Wein und Liebe
Nein, Liebe, nein! dir gilt nicht dieses Lied;
Es soll mit Bacchus Ruhme prangen,
Was mich erweckt, und was man hier ersieht,
Ist wichtiger als weiß' und rothe Wangen.
Ein jedes Glas, das diese Tafel ziert,
Verbannt das blinde Kind, und macht aus Freunden Brüder,
Und wer bei dir oft Herz und Witz verliert,
Dem gibt der Wein Verstand und Freiheit wieder.
Was hat vordem die Deutschen groß gemacht,
Von deren Muth auch Feinde melden?
Sie flohen dich, und zechten vor der Schlacht:
Und dieß allein, dieß machte sie zu Helden.
Das Alter selbst verjünget sich durch Wein,
Wann Eintracht, Lust und Durst mit vollen Stutzern winken;
Und würden nicht auch Götter sterblich sein,
Wenn Götter nicht stets ihren Nectar trünken?
Was macht gelehrt? Was nutzet einem Staat?
Was suchen alt' und neue Weisen?
Was fehlt dem Hof, der so viel Edles hat?
Was müßten auch die größten Dichter preisen?
Die Wahrheit ist's. Man trifft sie selten an;
Doch wird sie dir gewiß ein ächter Säufer sagen:
Und wer sie nicht beim Trunk entdecken kann,
Sucht sie umsonst den Schönen abzufragen.
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Die Schönheit ist der Falschheit stolzer Sitz,
Und jedes Jahr schwächt ihre Stärke.
Doch thut der Wein durch eingeflößten Witz,
Im Alter erst die größten Wunderwerke.
Wie oftmals täuscht das Schmeicheln die Vernunft?
Wie sklavisch wird ein Mund, der lächelnd trügt, verehret?
Doch dieser Wahn verschont die freie Zunft,
Die stets ihr Glas in Einem Zuge leeret.
So wollt' ich einst, bei jubelvoller Lust,
Des Weines Lob der Welt erzählen;
Doch rührte bald ein andrer Trieb die Brust,
Doch mußten bald die besten Worte fehlen.
Nein, Bacchus, nein! dir galt nicht mehr mein Lied;
Die junge Phyllis kam gegangen;
Und man erblickt, wo so viel Liebreiz blüht,
Nichts Wichtigers, als ihre schöne Wangen.