Der Affe und der Delphin
Den Mutterwitz bringt jeder auf die Welt;
Der Schulwitz wird durch Bücher uns gegeben;
Der eitle Mensch, dem Schein und Wahn gefällt,
Sucht überdies dem dritten nachzustreben.
Das ist der Witz, den man, galant zu leben,
Auf Reisen sucht, nur in der Fremd' erhält,
Wo, ehe man den letztern aufgespüret,
Manch' Mutterkind die ersten oft verlieret.
Und dennoch ist's ein Ruhm, (ich leiste die Gewähr)
Mit Vorwitz, Gold und Stolz sich auf den Weg zu machen.
Man holt von Städten, Leuten, Sachen
Zum wenigsten die Namen her.
Ist dieses nicht genug? wer darf noch mehr verlangen?
Wer alles wissen will, der gehe selbst dahin,
Wo ich bereits gewesen bin;
Da kann er Unterricht empfangen.
Ganz recht! du bist schon hier: dir droht nicht die Gefahr,
Die jenem Affen tödtlich war.
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Der ging zu Schiffe, von Athen
Nach Lacedämon hin zu reisen,
Den Schönen dort, die ihn noch nicht gesehn,
Sein liebliches Gesicht zu weisen.
Die Fahrt fing glücklich an, bei hellem Sonnenschein.
Die Luft floß, wie das Meer, gelind und spiegelrein.
Drum singt der Steuermann, den noch kein Unfall störet,
Und lenkt das Schiff mit Lust; man jauchzet überall.
Die allgemeine Ruh', der öftre Freudenschall
Reizt meinen Passagier, der bald den Scherz vermehret,
Die Zähne bleckt, erzählt, wo er herumgeschweift,
Und es beim Zeus beschwört, ein Liedchen hüpfend pfeift,
Das er beim Chier Wein von Phrynis selbst gehöret.
Der Wind verbleibt geneigt. Man sieht zur rechten Hand,
In einem fernen Blau, Trezöns berühmten Strand,
Und Argo's breiten Busen liegen.
Der Thetis weibischen und schnellen Unbestand
Scheint Eurus webend einzuwiegen.
Bald aber schwärzet sich die heitre Himmelsluft;
Es reißt sich Boreas aus seiner tiefsten Kluft
In Wirbeln brausend los, und thürmt auf Wellen Wellen.
Das Schiffvolk sieht erstaunt die wilden Fluten schwellen,
Und zieht die Segel ein: doch fehlt ihm Zeit und Licht.
Der Sturm verfolgt das Schiff: es krachet, splittert, bricht.
So wird die Hoffnung bald betrogen!
Die in erwünschter Sicherheit
Der guten Reise sich erfreut,
Sind jetzt ein Spiel empörter Wogen.
Ein jeder ringt mit Furcht und Wellen,
Und jedem sinket Hand und Muth.
Doch plötzlich legt sich Wind und Flut;
Die Luft fängt an sich aufzuhellen.
Als nun die Stille zugenommen,
Da kömmt, vielleicht von ungefähr,
Ein spielendes Delphinenheer,
Zu aller Trost, herbeigeschwommen.
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Dies Thier pflegt Menschen gern zu dienen.
Selbst Plinius erzählt es so.
An welchem Ort? ich weiß nicht wo;
In dem Capitel von Delphinen.
Der Affe naht sich mit Entzücken.
Da nimmt ein solcher Menschenfreund,
Dem er ein Mensch, wie andre, scheint,
Ihn unverzüglich auf den Rücken.
Er freuet sich der stolzen Bürde.
Sein Reiter ziert sich auch so schön,
Daß, wer ihn nicht zu scharf besehn,
Ihn für Arion halten würde.
Der junge Herr wird fortgetragen,
Bis endlich sein Erretter ruht,
Und höflich diese Frage thut,
Wie ihn der Sturm hieher verschlagen.
Sie sind ja von Athen gekommen? ...
Ja freilich komm' ich von Athen.
Mon cher, da bin ich angesehn;
Hat Er noch nichts von mir vernommen?
Hat Ihnen diese Stadt gefallen?
Er fragt? wem steht Athen nicht an?
Mein Vetter, der berühmte Mann,
Ist Archon dort, und gilt bei allen.
Mon Cher, wie werden die Verwandten
Um meine Rettung fröhlich sein!
Wie wird sich mein Papa erfreun,
Ma Sœur, mon Frère, nebst den Tanten!..
So ist auch (doch kaum braucht's der Frage)
Piräus Ihnen wohl bekannt? ...
O der? Piräus hat Verstand;
Wir sahen uns fast alle Tage.
Das hieß nun recht die Klugheit zeigen!
Kein Meister hat das Schloß erdacht,
Das rohe Mäuler sprachlos macht.
O wüßten Affen doch zu schweigen!
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Er wird erkannt, und muß ertrinken.
Man wirft ihn in das Meer, und spricht:
Delphinen retten Affen nicht;
Fort; du magst schwimmen, oder sinken!