372. Fridigern
Fridigerns Taten priesen die Goten in Liedern. Von ihm ist folgende Sage aufbehalten worden: Als die Westgoten noch keinen festen Wohnsitz hatten, brach Hungersnot über sie ein. Fridigern, Alatheus und Safrach, ihre Vorsteher und Anführer, von dieser Plage bedrängt, wandten sich an die Anführer des römischen Heers, Lupicinus und Maximus, und handelten um Lebensmittel. Die Römer, aus schändlichem Geiz, feilschten ihnen Schaf- und Ochsenfleisch, ja selbst das Aas von Hunden und andern unreinen Tieren zu teurem Preis, so daß sie für ein Brot einen Knecht, für ein Fleisch zehn Pfund (Geld) erhandelten. Die Goten gaben, was sie hatten; als die Knechte und ihre Habe ausgingen, handelte der grausame Käufer um die Söhne der Eltern. Die Goten erwägten, es sei besser, die Freiheit aufzugeben als das Leben, und barmherziger, einen durch Verkauf zu erhalten als durch Behalten zu töten. Unterdessen ersann Lupicinus, der Römer Anführer, einen Verrat und ließ Fridigern zum Gastmahl laden. Dieser kam arglos mit kleinem Gefolge; als er inwendig speiste, drang das Geschrei von Sterbenden zu seinem Ohr. In einer andern Abteilung der Wohnung, wo Alatheus und Safrach speisten, waren Römer über sie gefallen und wollten sie morden. Da erkannte Fridigern sogleich den Verrat, zog das Schwert mitten am Gastmahl, und verwegen und schnell eilte er seinen Gesellen zur Hilfe. Glücklich rettete er noch ihr Leben, und nun rief er alle Goten zur Vernichtung der Römer auf, denen es erwünscht war, lieber in der Schlacht als vor Hunger zu fallen. Dieser Tag machte dem Hunger der Goten und der ruhigen Herrschaft der Römer ein Ende, und die Goten walteten in dem Lande, das sie besetzt hatten, nicht wie Ankömmlinge und Fremde, sondern wie Herren und Herrscher.
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