[332] Der Grenzsoldat
Am Pestkordon der Grenzsoldat
Mit der Muskete steht,
Jenseits des Stroms auf blum'gem Pfad
Das Türkenmädchen geht.
Dazwischen hin die Donau zieht,
Dem Strom des Todes gleich,
Der Sel'ge und Lebend'ge schied
Und Erd- und Geisterreich.
Was drüben blüht, was drüben strebt,
Ist für die Andern hie,
Als wär's verwelkt längst und verlebt
Oder geboren nie.
Die Blumen, die dort drüben stehn,
Sie sind so fern für ihn,
Als hab' er sie im Traum gesehn
Im Himmelsgarten blühn.
[333]
Die goldnen Früchte, die gedrängt
Der Fruchthain drüben beut,
Für ihn sind sie wie aufgehängt
Im Hain der Ewigkeit.
Die Türkenmaid, die dort entlang
Des schönen Stroms lustwallt,
Für ihn wallt sie der Todten Gang
In eines Geists Gestalt.
Das Leuchten ihrer Augen quillt
Durch weiße Schleier vor,
Ihm sind's nur Sterne, schimmernd mild
Aus weißem Wolkenflor.
Da faßt der Sehnsucht tiefe Macht
Des jungen Kriegers Herz,
Wie's zieht in stiller Vollmondnacht
Den Wandrer sternenwärts.
Fast meint er einen Blick zu thun
In fernes Geisterland,
Wenn nicht ganz andre Bilder nun
Gar irdisch ihn gemahnt!
Auf raschem Pferd der Spahi Zahl,
Die dort vorüberbraust,
Daß Staubgewölk und Säbelstrahl
Und Hufblitz sie umsaust!
Der Aga, der im Moosdivan
Am Strand die Pfeife raucht,
Die als Musketenrohr hinan
Des Friedens Salven schmaucht!
[334]
Da stampft die Flinte der Soldat
Zum Grunde unmuthvoll,
Daß aus dem Boden am Gestad'
Ein banges Dröhnen scholl!
»O daß ich steh' bei rüst'gem Leib
Hier todt als Grenzepfahl!
Wie ein alt Krankenwärterweib
Vor einem Pestspital!
Die Brücken schlagt', ihr Pontonier,
Für Wagen und für Roß!
Mit Schiffen her, Tschaikisten ihr,
Für Mannschaft und für Troß!
Die Schlachten unsrer Väter sind
Noch auszukämpfen dort;
Ein gutes Christenschwert gewinnt
Noch Arbeit fort und fort!
Herr Hauptmann, dort von der Moschee
Höhnt uns der halbe Mond;
Auf, pflanzt das heil'ge Kreuz zur Höh',
Das drüben würd'ger thront!
Herr Pfaff, manch schönes Haupt umflort
In Irrwahns Schleiern seht,
Das sich zum Born der Taufe dort
Zu beugen brünstig fleht!«
An Wundern schwanger geht die Zeit!
Wer hätt' es wohl gedacht,
Daß solch ungläub'ge Türkenmaid
So guten Christen macht?