[Ich wäle die weißlich-berötte Myrtillen]

So emsig waren diese Beyde in ihrem Singen/ daß sie Strephons und Montano nicht gewar wurden/ bey welchen sie gleich mit Endung desselben zu allemächst vorbeygiengen.

Es waren aber besagte zwey Schäfere eben damahls/ als Klajus und Floridan von dem Pan in die Höle gefüret wurden/ von einer Verrichtung/ welche sie ausser Lands geruffen hatte/ wiedergekehret/ und sobald an das Ort kommen wo diese ihre Heerde gelassen: Worüm sie/ weil sie solche ohn ihre Hirten irrende fanden/ fast sehr erschrokken/ als die sich von denenselben eines wiedrigen Falls besorgeten/ weil sie sie nirgends in der Nähe erruffen oder sonst ausspüren mochten/ ungeacht/ wie sehr sie sich bemüheten. Sie hatten aber bald [61] von ferne den Alcidor erblikket/ auf welchen sie so bald zuliefen/ und sich befrageten üm den Zustand beyder Abwesenden/ welcher aber hierob ja so sehr erschrake/ und sonsten gantz keine Nachricht zu geben wuste/ als deme es eben so fremde vorkame/ als ihnen: Daher sie ihn baten/ er wolte doch der Heerden acht haben/ entzwischen daß sie hingiengen und jene sucheten/ welche sie sobald daherzufüren versprachen/ wann sie sie gefunden hätten. Also waren sie nach vielen Vm- und Irrwegen an dieses Ort kommen/ woselbst sie/ wie gesagt/ ihre Verlohrnen frölich und singende daherstreichen sahen/ mit was Zufriedenheit/ ist leicht zu erachten.

Wie sie nun bereits vorbey waren/ sagete Strephon mit etwas lauter Stimme: Ich gläube/ Klajus und Floridan haben unsre Genosschaft aufgeben/ weil wir zu unsrer Wiederkunft also kaltsinnig von ihnen empfangen werden. Klajus/ der solches am ersten gehöret/wande sich geschwind üm/ und wie er Strephon und Montano also nahe ersahe/ liefe er unverzüglich hinzu/ und hiesse sie hertzmeinentlich willkommen seyn/ desgleichen täte auch Floridan/ welcher anfienge diesen ihren Fehler zu entschuldigen. Es fiele ihm aber Montano ein/ und: Klajus und Floridan/ sagete er/ sollen es nicht also schlecht hin und ümsonst gethan haben/ wir wollen ihnen eine Buß auflegen/damit sie forthin in ihrē Verfahrungen desto vorsichtiger seyen/ welche ist/ daß sie uns also bar erzälen/was für ein Anlaß sie/ ihre Heerden verlassen/ und unsre Widerkunft mit ihrer selbst vermeintlichen Verlust dermassen zu beunruhen/ beredet: massen wir mehr ihnen/ als sie uns/ willkommen zu sagen befüget.

Diese leidliche Buß/ gabe Klajus zur Antwort/ wollen und sollē wir mit Willen erfüllen: Erzäleten ihnen darauf ümständlich alles das jenige/ was sie diesen Tag gesehen/ und was ihnen aufgestossen/ auch endlich was der gantzen Hirtengesellschafft von dem grossen Pan geschenket worden/ und wie geneigt er der selbigen [62] sey/ alles nach der Ordnung/ wie ihnen solches begegnet und vor Augen kommmen/ überreichete auch sobald Strephon als dem Vrheber des Ordens/die Rohrfeiffe Pans/ mit Wiederholung eben der Worte/ welche sie bey Einhändigung derer von dem Satyr vernommen: Daß wir aber/ täte er hinzu/ unsre Schafe verlassen/ ist wider unser Wissen geschehen/in Erachtung/ wir vor Forcht halb todt von dem Pan in die Höle gerükket worden/ wiewol ich mich auch erinnere/ daß er uns bey erster Erscheinung versprochen/ unsrer Heerdē solte indessen wohl gehütet werden.

Heftig verwunderten sich Strephon und Montano über so seltsamē Begebenheitē/ am meinstē aber über dē Göttergeschenke/ welches sie dann fast andächtig küsseten. Sie wustē aber nicht/ wie sie sich erzälte Abenteuer gnug einbilden solten/ ja sie fiengē zuweilen an den Kl. und Flor. zu beschwörē/ daß sie ihnen doch die richtige Warheit sagen wolten/ dann sie wäneten noch immer/ diese gedächten sie mit Erörterung sothaner Seltenheiten allein aufzuziehen/ ungeacht/wie hoch selbige solches für wahr beteuerten und dartäten. Sie erinnreten sich aber/ nachdem sie so lange hiervon Reden gewechselet/ ihrer Zusage/ so sie zuvor dem Alcidor gesan: Macheten sich derhalben sämtlich auf/ und eileten dahin/ wo sie ihn vormals gelassen/alda sie ihn zwar nicht mehr fanden/ sie ersahen aber unferne davon die Heerden/ und einen von denen Vnterhirten derselben hütende/ welcher sie/ nachdem sie bey ihme angelanget/ berichtete/ Alcidor wäre einer Beschäftigung halber hinweggangen/ hätte aber ihme die Heerden anvertrauet und befohlen/ er solte ihn/ wo ferne sie zu rükke kämen/ entschuldigen: Mit welcher Aussage sie sich dann zu frieden gaben/ und darauf einer breiten Linden näherten/ üm alda in etwas auszuruhen/ und von mehrbesagter Begegnis weiter zu sprachē. Sie erblikketen aber/ sobald sie bey derselben ankommen/ in deren Rindē welche Reimen gekratzet/ und zwar an dreyen unterschiedlichen[63] Orten/ macheten sich derhalben hinzu/ üm deren Innhalt zu vernehmen Also lasen sie diese folgende:


Myrtillus – die Myrtillen. 1

Ich wäle die weißlich-berötte Myrtillen/
Die unsere Felder und Wälder anfüllen.
Die kleine/ gemeine/ doch niedliche Frucht
Wird järlich vom Schäfer und Hirten gesucht/
Wann ihre grünweißliche Hülsen sind offen/
Zu schauen/ was zeiten auf künftig zu hoffen.
So dienet diß schlechte/ doch welches vor allen
Myrtillus/ mit Nahmensverwandschaft gefallen.
2
Lerian – Wilde Rosen.

Hekkendörner/ eure Spitzen/ sollen keinen Schäfer ritzen
Dem behaget Treu und Recht:
Lasst ihn eure Blume brechen/ unverhindert sonder Stechen.
Weil sie ihm nicht sind zu schlecht.
Schärfet aber eure Spitzen/ jeden Hofman wund zu ritzen/
Der die Falschheit nennet Recht/
Den die Sorgendörner stechen/ In den Hoffnungsblumenbrechen.
Lerian liebt eur Geschlecht.
Alcidor – das Veilchen.

Der Veil besamet sich im dunkelbraunen Schatten/
Auf reich begrasten Matten/
Daselbst er Stärk und Kraft
Den Müden giebt/ die Phöbus Glut gebraten/
Er düftet weit und breit durch Felder/ Büsch und Saaten/
Vnd webt der Sinnen Saft:
So unser Reimenbinden
[64]
Vergattet Zier und Sach im Schatten hoher Gunst/
Ein Reim ergötzt/ der prachtet voller Kunst/
Er kan den Muht entzünden.
Es kräftet Blum und Reim.
Drüm heiß ich Alcidor. Schützt diesen Nahm/ ihr Bäum.

Fußnoten

1 Heidelbeer. Blumreimen.

2 Wer diese Hirten seyn/ kan sich der Leser aus den 5. Teil der Gesprächs. erholen/ in den Lobgedichten/von dem 12 an bis zu dem letzten.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Harsdörffer, Georg Philipp. Gedichte. Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey. Hirtengedichte. [Ich wäle die weißlich-berötte Myrtillen]. [Ich wäle die weißlich-berötte Myrtillen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3421-9