gegen ihr erweisen / und seinem oft gethanem[243] Versprechen zu folge / sein Leben für sie darsetzen solte. Wol / sagte der Mann / gedulte dich / der Tag ist noch nicht vorbey / und der Sieg stehet bey Gott /der durch wenig so wol helffen kan / als durch viel.
5. Hote / nahme eine Hand voll Staub / und wurff solchen in die Lufft / sagend / so viel were auf seine Wort zu halten / und daß sie die Zeit ihres Lebens /über seine Untreue zu klagen Ursach habe / da er doch in dieser Welt niemand finden würde / der mehr Liebe gegen ihn trüge / etc. Benxamut zoge alsobald seinen lincken Schuhe auß / und wurffe ihn seiner Hote zu / ihr durch dieses Zeichen zu verstehen gebend / daß er sie nicht lassen wolte / nach dem Gebrauch dieser Völcker / welchen sie vielleicht von den Juden erlernet.
6. Mit diesem Entschluß eilet er zu den seinigen /und ermahnet sie mit einer beweglichen Rede / daß sie unverzagt den Feinden nachsetzen / und den Raub wieder abjagen wolten / welches er auf ihre Einwilligung so glücklich zu Wercke gerichtet / daß Ataida der Portugesen Feldmarschal von Benxamut selbsten durchschossen / und weil etliche Obersten üm den Befehl stritten / und einander würgten / hat dieser sein Weib errettet / und ist mit grosser Ehre wieder zurück gewichen.
7. Sein Weib hat ihm dergleichen eheliche Treue erwiesen / in dem Benxamut in einer andern Feldschlacht / seiner Feinde einem nachgesetzet / unnd von ihm ruckwarts in der Flucht durchschossen worden / hat sie ihm ein herrliches Grabmahl aufrichten lassen / und keine Speise noch Getranck zu ihr genommen / daß sie den neunten Tag todes verblichen /und vor ihrem Abbleiben befohlen / man solte sie neben ihren Mann begraben / als welchen sie die Zeit ihres Lebens brünstig geliebet / und auch von ihme in den Tod nicht wolle geschieden seyn. Osorius in seinem 12. Buch von den Portugäsischen Geschichten in 24. und 25. Cap.
8. Zu Erfüllung dieser Erzehlung wollen wir folgende Frage anfügen: Ob das Weib / oder der Mann zu ehlicher Liebe geneigter seye? Für das Weib streiten folgende Ursachen: I. bestehet die Liebe meinsten Theils in dem Wahn und der [244] Einbildung / welche bey den Weib viel stärcker ist / als bey dem Mann. II. Ist das Weib viel schwächeres Verstandes / und kan ihren fleischlichen Begierden so mächtig nicht widerstreben / als der Mann / welcher in allem vollkommener. III. Ist darauß abzunehmen / daß das Weib brünstiger lieben müsse / als der Mann / weil sie ihren Kindern auch vielmehr Neigung zuwendet. IV. Ist das schwache Weib / deß Mannes vielmehr benötiget / als der Mann deß Weibs / und hat die Natur ihnen deßwegen mehr Liebe eingepflantzet / weil alles ihr Glück und zeitliches Wolergehen an einer guten Heurat hanget; da hingegen ein Mann ohne Verachtung alten und zu Ehren kommen kann.
9. Man lieset auch / daß die Indianischen Weiber mit allem ihrem Schmuck zu ihren Männern in das Feuer springen und sich verbrennen / welches man von den Männern nit gehöret / die sich zwar / wie Benxamut / in Gefahr begeben / jedoch mit der Hoffnung / durch ihre Tapfferkeit dieselbe zu überwinden. Die Türcken gebrauchen viel Weiber / und diese alle lieben einen / der seine Lieb unter viel theilen muß: Wer wolte nun sagen / daß deß Mannes zertheilte Liebe nit viel schwächer / als eines solchen Weibes /die ihrem Manne getreu bleibet / unter so viel Nebenbulerinnen.
10. Für die Männer streiten folgende Ursachen / I. Weil er vollkommener und besser erkennen kan das /was zu lieben ist / als nit das Weib / deßwegen auch wegen verständiger Wahle beständiger lieben wird: Massen wir hier von ehlicher Tugend-Liebe reden /unter Vertrauten / die ehrliche Gemüter haben. II. Weil die Wahl und Anwerbung bey den Mann und nit bey der Jungfrauen stehet / so wol zu nehmen / als nach der Juden Recht einen Scheidbrief zu geben /wann man dem Weibe / wegen ihrer Unart ist gram worden. III. Ist der Mann das Haubt: Warumb solte er nicht auch in der Liebe / darinnen deß Ehestands Glückseligkeit bestehet / wie in andern Sachen den Vorzug haben. IV. Gleichet der verliebte Mann einem Geitzigen / der sich nicht kan ersättigen / seinen Schatz anzusehen / und desselben zu geniessen.
[245] 11. Man möchte wol hierwider sagen / daß das Weib / wie in andren Sachen / auch in dieser ehlichen Neigung gegen ihrem Eheherrn unersättlich seye. Es bestehet aber die Liebe nicht nur in zulässiger Beywohnung / sondern auch in hülffwilliger Handbietung in allen begebenden Fällen / und sind die jenigen keine getreue Ehleute / welche nur zu Glůckszeiten beyeinander halten / zu Zeit der Anfechtung aber abfallen / welches zu geschehen pflegt / wann man nach Schönheit oder Reichthum geheuratet / und solcher hinfallenden Eitelkeit Endschafft erlanget.
12. Wir halten für sicher / daß in dieser Frage keine durchgehende Antwort zu setzen / weil es Männer giebet / die ihre Weiber mehr lieben / als die Weiber sie; und wiederum sich Weiber finden / welche sich mit beständigerer Liebe ihren Männern verbinden / als sie ihnen. Ins gemein aber darvon zu reden /wolte ich sagen / daß die Teutschen und Frantzosen ihre Weiber mehr lieben / als sie geliebet werden / die Hispanierin und Italiänerin / vermeine ich / lieben ihre Männer viel brünstiger / als sie von ihnen geliebet werden: Daher auch viel mehr Ehebrecher als Ehebrecherin der Orten zu finden / als in Teutschland.
Rähtsel.
Ich habe was ich such / ohn Werck / im Wort gefunden Dardurch die gantze Welt wird Fesselfest verbunden. Ich lehr / und niemand nicht erlernet meine Kunst / die sonder Feuerglut besteht in Rauch und Dunst Sie hilfft / sie hilfft gewiß / noch nicht nach andrer hoffen / und hält mir (wie man sagt) den Beutel stetig offen / Man hat mich / raht warum / mit grossem Lohn bezahlt / daß ich mit Kohlenbrand die Sonnen abgemahlt?
165. Der Gern-Goldmacher
[246] (CLXV.)
Der Gern-Goldmacher.
Erstgedachte Rähtsel ist auß folgender Geschichte genommen / deßwegen wir derselben Erklärung zu Ende beyfügen wollen. Es ist aber hier zu mercken / daß zugleich in den Gleichniß Rähtseln etliches mit eingeflochten / als daß der Rauch und Dunst für Falschheit / der Kohlen Brand für die betrügliche der Chymisterey / und der Sonnen Gemähl für den Reichthum / der alles erleuchtet / und verblendet genommen wird.
2. Berlinger / ein Syracusaner von geringem Stand und grossem Verstand / (wann anderst die Klugheit also zu nennen) hatte erst in dem zehenden Jahre seines Alters zu reden angefangen / gleichsam / als ob er so lang gedichtet / so lang die Elephanten trächtig gehen / Fürsten und Herrn zu betrügen; allermassen in den Kinderspielen von Jugend auf darzu einen Anfang gemachet / und seiner Schalckheit meisterliche Proben geleistet.
3. In der Jugend wurde er zu der Schul gehalten /daß er etlicher massen deß Lateins mächtig worden /welches gleich dem Zucker ist / und keine Suppen verderbet / ich wil sagen / zu allen Ständen dienlich ist. Nach deme nun sein Vatter das zeitliche gesegnet / (dann seine Mutter Todes verblichen / als sie ihn auf die Welt geboren) begabe sich dieser Berlinger zu einem Goldmacher / die Kunst zu erlernen / welche die verborgene Schätze / so der Geitz und die Natur vergraben / außscharret. Mit diesem Meister schiffet er in Africa / lässet sich zu Zeiten für einen Meerrauber gebrauchen / und erbeutet so viel / daß er sich entschleust ein andres Leben anzufangen / darmit er nicht sein Leben / und zugleich in einer bösen viertelstunde verlieren möchte / was er durch etlicher Jahre Gefährligkeiten erarnet hatte.
4. Sein Angesicht war von der Sonnen verbrant /seine Augen schwartz und lieblich anzusehen / seine Haare lang / [247] krauß und pechschwartz / und hatte auf seiner Raise die Africanische Sprache frey zu reden gelernet / daß er sich in seinem Vatterland für einen fremden angeben dürffen. Nachdem er nun sein fahrend Haab / ich verstehe sein Schiff versilbert und zu Golde gemachet / sich mit einem langen schwartzen Rock bekleidet / stiege er zu Malta / alldar war er angefahren / nachdem er ein Türckisches Schiff / dessen Haubtmann sich zu dem Christlichen Glauben bekehret / und in der H. Tauff Odoart benennet worden / in eine Neapolitanische Galeen / und setzte glücklich über.
5. Unterwegs kommet er in Erfahrung / daß alldar viel reiche und vornehme Leute / unter welchen auch ein Herr von Caraffa / dem Chymischen Rauchwerck obligt: Bemühte sich deßwegen einen Diener zu haben / der von solchen Handel einen Bericht hätte /und fande eben einen / der zuvor bey dem Herrn Caraffa gedienet / den er zu sich genommen. Berlinger nennte sich Odoart von Africa / und wiese vor seinen Tauffzettel / welchen er den vorbesagten Türcken entwendet / zu beglauben daß er sich zu dem Christlichen Glauben bekehret.
6. Diesem seinen Diener Chiomo vertraute er /nach dem er zuvor die Verschwiegenheit eidlich versichert / wie er und sein Priesterliches Geschlecht eine Geheimnüß wüsten / auß andren Metallen Gold zu machen; heisset ihn deßwegen einen Distillierofen /Kolben / Tigel / Kohlen und andre Geretschaft einkauffen / weil er Geld vonnöthen hätte. Als solches beschehen / setzte er Quecksilber ein / und bestreuet es mit einem weissen Pulver / dardurch es dicht Gold würde / wie der Diener vermeinte / und solches wurde ihn zu verwechslen anvertrauet. Der Diener bringt das Geld für das Gold / und eröffnet so bald seinem ersten Herrn / wie er den Meister über alle Meister gefunden / und erzehlet / was er mit Augen gesehen und mit eignen Händen getastet.
7. Caraffa eilet diesen Africaner zu umfangen / und erkauft mit vielen höflichen Worten / und kostbaren Beschenckungen etliche Gerstenkörner schwer von besagtem Goldpulver. Wer [248] aber in seinem Sinne glückseliger als Caraffa? So gar / daß er seinen Freunden seine Freude nicht verbergen mögen / und ihnen die Prob dieser Goldmachkunst gewiesen; darüber sie erstaunt / und verlangt / solches auch zu erlernen. Diese haben ihn nun gastiret / mit Kleinodien /Kunststücken und allerhand Seltzamkeiten beschencket / dargegen aber gar wenig von den Pulver / auf viel Millionen aber Hoffnung erkaufft.
8. Es war dieses Pulver gefeiltes Gold / welches mit einer weißlichen Farbe bedecket gewesen / wann nun das Quecksilber verrauchet / so ist das Pulver zerschmoltzen / und das Gold flüssig worden. Dieses Pulver nun wuste er jedem in Geheim bey zubringen /und zu berichten / daß Gott alles mit seinem außwachsenden Samen erschaffen / daß alle Metalle Gold oder Silber / wegen Mangel der Sonnenhitze / mehr od' minder reiff / und daß solchen Mangel das Kunst-Feuer ersetzen / und ein Pulver die Metalle fruchtbar und zeitigen könne.
9. Nachdeme er nun seine Geschencke durch die dritte Hand / mit Vorwand / daß er solche wieder verschencket / zu Gelde gemachet / und bey 5000. Ducaten / durch Wechsel nach Rom gehen lassen / giebt er vor / daß er ein Gelübd gethan / bey seiner Bekehrung / barfuß nach Rom zu walfarten / seine Andacht alldar abzulegen. Von Rom übermachet er seine Gelder nach Venedig / unn folget bald hernach / von dar wandert er in Savoyen / wandelt mit den Kleidern den Namen und den Bart / nennet sich einen Ritter von Syracusa.
10. Weil ihm aber sein Gewissen sagte / daß er in gantz Italien nit sicher seyn könte / nimmt er seinen Weg in Flandern / und verspricht dem Hertzog von Parma / damaligen Stadthalter / wegen deß Königs in Hispanien 1000. Italianer auf seinen Unkosten zu werben / wann ihm für jeden Mann / nachdem selber überkommen / eine bedingte Summa Geldes bezahlet werden würde. Solchem Versprechen giebt der Hertzog Glauben / begnadet ihn mit einem schönen Rappier / einer guldnen Ketten / und fertiget ihn mit gebräuchlichen Werbbrieffen wieder ab.
[249] 11. In deme er sich nun zu Florentz aufhält / fügte sich / daß Caraffa / (welches Vermögen und Hoffnung inzwischen verrauchet ist) mit seinem Diener Chiomo sich auch alldar befunden / und Kriegsdienste anzunehmen gewillet / sich bey diesem Werber angeben. So bald Berlinger diese zween ersihet / erschricket er /wendet sich üm / und befiehlet seinen Befehlhaber einem / sie zu andrer Zeite wieder zu bescheiden / ist aber bedacht / sich auß dem Staub zu machen.
12. Caraffa hätte diesen Betrüger nicht erkannt /wann er nicht Nachts einen Traum von ihm gehabt /der ihm den vermeinten Africanischen Odoart / in Soldaten Kleidern eigentlich vorgestellet. So bald nun der Tag angebrochen / und Berlinger in der Kirchen Meß hörete / betrachtet ihn Caraffa unvermercket /und wird auß allen Umständen in seinem Wahn bestättiget / wie auch Chiomo: Eröffnet deßwegen dem Groß-Hertzog / was mit diesem Landbetrüger und Leutbelüger sich verloffen. Der Groß-Hertzog lässet Berlinger in Verhafft / und von dar auf die Galeen bringen / giebet aber dem Caraffa nichts von seinem Vermögen / sondern vermeint / daß solches deß Hertzogen von Parma Mittel / und muste er sich mit diesem Bescheid abfertigen lassen; Er hette sein Geld auf keinem redlichen Spiel verlohren.
Rähtsel.
Eine Königin ohn Land ist ein überschönes Weib / führet keinen Königsstand / hat nur einen halben Leib: und die Kron ohn Königreich: Wer sie höret wird verliebt / wer ihr glaubet wird betrübt. Rahtet alle nun zugleich!
166. Der betrogene Geitz
[250] (CLXVI.)
Der betrogene Geitz.
Dieses ist die Beschreibung einer Syrena / oder Wasser Fräulein / welche die Mahler mit Kronen mahlen /oben wie schöne Weibsbilder / unten wie Fische / wer ihren Singen zuhöret / der verliebt sich / und einen solchen reist sie in das Meer / ihn zuersäuffen / deßwegen Ulysses die Ohren verstopffet / von diesen Meersingerin nicht betrogen zu werden / wie Homerus dichtet / und jedermann bekannt ist.
2. Eine solche Syrena ist das Gold / welches alle eine Königin / schön scheinet in aller Augen / und die solches Klang anhören und lieben / werden darvon bethöret / daß sie darüber zu Grund gehen / wie auß nachgehenden Erzehlungen zu vernehmen seyn wird.
3. Frantz Boadilla ein Spanischer Ritter von Calatrava / wurde in die Insel Espagnola gesendet / da er den Chr. Columbum und seine Verwandte sehr übel gehalten / welcher doch die Neue Welt erstlich wieder gefunden / hatte etliche Rauber zu sich genommen /mit derer Hülffe er die Indianer tyrannisiret / und sie in den Bergwercken Tag unnd Nacht zu harter Arbeit angetrieben / seinen Geitz zu ersättigen. Als nun bey dem König in Hispania Klagen wider ihn eingebracht worden / ist Nicolas von Duvando dahin verordnet worden / so von S. Lucar aus in 40. Tagen überkommen / und Boadilla abgesetzet.
4. Dieses ungerechten Haußhalters Trost war der Mammon / mit welchem er sich befreundet / und bey zweymahl hundert tausend Kronen wehrt / samt noch vielen Goldküchen / deren eines auf 4500. Kronen geschätzet worden / und der Königin vermeint gewesen /eingeschiffet. Seine Landsleute haben ihrer auch nicht vergessen / und einen grossen Schatz mit sich genommen. Als sie nun in der offenbaren See / erhebt sich ein Sturmwetter / daß diese Geitzhälse samt allem Haab zu Grunde gegangen / unnd in Verzweifflung dahin gestorben. Sie hatten [251] die Erden beraubt / das Meer zu bereichen / und ihre Ungerechtigkeit hat sie lebendig hinunter gestürtzet. Die dem Reichthum nachjagen / fallen in die Stricke deß Höllischen Jägers / der sie durch die guldnen Syrenas verführen lässet.
5. Benzo ein Milaneser / auß welchem wie erstbesagte Geschichte erzehlet / meldet unter andern auch /daß Diego oder Dieterich Gottierez Spanischer Statthalter in Ost-Indien / etliche Indianische Herrn Caciques in ihrer Sprache genannt / gefangen / und ihnen von dem Christlichen Glauben eine schöne Rede /durch seinen Dolmetscher halten lassen: hernach aber war die Lehre / daß sie ihm viel Goldes schaffen solten / und zwar in vier Tagen sechsmal so viel / als zu Füllung eines grossen Korbs / den er ihnen vorweisen lassen / vonnöthen.
6. Der eine Indianer ersahe seinen Vortheil außzureissen / welches den Diego so sehr verdrossen / daß er auß Bekümmerniß erkrancket: der andre war an sein Bett geschmiedet / und schafft ihm 2000. Ducaten wehrt. Die Indianer in der Gegend zündeten ihre Häuser an / verderbten die fruchtbaren Bäumen / und nahmen ihren Vorraht mit auf die höchsten Berge. Diego wolte von seinem Gefangnen mehr Gold erpressen / und bedraute ihn lebendig zu verbrennen. Der Indianer sagte / er solte es thun / und ihn nit länger leiden lassen / er verwunderte sich auch / daß die Erden solche tyrannische Leute erdulten könne / und möchte wissen / was doch die Christen für einen Gott / daß sie sich nicht scheuten ein solches Leben zu führen.
7. Es samleten sich aber bald hernach die Indianer in grosser Anzahl / und überfielen Diego mit allen seinen Leuten / ihm schnitten sie das Haubt / Händ und Füsse ab / steckten es an Stangen / und dantzten darmit herum; es wurden auch von seinen Soldaten 46. todt geschlagen / daß nur sechs / unter welchen Bezo einer gewesen / darvon gekommen / und Hülffe gesucht bey einem Haubtmann deß Diego Vetter /welcher aber zu schwach / daß er die Indianer / so sich mit den eroberten Waffen gewehret / nicht an greiffen dörffen.
[252] 8. Bartholomei de las Casas ein Spanischer Bischof / welcher lang in Indien gewesen / erzehlet viel Exempel / daß die Geitzhälse unter den Spaniern und Portugesen ihren Geltdurst mit dem Tod gebüsset /und wann sie lange Zeit grossen Reichthum zusammen gepresset / daß sie ein End genommen mit Schrecken. Er rechnet / daß zu seiner Zeit 20. Millionen Menschen in beeden Indien auß Geldgier das Leben verlohren / und ware damals nur 30. Jahre /daß Columbus die neue Welt entdecket. Wie viel Millionen sind inzwischen geblieben / und mit was Gewissen / mit was Trost und Vertrauen stirbet einer dahin / der nach den Mammon die Zeit seines Lebens getrachtet / und nie kein Vertrauen auf Gott gesetzet.
9. Man sagt / das Gold der neuen Welt habe die alte Welt thöricht gemachet / weil es bey uns ja so viel Geitzige giebet / als an andren Orten. Ein Bischoff zu Saltzburg / der jährlich hundert tausend Kronen Einkunfft gehabt / hat seinen Hut / wann es geregnet / unter dem Mantel getragen / solchen zu sparen / und ihme auf das Haubt regnen lassen.
10. Eine reiche Frau in Francken wohnhafft / war so geitzig / daß sie keinen Armen keinen Bissen Brod mittheilen wollen / und zu ihnen gesagt / sie sollen Koht essen / so werden sie nit Hungers sterben / deßwegen man sie auch in dem gantzen Land nit geitzig /sondern den Geitz selbsten genennet / und ob ihr zwar Weltliche und Geistliche beweglichst zugesprochen /hat sie doch ihrer gespottet / und nit Gehör geben wollen: Doch ist ihr Geitz nit ungestrafft geblieben /sondern sie hat einen Wolffshunger bekommen / daß man ihr nit genug hat können zu essen geben / und ob sie wol Tag und Nacht Speise und Getranck zu ihr genommen / hat sie sich doch nicht ersättigen können /daß sie endlich den Koth auf der Gassen gefressen / ja deß Menschenkoths sich nit enthalten / und also unsinnig in dem Land herum geloffen: Endlich ist sie auf den Weg nach Dreßden todt gefunden worden /mit so abscheulichem Angesicht / daß sie keinem Menschen gleich gesehen. J. Fincel. im 2. Buch von den Wunderwercken.
[253] 11. Ein Domherr zu Worms hatte überauß grossen Reichthum / und hielte nur einen Diener / wann er auch mit dem Zipperlein schmertzlichst geplaget wurde. Dieser erbärmliche Geitzhalß war ohne Erbarmen gegen die Armen / massen der Geitz allezeit unbarmhertzig seyn muß. Wann er aber seine Zipperleins Schmertzen empfande / griffe er in einen Sack mit Ducaten / und rührete das Gold herum / sagend: daß solches die Schmertzen lindere und das Hertz stärcke. Nach seinem Tode / welcher mit unaußsprechlicher Qual erfolget / hat man über dreissig tausent Reichsthaler Barschafft in seinen Kisten gefunden / und hat es wol geheissen: Der Geitz ist seine eigne Stiffmutter / und daß das Geld nichts hilfft /wann der Teuffel den Schlüssel darzu hat.
12. Oger Ferrier ein gelehrter Artzt zu Tholuse /bestande ein schönes und grosses Hauß / unferne von den Kaufmarckt in besagter Stadt / welches man ihm sehr wolfeil verlassen / weil der Sage nach / ein böser Geist darinnen ümgegangen / daß man nit für ihm bleiben können: Ferrier aber liesse sich deßwegen nit hindern. Als er nun hinein gezogen / und erfahren /was er zuvor nit glauben wollen / hat er nit ruhen können / und sonderlich dörfte niemand in den Keller gehen. Man sagte ihme aber / daß ein Student von Lißbona verhanden / der auf dem Nagel eines jungen Kindes weisen könte / was man verlohren / und sagte das Kind / es sehe ein reichlich bekleidtes Weib mit einer Fackel in der Hand an einen steinern Pfeiler gegen Mitternacht stehen: darauß / sagte der Student /könt ihr hören / daß ein Schatz in dem Hauß vergraben / und zwar in den Keller an bedeuten Orte. Hierüber erfreute sich Ferrier / und dingte Leute / welche alsobald zu graben angefangen. Sie hätten aber noch keine grosse Gruben gemachet / da kommet ein Wind herfür / der leschet das Liecht auß / und wirft die Mauren über Ferrier unn seine Schatzgräber / daß sie darunter elendiglich verderben und sterben müssen. Der Student sagt / daß der Geist durch den Wind den Schatz entführet habe.
Rähtsel.
Eine Jungfrau voller Neid / lassend offt ihr altes Kleid / [254] Die unvernünfftige Lehrmeistere. stumm / ohn Füsse / klug und stoltz starck und schneller als der Poltz. Sie ist einer bösen Art / und ihr Haubt auß Furcht verwahrt Dieser Jungfer süsser Gifft hat die erste Sünd gestifft Rahtet alle welchers trifft?
167. Die unvernünfftigen Lehrmeistere
(CLXVII.)
Die unvernünfftigen Lehrmeistere.
Die Jungfer ist die Schlange / welche neidisch / ihre Haut / als ihr Kleid abstreifft: Sie ist stoltz / stumm /starck / schnell / und scheusset Pfeil geschwind auf den / der sie beleidigen wil. Ihre Klugheit bestehet darinnen / daß sie allezeit das Haubt verwahret / und wol weiß / daß die Wunden an dem Leibe leicht heilen / an dem Haubt aber alle tödlich sind. Daß sie böser Art / und den ersten Sünden-Gifft der Eva eingeblasen / ist auß der H. Schrifft bekannt. Weil nun folgends von den Thieren soll gedacht werden / welche der Menschen Lehrmeister sind gewesen / haben wir den Rähtsel von der Schlangen vorsetzen wollen.
2. Plinius klaget / daß dem Menschen alles in diesem Leben zu wider / und daß die Natur der Thiere rechte Mutter / der Mensch aber ihre Stieffmutter seye / weil sie ihnen so viel Verstand gegeben / daß sie alles dienliche erkennen / und was ihrer Unterhaltung schädlich / fliehen und meiden. Wann die Schlange /von welcher die Rähtsel gemeldet / mit den Störchen und Schnecken streitet / so nehmen sie das Kraut Origanum oder Wolgemut / und schützen sich darmit /weil es der Schlangen sehr zu wider. Der Beer / wann er verwundet wird / heilt er sich mit Omeisereyen /das Schwein mit Wintergrün / das Wieselein mit der Weinrauten und Salve / die Tauben mit dem Eisenkraut / der Habicht mit dem Kraut / das von ihm den Namen hat / und hieracium zu Latein / zu Teutsch Habichtkraut genennet wird / die Gänse / Endten und Hüner artzneyen sich mit helxine, Windig der Zaunglocken / die Hetz mit Lorbeer / der Hirsch mit Hirschjungen / die Schwalbe mit Schwalbenkraut /etc.
[255] 3. Der Mensch allein verstehet von Natur nichts was ihm nutzet / weil er vielleicht solche Wissenschafft durch den Sündenfall verschertzet / unn weil er in essen und trincken keine Maß halten kan / welches doch die Thiere meistentheils thun / muß er sich nit schämen / von diesen unvernünfftigen Lehrmeistern zu lernen; allermassen bereit vermeldet / daß solche der Kräuter Krafft besser wissen / als der Mensch / so auf solche nit studieret. Wir wollen aber hier noch weiter gehen / und auf unseren Schauplatz noch andre unbekante Thiere stellen / und sehen / was man von ihnen abgesehen und gelernet.
4. Das Aderlassen ist eine von den gebräuchlichsten und vorträglichsten Artzneyen / wie auch die Clystieren. Beedes haben die Alten von den Thieren erlernet: jenes von den Pferden / welche ihnen in dem Früling / wann sich mit der Natur die Feuchtigkeiten erneuren / die Ader aufbeissen: dieses von den schwartzen Storch in Egypten / welcher mit dem Saltzwasser auß dem Nilusstrom das Gedärm außwäschet / und solches wieder doch die Ausladung von sich lässet /wie hiervon Plinius / Solinus / Cicero und viel andre schreiben. Von diesem Vogel haben die Egyptier den Gebrauch der Clystier lang vor Hippocrate gehabt /und solcher sich alle drey Monat bedienet.
5. Das Brechen soll von den Hunden seyn abgesehen worden / welche Graß und das Samkraut von dem Korn fressen / wann sie sich mit der Gallen oder unverdeuten Speisen beschweret finden. Er isset auch Wegwarten / welche ihm sehr wol bekommen / und seine Leber erfrischen.
6. Etliche wollen / daß die Menschen auch die Waffen von den Thieren abgesehen. Ichnevmon die Indianische Maus waltzt sich in dem Koht / und trocknet sich in der Sonne / solches thut sie zu unterschiedlichen mahlen / und alsdann streitet sie mit dem Otter / und daher sollen Pantzer und Harnisch kommen: Das spitzige Gewehr aber andre zu beleidigen /wollen sie von den Iglen hernehmen.
7. Die Art eine Festung zu untergraben / ist / nach Vegeti-Meinung / von den Caninichen oder Künlein /abgelernet [256] welche ein Mauren solcher Gestalt können über den Hauffen werffen.
8. Das impfen und peltzen soll auch von den Vögeln abgesehen worden seyn / daher kommet / daß man offt auf einem Felsen einen Kirsch- oder Weixelbaum siehet / welches Kern ein Vogel mit seinem Mist in eines solches Steines Ritzen fallen lassen /dardurch er bekleibet und erwachsen / weil es von dem Regen befeuchtet worden / unnd besagten Mist anfangs zu einer Erden gehabt.
9. Die Galeen soll man von dem Krebs abgesehen haben / welcher mit seinen Füssen / als Rudern hinder sich und für sich gehet.
10. Von der Vögel Gesang sollen auch die ersten Menschen haben singen lernen / und schreibet Ferdinand Ovieda / daß die Hispanier (Perillos ligeros) Spurhündlein / welche bellen / als wann sie die sechs Stimmen siengen / und von der höchsten anfiengen /La, sol, fa, mi, re, ut.
11. Plinius wil auch den Thieren beymessen die Sternkündigung (l. 8. c. 28.) und kommet mit den Haanen / Schwalben / Nachtigallen und dem Viehe /welche den Hundsstern spüren / aufgezogen / mich beduncket aber / es seye zu weit gegangen.
12. Der Prophet Esaias hält die Menschen und Thiere gegeneinander / daß jene ihre Gebühr von diesen lernen sollen / sagend: Ein Ochse kennet seinen Herrn / und ein Esel die Krippe seines Herrn / aber Israel kennets nicht / und mein Volck vernimmets nicht / c. 1. v. 3. und Jeremias: Ein Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit / eine Turteltaube / Kranich und Schwalbe mercken ihre Zeit / wann sie wieder kommen sollen; aber mein Volck wil das Recht deß Herrn nicht wissen / c. 8. 7.
Rähtsel.
Es hat mein graues Haubt ein langer Spies durchstochen / Der Finger und der Mund hat solches abgebrochen / [257] und durch den Fleiß gemacht / daß ich das Fleisch bedeck und meines Haubtes Darm an manche Dolchen steck' Ich werde mit den Kalch gewaschen und gepasset. biß ich auß dicker Milch den neuen Leib gefasset. alsdann mein Pflüger trinckt aus seiner Schwester Bauch Ich werd' ein Pfefferhut / und dien' im Kunstgebrauch.
168. Die Mütterliche Liebe
(CLXVIII.)
Die Mütterliche Liebe.
Das graue Haubt ist der Flachs / welches der Spieß /den Rocken durchstochen. Dieses beraubet der nasse Mund und die emsige Hand der Spinnerin / damit Leinenengewand daraus gewürcket werde. Die Gedärmer sind die Fäden / an den Dolchen / verstehe Spindeln /aufgestecket. Aus dem Leinengewand machet man das Papier / zu welchem die Lumpen mit Kalch gepasset werden / hernach werden sie durch die Stampmühle zu dickem Molcken / und endlich zu Papier / darauf der Pflüger / die Feder / von seiner Schwester Bauch dem Dintenfaß geträncket / seine Furchen oder Zeile ziehet. Auß dem alten Papier machet man Scharmützel zu dem Pfeffer und Gewürtze / auß dem neuen mit allerhand Künsten beschriebene Bücher.
2. Hier möchte man nun fragen / wie sich der Flachs und das Papier zu der Mütterlichen Liebe reime / welche mit den Bildniß einer Henne und ihren Glücklein den schicklichen Innhalt dieser Rähtsel hette geben können. Hierauf ist zu wissen / daß der Erzehlung eine Genügen geschicht / wann man nun das Wort auf welches die Rähtsel zielet / mit einbringet / allermassen in dem Gesprächspielen bey Erzehlung der Rähtsel Geschichte vermeldet worden.
3. Vor Jahren ist der grosse Löw zu Florentz auß seiner Behaltniß außgebrochen / und mit grossen brüllen durch die Stadt geloffen / daß jedermann für ihm geflohen / und sich für diesem König der Thiere entsetzet. Wann der Löw brüllet / [258] wer wolte sich nicht fürchten / sagt Salomo. Es begegnete nun diesem Thier ein kleines Kind auf der Gassen / welches ein einiges Söhnlein war eines armen Weibs / die mit ihrem Rocken (von welchem die Rähtsel gesagt) auch entwichen / und das Kind hinter sich gelassen.
4. Als sie nun gesehen / daß der Löw ihres Leibesfrucht angefasset und zerreissen wollen / hat die Mütterliche Hertzensliebe alle Furcht überwunden / und dieses sonst zages Weib so kühn gemacht / daß sie hinzu gelauffen / und dem Löwen ihr Kind auß den Patten gerissen / selbes umarmet / und frisch und gesund nach Hause gebracht. Der Löw ist hernach wieder handfest gemachet und verwahret worden.
5. Zu meiner Zeit hatte der Löwenhüter mit einem Knaben von sieben Jahren Sodomiterey getrieben /unnd das Kind so zugerichtet / daß es Tag und Nacht geschrien. Was thut der Bößwicht? Er nimt den unschuldigen Knaben / und wirfft ihn den Löwen vor /in Hoffnung / daß er solcher Gestalt sein Unrecht verbergen wolle. Die Löwen aber begehren den Knaben nicht anzurühren / und weil inzwischen andre Leute /den Löwen zu sehen kommen / ist diese mörderliche That offenbar worden.
6. Als nun solches für den Hertzog gekommen /und er befragt / ob dergleichen übel mehr beschehe /hat man ihme ein gantzes Regiester solcher Gesellen überreichet / und weil der Bischoff gebetten / daß man sie für Gericht bringen und verbrennen sote / hat der Hertzog das Papier (von welchen gleichfals die Rähtsel Meldung gethan) an dem Liecht verbrennet / und damit den Bischoff wieder abgefertiget.
7. Graff Hunno von Oldenburg war bey Käyser Henrich dem Vierten angegeben / daß er wider selben mit andern eine Bündniß gemachet / und weil er nicht alsobald zu Goßlar auf dem Reichstag erschienen /hat er sollen in Bann gethan werden / welches der Ertzbischoff Albert eiferrigst gesuchet / und von seinem Lande einen guten Theil an sich zu ziehen verhoffet.
[259] 8. Als nun besagter Graff das letzte mahl / zu Anhörung der Urtheil / geladen worden / ist er mit seinem Sohne Friederich getrost erschienen / und sich seiner Unschuld getröstet. Es hat aber keine Entschuldigung statt finden wollen / und ist ihm endlich von dem Käyser aufferleget worden / daß er mit einem Löwen streiten / und durch desselben Obsiege sich rechtfertigen solte.
9. Diesen Kampff hat sein Sohn Hertzog Friederich / aus kindlicher Liebe gegen seinem Herrn Vattern /über sich genommen / und GOtt vertrauet / er werde ihn wol aus deß Löwens Rachen erretten / und ihme Gnad und Stärcke verleihen. Mit diesem Heldenmuth tritt er den Löwenkampff an / bereitet aber zuvor einen Mann von Strohe mit einer verborgenen Spitzen / und frischen Eingeweid eines Ochsen zugerichtet /diesen truge der junge Graff für sich in der lincken Hand / und das Schwert in der Rechten.
10. Als nun der außgehungerte Löw das Eingeweid von dem Ochsen gerochen / und solches angefallen /hat der junge Graff Zeit genommen den Löwen zu durchstechen und also demselben obzusiegen; Hierüber hat sich der Käyser höchlich erfreuet / Grafen Friderich zum Ritter geschlagen / ihm einen schönen Ring verehret / und gäntzlich geglaubet / daß dem guten Herren unbillig geschehen / und daß die Auflage aus Verleumdung hergekommen.
11. Zu Erfüllung dieser Erzehlungen wollen wir diese Frage setzen: Ob ein Kind mehr von dem Vatter / oder von der Mutter an sich habe? Für dem Vatter dienen folgende Ursachen / I. Weil das Kind deß Vatters Namen und Wappen führet / welches von Anfang der Welt gewesen scheinet / daß man allezeit den Vatter mit benennet / und ist noch beyden schweden der Gebrauch. II. Weil der Mann / als das Vollkommenste / mehr steuret zu der Empfängniß / als das unvollkommene Weib. III. Ist das Getreid mehr theilhafftig deß Samens / darvon solches erwachsen / als deß Erdreichs / von welchem es ernehret worden. IV. Ohmet der Sohn ins gemein dem Vatter nach / welches die Ursache ist / daß die Edelleute [260] ihre Vätterliche Lehen behalten / weil sie auch derselben Tugend Erben sind. V. Der Wein bleibet Wein / wann gleich ein wenig Wasser darzu gegossen wird: Also wird der vätterliche Samen mit dem Mütterlichen vermischet / ist aber viel schwächer / weniger und geringer.
12. Daß die Mutter mehr Theil bey ihrer Leibesfrucht / ist aus nachgehenden Ursachen zu behaupten: I. Weil weisse Weiber / wegen starcker Einbildung /mit weissen Männern Mohren erzeuget. II. So giebt das Weib ihres Theils nicht nur den Samen / wie der Mann / sondern nehret es so lange Monat / da der Vatter nichts bey thun kan III. Werden viel Kinder nach seines Vattern Tod geboren / welches nach der Mutter Tod nit seyn kan. IV. Machet die Nahrung in Mutterleib / und die Muttermilch das Kind mehr theilhafftig ihrer / als deß Vatters Eigenschafften. V. Ein gesundes Weib kan mit einem Außsätzigen ein reines und gesundes Kind erzeugen; Ein gesunder Mann aber kan mit einem außsätzigen Weibsolches niemals laisten. Den verständigen Leser machen wir zu einem Richter dieser Streitfrage.
Rähtsel.
Ich bin gleich dem Mahen Samen / trage von Staub meinen Namen / durch den Blitz und Hagelbrand bring ich Leid und Freud ins Land. Mache durch das Donnerknallen Mauren / Thor und Türne fallen. Bremn' ich in der Venus-Ritz / treib ich Martem durch die Hitz / Nun könt ihr mich leichtlich kennen / und bey meinem Namen nennen.
169. Die wunderliche Rettung
(CLXIX.)
Die wunderliche Rettung.
Das Pulver ist dem Mahen-Samen gleich / welches von dem Lateinischen Wort pulvis, pulveris den Namen. Dieses ist der Menschen Donner / welcher Mauren / Thor und Türne fallen machet / und so wol zu den Begräbnissen [261] in Leid / als zu dem Gesundheit trincken / in Freude gebrauchet wird. Venus ist das Kupfer / auß welchem die metallne Stucke meinsten Theils gegossen sind; Der Ritz ist das Zündloch / und Mars ist das Eisen / auß welche die Kugel geschmiedet werden / ist also diese Rähtsel leicht zu verstehen.
2. Nachfolgende Geschichte ist fast unglaublich /hat sich aber doch / nach Außsage vieler warhafften Leute / folgender massen begeben. Einem Haubtmann in der Belägerung Ronan 1562. Namens Civille war den 15. Tag deß Weinmonats von dem Grafen Montegommery / welcher den Oberbefehl darinnen hatte /gebotten / den Wahl bey dem Thor S. Hilare / da der Turn bereit zu Grund geschossen / unnd vermuthlich der Feind auf die niedergelegte Mauren einen Anfall thun würde / zu vertheidigen / wie auch erfolget / daß der Streit 6. Stund gewehret.
3. Nach deme nun der Haubtmann Civille sich wol gehalten und grossen Widerstand gethan / wurde er mit einer Kugel durch den rechten Backen geschossen / die / nechst bey dem Gnicke / wider herauß gegangen / daß er darüber über den Wahl herab gefallen /da er von den Schantzgräbern / für tod eingeschart /und noch ein andrer Leichnam auf ihn geworffen worden / Clauder Forestier genannt / und also daß die Füsse deß einen zu deß andern Haubt zu liegen gekommen.
4. Dieser Civille wurde um 11. Uhr geschossen /und alsobald darauff begraben / und sind diese zween biß um 6. Uhre Abends verscharret gewesen / da sich nun der Feind zurucke gezogen / und die Soldaten sich in ihre Behausungen eingefunden: Da dann bey dem steinern Kreutz die Jungen mit den Pferden gewartet / und deß besagten Haubtmanns Diener nach seinem Herrn gefragt / welchem zur Antwort worden /daß er tod und begraben. Der Diener bittet im den Ort zu weisen / er wollte ihn ehrlich zur Erden bestatten /wie er solches zu thun versprechen müssen. Zu solchem Ende wurde ihm der Haubtmann Cere mit gegeben / den Ort der Begräbniß zu bedeuten.
5. Dieser getreue Diener Nicolas de la Varre genennet / [262] gräbet min beede Leichnam auf / und kan keinen für seinen Herrn erkennen / weil ihm das Geblüt in dem Angesicht erstarret / und die Erden sie gantz ungestalt gemachet / als sie nun vermeinten geirret zu haben / und diese beede wieder einscharren / ist deß Civille eine Hand herauß geblieben / weil die Gruben gar seicht / und der Haubtmann Cere stiesse solche Hand mit dem Fuß / daß sie auch mit der Erden solte bedecket werden / in dem siehet er einen großen dreyeckigen Diamant an dem Finger gläntzen / und erkannte Nicola seinen Herrn daran / grube ihn wieder aus der Erden / und in dem er ihn auf das Pferd hebet / befindet er daß er noch warm / und daß noch ein Odem in seiner Nasen. Hierüber erfreute er sich sehr /und eylet zu den Wundärtzten / zu erfahren / ob ihm noch möchte geholffen werden: Sie verzweiffeln aber alle an seiner Genesung / und weil sie wenig Artzney in der Stadt hatten / wolte keiner / bey so verzweiffelten Schaden Hände anlegen /
6. Von dar brachte Nicola seinen Herrn zu seiner Befreunden einen Coqueremont / da man ihn in ein Bett geleget / da er 5. Tage und so viel Nächte / ohne Rede und Bewegung geblieben. Seine Befreunde liessen die zween berührten Aertzte Guerente und Gras holen / und mit ihnen einen jungen Wundartzt J. Aveaux genamet / zu hören / ob nicht noch Mittel /diesen Begrabenen wieder von Todten auffzuerwecken. Der Meister Aveaux fühlte seine Wunden / und befande / daß solche durch den Halß gienge / daß er ihm einen Faden durchziehen müssen / welches der Krancke alles nicht empfunden. Den Mund machte man ihm mit Gewalt auf / und gosse ihm eine Fleischbrühe hinein. Als nun der Wundartzt Abends zu dem Schaden sahe / fande er / daß sich die Wund gereiniget / und daß die Geschwulst in dem Angesicht nidergesessen. Der Puls fande sich mit einem starcken Fieber.
7. Den sechsten Tag seiner Verwundung hat Civille angefangen die Augen auf zu thun / unnd seine Glieder gerecket / [263] wie einer der von einem tieffen Schlaff erwachet / und weil er eine gute Wart hatte / wurde es von Tag zu Tage besser. Inzwischen wurde die Stadt erobert / und kamen auch Soldaten in sein Hauß / dasselbe zu plündern / welches doch durch einen Leutenambt von den Schotten verhindert worden; doch muste Civille in eine Stuben in dem Hinterhause weichen / und dem Leutenambt Raum geben / und wurde er von jederman verlassen / ausser etlichen bösen Buben die ihn zum Fenster hinaus auf eine Miststätten geworffen / da er in dem Regen mit entblösten Haubt bey drey Tagen liegen müssen / wiewol er sich gantz nicht zerfallen.
8. Coqueremont war aus seinem Hause gewichen /nach deme man aber den Soldaten Friede zu halten durch offentlichen Trommenschlag gebotten / hat geeilet seinen Vettern Civille zu besuchen / und ihn gleich dem Job auf einen Misthauffen sitzen gefunden / welcher seine Schmertzen / sonderlich aber Hunger und Durst geklaget. Von dar wurde er wieder in dem Bette getragen / und mit Speiß und Getranck wol versehen / und das Fieber hatte durch den Durst und Hunger nachgelassen. Weil nun alles in der Stadt unsicher / lässet der Herr von Crosset sein Befreunder ihn in einem Sessel auf das Schiff tragen / und auf sein Schloß Crosset bringen.
9. Unterwegs hatte Civille grosse Schmertzen wegen der Kälte / und sahe den andern Tag mit Freuden das Schloß Crosset an / verhoffend sich alldar wieder zu erquicken; Es war aber eine alte Haußhalterin darinnen / welche den armen Krancken nicht wolte einlassen / weil sie hiervon keinen Befehl / liesse also den erfrohrnen / und verwundeten Haubtmann so lang in dem feuchten Wetter warten / biß einer von deß Herrn von Crosset Diener sie versicherte / daß es seines Herrn Befehl / sie solte Civille einnehmen / und nach möglichen Sachen / wol halten.
10. Dieses aber hat die alte Unholde nit gethan /und seiner / weil er keine Mittel sie zu bezahlen /schlecht oder fast gar nicht gewartet / daß die Wunden wiederum böß worden / und [264] das Fieber wiederkommen / daß er also nach so vielen außgestandenen Unglück / auß Verwarlosung hätte sterben müssen /wann nit der Herr von Crosset darzu gekommen / welcher den Wundartzt mit sich gebracht / und ihme einen Warter / samt aller Notturfft verschaffet / daß also dieser sein Nächster wol das Werck der Barmhertzigkeit an ihm gethan. Nach Verlauff etlicher Monat ist Civille so geheilet worden / daß er wieder in dem Schloß herum gehen können / mit grosser Verwunderung aller / die solche Geschichte gewust.
11. Sein Angesicht war fast abscheulich / weil sein rechtes Ohr / von dem Schuß gegen der Achsel geneiget / sein Mund stetig offen / und hat auch die Lippen / sonder grosser Mühe / nicht können zusammen bringen / und die Zähne aufeinander beissen. Es war ihme auch die rechte Hand zusammen gezogen / daß er die Finger nicht wol bewegen mögen / und konte das Haubt / ohne den gantzen Leib nicht wenden. Nachmals ist er bey andern seinen Vettern noch besser gehalten / und von seinem Diener Nicola / der zu Rovan gefangen gelegen / fleissiger bedienet worden / daß durch weichende Pflaster: und Behungen / die Nerven wieder gestärcket; zugleich auch ihm der Arm an einer Leitern außgedehnet / daß er fast völlig zu recht gekommen und 66. Jahre alt worden.
12. Bey so vielem übel hatte Civille nichts verlohren / als das Gehör und deß kleinen Fingers Bewegung. Dieses alles hat besagter Civille mit eigner Hand beschrieben / unnd darbey gesetzet etliche Verßlein / folgenden Begriffs.
Wer in deß Höchsten Hute sitzt / Wird von der Engel Wacht beschützt / Daß er in deß Todes Rachen / kan der Todeszähne lachen.
Rähtsel.
Der Thier und Menschen Feind / ist von dem W. genennet / und von der alten Hülff: Sein Zahn wie Feuer brennt / [265] er nehret sich von Raub / ohn Nutzen weil er lebt / und wo er geht und steht in steten Furchten schwebt. Es raht ein jeder zu / der dieses Thier gekennet?
170. Die Wolffszucht
(CLXX.)
Die Wolffszucht.
Der Wolff ist aller Thiere und aller Menschen Feind /der Buchstab W. und das Wörtlein olff / oder ulff /welches so viel ist als Hülffe (daher Rudolff Rathülff / Arnolff Ehrenhülff / Adolff Adelshülffe etc.) setzen zusammen Wolff / daß es als eine Buchstab Rähtsel /oder Wortgrieflein / seine Zähne sind so hitziger Natur / daß sie alles Fleisch / welches sie berühren /gleichsam besengen / verbrennen und außdrucken /daß in denselben Wunden keine Haare wachsen / wie in den Wunden / welche andrer Thiere Zähne eingesetzet (Aristot. probl. 28.) Daß der Wolff sich von dem Raub ernehret / niemand in seinem Leben nutzet / und ein furchtbares Thier / ist jederman bewust. Weil nun folgende Geschicht von den Wölffen handelt / setzen wir diese Rähtsel billich vor.
2. Etliche von Adel in Burgund stelten eine Wolffsjagt in dem Wald Ardenne genannt an / und erlegten auch dieser Unthier / wie solches die Bauren nennen /bey zwölffe / unter andern war eine Wölffin / welcher ein kleines entblöstes Kind nachlieffe / seines Alters bey sieben Jahren. Dieses wurde lebendig gefangen /und hatte das Kind krumme Nägel an Händen und Fůssen / seine Stimme war gleich dem blecken eines Kalbs / und die Haare weißlich und gantz krauß. Diese Wolffszucht muste man in Band und Eisen schlagen / und durch Hunger und Durst die Wort nachsprechen machen / daß das Kind in sieben Monden wol reden gelernt / und wurde Wunderswegen in einem Gehäuß herum geführet und üm Geld gewiesen.
3. Es hat sich aber dieses also begeben. In dem Wintermonat giengen etliche arme Weiber und Kinder in den [266] Wald Holtz zu holen / sich der grossen Kälte zu erwehren / diese aber wurden von Forstern verscheuht / daß sie entlauffen / und benebens ihren Aexen auch ein Kind von 9. Monden hinterlassen: Dieses muste das arme Weib mit ihr nehmen / weil ihr Mann ein Taglöhner / der nur die Sontage nach Hause kame / und sie das Kind niemand sonsten anbefehlen können.
4. Die Furcht machte dieses arme Weib / aller Mütterlicher Liebe vergessen / und ferne davon zu fliehen / mit Hinterlassung ihrer Tochter / wie gesagt. Zu Abends aber kehret sie zurucke an den Ort / und fande noch das Kind / noch die Axt / vermeint also / die Forsten würden vielleicht das Mägdlein zu ihn genommen haben / und laufft in das nächste Dorff / deßwegen nachzufragen / fande auch die Forster in einem Wirtshauß trincken / und weil sie nach ihrem Verlust fragte / wurde sie mit bedraulichen Worten abgewiesen.
5. Dieses Weib klagte aller Orten ihr Unglück /und weil der Mann befürchtet / daß solche Verwarlosung für einen Todschlag angezogen / und sein Weib darüber zu gehöriger Straffe in Verhafft genommen werden möchte / hat er das Land geraumet / und wenig oder nichts verlassen / und so viel mit sich genommen / der Hoffnung sich andrer Orten mit seiner Handarbeit sowol und besser zu ernehren. Man hat auch von diesen Leuten nachgehends nicht vernommen / wo sie hingekommen.
6. Vermuthlich hat die Wölffin für ihre Jungen Speise gesuchet / und dieses verlassne Kind in ihre Hölen getragen massen bekant / daß ein Wolff ein Schaf in seinem Rachen eine halbe Meile unverletzet tragen kan. Die jungen Wölffe aber wolten dieses unschuldige Kind nit anfallen / sondern spielten damit /in dem nun die alte Wölffin entschlaffen / und die jungen von ihr saugten / muß das Kind auch eine Zizen erlangt / und als von ihrer Mutter daran gezogen haben. Von dieser Zeit an hat die alte dem Kind kein Leid gethan / und gleich den andren Jungen genehret.
[267] 7. Also genosse das Kind mit zuwachsenden Jahren deß Fleisches von den Thieren so sie eingebracht / die Wölffe aber deß Eingeweids / wie das Kind hernach bekennet / und erzehlet / daß die Wölffe in dem Winter die Erden gefressen / auf welche sie geharnet hatten. Diese Wölffin hatte alle Jahre jungen / und liese den Wolff nicht in ihre Hölen / daß also das Kind durch sonderliche obhalt Gottes ernehret und beschirmet worden.
8. Nach gehabter Nachfrage / wem dieser Knab angehören möchte / wurde offenbar / daß solcher einer armen Frauen / die sich hinweg begeben / und das Kind wurde erkant an den 6. Fingern / welche es an jeder Hand von Mutterleib gebracht / man machte ihn zu einem Hirten Knaben / der Schafe zu hüten / welches er sieben Jahre fleissig gethan / daß derselben keines von den Wölffen gefressen / und deßwegen er auch über das Viehe gesetzet worden.
9. Wann er mit seinem Speichel in der Hand den Schafhund oder Kalb über den Rucken fuhre / so war es für dem Wolff gesichert: Darmit verdiente er viel Geldes / und hatte solche Krafft biß auf das vierzehende Jahr / da sich die Beschaffenheit seines Leibes geändert / unn die Wölffe / so wol von seiner als andern Herden / die Schafe und Gaise weggenommen.
10. Hierüber wurde dieser Jüngling betrübt / und hat sich für einen Soldaten gebrauchen lassen / sich auch in allen Gelegenheiten sehr tapffer gehalten; darbey aber zu rauben und zu plündern / zu fressen und zu sauffen / und alle Laster zu verüben nit unterlassen. Endlich ist er in Flandern erschossen / und von seinen Spießgesellen sehr betrauret worden.
11. Bey Saulien in Burgund hat sich auch begeben / daß zwey Mägdlein der Schaffe gehütet; die ältste war 12. die jüngere 6. Jahre alt. Der Wolff kommet und nimmet ein Schaf von ihrer Herde / und wil es darvon tragen: Diese Mägdlein aber lauffen ihm nach / und jagen ihm den Raub ab / daß der Wolff das Schaff fallen / hingegen aber das [268] sechsjährige Kind angefallen / und dasselbe darvon getragen. Das ältre Mägdlein laufft ihr nach / unnd schreyet üm Hülffe /niemand aber wolte / oder könte sie hören / weil sie zu weit von den Leuten entfernet war.
12. Als sie nun an eine dicke Hecken gekommen /unnd der Wolff durch zu brechen bemühet ist / ergrieffe die kühne Hirtin ihr Messer an dem Gürtel /und stösset es dem Wolff in die Brust / daß er den Raub fallen lässet / und todt zur Erden sincket. Inzwischen kamen etliche Bauersleute darzu / und brachten diese Mägdlein / samt dem erlegten Wolff / mit sich in das Dorff / das jüngere Töchterlein ist aber langsam wiederum geheilet worden / weil wie vorgedacht / die Wolffbisse gleichsam vergifftet sind daß man auch ein Schaf / das dieses Unthier beschädiget / nicht zu essen pfleget.
Rähtsel.
Die Herberg bey dem Mond / gebaut von dreyen Baumen / macht einen neuen Gast von höhen Werckt traumen / die ihn betreffen solt; doch war der Weg zu kurtz / daß er nicht pflantzen kunt die schwartze Hexenwurtz / Der überschlag von Hanff zerriß / er wurd versteckt / und bald / weiß nicht von wem / mit frembden Gut bedeckt Man zahlt das Lösegeld mit schlechten Bettlers Gut / daß er wurd endlich frey / durch eine schnelle Flut. Die Sache sonder ihn war ferners nicht zu wagen: es muste Fuß und Fuß der Hände Sünde tragen. Wer dieser Rähtsel Sinn allein errahten kan / den wird / wie ich ihm wünsch / kein Dieb nicht greiffen an.
171. Der erlöste Dieb
[269] (CLXXI.)
Der erlöste Dieb.
Diese Geschicht-Rähtsel wird aus folgender Erzehlung leichtlich zu erlernen seyn. Die Herberge bey den Mondschein von dreyen Baumen gebauet / ist der liechte Galgen / das hohe Werck ist der Strick von Hanff gemacht. Der Weg / die Leiter / die Würtz / der Alraun / von welchem in den vorgehenden Geschichten unter dem Titel Alraun gemeldet worden / etc. die schnelle Flut ist die Rohne / welche der schnellste Strom unter allen seyn soll / etc. Das übrige ist leichtlich zu verstehen.
2. In der grossen Handelstadt Lyon in Franckreich wurde einer zu dem Strang verurtheilet / als er nun sein Urtheil angehöret / und zu dem Hochgericht geführet wurde / war die Leiter zu kurtz. In dem der Nachrichter und etliche von den Schergen lauffen eine andre Leiter zu holen / giebt einer diesem armen Sünder ein kleines Messer / daß er sich loß schneiden konte / welches er auch unvermerckt der Beystehenden gethan.
3. In dem er nun warten solte / biß der Nachrichter mit der Leiter daher käme / nach welchen sich jedermann ümgesehen / springet der Dieb von der Pinnen unter das Volck / und einer wirft ihm einen Mantel über die Schuldern / und hatte er sich weit unter die Zuseher eingetrungen. Der Bannrichter schrie: Halt auf / die Schergen / deß Galgenjägers Spürhunde /lieffen herum / und wusten nicht / wen sie anfallen sollen!
4. Einer aber kam auf die Spur / und dem bemäntelten Dieb sehr nahe: In dem ein Italianer ein Hand mit Geld unter das Volck wirfft / und giebet dardurch auch den Schergen zu schaffen / daß der Dieb seinen Fuß weiter setzen konte / und an das außgeworffne Geld mehr gedachten als an Dieb.
5. In dem fügte sich / daß ein Fischer über die Rhone (den Fluß der durch Lyon laufft) schwimmet /und alle die zu Roß waren / sahen solches / vermeinend / daß es der außgerissne [270] Dieb / deßwegen dann die Menschenfischer nach der Brucken eilten / der Hoffnung / den entsprungenen wieder zu fangen.
6. Nach dem sie nun den jenigen / der überschwummen / und von diesem Handel nichts gewust /ergriffen / haben sie gesehen / daß es nit ihr Dieb /welcher sich leichtlich rechtfertigen konte / sondern ein gantz unschuldiger / doch führten sie ihn für den Bannrichter / der ihn wieder lauffen lassen.
7. Inzwischen spatzierte der Rechtschuldige hinweg / und das Volck kehrte mit grossem Gelächter wieder nach Hause / und lachte deß Henckers / der nun eine längere Lettern geholet / aber keinen unter allen Anwesenden gefunden / der sich hätte wollen hencken lassen. Solte man aber die jenigen ergriffen haben / welche dem Dieb darvon geholffen / sie hätten sie Rechtswegen an deß entloffenen Stelle den Galgen Tapezieren müssen.
8. Zu Erfüllung dieser Erzehlung wollen wir noch zweyerley anfügen / deren das Erste gleichfals von einem Nachrichter / das andre aber von wunderlicher Rettung handelt.
9. Diese Biscanier werden für die Einfältigsten unter allen Spaniern gehalten / und hat einer auf eine Zeit auß grosser Armut für einen Nachrichter oder Hencker sich gebrauchen lassen / einen Armen verurtheilten / auffzuknüpffen / deßwegen ihme die Kleider und noch acht Real bezahlet worden.
10. Das Geld war bald verdienet / und die Arbeit nicht groß / daß er deßwegen / nach vollender Messe an einem Sontag sich entblödet und offentlich außgerufft: Er habe jüngsten einen Dieb gehencket / daß man mit ihm wol zu frieden gewesen; Nun habe er den Lohn acht Real verzehret; Wann aber einer oder zween sich wolten hencken lassen / seye er erbietig halbes Geld / und für den Mann vier Real zu nehmen. Darauß hat jedermann ersehen / daß sein Verstandt verhenckt und gehemmt gewesen.
[271] 11. In der Insel Cumana in West-Indien haben die Jacobiner Mönichen ein Kloster / darunter vor Jahren eine Kranckheit regieret / an welcher alle gestorben /denen man nit in 24. Stunden eine Ader geöffnet. Diese Mönchen hatten einen Diener / der erkranckte auch / man könte ihm aber keine Ader öffnen / weil er so leibig / und gar kleine Adern hatte. Die Mönichen beten ihn für / und befehlen ihn Gott / als einen Menschen / welcher sterben würde / gleich vielen andern /an dieser Kranckheit begegnet.
12. Zu Nachts kommet ein Spitzmauß und beisset besagten Krancken an die Fersen / welche ungefehr entblösset gewesen / daß sehr viel Bluts darauß geflossen / zu Morgens finden die Mönichen ihren Krancken bey besserm Zustande / und sehen Augenscheinlich / daß diese Heilung von einer so wunderlichen Aderlässe hergekommen / daß sie nit anderst abnehmen können / es müsse solche durch eine Spitzmauß geschehen seyn / welcher in derselben Insel eine grosse Anzahl sind. Uber den Biß wurde ein Kloß von der Erden / in welchem das Wagengleiß gegangen / geleget / und also leichtlich wieder geheilet. L. Guyen l. 5. c. 8.
Rähtsel.
Rahtet / wie nennt man den Mann / der auß etlich Ohmen Wein reines Wasser machen kan / und zwar ohne Feuer-Schein? Doch muß er ob dieser Kunst sterben / in versaltzner Brunst.
172. Die Wassersüchtigen
(CLXXII.)
Die Wassersüchtigen.
Diese Rähtsel ist abgesehen auß eines Vollsauffers Antwort / welchem angesagt / daß er sich der Wassersucht zu befürchten / und geantwortet; Er könne solches nicht glauben / weil er lange Zeit kein Wasser getruncken; Wann man ihm aber mit der Weinsucht draute / so wolte er es wol glauben. [272] Ist also der Mann / welcher den Wein in Wasser wandelt ein Wassersüchtiger. Die Distilirer gebrauchen zu Veränderung der Metallen das Feuer / dieses geschihet ohne Feuer /und wegen eines kalten Magens der so übermässige Feuchtigkeit nicht verkochen kan. An dieser Kunst aus Wein Wasser zu machen / müssen die meinsten sterben: Viel werden auch geheilet / wie aus nachgehenden Erzehlungen zu vernehmen seyn wird.
2. Bartholome Cabrol ein treflicher Mann / erzehlet / daß er zu Montpellier zu einer Kürschners Tochter geholet worden / Namens Johanna / welche an der Wassersucht kranck gelegen. Dieser hat er gerahten /sie soll die Wurtzel Ruscus in ein Wasser legen /Morgen- und Abends darvon trincken / ihre Suppen darvon kochen / und ihr Brod darvon Bachen / dieses hat sie fleissig gethan und ist in 4. oder 5. Wochen hernach alles überflüssiges Wasser von ihr gekommen. Sie ist zwar inzwischen sehr kranck gelegen /aber doch zu letzt wieder völlig genesen.
3. Nach dreyen Jahren setzet die Wassersucht wieder bey ihr an / und war so groß aufgeschwollen / als zuvor: Damals aber war ihr Nabel sehr aufgelauffen /und in der Mitten ein wenig geöffnet / deßwegen ihr benanter Artzt / mit ihrer / und der Gefreunden Einwilligung den Nabel durchschlagen lassen / darauß eine grosse Menge Wasser geflossen / daß man ihr allerhand Artzney gebrauchen müssen / sie wieder zu recht zu bringen / welches auch nachgehends beschehen / und ist sie lange Jahre gesund geblieben.
4. Dergleichen ist auch begegnet Gilette Maurina einer Kammer Jungfrau zu Castelnau Mompellier /welche durch viel Wassertrincken aufgeschwollen /und weil sie noch genesen / noch sterben können / hat sie einen Esel gemiedet / willens darauff zu ihren Eltern nach Gignack zu reisen. Der Esel aber ist unterwegs so glücklich gefallen / daß das Wasser ist gehend worden / und sie nach solcher Erleichterung völlig genesen.
5. Ein Fischer bey Mantua Mergon genant / hat seine Wassersucht mit Durst leiden / daß er ein gantzes Jahr erduldet [273] dultet / geheilet / und benebens so starck gearbeitet / daß das Wasser / sonder Behuff der Artzney / von ihm gekommen. Marcell. Donat. l. 4. c. 21.
6. Christoph Trutwein ein Elsassischer Edelmann bey Hagenau / erkranckte lange Zeit an der Wassersucht. Als ihm auf eine Zeit in dem Garten / da er in der Sonnen entblösset gelegen / eine Eydex auf den Bauch gekrochen / hat er angefangen sich besser zu gehaben / und ist hernach völlig genesen. Schenkius. 3. v. 131.
7. Benwentius erzehlet von einem Wassersüchtigen Knaben / dem das Wasser / wie ein Springbrunnen auß dem Nabel gestiegen / daß man endlich / wegen der Schwachheit seines Leibes / dem Fluß wehren müssen. Doch ist er vermittelst guter Artzneyen wieder zu recht kommen.
8. Ein Barbiers Weib zu Nürnberg hat in ihrer Wassersucht aus einem sandigen und trüben Brunnen getruncken / dardurch verursachet / daß das Wasser durchgekrochen / und sich der Leib von etlichem schwartzen Geblüte gereiniget / daß sie wieder zu ihrer Gesundheit gelanget. Langius in dem 12. Sendschreiben deß andern Theils.
9. Ein Wassersüchtiger hat sich zu Paris mit einer glüenden Kohlen auf den Fuß gebrennet / und darvon ist ihm eine Blasen aufgefahren / durch welche hernach alles Wasser in seinem Leib seinen Außgang genommen.
10. Also schreibt Gaspar Hofman / daß ein Wassersüchtiger sich aus Unachtsamkeit in ein Messer gestossen / und seye dardurch dem Wasser ein Weg gemachet worden / daß er genesen / l. 3. c. 30.
11. Hier ist nit zu übergehen was J. Wierus schreibet / daß ein Weib zu Rom ihres Wassersüchtigen Mannes überdrüssig / und deßwegen ihm mit Gifft zu vergeben entschlossen / ein Kröte in einen Hafen zu Pulver gebrennet / und solches ihrem Manne in der Speise eingegeben: Hierdurch ist das Gewässer von ihm gekommen / und er zu voriger Gesundheit / wiewol wegen Alters sonders grosse Kräfften / gekommen.
[274] 12. Etliche Wassersüchtige sind durch Brechen /etliche durch schwitzen / etliche einig und allein durch Rhebarbara geheilet worden; deßwegen der verständige Artzt wol in acht haben soll / wo die Natur ihren Außgang nehmen wil / und derselben Diener soll er seyn / ihr den Weg zu bereiten.
Rähtsel.
Mein Leib ist von der Ganß und meine Haut von Faden. in Krieg und Siegeszeit / in Lieb und Todesstund / bin ich der Kämpferplatz / mit wollenweichen Grund / Und Bachi Pilger Leut' hab ich oft eingeladen Man steckt sich zwischen mich / und keiner ist so schlecht: der mein entrahten soll: Wer fehlt hats keinen Schaden.
173. Der glückselige Irrthum
(CLXXIII.)
Der glückselige Irrthum.
Weil in nachgehender Erzehlung eines Bettes gedacht wird / hab ich solches in dieser Rähtsel beschrieben. Der Leib die Federn sind von den Gänsen; Der Überzug oder die Haut ist von Faden: Darauf wird der Liebes-Krieg unnd Todensieg / als in einem Schauplatz verübet. Baccht Pilgerleute / die Vollsauffer / die zu der Flaschen walfarten / werden von dem Bette eingeladen zu schlaffen / und wieder außzunüchtern. Es ist keiner so arm / daß er sich nicht zwischen ein Bettlein / es seye so schlecht als es wolle / zu Nachts machen solte / und wie in dem Geistlichen Recht verbotten ist / noch den untern noch den obern Mühlstein / zu einem Pfand zu nehmen; als ist auch in dem Weltlichen Recht nicht zulässig / daß man den Armen das unter- oder Oberbett zu einem Pfandschilling nimmet.
[275] 2. Nachgesetzte Geschichte haben wir den glückseligen Irrthum benamet: wiewol sonsten irren allezeit unglücklich / und herkommet von der Unwissenheit /die eine Ungestalte deß Gemütes ist. Wann man aber in seiner Einfalt irret / ohne bösen Vorsatz / so ist man schuldig den Irrenden zu recht zu weisen / welches hier das blinde Glück etlicher massen gethan /wie aus folgendem zu vernehmen seyn wird.
3. Torelli ein Mantuanischer Edelmann / mit dem Vornamen Hercules / hatte theils durch natürliche Stärcke / theils auch durch beharrliche Ubung in dem Fechten / eine Mannfeste Behändigkeit / und übertrefliche Tapfferkeit erlanget / daß alle andre so zu Mantua Feindschafft hatten (wie der Orten gebräuchlich) seiner Freundschafft begehrten.
4. Es fügte sich / daß dieser Hercules Torelli / bey Nachts etlichen mit seiner Gesellschafft begegnet /welche mit gewehrter Hand auf ihn loß eilten. Torelli erweiset sich als ein Hercules / ich wil sagen / wie ein Held / und stösset einen von den Vornemsten / der die andern angeführet / zu Boden / und weil er übermannet / muste er sich durch ein Hauß in die Flucht begeben / daß er aufzehen Jahre verbannet / und auß dem Mantuanischen entfernet leben solte.
5. Maltatesta von Rimini / welcher wider etliche Benachbarte auch Feindschafft übte / nahme diesen Landflüchtigen oder Banditen / wegen seiner berühmten Tapferkeit in Dienste / und liebte ihn wegen seiner Tugend / für allen andern seines gleichen / die ihn schützen solten / für Pero einen Ferrarischen Edelmann / der diesen Malatesta befedet. Nach deme nun Torelli sich in seines Herrn Genade besagter massen befindet / wird er von den andern seinen Spießgesellen geneidet / sonderlich aber von Mangnagna / der vor ihm der nächste bey dem Fürsten gewesen.
6. Dieser Magnagna beobachtete / daß Torelli vielmals allein in den Garten spatzieret / und in sich selbst redend / mit den Händen fantasierte. Dieser Begebenheit bediente sich der Schalck / und beredete seinen Herrn / daß Torelli mit [276] seiner Gemahlin in geheimen vernehmen / wie er ihm weisen wolte / und sahe ein Fenster vom Frauenzimmer in den Garten /da Torelli allein spatzierte.
7. Dieses glaubte Malatesta / weil er sahe / daß Corelli mit den Händen gegen das Fenster winckte / wie er von fernen abnahme: Hielte also seine Gemahlin für eine Ehebrecherin / und diesen für ihren Bulen. Die Rache war bald entschlossen / und solte solcher Schandflecken / mit Torelli Blut abgewaschen werden; doch mit begebender Gelegenheit / weil sich Malatesta für einem so tapfern Mann zu fürchten Ursach hätte. Liesse sich also Malatesta nichts vermercken /sondern war mit ihm vertreulich / wie zuvor nach der Italianer gemeinen Lehrsatz / der bey Cardano zu lesen: Es seye die gröste Thorheit von der Welt / sich einer Feindschafft vermercken lassen / wann man nicht Gelegenheit hat sich zu rächen.
8. Bey eingefallener Herbstzeite ziehet Malatesta auf seine Güter / und erkundschafftet / daß sein Feind ihn alldar zu überfallen gewillet / deßwegen er sich mit den seinen in Bereitschafft hält / und das Schloß bester massen verwahret. Als nun der Morgen anbrache / vermeinte er / die Gefahr were bereit vorüber /die Zeit aber sich an Torelli zu rächen herbey gekommen / daß er ihn in dem Schlaff leichtlich überfallen /und ewigen schlaffen machen könte.
9. Zuvor liesse er Torelli in seine Kammer zu Bette weisen / und seine Gemahlin / welche in einem andern Zimmer zu schlaffen begunte / hatte sich in ihres Herrn Bette / (darvon die Rähtsel gehandelt /) unberuffen geleget / welches Torelli gantz unwissend / als nun Torelli außgezogen / und fast schamhafftiger / als sonsten die Hofleute zu seyn pflegen / ein Weibsbild auf dem Lager findet / wil er wieder zurucke; Sie aber erfreuet sich ob dem glücklichen Irrthum / und hält den neuen Gast in der Herberge zu Ablegung der Gebühr an.
10. Torelli hatte Fleisch und Blut / liesse sich unterrichten / daß der Orten gebräuchlich / und bezahlte den Brückzoll mit der Einnehmerin grösten Vergnügen. In dem [277] nun Malatesta die Kammer eröffnen wil /kommet das Geschrey / Pero breche mit seinen Leuten durch den Garten / und wolle das Schloß besteigen. Malatesta eilet seinem Feinde zu begegnen / und über diesem Tumult springet auch Torelli aus dem Bette /seinem Herrn beyzustehen.
11. Als er nun fast unbekleidet / dem Streit zu eilet / findet er / daß Malatesta durchstochen / und vor seiner Ankunft erleget worden; vertheidiget deßwegen sich und die andren Diener so Männlich / daß der Feind / mit Hinderlassung etlicher Todten ablassen /und sich zurucke zu begeben genothsaget worden.
12. Die hinterlassne Wittib hatte so grosses Wolgefallen ob dem begebenen Irrthum / daß sie demselben noch glücklicher zu machen gedachte / und kürtzet ihre traurige Einsamkeit / mit bald wieder erfreulicher Verheuratung / wehlend unter allen ihren Aufwarteren offt ernamten Torelli / daß er also viel grossen Reichthum / den er die Zeit seines Lebens nicht hoffen können / durch solchen unbedachten Fehler erlanget.
Rähtsel.
Rahtet doch / es ist ein Acker mit fast unbekanten Namen / Der spat / und nach achtzehen Jahren träget dopelt reichen Samen. Wann der Ackermann verstirbt / ist so bald die Frucht verlohren. Der die Rähtsel kan errahten ist zum Rähtsel Haubt erkohren.
174. Die Lehn- oder Leyhäuser
(CLXXIV.)
Die Lehn- oder Leyhäuser.
In Welschland ist eine gewisse Art Geld zu verleyhen / welche durch diese Rähtsel bedeutet wird / nemlich also: Einem Kinde / wann es geboren wird / leyhet man hundert Kronen / darvon giebt man keinen Zinß /biß 18. Jahre vorüber; alsdann hat es für hundert / für zweyhundert / für tausend [278] zwey tausend. Stirbt aber das Kind bevor es zu diesem Alter kommet / so bedarff es dieses Geldes nit / und ist die Außsteure /welche man dem Kind mit in das Grab giebet / daß es also den Herleyher thunlich. Der es hingegen entlehnet / der legt jährlich 5. Kronen / die er sonst Zinsse geben muste zurucke / und giebt noch 10. Kronen darzu / so ist die Schuld bezahlet.
2. Nun ist der Rähtsel leicht zu verstehen. Der Samen der dopelt reiche nach 18. Jahren herfür kommet / ist die Abzinsung / welche sich so hoch belaufft / und wann (der Ackermann) das Kind / inzwischen stirbet / auf dessen Namen das Vorlehen geschrieben /so verdirbet auch die Frucht. Nun kan sich nicht fehlen / unter 100. Kindern sterben zum wenigsten 25. oder 30. und so viel hundert Kronen hat man Gewinn / darvon die Diener zu unterhalten. Bodin. l. 6. c. 2.
3. Solcher Lehnhäuser sind sehr viel in Welschland zu Florentz / Luca / Siena / sonderlich aber zu Rom /da solches erstlich von Pabst Clement den VII. angefangen worden 1526. Damit die Dürfeigen und Armen nit mit Wucher übersetzet würden / wie die Junden zu treiben pflegen / und nimmet man mehr nit als 5. oder zum höchsten 6. von dem 100. und giebet etwas weniger / als das Unterpfand wehrt ist.
4. Man erhandelt auch wol ein Leibgeding und giebt einen Alten 20. 25. und noch mehr von hundert hingegen ist seine Haubtsumma mit seinem Tod bezahlet / dieses dienet den jenigen / die keine Kinder haben / und nicht so viel vermögen / daß sie von gebräuchlicher Abzinsung leben könten / das ihrige aber lachenden Erben nach ihrem Tod lassen müsten.
5. Dergleichen haben jüngsthin die Venediger erfunden. Ihrer hundert stehen zusammen / und legt ein jeder hundert Ducaten / daß das Haubtgut hundert tausend Ducaten machet: Von diesem giebt man 5 von hindert / jedoch also / daß der jenigen Zinse /welche das erst Jahr sterben / den andern zuwachse: Das andre Jahr ingleichen / und so fort / daß die Abzinsung der hundert tausend Ducaten auf einen allein kommen kan / der nemlich die [279] andren überlebet / und mit seinem Tod ist die Schuld bezahlet; Daß also bey Mannes gedencken diese Herrschafft die hundert tausent Ducaten mit der Verzinsung abführet / und die Nachkommen mit keiner neuen Schuld beschweret werden / sie aber nutzen inzwischen das Geld.
6. Dieses haben sie noch auf eine Gewinnsüchtigere Art gerichtet / und um die Verzinsung Zettel geben lassen / wie in einem Glückshafen / daß einer / 2. der andre 3. der dritte 8. 9. 10. biß 20. vom hundert bekommen / jedoch länger nit / als so lang er lebt. Nit weniger reiche Leute haben Geld hinein gewagt / und sind zum Theil wol / zum Theil übel zu frieden gewesen / nach den es ihnen geglücket. Die Zettel sind alle zugleich herauß gehoben worden / und ist keiner leer gewesen / sondern was einem ist abgangen / das ist dem andern zugegangen / daß die Obrigkeit mehr nit als 5. vom hundert zu zahlen gehabt.
7. Es ist die Liebe deß Nächsten / das unfehlbare Kennzeichen der Christen / und zu solchem Ende sind diese Berge der Gottesfurcht aufgerichtet worden: massen die Berge / fast von allen Völckern / zu den Opfern erwehlet worden / weil sie vermeinet / sie weren darauf Gott und dem Himmel näher. Weil nun solches guthertzige Darleiher zu der Armen Trost und Nothhülffe gestifftet / hat man solche montes Pietatis, oder Berge der Gottesfurcht genennet.
8. Weil aber ohne Versicherung / Geld herzuschiessen nit rahtsam / und die Armen keine liegende Güter zu verpfenden haben / nimmet man von ihnen an / was sich offt in dem Aufhalten nicht aufhalten lässet. Ihr fahrendes Haab alsobald zu verkauffen / ist ihnen auch nicht zu rathen / und deßwegen mit solchem Vorschuß geringer Mittel ist vielen zu Zeiten gedienet.
9. Es wäre zwar zu wünschen / daß man denen Armen Geld leihte / bey welchen man nichts wieder zu hoffen / nach dem alten und neuen Testament / der gewissen Zuversicht daß Gott solches wieder reichlich erstatten wird: Es finden sich aber gar wenig / welche diesen Bürgen trauen wollen. [280] Unser Herr Gott hat den Juden verbotten / von ihren Brüdern zu wuchern / wie auch den Armen und Knechten das siebende Erlaß Jahr zum besten verordnet. Heut zu Tage aber sind die Juden die ärgsten Schinder / jedoch nicht unter sich / sondern gegen die Fremden.
10. Der Wucher wird auf Hebreisch (neschhech) ein Biß genennet / weil er wie ein Krebs üm sich frisset / und das Gut verzehret / er sey auch so klein als er wil / geschätzet: doch kan ich mit gutem Gewissen einen Antheil von dem Gewinn nehmen / welchen ein andrer mit meinem Gelde machet / und wann er Verlust hat muß ich auch daran tragen / wie die tägliche Erfahrung bezeuget. Viel haben dem gemeinen Wesen zum besten ihre Schuldverschreibungen / die sie von ihrer Obrigkeit gehabt / verbrennet / oder doch sich auf ein geringes erhandlen lassen.
11. Die Liebe hat drey Stuffen / 1. Schencken / 2. ohne Verzinsung leihen / und dieses beedes ist fast abgekommen / weil es einem Theil verächtlich / dem andern nachtheilig. 3. Auf geringe Verzinsung leihen /daß man auch Christlich nennet und eine Wolthat ist dem / der deß Geldes vonnöthen hat. Der Glaubiger muß es auch mit der Zeit so genau nit nehmen / sich gegen dem Schuldner nicht murrisch und unfreundlich erweisen / eingedenck / daß man sich an den Armen leichtlich sehr versündigen kan / die ein Stücklein Brots haben / und der es ihnen nimmet ist ein Mörder.
12. Wann man nun den Leuten eine solche Liebe wolte in das Hertz geben / daß sie ihren Nächsten lieben solten / als sich selbsten / so müste man viel eine frömmere Welt suchen / die das Geld weniger liebte als diese. Es sind aber solcher Handlung zweyerley Leute / die Herleiher und Einnehmer: Die Herleiher mögen mit den Reichen so gut abkommen als sie können / wie vorgedacht worden; mit den Armen aber sollen sie handlen nach ihren Gesetzen / welche ihnen die Stiffter / oder die Obrigkeit deß Orts fürschreibet /damit das Absehen dergleichen heylsamen Anordnungen / nit aus den Augen gesetzet werde.
[281] Rähtsel einer Jungfrauen so sie ihrem Vatter aufgegeben.
Mein Vatter gebt mir doch / was ihr noch nie gehabt / und auch nicht haben könt / so bin ich wol begabt. Weil kein halbirtes Thier' ist in der Welt zu finden / such' ich den halben Theil / mit selben mich zu binden.
175. Der Sittenlehrer
(CLXXV.)
Der Sittenlehrer.
Der Rähtsel ist leicht zu verstehen / und hat diese Jungfrau einen Mann verlanget / den der Vatter noch gehabt / noch haben kan. Die Ebreer schreiben / daß ein Weib ohne Mann ein halber Mensch seye / und müsse durch den Ehestand zusammen verknüpfet werden / was durch die Erschaffung deß Weibes von dem Manne geschieden worden / damit sie zwey seyen in einem Fleische. Weil nun das Weib nicht von Adams Haubt / noch von seinen Füssen / sondern von seiner Seiten und Hertzen genommen worden / dardurch zu bedeuten / daß sie noch sein Haubt noch seine Knechtin / sondern seine liebste Hertzen und Seitenfreundin seyn solte; können auch Eheleute nicht ohne grossen Schmertzen durch den Tod gleichsam halbieret und getrennet werden.
2. Wie wir nun zu Ende deß vorgesetzten Theils den Naturkündiger mit etlichen Fragen auf den Schauplatz gestellet; als wollen wir hier etliches aus der Sittenlehre anfügen / und erstlich fragen:
Wann man sich heyraten soll? Ant:
Wie dort Socrates geantwortet / als er gefraget wor den / wann man Mahlzeit halten soll? Der Reiche wann er wil; Der Arme wann er kan / also könte man solches auch von den Heyraten sagen: Der Reiche kan heyraten / nach deme er seine vogtbare Jahre erlangt /wann er wil / und wo er wil / dann den Geldmitteln stehet alles offen; Der Arme aber muß die Gelegenheit erwarten / und vielmals suchen ohne finden. Ein andrer beantwortete die Frage also. Man soll [282] heyraten /wann man etwas reuwürdiges begehen wolle. Ins gemein wollen die Artzney verständige / daß keine Weibsperson vor 18. Jahren heyraten soll / weil vor dieser Zeit / die Gänge in dem Leib noch zu schwach /daß die Geburt dardurch nicht wol und gnugsam kan ernehret werden / dabey entweder keine / oder gar schwache Kinder erfolgen / welche die Zeit ihres Lebens Kräncklinge und blöde Leute werden.
3. Warinnen bestehet die Keuschheit? Ant:
Die Keuschheit ist zweyerley: Deß Gemüts / und deß Leibs / beedes muß beysammen seyn / wann man für Gottes Angesicht keusch seyn soll: für den Menschen aber ist die Keuschheit deß Leibes genugsam.
4. Warum schwimmen die Leichname der Weiber nicht auf dem Rucken / wie die Leichnam der Mannsperson?
Es scheinet daß die Natur hierdurch den Weibern die Schamhafftigkeit bedeuten und anbefehlen wollen: Andre sagen; weil der Leib und der Bauch deß Weibes einem halb runden und ablangen Schiff gleiche.
5. Warum soll die Obrigkeit seyn?
Weil die Armut zu allen Lastern veranlast / und weil ein Dürfftiger die Gerechtigkeit nicht wol handhaben kan.
6. Was hat die Heucheley gutes und böses?
Bey verständigen Herren giebet sie zu verstehen / wie sie beschaffen seyn sollen: Bey Unverständigen Herren aber kommet sie aus Furcht und knechtischen Gemütern / welche vielmals böse und Ehrsüchtige Rathschläge verursachen / und halten sie viel für ärger /als die Raben / weil solche nur die Verstorbnen / die Heuchler aber auch die Lebendigen fressen.
7. Welches ist der beste Geitz?
8. Was findet sich schwerlich beysammen?
Die Schönheit und Keuschheit / Reichthum und Demut / Jugend und Erbarkeit / Alter und Freygebigkeit / Glück ohne Unglück.
[283] 9. Warum soll man die Wollust fliehen.
10. Ist der Verschwender oder Geitzige besser zu achten?
Der Verschwender / dann er thut ihm und andern Leuten Guts / der Geitzhals aber kan niemand Gutes thun / auch ihme selbsten nicht.
11. Was Mittel hat man die Laster zu meiden?
Wann man sich allezeit bemühet / das Widerspiel zu thun dessen / darzu man geneigt ist; als: Ein Geitziger bemühe sich freygehig zu seyn; Ein Stoltzer befleissige sich der Demut; ein Fauler arbeite; ein Geiler enthalte sich aller Unreinigkeit / und die Gelegenheit zu derselben / solcher Gestalt kan man zu der Tugend näher / und weiter von dem Laster abkommen.
12. Warum soll ihm keiner grossen Reichthum wünschen?
Weil er meinsten Theils mit bösen Mitteln gewonnen / und mit vielen Sorgen erhalten / oder mit noch grösserm Hertzenleid verlohren wird.
Ende deß siebenden Theils.
Achter Theil
Titel deß Achten Theils
Titel
Deß Achten Theils.
176. Der Gesandten List
[286] (CLXXVI.)
Der Gesandten List.
Es wurde ein Abgesandter einer Unwarheit beschuldiget / und weil er überzeugt war / sagte er diese Gleichniß: Wie der weise König Salomon befohlen /man soll das Kind / welches wegen die zwey Weiber bey ihm klagbar worden / zertheilen / hat er solches zu dem Ende gesagt / daß er die Warheit erforschen wollen / und weit ein anders in dem Hertzen / als in dem Munde gehabt: Also muß ein Gesandter sein unschuldiges und einfältiges Vatterland zu retten / solche Weißheit Salomonis gebrauchen / die Warheit zu erforschen / und hernach kan er seine Wort wol wider zurucke nehmen. Etliche beschreiben einen Gesandten / daß er sey eine ansehliche / verständige und beredte Person abgeordnet / für seines Vatterlands Wolfahrt zu lügen / etc.
2. Fernand Mendoza ein Spanischer Gesandter in Engeland / wurde von dem König Jacobo einsten erfordert / und ihm verweißlich aufgerucket / daß seine Gesandte nach Brüssel beruffen / wegen der Pfältzischen Sachen Unterhandlung zu pflegen / unverrichter Sachen aber und unangehöret wieder zurucke gekommen / etc. der Gesandte sagte darauf / er habe die Schnuppen oder Strauchen. Der König fragte: ob solche die Rede hindere? darauf erzehlte er folgende Fabel oder Lehrgedicht. Der Löw forderte zu sich das Schaaf / und fragte / ob er einen übelriechenden Odem habe? Das Schaf sagte ja / unnd wurde wegen der Warheit zerrissen unnd gefressen. Der Wolff antwortete / auf besagte Frage daß zwar sein Odem etwas wenigs übel rieche / aber nicht so viel wie die Thiere sagten: Wegen der Heucheley wurde er auch zerrissen. Nach diesem fragte der Löw auch den Fuxen /welcher gesehen / wie es den beeden ergangen. Dieser antwortete / daß er die Schnuppen habe / und nicht riechen könne. Also sagte er / [287] hab ich auch den Schnuppen / und kan noch meinen König entschuldigen / noch E.M. wegen solches Verlauffs recht sprechen / sondern ich hab die Schnuppen / dieses gefiele dem König / daß er seines gefasten Zorns vergessen /und ist als eine Kunst zu rechter Zeit schweigen.
3. A.R. ein Königlicher Gesandter wurde von etlichen Städtischen Gesandten Willkomm geheissen /und weil er vermeinte / daß es seinen König versprechlich / wann er mit entblöstem Haubt sie anhören solte / jedoch auch nit so unhöflich seyn wollen /und sich mit bedeckten Haubt ansprechen lassen / hat er den Mittelweg ergriffen / und den Hut in der Kammer gelassen / daß er sie also angehöret / als ob er wegen ihrer nicht abgezogen / und wegen seines Königs nicht aufgesetzet.
4. Ein Gesandter von N. hat sich angestellet / als ob er von Jugend auf keinen Wein getruncken / und hat allezeit in gesottnen Wasser Bescheid gethan; als sich nun andre bezechet / ist er nüchtern geblieben /und sich verwundert / daß die Adler (verständige Männer) über einen Weinberg geflogen / und in Kraniche (welche nichts als schreyen können) verwandelt worden. Dieses beschahe bey einem Fürsten / dessen Gnad mit Bescheid thun zu erkauffen.
5. Es kamen auf eine Zeit vornehme Gesandte gen Cassel in Hessen: Als sie nun der Landgraf in beywesen seiner Rähte zur Verhör kommen liesse / die Gesandte aber erstaunten und erstummen / sprach Simon Bieg / einer von den Räthen: Gnädiger Herr ich rieche Feuer. Als nun der Landgraf und seine Leute auß dem Gemach geloffen / sagte er zu den Fürsten: Ihr Fürstliche Gnaden wollen nit erschrecken / sondern nur ein wenig gedulten / biß sich diese gute Leute wieder erholet haben: welches auch geschehen / und haben die Gesandten hernach einen Vortrag gethan / daß sich jederman darüber verwundert.
6. Als der König in Hispanien / der II. deß Namens das Königreich Portugal unter sich bringen wollen /hat er ein grosses Heer geworben unter den Hertzog von Alva / nicht mit Gewalt dasselbe einzunehmen /sondern sich nur wegen solches fürchten zu machen /damit seine [288] Freundlichkeit und Mildigkeit Gnade finden müste. Zu diesem Ende schickte er den Hertzog von Ossuna / und Herr Christoph von Mora in Portugall / mit den grossen Herren zu handlen / ihnen seinen rechtlichen Zuspruch zu weisen / und sie mit guldnen versprechen zu bewegen / daß sie sich unter seine Regierung begeben und ihm die festen Plätze deß Landes einraumen solten. Diese Abgesandte haben solchen Befehl meisterlich außgerichtet / und in gar kurtzer Zeit das gantze Königreich / ihrem Herrn unterworffen / mehr versprochen / als sie ihren Herrn zu halten geraten. Nachdeme nun der König selbsten zu Lisboa gewohnet / und sich Portugesisch gekleidet / dardurch die Neigung dieses Volcks meistentheils gewonnen / sind die Grossen deß Landes gekommen /und haben sich / wegen versprochener Gnaden angemeldet. Der König hatte die ermeldten Abgesandten von sich geschicket / und von ihnen zuvor folgenden Rahts sich erholet.
7. So viel ihrer grosse Dienste und Beschenckungen erheischt / hat er an den Gewissensraht gewiesen /und sich ihres Verdienstes gantz unwissend gemachet. Sie wurden aber abgeredter massen / also abgefertiget / daß sie für eine Genade halten müsten / daß man die vermeinte Dienst- und Wolthat nit mit Ernst abgestraffet: In dem man ihme zu verstehen gegeben / daß sie diesem ihren rechten Herrn sich nit widersetzen können / ohne sträfliche Ungehorsam; wann sie aber vermeinet / daß der Antonio ihr rechter Herr / so hätten sie als Abtrünnige / Eid- und Pflichtvergessene Leute ihren natürlichen Herrn schändlich verkauft /und also wiederum sträflich gehandelt; doch wollte ihr allergnädigster König / seine Regierung nit mit Blutstürtzen anfangen: und ihnen auß angeborner Milde verzeihen. Sind also mit leeren Händen abgezogen / und wolte niemand von der Gesandten Versprechen wissen.
8. Die alte Hertzogin von Braganza hat erstbesagter König durch den Hertzog de la Cerda, einen Herrn auß Königlichen Geblüt geboren / besuchen lassen / der ihr den Titel Durchl. nit gegeben / deßwegen sie ihm auch nit mit der Excellenz / wie gebräuchlich / begegnet / sondern ihre Antwort mit [289] erhabener Stimme angefangen und geendet: Ach Gott / ach mein lieber Gott / etc. lässet mich der König besuchen? Ach getreüer Heiland / gedencket seine Mayestät an mein Person? etc. mit dergleichen hat sie den Gesandten wieder abgefertiget / welcher seinen König hinterbracht / daß er von der Hertzogin gehalten worden /als wann der König unsren Herr Gott hette hingeschicket / da ein andrer / der wegen deß Titels geeiffert / grosses Unheil hette verursachen können.
9. Ein Stättischer Gesandter hatte an einen Ort einmemorial oder Denckzettel eingegeben / und unterschiedlich mahlen um Antwort und Bescheid angehalten / jedesmals aber hören müssen / es seye sein memorial verlegt oder gar verlohren worden / deßwegen er solches Titel mit roter Dinten geschrieben / und auf befragen / warum solches geschehe / geantwortet: daß solches so bald nicht mehr könte verlegt / sondern unter allen andern erkennet werden möchte.
10. Ein Gesandter hat einen andern zu beschimpffen / auf dem Gemachstuel angehöret / und solchen hernach hinweg zu tragen befohlen: der andre aber hielte den Diener mit dem Stuel / und setzte sich auch darauf / den empfahenen Schimpf zu rächen.
11. Ein Gesandter hatte alles sein Vermögen verzehret / und als er / wegen seines Verdienstes / zu der Gesandschafft gebraucht werden solte / muste er schweren / seines Herrn Sachen so fleissig und treulich vorzustehen / als seinen eigenen; nachdem er aber den Fürsten in grosse Schulden gesetzet / und viel durchgebracht / sagte er / daß solches seinen Pflichten gemäß / weil er dem Seinigen auch also vorgestanden.
12. Ein Schweitzerischer Gesandter war über der Tafel bey dem Abbt zu S. Galle / und als ihn der Abbt fragte / wie es seinem Weib und Kindern gienge? ob sie wol auf? wie viel derselben? etc. vermeinte der Gesandte / er müste deßgleichen thun / und fragte den H. Abbt wieder wie sich seine Haußfrau befände? wie groß sein ältster Sohn? Hierüber wurde der Abbt schamrot.
177. Die getreuen Freunde
[290] (CLXXVII.)
Die getreuen Freunde.
Ein neuer Freund sagt Sirach / 1 ist ein neuer Wein /vergib einen alten Freund nicht / dann du weist nicht /ob du so viel an dem neuen kriegest. Dieses verstehen etliche von Gott / der unser ältster Freund / und uns geliebet / eh der Welt Grund geleget war. 2 Hingegen sollen wir hassen / die neue Welt / und was in der Welt ist / dann wer die Welt liebet / in dem ist nicht die Liebe deß Vatters. 3 Etliche verstehen es auch von den Menschensatzungen und Gebotten Gottes.
2. Es ist aber der eigentliche Verstand dieser Gleichniß / daß der neue Wein gleich seye einem neuen Freund / der noch auf der Heffen lieget / zwar süß und freundlich ist / wie gut und gesund er aber werden wird / das ist noch ungewiß. Hingegen ist der alte Wein rein und hell / der den Magen stärcket / das Hertz erfreuet / gutes Geblüt machet / darvon Christus 4 saget: Niemand ist / der vom Alten trincket /und wolle bald deß Neuen / dann er spricht: Der alte ist milder; Also ist ein Alter / getreuer und vorträglicher Freund / für einen neuen und ungewissen / nicht zu verwerffen. Hiervon soll eine sondere Erzehlung folgen.
3. Deß Hertzogen von Urbino / Francisci Mariä Hof ist einer von den berühmsten gewesen / zu unsrer Vätter Zeiten / da die Friedens-Künste in ihrem Ehren-Thron Fürstlich erhaben und beharrlich gehandhabt worden. Er hat sich belustiget mit gelehrten / verständigen und höfligen Leuten / deren er viel reichlich begabet / und in seine Dienste genommen /unter welchen ihrer zween waren / deren einer von Modena / der andre von Urbino / die eine so getreue Freundschafft miteinander geschlossen / als etwann David und Jonathan / deren die H. Schrifft rühmlichst gedencket.
4. Diese beede raisen miteinander auf eine Hochzeit nach [291] Senogallia / deß Modenefers Befreunde zu Ehren / welcher sich keinen Unkosten dauren lassen /sein Ehrenfest mit Ringrennen / Dantzspielen und allerhand Kurtzweilen zu begehen. Optatian der Modeneser und Sindron der Urbiener erwiesen bey solcher Begegniß / daß sie Hof- und Rittersleute / deren wolständige Sitten / ohne Verwunderung nicht betrachtet werden konten. Diese Tugenden konten von den Senogallischen auch nicht ohne Neid durchgelassen werden / unnd die Nachteulen konten nicht in diese Sonnen / ohne Nachtheil ihres Augenglantzes schauen.
5. Die beede fremde Edelleute machten mit den Frauenzimmer zu Senogallia Kundschafft / und wie eine Blume in den Gärten uns besser gefält / als die andre; so wehlten diese zween / zu ihrem Unglücke zweyen von den vornemsten der Stadt / ihnen zu ihrer Kurtzweil / aufzuwarten / deren die eine Namens. Olympia / Crescentin einem Edelmann von Pesaro /die andre Orinetta einen andren Namens Orlino versprochen / und dieses vermehrte die Ursachen ihrer Feindschafft / in dem sich diese zwo stoltze Schönheiten noch vielmehr / als jemals erhaben / weil diese hochgeachte Fremden ihnen dienten. Was sie in den Ritterspielen gewonnen / verehrten sie ihren Fräulein.
6. Crescentin und Orlino sahen mit Italianischen Eifer die Fremdlinge an / welche ihnen die Schuhe außtretten wollten / und wolten die bereit verbindliche Ehehandlung wider zurucke nehmen / wann nit die Liebe stärcker bey ihnen gewesen / als der Zorn: Bedachten sich deßwegen die Steine deß Anstosses auß dem Wege zu raumen. An den Beyständen konte es ihnen nit ermanglen / weil sie nicht nur etliche unter ihren Dienern / sondern auch die gantze Senogallische Jugend auf ihrer Seiten / wie die einheimischen Hunde keinen Fremden ohne Beissen einkommen lassen.
7. Diese zween Freunde versahen sich keines meuchelmörderischen Uberfalls / sondern giengen bey Nachts in den Sommer / nach deß Ortes Gebrauch spatzieren / und liessen das Gesang samt den musicalischen Instrumenten erschallen. Nun ist bekant / daß bey den hellen Nächten die Wercke der Finsternis [292] getrieben werden / und die kühle Lufft die brennende Liebe nit außleschen kan. In dem diese Fremde also sicher daher ziehen / werden sie von etlichen Unbekanten angetastet / welche einander mit den Wort /stich nider / schlag tod / würg / etc. aufrichten / unn diese beede bezwangen / daß sie sich unter eine Thüre stellen / und alle möglichste Gegenwehr für schůtzen mussten.
8. In diesem Gefecht werden etliche verwundet /und einer von den Vornemsten ermordet; darüber kommet die Wacht darzwischen / daß Sindron sich mit der Flucht rettet / Optatian aber / welcher verwundet / wurde in die Gefängnis gesetzet / als der Thäter gefundenen Ableibs / da er doch unschuldig / und nit er / sondern Sindron solchen nieder gesetzet / in deme er sich ritterlich / und in allen Rechten zulässig verheidiget.
9. Zu allem Unheil aber war der durchstochene deß Stadthalters alldar einiger Sohn / welcher sich freywillig zu seinen Landsleuten gesellet / und als der erste und forderst auf dem Platz geblieben; deßwegen man dann dem Optatian sein Urtheil machte / daß er wiederum das Leben verlieren solte: ungeacht er die That nit bekennet / und sich seiner Haut zu wehren /und sein Leben zu vertheidigen nothsachlich gezwungen worden: doch tröstete er sich / daß er für seinen getreuen Freund sterben solte / und verhoffte also durch seinen Tod ihme das Leben zu retten.
10. Es ist keine grössere Liebe / als wann man das Leben lässet für seinen Freund / und die guten Hirten wagen sich allein in Todesgefahr für ihre Schäflein: dieses ist die Prob der treuen und vollkommenen Freundschafft / weil wir auf dieser Erden nichts wehrters haben als das Leben; und mit demselben höret alles zeitliche Gut endlich auf. In dem nun Optatian sich zu dem Tod bereitet / und seine Unschuld beschuldigte / jedoch daß man wegen Sindron ferner nicht nachforschen solte / würde ihn der Gerichtstag angesetzet.
11. Sindron hingegen wuste wol den Thäter (wann anderst die Vertheidigung seines Lebens sträfflich ist) und wolte nicht geschehen lassen / daß sein so getreuer und wehrter Freund / ohne Schuld für ihn sterben solte. Als man ihn nun [293] auf den Richtplatz führen wil / meldet sich Sindron an / und bittet mit Hinrichtung Optatians zu rucke zu halten / weil er / und kein andrer den Mord / besagter massen / begangen / und gebührliche Straffe außzustehen erbietig seye.
12. Dem Richter ist allezeit der verdächtig / welcher sich zu sterben anmeldet / und befihlet deßwegen / daß man sie beede in verhafft führen solte. Der Handel kommet für den Hertzogen von Urbino / welcher diese beede für sich erfordern lässet / und höret selbsten ihren freundlichen Streit / welcher für den andern sterben solte / an; verwundert sich über ihre Treue /und begnadigt sie endlich beede / als edle Gemüter /die eine Probe warhaffter Tugendfreundschafft würcklich geleistet.
178. Das erschreckliche Gespenst
(CLXXVIII.)
Das erschreckliche Gespenst.
Der Satan wird von Esaia 1 mit einer Axt / einer Segen und einer Ruten verglichen / weil durch ihn /wie es der alte Kirchenlehrer Hieronymus außleget /die unfruchtbaren Bäumen abgehauen / die hartneckigen zerstucket / und die bösen Kinder / als mit einer Ruten gestäupet werden. Er wird auch genennet / ein alte listige Schlange 2 / ein brüllender Löw / welcher herumgehet / uns zu verschlingen 3: Wann nun der Löw brüllet / wer wolte sich nicht fürchten 4 und erschrecken? So gar / daß solcher Schrecken etlichen zum Tod / etlichen aber zur Besserung ihres Lebens gereicht / wie aus nachfolgender Erzehlung zu vernehmen seyn wird.
2. Im Jahr 1631. hat sich zu Paris begeben / daß ein erschreckliches Gespenst in eines Sachwalters oder Procurators Hause erschienen / und bald die Knechte / bald die Mägde erschrecket. Weil nun solche Gespenster zu zeiten Geiste / die Fleisch und Blut haben / und vielmals die Mägde von solchen Geistern besessen / schwanger werden / wolte dieser Alte nit glauben / daß die Sache sich angegebener massen verhielte.
[294] 3. Das Gespenst liesse sich meinsten theils in deß Schreibers Schreibkammer sehen / und jagte sie vielmals aus dem Bette / deßwegen ihr Herr sie schalte /und wolte eine Nacht in der Kammer liegen / wiewol sein furchtsames Weib ihn mit vielen Flehen darvon abmahnte. Er bestelte Liechter / geistliche Bücher /und liesse die andren Haußgenossen / in der obern Kammer wachen / daß sie ihm auf allen Fall zu Hülffe kommen könten / deßwegen er auch eine Glocken zu sich genommen.
4. Um Mitternacht kam das Gespenst hinein / mit einem langen Rocke angethan / wie er zu tragen pflegte / aber viel grösser / als sonsten eine Mannsperson. Das Angesicht war abscheulich / der Bart lang und grau / die Augen wie Feuerflammen / darüber der Alte so sehr erschrocken / daß er gleichsam ohne Regung und Bewegung / noch schreyen / noch seinem Gesinde einiges Zeichen geben können.
5. Das Gespenst spatzieret in dem Zimmer auf und ab / gehet für das Bett / und nimmet das Liecht von dem Haubtküsse / setzt es auf den Tisch / machet ein Buch auf und lieset darauß ein erschreckliches Geplärr / daß der alte Mann für Fürchten sterben mögen / und sich so wenig beweget / als ein Marmolbild: Nachdem nun dieses ein weil gewäret / und das Gespenst sich zu der Thür nahet / reicht der Alte die Hand zu der Glocken / und giebet seinem Gesinde das Zeichen abgeredter massen. Als dieses beschehen /kehrt das Gespenst wieder um / nimmet den Leuchter / wirfft ihn auf die Erden / leschet also das Liecht auß / stürtzt den Tisch um / fängt ein solches Gepolder an / als ob das Hauß zu drümmern gehen solte.
6. Die Frau / Schreiber und Mägde lauffen zu / finden aber ihren Herrn halb todt für Furchten und warten der Dinge die noch kommen solten. Endlich kommet er zu sich selbsten / und sihet nit anderst auß / als wie der auferweckte Lazarus. Nach diesem hat er noch zwey Jahr gelebt / die meiste Zeit aber das Fieber gehabt / und ein solches Hertzklopfen [295] und stettige Traurigkeit / daß er für lebendig todt zu halten gewesen / weil er seinem Beruff nit mehr fürstehen / und meinsten theils zu Bette liegen můssen. Dieses ist eine Warnung / daß sich keiner soll gelüsten lassen /die Geister unnd Gespenster zu sehen.
7. Ein Student zu Magdeburg hatte ihm eine Bulschafft auf einen Dorff in der Nähe angestellet / und als er auf einem Abend dahin gehen wil / verirret er sich / und kommet auf eines Edelmanns Schloß / der ihm wol bekannt war / und spricht alldar von der Nacht überfallen / um eine Nachtherberge ein. Der Edelmann empfäht ihn freundlich / lässet auftragen was das Hauß vermag / und beleitet ihn nach der Mahlzeit in eine Schlafkammer / welche nechst einem grossen Saal ware.
8. Der Student legte sich zu Bette / und hörte kurtze Zeit hernach eine Music / dann einen Tantz und eine sehr fröliche Gesellschafft. Als dieses ein wenig still worden / kommen zween mit Windliechtern / und eröffneten die Kammer / daß zwischen ihnen hinein kame eine adelich bekleidte Jungfrau und ein altes Weib mit einen Leuchter. Die Diener tratten ab / das alte Weib ziehet diese Braut auß / und gehet mit dem Liecht wider darvon. Der Student sahe dieses alles mit grossen Furchten an / und schaurte ihm die Haut noch mehr / aber als diese Braut sich zu ihm in das Bette legte / und zu ihm schmoge / daß er biß zu dem Ende deß Bettes weichen muste.
9. Gegen dem Tag kommet die alte wieder / kleidet die Braut an / und gehen diese beede aus der Kammer. Dieser Student war in der H. Schrifft wol belesen /und verhoffte mit der Zeit ein Pfarrer zu werden / hat aber bekennet / daß ihm in dieser Angst nit ein einiger Spruch Göttliches Worts beyfallen wollen / daß er also wahr befunden / was Tobias sagt / daß die in Unzucht leben / und nach deß fleisches Lusten wandlen /in deß Teuffels Mächten sind. Dieses solte billich allen Huren-Hengsten eine dienliche Warnung seyn.
10. Zu Ulmenfeld hat sich ein Student aufgehalten /der zu verbotnen Künsten grossen Lust getragen / und auf eine Zeit [296] ein Zauberbuch zuhanden bekommen /darinnen er so viel gelesen daß der böse Geist zu ihm gekommen / und ihm versprochen / alles was er wünschen und verlangen möge. Der Student sagte / daß er wol auf dem Mantel in Griechenland fahren möchte /er soll ihm aber inzwischen eine Prob thun / und ihn um das Kloster herum in den Lüfften führen / daß er dieses Postpferds gewohnen möchte. Solches thut der böse Geist / mit deß Studenten grossen Vergnügen.
11. Hierauff fordert der Satan von dem fürwitzigen Gesellen eine Handschrifft / in welcher er ihme seine Seele verschrieben / diese fertigte er auch auß / und einer seiner Stuben-Gesellen sagt solches seinem Lehrmeister Michael Neander an / der den Studenten so bald erfordert / und ihn wegen dieses Abfalls von Gott befraget. Der Student erzehlet den gantzen Verlauf / und händigt auch dem Neander die Handschrifft ein / wie er begehret. Nachdem nun dieser Hellenmohr ihm wieder um die Verschreibung zuspricht /sagt er / daß er solche seinem Lehrmeister einantworten müssen / bey deme er sie abholen könne.
12. Dieser Meinung erschiene der böse Geist / in Gestalt eines Drachen dem Neander / unnd heischte von ihm die Handschrifft. Der gute Mann erschracke vor diesem Ungeheur / unnd weil die Handschrifft in seine Bibel zu dem Spruch: Deß Weibes Saamen soll der Schlangen den Kopff zutretten / geleget / sagte er ihm / er solte die Verschreibung / wann er darzu fug und recht habe / nehmen / dieses wolte und konte der ohnmächtige Geist nicht thun / und muste den Gottseligen Mann nach bedräulichem Wortwechsel mit Frieden / und die Handschrifft liegen lassen. Der Student wurde auch solches mahl wieder zurecht gebracht /hat sich aber hernach zu Leipzig wieder auf solche Händel begeben / die kein gutes Ende nehmen können.
179. Der Cornelische Befehl
[297] (CLXXIX.)
Der Cornelische Befehl.
Die Weiber werden füglich mit schönen Gemählen verglichen / wann sie unter die Leute kommen / so sind sie vielen Anstössen / dem feuchten Lufft / und andrem Ungemach unterworffen / deßwegen man zu sagen pfleget / der Schneck und das Weib sollen das Hauß nit verlassen. Dieses ist in Italien gebräuchlich /daß man kein ehrliches Weib wird leichtlich über Land raisen sehen. In Niderland aber ist es nichts neues / daß die Weiber gantz allein von einer Stadt zu der andern raisen / ihre Gefreunde besuchen / wie von dergleichen folgende Erzehlung handlen wird.
1. Von Utrecht raiste eine junge Wittib nach Amsterdamm / in willens ihre Schwester / die allda wohnhaft heimzusuchen / wie dann in Niederland man gar für geringes Geld von einer Stadt zu der andern wandern kan / es seye zu Wasser / oder zu Lande. Diese Wittib verspätete sich / daß sie nicht mehr zu Amderstamm einkommen konte / und wolte doch in den offentlichen Gasthof auch nit einkehren / keinen bösen Verdacht zu beursachen / wol wissend / daß sie für keusch zu halten / welche niemals übel von ihr reden machen.
2. Dieses Fürhabens gehet sie zu der nächsten Windmühl / bey welcher der Müller seine Wohnung hatte / und bate die Müllerin um ein Nachtläger / oder vielmehr um einen Sessel oder Stul / die Nacht darinnen zuzubringen. Die Müllerin nimmet sie freundlichst auf / und bietet ihr alle Bequemlichkeit deß Hauses an / so gut sie solche in ihrer Armut vermogte. Der gute Wille war die beste Bewirtung / und ware dieses Weib wol zu frieden / daß sie gute Leute angetroffen / die sie behausen und herbergen wollen.
3. Indessen kommet der Müller Abends von der Arbeit / und erfreuet sich sehr über diese Frembdlinge; machte auch alsobalden einen Anschlag in seinem Sinn / er wolte diesen Gast / welche nichts / als das Obdach suchten / auf eine andre weise versehen. Der Schalck / der Müller / sage ich / befahle seinem Weib / alles das beste hervor zu bringen und die Mahlzeit[298] nach Vermögen ihrer kleinen Kuchen anzuordnen /welches das Weib auch willigst zu Wercke richtete.
4. Nach geendeten Abendessen / sagt der Müller /das Weib soll schlaffen gehen / weil sie morgens frühe aufstehen müsse / er wolle auch noch etliches befehlen und bald folgen. Die alte Mutter war kaum hinweg / da machte sich dieser Müller zu dem Weib /und wil sie beschwetzen zu seinem sündlichen Willen. Nach vielen Wortwechseln / konte sie sich dieses unverschämten Gesellen nit erwehren / und bedencket sich auf eine List / welche auch / wie folgen wird /wol außgeschlagen.
5. Sie sagte / daß der Ort zu den Handel nit bequem seye / sie wolte aber hinauß gehen / auf die Stieg seiner Windmühle / und da solte er ihrer warten / und alsdann eine Prob thun / seiner vielmögenden Wort. So bald der Müller aus dem Hause / wecket sie die Müllerin / und saget ihr / was ihr Mann an sie gesonnen / und daß sie ein ehrliches Weib / welches lieber sterben / als einen so wissentlichen Ehebruch begehen wolte.
6. Kurtz zu sagen / kleidet sie der Müllerin ihren Rock / ihr Oberröcklein an / und bittet sie die Mütze /die ihr gebühre / einzunehmen. Die Müllerin liesse sich darzu leichtlich bereden / und fande ihren Mann alldar / der sich sehr bemühete / seine Schuldigkeit besten Vermögens / abzulegen / vermeinet / daß er seinen Gast bewirtete / da er doch seine Fraue nur zu versehen hatte.
7. Nachdeme er nun das Werck vollendet / bittet er nur einen geringen Anstand / mit versprechen / in einer viertel Stunde wieder zu kommen / und den Außstand zu bezahlen. Bevor aber diese Zeit vergehet / befindet er sich so abgemattet / daß er sein Unvermögen bekennet / und seinem Knecht befihlet / zu Cornelisiren / oder / wie man zu reden pfleget / Hörner aufzusetzen / und verspricht ihm noch etliche Gulden / damit er nur nicht in Schanden bestehen möchte.
8. Die Müllerin vermeinte / daß es der Mann /schiede also unwissend deß waren Verlaufs von dannen / danckte der Witfrauen für ihre Kleider / und legte sich wieder schlaffen. Der Mann gehet auch zu Bette / und legte sich seinen Weibe unvermerckter weise / wie sie sich angestellet / an ihre Seiten.
[299] 9. Zu Morgens stehet der Müller frühe auf / lässet das Feuer anschüren / Brandwein holen / und lachen diese viere heimlich in ihren Hertzen. Die Wittib nimmet Urlaub und bedancket sich der Herberg / und guten Bewirtung; damit der Müller aber wissen möchte / daß sie ein ehrliches Weib / sagte sie den guten Betrug / welchen sie / zu Rettung ihrer Ehre / wolmeinend gebrauchen müssen.
10. Die Müllerin wurffe ihrem Manne sein ehebrecherisches Vorhaben für / und lobte diese Fremde wegen ihrer Tugend. Der Müller sahe seinen Helffer an / und gereuet ihn der That / aber viel zu spat /konte auch niemand / als ihme selbst / der solchen Cornelischen Befehl ergehen lassen / zumessen / doch muste er still schweigen und zu frieden seyn.
11. Diese Geschichte ist hernach Landkündig worden / und hat man von ihm gesagt / daß er ihme selbsten so grosse Hörner aufgesetzet / als die Flügel von seiner Windmühle gewesen; ja ein Mahler hat ihn auf eine Zeit an die Thür gemahlet / mit Windmühl Flügeln auf dem Haubte / darüber dieser Müller sich sehr erzörnet / und doch niemand beschuldigen können.
12. Dieses heist eine Gruben graben / und selbsten darein fallen. Zum guten Zeug / gehöret ein guter Meister; Zu einer harten Nuß dienet ein stumpffer Zahn. Ein Soldat der nur einen Dienst versehen kan /soll sie nit auf zwo Schildwachten stellen lassen: unn wer sich wil bey zweyen Feuern zugleich wärmen /der verbrennet sich leicht. An einem Weib und einer Mühl / ist immer zu bessern / sagt das alte Sprichwort. Für Gott hat dieser Müller die Ehe mit seinem Weib / und sie gleichfalls die Ehe fast ohne Schuld gebrochen; Daß also sein Will mehr straffwůrdig / als ihr Werck.
180. Die Hertzens-Angst
(CLXXX.)
Die Hertzens-Angst.
Die Liebe lässet sich füglich mit dem Feuer vergleichen / deßwegen man auch sagt / brennende Liebe /und den kleinen Liebesgötzen mit einer Fackel mahlet. Es ist aber solche Liebe ausser dem Ehestand kein Feuer das wärmet / sondern eine [300] Glut die brennet /und Leib und Seel versehret. Die Liebe lässet sich so wenig bergen / als das Feuer / entstehet von einen kleinen Füncklein / und ist ein Kunstfeuer / das den Künstler / der es angerichtet / verletzet. Hiervon wollen wir in nachgesetzter Erzehlung reden / und sehen /was solcher Liebsbrand für Schaden thut / unter denen die sie sich vorsetzlich darein stürtzen.
2. Resolia eine Hofmeisterin bey einer Italianischen Fürstin / wurde von einem Edelmann Macedon genamt / bedient / welcher bey dem Frantzösischen Hof wol angesehen war / und erhielte auch solches Fräulein vermittelst ehlicher Vertrauung / nach deme er seine Liebe mit Worten und Wercken eiferigst erwiesen.
3. Nach vollenden hochzeitlichen Ehrentagen führte er seine Verlobte nach Hause / und sie nahme zu ihr Türniam ihre Schwester / die mit dem Beynamen die schöne genennet worden / jedoch wolte die Fürstin / daß sie wider zu ihr nach Hause kommen solte / und über 3. Monden nit außbleiben. Turnia war kaum in ein andres Land kommen / so wurde sie von allen die sie ansahen / für die holdseligste Weibsperson gehalten / die schwerlich ihres gleichen / keine schönere aber niegendswo haben könte.
4. Maledon wurde von seinen Freunden besuchet /welche von den vornehmsten Herrn deß Landes waren / und unter denselben waren zween junge von Adel /auß dem Hause Baraumon / unter welchen der ältste ein Soldat / der jüngere aber zu dem geistlichen Stand / wegen etlicher Kirchen-Lehen / so bey diesem Geschlechte erblich / aufferzogen / und gleichsam wider seinen Willen darzu gewidmet worden.
5. Armogast / also nennte man den jüngsten Herrn von Baraumon / war ungefehr 19. oder 20. Jahr alt /da das Geblüt erhitzet unn angefeuret / verliebte sich in die schöne Turniam: Es wurde durch ihrer Augen Stralen / die Glut in seinen Hertzen angezündet / und durch das freundliche Gespräch gleichsam aufgeblasen / daß es in eine grosse Flamme außgebrochen.
6. Turnia hatte auch Fleisch und Blut / daß sie die Tugend und Höflichkeit ihres Dieners mit Unhöflichkeit nicht [301] zurucke weisen wollen / sondern ihr eine Hoffnung gemachet / daß dieser Geistliche so jung /daß er noch wol vor alters weltlich werden / und sie heuraten könte: Solcher massen verknüpffen sich diese beede miteinander / jedoch nicht mit losen Sünden Stricken / sondern in aller Zucht und Erbarkeit /wie es solchen Standspersonen wol anstehet / daß auch der Neid selbsten / mit Warheitsschein nichts darwider zu sprechen gehabt.
7. Nachdeme nun die Zeit verschlossen / daß Turnia wieder nach Hause raisen sollen / nimmet sie von dem bald unbeständigen / damals aber getreuen Armogast Urlaub / und mit sich die Beständigkeit / welche ihr Liebster zu laisten versprochen. Armogast betraurte diesen Abschied / mit Sirens sagend:
Wer Liebesscheiden Scheiden nennt /
ein blosses Scheiden / wie man pflegt /
Desselben Hertz hat nie gebrennt /
von Glut die wahre Liebe hegt.
Ich sage / wie ich jetzt erfahre /
das Scheiden sey ein grosser Schmertz:
Ein Schmertz der scheide Seel und Hertz /
Der mich bringt auf die Todtenbare / etc.
8. Armogast war zwar nicht also bald unbeständig /wie ein Spiegel / der das Bild dessen / so darein sihet / verlieret / wann er sich abgewendet / sondern wechselte mit der Turnia etliche sehr freundliche Schreiben / welche dergleichen Antwort hinterbrachten / daß vermuthlich die Sache zu dem gewünschten Ende /wie alle Freudenspiele außgeschlagen / ich wil sagen /daß sie zu dem verlangten Ehestand gelanget / wann nicht andre Zufälle / das abgesehene Ziel aus den Augen verrucket.
9. Der älteste Bruder wird in Flandern in einem Treffen tödlich verwundet / und so bald er die Augen zugeschlossen / hat Armogast die seinen aufgethan /sich deß Rechts der Erstgeburt gebrauchet / und den Kirchenmantel fallen lassen / solches auch an seine Turniam erfreulichst berichtet / welche ihn wegen seines Bruders Tod leichtlich getröstet. Nach diesem erhebt [302] er sich in Flandern / seines Brudern Stelle und Verlassenschafft zu betretten / da er sich an eine andre verliebet / und alles was zwischen Turnia und ihme vorgegangen / unter die vergessenen / und nie geschehenen Sachen gezehlet.
10. Turnia behändigte keine Schreiben von ihrem Liebsten / und hielte es für eine Nachlässigkeit / so denen / welche den Degen führen / gemein zu seyn pfleget / daß sie sich keiner Feder / als auf den Hut bedienen; hielte aber ihr Hertz offen / gegen ihn / und fügte sich / daß Turnia mit ihrer Princessin / in die gesunde Wasser nach Spa raisend / Armogast / (damals Marggraf von Baraumon genant) begegnet / von ihme aber nicht angesehen worden / da sie doch sich zu erkennen gegeben / und sich erstlich dieser Begegniß hertzlich erfreuet.
11. Uber solche Verachtung betrübte sich das zarte Gemüt so sehr / daß sie aus Hertzens Angst / von einer Ohnmacht in die andre gefallen. Als sie auch nachgehends durch dienliche Mittel wieder zurecht gebracht worden / und die Freyheit sich zu beklagen erlanget / hat sie nicht unterlassen alles zu sagen /was man wider einen treuvergessenen Liebhaber aufbringen kan. In dieser Traurigkeit fället sie in ein hitziges Fieber / und bevor sie aus dieser Welt abscheidet / eröffnet sie ihr Anliegen / welches auch dem leichtsinnigen Armogast zu Ohren kommet.
12. Die Princessin war von Namur nach Mastereich geraiset / und diese Turnia wiewol kranck mit ihr. Armogast nahme eben selbige Strassen / willens seine undanckbare Unhöfligkeit bey der krancken Turnia zu entschuldigen: unterwegs aber begegnet ihm die Leichbegängnis der verstorbnen Turnia / und als er verstanden / daß der Ursacher an ihrem Tod / fället er für Hertzens-Angst zu Boden / und hat diesem die Zeit seines Lebens das Hertz gebebt / und ein Gelübd gethan / sich die Zeit seines Lebens nicht zu heuraten / sondern zu einer Straffe seine Tage in der traurigen Einsamkeit zuzubringen.
181. Der bestraffte Vndanck
[303] (CLXXXI.)
Der bestraffte Vndanck.
Gott vergleichet 1 der Menschen Undanck mit einem Weinberg / der wol gebauet / betünget und mit edlen Fesern beleget / Härlinge und ungeschlachte saure Trauben getragen; ja die undanckbaren Menschen sind ärger als die Ochsen / Pferde und Hunde 2 / welche ihre wolthätige Herren kennen / und zu demselben eilen / da im Gegenstand wir Menschen täglich viel tausend Wolthaten empfangen / und vermeinen / Gott seye uns solches alles schuldig / und mißbrauchen also seiner Gnaden schändlich / Seneca sagte / daß der Undanck ein Haubtlaster / unn alle andre unter sich habe / unn wird dz Unglück von den Hause deß Undanckbaren nit weichen.
2. Eine solche undanckbare Dirne war Platonia /eine Jungfrau / welche alle ihre Schönheit in dem Kram / ich wil sagen in dem Angesicht / und keine in dem Gewölb / verstehe in dem Verstand. Sie war stoltz und hochmütig / wie solche Leute zu seyn pflegen / die sich für sterbliche Göttinnen halten. Zu deme war sie sehr reich / und dieses war der süßste Zucker in der Suppen / deßwegen sie viel Auffwarter hatte.
3. Unter allen aber die sich angaben / ertheilte sie fast gleiche Verachtung / und machte sich wegen ihrer Unhöfligkeit so verhaßt / als sie wegen andrer Gaben liebwürdig war. Der Adel auf dem Lande war ihr zu bäurisch / und hatte sie in Paris / da sie zweymal mit ihrer Mutter gewesen / so schöne Leute gesehen / die mit ihrem Sinne mehr Vergleichung hatten / als ihre Landsleute.
4. Der Stoltz ist bey Gott und Menschen verhast /und die sich selbst erhöhen / kan er leichtlich erniedrigen / daß sie ihre Hoheit mit dem Abfall ermessen. Unter dieser Platonia Leibdienern und unbesoldten Knechten waren die fleissigsten Gontran und Satur /und hatten diese beede gar unterschiedene Wege angetretten / zu ihrem Zwecke zu gelangen / wie wir erzehlen wollen.
5. Gontran war ein Soldat gewesen / und wolte alles mit Gewalt durchdrucken / als ob seine Liebe mit Gegenliebe belohnet [304] werden müste / und daß er mit seinem starcken Arm diese Beute / trutz allen andern / darvon bringen wolte. Satur hingegen war demütig / freundlich und höflich / und bemůhte sich diesen Marmel mit bittern Threnen zu erweichen. Platonia haste jenen / als einen brüllenden Löwen / und verachtete diesen als einen einfältigen Hasen.
6. Dieser stoltzen Schönheit Freunde wehlen ihr Sosipater einen reichen / aber in dem Angesicht fast häßlichen Edelmann / daß sie für ihn ein Abscheu /und so oft er mit ihr Sprach halten wolte / hat sie ihm den Rucken zugewendet / daß sie also zu solcher Heurat nicht verstehen wollen. Alle andre werden abgeschaffet / und dieser bleibet allein der Haan in dem Korb / und ob ihr wol keiner unter den vorigen beliebet / so hat ihr doch nie keiner so mißfallen / als Sosipater.
7. Gontran wolte rasend werden / daß ein andrer seine Liebste darvon bringen solte. Er dencket auf Raht / und findet / daß / wann er sich auch mit Sosipater schlüge / die Jungfer deßwegen noch nicht sein seyn würde: deßwegen dencket er sie mit Gewalt zu entführen / und würden die Freunde zu geschehenen Sachen das beste wol reden / und froh seyn müssen /daß sie noch so ehrlich verheuratet würde. Diesen Anschlag zu vollziehen / ermangleten ihm keine Mittel; Er hatte Freunde / Diener / Pferde / Kutschen / Geld /etc.
8. Nach ersehener Gelegenheit führte Gontran die Platoniam / als sie in einen Garten spatzieret / hinweg / und nahme seine Zuflucht zu einem Edelmann / der auf etliche Meile darvon seinen Sitz hatte / Satur erfähret solches von der Platonia entfluchten Dienerin /und jaget Gontran mit etlichen Soldaten nach / daß er jn noch unter Wegs / in einen da sie gefüttert / begegnet / und den lieben Raub ohne Nachtheil abjaget.
9. Dieses getreugelaisten Dienstes wegen wurde Satur von der undanckbaren Platonia nicht freundlicher angesehen / und Sosipater begehrte die Waare nicht / welche in seiner zweyen Feinde Hände herum gefahren / sagend / daß die Schafe in deß Wolffes Rachen und in deß Schäfers Händen / [305] der sie errettet /gedultig zu seyn pflegten; mit diesem treheten sich auch noch viel andre von ihren Diensten ab / und wolten lieber in eine danckbare Erden säen / als auf so unartig und ungeschlachten Boden.
10. Satur sahe / daß bey dieser Platonia Mühe und Zeit verlohren / so gar / daß sie ihm auch die gethane Rettung mit Worten zu dancken nicht gewürdiget deßwegen wil er seine Gedult nit länger mißbrauchen lassen / und nimmet Krieges-Dienste an / durch Tapfferkeit mehr Ehre zu erwerben / als bey Frauenzimmer / und Hofdiensten nit zu erlangen. Kurtze Zeit hernach lässet er ihr zu Ohren bringen / daß er in einem Scharmützel verwundet / und in sie verliebt gestorben wäre. Die Soldaten / welche Satur mit dieser Zeitung angestellet / berichten zurucke / daß Platonia ihr Unrecht erkennet / seinen Tod und ihren Undanck bereuet / und sich in ein Kloster begeben / ihr Leben darinnen zuzubringen willens.
11. Hierauff kehret Satur wieder nach Hause / und Platonia aus dem Kloster / sich mit dem von Todten wieder erstandnen mit Einwilligung und Gutbefindung ihrer Freunde zu heyraten. Gontran aber / der wegen seines gewaltthätigen Frevels abwesend verurtheilt worden / befedet Satur / weil er wuste / daß Platonia mit ihm verlobet war / und konte dieser Hochzetter die Raise nit abschlagen / weil er ein Soldat /und die gröste Unehre darvon haben würde. Was geschihet aber? Gontrans ungerechte Waffen überwinden die gerechte Sache / und Satur bleibet auf dem Platz verwundet / daß er nach wenig Stunden den Geist aufgeben.
12. Hierüber betrübte sich Platonia / daß sie sich zu Bette legte / und darvon / wegen andrer Zufälle nit mehr aufstünde / ihr Leben mit vielen Klagworten /wegen verübten Stoltzes endend / und konte doch nit mehr Mittel finden / die begangene Fehler zurucke zu nehmen / oder zu erstatten. In werender Kranckheit schwebte ihr für Augen der sterbende Satur / welcher sie als eine Todschlägerin anklagte / und sie forderte für den Richterstul Christi / hierüber wolte sie sich auch nicht trösten [306] lassen / und ist in solcher Verzweiflung gestorben. Ach daß die Menschen so eiferig nach dem Ewigen / als nach dem Zeitlichen trachteten!
182. Der Raben Zeugschafft
(CLXXXII.)
Der Raben Zeugschafft.
Es ist eine nachsinnige Frage: Warum doch die verständigen Alten so viel auf das Vogel-Geschrey gehalten / (welches Gott verbotten / 5. Mos. 18. 10.) und sondre Leute bestellet / die Hüner gehalten / und von derselben Bezeugung / das zukünfftige vorgesagt? Die Ursache ist / daß sie vermeint / die Vögel unter dem Himmel und auf der Erden / haben eine genaue Verwandschafft mit dem Gestirn / wie der Han mit der Sonnen / welcher Aufgang er verkündiget /und daß die kleinen Hüner (so wie die Schwachen und Krancken die änderung der Planeten leichter spüren) eine Trägheit spüren lassen / wann der unfreundliche Saturnus oder der Mars die Sonne übel anblicket. Also sind die Krohen oder Däen Saturnische-Vögel /und wann sie dieses Gestirns ůbeln Zustand verspüren / begeben sie sich aus dem Wald / und bedeuten durch ihr Geschrey Hunger und Pestilentz. Die Raben riechen wo ein todes Aaß ist / darvon sie sich nehren können / und die Hunde spüren deß Wildprets und ihrer Herrn Fußtritte / welches uns Menschen zu erkundigen unmöglich.
2. Diese Vergleichung der Himmlischen und Irrdischen Sachen ist in vielen befindlich / und wird von den Alten einstimmig behauptet. Die Erdgewächse haben eine natürliche Fühlung / welche in ihren Ursachen verborgen ist / als der Maulbeerbaum schlägt nicht auß / es seye dann die Kälte vorüber / die Wundkräuter vergleichen sich mit der Waffen Spitzen / die Widergifft dienen gleich den Schlangen / die Lungenkräuter sind durchlöchert / etc. Alles aber was geschaffen ist / dienet Gott Rache zu üben wider die Bösen / wie wir aus nachfolgender Geschichte hören wollen.
3. Zween Rauber / die sich von andrer Schaden aus dem [307] Stegräif genehret / begegneten auf eine Zeit einem Kaufmann / deme sie nit allein abnahmen / was er hatte / sondern hinter den Busch führten / und damit er sie nit verrahten solte / ermordeten. Als er nun in Todesnöthen / und durch sein siehentliches Bitten nichts erhalten konte / rufft er die vorüber fliegenden Raben an / und bittet sie / daß sie doch diese Ubelthäter anmelden / und zu gebührlicher Straffe bringen wolten.
4. Die Raben fliegen schreiend fort / und geben dardurch gleichsam zu verstehen / daß sie solche Bitt gehöret / und zu rechter Zeit außrichten wolten. Die Rauber aber verlachten diesen Einfältigen / und furchten sich noch für Gott / noch für den Vögeln unwissend / daß er auch durch die geringste Thiere / als Mucken / Frösche / Omeyssen unn allerhand Ungezieffer straffen kan / wie an der Geschichte von Pharao / zu Mose Zeiten / zu lesen.
5. Drey Tage hernach sitzen diese zween in einem Wirtshauß / und verzechen miteinander den abgenommenen Raub massen übelgewonnenes Gut nit auf den dritten Erben kommet / und nach dem Sprichwort übel gewonnen / übel zerronnen: weil in solchem Gut der Fluch Gottes lang hernach / oder auch wol alsobald verspüret wird / daß solches kein Verständiger geschencket wünschen solte.
6. In dem sie nun / wie gesagt / frölich sind / kommen viel Raben / und setzen sich auf den Lindenbaum für dem Wirtshause mit einen solchen Geschrey / daß nit nur die zween Rauber / sondern auch alle / die es anhörten / darfür erschrocken; massen alles Geschrey der gantz schwartzen Vögel für unglückselig / und für ein böses Zeichen gehalten wird; hingegen aber andrer Farbe Vögel sollen glückselig seyn / wann sie sonderlich zu der rechten Hand deß / der sie höret / sitzen / oder fliegen.
7. Für diesem Galgengeschrey entsetzet sich der eine Rauber / sagend: Hör doch unsers Mannes Zeugen; Der andre lachte darüber / jedoch mit erblasten Angesicht / und scheute den Keller / der ihnen zu trincken gebracht / und es angehöret / von seinem Gewissen überwiesen / daß er unschuldig Blut vergossen /welches gegen den Himmel um Rache schreien würde.
[308] 8. Der Keller meldete diese Rede seinen Wirt an; der Wirt wuste / daß vermittelst der Raben / ein Todter Leichnam / unserne darvon in den Wald gefunden / welches bereit sehr zerfressen / von der Obrigkeit einzugraben befohlen worden / und faste alsobald den Argwahn / daß diese Gesellen solchen Mord begangen.
9. Dieses wil er gleichwol der Obrigkeit anzeigen /weil ihm der Kauffmann bekant gewesen / und vormals bey ihm gezehret / daß er seinen Tod zu rächen /und dann den Weg zuversichern ursache / massen er von den Raisenden seine Nahrung suchen muste. Gibt deßwegen den Gesellen einen Trunck zum besten /und sendet inzwischen solches der Obrigkeit anzumelden.
10. Die Schergen kommen alsobald / und nehmen diese beede in Verhafft / sondern sie mit einander ab /und der Bannrichter verhöret sie / wie gebräuchlich /wer sie wären? Was ihr Gewerb? Wo sie herkommen / und hin wolten? Endlich / ob sie nit darbey gewesen / als ein Kauffmann auf die Taschen geschlagen worden? etc. Diese zween treffen zusammen / wie die alten Susannä-Männer / und verreden sich / daß man sie an die Volter wirfft / und die Warheit herauß zwinget.
11. Diese Gesellen bekennten / daß sie die Rache Gottes über sie verspürten / und ob zwar niemand bey der Mordthat gewesen / als die Raben / daß doch ihr Zeugschafft ihnen das Gewissen reg gemacht / und sie deß Abgeleibten Befehl / vermittelst Göttlicher Schickung / treulich außgerichtet. Diese zween haben also empfangen / was ihr Thaten wehrt waren / und sind lebendig gerädert worden / zwischen Genua und Liborno / einem Flecken / dessen Name der Erzehler vergessen /
12. Hierauß ist zu beobachten / daß von allen verborgenen Sünden zu verstehen / was dorten Salomon 1 von den Verleumdern und Afterrednern der Könige saget: Die Vögel deß Himmels führen die Stimmen /und die Fittig haben / sagens nach. Wer will etwas verbergen für dem / der das Aug gemachet / und das Ohr geschaffen hat? GOtt ist allwissend / und erkennet auch unsere Gedancken / wie solten ihme seyn /[309] dann unsere Wercke verborgen seyn / daß Erste nicht zu verdienter Straffe / auf unerwarte Weise / solte ziehen können?
Fußnoten
1 Predig / 10/20.
183. Die bößliche Verblendung
(CLXXXIII.)
Die bößliche Verblendung.
Die zauberische Verblendung lässet sich füglich gleichen mit einem grünen Glaß / durch welches alles grün scheinet / was man sihet: Also wird das Aug /welches der getreuste Zeug seyn soll / betrogen / und kan solches nit nur übernatürlicher / sondern auch in der Sehekunst natürlicher Weise beschehen / wie allen denen bekant / welche die geringste Wisenschafft hiervon haben.
Kan der Satan sich in einen Engel deß Liechts verstellen / warum solte er nicht auch die verliebten Blinden verleiten und verblenden können? Hiervon handelt nachfolgen des Exempel / welches ein Spanier zu Cajetta erzehlte.
2. In Andalusia verliebte sich eine vornehme Weibsperson in einen Rittersmann Ramiretz genannt? Er war jung / schön / reich / höflich / hatte aber einen Abscheu vor der Person / welche nicht unterliesse seine Gunst zu erlangen. Er hätte wol mit den Poeten sagen können:
Krispina lieb' ich nicht / du magst die Ursach fragen?
Krispina lieb' ich nicht / sonst kan ich keine sagen.
Zu deme wurde er auch anderweits gefangen von einer Jungfer höheres Standes und besseres Verstandes / daß er also mit derselben sich in eheliche Handlung eingelassen.
3. Als nun Krispina sich von Ramiretz verachtet sahe / und doch ihr eingebildet / daß sie ohn ihn nicht leben könte / und fügte sich aus Verzweiffelung ihr Verlangen zu erlangen / zu einem Zauberer / welcher ihr versprochen den Ritter Ramiretz zuwegen zu bringen / sie solte nur sagen das Ort / und die Zeit / da sie seiner geniessen wolte.
[310] 4. Dieses richtete der Bößwicht solcher gestalt durch eine Verblendung zuwegen / deß Clio ein Buler um besagte Crispina / der sich gleichfals wegen ihrer bey dem Zauberer angemeldet / in deß Ramiretz Gestalt und mit seiner Stimme redent zu ihr in den Garten gekommen / und nach ehelichem Versprechen mit ihr sündlich zugehalten.
5. Der Ort wo sie zusammen zu kommen pflegten /war ein Gartenhauß / alldar blieben diese beede viel Stunden zu unterschiedlichen mahlen / und sagte dieser angestelte Ramiretz / daß er sich / das Spiel zu bergen / in allen Gesellschafften sich ihrer nicht annehmen wolte / sondern seiner Paulina zum Schein aufwarten / und daran solte sie sich nicht ärgern / weil sie das Werck unnd jene das Wort hätte.
6. Mit dieser List liesse sich die betrogene Krispina abweisen / biß endlich dieser blaue Dunst und nichtige Rauch / durch Frucht in ihrem Leib / das Liebes Feuer offenbaret / und sie Ramiretz in einer Gesellschafft / als sie gehöret / daß er mit Paulina verlobet /und nechster Tag getrauet werden solte / wegen gethanenem ehlichen Versprechen beweglichst zugeredet /und gebetten / er wolle sie ja nicht in Schanden stecken lassen / etc.
7. Ramiretz wolte hierum nichts wissen / und konte nie gestehen / was er nicht gethan / muthmaste deßwegen / daß ein Betrug dahinter seyn müsse / und bejahte / daß er endlich gewillet / Paulinam zu Kirchen und Strassen zu führen / und daß ihm alle erzehlte Umstände gantz unwissend? Krispina wolte hierüber von Sinnen kommen: ruckte ihm seine vermeinte Untreue auf / und draute die Sache durch einen ordentlichen Einspruch / rechtlich außzuführen.
8. Nachdem sie nun mit Unwillen geschieden / meldet sich der falsche Ramiretz wieder an / zu bestimter Zeit / an bewustem Ort zu erscheinen / bittend / und sich erbietend / mit ihr von wichtigen Angelegenheiten unterreden zu pflegen. Krispina bestellet Leute /die den treulosen Gesellen / wie [311] sie ihn nennte Handfest machen solten / welches auch / nach begebenen Zeichen erfolget. Diese Häscher sahen ihn für Cilio Krispina aber für Ramiretz an / und hierüber wird der Betrug eröffnet / unn die Zeit der Verblendūg hatte sich geändert.
9. Cilio lässet sich nieder auf seine Knie / sich und seine grosse Liebe anklagend / welche ihn gezwungen / dieses Mittel zu ergreiffen / so sie auch gegen den rechten Ramiretz zu Wercke bringen wollen. Auf einrahten der Krispina Freundschafft / wird dieser Fehler mit dem Ehestand erstattet: So groß aber ihre Neigung in verblendten Irrthum gewesen / so groß ist ihre Abneigung nach erschienener Warheit erfolget. Ramiretz hat gleichfals Paulinam gefreyet / und so viel Glück / als Cilio Unglück gehabt.
10. Hierauß entstehet eine schwere Frage: Wie doch die Geister der Menschen Leiber erregen und bewegen können? allermassen hier die Augen der beeden Verliebten / mit ihrem Sinne verblendet worden. Ausser Zweiffel ist solches aus Göttlicher Verhängnis beschehen / weil der böse Geist über die Unkeuschen Macht hat / wann sie sonderlich ihr Vertrauen von Gott ab / und auf seinen Feind / den leidigen Satan stellen / wie diese beede gethan:
11. Solches kan auch den Frommen in der Versuchung begegnen / wie wir dann lesen / 1 daß unser Heyland / als er in leiblicher und sichtbarlicher Gestalt auf Erden gewandelt / von dem bösen Geist in die Wüsten geführet worden / und von dar auf die Zinne deß Tempels. Weil nun solches übernatürlicher Weise geschehen / suchen wir vergebens natürliche Ursachen; massen uns die Eigenschaft solcher Geister fast unbekant / und auch unerforschlich.
12. Im Gegenstand ist der Leib und der Geist gantz unterschiedener Eigenschafft / das scheinet / als ob das leibliche mit dem unbeleibten keine Gemeinschafft haben könne; massen der Geist ein viel subtileres Wesen / als der Luft / oder alles anderes / was wir aus den Blumen und Kräutern zu distilliren pflegen / welchen in den Lufft vergeistert und vertuftet /weil [312] solche Geisterlein / wie wir sie nennen / von leiblichen cörperlichen Wesen entstanden / welches die erschaffenen Geister nicht haben. Hierüber kan der Leser / nach Belieben / sein verständiges Nachsinnen üben.
Fußnoten
1 Matth. 4.
184. Der Fürstenlust
(CLXXXIV.)
Der Fürstenlust.
Das menschliche Leben wird füglich mit einem Gesang verglichen / in welchem vielmehr schwartze / als weise Noten sind / verstehe vielmehr Unglück als Glück zu ersehen ist. Man siehet / daß zu Zeiten in dem aufsteigen und absteigen etliche Stuffen übersprungen werden / daß viel Kreutzlein und harte b. (weh) darbey / daß die Stimme nit kan allezeit / auf den obersten Linien bleiben / sondern muß auch auf die untersten fallen. Dieses findet sich auch in nachgehender Geschichte / da ein Fürst sich als einen Componisten erweiset / der ohne die Lehrsätze der Kunste ein gar übelklingendes Intervallum, und einen seltzamen Sprung gemachet.
2. Diese Geschichte nennen wir den Fürstenlust /weil etliche Herren sich kützeln / und zu lachen wie Nero / sind begierig der unmöglichen Sachen 1 / und suchen ihr Belieben in wunderlichen und sehr nachtheiligen Händlen / wie man dann lieset / daß besagter Nero die Stadt Rom an zehen Orten anzünden lassen /zu sehen / wie etwann Troja in dem Feuer gestanden. Es vermeinen aber solche Herren / ihnen durch dergleichen unerwarte Abenteur einen unsterblichen Namen zu machen / es sey gleich selber rühmlich oder nicht / wie dort Hephestion / der den Tempel der Dianä zu Epheso angezündet.
3. Ein Italianischer Fürst / dessen Namen billig zu verschweigen / hatte / als sein Cantzler gestorben /einen wunderlichen Einfall. Zu solchem hohen Dienst hatte er ihm außersehen einen von seinen Rähten /welcher durch seine Tugend unn Geschicklichkeit dieser Stelle wol verdienet / und sich dem Fürsten jederzeit getreu / verschwiegen und gehorsam erwiesen /wie er dann zu thun schuldig / weil er von schlechter Ankunfft / durch [313] seines Fürsten Hülffmittel und gnädige Handbietung zu der besagten Stelle befördert worden.
4. Dieser Justinian hatte niemals keine Gedancken zu dem Cantzlerdienst / weil ihm andre Rähte vorgiengen / und sein Sinn / von Jugend auf / ferne von allem Ehrgeitz / und wolte lieber hoher Ehre wehrt /dieselbe andern überlassen; als unwürdig solche betretten; wol wissend / daß wer hoch hinauf steiget (wie in der Music oder Singkunst) auch wieder hoch herab fallen könne / und begnügte er sich in seinem mittelmässigen Zustand / in welchen Gott ihn gesetzet hatte.
5. Der Fürst war fröliches Sinnes / und wolte seinen Justinian / mit einem denckwürdigen Possen zu der ledigen Cantzlersstelle befördern / und befahle etlichen von seiner Wachte / sie solten aufwarten und thun / was er ihnen gebieten werde. Nach gemachter Anstellung lässet er Justinian für sich kommen / stellet sich gantz zornig / und redet ihn mit folgenden /oder dergleichen Worten an.
6. Verrähter / ist das der Dienst / welchen du mir zu laisten verpflichtet bist? ist das die Danckbarkeit /mit welcher du meine Gnade erwiederst? Ich habe dich nichtigen Gesellen aus dem Staub erhaben / und zu Ehren gemacht / ich habe dich hoch geacht und dir willfahrt in allen was du begehret unn habe deine Heucheley für pflichtschuldige Treue gehalten. Wie hör ich nun von dir / daß du zu einen eidbrüchigen Verrähter worden? wann ein Fremder / der einen benachbarten Fürsten bedienet / dergleichen in meinen Lande angesponnen / wolte ich so sehrüber ihn nit erzörnen / weil er seines Herrn Dienst befördert / als über dich / der du mir auf so viel weise verbunden /und fast von den ersten Kindsbeinen in meinem Brod gewesen bist.
7. In dem ergrimmet er gleichsam in sich selbsten /und als Justinian ihm einen underthänigen Fußfall thun wollen / wil er ihn nit anhören / sondern befihlet / man soll ihn in das Gefängnis bringen; sein Verbrechen seye Sonnenklar / mit vermelden / daß er die Obrigkeit / das Schwert von Gott empfangen / solche Ubelthäter / nach Gebühr abzustraffen. Mit [314] diesen Worten / welche ein Vorurtheil deß Todes / muste sich der unschuldige Justinian abweisen lassen / etc.
8. In der Gefängnis bereitete er sich zum Tod /beichtete / bekennte seine Sünde mit reuigem Hertzen / und erfreute sich / daß er die Schuld der Natur / in Unschuld bezahlen solte: doch entsetzet er sich sehr für der Schande / und wolte dem Kerkermeister erzehlen / daß er bey seinem Fürsten müsse seyn verleumdet worden / und daß er tausent Leben / wann es möglich / für seinen Herrn lassen wolte / etc.
9. Der Kerkermeister antwortete mit vielen Scheltworten / riesse ihm den langen Ehrenmantel von dem Leib / und sagte / daß er Befehl / ihn folgenden Morgens hinrichten zu lassen. Hierauf fieng Justinian an zu beten / und seine Seele Gott zu befehlen / betraurend den elenden Zustand der Hofleute / welcher gute Dienste Federleicht / und ihres Fürsten Ungenade Bleyschwer / wie sie stetig auf dem schlipferigen / ja /verflucht / der sich auf Menschen verläst / etc.
10. Mit anbrechenden Morgen / als Justinian die Henckersknechte erwartete / verkehrte sich das Trauerspiel in ein Freudenspiel / welches doch endlich einen traurigen Außgang wiederum erlanget. Die Edelknaben bringen einen sammeten Sessel / man kleidet jn an mit Sammet und Seiden / welches er alles geschehen liesse / wie ein Rind das mit Kräntzen gezieret / zum Schlachtopfer unterwegs ist / etc. Bald darauf bringt man ihm in einen schönen Kästlein /deß Fürsten Insiegel / und sagt ihm an / daß S.F.G. ihm die Cantzlersstelle ertheilet / und zu solchem hohen Ehrendienste / alles wolergehen anwünschen lasse / etc. Was geschehen / were ein Fürstenlust gewesen.
11. Justinian erwachte von den tiefen Todes gedancken / und wuste sich in diesen Handel nit zu schicken / sagend: Wann dieses kein Traum / und sich alles in dem Wercke verhält / wie ihr mir saget / so werde ich meinen Fürsten schlechte Dienste laisten können / in diesem Ampt / welches ich mich gantz unwürdig achte; dieweil ich hierüber meine Gesundheit / aus Schrecken und Erwartung deß schändlichen und unverdienten Todes / verlohren / daß meines Lebens nicht lang mehr seyn wird.
[315] 12. In den veränderten Kleidern wird er für den Fürster geführet / welcher lachte / und ihn zu empfangen entgegen kame. Justinian aber fiele in eine Ohnmacht: Man trägt ihr auf das nächste Bett / man öffnet ihm eine Ader / und muste er nach dreyen Tagen die Welt gesegnen / mit grosser Betrübnis seines Fürsten / welcher ungescheut sich vernehmen lassen / daß er den getreusten unter allen seinen Dienern verlohren /und ist also sein lachen in weinen verändert worden. Hierauß erhellet / wie gefährlich es seye / Fürsten und Herren zu einem Schauspiel dienen / oder auch mit ihnen zu spielen / weil sie meinsten theils gewinnen wollen.
Fußnoten
1 Nero impossibilium flagrantior. Tacit.
185. Die adelichen Comödianten
(CLXXXV.)
Die adelichen Comödianten.
Man vergleichet dieses Weltwesen mit einem Larvenspiel / es seye solches gleich zu Freuden oder Trauren angestellet; Alles was wir sehen / ist falscher Schein /und wir tappen nach der Warheit / wie die Blinden in der Demmerung. Was vergangen ist / geschihet wieder / und was zu unsren Zeiten sich begibt / das ist in den Künfftigen gleichfals zu erwarten / und spielet man ein Spiel mit veränderten Personen / daher die Hebreer sagen: Was den Vättern begegnet / soll den Kindern eine Warnung seyn.
2. Wie nun in den Schauspielen zu Zeiten eine Comödia in der andern gespielet wird / und der meinste Handel in Verkleidung der Verwechslung der Personen bestehet / als wollen wir hier eine Geschichte von Comödianten oder Schauspielern erzehlen / welches einem solchen Spielgedicht nicht ungleich / und doch würcklich erfolget / unter denen / die aller Orten wol bekant gewesen / und werden die Namen / Ort und Zeiten die Warheit dieser Erzehlung genugsam außweisen.
3. Der König in Hispanien hat in Niederland von allerley Völckern gewisse Regiementer; als Schotten /Engeländer / Wallonen / Niederländer / Burgunder /Teutsche / Italianer / Spanier / etc. diese alle dienen einem Herrn / und hat sich begeben / daß zu Namur Italianer in Besatzung lagen / [316] als eine Gesellschafft Comödianten oder Schauspieler dahin kamen / und unter Wegs einen Zehrpfenning lösen wolten / willens nach Brüssel zu raisen / und von dar in Hispanien /und durch Franckreich wieder in Italien zu kommen.
4. Unter diesen war eine Tochter Lavinia / Namens Elisabetha / welche wegen ihrer Schönheit viel verlangen / wegen ihrer Keuschheit und mütterlicher Aufsicht / vieler Verzweiflung sie zu erlangen / verursachte. Diese Elisabetha war in Worten und Geberden nit leichtfertig / und wuste eine erbare Person zu spielen / als eine gar zu treuhertzige Dirne. Die Italianer lauffen zu ihrer Landsleute Kurtzweil zu sehen / und erfreuen sich ihre Sprache von so holdseligen Bildern anzuhören; sonderlich verwunderten sie der Mutter Verstand und der Tochter Schönheit: beedes waren verschlossne Briefe / an welchen man nur die überschrifft lesen möchte / und sie noch sehen / noch hören konte / als auf dem Schauplatz. Lavinia war ein ehrliches Weib / und wiese ihre Tochter zu aller Tugend an / daß ihr auch alle Gelegenheit mit Fremden zu reden benommen / ihrem Manne / dem fast bejahrten Hortensio keine Ursache zu eifern zu geben.
5. Solcher Gestalt konte sich das Ubel zu Elisabetha Hütten nit nahen / und hatte sich in diese Jungfer ein Neapolitaner verliebet / der auf alle Mittel gedachte / das schöne Schloß / als ein Soldat / zu ersteigen. Dieser war wol aufferzogen / und zu dem studieren angehalten / daß er wegen seiner Eltern Brüder ein Geistlicher werden sollen / darzu er seinen Sinn nicht bezwingen können / sondern solchem Stande und seines Vatters Zorne zu entfliehen / hat er sich in das Kriegswesen begeben / und den Fahnen Martis /wegen besagter Liebe wieder verlassen / und sich unter den Comödianten / bey Hortensio unterhalten lassen / seine Venerem zu sehen / und durch dieses Mittel ihrer Gegenliebe zu geniessen.
6. Nichts ist unmöglich / dem der verliebet ist: Aurelio war ein schöner / junger / höflicher Jüngling /der singen / auf der Musie spielen konte / und war mit einer sehr fähigen Gedächtnis begabet / daß er sich leichtlich und meisterlich in den Handel [317] schickte / und nach der Außsage aller Zuschauer / er und Elisabetha ein außerlesenes paar zusammen machten; wann er sonderlich seine Liebesflammen abbilden solte / welche dem Innhalt nach Schertz / jme aber ein gantzer Ernst waren. Hortensio war wie Argus / der 100. Augen offen hatte seines Viehes zu hüten / und wann das Spiel geendet / so bald war sein Weib und seine Tochter nit mehr anzuschauen. Aurelio bemühete sich sehr / den alten Hortensium einzuschlafen / weil aber Elisabetha ihn nit anhören wolte / als auf dem Schauplatz / gebrauchte er sich der Feder / und erhielte auf seine Schreiben keine Antwort / daß er diese Leute viel ehrlicher befande / als er nicht vermeinet.
7. Nachdem sie durch die vornemsten Oerter geraiset / und einen guten Zehrpfennig erspielet / oder vielmehr gewonnen / haben sie ihren Weg über Dunkirchen nach Hispanien genommen / und auf dem engen Schiff hatte Aurelio Gelegenheit seiner Elisabetha zu entdecken / daß er von adelichen Eltern geboren / und auß grosser Liebe gegen ihr / sich zu solchen Spielen / welche bißhero von dem trauren den Namen gehabt /gebrauchen lasse / die sie mit einen frölichen Außgang in ein Freudenspiel verändern könne / welches er nit anderst erwünsche / als durch die Verehlichung /so in dergleichen Begebenheiten das Ende zu seyn pflege. Elisabetha war hierzu nit abgeneigt / sagte aber daß sie unter ihrer Eltern Gehorsam / und derselben Willen unterworffen; wolte nit unterlassen ihrer Mutter Lavinia solches anzumelden / welches auch geschehen und bedunckte den Vatter / daß diese Heurat thunlich / Aurelio / als die Haubtperson / hierdurch ihrer Gesellschafft zu verbinden / in dem widrigen Fall aber er von ihnen außsetzen dörffte.
8. Lavinia aber sagte / daß noch nit Zeit / und daß er sich / biß auf ihre Ruckkunffte in Welschland gedulten solte / daß er ihre Tochter entführen / und ihre Gesellschaft trennen möchte / weil er sonderlich von adelichem Herkommen / und alles bißhero aus Liebesreitzung gethan. Als sie nun nach Lyon kamen /erhielte Lavinia Schreiben / und darauf nahme sie endlichen Schluß / ihre Verlöbnis und nachgehende Trauung ferners nicht zu [318] hintertreiben. Diese Heyrat wurde auch schnell befördert / und die Hochzeit zu Lyon / sonder grosses Gepräng gehalten.
9. Als sie nun in Italien angelanget / wolte Aurelio nicht mehr auf den Schauplatz steigen / beförchtend /daß ihn einer von den Neapolitanern kennen möchte: Zu Meiland hörete er / wie sein Vatter gestorben / und daß er vermeinet / Aurelio were tod (massen er selbsten solches Geschrey außsprengen lassen) und wie sein jüngerer Bruder den ältsten / welcher ermordet worden / geerbet; deßwegen er beursachet worden /nach Hause zu eilen / und seine Güter / so ihm erbrechtlich angefallen / in Besitz zu nehmen.
10. Lavinia erzehlt ihm aber / vor seinem Abraisen / in beywesen ihres Mannes / und ihrer Tochter / daß /als sie vor Jahren zu Bologna gespielet / und in dem Hause Antonio Fiori sich sollen hören lassen / daß sie in ein Zimmer / sich anzukleiden / gewiesen worden /in welcher ein Töchterlein / gleich der ihren so sie damals geseuget in der Wiegen gelegen. In dem sie nun alldar verziehen musten / biß sich die Herren versammlet / habe sie aus sondrem Eingeben ihr Kind mit dem andern vertauschet / der Hoffnung / daß es adelich auferzogen / und mehr Glück / als bey ihr finden solte / und habe sie jetzt gewisse Nachrichtung /daß ihre Tochter / welche Ambrosia heist / von Herrn Johann Mattheo Petruccio / wider ihres Pflegvatters Willen verlobet / und nach Reggio entführet worden. Elisabetha hingegen / fuhre sie fort / ist die einige Tochter / deß reichsten Herrn in Bologna / welcher sich in grosse Rechtfertigung / wider seinen vermeinten Tochtermann eingelassen / und kan durch Entdeckung dieser Begebenheit / leichtlich Friede zwischen ihnen gemachet werden; gestalt wir / als die rechten Eltern / nicht Ursache haben / dem Herrn Petrucci unsre Tochter zu versagen / etc.
11. Dieses hörten die jungen Eheleute mit grosser Verwunderung an / und erfreuten sich / daß die Gleichheit ihres Standes ihnen ein Band beharrlicher Liebe werden [319] solte: Deßwegen sie Hortensio zu Mantua gelassen / und ihren Weg nach Reggio und Bologna genommen / diesen Verlauff außfündig zu machen. Petrucci hatte Ambrosiam ohne Geld und Heuratgut genommen / und wurde von Fiori bedraut / daß er seine Tochter enterben wolte / wegen ihres Ungehorsams / bate deßwegen die Laviniam / sie solte doch nicht verziehen nach Bologna zu raisen / und die Anklage wegen der Entfůhrung wenden / etc.
12. Dieses nun zu beglauben / war genugsam die eigentliche Gleichheit / welche sich zwischen der Lavinia und Ambrosia Angesichte fande / und hatte Fiori grosse Freude über seiner wolerzogener Tochter / zu welcher er alsobald vätterliche Neigung getragen / und ihr nach seinem Tod übergrossen Reichthumb hinterlassen. Aurelio machte auch seinen jüngern Bruder abtretten von der vätterlichen Verlassenschafft /und scheinet also / daß diese adelichen Comödianten durch eine so wunderliche Schickung / einander bescheret gewesen.
186. Die ungluckliche Klugheit
(CLXXXVI.)
Die unglůckliche Klugheit.
Wann ein listiger und betrůglicher Raht nach Wunsch hinauß gehet / so gereichet er doch nit lang zu seines Urhebers Nutzen: gleich wie dort Simei / durch die listige Verleumdung deß Mephiboseths / alle seines Herrn Güter an sich gebracht / aber nach entdeckter Warheit dieselben nit behalten. Die Lügen ist wie ein Glas das schön gleisset / aber gar bald zubricht / in die Spitzen kan man sich leichtlich stechen oder schneiden / der damit umgehet wie wir sehen werden /in folgender Geschichte / daß die wol zu Werck gebrachte Unwarheit sehr übel gelungen / und nach dem Sprichwort / der in die Gruben gefallen / welche er selbsten gegraben.
2. Donatian / ein Frantzösischer Edelmann / war /als der jüngste unter seinen Brüdern / mit einer schlechten Außsteuer versehen / und von Hause geschicket. Das Geltlein war kurtz / und drange ihn obliegende Armut Glück bey Hofe zu hoffen / muste aber endlich mit seines Herrn Ungenad wieder zu seinem Bruder fliehen / welcher ihn sehr kärglich hielte. Dieses [320] war zu Friedenszeiten / daß er zu keinen Kriegsdiensten kommen / und darinnen sein Leben mit Ehren zubringen können.
3. Donatian sahe sich in elendem Zustand / und wolte der Armut weichen / wuste aber keine andre Freystatt / als ein reiches Weib / zu dem waren der Narren so viel / die gerne reiche Weiber gehabt hätten / daß an ihn keine gelangen wollen. In diesen Gedancken ersiehet er eine reiche und mittelmässig schöne Jungfrau / Mercuria benahmet / welcher er so viel gute Wort gibt / daß sie ihm gleiche Gegenneigung erweiset / und also in ihrem Liebsregister Einnahm und Außgab nit ungleich ware.
4. Der Mercuria Freunde wolten nit in die Heyrat willigen / weil an den Mitteln dieser beeder Ungleichheit; nach langem Widersprechen aber haben sie es geschehen lassen / Schande zuverhüten / und die Mercuriam / welche sich verzweiffelter Reden verlauten lassen / nach ihrem Belieben und Wagnis zu versorgen. Als man nun im Werck die Sachen zu schließlichen Ende zu befördern / und sie nun verbindlich getrauet werden sollen / kommen ein grosser Zwiespalt /welcher ihre Hoffnung trennet und wiederum zurucke stellet.
5. Es fugte sich / daß ein reicher und wol angesehener Edelmann von Poitiers / seine Befreunde besuchet / unn unter Wegs auf einen Schloß die Mercuriam grüsset / mit ihr Sprach hält / und sie so holdselig befindet / daß er sich alsobald in sie verliebet / und weil er ein Wittber / bey ihren Freunden um sie ordentlich werben liesse. Mercuria sahe Sermar als einen stattlichen Diener gegen Donatian / mit veränderten Hertzen an / und wolte lieber ihren alten Bulen / als das neue Glück verstossen.
6. Der Mercuria Befreunde rieten ihr von dem ersten ab / und beredten sie zu dem letzten / der in hohen Königlichen Diensten / und grossen Ansehen /daß diese Ehrgeitzige sich mit dem schuldigen Gehorsam gegen Donatian entschuldiget / und auf Semars Seiten sich nach unn nach geneiget: massen mit dem letzten der Kauff leichtlich geschlossen / wann der erste abgewiesen.
7. Diese Trauung were so bald werckstellig gemachet worden / wann nit Sermars Befreunde / welche ihm eine andre [321] zugedacht / Hinterniß gebracht / und Donatian Zeit gewonnen / den Fuxbalg für die Löwenhaut anzuziehen. Mercuria erweiset ihrem Sermar alle möglichste Begünstigung / welche sie / ohne Verletzung ihrer Ehre / erdencken können / und bezaubert dardurch ihren Liebsten / daß er seine Freunde zu Willigung in seine Heurat beweglichst ersuchet / und hierdurch kame Mercuria / ohne Schuld / in böses Geschrey.
8. Wie nun die Liebe ein Krieg ist / darinnen man allerhand List gebrauchen darf / als ergreifft Donatian solche Gelegenheit / sich an der umständigen Mercuria zu rächen / und giebet durch die dritte Person auß /daß Mercuria wol thäte / wann sie ihre Ehre mit dem Ehestand förderlichst versicherte / weil sich Sermar verlauten lassen / daß er bereit eheliche Wergünstigung von ihr erhalten / etc. Dieses machte Mercuriam / wegen ihres guten Namens eifern / und als Sermar sie zu besuchen kommet / giebt sie ihm / ohne Befragung / wegen außgesprengter Verleumdung / solche verächtliche und schimpfliche Wort / daß ein andrer als Sermar / leichtlich die Gedult hätte verlieren können.
9. Im Ende sagte sie / daß sie ihre Ehre höher achte / als alle Schätze der Welt / und daß / der ihr solche nehmen wolle / ein Ehrendieb / der deß Lebens nit wehrt / und werde sie Tag und Nacht bedacht seyn /diesen Schandflecken mit seinen Blut abzuwaschen /etc. Sermar kan diese Schlange mit guten Worten nit beschwören / wolte deßwegen derselben auf eine Zeit entfliehen / und nahme seinen Weg wieder nach Hause; verhoffend / daß die Zeit diesen Unfall heilen würde / inzwischen er seine Feinde zu dieser Heyrat willigen machen wolte.
10. Mercuria verfolget Sermar mit lästerlichen und ehrrührigen Briefen / daß er endlich sahe / wie in diesem schönen Hauß ein abscheulicher Gast / und daß ihm die Zeit seines Lebens mit einem solchen Drachen zuzubringen / nit zu rahten: weilen auch seine Freunde ihm eine andre und tugendsame Jungfrau zuführten / welche ihm mit aller Freundlichkeit begegnet / hat er die Mercuriam fahren lassen / und sich mit dieser [322] Sophia vermählet / und zu glücklichem Ehestand wol vergnügt / gelebet.
11. So bald nun dieses ruchbar worden / hat Mercuria die Donatian / als dem / der den Vorkauff gehabt / sich in neue Handlung eingelassen / und sind also diese beede miteinander getrauet worden. Donatian rühmte bey sich seine Klugheit / welche ihm ein ehrliches Vermögen in die Hände gespielet / weil er auch die schwere Last der Armut in seiner Jugend ertragen / ist er nicht nur ein karger Haußhalter / sondern ein schinderischer Geitzhals / der seinen Kindern grosses Haab zusammen scharren wollen / worden /deßwegen dann Mercuria die Wolredenheit ihrer Zanck- und Scheltwort zu üben Ursach gewonnen.
12. Als sie nun auf eine Zeit solchen Hauß-Krieg gegeneinander führten / und Mercuria ihrem Mann seine Armut aufruckte / und daß alles / was er ihr vorenthielte / das ihrige welche sie nicht mehr in seinen Händen lassen wolte / etc. bricht Donatian aus Zorn herauß / und wirfft ihr für das böse Geschrey / in welchem sie mit Sermar gewesen / etc. Dieses macht das ergrimmte Weib / fast an die Wolcken springen / deßwegen Donatian sie zu besänfftigen / den verübten Betrug bekennet / und schüttete also Oel in Feuer /dann sie ihm hierüber so abhold worden / daß er nicht mehr bey ihr wohnen können / und sich von ihr zu Tisch und Bette hat müssen scheiden lassen.
187. Der gewissenhaffte Bruder
(CLXXXVII.)
Der gewissenhaffte Bruder.
Das unrechte Gut wird mit Adlersfedern verglichen /welche / wann sie zu andern geleget werden / selbe aufzehren. Das wolerworbene Gut aber ist gleich dem Oehlkrug der Wittib zu Sarpad / welcher sie und ihre Kinder reichlich genehret. In jenem ist der Fluch / in diesem der Segen: Jenes kommt als ein Fallstrick über die Bösen / dieses wird ein Band der brüderlichen Liebe und Christlichen [323] Dienstlaistung / wie wir aus nachfolgender Erzehlung hören werden.
2. In Artois lebte vor wenig Jahren ein alter von Adel / der Gott mit zweyen Söhnen Fulge und Epita gesegnet; ich sage gesegnet / dann es waren wolerzogene und löbliche Jünglinge. Der ältste hatte die Wartung der vätterlichen Güter / als der Erstgeborne / der jüngste muste seines Vattern und Brudern künfftiger Gnaden leben. Dieses Recht / so zu Erhaltung der Geschlechte angesehen / scheinet unrecht / daß die Kinder von gleichen Eltern geboren / ungleiche Erben seyn sollen.
3. Der ältste wurde zu allen ritterlichen Ubungen /der jüngste zu dem studieren und künfftigen Kirchendiensten auferzogen / massen bey selbigen Geschlechte / etliche Geistliche Lehen / welche durch Verjährung erblich worden. Nachdem Fulge die Kinderschuhe vertretten / wolte er sich in dem Kriegswesen versuchen / und nahme seinen Weg in Niederland / auf den Schauplatz der Tapferkeit / da er seine Person meisterlich gespielet / und zu einer Rittmeisters-Stelle gelanget.
4. In dem Winter / da man mit Martis streiten einen Anstand machte / und in der Winterrast lage / fand sich Frau Venus / jme die Zeit zu vertreiben / und zwar in der Gestalt einer schwartzbraunen Niederländerin / welche noch seines Standes / noch seiner Religion war. Fulge gedachte / sich bey diesem Feuer zu wärmen / kōte aber nit zukommen / biß er sich endlich für einen Freyer außgabe / unn solcher Gestalt wurde er angehöret.
5. Zwo Hindernissen stunden in dem Wege: 1. daß Sinesia nit Päbstisch / 2. Daß sein Vatter nit willigen würde in eine so geringe Heyrat. Nachdeme er nun ihre Gegenliebe erworben / beredet er sie / daß sie sich in seiner Religion unterrichten lässet / und verhoffen diese beede deß Vatters Tod / und inzwischen vollziehen sie ihre Treue / bevor deß Priesters Hand solche bestättigte. Sinesia und Fulge waren junge Leute / unter welchen sich die Fruchtbarkeit befande /eh sie solche verlangt unn verhoffet; massen die Jugend selten auf das künfftige dencket.
6. Das Jahr war nit verflossen / als Fulge in einem Treffen [324] tödlich geschossen / nach Hause gebracht wurde / und Sinesia eben in Kindsnöthen lage. Was bittere Frucht der süsse Samen gebracht / ist leichtlich zu ermessen. Sinesia hatte über einen schönen jungen Sohn / den sie zur Welt geboren grosse Freude; viel grösser Hertzenleid aber fühlte sie / als die Artzte ihrem Fulge das Leben absprachen / daß es wol geheissen / Freud und Leid sind einander zu der Ehe gegeben.
7. Sie erinnerte Fulge deß gethanen Eheversprechens / und beweget ihn dahin / daß er auf seinem Todbette sich mit ihr trauen lässet / und der jungen Fulge / welchen er seinen Namen geben lassen / für seinen rechtmässigen Erben erkennet / und deßwegen auch seinen letzten Willen einem Schreiber in die Feder saget / wiewol er bey seines Vattern Lebzeiten /noch nichts eigenthumliches unterhanden hatte.
8. Nach dem Tod besagten Edelmanns / machte sich Sinesia auf / und kommet samt ihrem Sohn zu dem alten Vatter / fället ihm zu Füssen und bittet /daß er ihren Sohn / für seinen Enenckel erkennen wolle; erlanget aber keine andre Gnade / als daß ihr und ihrem Kind ein jährlicher Unterhalt versprochen wurde / und richtet dieser Vatter sein Absehen / auf Epita seinen jüngern Sohn / der den Stammen sortpflantzen / und das adeliche Hauß erhalten solte.
9. Kurtze Zeit hernach verstirbet der alte Vatter /und beschicket sein Hauß / daß Epita der Erbe / der junge Fulge aber seine Unterhalt haben solte. Epita war nun sehr Gewissenhaft / und hielte für unrechtmässig erworbenen Reichthum / welchen ihm sein Vatter / zu Nachtheil deß jungen Fulge zugeeignet hatte / wolte deßwegen mit ihm tauschen / und ihm den Besitz der Güter vorbehalten / sich aber mit seinem Unterhalt vergnügen. Dergleichen brüderliche Liebe und Brüder sind sehr wenig / und wollen sie lieber alles haben / als andern ihren nächsten Vettern geben / etc.
10. Es fügte sich aber / vielleicht aus sondrer Schickung Gottes / daß der junge Fulge / mit seinen Gesellen in dem kalten Wasser badet / und ersäufft: deßwegen dann Epita der nächste Erb / das / was er wolthätig begeben / rechtmässig wiederum [325] empfangen / und seiner Schwägerin ein ehrliches Wittum darvon zugeeignet / mit ihr auch / wie zuvor / also auch hernach / in guter Freundschafft gelebet. Dieses verfahren hat grossen Ruhm / aber wenig nachfolge.
11. Galeazo Hertzog von Meiland hörte einen Sachwalter für Gerichte loben / daß er ein Meister in der Kunst / und wolte eine Prob von ihme erfahren /liesse ihn deßwegen zu sich fordern / und sagen / daß unter andern Hofschulden / auch der Beck 50. Kronen an ihn zu fordern; ob nicht Mittel zu ersinnen / daß die Schuld noch eine Zeit anstehen möchte. Der Schadvocat oder Advocat mit einem Sch / sagt ja /und wann man ihm vertrauen wolle / so habe die Sache zum wenigsten zwey Jahre Verzug / und wolle er den Becken so müd machen / daß er wol gar nichts fordern solle.
12. Hierüber ergrimmt der Hertzog / und sagte /daß er solches gewiß öffter gespielet / und seinen Unterthanen grössern Schaden gethan / als kein Dieb: liesse ihn deßwegen mit dem Strang vom Leben zum Tod richten / und vierteln / die Theile aber auf 4. Strassen der Stadt stecken / andern solchen Raubvögeln / welche unrechts Gut erwerben helffen / zum stetigen Abscheu. Ist also nach dem alten Sprichwort unrechts Gut / ein Pfand der Armut / ein rechterworbener Heller aber / ist so gut / als ein Thaler / weil man einen ehrlichen Namen darbey hat / der mit keinem Gelde zu bezahlen ist. Gott weiß wol / wem /wann / wo und wie er den Weisen mit Reichthum krönnen soll 1 / wer ihm Ziel und Zeit fürschreibet /wird darben.
Fußnoten
1 Sprüch. 14/26.
188. Die unversöhnliche Mutter
(CLXXXVIII.)
Die unversöhnliche Mutter.
Gott hat unter andern Wolthaten auch den Nachruhm / daß er den jungen Raben ihre Speise gebe / solchen Vögeln / welche zu der lieblichen Musica ihre Federn wieder geben / und berichten die Naturkündiger / daß die jungen Raben von den Alten verlassen / (deßwegen man auch Raben-Eltern nennet / die deßgleichen thun) sich von deß Himmelsthau [326] / und aus kleinen Würmlein / die von ihren Koht wachsen / nehren /welches aus sondrer Versehung Gottes geschihet / wie wir auch hier einer solchen Rabenmutter / und eines von Gott versorgten Kindes / in nachgehender Erzehlung handlen wollen.
2. Fulvia ein adeliches Italianisches Fräulein / war vermählet mit einem vornehmen Herrn / welchen wir Poemon nennen wollen. Unter diesen beeden enthielte sich eine grosse Ungleichheit / in dem der junge Mann sein Holtz / wie man zu reden pfleget / in eine andre Kuchen truge / und das Fräulein eines widerwilligen zancksüchtigen Sinnes / solches nit wolte geschehen lassen / darüber entstunde ein täglicher Haußkrieg / und ob zwar die Freunde beederseits einen Vertrag / wegen solches Abtrags aufrichteten /daurte doch solcher nit lang / weil die Ursach erneuet / und den ehebrecherischen Poemon der Haußaspect gar zu langweilig war.
3. Diese Fulvia war ihres theils an Geld sehr reich /an Gedult aber sehr arm / daß sie also sich von ihrem vieler Weiber Manne zu scheiden willens / auf ihr Schloß sich begiebet / und alldar in der Einsamkeit /wider verhoffen sich schwanger befande; weil ihr Mann nach besagten Vergleich sich zu ihr gefunden /und wie die Karten bey Tage miteinander streiten /und hey Nacht beysammen liegen / also fügte sich auch die Vollziehung solcher neugespielten Ehe.
4. Die Kinder sind der Hertzen Bande und Liebespfande unter frommen Eheleuten: diese aber hatte einen Eckel für ihrer Leibesfrucht / und bemühete sich eine Mörderin / an dem unschuldigen Kinde zu werden / gebrauchte deßwegen allerhand Mittel / solches in ihrem Leibe zu tödten / aber GOtt hat solches nicht zugegeben / daß das Kind zu rechter Zeit auf die Welt gekommen. Ausser Zweiffel hätte die Medea aus ihren Mutterhänden / Mörderhände gemachet / wann sie /wegen der Geburts Schmertzen / die Kräfften / wie den Willen / gehabt.
5. Weil sie nun solchen Kindermord nicht vollbringen konte / befihlt sie einer von ihren Dienerinnen /sie soll das [327] Kind erwürgen / und begraben. Diese widersprache solches Vorhaben / auf inständiges Gebieten aber lässet sie solches bey einem armen Weib auferziehen / der Hoffnung / es solte hierdurch eine friedliche Ehe mit der Zeit gestifftet werden / wann Paemon verraiset / und ein bessers Leben anfangen würde. Inzwischen trennen sich diese Eheleute mit Leib und Gut.
6. Paemon verzehret sein Gelt mit andern Dirnen /mit spielen und Gastereyen / daß bey im waar wurde das Sprichwort: Die Wolluft hat eine Tochter / die heist verkauff dein Hauß / und die Tochter hat einen Sohn / der heist gibs wolfeil. Fulvia hingegen liebte Euthaltam / welche sie für ihres Kindes Mörderin hielte / und thäte ihr viel gutes / daß sie ja den Geheiß solcher That nit verschwetzen solte / und diese Gewissenhaffte Frau / dardurch Mittel erlangte / den jungen Narvi / also liesse sie das Kind tauffen / ziehen zu lassen.
7. Paemon fuhre in seine wüsten und wilde Leben fort / und kürtzte ihm also seine Tage ab / daß er in seinen blühenden Jahren versturbe / als Narvi / ungefähr 12. Jahr alt war / sich aber noch der Zeit für einen Erben nit dargeben kunte / Paemons Vermögen hatte zwar Schiffbruch gelitten / doch schwame noch etliches sonderlich von Lehengütern an das Land /und wurde von seinen Freunden / die bessere Haußhalter / als er / zusammen geraffet / und zuraht gehalten / daß aus wenigen wider viel worden / hierauß wider die Vorsehung dessen zu beobachten / der den jungen Raben ihre Speise giebet.
8. Das Geheimnis von Narvi Eltern wuste ein Weib / das ist eine Person / welche nit schweigen konte /und verhoffte Fulviam zu erfreuen / daß ihr lieber Sohn den gehaßten Vatter überlebet; erfähret aber gantz das Widerspiel / und daß ihr Grimm gegen ihren Mann / und seinen Erben / (dann für den ihrigen wolte sie ihn nicht erkennen) unsterblich war. Es fehlet nicht viel / daß diese unartige Mutter die Euthaliam für das Bottenbrod / nicht aus dem Hauß geschlagen / und erwürget / wann sie nicht entloffen.
9. Euthalia hätte sich vergebens entschuldiget / wo kein [328] Gehör / und kein Verstand / wie bey dieser Rabenmutter. Euthalia liebte Narvi / als ihren eignen Sohn / und führet mit allen ihren Vermögen die Rechtfertigung wider Paemons nächste Freunde / die seine Verlassenschafft inhädig hatten / und brachte die Sache endlich dahin / daß Narvi für Paemons rechtmässigen Erben erkläret / (massen er ihme auch in dem Angesicht gantz gleichte) und daß ihme seines Vatters Haab / mit aller Abnutzung eingeraumet werden muste.
10. Dieser Fulvia sprechen Geistliche und Weltliche zu / daß sie doch ihr eigen Fleisch und Blut nicht hassen solte / und Narvi fůr ihren Sohn erkennen; Sie war aber unversöhnlich / und haßte den unschuldigen / welcher doch ihres Mannes / und seines Vatters Namen und Wappen führte / dessen sie nicht abredig seyn können. So weit erstrecket sich die Sache eines eigensinnigen Weibs / unnd lässet sich gleich dem wilden Wasser mit keinem Gewalt aufhalten / noch mit guten Worten ableiten.
11. Sie thut / was sie kan / ihr Vermögen andern in die Hände zu spielen / und ihren Sohn / der Fleisch von ihrem Fleisch / und Bein von ihren Bein / solche zu entziehen. Als sie nun gewillet / ihren letzten Willen zu Pappier bringen zu lassen / und noch die Thränen / noch das flehentliche Bitten deß jungen Narvi keine statt geben / straffte Gott dieses böse Weib /daß sie der Schlag rühret / unnd sie in wenig Stunden den Geist aufgegeben / zuvor aber gantz rasend worden / und ist also keines Trostes fähig / wie ein Vieh dahin gefahren.
12. Das Urtheil / welches Narvi in der ersten Sache / wider seine Gesippte erhalten / dienet ihm / sich in seiner Mutter Verlassenschafft zu schwingen / und hat er sich gegen seiner Afftermutter / die wolthätige Euthaliam / danckbar und gehorsamerwiesen. Also hat das Ubel seine Straffe / die Wolthat seine Belohnung / und Unschuld endliche Rettung erhalten.
189. Die thörichten Jungfrauen
[329] (CLXXXIX.)
Die thörichten Jungfrauen.
Das Gleichnis / welches unser Erlöser von den thörichten Jungfrauen gegeben / ist unter dem Frauenvolck noch heut zu Tage befindlich; doch wann 5. kluge / so sind 10. oder wol 15. thörigte / hier wollen wir von zweyen sagen / und vermelden / daß der / so weiser ist / als Salomon / der einen genommen / was sie gehabt / und der andern gegeben / nach den Worten der Schrifft: Luc. 17/35. Zwo werden mahlen miteinander / eine wird angenommen / die ander wird verlassen werden. Wiewol sich dieses hieher ziehet /wird aus dem Ende folgender Geschichte erhellen.
2. In den grossen Städten geschehen grosse Sünden / wegen der Menge deß Volcks / unter welchen die wenigsten fromm zu seyn pflegen. Diesem grossen Ubel ordnet man grosse Artzney / und finden sich nit nur Spitäle / die an dem Leib presthaffte zu heilen /sondern auch Kirchen und Klöster / die begangenen Sünden zu bereuen / und von selben abzustehen; gleich wie neben den vergifften Kräutern auch heilsame wachsen / die gegen den Gifft dienlich sind.
3. Also fanden sich unter etlichen Schwestern zweyer armen Edelleute / zwo thörige Jungfrauen / die aus dringender Armut sich in zweyer Fürstinne Dienste begeben / und dem Hofe folgen musten. Sie waren gute Gespielen miteinander / gleiches Alters / und gleiches Sinnes / welche die Nachbarschafft ihrer Eltern von Jugend auf in Kundschaft gebracht. Sie lebten eine Zeitlang / wie ihres gleichen wol anstehet; Wie solte aber ein so schwacher Werckzeug in so manchen Versuchungen der Weltkinder / Fleisches und Bluts / und deß Teuffels selbsten / der ihnen den süssen Liebesgifft / meuchellistig beyzubringen weiß / beharren können?
4. Sie waren beede schön / freundlich / holdselig /und trugen ihre Ehre in gebrechlichen Gefässen. Die eine hiesse Hagar / die andre Aretina / und hatten gleiches Unglück zu sündigen / aber ungleiches Glück ihr Unrecht zu bereuen. Hagar [330] war in Diensten bey Glodolph / der ein Weib hatte / das niemand schön nennen konte / der sie gesehen / und deßwegen Ursach / die Hagar / mehr zu lieben / als die Saram /welche ihm keine Freude gebahre. Die Weiber / so schönere Mägde dingen als sie sind / geben Ursach /daß ihre Männer die ehliche Schuldigkeit veruntreuen / und ist die Rede nicht zu loben / in welcher die Umstände (ich sage die herumstehende Mägde) schöner sind / als der Innhalt.
5. Kurtz zu sagen / Hagar hielte mit ihrem Herrn zu / durch Versprechen und Beschenckung bewogen /daß sie sich seiner nicht erwehren mögen. Dieses stinckende Liebes-Feuer gabe einen schwartzen Rauch von sich / der den Augen deß Eheweibs nit konte verborgen seyn / welches sie doch mit mehr als weiblicher Gedult / vertragen und geschehen lassen / daß sich dieser Abraham zu der Magd geleget; als aber diese Hagar noch darzu stoltz / und sich über ihre Frau erheben wollen / hat sie nicht mehr wollen in dem Hauß verbleiben / oder der Eheherr solte die Magd hinauß jagen.
6. In diesem Streit wurde die Hagar verstossen /Glodolph aber verschaffte ihr ein Hauß und allen Unterhalt / sich mit ihr so viel sicherer zu belustigen Dieses kunte in die länge auch nit verschwiegen bleiben / und wolten der Severina Freunde (also nennte sich diese gedultige Märterin) die unverschämte Hagarin das Gefängnis werffen / und wegen begangenen Ehebruchs Glodolph von ihr scheiden lassen.
7. Severina aber wolte nicht darein willigen / sondern gabe das Geld / daß man Hagar in ein Frauen-Hauß / so der Magdalena gewidmet war / nehmen solte / wie durch etliche Geistliche bey der Hagar geworben / und erworben worden / weil nun Hagar in das Kloster gegangen / und Glodolph erfahren / daß solches von seinem Weibe hergekommen / wird er gleichsam rasend darüber / und begiebt sich auf das Land / da er bey dreyen Monden in der Einsamkeit zubringet / seine Liebes-Brunst aber vielmehr auffeuret / als außleschet.
[331] 8. Er kehret wieder in die Stadt / und wird seinem Weib so gram / daß er sie nit ansehen mag / daß sie seinem vergallten Gemüt und traurigen Befahrnissen /zu entfliehen / sich auf das Schloß begeben muß / von welchem er hergekommen / und solches thate sie willig / unter dem Schein häußlicher Verrichtung. Inzwischen beschicket Glodolph die Aretinam / der Hagar gute Gespilin / und bate sie / daß sie besagte seine liebste Bulin / in dem Kloster heimsuchen solte / und ihr wegen seiner viel gutes sagen / welcher massen er ihr beständig mit Liebe gewogen / und wann sie wieder zu ihme kommen wollte / were er gewillet / sie zu heyraten / etc.
9. Nichts ist / das eine Weibsperson mehr in Versuchung fůhret / als die Hoffnung deß angebottenen Ehestands / und hatte Aretina in einem Hause gedienet / da sie auch nit lang eine kluge Jungfrau geblieben / sondern durch den ältsten Sohn / Julian genannt / mit dergleichen versprechen / sie / nach seines Vatters Tod zu freyen / verführet / und zu einer Thörin gemachet worden / gestalten alle Sünden Thorheiten sind. Diese nun versprache ihr Bottschafft fleissig außzurichten / und bewegte die Hagar / daß sie die Nonnenkutten in ihrem Probjahre wieder fahren lässet / und die Welt lieb gewinnet.
10. In dem nun diese ihren Ehebruch fort treiben /wird durch die Abbtesin der Aretina das Hertz gerühret / daß sie betrachtet / in was Seelengefahr sie schwebe / daß sie wegen begangenen Aergerniß verflucht / und Ursach habe / rechtschaffene Früchte der Busse zu thun. In dieser Betrachtung tritt sie an deß verlohrnen Schäfleins Stelle / und ergiebet sich dem Himmlischen Bräutigam. Julian wolte sie zwar / als sein Weib wieder aus dem Kloster haben / konte aber nichts außrichten / weil in der gleichen Fällen niemands Wille gebunden ist.
11. Als nun der Severina Freund nit wolten geschehen lassen / daß Hagar ihr Ehebett befleckte / haben sie es bey der Obrigkeit dahin gebracht / dz man bey Nachts dieses Kebsweib in verhafft genommen / und hat sich befunden / daß sie von etlichen Monaten her schwanger gegangen / deßwegen man sie / den [332] Rechten nach / nit anstrengen können. Vor der Zeit aber ist sie zu bald darnider gekommen / und hat in den Geburtsschmertzen den Geist aufgeben müssen.
12. Nach dieser Dirne Tod / sind dem alten Gaugen die Schuppen von den Augen gefallen / und hat er sein grosses Unrecht erkennt / sein Weib um Verzeihung gebetten / und dasselbe wieder angenommen. Severina hat auch alles vergangene vergessen / und nach der Zeit mit ihrem Eheherrn friedlich und schiedlich gelebet / daß viel der Meynung gewesen / Hagar habe ihren Herrn durch Zauberkunst an ihr behalten /welche sich mit ihrem Tod geendiget. Dieses sind die zwo / welche in der Mühl gemahlen / deren eine angenommen / die andre verlassen worden.
190. Die beständige Keuschheit
(CXC.)
Die beständige Keuschheit.
Die Schönheit ist ein Stein deß Anstosses / welcher nit den Blinden / sondern den Sehenden gesetzet ist /dergestalt / daß die bösen ein böses Urtheil darvon fällen / und sich an solcher Gabe Gottes ärgern / oder zu bösen und sündlichen Begierden verleiten lassen. Wie übel urtheilte Holofernes von der holdseligen Judith / daß er vermeinte / man solte wegen der schönen Israelitischen Weiber einen Krieg anfangen? Wie übel urtheilten die alten Richter von der Susanna / und Potiphars Weib von dem schönen Jüngling Joseph? Also vermeinen ihrer noch viel / daß schöne Jungfrauen nicht können fromm bleiben / da doch ihrer viel lieber sterben wollen / als den Schatz ihrer Keuschheit verlieren / wie wir hiervon noch etliche Exempel anführen.
2. In Sicilien pflegen die Türcken vielmals einzufallen / und mit Raub und Brand grossen Schaden zu thun. Vor 50. Jahren haben die Galeren von Biserta einen Anschlag gemachet / auf einen Marckflecken /unferne von Palermo gelegen / denselben überrumpelt / und viel Christen in Dienstfessel geschlagen. Diese Knechtschaft / welche dem Herrn allen Gewalt giebet / ist bey den Mannsperson Elend bey [333] den Weibspersonen aber zu erbarmen / und könen sie sich der Barbern Unkeuschheit nicht entschütten.
3. Valeria eine Jungfrau befande sich unter den Gefangenen / und gefiele den geilen Hengsten besser /als aller andrer Raub: sie hätte sich alsobald ermordet / oder in das Meer gestürtzet / wann sie sich nit für dem ewigen Tod gefürchtet / in dem sie den zeitlichen / von diesen Unmenschen zu erbitten / nicht trauen dörffen; Hat sich deßwegen auf eine List bedacht /welche sie vor Zeiten von andern erzehlen hören.
4. Der Haubtmann auf der Galere behielte diese Valeriam für sich / und stellte sich sehr freundlich /deßgleichen sie auch gegen ihm thun muste / damit sie in das Werck richten konte / was sie fürgenommen. Zu Belohnung der Liebe (sagte sie) welche ihr mit mir Unwürdigen erweiset / wil ich euch eine Kunst lehren / daß ihr für Schüssen befreyet / und euch keine Kugel schaden kan. Der Türcke verhoffte hierdurch hoch anzukommen / und bate sie auf das höflichste / sie möchte ihm doch diese Kunst mittheilen / er wolte sie ehelichen / und nicht mehr als eine leibeigene Magd halten.
5. Valeria sagte / daß sie nur diese Gnade bitte / er solle sie nicht ferners verkauffen / heischte Federn und Pappier / machte darauff wunderliche Zeichen /schriebe etliche unbekante Wörter / zoge das Pappier durch einen Rauch / mit verstelltem Angesicht und unvernehmlichen Gemürmel / und bande das Zettlein ihrem Herrn an den lincken Arm / auf die blosse Haut. Wol / sagt der Türck / wie kan ich mich dieser Kunst versichern? Sie sagte / daß sie die Prob an ihren Brüdern gesehen / und wölle sie den Zettel anbinden / und er soll auf sie schiessen / so werde er sehen / daß die Kugel für ihre Füsse zu der Erden fallen müssen / und sie nicht verletzen könne.
6. Der Türck bindet ihr das Brieflein an den Arm /und (nach deme sie sich Gott befohlen) heist sie ihn das Rohr loß trucken / und zwar wider ihre Brust /und hierdurch erlangte sie den verlangten Tod / und wolte lieber das Leben / als ihre Ehre verlieren. Es ist nicht zu zweiffeln / daß die Heldenthat [334] GOtt gefällig /und bey der Nachwelte růhmlich; massen dorten Pineas / weil er die Hurenleute durchstochen / von GOtt mit dem Priesterthum begnadet worden: Darff man nun einen Todschlag begehen / die Unzucht zu bestraffen; Warum solte solches nicht verlaubet seyn /die Keuschheit seiner Person zu retten? Doch waltet hierbey noch ein Zweiffel / in dem sie ihr Ehre sonder Einwilligung / samt dem Leben erhalten können.
7. Sicherer und weniger gefährlich war das lustige Mittel / welches ein ehrliches Weib gegen einen verliebten Fürsten glücklich zu Wercke gerichtet. Sie wurde mit Beschenckungen / wider ihren Willen begabet / mit guten Worten gelocket / und endlich bey der Nacht mit Gewalt entführet / daß noch flehen noch bitten helffen wolte. Sie sahe sich in ihres mächtigen Oberherrn Gewaltsamkeit / der ihr einen getrewen Underthanen in ihren Garten pflantzen wolte /massen er vielen andern seinen Hintersässinen gethan hatte.
8. In dieser Noth giebt sie gute Worte / und bittet nur ein wenig beseits zu gehen / welches ihr verstattet wurde / da sie dann alsobald sich mit einer Kueffen oder Stecknadel wund geritzet / und sie gantz blutig gemachet; als sie nun wieder kommen / und von dem Fürsten zur Ungebühr angestrenget wurde / sagte sie /wie die Rachel zu Laban / es gehe ihr nach der Weiber weise. Der Fürst wolte es nicht glauben; so bald er aber die Blutzeichen sahe / hatte er einen Abscheu /und liesse sie ihres Weges gehen.
9. Viel gefährlicher hat sich gerettet Cordula / eine Bürgerstochter in Stuckart / als eines Obersten Wachmeisters Regiment / der Orten gelegen / und sie von etlichen Befehlhabern nothgezüchtigt werden wolte /hat sie gesagt / daß sie lieber zu dem Fenster hinauß springen wolle / als solcher Gestalt verunehret werden. Die Soldaten vermeinten / daß sie ja so thörigt nicht seyn würde / und sagten mit diesen Worten: spring hinauß du Hut / wann du das Hertz hast!
10. Euch zu weisen / antwortete sie / daß ich keine Hut bin / [335] so wil ich hinauß springen / und mit dem Wort stürtzte sie sich zween Gaden hoch herab / doch in dieser gerechten Sache / sehr unglücklich / weil sie die zween Schenckel zubrache / und hernach von den Wundärtzten wieder geheilet wurde. Diese Cordula lebet noch / und ist hernach an einen ehrlichen Burger verheyratet worden.
11. Als man an dem Fürstlichen Pomerischen Hof /von einer Kammermagd redete / daß sie von den Soldaten zu tod geschändet worden / und hierüber die Frage entstunde ob sie auch seelig worden? Haben die Anwesenden einstimmig darvor gehalten / daß sie nicht könne verdammet werden / wann sie ihren Willen nicht darein gegeben / ja sie seye einer Märterin gleich zuachten / nit zwar wegen der Ursachen / sondern wegen der Schmertzen / welche sie außgestanden haben müsse.
12. Andre wolten das Widerspiel bejahen / und daß sie solches als ein Mensch / und nicht als eine Christin außgestanden / zu geschweigen / daß sie solte eine Märterin zu nennen seyn / die nicht wegen deß Worts Gottes gestorben / etc. Doch seye an ihrer Seeligkeit nicht zu zweiffeln / etc. Hierauff sagte eine von den Kammermägden / aus Einfalt: Gott verleihe allen ein so seeliges Ende.
191. Die drey Eifersüchtigen
(CXCI.)
Die drey Eifersüchtigen.
Die Eifersucht wird mit gutem Fug dem Essig verglichen / der von dem besten Wein der stärckste / wie von der grösten Lieb der brünstigste Eifer entstehet. Etliche vergleichen den Eifrenden mit jener Geiß in der Fabel / welche ein grosses Gefäß voll Milch gegeben / und selbes hernach umgestossen. Es ist die Liebe gleich der Sonnen / wann ihre Stralen nicht zusammen gehalten werden / welches durch den Brennspiegel geschehen kan / so sind sie so viel schwächer. Was GOtt zusammen gefüget / durch das heilige Eheband / [336] das soll der Mensch / der neben und seiten Buler nit scheiden und entzweyen.
2. Es ist deßwegen eine Frage / wie man den Eifer benamen soll? Etliche haben ihn für ein Art deß Zorns / in dem man sich zu rächen trachtet / wegen vermeinter oder wůrcklich empfangener Beleidigung. Unter diese Art der Eifersucht ist zu zehlen / was sich in Piemond mit Crescentin / einem schlechten Gesellen von Ankunfft begeben / der sich aber durch seinen tapffern Degen zu einer Oberstenstelle erhaben / und eine sehr schöne und ehrliche Jungfrau gefreyet hatte /weil er sonsten von ihr nicht erlangen können / was er brünstig verlanget.
3. Er lebte mit Flocilla (also wurde sie genennet) friedlich und schiedlich / darzu sie beederseits Liebe verbande / daß er nicht Ursach hatte einigen Mißtrauen in sie zu setzen. Es fügte sich aber / daß Gordian ihm diese Flocillam auch gefallen liesse / und weil er mit ihr zu sprechen nicht kommen konte / machte er sich an Leobiam ihre Magd / von Meiland bürtig /welche diesem Haubtmann gerne Gehör gabe / und anfangs nicht wuste / wohin es gemeint. Dieser Haubtmann Gordian rühmte sich in guter Gesellschafft / daß Crescentius Weib ihm wol geneigt wäre /und dieses wurde Crescentin angesagt / der dann /ohne fernere Befragung / sein Weib für eine Ehebrecherin hielte / und sich zu rächen entschlosse. Zu solchem Ende begabe er sich auf das Land / und bereitete ein Gifft / in willens / sich solches wider sein Weib zu bedienen.
4. Flocilla entzweyte sich inzwischen mit ihrer Magde / und schaffte sie von sich / deßwegen Crescentius Argwahn noch viel grösser wurde / als ob sie ihr begangenes Unrecht solcher Gestalt zu verbergen trachtete. Nachdeme sie nun auf das Schloß zu ihm kame / nöthigt er sie / den Gifft zu nehmen / oder er wolte sie mit dem ihr an die Gurgel gesetzten Dolchen ermorden: keine Entschuldigung wolte er anhören /und als sie entschlossen / lieber von seiner / als ihrer eigenen Hände zu sterben / hat er sie jämmerlich ermordet / und heimlich begraben. [337] Bey dieser Rache liesse er es noch nit verbleiben / sondern macht sich nach Meiland / die Leobiam aus dem Wege zu raumen / welches er also angefangen.
5. Es war in der Fasten / da die Barfüsser sich zu geisseln und zu peitschen pflegen: unter diese mischt er sich auch verkappt / und als er für das Hauß kame /da die Leobia wohnte / fiel er auf die Erden / und bate ein wenig Essig sich zu laben. Leobia und die Frau in dem Hause / öfnen ihm die Thür / und bringen ihm allerhand Labung: Er ersihet seinen Vortheil / und stösset der Leobia den Stillet in die Brust; Damit er aber nicht verrathen würde / thut er deßgleichen der Frauen / und zweyen unschuldigen Kindern / gehet darauff wieder aus dem Hause / und nimmet seinen Ruckweg nach Hauß. Diese That ist verschwiegen geblieben /biß zu seiner Todesstund / da er solches offentlich gebeichtet.
6. Es rühret aber auch der Eifer her / von unsinniger Raserey / welche dem Zorn nit ungleich ist. Also liesse sich Similian / ein Frantzösischer Herr bethören / dessen leichtsinniges Weib mit einem seiner Edelknaben bulen wolte / und deßwegen viel Brieffe an ihn abgehen liesse: Derselben einen liesse Bocrie /aus Unvorsicht auf die Erde fallen / als er das Naßtuch herauß ziehen wollen / und solchen hebte sein Herr auf / bevor er es gewahr wurde; erkante alsobald seines Weibes Handschrifft / und ob sich zwar Bocrie mit der Warheit entschuldigte / daß nichts böses noch der Zeit vorgegangen / liesse er ihn doch nit aus der Verdacht / sondern nöhtigte ihn / mit in der Ericlea seiner Gemahlin Zimmer / da er sie muste binden /und weil sie noch recht darzu haben wollen / zu todt peitschen.
7. Etliche halten den Eifer für eine Furcht verunehrt zu werden / und hat solches erwiesen Ligorio / ein Edelmann unferne Ottranto / in einer Stadt Lacco genannt. Dieser war ein alter / reicher / und eines jungen Weibes unbequemer Mann / welcher sich mit Nymphodora einer sehr schönen Jungfrauen / verheyratet /die ihn mit zugethanen Augen genommen / durch ihre Befreunde geleitet / welchen Ligurio [338] von dem Goldpulver in das Angesicht geblasen hatte.
8. Eugenia name diesen Alten für eine Brucken /oder faules Brei / zu einem grössern Glück überzukommen / und einen mit der Zeit zu bekommen / den sie so sehr als dieses Gold / lieben wolte. Dieser Ligorio lag oft an dem Ziperlein darnider / daß er fast stetig bettrissig / und wann der Schmertz zu zeiten Anstand mit ihme gemachet / so bedunckte er sich Eisenstarck / der doch so schwach / als eine Haselstaude / und zu solcher Zeit / betete er seine Gemahlin gleichsam an / und pflegte einer Ergötzlichkeit / die seinem Zustande sehr nachtheilig ware.
9. Diese Eugenia war ein rechtes Ehrenweib /pflegte ihres Eheherrn fleissig / und hatte ihn niemals / noch mit Worten / noch mit Wercken beleidiget. Sie war so keusch / daß auch die Verleumdung keine Ursach finden konte / sie mit dem Schein der Warheit /in bösen Verdacht zu bringen. Sie wartete ihres Alten Tag und Nacht / und liebte ihn über alles; doch kame ihm zu Ohren / daß ihre Freunde bedacht / sie nach ihren Tod an einen andern zu heyraten / weil sie die Aertzte getröstet / er werde es nicht lang mehr machen. Dieses kränckte den eifersüchtigen Ligorio /daß er eine grausame That unternommen / und seine Eifersucht / biß nach solchem Tod erstrecket.
10. Das fromme Weib hörte ihres Mannes Eifersüchtige Furcht / und versprache ihm endlich / sich nach seinem Tod / nicht wieder zu verheyraten; darmit wolte er sich aber nicht vergnügen / sondern nöthigte sie / den darzu erkaufften Gifft halb hinein zu trincken / und er nahme den andern halben Theil / küßte sie /und starbe gleichsam in ihren Armen. Zu allem Glücke wohnte in ihrer Nachbarschafft ein Apothecker /dem sie um Hülffe in ihrer anfangenden Schwachheit zuschrie / der auch alsobald einen Gegengifft ihr beygebracht / und weil sie noch jung / und sonsten gesundes Leibes / ist sie errettet worden: Ihr Alter aber starbe dahin / und hinterliesse ihr mehr Ursach sich zu freuen und freyen / als zu betrauren / massen die reiche Wittib / bald einen jungen Mann bekommen.
[339] 11. Dieser Krancken Liebe (also wird die Eifersucht genennet) sind der Völcker in warmen Ländern mehr unterworffen als in kalten Ländern / da sich zehen Engelländer wol mit einem Weibe behelffen /wie Cäsar von ihnen schreibet. Die Ursache ist / weil jene viel hitziger sind als diese / von welchen die liebe Sonne so weit entfernet lieget. Es ist auch die Eifersucht bey etlichen zu loben / in dem solche einem jeden zueignet / was ihm gebühret.
12. Eine Haußmutter eifert über die Kinderzucht /ein Herr über seinen Knecht / und alle Christen sollen eifern um das Wort und Liebe Gottes. Von solchem zulässigen Eifer redet man hier nicht / sondern von dem Eifer zwischen Eheleuten / von welchen Gott geordnet das Eiferopfer / bestehend in gewissem Getranck / und darzu gesetzter Verfluchung. Wann aber die Männer dergleichen Eifertranck von dem Weibe noch annehmen müsten / würde manche Ehe zertrennet werden.
192. Der erwurgte Burg
(CXCII.)
Der erwůrgte Bůrg.
Mein Kind / sagt Salomon / Sprüchen 5/6. wirst du Bürg / so hast du deine Hand bey einem Fremden verheftet; du bist verknüpft mit der Rede deines Mundes / und gefangen mit der Rede deines Mundes. In diesen Worten bestehet eine schöne Gleichnis / in dem die Wort mit einem Bande verglichen werden / das gleichsam den Bürgen / wie die Fessel gefangen hält /und die Freyheit mit den seinigen zu thun und zu lassen / was er wil / benimmet. Nach der siebentzig Dolmetscher Ubersetzung / heist es: Die Lippen eines Mannes werden ihm zu einem Netze / in welchen er nemlich / gleich einem Fisch gefangen werde. Sprůch. 22/26/27.
2. Also warnet auch besagter Weise König: sey nicht bey denen (und einer unter denen) die ihre Hand (leichtsinnig) verhefften und für Schulden Bürge werden / dann / wo du [340] es nicht hast zu bezahlen / so wird man dir dein Bett unter dir wegnehmen. Hiermit stimmet überein Sirach / * am 29/24/22. sagend: Bürge werden / hat viel reiche Leute verderbet / und hin und wider geworffen / wie die Wellen im Meer (in grosse Gefahr gesetzet) Ein Gottloser / so er Bürge ist wor den / und gehet mit Rancken um / daß er sich (durch Zancken und Rechtfertigen außwickle) der wird der Straffe nit entgehen / und kurtz zuvor sagt er: Ein Gottloser (treuloser und Ehrvergeßner Mann) bringt seinen Bürgen in Schaden / dann nach dem alten Sprichwort heist es: Bürgen soll man würgen / wie in seinem eigentlichen Verstand solches zu ersehen / und nachgehender Erzehlung.
3. Zu Lübeck in der berühmten Handelsstadt / hat sich zugetragen / daß in Andreas Beverdes Behausung / auf dem Klingenberg (da jetzo Bert Reuters Erben wohnen) eine Kagel mit Perlen gestecket verlohren worden. Der Verlust wurde hoch gewürdiget; der Argwahn war mehr auf einheimische / als fremde Diebe /und ist der jenige / so den Verlust hat / begierig zuwissen / und zu erforschen / wer ihm solches entwendet / deßwegen auch ihrer viel zu Zauberern gehen /und das verlohrne wieder zu gewinnen / ihre Seele und Gewissen verletzen / in dem sie dem Satan Glauben zustellen.
4. Es arbeitet in besagtem Hause / ein Handwercks Mann / der den Herrn Beverd zu Gevattern gebetten /und auf diesen kam der Verdacht. Er wurde darüber zu Rede gesetzet; und befragt ob er nicht der Haußdieb / welcher die verlornen Perlen entwendet: Die unerwarte Frage kame dem unschuldigen Mann fremd vor / und erblaste / ja verstumte gleichsam darob /welches der verlustige Theil für eine stillschweigende Bekantnis angenommen / ihn in Verhafft bringen /und alldar an die Marterbanck werffen lassen.
5. Die Rechte haben nicht ohne gute Ursachen verordnet / daß man nicht hastig mit dergleichen Ubelthaten verfahren / und die Erheblichkeit deß Verdachts genugsam erwegen solle / damit niemand / aus Furcht / oder Schmertzen bekenne / [341] was nicht ist; wie allhier dieser vermeinte Ubelthäter gethan / der die That gestanden / flehendlich um sein Leben bittend /weil er deß Herrn Richters Gevatter. Darauß dieses Mannes Einfalt abzunehmen.
6. Der Richter / welcher zugleich Ankläger war /auch sagte / daß er keinen Dieb für seinen Gevattern erkenne / und daß solche Freundschafft ein Ende / er müsse hencken / und da helffe keine Gevatterschafft /etc. Hierüber betrübte sich der Geängstigte sehr / und sagte / daß er unschuldig / und seinem Gevattern nichts veruntreuet habe. Solche Bekantnis war zu spat / und bereit sein Urtheil verfasset / welches sich durch solches Einwenden nicht hindertreiben liesse.
7. Als nun dieses sein Urtheil für Gericht ihm vorgelesen worden / und keine Menschliche Rettung seines Lebens vorhanden / hat er mit diesen Worten dem Richter zugesprochen: Herr Gevatter / weil ich ja sterben soll und muß / so fordere ich euch in vierzehen Tagen / für dem gestrengen Gericht Gottes zu erscheinen / da solt ihr mir / wegen dieses meines unschuldigen Todes zu recht stehen. Hiermit wurde er fort geführet / und mit dem Strang vom Leben zum Tod verurtheilet.
8. Wenig Tage hernach hat man die verlorne Kagel hinter einer Banck gefunden / um welcher willen der unschuldige sterben müssen. Hierüber ist dem Burgermeister das Unrecht zu Hertzen gegangen / und hat sich sehr betrübet / wegen der herzu nahenden Zeit /daß er für den Richterstul Gottes zu erscheinen geladen worden. In dieser Traurigkeit findet ihn sein Diener / der etliche Schulden einzubringen / verraist gewesen / und von diesem Handel nichts gewust; dieser fragte seinen Herrn / was er für ein Anliegen / und ob er ihn wieder frölich machen könte.
9. Ach nein / sagte der Herr / mit tieffgeholtem Seufftzen / dukanst mir nicht helffen / dann ich bin für GOttes Gericht / von einem Dieb geladen worden / da muß ich selber kommen / und schwere Rechenschafft geben. Der Diener hielte das für [342] eine Einbildung / und sagte / daß er ihn wolte schadloß halten / sich selbst zum Bürgen setzen / und die Gefahr / gegen einem nenen Kleid von Leidischem Tuche / auf sich nehmen. Wol / sagte der Herr / gehe hin / nimm von dem besten / so in meinem Hause vorhanden ist / dann dieser Bürgermeister mit Tuch gehandelt / und du solt für mich erscheinen.
10. Wie diefer Vertrag gemachet / liesse Herr Geverds seine Befreunde und Nachbarn zu Gaste laden /sich zu freuen / daß er einen Anwald gefunden / der ihn in einem so gefährlichen Stande vertretten wolte. Der Diener ist lustig mit gewesen / und nach geendigter Mahlzeit ist er gleich andern / zu Ruhe gegangen /und hat sich seiner Bürgschafft wenig erinnert. Um Mitternacht aber ist ein grosses Gepolter und Gerümpel in besagten Dieners Kammer gehöret worden /daß alle Schlaffende darvon erwachet / keiner aber aus Furcht sich erkühnet / zu sehen was da were.
11. Mit anbrechendem Tage haben sich etliche herzu gemacht / und die verschlossne Kammer eröffnet / da sie dann den Diener auf der Erden / mit umgedrehtem Halse / und zerquetschten Gliedern / erwürgt gefunden / darüber sie / und sonderlich der Herr erschrocken / und haben mit Schnuptüchern / das an die Mauren gesprützte Blut abwischen wollen / aber nicht können / weil es sich nicht herauß wollen wischen lassen.
12. Lange Jahre hernach hat in solchem Hause gewohnt Andreas Tünte / der auch in selben geboren /dessen Mutter in ihrem Wittibstand das angesprützte Blut mit weissem Kalck überdingen lassen; aber das Blut ist wieder durchgeschlagen / und hat sich nicht wollen weissen lassen / massen auch noch 1608. Gert Reuter darinnen gewohnt / da es noch zu sehen gewesen. Ist also das Sprichwort (Bürgen soll man würgen) an diesem Handels-Diener redlich wahr worden.
193. Der gifftige Gegengifft
[343] (CXCIII.)
Der gifftige Gegengifft.
Als dorten die Propheten-Kinder (2. König. 4/39.) Rancken oder Colochinten gekochet / schrien sie: Der Tod ist in den Töpfen! Welchen Elisa nachgehends gewendet. Dieses begegnet vielen noch in Welschland / daß man unter Speiß unn Getranck Gifft empfähet /daß solcher wider durch Gegengifft vertrieben wird /wie aus nachfolgender Geschichte zu ersehen seyn wird. Es ist aber der Verdacht und das erkühnten solcher That jederzeit für eine genugsame Ursache gehalten worden / die Eheleute zu Tisch und Bette zu scheiden; wann nemlich der Gifft nicht starck genug /oder desselben zu wenig / oder für Gifft gegeben worden / das kein Gifft ist / und also der Vorsatz solcher Mordthat erwiesen worden. Ein solcher unterscheidet den Edlen von den Unedlen nicht / wie in andern Verbrechen / und wird für den ärgsten verrähterischen Todschlag gehalten / so man ersinnen kan.
2. In der Lombardia / da viel treffliche Gifftkünstler zu finden / führten zwey Eheleute Euphelio und Cassandra ein sehr ärgerliches Leben / daß sie die Feindschafft entzweite / welche die Freundschafft verbinden solte. Wie nun GOtt einen Wolgefallen hat /wann sich Eheleute wol miteinander begehen; also ist seiner Majestät ein Greuel / wann sie sich übel betragen / und sich von dem Eheteuffel zu sündlicher Rache verleiten lassen / welche in gleichen Lastern /und gleicher Bestraffung meisten theils bestehet.
3. Die Männer wollen in Liebssachen ihnen eine grosse Freyheit geben / die Weiber aber nehmen ihnen solche / sich an ihren treulosen Ehegatten zu rächen. Als nun Euphelio wegen Cassandra Bulen geschertzet wurde / konte er solchen Spott nit verbergen / und verhebte seinem Weib ihre Ungebühr / mit harten Worten / daß sie leichtlich abnehmen konte / er würde nicht unterlassen sich in der That an ihr zu rächen.
4. Solchem nun vorzukommen / kochte sie ihrem Mann ein Süplein / welches sie zu einer Wittib machen solte / und mit einem andern Mann / dem sie / in Hoffnung guter Würckung / die Ehe versprochen /bald hernach erfreuen würde. Dieses war [344] ein Gifft /der langsam seine Würckung thun / und den Euphelio außdorren machte / deßwegen er wähnte / daß diese seine Schwachheit von seiner Xantippe herkommen müsste / und war bedacht / sich für seinem Tod zu rächen.
5. Als nun der Gifft nit würcken wolte / bringt die Cassandra ihrem Manne noch einen stärckern von Spießglaß bey / welches sonders Zweiffel ihn in das Grab geworffen / wann es nicht mit dem ersten Gifft zu streiten gefunden / und eines mit dem andern brechen gemacht / darzu dieser Mann von Natur geneiget war; da es dann nach dem Sprichwort heisst / Böses /muß man mit Bösem vertreiben.
6. Hier wurde Euphelio in seinen Wahn bestättiget / und so bald er wieder zu Kräfften kommen / setzte er seinen leichtsinnigen Weibe den Stillet an die Gurgel / unn machte sie die Warheit bekennen / mit versprechen / er wolle sie nit straffen / wie sie wol verdienet. Dieses hielte er auch / nach gethanem Bekantnis / und übergabe sie der Obrigkeit / mit ihr rechtlich zu verfahren.
7. In dem Gefängnis wachte ihr das Gewissen auf /daß sie sonder Marter den gantzen Verlauff bekennete / deßwegen sie mit glüenden Zangen gezwicket worden / und durch deß Henckers Schwert das Haubt verlieren müssen. Der hinterlassne Wittber erfreuet sich zwar / daß er seines Ehe- und Ehrvergessnen Weibes erlediget / hatte aber nicht viel gesunder Stunden /daß also die Straffe bey diesem ehebrecherischen Geschlecht nicht außgeblieben.
8. Zu Ersetzung dieser Geschichte / wollen wir etliches von dem Gifft / aus der Naturkündigung anfügen. Es wird aber unter dem Namen deß Giffts verstanden / alles was zu Bekränckung und Verkürtzung deß menschlichen Lebens erfunden worden / als da sind die Gehirne etlicher Thiere / die rasend machen /aber nicht tödten. Doch tödet auch etliches / das doch kein Gifft ist / als das Vinedische Glas / etliche Kräuter der Zauberinnen und die Liebs-Geträncke.
9. Eigentlich ist das Wort Gifft zu verstehen / von allen den Kräutern / Gesämen / Säfften und Wurtzeln / welche die natürliche Lebenshitze außleschen /wegen ihrer grossen [345] Kälte / die sie theils verborgener Weise führen. Etliche trocknen aus / und dieser Giffte Würckung ist langsam / wie wir vor gemeldet. Das Spießglas kan auch mit seinem Feuer / wann es zubereitet ist / das Geblůt erhitzen / und das Hertz gleichsam verbrennen.
10. Etliche Sachen sind von Natur vergifftet / als die Wolffswurtz / Schirling / deßwegen Wüterich genennet / (Cicura) etliche werden von der Kunst zu Gifft gemacht / als Scheidwasser / Muckenpulver /etc. Etliches gräbet man aus den Bergen / als Quecksilber / Spießglas / etc. etliches nimmet man von den Thieren / als von Schlangen / Ottern / etc. etliches verletzet durch den Mund / etliches durch äusserliche Verwundung / als der Biß eines rasenden Hundes /das Stechen einer Schlangen oder Scorpions / etc. Hierzu könte man setzen den vergifften Lufft / das ungesunde Wasser / etc. welches alles eine gifftige Art an sich hat / und ist kein Sinn / dardurch man den Menschen nicht solte Gifft beybringen können.
11. Hier ist auch eine Frag: ob die Thiere / welche vergiffte Kräuter essen / als Krohen und Staren / die deß Stirlings geniessen / ohne Gefahr können genossen werden? wiederum: Ob die mit gifftigen Pfeilen verwundte Thiere zu der Speise zu gebrauchen? Die Artzneyverständige sind hierinnen nit einer Meinung /und ist ausser allem Zweiffel / daß wann das Thier nach der Verwundung gelebet / daß der Gifft alles Geblüt durch kriechen können / solches in grosser Anzahl geessen / eine gefährliche Kranckheit verursachen könne / wann sonderlich der Leib mit böser Feuchtigkeit angefüllet ist. Auf die erste Frage ist mit Nein zu antworten / dann der Gifft / welcher einem Thier nicht schadet / kan noch weniger schaden /wann er zu seiner Nahrung wird / und dem Menschen zu der Speise dienet: Gleich wie man sich auch deß Giffts zu der Artzney heilsamlich gebrauchet.
12. Die Anzeichen eines empfangenen Giffts ist ein kalter Schweiß auf einer erhitzten Brust / benebens einem reissen [346] in dem Leibe / ein schwerer Odem / der Durchbruch / das Brechen / bleiche Nägel / eine aufgeschwollen Zunge / und dieses alles kommet schnell / und überfällt den Krancken. Zu Zeiten schlagen darzu die Abkräfften / das Fleisch / das beben deß Hertzens / etc. Nach dem Tod wird der Leichnam alsobald gelb / und nach wenig Stunden gantz schwartz / die Haar fallen auß / die Nägel erweichen / das Hertz kan nit verbrennet werden / weil der kalte Gifft dem Feuer widerstehet / auf dem Munde schwebet bald nach dem Tod ein Schaum / und ein böser Gestanck gehet von dem gantzen Leib. Wann auch ein solcher vergiffter Cörper auf der Strassen liegen verbleibet / begehren noch Vögel / noch andre Thiere darvon zu geniessen / wegen der schnellen Fäulung und deß Gestancks.
194. Der verliebte Ziprianer
(CXCIV.)
Der verliebte Ziprianer.
Die Liebe wird mit dem warmen Unflat / oder hitzigem Koth verglichen / welcher dorten den alten Tobiam blind gemacht; die Schmertzen und das Unheil /welches nach solcher Blindheit erfolget / ist die bittre Gall dardurch man sehend / und seiner Thorheit einträchtig wird. Hiervon redet der in solchem Handel wolgeübte David Psal. 38/11. wann er sagt: Meine Krafft hat mich verlassen / und das Liecht meiner Augen ist nicht bey mir. Und an einem andern Ort /bittet er: Oeffne mir die Augen HErr / daß ich sehe deine Wunder / etc. Verstehe in den Göttlichen Schickungen / welche mir in meiner Blindheit sehr wunderlich und unerwartet fürkommen. Dieses alles wird mit mehrern erhellen / aus nachfolgender Erzehlung.
2. Ein Neapolitanischer Herr / Conuillo genannt /war bey Jahren / und mit dem Ziperlein / (der Reichen Kranckheit / weil sie von wollustigen Leben herrühret) schmertzlich geplaget / daß man von ihm sagen können / was dorten der Poet von dergleichen Personen geschertzet:
Solt er essen oder gehen
hatt' er weder Hand noch Fuß:
[347]aber zu den Jammer-Wehen
hatt' er Hände / Füß / und Zeen /
ja der Glieder überfluß.
3. Dieser Ziprianer hatte einen einigen Sohn / aus dem ersten Ehebett / welcher bereit in den Jahren /daß er sich zu beweiben gedachte / und zwar mit seines Herrn Vattern Eiwilligung und Beyratung. Es gefiele seinen Augen eine Jungfrau seines Standes / welche die Schönheit und Reichthum Liebwürdig machten / und wurde diese Werbung wol angenommen /auch bereit deßwegen Handlung gepflogen / und die Haubtpersonen in dem Spiel waren mit gleicher Leibesneigung einander wol zugethan.
4. Conuillo wurde von den Befreunden der Terentia besucht / und er kame auch wieder ihnen / wann er mit seiner Plage einen Anstand getroffen / massen nach jenes Wort / das beste an dem Ziperlein ist / daß der Schmertzen aufhöret. Dieser Alte betrachtete der Jungfer Schönheit / und weil die wolgeordnete Liebe von sich selbsten anfähet / stellet er seines Sohnes Werbung auf sich / und lässet die Freunde nicht bitten / sondern in dem Heuratsbeding gebieten.
5. Die Ziprianer sind ins gemein Cyprianer / ich wil sagen / aus der Insel Cypern / der Frau Venus Vatterland / unn verursachet jre Brunst / die ůbermässigen Schmertzen ihrer Kranckheit. Diese Heurat machte der begebende Fall schwer / daß wann Conuillo mit Terentia Kind' zeugen würde / welcher Gestalt sie Erben und seiner Verlassenschafft theilhafftig werden solten?
6. Hierüber bedachte sich dieser Liebblinde nicht lang / sondern versihet seinen Sohn / mit einem geringen Geschäffte / und setzet Terentiam / mit dero künfftigen Kindern zu Haubterben aller seiner Güter. Was kan das Geld nicht? ja was vermag der Geitz nicht? Terentia lässet sich durch diese Hoffnung und ihrer Eltern zusprechen bewegen / daß sie dem Alten anhängt / und den Jungen verlässet.
7. Diese Handlung nun sicherlich zu vollziehen /sandte Conuillo seinen Sohn nach Rom / wol wissend / daß das außgeleschte Liecht / bey den Flammen /leichtlich wieder anzubrennen [348] pfleget. Mit was Wehmut er geschieden / ist unschwer zu ermessen. Sein Vatter gebrauchet sich deß Rahts / welchen er ihn gegeben / beraubet ihn alles dessen / das ihm die Geistlichen und Weltlichen Rechte zueignen / und wann er ihm auch sein Mütterliches hätte können entwenden /würde er solches nicht unterlassen haben.
8. Terentia wird von ihrem Alten schwanger / die Frucht aber erfreuret in der Blüte / und das Kind überlebet wenig Tage. Emilio der Sohn hatte so grosses mißfallen ob dieser Begegnis / daß er eine Mönichskutten anziehet / und wider seines Vatters Willen / alles Vermögen seiner Mutter in das Kloster bringet. Conuillo mehrte durch diese zweyte Ehe seine Ziperleins-Schmertzen / und ersahe viel zu spat / daß er thörigt gethan / und sein Leben so vieler grösserer Qual unterworffen / in dem er seines Namens Gedächtnis außgeleschet / ohne Leiberben / und sein Gut in andren Händen lassend / dahin sterben müssen.
9. Zu Erfüllung dieser Erzehlung / wollen wir Anlaß nehmen / zu reden von dem Ziperlein und von der alten Leute Leibspflegung. Ermeldte Kranckheit wird von den Bauren das lauffende Gicht genennet /und kommet her von scharpffen und subtilen gesaltznen Feuchtigkeiten / welche in die Gelencke triefen /und derselben Bewegung mit grossen Schmertzen hindern. Weil nun die Fůsse von der Hitze und Wärme ferner / als andre Glieder / und gleichsam zu Ende deß Leibes / trieffet solche gesaltzne / kalchige / gallische und schäumige Feuchtigkeit erstlich dahin / wo sie dann verbleibet / und durch die Schweißlöchlein endlich vertufftet.
10. Die Grundursache dieser Kranckheit ist der Mangel der natürlichen Hitze / welche besagte Feuchtigkeit nicht verzehren oder außtreiben kan / daß sie endlich überhand nimmet / die Glieder aufschwellet /ja mit der Zeit selbe steinhart und knorrigt machet /gleich wie dergleichen zähe Feuchte / auch den Lenden und Nieren-Stein verursachet. Wann nun in dem Winter die Glieder erkalten / und also geschwächet werden / [349] findet sich der Ziperlein; wie in dem Gegenstand die Glieder durch die Wärme gestärcket werden können.
11. Hierauß ist zu ersehen / warum die Kranckheit bey den Reichen / die ein müssiges und wollustiges Leben führen / einkehret; hingegen aber bey den arbeitsamen Baursleuten selten gefunden wird / welche als deß Adams Erben / in den Schweiß ihres Angesichts ihr Brot essen / dardurch die besagten bösen Feuchtigkeiten verzehret / und also der Ursache solches Ubels gesteuret wird. Deßwegen dichten die Poeten / der Ziperlein sey deß Bacchi und Veneris Sohn /weil jener viel grobe Feuchtigkeiten verursachet / und diese die natürliche Wärme schwächet und den Leib erkältet / dardurch solchen Flüssen der Weg eröffnet wird / daß sie zu den äussern Gliedern gelangen können.
12. Wie zu dem Krieg junge Leute erfordert werden / die bey guter Stärcke und gantzen Kräfften; also müssen auch in den Venus-Krieg keine alte Kränckling ziehen / welche sich dardurch schwächen / und ihres Lebens Faden abreissen. Bey bejahrten Leuten ist die Wärme schwach / und wird durch Abstattung ehelicher Gebühr noch schwächer / daß solches der gantze Leib empfindet; Sonderlich aber ist diese Liebsübung denen sehr schädlich / welche kalter und trockner Natur sind / hingegen aber ist es denen vorträglich / welche warmer und feuchter Natur sind. Das Alter deß Menschen muß man nicht allezeit von den Jahren / sondern von den Leibskräfften rechnen / welche bestehen in den edlen Gliedern / als dem Hertzen /Haubt / dem Magen / etc. die in dem Alter / durch den Beyschlaf offt tödlich verletzet werden.
195. Die ungleichen Schwestern
(CXCV.)
Die ungleichen Schwestern.
Plato vergleichet die Gemüter der Kinder mit den Metallen etliche / sagt er / sind gulden / etliche silbern /etliche von Eisen. Wie nun ein jedes Metall an seinem Orte dienlich / als das Gold zu der Artzney / das Silber zu beliebter Zier / das Eisen zu dem Gewehr und Pflugscharen; also soll man unterscheiden / wohin der Kinder Gemüter sich neigen / worzu [350] zu sie Lust haben und fähig sind / daß man also den Pflug nit von Gold / und das Edelgestein in Eisen fasse. Diese Unterscheidung setzet er zu einem Grund wol bestellter Regimenter / welche in ihren rechterzognen Angehörigen bestehen.
2. Dieses hätte auch beobachten sollen Anastasia /eine vornehme Wittib zu Orleans in Franckreich /welche zwo Töchter hatte / Clerianam und Eugeniam / deren Sinne sehr ungleich und mit Fug dem Eisen und dem Gold können verglichen werden Cleriana war ungestalt von Angesicht / und kaum so schön /daß man sie nit häßlich nennen könte / frisch / frey /frölich / Männersüchtig / faul und müssig / daher der Liebsrost / wie bey ungebrauchten Eisen / sich auch fande. Eugenia hingegen war schön / holdselig / bescheiden / gottsfürchtig / und hasste alle üppige Eitelkeit / deßwegen sie auch in dem Feuer der Anfechtung / wie das Gold probieret / und beständig erfunden worden / wie folgen wird.
3. Anastasia ihre Mutter / sahe auf das äusserliche /und wolte die zarraugige Leam in das Kloster stossen / die schöne Rahel aber zu dem Ehestand und einer guten Heyrat bey ihr behalten / und ihr auch eine so viel reichere Außsteur mit geben / als der jüngsten und liebsten Tochter; da diese doch gantz wideriger Meinung / und die Cleriana gerne einen Mann gehabt / Eugenia aber gern in dem Kloster gewesen were. Wider ihre Neigungen wolten der Mutter vermahnen wenig fruchten / und als sie den Gehorsam mit Bedrauung erheischte / wurde ihr mit bitten begegnet /sie solte ihrer Töchter segnen / wie Jacob Josephs Söhne / da er dem Erstgebornen deß jüngsten Segen gegeben.
4. In dem nun die häßliche sich in das Kloster wider ihren Willen verbergen muste / ihr Leben gleichsam in dem Grab der Lebendigen zuzubringen /erdichtet sie alle mögliche Entschuldigung / sich dieser Geistlichen Gefängnis zu erledigen / und gabe für / daß ihres Leibes Zustand das strenge Leben nicht vertragen könne / daß sie bereit erkranke / daß sie sich solches Glückes (welches sie doch vielmehr für ein Unglück hielte) unwürdig achte / etc. Sie lusterte[351] also nach den Fleischtöpfen Egypten / und eckelte für dem himmlischen Manna; ich wil sagen / sie hatte ein weltliches Hertz in einem geistlichen Ort / der in einem abgelegnen Walde / und den Versuchungen der verbey raisenden unterworffen war.
5. Nach kurtzer Zeit fande sich ein gerichtlicher Sachwalter / welcher mit Cleriana Kundschafft machte / und in dem Kloster wegen schwebender Rechtshändel zu verrichten hatte. Erstlich scheute sie sich mit diesen listigen Gesellen zu schwetzen / doch wurde sie von ihren Begierden überwältige / und brachte er den Handel so wol für / daß er bey ihr gewinnlich / und sie sachfällig worden. Hierüber entstunde nun ein böser Nachklang bey der Abbtesin deß Orts; weil aber diese Richterin selbsten dergleichen Laster unterworffen / wolte sie kein Strafurtheil fällen / welches sie gleichfals auch verdienet hatte. Verflucht der Aergernis giebet / ja so verflucht / daß einem solchen Menschen die leibliche Straffe / wann er in das Meer an einen Mühlstein gebunden / geworffen würde / als daß seine Seele ewig deßwegen solte gequälet seyn.
6. Es scheinet / als ob die Eltern / welche ihre Kinder in so gefährlichen Stand verderblicher Gesellschafft dahin geben / sie gleichsam dem brennenden Götzenbild Moloch aufopferten / und durch das Liebesfeuer gehe liessen / dann kommet die Reue / und verlaiste Aufsicht viel zu spat / wann mann nicht mehr den Brand leschen kan. Ardant / der Buler / riete seiner verführten Nonnen / sie solte glaubwürdig zu Papier bringen / welcher massen sie von ihrer Mutter in das Kloster genöhtiget / und wider ihren Willen sich aufhalten müsse / in einem Leben / darzu sie von Gott nicht beruffen worden. Dieser Schrifft verhoffte sich Ardant zu gebrauchen / wann etwann Cleriana sich befurchtet finden solte.
7. Eugenia hatte inzwischen viel Buler / unter welchen sich Erdemann / ein benamter und reicher Gesell / für einen Freyer angabe. Bey der Tochter hörte er das Nein / bey der Mutter das Ja Wort / deßwegen er getrost / und Eugeniam mit beharrlichen Diensten zu gewinnen verhoffte; er rechnete aber ohne Wirt / und fande sich betrogen / wann die Verlöbnissen [352] der Kinder / ohne ihrer Eltern einwilligen unbindig sind / solten auch die Heuraten / welche die Eltern wider der Kinder Willen schliessen / ungiltig und unkräfftig seyn; so viel mehr / weil es den Kindern mehr zu treffen gilt / als den Eltern / und bey allen andern Handlungen / als kauffen / verkauffen / bestehen / verlassen / etc. Einwilligung beeder handlenden Partheyen erfordert wird / wie aus den Rechten bekannt ist.
8. Dieses Eheband / welches Anastasia mit Erdemann beschlossen / hatte Eugenia so leicht zerrissen /als Samson seine neue Stricke. Die Mutter gebrauchte böse und gute Wort / sie zu dieser reichen Heurat zu bereden / der vermeinte Hochzeiter laistete ihr alle mögliche Aufwartung / und hörte hingegen das flehentliche Bitten: er solte doch von ihr abstehen / und sie das Gelübd der Keuschheit / welches sie GOtt in ihrem Hertzen gethan / vollziehen lassen: ja sie fiele ihm zu Füssen / und wiederholte erstbesagte Bitt / wie er aber blind in seinem Begehren / also war er auch taub sie anzuhören / und zu erhören.
9. Sie wolte keine Geschencke / welche der weissen und weisen Jungfrauen Augen verblenden / annehmen / noch weniger ihres angegebnen Hochzeiters Briefe behändigen / ob ihr wol solches Anastasia ernstlich befahle / und sie mit Schlägen zu dieser Heurat nöhtigen wolte. Wie die Schiffer niemals fleissiger gen Himmel sehen / als in dem Ungewitter; also wendete Eugenia auch ihre Augen zu GOtt / in der Trübsal / so sie getroffen hatte. Als nun Erdemann sahe / daß bey seiner Eugenia nichts außrichten konte / und ihr Will gantz unverhinderlich in abschlägiger Antwort beharrte / wolte er ablassen / und sich anderwerts versehen.
10. Die Mutter aber zwang ihre Tochter endlich dahin / daß sie in beywesens / eines darzu erkaufften Mönichen / das Ja Wort von sich geben müsste / welches sie so bald kaum außgesprochen / daß sie es wieder zurucke genommen / und widerruffen hat. Nichts desto weniger wolte sie Anastasia und Erdemann zu ehelicher Beywohnung nöhtigen / und von ihr erlangen / was er so brünstig verlangte; aber gantz vergebens / daß er sie auch nicht zu einem Kuß bereden mögen.
[353] 11. Nach solchem widersetzen berathschlagen sie Eugeniam gewaltthätig zu binden / und von ihr zu rauben / was sie willig nit geben wolte / bedrauen sie auch damit / und ist die Mutter so verteuffelt / daß sie selbsten die Stricke zu kauffen außgehet. In abwesen ihrer und deß Erdemanns / wil Eugenia zu dem Fenster sich an einen Leilach ablassen; die Magd aber /welche bey ihr / gibt ihr den Raht / sie solte ihre Kleider anziehen und zu einer von ihren Befreundin fliehen / sie wolte inzwischen für sie stand halten / und solte sie aus dem Dienst gestossen werden. Diesem Vorschlag folgte sie / und kame zu ihrer Mumme / erzehlte ihr / aus was Nothzwang sie sich gerettet / und bittet um fernere Beschirmung / welche sie auch erhalten / und den Verlauff der Sachen / bey dem Bischoff deß Orts / als einen Ehehandel angebracht / der so wol die Mutter / als den Mönichen und Erdemann zu gebührlicher Straffe gezogen.
12. Eben zu solcher Zeit begehrte auch Cleriana von ihrem Kloster Gelübd entschlagen zu werden /und Eugenia bate um oberherrliche Verwilligung an ihre Stelle zu tretten. Weil ein gezwungener Wille beederseits für keinen Willen gehalten wurde / und ist diesen beeden Schwestern willfahrt / und Cleriana mit Ardant getrauet worden. Eugenia hatte von ihrem vätterlichen Erb eine geringe Steur in das Kloster gebracht / und ist wegen ihrer Gottseligen Tugenden /als wegen deß einbringens aufgenommen worden / da sie dann ihr Leben Christlich zugebracht / und sonder allen Zweiffel seelig geendiget. Cleriana hingegen /hatte eine gantze widerwertige Ehe / und täglich bereuet / daß sie nicht bey dem Nonnenleben / in einem strengen Orden / dahin sie aus dem Ehestand nicht kommen mögen / gleich ihrer Schwester Eugenia geblieben.
196. Die Schlafsucht
(CXCVI.)
Die Schlafsucht.
Der Schlaf wird aus vielen Ursachen mit dem Tod verglichen / eines Theils wegen der Umstände / anders Theils wegen sein selbst. Wann wir schlafen gehen / müssen [354] wir alle Kleider außziehen / von uns legen / aufs Lager strecken / und der Ruhe pflegen /biß wir zu Morgens wieder aufstehen: Also müssen wir auch in dem Tod alles hinterlassen / und in dem Grab der letzten Posaunen / welche die Auferstehung der Todten ankündigen wird / in sanffter Ruh erwarten. Die Schlafenden und Todten blassen / sind fast unempfindlich / sehen und hören nicht / etc. daß also der berühmte Scaliger / als er schlaffen gehen wollen /recht gesagt: Nun wil ich erfahren / wie gemein mir der Tod seye. Diese Gleichnis deß Todes erweiset sich auch absonderlich bey denen / welche mit der Schlaffsucht behafftet sind / darvon in dieser Erzehlung mit mehrerm folgen soll.
2. Ein Portugeser 70. Jahr alt / lage zu Avignon kranck an einen hitzigen Fieber / unn fiele den 14. Tag seiner Kranckheit in einen Schlaf / daß er viel Tage ohne Essen und Trincken / ohne Rede und Empfindlichkeit / gleich als ob er tod were / lage. Endlich haben seine natürliche Kräfften die Kranckheit überwunden / daß er nach zweyen Monden wieder genesen und wol auf worden. Er war kalter und feuchter Natur / voll zäher Feuchtigkeiten / ein Mann der viel zu essen / und ein unordentliches Leben zu führen pflegte. Fr. Vallerivla. 6/7.
3. Farnelius erzehlet von einem / der in der Schlafsucht gantz unempfindlich gewesen / daß er auch sich nit gerühret / wann man ihn angegriffen / gezwickt /Haar außgeraufft / etc. nachdem er aber wieder zu sich selbsten kommen / hat er erzehlet / wie man mit ihm umgegangen / in seinem 5. Buch am 9. Cap.
4. Ein andrer wurde von einem kalten Fluß überfallen / (catalepsia) daß er über den Büchern sitzen /und die Feder in der Hand habend / gleichsam zu einen Stein erstarret / und mit offnen Augen sitzen blieben / ohne Bewegung und Regung / ohne Rede und Empfindlichkeit / als ob er fleissig studierte.
5. Deßgleichen hat auch ein andrer sich mit einer solchen Kranckheit überfallen befunden / der sich auf seinem Lager / als ein toder gestrecket / ohne Gebrauch aller Sinne / außgenommen / daß er Odem geholet / und Speiß und Getranck [355] zu sich genommen; wann man ihn aufgerichtet / ist er sitzend blieben /auch wol stehend / und wie man ihn beweget / so ist er erstarret und beharret / wie ein Bild.
6. Jacot / in seiner Außlegung Hippocratis / erzehlet von einem / der über Tisch die Hand außgestreckt /und von der Schlafsucht überfallen / solche nicht wieder zu sich ziehen können / und sey gleichsam mit offnen Augen / zu einem Stein / gantz unbeweglich worden.
7. Etliche ist diese Krackheit über Tisch ankommen / daß man solche an ihnen nit vermercket / als wann man mit ihnen reden wollen. Die nit wol hören /sind diesem Unheil unterworfen / und auch / die zu viel studieren / und so viel kaltfeuchtiger Speisen geniessen / und ist zu Zeiten diese Kranckheit ein Anfang der fallenden Sucht / deß Schlags und auch wol deß Todes / doch ändert sich der Puls nit viel / weil die äussern Glieder nur leiden / biß das Ubel überhand genommen.
8. Man vergleicht diese Kranckheit mit einem schnellem Gefröst / das urplötzlich einen Menschen erstarret machet / wann er ihn überfällt. In welchem Stande nun solches geschihet / in demselben verbleibt er / und solte er auch stehen / so würde er nicht zur Erden fallen / sondern als ein Marmolsteines und noch lebendes Bild beharren / wie Benivenius hiervon etliche Exempel hat.
9. Das Haubt ist das edelste Theil deß Menschen /und in dem Haubt / das Gehirn / als der Sitz deß Verstandes / und der Thron der Vernunfft / deßwegen auch die Kranckheiten desselben so viel gefährlicher /als andre. Wann das Haubt schwer / voll kalter Feuchtigkeiten / geplagt mit dem Schwindel / und daß man viel zu schlafen begehret / auch mit den Händen und dem Haubt zu zittern anfängt / hat man sich der Schlafsucht / oder deß Schlags zu befahren / und wird die Vergessenheit dabey nicht aussen bleiben.
10. Dieses alles kommet her von kalten und zähen Schleim / dessen aufsteigender Nabel gleichsam das Gehirn verfinstert / und zugleich auf alle Glieder herunter fället / daß sie erstarren / und unbeweglich bleiben / biß durch Schweiß oder in andre [356] Wege den Krancken geholffen wird / wie geschehen kan durch Clistier / Aderlaß und purgieren.
11. Es findet sich aber bey dieser Kranckheit meistentheils ein Fieber / welches starck od' schwach /nach Unterscheid desselben Ursachen. Das erhitzte Geblüt und die Gall verursacht das hitzige Geblüt: die Melancholey und der Schleim / das kalte Fieber. Wann nun das Gehirn von sich kalter Natur / und noch viel kalte Důnste darzu kommen / mag sich leichtlich fügen / daß die Schlafsucht / und dann nachgehends andre Kranckheiten darauf entstehen.
12. Die innerlichen Kranckheiten deß Haubts sind dreyerley / und belangen entweder das Hirnhäutlein /oder das Geäder / so in das Gehirn gehet / oder das Gehirn selbst. Unter diesen sind die gefährlichsten /welche das Gehirn verletzen / darauß Vergessenheit /Aberwitz / Raserey und dergleichen entstehet / wann die Ursache hitzig; wann sie aber kalt wie gesagt / so folget Trägheit / Schwindel / Schlafsucht. Dieses überlassen wir den Aertzten / und bekennen unsre Unwissenheit gerne unn ohne scheue; massen einen Schuster keine Schand ist / daß er kein Kleid machen kan / und hingegen ein Schneider sich auch nicht zu schämen / daß er keinen Schuch machen kan: doch haben wir unsre Meinung / zu Erfüllung dieser Erzehlung unangefüget nicht lassen wollen / auf Verbesserung.
197. Die Ladung in den Thal Josaphat
(CXCVII.)
Die Ladung in den Thal Josaphat.
Er. Rabalais vergleicht das Rechten mit dem Würffelspiel / sagend / daß der Außgang einer schwebenden Rechtsache ja so ungewiß / als eines solchen Glückspiels, dann ob gleich die Sache gut / kan sie doch vernachtheilt werden / durch die so darunter handlen /als da sind Schreiber / Sachwalter / Schrifftsteller /und mangelt es auch zu Zeiten an dem Richter. Was Sorg / Mühe / Unkosten / Neid / Feindschafft / Wortstreit / etc. Darbey erfahren alle die ihre Händel außeinander treiben sehen / wie der Schuster das Leder mit Zähnen außeinander dehnet / damit er so viel mehr Schuhe darauß machen möge / ich wil sagen /damit die Schreibgenessen so viel [357] mehr nutzen haben können; deßwegen räht besagter Rabalais / man soll darum würffeln / warum man rechtet / so werde man mit ringerer Mühe darvon kommen / und ja so gutes Recht erlangen / als von / und durch so ungerechte Leute.
2. Wann nun eine gute Sache verlohren / und man sich auf keinen Oberrichter beruffen kan (also nennet Herr Lutherus das appelliren) oder mit unbillichen Leuten zu thun hat / wie Jacob mit Laban / der ihm den Lohn so oft geändert / so schreiet man zu dem obersten Richter in Himmel und auf Erden / wie besagter Jacob gethan / sprechend: Der Gott Abraham sey Richter unter uns. Und Sara sagte zu ihrer Magd: Der Herr richte zwischen mir und dir. 1. Mos. 16/11/13. 1. Mos. 31/43. Also sagte David / da ihn Saul verfolgte: Der Herr sey Richter zwischen mir und dir / und räche mich. 1. Sam. 24/13. Jojada konte bey dem König Joas kein Recht erlangen / sagte deßwegen: Der Herr sehe und richte es / 2. Chro. 24. 23. welches auch hernach geschehen / v. 24.
3. In dem N. Testament vermahnet der Herr Christus (Matth. 18. 15.) zu der Versöhnlichkeit / sagend: Sündigt dein Bruder an dir / (hat er dich mit Worten oder Wercken beleidigt) so gehe hin / und straff ihn zwischen dir / und ihm allein (in geheim / daß es niemand höre / und er also sich für niemand scheue / dir sein Unrecht abzubitten) höret er dich / (bekennet seine Schuld / und bittet um Vergebung) so hast du deinen Bruder gewonnen. Dieses findet statt bey Privat-Händeln / welche in geheim geschehen / und solcher Gestalt Schrifftlich oder Mündlich beygeleget werden können / und zwar mündlich so viel besser /weil man inständig straffen / vermahnen / antworten /und der Sachen Beschaffenheit außtragen kan / welches sich in einem Brief / so wol nicht verrichten lässet / und gehet diese Bestraffung da hinauß / daß man es dem Beleidiger auf sein Gewissen giebet.
4. Dieses nennen die Rechtsgelehrten Denunciationem Evangelicam, als zum Exempel: Ich hab ein Pferd / und mein Nachbar sagt / daß dieses Pferd sein gewesen / und ihm entwendet worden / ich hab es aber von einem Fremden gekaufft. [358] Der Richter legt mir die Widerstattung deß Pferdes auf / so gib ich es zwar meinem Nachbarn / jedoch mit dem Anhang /daß er es soll mit Beschwerung seines Gewissens (welches er auch durch einen und andern Freund kan erinnert werden) annehmen / welches ihm sagen werde / daß dieses nit sein Pferd / sondern ein andres /welches dem seinen gleich seyn möge / etc.
5. Wann nun das Urtheil Leib und Leben betrifft /so pflegen die Unschuldigen zu Zeiten ihre Richter /oder Ankläger / in den Thal Josaphat zu laden / oder für den Richterstul GOttes erscheinen heissen / wie hiervon hiebe vor und in dem Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte gehandelt.
6. Das Blut deß gerechten Abels schreyet zu GOtt (1. Mos. 4.) die Wittben schreien zu Gott / und Er erhöret sie und hilfft ihnen / daß auch nit die Straffe der Ungerechtigkeit über einen / sondern über ein gantzes Land und ein gantzes Volck außschläget. Wann der ungerechte Richter [Luc. 18/2/3 4. 2. Mos. 22. 22. 23.] die beschwerlich klagende Wittib gerettet / wie solte dann Gott der gerechte Richter nicht retten / und zwar bald / dann auch mit dem Verzug der Gerechtigkeit / grosse Ungerechtigkeit verknüpfet ist. Hiervon redet der Apostel (Thess. 2/6.) Niemand greiffe zu weit (überfahre die Schrancken der Gerechtigkeit) noch vervortheile seinen Bruder im Handel / dann der Herr ist Rächer über das alles.
7. Weil nun Gott ein Rächer od' Richter ist / aller derer die böses thun / wie er in der H. Schrifft beschrieben wird / können die sonst alles Trostes beraubet sind / seine Gerechtigkeit billich anschreyen / und ihre Verfolger in den Thal Josaphat beruffen / und mit den Heiligen in der Offenb. Joh. ruffen (c. 6. v. 10.) HErr du heiliger / unn warhafftiger Gott / wie langrichtest du / unn rächest nit unser Blut / an denen die auf Erden wohnen.
8. Es wird aber der Thal Josaphat für Gottes Richterstul benennet / weil der Prophet Joel denselben /als einen Richterplatz bestimmet in folgenden Worten: So spricht der Herr / ich wil alle Heyden [Verfolger und Tyrannen] in das Thal Josaphat hinab führen /und wil mit ihnen daselbst rechten / von wegen meines Volcks. Und meines Erbtheils Israel / [359] daß sie unter die Heyden zerstreuet / und sich in mein Lob getheilet / etc. und v. 12. Die Heyden werden sich aufmahnen / und herauf kommen zum Thal Josaphat /dann daselbst wil ich sitzen / zu richten alle Heyden um und um / etc.
9. Das Hebreische Wort Josaphat heisst so viel /als deß Herrn Gericht / od' der HErr ist Richter / und hat der Thal von diesem König den Namen bekommen / weil er einen herrlichen Sieg wider die Amoriter darinnen erhalten (2. Chron. 20. v. 22. 26.) und ist gelegen unferne von der Stadt Jerusalem / unter dem Oelberg / durchflossen von dem Bach Kydron / da man dem Höllenteuffel Moloch die Kinder lebendig geopfert / wider Gottes Verbott / und hat in solchem Thal der König Josaphat sein Begräbnis gehabt.
10. Hierüber ist nun viel streitens / und sind die meinsten Gelehrten einstimmig in dem / daß durch den Thal Josaphat das jüngste Gericht verstanden werde / in welchen der Herr aller Herren richten wird /nach seiner grossen Gerechtigkeit. Gleich wie nun das ewige Jerusalen die Friedensstadt / die Christliche Kirche heisst: Also ist auch dz Thal Josaphat der Christlichen Kirchen Sieg- und Rachplatz / da alles Fleisch sein Urtheil anhören soll / unn die Vergeltūg empfangen / der guten und bösen Wercke.
11. Es ist aber sonderlich zu mercken / daß alle die unschuldig verurtheilte (welche mit andern unbewusten Verbrechen den Todt mögen verdienet haben) so sich auf Gottes Oberurtheil beruffen / und ihre Richter od' Ankläger in den Thal Josaphat geladen / zu bestimmter Zeit alldar Rechenschafft zu geben / niemals vergeblich geredet / sondern die Geladenen / durch den zeitlichen Tod / der mehrmals in Verzweifflung erfolgt / zu erscheinen gezwungen / deßwegen der Richter wol zu bedencken hat / daß er dergleichen Wort für ein Merckzeichen eines guten Gewissens halten / und sein Urtheil wider zurucke nehmen soll; massen andern / als unschuldigen Leuten vermutlich /keine solche Gedancken beyfallen.
12. Es sollen auch die jenige ihre Wort wol in acht nehmen / welche aus Geitz / eine Sache auf ihr Gewissen / auf ihre letzte Hinfahrt / auf leben und sterben nehmen / oder eine Sache an [360] dem jüngsten Gerichtstag zu verantworten erbietig sind: Ist ihr Hertz falsch / so wird gewißlich die Reue nit außbleiben. Die Alten haben auch zu beglauben / was sie nit beweisen können / das H. Abendmahl empfangen / oder solches mit dem Degen außgetragen / daher noch heut zu Tage das rauffen und balgen in Gebrauch ist. Schliesse also mit der alten Teutschen Sprichwört: Es ist besser unrecht leiden / als unrecht thun.
198. Der Glückstopff
(CXCVIII.)
Der Glückstopff.
Der Reichthum wird fůglich mit dem Zucker verglichen / er ist süß / schicket sich wol zu allen Sachen /und verderbet keine Suppen / welche aber deß guten zu viel thun / übermässig Zucker essen und Wucher treiben / dem wird es zu Gall und Gifft / daß sie erkrancken oder gar dahin sterben. Weil nun der Reichthum so Zuckersüß / ist kein Wunder / daß ihrer viel darnach gelüstet / und daß man auf alle Mittel und Wege gedencket / solchen zu erlangen. Unter solchen Mitteln ist auch eines der Glückstopf / oder Wuchertopf / welche die Töpffer herum führen / und sich darmit bereichern.
2. Ob solches zulässig / sind die Gelehrten unterschiedener Meinungen / über welche wir den verständigen Leser wollen urtheilen lassen / und sind die Ursachen derer / so diese Frage mit Nein beantworten /folgende.
I. Weil grosser Betrug mit vorgehe / die Waaren hoch angeschlagen / falsche Zettel eingestecket / und die darzu vereidet sind / selbsten hintergangen werden. Also hatte ein Landsfahrer einen ledern Sack /und Schachtel / Uhren / Pfeiffen / etc. und die beste Gabe war ein silberner vergülter Becher; für einen Zettel gab man einen Kreutzer / und wurden endlich alle die Zettel ausser deß Bechers / herauß gehoben: Als nun der Töpfler für einen Betrüger außgeschrien wurde / mit der Beschuldigung / daß der Zettel mit dem Becher nicht in dem Sack / wie er bejahte; hat er den Sack umgewendet / und gewiesen / daß der Zettel hinein geleimet gewesen.
3. II. Daß solches kein ordentlicher Beruf / sich zu nehren oder reich zu werden; massen die Wahren gegen Geld zu verkauffen / [361] wol zulässig / viel aber zu betrügen / und seines Nächsten Schaden zu suchen /ist gegen GOtt und Menschen nit zu verantworten. Wann auch jemand reich darauß werden solte / so ist doch der Fluch in solchem Geld / und wird es gewiß nicht auf den dritten Erben kommen.
4. III. Weil es in Käyserlichen Rechten verbotten /in dem das Spielgeld / so durch Glück allein verlohren wird / als ein unredlich gewonnenes Gut wieder zu geben. l. 1. ff. de alcæ lusu, & aleatoribus. l. 1.fil. familias.
1. ff. de qua re actio non danda, absonderlich aber in d. advent. alearum lusus & per Bald. in 161. de condict. ob causam. Wie auch im Sachsen-Recht. art. 101. Weil aber ein Glückstopf ein solches Spiel / da man viel ein / und nichts herauß hebt / verbleiben solche Töpflerherrn gehalten / den ungerechten Wucher mit Zacheo zu erstatten / welcher auch allen Judenwucher übertrifft.
5. IV. Ist der Betrug nit nur in der Art zu verkauffen / sondern auch in den Wahren selbsten / da man so gar lebendige Pferde / der man sonsten nicht loß werden kan / und auch wol Menschen hinein setzen /als zu Cölln geschehen / daß ein solcher Töpfler seine schöne Tochter in das Spiel gesetzet / der Hoffnung /so viel mehr zu gewinnen / wie dann auch geschehen. Es ist auch solche letzlich von einen Obersten / der viel 1000. Thaler deßwege in den Topf geworffen /diesen Zettel zu finden / herauß gehoben worden / der Töpfler hat ihm den Zettel wieder abkauffen wollen /er aber wolte die Tochter haben / und kamen deßwegen für die Obrigkeit / welche dem Töpfler auflegte /dem Obristen die Tochter zu überlassen / unn ihme daß er sie ehelichen solte bemüssiget / wie erfolgt /und leben beede noch heut zu Tage.
6. V. Weil aus solchen Glückstöpfen viel Unglůcks entstehet / fluchen / schänden / Todschlag / Nahm und Plünderung / daß also eine Christliche Obrigkeit solches Unheil zu vermeiden / und den Blinden und Unverständigen / diesen Stein deß Anstosses und Verlusts Gelegenheit nit verstatten soll / ja mit gutem Gewissen nit verstatten kan / weil die meisten müssen betrogen werden / ob sie gleich darein willigen / wie ein Wucher / Hurerey / unzulässige Spiele und andre(contractus malæ [362] fidei) unredliche Händel / da beederseits Emwilligung die Sache nicht zulässig machet.
7. Welche nun mit dem Ja Wort / den Glückstopf verfechten / sagen I. Daß es darbey redlich müsse zugehen / ohne Ubersetzung der Wahren / welche geschätzet und beschrieben werden / daß so wol der Töpfler / als der Geld hinein leget / Gewinn und Verlust zuerwarten hat.
8. II. Daß der Glückstopf bestehe in kauffen und verkauffen / in dem nemlich der Töpfler seine Wahren / oder derselben Hoffnung verkauffe / gleich wie ein Vogler einen Tag auf seinem Vogelgesang / oder der Fischer einen Wurf deß Netzes verkauffe / ob man nun viel oder wenig fängt / das ist dem zu wagen / der sein Geld hinein leget / und zwar freywillig / ohne Zwang / mehrmals aus Geitz / viel herauß zu heben /wann er nun seiner Straffe mit leerer Hoffnung abziehet / so kan er niemand die Schuld beymessen / als ihme selbsten.
9. III. Ist der Töpfler nicht gehalten / wegen zufälliger Sachen Rede ünd Antwort zu geben; Wann er keinen Betrug treibet / so hat er ein gutes Gewissen / und muß der / so flucht oder hadert seine Sünde tragen /die er nicht zu verantworten / und findet sich dergleichen auch bey andern kauffen und verkauffen / wann die spate Reue kommet.
10. IV. Ist solches heut zu Tage bey vielen wolbestelten Regimentern gebräuchlich / und werden von dem Gewinn / an etlichen Orten in Niderland / die Spitäle unterhalten. Alles obige kan mit Warheit gesagt werden / von dem Gauckelsack / welches bößlicher Gewinn niemand gut heissen kan / und siehet man / daß solche Leute arme Gesellen verbleiben /weil sie leben; massen wie gesagt / kein Segen darbey. Viel ein anders ist es mit redlichen Glückstöpfen.
11. V. Gesetzt aber / es werden die Wahren höher gesetzt / und der weissen Zettel so viel hinein geworffen / weil die Unkosten / so darzu erfordert werden / mit eingerechnet; so ist doch leider bey einem jeden Krämer der Gebrauch / daß er seine Wahren so hoch verkauffet / als er kan / und trachtet / sonder Verletzung seines Gewissens / an einem zu gewinnen / was er an dem andern verleuret. Wie nun keiner deßwegen bestraffet [363] wird / als kan auch eine solche Art /seine Wahren an den Mann zu bringen / von der Obrigkeit wol zugelassen werden.
12. Es ist noch eine andre Weise der Glückshäfen /wann man mit einem um gewisse Kunststücke dinget / und eine Gesellschafft stehet zusammen / kauffet ihm alles auf das genauste ab / und spielet darein /also: Man schreibet in ein Buch die Zahlen und die Namen deren / so einen Antheil oder Zettel erhandelt; dann hat man in zweyen Schachteln zweyerley Zahlen / deren die eine die Zahl deß Zettels / die andre die Zahl deß Stücks ist / diese hebt man zugleich herauß /und also verkauft der Töpfer alle seine Waaren zugleich / daß er darmit zu frieden seyn kan. Will ihm die Gesellschafft / dieselbe hoch anschlagen lassen /welches aber selten geschihet / so ist der Gewinn so viel grösser.
199. Der versuchte Mahler
(CXCIX.)
Der versuchte Mahler.
Der Satan wird fůglich einem Mahler verglichen /welcher nach der Sehekunst den Tod entfernet mahlet / welcher doch nahe bey uns ist. Dieser listige Mahler bildet uns die Eytelkeiten dieser Welt mit falschen Farben vor / und versuchet dardurch die Einfältigen /kan er darmit nichts außrichten / so erschrecket er uns mit viel Greuelbilden / wie auch aus nachgehender Geschichte / so sich zu Lübeck zu getragen / zu vernehmen seyn wird.
2. Ein ehrlicher und frommer Mahler Namens Osswalt Stimmer pflegte den bösen Geist sehr abscheulich unn häßlicher / als sonsten zu mahlen: deßwegen erscheinet er ihm in menschlicher Gestalt / und bedraut ihn / daß er jn nit verstellen / und anderst / als sonsten mahlen solte / wann er nit wider alles übel von ihm erwarten wolte / im widerigen Falle aber wolle er sein Freund seyn.
3. Der Mahler erstaunte erstlich über dieser unerwarten Bottschaft / betete und versicherte sich / daß er ein Kind Gottes / mit welchem der Teuffel nichts zu schaffen hätte / gedachte auch nicht ihm zu gefallen zu seyn / wol wissend / daß er sonder Göttliche Verhängnis ihm kein Haar würde [364] krümmen können; unterliesse deßwegen nicht / diesen Seelenfeind so scheußlich als zuvor außzumahlen.
4. Was geschihet? Bey hellem liechten Tag verstellet sich dieser Bößwicht in deß Mahlers Person / und entnimmet bey einem Gewandschneider Tuch zu einen Kleid / mit versprechen es zu bezahlen / gehet damit auf deß Mahlers Hauß zu / und verschwindet; dieses laugnete der Mahler nachmals / mit verloben / man solte ihn / als einen Dieb an den Galgen hencken /wann das Tuch bey ihm gesunden würde / wie nachgehends geschehen / und das entwendete unter deß Mahlers Bette hervor gezogen / deßwegen er auch in das Gefängnis geführet / und peinlich über dieser That vernommen werden sollen.
5. Die Furcht der Marterbanck machte diesen Mahler bekennen / das er nicht gethan hatte / und wurde ihm wegen beschuldigten Diebstals ein Gerichts-Tag angesetzet / der ihn das Leben kosten solte. Zu Nachts kommt der Satan wieder / und versuchet ihn / daß er sich mit Leib und Seel an ihn ergeben solte / sowolle er ihn von dem schmälichen Tod erretten; Dann eben er ihn in diese Gefahr gebracht / etc.
6. In dieser Noth bliebe der fromme Mann beständig / befahle sich GOtt / und wolte lieber unschuldig sterben / als mit einem bösen Gewissen länger leben /wiese also den Verleumder ab / und vertraute GOtt /daß er ihn / wann er wolte / wol retten könte und würde / und wann er es auch nicht thäte / so wolte er doch auf ihn trauen / wie dorten die Söhne der Maccabeischen Mutter sagten.
7. Als nun dieser Versuchter besagter massen nichts außrichten konte / so erbietet er sich / daß er ihn loß machen wolle / wann er versprechen würde /ihn künfftig in erbarer und ehrlicher Kleidung zu mahlen. Dieses versprach der Mahler / als eine Mittelsache / die nicht wider sein Gewissen lieffe. Darauff führt ihn / weiß nicht wer / aus der Verhafft in seine Behausung / da er von Weib und Kindern mit Freuden empfangen wurde / jedoch mit Beding / daß er folgenden Tages nicht auß dem Hauß gehen solte.
8. Der Satan inzwischen stellte sich in deß Mahlers Gestalt [365] in das Gefängnis / höret sein Urtheil an / und gehet zwischen zweyen Geistlichen daher / wil aber sich zu keinem Gebett verstehen / sondern lässet sich an den Galgen hencken mit grosser Gedult / daß sich jedermann über diesen stummen Ubelthäter verwunderte.
9. Nachdem dieses geschehen / und die Leute von dem Hochgericht in die Stadt zurucke gekehret / finden sie den Mahler nach Mittag auf dem Marckt stehen / den sie an den Galgen hinterlassen zu haben vermeint / und auff zusprechen / wie es ihm ergangen / und wie er stehe und nicht hange / sagte er: der Teuffel mag hangen / und nicht ich.
10. Etliche lauffen wunderswegen mit dem Scharfrichter wieder zu den Hochgericht / und finden an statt deß vermeinten Diebs einen Schatten oder eine Spinwebe in deß Mahlers Gestalt / deßwegen sie deß Mahlers erzehlten Geschichte so viel leichter Glauben zugestellet / und Gott gelobt / daß er den Frommen in solcher Anfechtung erhalten / und dem bösen Geist nit zugelassen / den Unschuldigen zu verderben.
11. Dieser Mahler thate auch seinem Versprechen zu folge / was er in der Gefängnis gelobet / und mahlte den Höllen Mohren in deß Pabsts Gestalt / jedoch mit Hörnern neben der dreyfachen Kron / und mit einem Adlers oder Klauen-Fuß / daß er auf eines Sterbenden Seele wartet / mit der Unterschrifft; Hanc animam posco quam plenam criminibus nosco. Diese Tafel ist 1600. noch in dem Dum zu Lübeck / hinter den Chor gestanden / und hernach versetzet worden.
12. Zu Beschluß dieser Geschichte / setzen wir das alte Teutsche Sprichwort / welches saget / man soll den Teuffel nicht an die Wand mahlen / er komme wol ungebetten. Wann nun der beste Betrüger der beste Mahler / wie etliche wollen / so ist keiner über diesen Ertzschalck / der ein Tausentkünstler ist / und auch das Abwesende / und durch Muthmassung das kůnfftige weiß oder abnehmen kan / GOtt wird für dergleichen Versuchung in dem Vatter Unser gebetten / wann wir sagen: Für uns HErr nicht in Versuchung. etc.
200. Der kurtzweillige Postillon
1. Beschreibung eines Mysterificirten Singularisten
Geehrter Bruder /
Was du von Pantophilo zu wissen begehrest / wil ich kürtzlich berichten / und zwar nicht in meiner /sondern in seiner Latinisirten Teutschen Sprache. Demnach sich die Welt nit nach seinen verständigenconsiliis wil manechieren lassen / hat er das concilium privatū seiner haasirlichen Gedancken congregiret, und sich den gemeinen Wesen zu abdiciren (wieCarolus V. in dem Escurial.) entschlossen: privatiret also / jedoch daß er die Regiments-Händel noch mit dem lincken Auge anschielet / und sich bitten lässet um das Politische Pronosticon, welches er auf viel Jahre hinauß gestellet / weil jm die inquirenten so verdächtig / als die Spanische Inquisition selbst. Sein Sigillum silentii ist von Wax / wer allein mit jn redet / kan es durch Verwunderung seiner Qualiteten undExperientz leichtlich zerschmeltzen. Sein Hertz ist wie ein Jungfrauen cabinet, in welchen allerley Kinderpossen mit mysteriis, als etwas besonders verwahret sind. Manchem bläst er die offnen decreta in die Ohren / und verlieret lieber einen Zahn / als eine neue Zeitung. Was er promittiret, das soll man für fundamentiret halten / [367] daß man also seine Reden / wie Hebräische Buchstaben gantz hinter sich lesen muß. Er misset jedermann nach der Pariser Eln seines Verstandes / und lamentirt über Fürsten unnd Herrn / daß ihm keiner seine dubia abkauffen / und nach ihrer Würdigkeit remunerien wolle. Aber genug von derdiscretion dieses Narren / welcher sich mit innerlicher Traurigkeit vanitiret, er servire niemand / unn sey auch keines Dieners necessitiret, weil sein Ingenium antipathisire mit aller Servitud, und solte man auch die Dienstbarkeit der Armut darunter rechnen / welche sich in Patophili Beutel realisiret, da sich eine sich eine grosse privation deß Goldes befindet / daß er also an statt deß Regimentstabs den Bettelstab / jedoch unter dem Mantel seiner Schuldner führet / und sich zu beklagen Ursach hat / ůber der Welt Undanck / der nunmehr bancho Bezahlung ist / und über der Statisten imprudentz, die einen solchen Mann nicht zu respectiren wissen. Hiermit ende ich den Brief /und verbleibe.
Meines geehrten Brudern.
Verpflichter Dienen, Ohne End.
2. Trostbrief an eine Wittib
Hochbetrübte Frau.
Mich verlanget die grůndlichen Ursachen euer Traurigkeit zu erforschen / dann daß solche eures Mannes Absterben solte verursachen / kan ich / jedoch mit eurer Verlaubnis / nit glauben. Wie solte doch der Tod den angenehm und verlangen machen /welcher in seinen Leben / von jedermann gehasst und geflohen worden. Ich glaube meinen Augen nit / wann ich euch über eürem Glück weinen sehe / welches ihr bey seinen Lebszeiten Ursach gehabt / und haben würdet / wann er wieder auferstehen solte; weil aber solches nit zu befahren / könt ihr mit gutem Gewissen lachen / daß man euch wegen seiner nit mehr trösten darf. Was ist doch das Leidtragen nutze / welches euer gantzes Hauß / biß auf eure Hemder Nachtfarb /und euch so viel silber heller scheinen machet. Leget doch die Comœdianten [368] Kinder hinweg / und gedencket / daß man in Scharlach auch Leid tragen / und unter dem Trauergewand ein fröliches Hertz bergen kan. Ein stück Feldes 6. Schuhe lang / trägt euch 3000. Reichsthaler jährliches Einkommens: Man solte meinen / es wächsen Diamanten und Edelgesteine darauff / aber nein / es ist die Erden / darunter der Sarck so fruchtbar ist. Soltet ihr nun zu der Traurigkeit ein eingesetzter Erb seyn? Seyd ihr nun klug / so bleibt Königin bey eurem Wolstand / und untergebet euren Willen keinen Oberhaubt; Es habe so schöne Haare /als in der Welt zu finden. Ihr habt nunmehr erfahren /wie übel die Reichen zu vergnügen / daß sie auch ihrer Weiber Träume wissen / und über ihre Gedancken herrschen wollen. Aus solcher Dienstbarkeit hat euch eures Mannes Tod erlöset / und ihr weinet als ob die Zeitung von demselben und er wieder auferstanden / falsch were. Schließlich bitte ich diese wolgemeinte Erinnerung nicht übel aufnehmen / verbleibend
Euerer Tugenden.
in Ehrgebühr verpflichter Knecht.
3. Raht an einen der Lügen gestrafft worden
Vertrauter Freund.
In was Begebenheit ihr der Unwarheit beschuldiget worden / hab ich aus eurem jüngsten sattsam verstanden / und wil euch meinen Raht / zu Folg eures Begehrens / ohne Maßgebung / getreulich mittheilen. Erstlich habt ihr wol gethan / daß ihr euch gestellet /als ob ihr solches nit gehöret oder verstanden / dann mit stillschweigen kan man viel verantworten / und keine Antwort ist auch eine Antwort / wann man es auch für das ja Wort solte aufnehmen / und stillschweigen für ein Bekäntnis halten wolte; massen mir wol wissend / daß Lügen euer Latein / und man euch für einen Hochgelehrten darinnen hält / der den Lufft offt verfälschet. Dieses sage ich euch nit zur Schande / sondern / zum Ruhm nach / weil solche Art zu reden sehr nutzlich und nothwendig / und wann sie mit Verstand angebracht wird / ist es eine Tugend / die von vollkommener Welt Weißheit herrühret. Die Unwarhelt ist von Anfang der [369] Welt die stärckste gewesen /und hat von den klugen Gesetzgebern auf den Altar müssen gesetzet werden / das Volck durch Bildung falscher Götter in dem Zaum zuhalten. Zu dem haben die Priester allerhand Fabeln erdichtet / welche noch heut zu Tage hoch gehalten werden / und sind solche deß Menschen Verstand viel gemässer / als die Warheit / wie wir sehen an den Mahometischen Glauben /dem vielmehr bey pflichten / als der Christlichen Warheit. Man frage noch heut an dem Fürstenhöfen nach / ob sie nicht durch hoffen und harren (welches endlich auf nichts außlaufft) gehandhabt werden /daher ein Hofbescheid bey solchen unüberwindlichen Rednern für Weywasser gehalten wird / damit man die kommenden / und hinweggehenden besprützet. Die Feldherrn / die Rentmeister / die Juristen / die Artzneygelährte können sich der nothwendigen Unwarheit nicht entschlagen / und müssen ihre Regiementer / Ansehen / Treu und Glauben dardurch erhalten / und ihre Wort mit viel neuen Hilffreden / und Schein Ursachen zu bemänteln wissen; massen die Unwarheit wol bekleidet / und die Warheit entblösst zu gehen pfleget. Die Handwercksleute / die Verliebten / die Knechte und Mägde können ohne Lügenstab nicht durch das Land kommen. Man betrachte doch alle Höfligkeit / und sehe / ob sie nit mit Lügen überzuckert ist. Ein Wüterig wird gnädigst / ein Bucklichter wol geboren / ein Kauffmann hoch edel / eine Reiche die aller schönste / und eine Hur tugendsam tituliret / und dieses ist der Welt Sprache / daß man keinen Brief ohne Lügen mehr schreiben kan / in dem von dem Handküssen / Dienstverpflichtung / und den ergebnen Knechten / deren eines so gewiß als das andre. Ich wil nicht sagen von Abraham / der seines Weibes Ehre mit der Unwarheit errettet / noch von Salomo /der die Weiber mit dem strittigen Kind durch die Unwarheit außgeforschet / noch von der Judith / die ihr Vaterland mit der Unwarheit beschützet / sondern von dem Weltwesen in gemein / welches / wann man die Unwarheit und Eitelkeit darvon absondern solte /nichts oder wenig übriges haben würde.
[370] Diesem nach ist mein Raht ihr solt euch / wegen der Bestraffung eurer Worte / ferner nicht anmelden /sondern solche der Vergessenheit aufopffern / und damit ihr nicht glauben möget / ich gebrauche mich der Weltüblichen Wolredenheit / so sage ich / daß ich nicht seye
Euer
Dienstschuldiger Knecht.
4. Vrtheil von vorgesetzten Schreiben
Insonders günstiger Herr.
Was derselbe jüngsthin an N. gelangen lassen / zu Lob der Unwarheit / hat er mir / vermög unser Freundschafft zu lesen mitgetheilet / und habe ich fast nie keine so böse Sache besser verfechten hören / bin deßwegen gewillt meine Meinung / auf begehren /darvon zu stellen / und euch eines bessern zu berichten. Es ist zu wissen / daß unter dem Lügen / eine Lügensagen und die Warheit verschweigen / ein grosser Unterscheid. Lügen ist wann der Krämer zu seinem Nutzen / andre zu betrügen / einem eine schlimme Waar / für eine gute eingeschwetzet / und ist solches eine grosse Sünde. Wann man aber die Unwarheit saget / andern das Leben zu retten / wie dorten die Egyptischen Hebammen / bey Pharao gethan / und Gott ihnen (es seye von den Kindern oder Ammen zu verstehen) Häuser gebauet / scheinet es noch verantwortlicher. Also kan ein Artzt den Krancken / und ein Mutter ihrem Kind wol was fürschwetzen / wann es gleich sich nit also verhält und zu seinen Nutzen dienet. Die Lügen sagen / ist / wann ich unrecht berichtet worden / die Sache aus Irrthum nit recht verstanden /und sage es nach / da es doch erdichtet oder nicht befindlich. Die Warheit verschweigen / wan man auch deßwegen befragt wird / kan mit gutem Gewissen geschehen / wann sonderlich solche deß Königs oder Oberherrschafft Geheimnisse betrifft / wie dorten Tobias sagt / oder daß man deßwegen nicht gefraget wird.
Hierauß ist nun leichtlich zu schliessen / daß die Lügen / welche zu deß Nächsten Nachteil gelanget (dann sonsten solche [371] diesen Namen nit haben kan /) eine Sünde gegen Gott und gegen die Menschen: Gegen Gott / in dem ein solcher Lügner vermeint /Gott der aller Warheit Vater ist / kenne die Boßheit seines Hertzens nit / oder werde sie noch über kurtz oder lang bestraffen / welches sehr ruchlose Gedancken. Gegen die Menschen aber erweiset sich in der Lügen eine Furcht / Zagheit / und gedencket man den Neben Christen zu verleumden / oder sonst zu gefähren. Es muß auch eine solche Lügen ein grösseres Verbrechen seyn / als etwann Scheltwort welchen man wider Scheltwort entgegen setzet / auf eine Lügen aber gehört ein Maulschelle / nach dem alten Sprichwort / weil nemlich der Mund / welcher gesündiget /auch billich gestrafft wird / ob gleich solche Wort mehrmals von Unwissenheit / und nit von Boßheit herrühren. Der Teuffel ist der Vatter Lügen / und hat unsern ersten Eltern die Unwarheit vorgeschwätzt /wer nun sein Jünger ist / der wird billich von jederman verhasset.
Hierauß wird genugsam zu ersehen seyn / daß keine Lůgen zu sagen / und zu dergleichen schändlichen Beschmützung nit still zu schweigen / sondern mit allen Ernst in guten zu verantworten / wann man dergleichen beschuldiget wird. Verbleibe etc.
5. An eine sehr häßliche Jungfrau
Haut und Beinreiche Jungfrau.
Rühmet euch doch nit so offt eurer Keuschheit /dann kein Mensch mit euren Haut und Beinen eine Fleischliche Sünde begehen kan; sondern man würde es eine Knochen- und Beinsünde / oder eine Pein deß Fegfeuers nennen müssen. Wer solte oder wolte aber so unglückselig sehn / und ein solch Adams Rieb beflecken / welches im Paradiß mit Fleisch überzogen gewesen / nun aber in seiner ersten Gestalt erscheinet. Wann die Seelen eine Empfindlichkeit deß Leibs haben / solte sich die eure / wegen ihres harten Lagers billich beklagen.
Ich bilde mir ein / wie lang / wie schmal / wie subtil ihr seyd / und halt euch für die Linien / so Apelles und Protogenes gezogen dann euch ja die Künstler /welche die Flöhe an die Ketten legen / schwerlich fangen solten.
[372] Zarte Jungfrau / seyd ihr nit eine Latern gewesen? Ihr seyd ja so durchsichtig als ein altes Hauß / und so außgedorret / daß man eure Gebeine für Schwefelholtz gebrauchen könte. Nehmet eurer wol in acht /gehet in dem Schatten / daß die warme Sonne euch nit anzünden / und grosses Unglücke aus solcher Brunst erfolge / wann ihr sonderlich bey einem Zeughauß verbey gehen soltet. Für dem Wasser habt ihr nichts zu fürchten / dann ihr seyd so leicht / daß ihr nit könt unterfallen. Die Ichel und Stachelschweine sind glatter / als eure Haut / und greifft mit weniger Gefahr eine Dornhecken an / wie dann auch jüngsthin / sich einer in euer Kien / das er angerührt / verschnitten. Euer Mutter hat euch an einem Ladstecken ersehen /und ihr habt die drey Feinde menschliches Geschlechts überwunden: Das Fleisch ist von euch gewichen / oder nie bey und an euch gewesen / die Welt erschrecket und fürchtet sich für euer Gestalt; dem Schatten habt ihr nichts / als etliche Beine zu nagen überlassen. Ihr seyd deß Todes natürliche Schwester /und der Schlaf ist eurer beeder jüngster Bruder. So bleibet nun schön und eine Jungfrau / so lang ihr lebt / der Liebespfeil wird auf euren Gebeinen nicht hafften können. Führt euch der Wind nit hinweg so habt ihr keine Gefahr / weil ihr Schatten artig herum wallet; Aber nach eurem Tod werden die Kammacher /Beindrexler / Messerer und dergleichen Handwercker sich um eure magere Verlassenschafft reissen. Hiermit verbleibe ich
Euer
beflissener Warsager.
6. An einen Geitzigen
Wolfürnehmer (der alles für andern hinweg nimt) Herr. Eure Kranckheit (der Geitz ist eine Haubtkranckheit / welche stetig Sorg und Kopfweh machet) haben alle Arme nicht gerne vernommen / von welcher Schweiß ihr Pflaster über eure Schmertzen machet. Andre Kranckheiten pflegen ins gemein von einem bösen Magen zu kommen / ihr aber habt die Tugend eines guten Magens / der nichts wieder [373] giebt /was er zu sich genommen. Die Geld- und Wassersucht verursacht euch einen beharrlichen Durst / daß ihr euch mit Reichthum nicht ersättigen könnet / und werdet euch noch zu Tod nehmen; Ich sage nit ersättigen / dann viel ůber viel ist euch zu wenig / und wann ihr die gantze Welt hättet / so werdet ihr doch nicht vergnüget / man gebe euch dann noch 25. Gulden darzu. Was nutzt euch aber der schändliche Mammon? Ihr habt Kisten und Kästen voll / aber der Teuffel hat den Schlůssel darzu. Das Geld ist ja so sorgenreich / und muß man an das man hat / und an das man zu bekommen verhofft und verlangt / beharlich gedencken / so gar / daß ihr eurem Gewissen kein Gehör geben wolt / ob es sich gleich offt darum anmeldet. Ihr suchet also den Himmel in dem Koht / und müssen die kleinen Fischlein die Hechte groß machen /und seyd ihr wie der Fuchs / in der Fabel / welcher lieber den grossen Schwantz nach sich ziehen / als dem Affen ein Härlein darvon geben wollen / seine blöse zu bedecken / und sagt hiervon recht das Sprichwort: Wer den Schinder ein Bein an dem Aas hält / der scheuet sich nit / das Messer selbst in die Hand zu nehmen / und nachzuschneiden. Mein Herr /seyd doch euer Herr / und nicht deß Mammons Knecht / werffet von euch den Strang der Seelen: Dann in dem ihr eurem Reichthum mehr vertraut / als Gott / werdet ihr so arg als der Teuffel / welcher wie ihr / niemand gutes thut / noch thun kan / weil er ein Patriarch ist aller Bösen. Die der Satan also angefesselt / wie euch / kan man mit Warheit Gottloß nennen / dann sie bestehen nicht in der Versuchung / sondern fallen für dem Versucher nieder / wann er ihnen die Güter dieser Welt weiset / und zu geben verspricht. Die Kühe / welche die Philister an die Lade deß Bundes gespannet / waren kluger / als die Geitzigen zu seyn pflegen: Sie verliessen ihre säugende Kälber GOtt zu dienen / und waren ihrem Schöpffer gehorsam / die Reichen aber wollen deß Teuffels Laden nicht von ihrem Hause lassen. Ja sie saugen sich selbsten auß / und thun ihrem Leib nichts gutes / den sie sehen / wie solten sie [374] dann der Seelen guts thun / die sie nit sehen. Zu dem kurtzen Weg / welchen ihr noch zu leben habt / nehmt ihr einen gar zu grossen Zehrpfennig / und müsst ihn endlich lachenden Erben lassen; oder wolt Allmosen darvon geben / wann nicht ein Heller mehr euer ist. Der Reichthum ist die Kron der Weisen / sagt Salomo / aber solcher Reichthum muß von Gottes Segen / und nit von dem Wucher /welcher wie die prinner Karten 6. 18. und 7. 21. gelten machet / herkommen / und zu Gottes Ehren gebrauchet werden / sonsten wird aus der Kron ein Höllischer Pechkrantz. Aus diesem werdet ihr meine Meinung / von eurem Leben und Wandel genugsam verstanden haben. Schliesse hiermit / und bitte / ihr wollet mir verzeihen / daß ich nicht schöner schreibe; Zu einem solchen Gemähl gebraucht man solche Farben. Gott mit uns / dann mit euch wird er schwerlich seyn /biß er mit Zacheo das unrechte Gut wieder gebet.
Euer
Williger Freund N.
7. Lob deß Landlebens
Edler Herr.
Wie viel glückseliger das Land- als das Stadtleben seye / lässet sich viel besser würcklich erfahren / als schrifftlich verfassen. Der Mensch / welcher zu Betrachtung Göttlicher Wolthaten erschaffen / kan solche nirgend augenscheinlicher zu Gesicht bringen /als wann er von allen Hinternissen deß Stadtwesen entfernet / auf dem Lande zu morgens den Himmelstau auff die Kräutlein und Blümlein triefen siehet /daß sie gleichsam mit Perlen gezieret / und mit Silber geschmucket / der guldenen Sonnen Hitze erwarten /welche die schöne Tröpflein abtrocknet und ihrem Wachsthum gleichsā einkochet. Hierüber kan nun der Land mann fassen / und sich versichern / daß GOtt die Sonne der Gerechtigkeit alle unsre Thränen werde gleicher Gestalt abwischen / unn die Anfechtung ein End gewinnen lassen / das zu unsren Nutzen gereiche. [375] Alles was man in den Städten hoch und schätzbar hält / findet sich auch in dem Landleben mit mehrerer Freyheit versüsset. Die Speisen giebt die Natur aus ihrem Vorraht herfür / so viel reinlicher und gesunder weil sie die Arbeit wolgeschmackt machet. Die falbe Erd ist die Fund- und Goldgruben / welche die Stadt ernehren muß. Die wolriechenden Blümlein machen das angenehme Rauchwerck / das Wollen-Kleid trägt die Herde auf dem Rucken / und die Tischmusic schwiegelt der Schäffer seinen Lämmern. Aller Betrug ist unbekant / ausser deß Vogelstellers und Fischers; Aller Gewalt ist unbewust ausser deß Jägers Verfolgung. Ferners ist das Landleben eine Abbildung der ersten unschuldigen Welte / welcher sich Gott ohne Mittel geoffenbaret / und noch die jenigen mit guten Gedancken erfüllet / welche sich der Welt entziehen und in der Einsamkeit sich zu GOtt / durch ein andächtiges Gebet nahen. Ich erinnere mich / was jener krancke König gesagt: Ein gesunder Bauer / ist ein reicher Herr. Ich setze darzu / wann er seine Glückseligkeit erkennen könte / derselben nicht bößlich mißbrauchte / und durch solchen Mißbrauch sich deß Göttlichen Segens unwürdig machte. Schliesse also /daß das Landleben der Natur gemäß / und weniger Sünden zugethan / als das Stadtleben da man die Mittel zu allen Lastern suchet und findet. Dieses schreibe ich nach meiner Einfalt / und verlangte solches Leben noch viel begieriger / wann es mir nicht der Ehre beraubte E.G. zu sehen / und im Wercke zu beweisen /daß ich bin
Derselben
Dienstpflichtiger Knecht.
8. Verachtung deß Landlebens
Wehrter Freund.
Was derselbe von dem Lob deß Landlebens an mich geschrieben / muß ich zwar unterschreiben /wann ihr solches nur von der stillen Friedenszeit / und guten Wetter verstehet / daß ich aber ein so reicher Herr / als ein Bauer ist / wünschen solte / laß ich mich nicht bereden. Man kan in den Städten auch Gott gefallen / und ein erbares Leben führen / ja vielleicht [376] mit mehr Redlichkeit / als auf dem Lande / da die Armut vielmals eine Lehrmeisterin alles Unrechts unn Betrugs ist; massen man sihet / daß die Bauersleute ein verruchtes Volck / bey welchen wenig Gottesfurcht zu finden / deßwegen mit harten Straffen mehr bey ihnen außzurichten / als mit guten Worten.
Die Ergetzlichkeit deß Landlebens geniessen wir auch in den Gärten / welche die Bequemlichkeit der Stadt und die Erfreulichkeit deß Landes / zu schöner Wetterszeit ertheilen / und uns aus guter Gesellschafft nit setzen in die traurige Einsamkeit. Was Lust ist aber auf dem Lande? Man schauet dar ein par dürrer Ochsen / ein Herde stinckender Geise / einen zerrissnen Hirten hinter seinen kotigen Schweinen / eine zortige Baurenmagd in einer schwartzen Schlaffhauben /ihre beschleppte Kühe zu dem Hirten treiben / etc. Ist es Morgen so kan man wegen der Nässe nicht außspatzieren: ist es Mittag / so brennet die Sonne zu sehr: Ist es Abend / so ist der Lufft nit allezeit gesund: Die Vögel kan ich mit viel mehrer Bequemlichkeit in ihren Keffig singen hören / da kein Rab kracket /keine Grille grillt / keine Eule heulet / kein Rind muhet / kem Schaf bleckt / keine Immen summen /unn kein Kettenhund billt. Was soll aber die Kunstmusic gegen der bäurischen Haberpfeiffen seyn? Nichts so schlechtes kan mich belustigen / und es unterhält mich ein schönes Buch mit viel anständigern Gespräch / als alle grobe Bauren-Rilpen in dem gantzen Lande. Wird mich also niemand bereden / daß das Wasser auf dem Lande besser sey / als der Wein in der Stadt.
Diesem nach lasse ich / nach dem Sprichwort / den Bauren ihre Kirchweihe / und bleibe in dem Stand / in welchen mich Gott / und die Auferziehung meiner lieben Eltern gesetzet hat. Ich versichere mich / daß ihr andrer Meinung werden würdet / wann ihr nur 3. Tage pflügen / mähen oder dreschen soltet / welches euch den Lust zu diesem Leben leichter vertreiben könte /als mir die Begierde zu dienen. Hiermit verbleibe ich
Euer
williger Freund.
9. Warnung an eine stoltze Jungfrau
Hochmütige Jungfrau.
Ihr wolt mich nicht anhören und doch keine Gegnerin seyn für dem Richterstul der Billigkeit: Ihr wolt euch in keine Rechtfertigung einlassen / weil ich Kläger bin. Wol / ich weiß daß mich die Zeit bald rächen wird / welche anfängt / euch so viel Falten in das Angesicht zu ziehen / als ihr Augenblicke gelebt habt /und alsdann werdet ihr euch nit mehr einfältig nennen können / wann euch der Spiegel der Rathgeb eurer vermeinten Schönheit / mit Furchten auf den Augenschein fůhret. Die Jahre rauben alles dahin / was uns wolgefält / und werden eurer nit verschonen. Verzeihet mir doch diese Warheit / und glaubet daß ihr müsset alt werden / und zwar in dem Land der Welte / da die alten Jungfrauen häßlicher / als die schönen Affen zu seyn pflegen. Ihr seufftzet über dieser Nachricht /könt mir aber leichtlich glauben / wann ihr betrachtet / daß ihr alle Tage und Stunde näher zu dem Tod kommet / und nunmehr in dem ab- und nit in dem zunehmen seyd / und die Jahre herbey eilen / von welchen ihr sagen werdet / sie gefallen mir nicht / und ich gefalle nun niemand nicht.
Es ist die Sonne schön / wann sie untergehet / der Herbst ist lustig / wann er Früchte bringet / die Lampe brennet heller / wann sie außleschen wil; aber die veralten Weiber können noch schön / noch lustig seyn / noch einigen Glantz von sich geben. Wolt ihr nun mehr hören von künfftiger Niderlag eures Hochmuts? Die Röte auf euren Lippen werden alsdann die zarrenden Augen erlangen; der weisse Glantz eurer Stirn / wird alsdann den Mund besitzen: die schwartze Farbe eurer Augbrauen / wird an den Zähnen zu sehen seyn: eure Wangen werden unter das Kien und eure Brüste unter die Gürtel hangen / etc.
Studieret hieraus was ich euch zu thun / und befleissiget euch der Freundlichkeit und Demut / welche eine Grundfeste ist aller Tugenden; alsdann wil ich wieder kommen / und mich entschliessen / ob ich seyn soll
Euer
so Tags / so Nachts dienstbeflissner Knecht.
10. Antwort auf vorgesetzten Brief
Unverschämter Juncker.
Euren höflichen Brief muß ich kürtzlich beantworten / daß ihr nit vermeinet / ich gebe euch durch stillschweigen recht / und ihr habt gewonnen / eh das Spiel außgehet. Auf eine Klage gehöret eine Antwort. Ihr seyd einer von den Gesellen / die sich bey jedem Feuer wärmen wollen; die grosse Streiche fürgeben /ja wie die Maulwürffe an allen Orten aufwerffen / und die Weide verderben. Wer hat euch zu meinen Zuchtmeister verordnet? Ihr wolt mit mir viel Gespräche halten / mich zu unterweisen / da ihr doch ein Neuling in allen wolständigen Sitten / und habt von der Tugend reden hören / als von einen Feinde. Noch macht ihr euch ein grosses Ansehen / wie faules Holtz / das im finstern leuchtet / und nit 3. Heller wehrt ist Der Innhalt eures gantzen Briefes ist / daß ich / wie alle Menschen alten. Ist dieses eine neue Zeitung? Ist es was besonders / daß ihr deßwegen die Apothecken eurer Wolredenheit eröffnet? Jederman weiß es wann ihr schon still schweiget. Wann man eurem afsenteurlichen Gespräche nit wil abwarten / so muß man hochmütig und stoltz seyn? Wer die Veranlassung zu übler Nachrede vermeidet / der muß wild und Männerscheu seyn. Es ist aber gut / daß wir an einem Orte sind / wo man uns beede kennet. Das Alter mit welchem ihr mir drauet / wird mich so geschwind nit überfallen / als euch die Armut / und solt ihr wissen /daß ich keinen schlimmern Mann bekommen könte /als eben euch / welcher mir Hunger und Durst zur Morgengabe / und Mangel und Elend zum Heuratgut zubringen würde. Glaubt mir ich kenne euch so wol /daß ich euch nit üm ein löcherigte Nußschalen / oder üm einen faulen Pyrenstiel kauffen wolte. Ihr habt gewiß die alten Weiber sehr nahe besehen / daß ihr sie so wol beschreiben könnt / wünsche euch deßwegen für eure Bemühung / daß ihr ein solches Mütterlein / wie ihr in eurem Briefe abgemahlet / freyen müsset.
Studieret hieraus wie vertreulich ich es mit euch meine / [379] und wann ich euch selbst bey der Nasen / als einen rechten Haasen gezogen / so kommet wieder und meldet euch vergebens an / zu erfahren / ob ich nicht seyn werde eines tapferen Edelmanns / als ihr seyd /
Gehorsame Dienerin N.
11. Beständige Vertheidigung eines perfecten Ignoraten
Hochverständige Herren und wehrte Freunde.
Meine Sache kan für niemand füglicher als für euch ausgetragen werden / weil ihr / als aller Esel Befreundte / unter meine Anklage belanget / und ein günstiges Urtheil zu fällen erhebliche Ursache habt. Mir wird meine Unwissenheit aufgetruckt; ich kan derselben nit abredig seyn / und muß bekennen / daß ich täglich lerne / nichts zu wissen und zu verstehen; weil ich sehe / wie vielen Sorgen / Gefahr / und Beunruhigung die Gelährtsten Leute dieser letzten Zeit unterworffen / daß der weise Mann recht sagt; Viel wissen bringet Schmertzen / und der Apostel Paulus: Viel wissen blehet auf / das ist / machet stoltze Leute / der Stoltz aber und der Geitz sind die Wurtzeln alles Ubels / wie bekannt.
Hat nit die Begierd der Wissenschafft gutes und böses zu unterscheiden / unsre ersten Eltern aus dem Paradeis vertrieben: Hat nit das Verlangen zu wissen /wie es mit Sodoma und Gomorra ergangen / deß Loths Weib zu einer Saltzscheiben gemacht? Hat nicht Saul / zu wissen / wie der Streit ablauffen möchte / die Zauberin gefragt / und sich an GOtt versündiget? Unser Geist ist eine leere Tafel / der Grund der unschuldigen Unwissenhett / welcher zwar alles guten und bösen fähig ist / aber doch / wegen unsrer verderbten Natur auch das gute in böses verwandelt / und ist also die Unwissenheit älter und edler / als die nachgehende Wissenschafft / welche von der Verwunderung / der Großmutter alles Unverstandes / herstammet. Betrachtet man alle Künste in der Welt / so wird man finden / daß der Mißbrauch grösser ist / als der rechte Gebrauch / und weil der Frommen sehr wenig / welche sich solcher Gewissenschafft verdienen / ebrauchen sich die Bösen [380] ihrer Klugheit / zu ihrer eignen / und ihres Nächsten höchsten Schaden /wie nemlich ein Kind mit einem spitzigen und zweyschneidigen Messer / sich / oder andre verletzet / welches sie nit thun könten / wann sie rechte EselartigeIgnoranten weren. Wie dorten Job den Tag seiner Geburt verflucht / weil er viel Unglück erfahren müssen; also solten die Weisen alle Wissenschafft verfluchen / weil sie dardurch in alles Ungemach / ja oft in Seelengefahr gebracht werden. Was ist aber alle Wissenschafft? Eine Kunst / mit vielen Ursachen zu zweiffeln; welches daher zu beweisen / weil sich die Gelährten in keiner Sache vergleichen können / und wann sie gestritten / so gehet es auf glauben / wähnen und weinen hinaus / weilen die Ursachen / darinnen das Wissen bestehet / in allen natürlichen Sachen verborgen / und durch ihre Würckungen kaum von ferne bekannt sind. Wann die aller Hochverständigsten die Warheit sagen wollen / so müssen sie geständig seyn /daß sie Nichts wissen / gegen dem zu rechnen / was sie noch erlernen könten. Die Wissenschafft der Laster ist viel schädlicher gewesen / als die Unwissenheit der vermeinten Tugenden. Woher kommet doch alles Unheil in der Welt? Gewißlich von der Wissenschafft der Ketzer / von Streit und Zwist der Hochgelährten / von den Ehrgeitz und Stoltz der Klügling. Hingegen sind die Ignoranten die Patriarchen deß Friedens / die in Glauben sonder Wissen und Einfalt ein gutes Gewissen haben / ihr Leben in Unschuld und stiller Ruhe zubringen / nit erfahrend den Last /welchen die Wissenschafft aufzubürden pfleget. Diesem nach verhoffe ich / ihr werdet mich bey meiner Unwissenheit schützen und handhaben / welche sich auch so weit erstrecket / daß ich nicht weiß / ob ich bin
Euer
zuversichtiger Diener.
12. Neu Zeitungen - aus dem Frantzösischen Galimatias, oder Coqa l' asne
zu Teutsch.
Reim dich Bundschuhe.
[381] Den 31. Hornung.
Es ist in dem Lufft ein Schwein gesehen worden / mit einem türckischen Bund / und als solches eine Helleparten über die Axel genommen / ist es in einem marmolsteinern Feigenkorb darvon geschwommen / da die Frösche viel Gänse aus dem Rachen gespeiet / und die Hunde zweyköpfig worden / wie die dreyfüssigen Adler.
Nach diesem kam aufgezogen ein Greiff / wie eine Pfauenfeder / welcher für sich hertragen liesse den Berg Pelium / damit ihn die Sonne nit verbrennen könte / und hinter ihn zogen vier Meiländische Affen den Olympum. Dieser Greiff hatte eine Magnetische Tugend die Beutel zu purgiren wie Rabarbara / und halffe keine Passauerkunst für seinen Feuerspiegel /daß er auch keine Unterschied hielte unter Privat-Personen / und bravat Kronen. Aber Pantagruel hatte verbotten / man solte zu selber Zeit auf kein Papier von Kreutzkees schreiben / der durstigen Weinsucht zu entfliehen / weil der Priester Johannes ihm eine Schreibstuben von Pantoffelholtz bauen lassen / an statt eines Magenpflasters / und hat er die Nasen zwischen den Wangen / damit seine Augen / auf die möchten acht haben / welche man ihm mit einem Zuckerrohr wollen abschneiden / damit die hinckenden auf wolbeschlagnen Pferden reiten solten / und ohne Brillen lesen diese Wort: Die kurtze Thorheit ist die beste. Zum Beschluß setzet man diesen Gordianischen Knopf zu dem neuen Regenmantel ohne Alexandrinisches Schwert aufzulösen.
Ihrer drey mit grossen Hauben / hatten drey gebratne Tauben. Jeder 1 ass die sein' in Ruh' / und pflegt auch den Trunck zu lieben: aber sagt wie geht es zu / daß zwo Tauben überblieben? Wer das Rähtsel kan errathen / dem wird man vier Tauben braten.
ENDE.
1 est Nomen Proprium.
[382] Anhang
Scharffsinniger Hoffreden / denckwürdiger Sprůche / artigen Fragen / und darauff wol gefügten Antworten / erfreulichen Schertzen und etlichen kurtzen Erzehlungen
[383]Anhang.
Scharffsinniger Hoffreden / Fragen / Antworten und kurtzen Erzehlungen.
Summa 24. Stunde / als nemlich der Tag- und Nachtszeit. Hierzu setzte ein andrer die Wort der Schrifft: Weh denen / die aus Finsterniß Liecht / und aus den Liechte Finsterniß machen: Er wolte sagen /die mehr Stunden übel / als wol anwenden.
102. Die Hof-Creaturen / oder Hoffgeschöpffe sind solche Leute / welche aus nichts Viel / und aus Staub und Aschen zu Gefässen der Ehren gemachet werden /jedoch also / daß sie leichtlich zerbrochen / und wieder zu nichts gemachet werden können.
103. Einem Zahlmeister schriebe man über seine Thüre date & dabitur vobis: Gebet so wird euch gegeben; dann wer bezahlt seyn wolte / musste ihm zuvor die Hände salben / oder vielmehr füllen.
105. Wann man einem die Warheit nach saget / so zu seiner Schande gereichet / so verdrüsset es ihn. Wann aber solches nicht war / und eine Verleumdung ist / so schmertzet es ihn nicht: Gleich wie ein zerbrochenes Glied wann es angegriffen wird / Schmertzen verursachet / ein gesundes aber kan sich wol betasten lassen.
106. Ein Catholischer und Evangelischer streiteten üm den Vorgang / da sagte einer / sie solten den Calender lassen Richter seyn / in welchem der Papisten Tage vorgiengen.
107. Einer versprache einem ein par Sporn zu geben / und thäte es nicht / deßwegen er ihn mit diesen Worten [384] mahnte / der hält mich nicht für sein Pferd / dann er gibt mir die Sporn nicht.
108. Die Italiäner trincken wie die Bestien / nur so viel als sie mögen. Die Teutschen aber trincken den Becher der Frölichkeit / als Menschen die Sinn und Verstand haben / deren die Bestien nicht fähig sind.
109. Bileams Esel hat nicht geredet / sondern seine Eselin / und diese hat auch nicht geredet / fragend: Bin ich nicht deine Eselin?
110. Das Fieber ist ein Schorstein Feger / welcher den Ruß in deß Menschen Leib anzündet / und ausbrennen lässet.
111. Einer sagte zu seinem Diener: Du weist / was ich verspreche / das halt ich. Ja / das ist meine Klage /antwortete der Diener / Ihr haltet es / da doch für mich besser were / daß ihr es von Handen gebet.
112. Ein alter Dr. Herold genannt / sagte / ein Fürst sey ein Fuchs / der eine Ganß / (einen Landsässen) in den Maul hätte / etc.
113. Wann die Wundärtzte sagen / sie wollen den Schaden aus dem Grund heilen / so verstehen sie ihren Schaden / aus deß Krancken Beutelgrund.
114. Etliche Hochgelährte machen ihre Fürsten Esel fůr die Pferde kauffen.
115. Wer mit groben Leuten schertzet / muß grobe Wort hören / und soll gedencken / gehe hin sündige (mit deinen Munde) hinfort nicht mehr / daß dir nicht ärgers wiederfahre.
116. Von einem Geitzigen wurde gesagt / er were ein starcker Held / dann er behalte alles / was er in die Hand bekomme.
117. Es wurde einem ein Rab für ein Rephun vorgesetzet: Als er nu davon geessen / und sehr damit vexirt worden / sagte er: Es ist ja besser / ich habe von dem Raben geessen / als wann der Rab von meinem Fleisch gefressen hätte.
118. Zweyen ungleichen Eheleuten mahlt man an die Thür / zween die einen Last an einer Stangen tragend / die Rucken gegen einander wendeten mit der Obschrifft deß Hauses Zeichens: Zum Mißverstand.
119. Einer konte an eines unverständigen Jünglings Namen [385] nit kommen / und sagte / er heisset wie das Bild / welches die Kinder Israel angebettet / und darum getantzet haben.
120. Es fragte einer was ein Baurendegen auf Lateinisch hiesse? Der andre sagte / Coloniensis: Coloni ensis.
121. Der Poet Frischlin hat einen solchen lächerlichen Vers gemachet;
122. Wann auf offentlichem Marck ein Bette stünde / und in demselben eine Hur läge / woltest du wol dich für jedermans Augen zu ihr legen? Fragte ein alter Mann einen frechen Jüngling / der dann mit Nein geantwortet. Wol / sagt er ferner; Warum scheuest du dich dann nit für den Augen Gottes und für allen Engeln / für welchen nichts verborgen ist / da du dich doch für sterblichen Menschen schämest.
123. Es kame einer zu hohen Ehrendiensten / und berichtete solches seinen Freund / der ihm antwortete / daß er sich wegen seiner darüber sehr betrübe / weil er dardurch einen vertrauten Freund verlohren / wol wissend / daß die Freundschafft unter so ungleichen Standspersonen nicht bestehen könne.
124. Der Neid ist deß Glückes Schatten / und das Geld der Wollust Speise.
125. Ein Mensch gleicht einem Schwein / nach der innerlichen Beschaffenheit seines Leibes: Dieses aber stösset den Rüssel in Koht / Mist und Lachen / zu der Zeit und Unzeit / und bekommt ihm wol: Der Mensch kan es auch thun / es bekommet ihm aber übel / und wann es offt geschihet / so wird er satt und kranck.
126. Das Gebett ist deß Glaubens Tochter / aber eine solche Tochter / welche ihre Mutter ernehret.
127. Etliche erwecken alte verstorbne Wörter / und vermeinen sie thun grosse Wunderwerck; aber niemand wil sie verstehen.
128. Die Demut ist ein Demand oder Diamant in Bley gefasst / welcher deßwegen seinen Schein und Wehrt nicht verleurt / sondern viel herrlicher seinen machet.
[386] 129. Ein Student hatte bey seinen Büchern viel Kartenblätter liegend / und als ihn sein Vatter deßwegen schalte / sagte er / daß er solches wegen der Mäuse thut / damit sie die Karten / und nicht seine Bücher fressen.
130. Die Lügen müssen gleich seyn den Schachtel Futtern / welche sich alle wol ineinander schicken /und verbergen lassen.
131. Einer wolte sagen / daß er partes bey einer Jungfrauen / wolte aber gut Teutsch reden / und sagte: Er hätte gute Gesangbücher bey N.N.
132. Ein Schmied hatte ein heisses Eisen hingeworffen / und solches hebte ein Unverständiger auf /und verbrennte die Finger; Der Schmied sagte / daß er zuvor solte darauf gespeyet / und es mit dem Speichel gekühlet haben / er bedanckte sich dieser Erinnerung /und als über Tisch die Speise zu heiß war / speyte er auch darein / selbe zu kühlen.
133. Ad fuscum tace (zu Braunschweig) venduntur pulchra caveto (verkaufft man schöne Hüte.)
134. Es wolte einer sagen / sein Bruder were einphlegmaticus, und müsste aber noch ein [el] darzwischen haben / daß er also machte einen pfleg (el) maticum.
135. Ad corpus capra (zu Leibzig) venduntur bonastà pellis (kaufft man gute stehfell / für Stiffel.)
136. Ein ungelehrter Doctor ist wie ein falsches Camisol / oder Unterwambs / das von aussen Sammet und Seiden sehen lässet; inwendig aber von Zwilch oder Futtertuch ist.
137. Ihr zween wolten wegen einer Jungfrauen balgen: der dritte machte Fried / und sagte / daß diese Sache nit mit dem Eisen / sondern mit Silber und Gold auszutragen; die Jungfrau were wie ein Waage /deren Hände die Waagschalen / welcher nun unter diesen beeden am meinsten einlegen würde / zu deme werde sich das Zünglein neigen.
138. Einer sagte / wir haben gestern lang in die Zähne gestiret. Der andre verstunde es nit / und sagte / er hätte ja keinen Zanstierer gesehen: Er liesse sich aber berichten / als er hörte / daß der Wein der Zahnstierer / welcher viel und fast alle Zähne zugleich reiniget.
[387] 139. Ein Weib die das Meisterlied in dem Hause zu fingen pflegte / sagte: Es gehe wie es wolle / so verbleibet doch mein Mann das Haubt seines Huts. Er ist verliebt / wie ein gemahltes Feuer. Wie in dem Paradeiß der Mann dem Weib gefolget / in dem Stand der Unschuld / also bleibt es noch darbey / daß der Mann thut / was das Weib wil / es sey ihm lieb oder leid.
140. Einen Einbilder verglich ein verständiger Mann mit einem vieleckigem Steine / der vielmehr Platz in einem Gebäu erfordre / als er ausfüllen könne.
141. Ein Edelmann spatzierte mit seiner Liebsten in das Dollhauß / da die wahnwitzigen Narren verschlossen werden / und fragte eine Närrin: Ob sie dieses Frauenmensch nicht kennte? die Närrin antwortet: Nein / dann / sagte sie / ich komme nicht von dem Hurhauß.
142. Es las einer unter der Apostel Bildern Jacobus Major, und sagte / er hätte nicht vermeint / daß unter den Aposteln auch Oberste Wachmeister weren.
143. Einer rühmte sich / daß er viel trincken könte und es schadet ihm nicht. Der andre sagte / daß er einen Harnisch / Brust- und Ruckstuck habe / das seye Schußfrey; wann man es aber mit einem Feldschlänglein trifft / oder drey oder mehr Schuß auf eine Kugel treffen / so könne es nicht aushalten. Der erste sagte / daß solches wol zu glauben. Warum vermeinst du dann / versetzte der andre / daß du stärcker seyst als Stahl und Eisen / in dem der Wein deinen Magen so vielfältig und starck betriefft.
144. Einer sagte / die Armut wäre zu Rom eine Todsünde: Bey uns auch / antwortet der andre / dann die Leute sterben an der Sünde (verstehe verhungern) aus Armut.
145. Der Tacitus ist der Politicorum Psalterbuch /sie finden alles darinnen / was sie bedörffen.
146. Ein Sprachmeister hatte einen Lehrling / der nichts lernen wolte / doch machte er ihn dieses endlich fassen: plus penser que dire. Es ist sicher oder gut mehr gedencken / als sagen: Wann er nun in Gesellschafften still schwiege und [388] von andern aufgemuntert wurde / sagte er diesen Spruch / und wurde deßwegen für verständig gehalten.
147. In Niederland sahe ein Bauer einen Papegey üm 200. fl. verkauffen / und fienge einen Raben / trug denselben zu Marckt / unn bote ihn üm 500. fl. weil der kleinere Vogel 200. gekostet / als man ihn nun berichtet / daß der Rab nit reden könte / wie der Papegey / wol / sagte er / dieser hat so viel unn mehr in dem Kopf. Nein / antwortete der andre: Was nit spricht / das gilt nit. Dieses erzehlte einer / als man ihn fragte / was er von einem Gesandten hielte / der sehr wenig zu reden pflegte.
148. Es sahe einer einen Indianischen Haanen / und seine Henne / daß sie sich brüsteten / und alle ihre Federn um sich streckten; Dieses verdroß ihn sehr / daß diese Thiere so stoltziren und prangen solten / war auch in willens sie zu würgen; Es hinderte ihn aber sein Freund unn sagte: Was gehet doch dir darunter ab oder zu / wann diese Vögel ihr Zier sehen lassen? Er sagte: Nichts nit / aber warum sollen diese unvernünfftige Thier also daher prangen? Der ander versetzte: Eben darum / weil sie ohne Vernunfft sind /dann verständige Leut wissen wol / daß die Hoffart bey Gott und den Menschen verhafft ist / und je grösser ihr Ehrenstand / je freundlicher und demütiger pflegen sie zu seyn. Es ist aber kein Wunder / daß diese Thiere mit ihren Federn also prangen / denn die Eigenschafft der Federn / und derer die sie führen / ist daß sie allezeit hoch fliegen wollen / wann sie gleich in ihrem Unvermögen auf der Erden bleiben müssen; Darum wirst du sehen / daß allezeit die mit Federn umgehen / stoltz sind.
149. Einer sagte / daß ein Verständiger einen Narren / und ein Nüchterner einen Trunckenen auf dem Rucken tragen [seine Ungebühr übertragen] soll. Der andre sagte / ja / sie müssen aber nicht so schwer / als du / seyn.
150. Der Herr Sparmund kaufft der Frau Wolleben ihr Hauß ab: Dies gienge noch hin / sagte der andre /sie hat aber eine Tochter die heisst: Giebs wolfeil.
151. Einer wolte einen fremden Edelmann loben /und hatte gehört / daß er an der Ottomannischen Porten gewesen / [389] dieses war ihm unbekant / und sagte / er were an der Adrimattischen Porten gewesen; Ob er aber in den Hoff gekommen / werde er selbsten berichten.
152. Zu einem vorsetzlichen Sünder der sich auf Gottes Barmhertzigkeit verliesse / sagte ein frommer Mann: Er machte die Gnade Gottes zu deß Teuffels Kuplerin.
153. Einer sagte: Verständige Leute erzörnen sich nit. Das ist war sagte der andre / dann so lang sie verständig bleiben / so erzörnen sie sich nit; Wann sie aber ergrimmen / so sind sie nicht verständig.
154. Ein Ertztruchses der zugleich Landrichter war / wurde von seiner Beyschläferin gebetten / er solte sie nach seinen Namen nennen lassen / wie andre Weiber. Er antwortete / daß seine Mutter noch in dem Leben / aber nach seinen Ambt könne sie sich eine Ertzhur / oder eine Landhur nennen / er seye darmit zu frieden.
155. Von einem der zu allen Sachen stillschweige /sagte einer: Wann dieser ein Thor ist / so thut er als ein Thor / daß er seinen Verstand niemals erweiset.
156. Ein Schertzdichter rühmte sich / er hätte folgende Bücher gelesen. Judæ Ischarioths Leichpredigt. Der Königin Cleopatræ Eheordnung / Gabriels de Plurimis. Der Philister Ars pugnādi. Moniacæ Augistini Mutter Spinnenwebwasser wider den Gifft. Deß Hohenpriesters Knechts Malchi abgehauenes Ohres Leichbegängniß. Goliaths Wiegen Lieder. Der alten Voigtländer Rechenkunst mit Tannzapfen / Stulgangi de Merda. Wunderbarliche invention eine Orgel von Sackpfeiffen an eine Windmühl / oder ein Wasserrad zu richten.
157. Viel lieben ihre Fůrsten / wie die Männer ihre Weiber / Ehren und Nutzens wegen / welches beeder der Haubtzwecke unsres thun ist.
158. Der Jugend erstes W. ist das Weinen / das andre der Würffel / das dritte die Weiber / das vierte der Wucher.
159. Fürsten und Herren gebrauchen ihrer Diener /wie die Mahler ihrer Pensel: Sind sie alt und ohne Haare / so werffen sie solchen in die Erden / und lassens liegen / gedencken auch nit einmahl / daß sie zu ihren Wercken dienstlich gewesen.
[390] 160. Die Welt ist Gottes Fußschämel / und wir Menschen sind der Staub darauff / welchen ein schwacher Wind leichtlich kan hinunter wehen.
161. Wer der Vätter deß Vatterlands Schande aufdecket / über den wird kommen der Fluch / mit welchem Noa den unartigen Cham beleget.
162. Die Weiber sind gleich den Mahlmühlen /man achtet ihrer / so lang sie mahlen und schroten können; und wann ihre Räder schwach unn mangelhafft / so können sie nichts als rumoren.
163. Die Verliebten leben länger / als andre Leute /dann sie schlaffen weniger: Der Schlaff aber nimmet einen grossen Tribut von unserm Leben.
164. Die Jungfrauen sind wie die Vögel / zu letzt lassen sie sich alle fangen.
165. Der Ehestand ist ein Irrgarten und eine Gefängniß / da man nit kan herauß kommen / als durch den Tod / der den Schlüssel hat / und eines nach dem andern heraus führet.
166. Ein grosser Mann vexierte einen kleinern mit seiner Wenigkeit / und fragte warum er nicht grösser seye? der kleine antwortete: Ich habe nur einen Vatter gehabt.
167. Einer sagte daß N. eine rechte hurtige Frau habe / deßwegen wurde er beklagt / und fragte den Richter: Ob man eine Hur nit dörffe ein Ehrliches Weib nennen? Der Richter sagte ja: Wol / sagte er /ihr seyd ein ehrliche Frau.
168. Man hat Ursach die ungesunden Gesundheits Trüncke einander zu gesegnen / dann kein Segen bey Verschwendung deß lieben Weins / und es dem Trinckenden sonder Wunderwerck nicht wol bekommen kan.
169. Es sagte einer / daß er sein Pferd lieber habe /als sein Weib (verstehe das Pferd liebt)
170. Die Kunstgelehrten stellen heimliche Werbungen an / und bringen viel Soldaten in Guldnen Kürassen zusammen / versteh Ducaten / oder Hertzogspfennige.
171. In dem die jungen Studenten erweisen wollen / daß sie viel Wissenschafft erlangt / lassen sie sehen /wie wenig [391] Verstand sie haben; Dann zwischen gelährt und klug seyn / ist eine grosse Klufft bevestiget.
172. Von einen viel schwätzenden und stoltzen Weibe sagte einer: Sie blecket als ein Kuhe / und wil angebettet seyn / wie das guldene Kalb / findet aber hier keine Abgöttische Israeliter.
173. Buchanan war von den Engeländern sehr angefeindet / als nun von dem König Jacob verboten /lange Degen zu tragen / liesse er ihm einen kurtzen Degen einer Spanne lang machen / und eine Scheide viel Schuhe lang. Seine Mißgünstige beklagten ihn /als aber der König sahe / daß er seine Feinde darmit schertzen wollen / hieß er ihn den Degen weisen / und sagte zu ihnen: Ihr müsset alle Fähler nicht nach eurem Augenmaß richten / und liesse sie darmit abgehen.
174. Es ist besser unter die Raben / als unter die Schmeichler fallen / dann die Raben fressen die Todten / die Schmeichler die Lebendigen.
175. Einer wolte behaupten die Weiber weren stärcker als die Männer / weil man nie kein todes Soldatenweib in dem Feld finden werde / aber viel Mannspersonen / die hinter den Zäunen sterben.
176. Die Feindschafft soll sterblich / die Freundschafft erblich und unsterblich seyn.
177. Das Gerücht ist ein schönes Gemähl / das einem beliebet / aber nit nutzet. Dieser Meinung sagt dort das Pferd in der Fabel: Was hilfft michs nun /daß ich in dem Wettlauffen das beste gewonnen / und allen andern vorgekommen bin? Den Tag hernach habe ich das Bein auf dem Eiß gebrochen / und kan nicht mehr geheilet werden.
178. Der Teuffel ist unsers Gottes Aff / und hat den Wein wollen nachmachen / da ist Bier daraus worden / Gott hat einen Menschen erschaffen / da hat er dergleichen thun wollen / und ist ein Aff darauß worden. Gott hat einen Soldaten erschaffen / und als auch solches der Teuffel nach thun wollen / ist ein Dragoner drauß worden.
179. Als Philippus der zweyte dieses Namens König in Hispanien einen Portugesischen Herrn sein Königliches [392] Kloster Escurial, darinnen die Könige wie Mönichen / und die Möniche wie Könige wohnen / wiese / und darbey erzehlte / wie er solches dem H. Märterer Laurentio zu Ehren erbauet / zu folge gethanenen Gelübdes / in der Schlacht bey S. Quintein / hat ermelder Herr zu etlichen Umstehenden gesaget: Auß dem grossen Gebäu / ist eine sehr grosse Furcht zu schliessen. Dieses ist hernach dem König angesagt worden / der ihm diese Rede gantz nicht mißfallen lassen / sondern solche für verständig gelobet.
180. In einer langwürigen Kranckheit sagte ein gedultiger Mann. Der Tod führet mich Fuß für Fuß zum Grab; So viel Schmertzen verursachen nur einen Tod.
181. Ein listiger Kopf fande Wege / bey einem bösen Schuldner bezahlt zu werden / deßwegen fragte ihn ein andrer / was doch für ein Weg an das Ort / da man das seinige könne bekommen? Er habe das gantze Wegbüchlein außgesucht / und könne es nit finden. Er antwortete / daß der Weg gar enge / und zween nicht neben einander gehen könten: Wann er zurucke gekommen (völlig bezahlet worden /) wolle er ihm die Freundschafft thun / und dahin weisen.
182. Die grossen Titel sind der Ehrsüchtigen Tabac / weil der Rauch darvon sie trefflich belustiget / ja ihnen lieber ist / als Speise und Tranck.
183. Die Weisen lernen mehr von den Narren / als die Narren von den Weisen; Dann jene nicht so klug /daß sie ihre Bescheidenheit beobachten / diese aber lernen sich von den übelständigen Sitten hüten.
184. Ein Graff und ein Rentmeister stritten miteinander / welcher der dickste unter ihnen / dann sie beede sehr leibig: Der darzu erwehlte Richter gabe diesen Anschlag: Der Herr Graff ist zwar dicker / der Herr Rentmeister aber ist vielmehr außgefüllet / und gleichet dem Vollmond / der seinen Silberschein hellstralend sehen lässet.
185. Die Ehrgeitzigen sind wie das Feuer / welches allezeit in die Höhe flammet / und lieber erlischet / als unter sich brennet.
186. Ein Jesuit gabe einem Bettelmönichen diese Frage [393] auf: Ob man auch mit einer Suppen ein Kind tauffen könte: Der Mönich sagt: Ja / mit unsrer / aber nit mit eurer Suppen / dann unsre ist nur Wasser / die eurige aber ist geschmaltzen.
186. Ein Wittber der zu der andern Ehe geschritten / sagte / wie es doch komme / daß man die Ersten Weiber nit so lieb habe / als die andern? Darauf antwortet ein altes Mütterlein: Die Ursache seye / weil die erste gestorben / die andre aber noch lebe.
187. Ein Frantzösischer Sprachmeister zu Straßburg / sagte zu etlichen Teutschen / die ihn mit trincken nöhtigen wolten: Ihr Herrn / ich wil euch mit fressen bescheid thun / wann ihr mir zusausset; so wird mir ein guter Kopf bleiben / ihr werdet morgen einen bösen Kopf haben.
188. Man nennet eine Ehre / wann man einem verständigen Mann also zuspricht / daß er / wie ein unvernünfftiges Viehe / nit weiß was er thut. Daß man muß einen Kübel herein tragen / wann er seinen Coral mit den grossen Noten singen wil.
189. Ein freches Weib sagte / sie wolte ihren Mann der sich mit dem Vollmond belustige / zu einem leeren Mond machen: Sie wolte sagen / Hörner auffsetzen.
190. Eine wichtige Handlung zu N. hat einer mit dem Thurn zu Babel verglichen / welchen man so lang aufgeführet / biß sie einander / aus gerechten Straffgericht Gottes nicht mehr verstehen können / da sie angefangen sich in alle Länder zu zerstreuen.
191. Bey Hoff gehet es zu / wie der Speißmeister auf der Hochzeit zu Cana sagt: Jedermā giebt zum ersten guten Wein / und wann sie truncken worden seyn / (wann man sich in Dienste eingelassen unn Hoffnungs voll daumelt) alsdann den geringen.
192. Einer der ein reiches Weib / die sehr häßlich war / genommen / sagte / er habe sie nicht nach dem Gesicht / sondern nach dem Gewicht gekaufft.
193. Als mit dem König Henrich dem vierten etliche Artzneyverständige zu der Päbstischen Religion getretten / hat der kluge König Schertzweiß zu den Rochellischen Gesandten gesagt: Es muß übel mit eurer Religion stehen / weil sie die Aertzte verlassen.
[394] 194. Es rühmte einer die Hispanier für weise und kluge Leute: Denen sagte der König / wil ich so viel Narren über den Halß schicken / daß sie aller Weißheit vonnöthen werden haben.
195. Einem Buler fiel ein Fluß von dem Haubt /daß er oft außwerffen müssen / und als ihm eine Jungfrau deßwegen befragte / sagte er: Warum solte einem bey einem so Delicaten Bissen das Wasser nit in den Mund kommen.
196. Es sagte einer / daß er N. auf dem Rucken verkauffen wolte: Er aber dich nicht / sagte der andre /dann niemand würde drey Heller üm dich geben.
197. Es gienge einer mit einer überauß grossen Nasen durch eine kleine Gassen / zu dem sagte ein andrer: machet Platz / daß der Nasen König hierdurch gehe kan! dieser Naso drehte mit der Hand die Nasen beseits / sagend: So gehe du frey vor / dann die Narren zahlen hier keinen Zoll.
198. Eine gar zu treuhertzige Dirne / wolte sich in der Fastnacht verkleiden / daß man sie nicht kennen solte; dieser gabe ihrer Bekanten einer den Raht / sie solte sich ankleiden als ein ehrliches Weib / so werde sie niemand kennen.
199. Etliche Soldaten hatten einen Mantel und den Degen genommen / deßwegen er sie bey dem Haubtmann beklagt / der ihm zur Antwort gabe / daß solche nicht von seinen Leuten gewesen / weil sie ihm Hosen und Wambs nicht würden gelassen haben.
200. Es sagte einer von einem gemahlten Ochsen /daß ihm nichts ermangle / als die Rede: der Mahler sagt ja: diesem mangelt die Rede und dir Verstand zu urtheilen.
Das dritte Hundert.
201. Etliche redeten sehr ůbel von ihrem König /daß er sie mit vielen Auflagen beschwerte / dieses kame dem König zu Ohren / darauff sagte er: Last sie üm ihr Geld reden / was sie wollen. Die Schatzkammer ist wie das Miltz / wann es sich aufblehet / so nimmet der gantze Leib ab.
202. Das theurste Wasser ist / daß der Wirt unter den Wein und der Schreiber unter die Dinten giesset.
[395] 203. Cosmus Großhertzog von Florentz pflegte zu sagen / daß man aus Gottes Wort wisse / wie man den Feinden verzeihen und vergeben soll: von den Freunden habe er aber nichts gelesen.
204. Es bate einer seinen Freund / er solte doch leßlicher schreiben / oder einen mit senden / der seine Briefe lese / oder sie selber bringe / und ihm fürlesen. Ein ander meldete: Wann ich schöner schreiben könte / so wolte ich den Herrn bitten / er solte seine Buchstaben mit mehr Gedult und erkantlicher mahlen.
205. Eine Jungfrau wurde gefragt / warum sie traurig were? Sie sagte / daß sie sich auf Rechnung schämte / daß an dem jüngsten Tag / alle Leiber / und also auch der ihrige / entblösset erscheinen müsste.
206. Einer hatte seinen Studenten 2. fl. geliehen /und der Student hat ihn deßwegen aller Orten geflohen / daß er ihm solche Schuld nit solle anfordern. Als er ihm aber auf eine Zeit nit konte entweichen /sagte er: Ich mercke wol / daß ich eure Freundschafft üm die 2. Gülden / die ihr mir schuldig / verkaufft /und das ist mir leid; Ich wil mich künfftig hüten / daß ich solcher Gestalt meine Freunde nit mehr verliehre.
207. Als die Soldaten aus einer Festung zogen /fragte ein Burger den Feldprediger / wann sie wieder kommen würden. Der Prediger antwortet: Wann eure Sünden werden seyn / als die unsern.
208. Ein neuer Edelmann sagte zu einem reichen Juden / der mit Seidenwaaren handelte / warüm er ein zerrissnes Sammets Kleid antrüge? Der Jud antwortete: Zu erweisen / daß ich es nicht gestern oder heute erst (wie ein neuer Edelmann) angezogen.
209. Einen Ubelthäter fragte man was er unrechts gethan? Das gröste Unrecht / sagte er / das ich gethan / ist / daß ich mich habe fangen lassen.
210. Einen guten Salat zu machen muß ein Freygebiger seyn / der das Oel schafft / ein Geitziger der den Essig gibt / und ein Artzt der allerley gute Kräuter zusammen suchet.
211. Zu Fonteneblau sagte Dom Petro von Tolledo / daß [396] alles wol gebauet / ausser der Kirchen / so zu klein und schiecht gezieret. König Henrich sagte darauf: Wir bauen unsrem Gott die Tempel unsrer Hertzen / ihr aber bauet sie von Steinen.
212. Ein versoffner Gesell sagte; ich habe so grossen Durst / daß ich mich noch werde zu tod trincken. Einer von seinen Dienern versetzte: Herr last mich mit euch sterben.
213. Ein Einäugiger sagte zu einem Krummrückigen / daß er frühe habe aufgeladen: Nein / sagte der Bucklichte / dich bedünckt es nur frühe / weil du nicht mehr als ein Fenster aufgethan.
214. Einer liesse über Tisch einen Wind streichen /in dem in ein heisser Bissen brennte: Als nun jederman lachte / sagte er; Dieser ist entloffen aus Furcht /er möchte sich verbrennen / wie meine Zunge / und habt ihr nie kein Stuck sehen loßbrennen? Wann man zu einem Loch das Feuer hinein stecket / so muß der Rauch zu dem andern Loch hinauß. Darüber wurde das Gelächter grösser.
215. Es hat sich ein Schalcks Narr mit ihrer neun zu Tische gesetzet / als sie aber sagten / daß über neun Gäste keine Mahlzeit seyn solte / und daß er zu viel etc. Darauff sagte er / man solte bey ihm anfangen zu zehlen / so werde nicht zu viel seyn. Diesem liesse der Gastherr in das Ohr sagen / er solte seinen Weg gehen: Dem Diener aber gabe er zur Antwort /es ist gleich viel / schenckt mir weissen oder roten Wein ein.
216. Es wurde ein Schreiber / wegen etlicher Fehler entschuldiget / weil er nit studieret. Ach sagte der andre / das heist beschuldiget und nicht entschuldiget / es ist besser nicht schreiben / als übel schreiben /und ist besser stumm seyn / als eine böse Zunge haben / dieses soll König Henrich IV. gesagt haben.
217. Als einer besagtem König klagte / die Jesuiten hätten ihm seinen Sohn in dem 15. Jahr seines Alters genommen / da er noch keinen genugsamen Verstand sein Leben anzustellen / es ist glaubig / sagte der König / dann sein Vatter ist viel älter / und hat noch nicht viel Verstandes.
218. Ein Barbierer fragte einen Bauren / was er ihm [397] geben solte / für das was sein Esel / der mit Holtz beladen / auff sich hatte? Der Baursmann fordert ein billiches / und als der Barbierer ab laden liesse /wolte er den Sattel darzu haben / weil solchen der Esel auf sich hatte. Hierzu verstehet endlich der Holtzführer / und kommet nach etlichen Tagen in die Barbierstuben / fragend / was er geben müsste für sich und seinen Gesellen zu barbieren / der Meister forderte zehen Kreützer: Als er nun barbieret war /führte er den Esel fůr seinen Gesellen hinein / darüber wurde bey allen anwesenden ein grosses Gelächter /und der Barbierer muste den Esels Sattel wieder geben / weil er gethanem Versprechen zu folge / den Esel sonst barbieren müssen.
219. Es sagte ein Mahler / daß die Ursache deß Erdbebens herkomme von dem Hercule / der diese runde Kugel / wie er gewiß von guten Meistern gemahlt gesehen / von einer Achsel auf die andre lege.
220. Ein guter Bruder sagte, Wann ich ein gutes Wasser hab / so laß ich das Bier stehen / und trincke Wein: bin ich bey einer Mahlzeit / so ist mein erster Trunck Wein / und darnach trinck ich kein Bier.
221. Ein Dieb der hencken solte / wolte wegen seiner Gesundheit Taback trincken / weil er doch die Nacht über unter den freyen Himmel bleiben / und den Flüssen unterworffen seyn müste.
222. Ein Dieb / den man hencken solte / bate / man solte ihm doch eine Ader öffnen / dann er ihm noch nie gelassen / und vielmals gehöret / die erste Aderläß rette vom Tod.
223. Ein Geitzhals draute seinem Diener / er wolte ihn lassen einstecken: Nur nicht in den Beutel / sagte der Diener / dann darauß ist nicht mehr zu kommen.
224. Es hatte eine Fraue einen Papegey abgerichtet / daß er alles nachsagen können. Als auf eine Zeit ein Artzt vorüber gegangen / hat sie dem Papegey sagen lassen: Hanrey / Hanrey. Der Artzt antwortet Euer Papegey muß kein gutes Gesicht haben / daß er mich für euren Mann ansihet.
225. Ein Landfahrer verkauffte ein Pulver für die Flöhe / und als er sehr viel verkaufft hatte / fragen ihn etliche Weiber / [398] wie man das Pulver gebrauchen solte? Ihr müst / sagte er / dem Floh den Mund auffthun / und ein wenig von dem Pulver hinein schütten /so wird sie sterben.
226. Es schändete einer die Artzneykunst / darwider sagte ein Doctor / was wilst du darvon sagen / du hast nie kein Artzney gebraucht. Ja sagte er / hätte ich sie gebrauchet / wie ihr sie fürschreibet / so were ich todt / daß ich darwider nichts sagen könte.
227. Wann ihr meiner Religion wolt werden / sagte ein Evangelischer zu einem Papisten / so wil ich der euren seyn.
228. Einer sagte daß er N. für einen redlichen Mann / und sein Weib für ein ehrliches Weib gehalten / aber ihr Sohn der sey ein loses Hurenkind / vermeinend / er hätte niemand als den Knaben geschendet.
229. Einer unterstande sich / er wolte sagen / wie sie alle thäten / wann er auch in einen andern Zimmer eingesperrt werden solte; Dieses zu probiren liesse er sich mit einem Hüter verschliessen. Einer kratzte der ander tantzte / der dritte hinckte / der vierte legte sich auf den Tisch etc. Als sie ihm nun fragten / wie sie gethan hätten? sagte er: Wie die Narren.
230. Ein Geistlicher war zu gast / und ließ ein grosses Glas mit Wasser bringen / trancke aber den reinen Wein. Nach der Mahlzeit fragte der Gastherr /worzu er das Wasser bringen lassen. Wol / sagte er /warum tragt ihr den Degen? Ich trage den Degen allezeit / wegen einer bösen Zeit / in welcher man mich angreiffen wird / mich zu vertheidigen. Also versetzte der Geistliche / gebrauche ich auch nur dz Wasser /wann mich der Wein zu starck angreifft / bishero ist er mir nicht zu starck gewesen.
231. Viel können aus dem Wein Wasser machen; aber keiner / als Christus / hat aus dem Wasser Wein gemacht.
232. Einer rühmte sein Pferd / daß es bey Racht so wol sehe / als bey Tage / dann das Pferd war blind /sahe noch bey Tage noch bey Racht.
233. Es ist einer mit seinen Pferd in das Wasser gefallen / und als er kaum errettet worden / daß er nit ersoffen / sagte ein andrer / er solte das Pferd / welches ihn in die Gefahr gebracht erschiessen: Nein / antwortet er / wir sind schon verglichen / und haben bereit miteinander getruncken.
[399] 234. Ein Pedant sagte / Amen komme her ab amando, dann die Knaben lieben das End vom Gebet.
235. Als auf eine Zeit ein Gespräch für kame / daßVirgilius, Horatius, Ovidius, etc. schlechte Poeten /als die Ennio, Theocrio, etc. nachgeahmet / und sie weit übertroffen: Darauff sagte einer / sie habens gemacht wie die Mänteldiebe / welche schöne Kleider aus dem gestolnen Scharlach machen / und sie mit Gold bremen lassen / daß man das Gewand nit kennet.
236. Einer wolte ein Wambs ohne Geld kauffen /und zoge es an / legte aber zuvor seinen Mantel nieder / und befahle seinem Gesellen / er solte mit dem Mantel darvon lauffen / das geschahe / und er laufft ihm nach mit dem Wambs / und soll noch wieder kommen.
237. Drey gute Gesellen ohne Geld / hatten in einen Wirtshauß wol geessen / und nit übel getruncken: Nach der Mahlzeit stellet sich ein jeder / als ob er zahlen / und die andern frey halten wolte: Als sie sich nun nit vergleichen konten / sagen sie; Sie wollen dem Keller die Augen verbinden / und welchen er unter ihnen dreyen fangen würde / der solte für die andern zahlen: Der Keller verstehet sich darzu / als ihm aber die Augen verbunden / lauffen die drey darvon /er tappet in der Stuben herum / und endlichen kommet der Wirt hinein / und der Keller fängt ihn / mit diesen Worten: Ihr müsst die Zeche zahlen.
238. Eine gewisse Kunst / daß man von keinen Baumen fällt / wann man nemlich nit geschwinder herab / als hinauff steiget.
239. Es rühmte einer sein Rohr / daß er so weit trüge / und niemand wolte es glauben / deßwegen ihm sein Knecht Beyfall gabe / sagend / daß er mit dem Wind geschossen.
240. Ein Zahnbrecher wolte einen eine Kunst lernen / daß er ihm den Zahn selbsten außreissen solte /und bande deß Krancken Zahn an einen Amboß / so starck er konte / darnach nahme er eine glüende Zange / und wolte ihm den Zahn darmit fassen / darüber riesse er ihm den Zahn im zuruck gehen aus.
241. Ein andrer bande den Zahn an einen Poltz /und legte den Poltze / auf sein Geschoß.
[400] 242. Es liesse einer über sein Camin / oder Schorstein / ein schönes Weibsbild mahlen / und darzu schreiben.
Suchet meiner Magd Zier /
Welche stehet hinter mir.
Wann du wärst kein Narr gewesen /
Hättest du das nicht gelesen.
243. Es ließ ihm einer in ein Wirtshauß ein paar Stiefel bringen / und zoge einen an / stellet sich aber /als ob ihm etwas nöthiges für gefallen / und befahle dem Schuster / er solte wieder kommen: Hernach schickte er zu einem andern Schuster / und thut deßgleichen; Zahlt den Wirt und reitet darvon. Nach der Mahlzeit kommen die zween Schuster / hat jeder einen Stieffel in der Hand / und sehen / wie sie betrogen worden.
244. Es kauffte einer ein stuck Fleisch von seiner Wirtin: Als es zugerichtet war / sagte er / die Mucken hätten zu viel darvon gefressen / und dasselbe seye er nit zu zahlen schuldig: Darüber kommen sie für den Richter. Der Richter legt ihm die Bezahlung auf / und behält ihm vor / daß er den Abgang an den Mucken einkommen / und sie verfolgen möge / wie er kan /etc. Als nun ungefehr dem Richter eine Mucke auf dem Kragen sasse / schlägt er darnach / und versetzet dem Richter einen Backenstreich / Krafft ergangenen Urtheils.
245. Ein Großsprecher sagte / daß der Gelährten weise Reden gleich weren den güldnen Aepflen / oder Pomerantzen in silbern Schalen; Der Soldaten Weise aber wären wie die Canonenkugel in eisernen Helmen / die weit mehr Nachdruck als Pomerantzen.
246. Rinford ein gelährter Engeländer bate die Königin Elisabetham / sie solte doch die Gefangenen / an dem Tag ihrer Krönung loß lassen / welches sie auch verwilligt. Folgenden Tag bate er noch für 4 / die in dem Gefängniß waren / die Königin fragte / wer sie wären? Er antwortete: Die 4 Evangelisten sind in der Lateinischen Sprache gefangen / und tragen Verlangen in die Engeländische Freyheit zu kommen / die[401] Königin sagte: sie sind in der Engeländischen Freyheit und wol darmit zu frieden.
247. Es solte sich ein Zager und Feiger Gesell balgen / der bate seinen Gegner / er solte ihm ja das Hertz nicht verletzen: Der andre versprache solches. Ach sagte er / so laß uns Freunde seyn / dann ich bin lauter Hertz / wo man mich anrühret / da findet man Hertz.
248. Ein Teutscher hörte sagen: tréuve de chapeau, und vemeinte tréuve heisse sitzen / sagte deßwegen zu einer Jungfrau: Madamoiselle, tréuves de fesses. Sie antwortete: n' estes vous pas l'auteur des Marguerites Franzoises?
249. Es hatte einer ein Hauß gebauet / und als etliche übel darvon redeten / sagte er: Ich habe die fornication (für fortification) nit studieret wie ihr / und habe keinen andern Archidiaconū (Architectū) darzu gebrauchet / als mich selbst.
250. Ein Haubtmann solte etliche Soldaten werben / welche in dem Angesicht sehr zerfetzet waren. Der Haubtmann sagte / er wolte lieber die jenigen haben /welche sie also verwundet: Dieses kan nicht seyn /sagte einer unter ihnen / dann / die uns so gezeichnet /die haben wir erwürget.
251. Ein Auffschneider sagte / daß wann der Himmel einfallen solte / wolte er ihn mit seiner rechten Hand auffhalten.
252. Als einer sehr viel getruncken / und die Wirtin sagte / die Hitze hätte so viel Wein verzehrt / hat er geantwortet: So last die Frau Hitz zahlen / was ich mehr getruncken als sonsten.
253. Einer truge wegen seiner Mutter Leid / und führte doch einen roten Sattel / als er deßwegen gesprochen ward / sagte er: Wann meines Esels Mutter stirbt / so wird er Leid tragen Weil aber nur meine Mutter gestorben ist / so trage ich allein Leid / dann unsre Freundschafft erstrecket sich so weit nicht.
254. Das ůbel gewonnene Geld kommet / wie GOtt wil / und gehet wieder hinweg / wie der Teuffel wil.
255. Ein Gascon sahe etliche in dem Pallhauß pallotiren / und sagte dem schlechtsten: Hör / schwartzkleid gehe herauß / ich wil pallotiren. Der Gesell kommt ihm entgegen / [402] und giebt ihm seine Raquette mit Höfligkeit / gehet aber hin / nimmet ein Holtzref /und sagt mit dergleichen hochmütigen Ton: Gascon /geh herauß / ich wil pallotiren / der Gascon stellet sich / als hörte er es nicht / zuletzt schlägt er ihn mit einem Stock / daß er schrie: Ihr Herrn / ihr seyd meine Zeichen / er schlägt mich / und ich schlage ihn nicht: Ich wil es schon finden. Ja sagten die andern / die Stösse so du schon empfangen / dörffen keines suchens.
256. Einer sagte zu seinem Diener / gehe dort hin /siehe was man thut / und laß dich nichts mercken. Der Diener fragte / wie muß ich thun / daß ich mich nichts mercken lasse? Er sagt / gehe hin und schaue mit zu /daß man dich nicht siehet / da nahm er seiner Frauen Flor / und deckt ihn über das Angesicht / als ihn nun einer aus der Gesellschafft fragte / was er thue? Ich lasse mich / sagte er / nichts mercken.
257. Die geitzigen Weiber sind meinstentheils /wie die Bettlerssäcke / die niemals erfüllet werden.
258. Einer fragte / was solicitiren auf Teutsch heisse? dieses Wort / sagte der andre / hat drey Deutungen / 1. heist es bittlich ansuchen. 2. inständig anhalten 3. ungescheut verdrüßlich seyn.
259. Es solte einer Geld zu eines Bergwercks Verlag herleyhen: Nein / sagte er / der ist ein Narr / der einen Thaler in eine Gruben wirfft / und hernach ein Liecht anzündet / denselben wieder zu suchen: Ich wil mir keine Sorgen / Mühe und Gefahr üm mein Geld kauffen.
260. Ein junger Fürst sagte: Mein Mantel etc. Der Hofmeister schalte ihn / und wolte / daß er sagen solt: Unser / Wir etc. Als er nun Zahn-Schmertzen hatte /sagte er: Unsre Zähne thun uns weh / der Hofmeister lachte und versetzte / daß er nichts empfinde: Darauf antwortete der Herr: So höre ich wol / der Schmertz soll mein / und der Mantel unser seyn.
261. Der Hertzog von Meiland Sforza hat seinem Sohn die Lehre gegeben / er soll keinen von seinen Dienern schlagen / oder wann er ihn ja geschlagen habe / so soll er ihn von sich schaffen oder eine Verehrung thun / daß er sich zu rächen vergesse.
[403] 262. Ein Artzt wolte von Rechts Sachen urtheilen /dem sagte einer / der nicht tieff in das Latein getaugt war: Ne sutor ultra crepitum!
263. Der König in Dennemarckt / spielte mit einem seiner Edelleute Grimpe / und als zween Könige hatte / sagte er drey an / sich für den dritten zehlend. Bald hernach / als noch ein grösseres Spiel stunde / hatte der Edelmann zween Knechte / und zeigte auch drey an / weil er der dritte were / zoge also das Geld / und der König lachte / daß er so wol mit gleicher Müntze bezahlet worden.
264. Wann die Frantzosen für Maistresse das Wort inclination gebrauchen / so ist es zu verstehen / wie dort Terentius saget in Eunuchum suam.
265. Clemens Marot wurde von König Henrich dem vierten dieses Namens mit einem Pferd / einem Kleid und vierhundert Kronen verehret; Dieses alles entwendete ihm sein Diener und entflohe darmit / deßwegen er an den König folgendes Innhalts schriebe:
Was eure Majestät aus unverdiente Gnad /
Geld und Geldes wehrt mir jüngst geschencket an hat /
Das hat mein Knecht entwendt / und gar nichts nicht vergessen /
als nur den Morgengruß / heist das nicht sich vermessen?
226. Es hatte ein kurtzweiliger Tischraht eine Bittschrifft bey seinen Herrn eingelanget / und darauff keine Antwort erhalten / deßwegen begehrte er gnädige Verhör / auf einen Buchstaben / nachdeme ihm nun solches mit diesem Beding versprochen wird / daß er noch ein Wort / noch eine Sylbe reden soll / sondern seinen Begehren durch einen einigen Buchstaben anbringen / hat er geschrieben ein B. und eine Scheiden darzu geleget / bittend üm einen Bescheid.
267. Es schweige einer still und wuste nichts zu sagen / von dem sagte ein andrer / daß er einen gutenSecretarium gegeben / der etwas geheim halten könte / der andre verstehet den Schertz nit / und sagt / daß er sich nit wolle zu den Secreten gebrauchen lassen /er seye zu gut zu einem Pappenhaimer.
[404] 268. Die häußlichen Weiber zechen in das Hauß /und die Männer ausser dem Hause.
269. Gleich wie man den Pferden unterschiedlich Stangen und Mundstücke machet / daß sie wol darauf gehen; also muß man auch ein jedes Volck auf eine besondere Weise regieren.
270. Die grosse Anlagen machen dem gemeinen Wesen zum besten / gewinnen untz-weiß / und verlieren Pfundweiß.
271. Einem vornehmen Cardinal hat einer seiner Freunde diese Lehre gegeben; Wann er beharren wolte in seinem hohen Stand / so müsse er freundlicher / freygebiger und warhafter seyn / sonsten werde es heissen: Hoch gestiegen / hoch gefallen.
272. Niemand ist Gastfreyer / als die Geitzigen /welche allezeit frey von Gästen / und niemand ihr Brod brechen / wie die Schrifft redet.
273. Ein Beichtvatter zu Rom hörte / daß alle Schweitzer beichteten / daß sie sich offt und vielmals voll gesoffen / darauß nahme er ab / es müsste eine grosse Kurtzweil üm das Volltrincken seyn / und wolte es auch probieren: Nach deme er sich nun starck bezechet / und den folgenden Tag grosses Haubtweh / Eckel vor der Speise / und eine grosse Reue hatte / hielte er das Vollsauffen für eine so grosse Marter / daß er den Schweitzern solches zu einer Busse aufferlegt.
274. Ein Schwertfeger brachte einem Edelmann eine Scheide zu seinem Degen / und forderte zween Reichsthaler darfür: Der Edelmann sahe / daß er ihn übersetzen wolte / und nahme seinen Degen / gabe ihm die Scheiden / sagend: Dar hast du was dein / und ich was mein ist / wir sind gut scheiden. Weil nun die Scheide zu keiner andern Klingen gerecht / muste der Schwertfeger nehmen was recht war.
275. Eine Doctorin wünschte ihr ein schönes Buch zu seyn ihrem Herrn zu gefallen; Er sagte ja / wann es ja ein Buch seyn solte / so wolte er wünschen / daß sie ein Kalender seyn möchte / so hätte er alle Jahre einen andern.
276. Es fuhre ein Student auf einer Kutschen / und sahe / [405] daß die Sonne einem Penal sehr verdrießlich /weil er in dem Schlage / auf der rechten Seiten sasse. In der Mittagherberge / sagte er zu dem Penal / er solte wegen seiner Bequemlichkeit / auf die lincke Seiten in den Schlag / an seine Stelle sitzen; Das nahme der Penal zu grossem Dancke an / fande aber /daß die Sonne auf der andern Seiten / weil sie inzwischen herum gegangen / eben so heiß / als Vormittag.
Einer sagte die kurtze Thorheit / und die kurtzen oder die kleinen Hasen sind die besten.
277. Einer sagte zu einem Krämer / er solte von ihm als seinem guten Freund keinen Gewinn nehmen: Der Krämer antwortete: Ich muß von meinen freunden gewinnen / dann meine Freunde kommen nicht in meinen Kram.
278. Gleich wie der Tau auf kein Feld fället / unter welchem Geld oder Gut vergraben / der Schnee aber viel geschwinder darauff vergehet: Also fället auch der H. Geist nit auf die Geitzigen / welche ihren Reichthum gefangen halten / und der Schnee ihrer Hoffnung und übermuts wird leichtlich zu Wasser.
279. Einem Bauren wurden viel Pferde genommen / solchem übel zu wehren / bestreichet er seinen Gaul mit Laimen und Don / daß man vermeinet / er sey räudig und schwebig; Derselbig ist ihm geblieben / und haben ihn die Reuter nicht haben wollen.
280. Ein Richter lobte einen Schreiber / der sich durch überreiche Verehrung befördert: darauff sagte ein andrer: Ja / er hat schöne Gaben / verstehe zu verschencken.
281. Die Höfligkeit ist der Korb / darinnen man alle Kunst und Wissenschafft gen Marckt träget / und die Wolredenheit ist die Handheben: Oder das Ohr an dem Korbe / sonder welche sie nicht kan gefasset und getragen werden.
282. Die bösen Weiber sind Schlangen / welche sich mit gut Worten nicht beschwören lassen.
283. Wer ein Buch nur wegen der schönen Wort lieset / und nicht wegen deß verständigen Innhalts /ist gleich einem [406] Kinde / das in der Wiesen Blumen findet / wo der Artz die heilsamen Kräuter suchet.
284. Ein verständiger Rahtgeber ist gleich einem Artzt / der nicht nur ordnet / was dem Krancken beliebet / sondern was ihm nutzet.
285. GOtt giebt den guten Verstand / die Eltern die gute Unterrichtung und der König Ehr und Reichthum.
286. Die übergrossen Schmertzen sind deß Lebens Gifft / der Trost aus der H. Schrifft / ist der Seelen Bezoar.
287. Man soll mit ander Leute Schaden klug werden / wie man aus den Vipern und Schlangen Artzney machet.
288. Mehr Regiementer sind zu Grund gegangen /aus Mangel verständiger Rahtgeber / als aus Mangel deß Geldes / oder Lebensmittel.
289. Die Geheimniß ist der Zungen Feind.
290. Die Erfahrung ist das grosse Buch / ohne welches man keine Kunst und Wissenschafft völlig erlernen kan.
291. Die Könige spielen mit ihren Rähten / als wie mit den Pomerantzen / wann sie lang in den Händen herum geworffen haben / achten sie ihrer nicht mehr. Hierauff sagte einer: Ja / wann sie keinen guten Geruch mehr geben und faul werden / weil der erste eines Fürsten Raht und Trägheit beschuldiget wurde.
292. Der Fürst ist glückselig / welcher seiner Unterthanen Klagen nachforschet / und derselben Ursachen in Erfahrung bringet / daß er solche nach Möglichkeit abschaffen kan.
293. Das Volck ist gleich einem Kinde / das sich mit guten Worten und schlechten Sachen lässet abweisen; wann man es lobt / so ist es schon zu frieden /und unterlässet auch nicht die Warheit zu sagen / wie ein Kind.
294. Das beste an den Pillulen ist nicht das Gold /sondern das inwendige das man nicht siehet.
295. Die Höflichkeit lässet sich an keinen Probierstein streichen / sonst würde man sehen / daß solche von falschem Gold.
[407] 296. Alle Sinne haben doppelten Werckzeug / außgenommen die Zunge / zu bedeuten / daß man viel hören / sehen / fühlen / riechen / aber wenig reden soll.
297. Die mit Geld umgehen / sind gleich den Bisams-Krämern / wann sie nichts darvon gebrauchen /verbleibt doch der Geruch in ihren Kleidern.
298. In einem Regiment sind vier Element: Das Feuer ist die Gerechtigkeit / welche alles erleuchtet. Der Lufft sind die Beambten / welche alle Geängstigte erfrischen und trösten sollen. Das Wasser ist die Erbarmung / welches die Gerechtigkeit mässiget. Die Erde ist die Belohnung getreuer Dienste / welche ihr Frucht bringt zu rechter Zeit.
299. Die Freundschafft ist der Baum deß Lebens /an welchen uns doch die Früchte nicht verbotten /sondern gebotten sind.
300. Die letzte gute Stunde ist wehrter / als deß Menschen gantzes Leben / welches bald nimmet sein.
ENDE.
Inhalts Register
[408] Inhalts Register.
Die Erste Zahl bedeutet die Geschichte / die zweite den Absatz oder
. derselben: Wann aber nur eine Zahl darbey / so handelt die gantze Erzehlung darvon: das A. bemercket den Anhang / das / weiset wo mehr darvon zu finden.
A.
B.
C.
D.
E.
CXII. die vermeinten Ehebrecher.
Ehegatten CXIX. 7.
Ehesegen wird zum Fluch CXL. 12
Ehestreit CLXXXVIII. 2. 3. Ehliche Liebe CLI. 12. CLXIV. 4. ehliches Werck CLII. 11. 12.
Ehre ist dessen / von dem sie kommet CLIX. 8.
Ehrenstands Gebühr A. 271. Ehre ohne Tugend ist Schan- CXX. 1. Ehrsucht CLXXXIV. 4. A. 184.
CVIII. die freywillige Ehescheidung.
Eid wunderlich vorgehalten CLV. 1. 8.
CLVII. die betrogene Eifersucht.
Eifer CXCI. 1. mit dem Essig verglichen / und wie er zu nennen / daselbst / 2. 3. 4. 5. ob er raserey / 6. furcht / 7. ist eine krancke Liebe CXCI. 11.
Eigennutz / A. 160. Eigensinnigkeit CC. 1.
CXLV. die Einbilder.
Einbildungs Wunder / Bildungs Krafft.
CXXIII. die beglückte Einfalt.
Elephanten warum sie das Haanengeschrey fürchten CLIX. 1.
Element der Königreiche / A. 298.
Eltern Lieb gegen die Kinder CXXXIII. 1. ärgern die Kinder CXCV. verheuraten sie wider ihren Willen CXCV. 7.
Ende deß Lebens A. 300.
Escurial A. 179.
Esel für Pferde kauffen / A. 114. Eselohren CL. 12.
Erraten andrer thun A. 229.
Erdbebens Ursachen A. 219.
Erfahrungsbuch A. 290. Eva Fluch CXLI. 1.
Ergerniß CXCV. 5. 6. Evangelisten Dolmetschung A. 246.
Erstgeburt CXXXVII. 2.
Eyrfresser CLVII. 5.
F.
G.
H.
I.
K.
Katzen leidet nicht jederman CXLII. 2.
Kauffen oder stelen CXIX. 3.
Kalg in dem Hertzen CXXXI. 11.
Kalte Flüsse CXCVI. 4.
CXC. die beständige Keuschheit.
Keuschheit CLXXV. 3. gleich einem verschlossnen Brief CXXXV. 4. vermeidet böse Nachreden CLXXIX. 2. ist listig CXC. 6. 7. 9.
Der Kinder Liebe gegen die Eltern CXXXV. 1. CXXIX. 2. 3. Kinderzucht CXXIX. 1. ihr Mangel CXLI. 1. den Löwen fürgeworffen CLXVIX. 5. sollen nicht scheu gemacht werden CLIII. 4.
Kinder ermorden CLXXXVIII. 4.
CLXXVII. der Kindersegen.
Kilkröpfe CXXXVIII. 9.
Kirchenbauen A. 211.
Zerrissne Kleider A. 208.
CLXXX. die glůckliche Klugheit.
CXIX. die kluge Baurenmagd.
Klug ist nicht Gelährt A. 119. 287. 288. ist keine Weißheit CXV. 1.
Kluge Jungfrauen CLXXXIX. 1.
Kirchen in Indien CLXII. 1.
Knoblochs Stärcke CXXXI. 9.
Krämer Gewinn A. 278.
Kranckheit A. 180.
Krieg CXXI. 1.
Kröte für Schwindsucht CLXX. 11.
Kunst niemals hungerig zu werden CLXXXVIII. 1.
CXLVI. die Kunstgedächtniß.
L.
Lachen deß Menschen CXIII. 12.
CICII. Ladung für Gottes Gericht.
Landguter Nutzen CIXI. 4. Land am längsten zu leben CLXIII. 11.
Länge deß Leibs eine Ele zusetzen CXLIV. 4.
Laster diesre Zeit CLXII. 1. selbe meiden CXLIV. 4.
Latein mit dem Zucker verglichen CLXV. 3. mit der Löwenhaut verglichen CV. 5.
Lavinia Geschichte CXXXV.
Lauff A. 185.
Leben deß Menschen wird verkürtzt CLXIII. 12. wird mit einem Gesang verglichen CLXXXIV. 1. Leben nach der Natur CL. 1. ist edel CIII. 1.
Lebens I. Arnds CII.
CLXXIV. Lehen oder Leihhäuser.
Lehren der Thiere CLXVII. 1.
Leiden als ein Mensch und als ein Christ CIC. 12.
Der Leibeignen Haare beschoren CXLVIII. 1.
Leibes Grösse CXLIV. 4.
Leibgedinge CLXXIV. 4.
CXXX. die Leibes Stärcke.
Leid tragen A. 253.
Letterwechsel CLIII. 1.
Grosse und kleine Leute CXLIV. 4. 5. 6. etc. 12.
Liebe deß Nächsten CXXXVII. 9. CLXXIV. 7. erbittert sich nicht CXVI. 19. Liebesstuffen CLXXIV. 1. in Feindschafft verwandelt CLXXXIII. 19. Liebe Blindheit CXCIV. 1. mit dem Feuer verglichen CVIII. 1. CLXXX. 1. 2. gegen die Fürsten A. 157. Vollkommenheit der Liebe CVI. 2. Liebe ist blind CXCIV. 1. Liebes Krieg CXXXVI.
8. Liebes Künstler LXII. 6.
CLXVI. 1. die mütterliche Liebe.
Lügen CVII. 8. wird vertheidigt CC. 3. 4. unterschieden CXLVIII. 1. Lügenhauß CXLV. 111. 1. Bestraffung CX. 1. gleich dem Glas CXXXV. 1.
Lurtschspiel CXXIX. 2.
D. Luthers Sarg A. 117.
M.
CXCIX. der versuchet Mahler.
Mahlerstücklein CXLIV. sind Betrüger CXCIX. 11. mahlen / daß dem Bild die Rede nicht mangelt CXXV. 8.
Mahomets Wunder CLIV. 10. 11.
Mägde sind zierliche Umstände CLXXXIX. 4.
Männer folgen den Weibern CXXXIX. 7.
Mannsparkunst CLI. 12. Mantelfahren CLXXVIII. 10.
Marots Beschenckung A. 265.
Warter Arten / Warheits Zwang.
Maulbeerbäume CLXXXII. 2.
Maulschellen / Backenstreich. Maulesen CLXXXII. 2.
Maximius Schweiß CXXVI. 11.
Mereckel CL. 9. Mangel zudecken CXXIV. 8.
Fernand Mendoza kluge Entschuldigung CLXXXVI. 2.
Menschen den Schweinen gleich CXXV. 9. können ihn nicht lassen wol seyn CLXIII. 12. ihr Verstand CLXVII. 7. ihr Leben ist ein Spiel CXXXV.
CXXX. das Menschenhertz Metalle zeitigen. CLXV. 8.
von Milche ohne Brod leben CXLVII. 10.
Mildigkeit / freygebig.
Mönigleben CXIII. 12. CV. 3. 4.
Montes Pietatis CLXXIV. 7.
Müssiggang XXX. 1.
CLXXXVIII. die tyrannische Mutter.
CXL. der Mutterfluch.
CLXVIII. die mütterliche Liebe.
den Müttern nachohmen. CLXVIII. 11.
N.
O.
P.
R.
CLXXXII. der Raben Zeugschafft.
Raben eltern CXLV. 1.
Raben Speise CLXXXVIII. 7. ihre Art CLXXXII. 1. werden mit den Heuchlerne verglichen CLXXV. 6.
Rache der Geschöpfe wider die Sünde CLXXXII. 2. CXXVII. 1.
Rache verbergen CLXXIII. 7.
CXXVII. die seltne Rache.
Rähte der Fürsten A. 191. A. 248.
Rähtsel: ihre Eigenschafften und Unterscheid CLI. 1. von einem ehlichen Bastard CL. 12. von einem Bette CLXXII. 11. von der Chymia CLXIV. 2. von der Chytarren CLXVI. 12. vom Eifer CLVI. 12. vom Eisen CCIX. 12. von der Eitelkeit CLXII. 12. von einem Ehemann CLXXIV. 12. von der Furcht CLII. 12. von dem Gold CLX. 12. vom Galden CLXX. 18. vom Hunger CLIV. 12. von Haanen CLVIII. / 12. von Lehn oder Leyhäus CLXXIII. 12. vom Mahomet CLII. 12. vom Papier CLXVII. 12. vom Pulver CLXVIII. 12. von der Schlange CLXVI. 12. von der Syrena CLXV. 12. von der Wahnsucht CXXXI. 12. von den Weibern CLXIII. 12. der Weltlauff CLV. 12. von einem Wurm CXLI. 12. von dem Wolff CLXIX. 12. von einem guldnen Zahn CXXXIII. 12.
Rechtfertigung mit Würffeln verglichen CLXVII. 1
Rechtsgelehrte CXXVII. 4. Rechtshändel Verzug CV. 8.
Recht der Erstgeburt CXXXVII. 2.
Regenten Lob CVII. 12.
Regenwürmer CLXII. 2.
Die reiche Wittib CC. 2. reiche Weiber CV. 6. CXIX. CXXXVI. 3. Reichthums Gebrauch CXVII. 2. Nachtheil CLXXV. 12. ist an der Eltern statt CXLIX. 3. seine Ankunfft CXXV. 3. ist süß CLXXXI. 2. Mittel darzu CXXV. 5.
CXLIV. die Riesenkinder.
Rosen riechen CXL. 11. 6.
CLXIX. die wunderliche Rettung.
Rulcus Wurtzel CLXXII. 2.
S.
CXXV. der Saalbader.
Sachwalter und Fürsprecher CXXXVII. 11.
Salat zu machen A. 20.
Samens Beschafsenheit CXXXVIII.
Sanfftmut CVII. 1.
Sarg Dr. Luthers A. 117.
Satan mit dem Mahler verglichen CXCIX. 1.
Schatzgräber CLXVI. 12.
CLXI. die Schatzgräber.
Schatz bey Basel CLXI. 6. 7. 8.
Schafe von dem Wolffe gebissen CLXX. 12.
Schaffs Art CLXXXI. 9.
Sich schämen A. 122.
Schande ist zwar zu dulten CXXXV. 7.
Scheiden der Verliebten CLXXX. 7.
Schild und Helm CXXII. 6. 7.
Schiffe Ungelegenheit CIV. 6.
Schlaff ist deß Todes Gemeinschafft CXCVI. 11. Marter CXLVIII. 4. Ursachen CXIV. 2.
CXCVI. die Schlaffsucht.
Schlangen Klugheit CXXXIX. 5. CLXVII. 1. CLIV. 1.
Schlangen Zungen CIX. 6. Schmertzen A. 286.
Schmeichler sind Raben A. 174. Schnargen CL. 10.
Schönheit im Kram CXXXI. 2. ist ein Stein deß Anstosses CXC. 1. wird beschrieben CLVIII. 5.
Schreiber stoltz A. 148.
Schuhe werffen CLXIV. 5. Schutz der Frommen CLXIX. 12.
Schweitzers Beicht A. 273. Schulden 181.
Schweigen hat seine Zeit CLXXVI. 2. A. 147. 267. 155.
Schweitzer CXXXIX. 6.
Seelengüter CL. 1. Seltzame Sachen CXLIII. 1.
CXIV. Siebenschäfer Sieben warum die Zahl verdächtig CXIV. 9.
Der Singularist CC. 1.
Sinne betrachtet A. 296.
CLXXV. Der Sittenlehrer. Soldaten Liebe A. 199.
Sonnen die in dem Raisen beobachtet A. 276.
Sparsamkeit die dem Geitz gleichet CLXVI. 9. CLVII. 2. A. 150. CXLI. die Spätlinge.
Sporn schenck. A. 107. Speise mit Dancksagung empfahen CLXII. 11.
Spielen und bulen CXVI. Spiritus animales und Vitales zu teutsch CXIV. 5.
Spitzfindung machen CXXV. 2.
Spitzmaus lässet einem Mönichen zu Ader CLXX. 12.
Sprüchwörter / CXLIII. 1. CVI. Die Stifftung.
Stoltz CXLV. 1. CLI. 2. CXV. 3. CXL. 4.
Studenten Wissenschafft A. 171.
Studiren nach dem Essen CL. 6.
Sünde grosser Städte CLXXXIX. 2. sind zu unterscheiden CXVI. 1. zu verhüten CXXVIII. 2. Ursachen den Krieg. 207. sind mit der Reue verbunden CXXIV. 6. geschehen vorsätzlich. A. 153.
Sündliche Verträulichkeit CXVI. 2.
T.
Tabackstitel A. 182.
Tacitus A. 145. Capferkeit / Heldenthaten.
Thaler verachten CXV. 3.
Teuffel gehasst CXXVIII. 12. seine Kinder CXXXVIII. 1.
Theure Wasser A. 202.
Thiere so vergifft CXCIII. 11. kennen die Kräuter CLXVII. 2. ihr Unterricht CLXVII. 2.
Threnen der Verliebten CLXXXI. 5. böser Thaten Außgang. CXVI. 3. die beste Thorheit A. 277.
Todsünd kein Geld haben / A. 144. Todes Unterscheid CXXVII. 6. Vergleicht sich mit dem Cypreß CLX. 4.
Töpfler Betrug CXCVIII. 2.
Träume der Wachenden CXIV. 11. 12.
Trincken der Teutschen A. 108. CXXXVI. 1. machet aus Adlern Kroniche CLXXVI. 4. / Vollsäuffer.
Tugend nimt ein gutes End CXXXII. 11. wird unterschieden CXXIV. 1. ist selten glückselig CXXI. 1. CXXVII. 3.
U.
Ubelthäter die sich selbst anmelden CLXXVII. 11.
ihr Unterscheid CXLVIII. 12.
Unbeständig wie ein Spiegel CLXXX. 8.
Undanckbaren gutes thun CXVI. 12. mit einem Weinberg verglichen CLXXXI. 1. der Fürsten Undanck A. 159.
CLXXXI. der bestraffte Undanck. Unfruchtbarkeit CXLI. 1.
CXVII. der zulässige Ungehorsam.
Unrecht leiden CXCVII. 12. Unrecht Gut CLXXXII. 5. CXXXVII. 1. A. 254.
Unschuld zu erkennen CXCVII. 10. ist eine Freystadt CXXIII. 12. Untergraben von dem Kaninigen erlernet CLXVII. 7.
Unversöhnlichkeit CLXXXVIII. 10.
Urtheil der Menschen betrüglich CXC. 1. CXI. 2.
V.
W.
Drey W CLVII. 2. A. 155.
Waffen von den Thieren abgesehen CLXVII. 6.
Wahns Nachtheil CLI. 11.
Wapen / Heroldskunst.
Warheit / wann sie schmertzet. A. 105.
Warnung der Kinder.
CXXVI. der Wassertrincker.
CLXXII. der Wassersüchtigen.
Wassermarter CXVIII. 6. im Munde A. 95. der Großmütigkeit CIX. 10. 15.
CXXXVIII. 6. die Wächselbälge.
Weiber Beschaffenheit CXXXVII. 11. Treue CLXIV. 8. gleichen den Gemählen CLXXIX. 1. sind niemals rechts und lincks CXLII. 3. ihre Herrschafft A. 139. sollen keine schöne Mägde dingen CLXXXIX. 4. Leichnam schwimmet unter sich CLXXXV. 4. sind Engel CLXIII. 12. CLXIV. 1. sind Schlangen A. 282. ihr Geschwätz. A. 172. sind Mühlen. A. 162. Werden nach dem Gewicht gekaufft A. CXCII. ein gutes Pfand CXV. 11. hurtige Weiber A. 167. sind häßlich CXL. 6. ihr Zorn CXIX. 6.
Weibersamen CLII. 8.
Weintrincker CL. 7. zu Wassermachen. A. 231.
Weines Lob. CXXXVI. 3. 4. Unterscheid CLXXVIII. 2.
Weißheit A. 140.
Weltlich geistliche CVIII. 5.
Welt Verachtung CVIII. 6. CXCV. 4.
Werbungen heimlich anstellen A. 170.
Widerwertige Sachen CLV. 8.
Willigung machet den Handel nicht redlich CXCVIII. 6. gezwungen CXCV. 12.
Wirtszeichen CXXII. 12.
Wissenschafft CI. 1. CIX. 1. CXLV. 1.
Windstille beschreiben CV. 5. Wittber Lieb A. 156.
CLXX. die Wolffszucht
Wollust CLXXV. 9. ist trüglich CXXVIII. 5. bringt Verlust CLXXXVIII. 6. Wolgemut CLXVII. 2.
Wörter die abgekommen A. 127.
Wucher CXCVIII. 4.
Wunder unterschieden CLIV. 10. 11.
Wunderwercke CII. 1.
Würffelspiel CXXIX. 2.
CL. XII. die Würmer in den Hertzen CXXII. 9.
Z.
Zagheit CII. 3. CXXXI. der guldene Zahn.
Zahnbrecher A. CXXXIII. 240. 241. 138.
CXXIX. der Natürliche Zauberer.
Zaubern verlohrne Sachen. CXCII. 3.
L. Zaffarts Würmer CLXI. 11.
Zeit CL. 1. Wie sie zu theilen A. 101. zu kürtzen CL. 1. 5. Zu Essen CLV. 11.
Zeitung dichten CL. 11. 6.
Zeichen eines vergifften Leichnams CXCII. 12.
Zerbrochen Spiegel CV. 1.
Ziperleinspflaster CLXVI. 11. Beschreibung CXCIV. 2. was das beste daran 9. kommt vom Saussen CXXXVI. 4.
CXCIV. der verliebte Ziprianer.
Zorn CLI. 2. A. 153. Zunge CX. 1. CXXXVI. 6.
CXLIII. die Zwidorn.
CXLVIII. Zweiffel CV. 10.
Zwang der Warheit / CVIII. 4.
Zwillinge Lager in Mutter Leib CXLII. 12.
ENDE. [409]
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