[2] Vorbericht

Woher die Hirtengedichte ihren ersten Vrsprung genommen/ meldet der Vorbericht der jüngst aufgelegten Diana ümständlich/ wie dann auch darvon zu lesen das 219/ Gesprächspiel, §/ 6. welches wir allhier zu wiederholen für unnötig erachten. Müssige Stunden erfordern solche Sachen; massen Schäfere deren ein behägliches Einkommen haben, wann sie ihren weidgierigen Heerden zu Feld gefolget, und alda den Tag über bey ihnen ausharren müssen. Merkwürdig aber ist es, daß fast alle Poeten ihre trefflichste Kunstgedanken von langen Zeiten her in solche Gedichte eingekleidet; ja es erhellet aus ihren Schrifften, daß sie in solchen niemahlsglükk seeliger gewesen, als wann sie etwan ein Verlangen nach der freyen Feldlufft- und Lust bekommen.

Daher haben sie auch zu allen Zeiten die Hirten Nahmen entlehnet, beydes, damit sie unter solchem Vorzug ihres anderwärtlichen Standes ihre Gedanken desto freyer ausbilden, und dann auch bey solchen Schäfer Nahmen sich der Feldergötzungen allezeit erinnern möchten; wie dann dieses nicht allein vor Alters in belieblichem Brauch gehalten worden, (massen Virgilius sich selbsten bald Tityrus, bald Corydon, bald so, bald anders in seinen Hirtengesprächen tauffet) sondern auch noch zu unsren Zeiten von den meinsten beliebet und fortgesetzet wird wie dessen H. Opitz/ Flemming/ Rist/ Schottel/ Tzscherning/ Augspurger/ Homburg/ und andere mehr in ihren Schriften genugsame Zeugen geben.

Es scheinet über die Teutschen durch ein sonderbares Geschikke verhaügen zu seyn, daß sie zwar iederzeit in Künsten und Wissenschaften alle Völker weit hinter sich gelassen/ in Ausübung aber eigner Muttersprache eine Zeitlang andern williglich den Vorzug eingeräumet. Doch vergleichen sie sich dißfalls etlicher massen mit dem Maulbeerbaum/ [3] welcher zwar unter allen Bäumē im Jahre der letzte zu grünen beginnet/ hernach aber andre fast an Frucht und Blüte übertrifft/ auch gegen dem Herbst der letzte seine Begrünung fallen und falben lässet: Gleichermassen haben wir Teutsche uns etwas langsam hierzu gefunden, nämlich, in angebohrner Sprache berümt zu werden; lässet sich aber aus den ersten Vorspielen denoselben Aufnehmens mutmassen/ als würde sie kurtzkünftig allen fremden Sprachen an Mänge zierlöblicher Schrifften den Vorsitz abdringen. Massen sich dann nächstverflossener Jahren viel ädle Teutsche Gemüter daran gerichtet/ und ihrer Sinnen Kunstvermögen nicht allein in nutzlichen Schrifften/ Teutscher Sprache Aufnehmen betreffende/ sondern auch in anmutigen Feldabhandlungen der Welt kund gemachet/womit sie zugleich bezeuget/ dasß Teutschland unter einem ja so milden Himmel lige/ als Frankreich/ Spanien/ Welschland/ und andere; und mangle es zwar bey etlichen Teutschen an dem Willen/ nicht aber am Verstand, ihre Muttersprach weltberümt zu machen.

Ich der Geringste unter den Wenigen habe mit meiner Vnternehmung zu gleichem Zwekke gezielt/ aber mit ungleichem Fortgang. Es geht mir/ wie denen Kindern/ die/ wann sie nicht vollkömmlich in die Sonne sehen mögen/ durch ein gelöchert Holtz oder Papier solches verrichten wollen: Ich muß nur von fernen ein wenig in den hohen Glantz unsrer Heldensprache gukken und blindseln/ weil mir meine Wenigkeit ein mehrers noch der Zeit versaget. Der günstige Leser wird in so wohl gemeintem Thun den Willen für die Werke schätzbarachten.

Sonsten hab ich in dieser meiner schlechten Lustarbeit es andern nachgemachet/ und (weil ich sonderlich eben in Vnterhandenhabung deren/ in die löbliche Schäfergenoßschaft an der Pegnitz, wiewohl unwürdig, aufgenommen worden) die Mitglieder besagter Genoßschaft unterredend [4] miteingeführet; wie ich dann aus eben denen Vrsachen (sowohl auch auf willkürliches Anmahnen rümlichgedachter Pegnitzschäfere) den Anlaß und Bewandschaft kurtzerwänter Gesellschaft ausfürlich mit beygebracht/ und sonsten dererselben Kunstgedanken, mit welchen sie meiner Lustarbeit ein vielgültiges Ansehen erteilen wollen, (mit bemerket) zugleich mit eingerukket. Die vielfältigen Menglingsreden sind gar nicht deßwegen beygefüret worden/ als wann wir obdenenselben ein wohllüstiges Belieben schöpfeten/ sondern damit wir dem gönstigē Leser den Vnform sothaner Flikkwörter in unsrer Sprache schertzweis vorstellig macheten.

Daß aber hierinnen der vornehmsten Helden unsers Teutschen Kriegs mit Ruhm gedacht/ ist solches zu Nachfolge anderer Schäfereyen beschehē/ unn wird mich verhoffentlich niemand hierüm verdenken: dann/obwohl solcher Krieg unser allgemeines Vatterland in höchstverderblichen Schaden gestürtzet/ so bleibt doch die Dapferkeit/ welcher Ruhmbeschreibung den Poeten oblieget, an seinem Ort lobwürdig/ sie wohne gleich in Freundes oder Feindes Hertzen; massen wir auch einen ieden beederseits unparteyisch aufgeführet. Man lobet und begehret den Krieg nicht/ aber doch/wann ihn Gott über ein Land verhenget/ redet man also von ihm/ daß dabey erhellet/ die Tugend könne auch mitten unter der Grausamkeit raum und statt finden.

An denen eingemengtem Göttergeschichten wird und kan sich auch niemand ärgern/ wann er bedenket/daß sie auch bey den gelehrten Heiden dasselbige nicht/ was sie eigentlich sind/ bedeuten/ sondern oft mit solchen Nahmen/ und was denen zugeeignet/ die schönsten Tugenden und schändlichsten Lastere zu lieben unn hassen in (Apologis) Lehrgedichten vorgestellet werden. Nachdenklich ist/ was von den Götzen-Häinen Plin. schreibet: wir beten nicht so sehr an die an Gold und Helffenbein zierreiche Seulbilder/ als die Häyne/ und in ihnen das stumme [5] Stillschweigen. Mit dem Pan (daß ich anders vorbeygehe) haben sie dieses Gantze (τὸ πᾶν, universum) das ist/ alles/ was in der Natur befindlich/ verstanden; wir wollen dem gönstigen Leser belieblicher Kürtze halber zu des Freyh. von Verulam zweytem Buch von Mehrung der Wissenschaften gewiesen haben/ welcher nicht allein von obbesagten Lehrgedichten ausfürlich redet (Natalis henget sie auch überall mit an seine Fabelschriften) sondern auch die gantze Geschicht Pansierzterwänter massen sehr schöne deutet und ausbildet; welches auch/ aus ihme übersetzet/ in dem 152. Gesprächspiel zu sehen ist.

An Gutem ärgert sich niemand/ dann ein böses Gemüt; und so iemand hieraus etwas ärgerliches erzwingen wolte ist die Schuld nicht deß Liechts, sondern dessen/ der sich daran wie die Schnaken verbrennet. Ich schätze mich üm soviel glükseeliger/ wann mir ein Narr das jenige thut/ was er soviel Hochverständigen vor mir sonder Nutzen gethan. Narren sind es/ sag ich nicht unrecht, welche nicht allein der Teutschen Poeterey und derselben Zugethanen mit ungegründtem Haß widerstehen/ sondern auch solche ihre törichte Verbitterung an den unschuldigen Bäumen wollen tätig machen/ welchen sie/ wolgemeinte Reimkerbungen mit ihren neidischen Hundsnägeln aus derē Rindenkratzend die Ewigkeit mißgönnen. Deren rähtlicher Verbässerung wir zwar unsers Teils zu folgen bester masser gesinnet/ wann sie uns zuvor ihre Gegenmeinung mit unhintertreiblichen Beweistumen bescheinen werden. Indessen wir aber solches erwarten, halten wir ihre Schmähungen gleich dem nichtigen Thon dieser zerbrochenen Glokke

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TextGrid Repository (2012). Harsdörffer, Georg Philipp. Gedichte. Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey. Vorbericht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3434-0