434. Der kommende Wald und die klingenden Schellen
Als Childebert mit großer Heeresmacht in Guntrams und Fredegundens Reich einbrach, ermahnte die Königin ihre Franken zu tapferem Streit und ließ Guntrams hinterlassenes Söhnlein in der Wiege voraustragen; dem Säugling an der Mutterbrust folgten die gewaffneten Scharen. Fredegund ersann eine List. In finsterer Mitternacht, angeführt von Landerich, des jungen Chlotars Vormund, erhob sich das Heer und zog in einen Wald. Landerich griff ein Beil und hieb sich einen Baumast; drauf nahm er Schellen und hing sie an des Pferdes Hals, auf dem er ritt. Dasselbe zu tun, ermahnte er alle seine Krieger; jeder mit Baumzweigen in der Hand und klingenden Schellen auf ihren Pferden, rückten sie in früher Morgenstunde dem feindlichen Lager näher. Die Königin, den jungen Chlotar in den Armen haltend, ging voraus, damit Erbarmen über das Kind die Krieger entzünden möchte, welches gefangengenommen [401] werden mußte, wo sie unterlägen. Als nun einer der feindlichen Wächter in der Dämmerung ausschaute, rief er seinem Gesellen: »Was ist das für ein Wald, den ich dort stehen sehe, wo gestern abend nicht einmal kleines Gebüsch war?« – »Du bist noch weintrunken und hast alles vergessen«, sprach der andere Wächter; »unsere Leute haben im nahen Wald Futter und Weide für ihre Pferde gefunden. Hörst du nicht, wie die Schellen klingen am Halse der weidenden Rosse?« (Denn es war von alten Zeiten her Sitte der Franken, und zumal der östlichen, daß sie ihren grasenden Pferden Schellen anhingen, damit, wenn sie sich verirrten, das Läuten sie wiederfinden ließe.) Währenddessen die Wächter solche Reden untereinander führten, ließen die Franken die Laubzweige fallen, und der Wald stand da leer an Blättern, aber dicht von den Stämmen schimmernder Spieße. Da überfiel Verwirrung die Feinde und jäher Schrecken; aus dem Schlaf erweckt wurden sie zur blutigen Schlacht, und die nicht entrinnen konnten, fielen erschlagen; kaum mochten sich die Heerführer auf schnellen Rossen vor dem Tode zu retten.