Erste Szene
Rom. Garten des Gouverneurs.
Don Juan und Leporello treten auf.
LEPORELLO.
Ach, Herr, schon ist es vier Uhr nachmittags,
Und immer kommt sie nicht. Es wäre besser,
Wir gingen heim, und schliefen aus vom Spiel
Und Schwelgen der verflossnen Nacht.
DON JUAN.
Ausschlafen?
Ha, siehst du diesen Garten, diesen Himmel?
Wie dunkelblau der Äther, und wie hell
Die Sonne, gleich dem Diamant im Finstern!
Kein Wölkchen zu erblicken! – Ach, wie herrlich –
Trauriges Auge, das hier schlummern kann –
Ein umgestürzter Becher voller Lust und Kraft
Umwölbt der Himmel uns, berauschend uns
Und die Natur. Wie rot und trunken brennen
An dem Gebirg die Trauben!
LEPORELLO.
Und wie zierlich funkeln
Der Winzerinnen Backen zwischen durch!
Der netten Winzerinnen, hochgeschürzt,
Die Waden prall, den Fuß so fein und flink –
– Das Wasser läuft mir in den Mund. –
DON JUAN.
Der Tag
Ist wundervoll – selbst die Ruinen strahlen
In seinem Schimmer wie verklärte Geister –
Solch einen Herbst trifft man in Rom nur an –
In Siegeskleidung, ähnlich römischen
Altvordern, hüllt sich das Gefild, bevor
Es hinstirbt. – Wie ein goldner Rahmen, der
Das schönste Bildnis, Donna Anna, soll
[443] Empfangen, liegt da die Natur.
LEPORELLO.
Sie kommt!
Sie kommt! Ein weißes Damenkleid blinkt durch
Das Grün des Parkes – O Lisette! die
Lisette ist nicht bei ihr! Desto sichrer
Treff ich sie in der Kammer, und
Vorsichtge Liebe liebt verschloßne Türen.
DON JUAN.
Sie kommt! sie naht! Was rauscht am schönsten?
LEPORELLO.
DON JUAN.
Das Gewand der Geliebten!
LEPORELLO.
Freilich
So lang als Ihrs noch nicht – Ihr laset noch
Kein Buch zum zweiten Mal.
DON JUAN.
Mach fort! da ist Sie! Sie!
LEPORELLO.
Das arme Mädchen, wenns sich läßt betrügen!
DON JUAN.
Ich liebe sie!
LEPORELLO.
Ihr lieben? – Nun, dann sagt doch:
Wer ist es, der Kalbsbraten, Mädchen, Wein,
Und Tanz, und alles was gut schmeckt, gut
Aussieht, so liebt, daß er bei dem einen
Das andre gleich vergißt, zum Beispiel bei
Dem Duft des Bratens der Geliebten kaum
Noch denkt? – Fragt die Studenten Salamancas,
Ob sich ein Liebender so aufführt – Mir
Hat Euer junger Vetter, Sennor Pedro,
Einstmals gesagt: Ihr liebtet nie, Ihr kenntet
Genuß und Phantasie nur!
DON JUAN.
Was?
Nur Phantasie wär meine Liebe?
LEPORELLO.
DON JUAN.
So ist Phantasie
Tausendmal besser als die Wirklichkeit! –
– Jetzt geh fort!
Leporello entfernt sich, Donna Anna kommt, ohne Don Juan zu bemerken; er tritt auf die Seite.
DONNA ANNA.
Glänzend, augenblendend
Der Tag – so trüb der Busen – – Nah die Hochzeit,
[444] So fern die Seligkeit – Mich faßt ein Schwindel,
Wenn ich, den heitren Brautkranz in den Locken,
Zufällig im kristallnen Bach mein Bild
Erblicke – Grünt der Kranz noch lange fort,
So sind es meine Tränen, die ihn frisch
Erhalten! – Weh, ich weiß, was meine Seel umdüstert!
Noch gestern nacht hört ich sein Schwert erklingen
Und seine Stimme tönen. – Und sei Er der Gott
Der Hölle, dir Octavio bleib ich treu!
Du hast mein Wort! Dich will, dich muß ich lieben,
Und sollt ichs dadurch lernen, daß ich mir
Das Herz zerbräche – Liebe weniger
Als Ehre! –
Ach wie müd bin ich! Das Rauschen
Der Hochzeit, ihre weißen Prachtgewänder,
Wie donnerlaute weiße Wetterwolken,
Die gegen Mittag an dem Horizont
Aufsteigen, um sich abends zu entladen,
Schwebt das mir vor – ich bin erschöpft, wie vorm
Gewitter – könnt ich schlummern und mein Auge
Zuschließen! – Ach es lächelt doch nicht wieder! –
Sie setzt sich auf eine Rasenbank, wie zum Schlummer.
DON JUAN.
– Was hört ich? Lieb' zeugt Liebe! Und tut sie's
Auch nicht, so wüßt ich noch ein sichrers Mittel:
Verachtung! Denn Verachtung zu ertragen,
Dazu ists Weib zu eitel – – Ha, sie liebt mich!
Nur Tugend, Treu, schützt sie entgegen. – Was
Ist Eisen im Schmelzofen, und was ist Tugend
Bei dem Verliebtsein? Tugend wirft man schon
Zu Boden, wagt man mutig nur den Angriff –
Bei Weibern gar ist sie nur eine Art
Koketterie, die unsren Sieg versüßt.
Der Unschuld Bestes ist, sie zu verlieren.
'Ne Art Instinkt lehrt das die Damen, – auch
Die Donna Anna fühlt davon ein bißchen!
Er tritt zur Donna Anna.
Erwache, Holde!
DONNA ANNA
aus ihrem Schlummer aufblickend.
O Madonna! – Er! – Er selbst! –
[445] Fort Frevler! Warum willst du mich umgarnen?
He, Diener! Diener!
DON JUAN.
Deine Diener sind
Nicht nah! – Verzeih, zum Schlummer senkte sich
Dein Augenlid – Ich konnts nicht tragen – Denn
Wenn du dein Auge schließest, so ists Nacht
Um mich!
DONNA ANNA.
Hinweg! Du schreckest mich!
DON JUAN.
Nur wo
Du atmest, leb ich. In die Wüste stöß'st
Du mich, wenn du mich von dir weisest.
DONNA ANNA.
DON JUAN.
Weder Gott, noch alle Hölle
Vertreiben mich von dieser selgen Stelle!
DONNA ANNA.
Octavio! Octavio!
DON JUAN.
Der Zierling!
Bei meinem Arm, ich töte ihn, weil du
An ihn gedacht!
DONNA ANNA.
Abscheulicher! Verwegener!
DON JUAN.
Er preise sich! Denn daß dein Mund ihn nannte,
Die schönste Grabschrift ists, die einem Mann
Je ward!
DONNA ANNA.
Des Lichtes Engel, werdet ihr
Auch ungetreu? Und rafft der Stürme Tosen
Gleich Wolkenbildern euch dahin? Ich weine,
Ich lächle – hasse ihn, ja hasse dich mit Recht!
DON JUAN.
Mich hassen? – Mich, der darin einzig sündigt,
Daß er von deiner Schönheit Strahl getroffen,
Ein Aar, der freien Flugs im Äther schwebte,
Geblendet nun zu deinen Füßen stürzt?
– – Doch hasse nur, denn auch der Haß wird lieblich,
Wenn es der deine ist!
DONNA ANNA.
Zurück! Du trügst
Mich nicht! Nicht Liebe, – Abgrundsflamme ists,
Die in dem Aug dir lodert – Sie versengt
Mein Herz – Doch – Weh mir! – brenn es auch zu Asche,
Ein Opfer sei's, das ich der Lieb und Treue bringe –
– Nehmts gnädig auf, ihr guten Genien!
[446]DON JUAN.
Du hättest je Octavio geliebt?
DONNA ANNA.
Wer gibt dir Recht, mich darum zu befragen?
DON JUAN.
Unselge, dich willst du und mich vernichten –
Den Schein bewahren, und der Wahrheit widerstehn –
Mein Tod ists und der deinige! Dein Wort
Hast du Octavio gegeben – Soll
Das Wort, soll dieses Eis, womit
Du deine Freiheit fesseltest, als noch
Der Liebe Feuer dir nicht glänzte, dich
Auch jetzt noch binden, da der Lebensfrühling
Mit seiner jungen Sonne zauberkräftig
Hoch über unsre Häupter tritt? – Wie der
Gebirgswald, wenn der Wind des Sommermorgens
Wollüstig sich in seinen Wipfeln schaukelt,
Mit allen seinen Blättern aufrauscht, selbst
Den tiefverstecktesten, und wie in ihm
Die Vögel dann, des Tages Strahl begrüßend,
Mit tausendfältigem Gesang erwachen,
So regt ein neues Dasein unsre Pulse!
– Ich flehe dich, ich fasse deine Hand,
Sprich Leben oder Tod, mit einem Wort,
Mit einer Silbe sags, ob du mich sterben sehn,
Ob du mich lieben willst?
DONNA ANNA.
Ich liebe dich,
Und damit lebe wohl! Nie, Furchtbarer,
Werd ich die Deinige!
DON JUAN.
Du liebst mich? Schau,
In lichter Glut flammt meines Lebens Nacht
Empor, berührt vom ersten Strahl des Morgens!
Die Sterne all, die früher einzeln mir
Geleuchtet, schwinden hin vor dieser Pracht!
DONNA ANNA.
Ach, nicht des Morgens freundlich Licht, nein, es
Sind Blitze, die blutroten Flügelschlags
Zerschmetternd und enteilend, diese Stunde,
So schwül wie keine, uns erhellen.
DON JUAN.
Senk nicht
Dein Haupt und fürcht dich nicht vor Blitzen!
Die Liebe macht dich herrlich und nicht schuldig:
[447] In kaiserlich Gewand, in Purpur hüllt
Sie deine Wange!
DONNA ANNA.
Don Juan, ich wollt,
Daß ich im tiefsten Grabe ruhte!
DON JUAN.
Geliebte, weine nicht; voll Wollust küß
Ich sonst der Tränen diamantenes
Geschmeide auf, und glaube mir, daß sie
Als echte Edelsteine mir das Herz
Zerschneiden würden!
Er will sie umarmen.
DONNA ANNA.
Wag es nicht, mich zu berühren –
Bei Gott, du stürbest oder ich. Der Liebe
Kann ich nicht wehren, doch die Ehre rett ich!
DON JUAN.
Entfliehe nicht. Wohin du fliehst, da folg
Ich als Besiegter.
DONNA ANNA.
Nicht das Schiff flieht bänger
Vorm Hauch des Sturms dahin, als ich vor dir!
DON JUAN.
Bin ich ein Sturm? – O lächle, lächle nur
Einmal, und wie du lächelst, wird das Meer,
Das meine Brust durchtobt, sich ebnen, um
Dein Lächeln nachzuspiegeln, – wird die Wolke,
Die meine Stirn umdüstert, fortfliehn wie
Ein schwerer Traum beim seligen Erwachen!
DONNA ANNA.
O könnt ich diesen Traum doch nur weglächeln!
DON JUAN.
Jetzt erst begreif ich, was der Tod ist –
Er schließt das Leben, öffnet den Olymp!
Bei deinem freudgen Blick, dem Todesengel,
Erstirbt vor Schmach und Alter das Vergangene,
Und tritt an dessen Stell ein neues Eden.
Wer dir ins Auge sieht, der trinkt vom Lethe!
DONNA ANNA.
Verführer! Höchster Schmerz und höchstes Glück
Umarmen sich, wenn ich dich seh, dich höre!
DON JUAN.
Seit Anbeginn der Welt sind Leid und Freud
In Wort und Tat vermählt – Die treuste Ehe,
Die je gewesen. Darum zag nicht –
DONNA ANNA.
Heil!
Da naht Octavio!
[448]DON JUAN
für sich.
Verflucht, ich war
Im besten Zuge. Meinem Mund entströmten
Die Bilder dutzendweise. –
Laut.
Fräulein, Gott
Befohlen – Jener Don erregt mir Brustkrampf.
– Wir sehn uns wieder.
DONNA ANNA.
Nimmer!
DON JUAN.
Doch! Gewiß!
Für sich.
Der Herr Octavio hat mich nicht gewahrt –
Er kommt langsamen bürgerlichen Schrittes.
Zur Seite tret ich in dies Lustgebüsch
Und lausche auf die hübschen Redensarten,
Mit denen er sich expliziert. Man kann
Von derlei Schuften lernen, – sie besitzen
Gefühl – das heißt, statt Phantasie und Geist
Genug zu haben, mit der Leidenschaft
Zu spielen, und mit ihr als goldnem Kranz
Des Lebens Horizont zu schmücken, lassen
Sie sich von ihr durchpeinigen, schrein laut
Vor Schmerzen, und verkaufen diese Ware
Für freie und selbstständige Empfindung.
Und doch – die Weiber sind so dumm – nur Dummheit
Kann sie besiegen – Mit den Wölfen heulen,
Und bei den Weibern frömmeln, tanzen, lügen!
Er tritt in das Gebüsch zur Seite, bleibt jedoch dem Zuschauer sichtbar.
DONNA ANNA.
Er naht! Octavio! Er, dem ich
Mich weihte, und dem ich bleiben will, weil ich
Mich ihm geweiht. – Soll ichs ihm sagen,
Daß Don Juan mich liebt? – Nein, nein, der Schläfer
Soll nicht erfahren, welche Wolk ihm über
Das Antlitz wegzog – Mut, Mut, arme Anna!
Die Tochter des Don Gusman darf den Tod
Nicht fürchten, und noch weniger ihr Herz –
Die Treu ist ewig, Liebe ist vergänglich –
Das Ewge siege!
DON OCTAVIO
tritt auf.
Zu Donna Anna:
Er ist da, der Tag
Der Feier, der den Jugendtraum erfüllt.
DONNA ANNA.
Den Jugendtraum!
[449]DON OCTAVIO.
Geschmückt zum Hochzeitsreihen,
Stehst du geschmückt für mich!
DONNA ANNA.
Für dich geschmückt!
DON JUAN
für sich.
Das Echo klingt verdächtig: es verändert
Die Worte!
DON OCTAVIO.
Grün, wie Hoffnungsschimmer, glänzt
Der Kranz durch deiner Locken Dunkel – Selig,
Wer solchen Schimmer sieht in solchem Dunkel!
DON JUAN.
Wie lange will es dauern bis der Sennor
Von Mantel und Barett, von Geld und Gütern,
Von Kinderzeugung und Erziehung redet? –
Der wird die Püppchen, die Octaviöchen,
Die schrei'nden Zeugen seiner keuschen Glut,
Empfindsam auf den Armen wiegen. – Welch
Erbärmliches Geschmeiß!
DON OCTAVIO.
Schon als ein Knabe
Verehrt ich dich als Götterbild – wie stahl
Ich mich in deine Nähe – doch so nah
Ich kam, selbst wenn du freundlich mich begrüßtest,
Du bliebst für mich (so schien es mir) ein schöner,
Doch ferner, ferner Stern! Nicht denken konnt ich,
Daß überirdsches Glück, wie deine Stimme,
Dein Anblick es mir boten, hätte nah
Sein können!
DON JUAN
für sich.
Macht der Hochzeit! Macht des Weins!
Ich schwörs, weil Hochzeit ist, hat sich der trockne
Herr Bräutigam etwas herausgenommen, drei
Glas Wein getrunken, und sieh da, er wird
Poetisch vor der Ehe!
DON OCTAVIO.
Jede Hoffnung
Und jedes Sehnen ist erfüllt – Es strahlt
Um mich des Daseins Fülle –
DON JUAN
für sich.
Mich! Ich! Sich! – Der Selbstling!
DON OCTAVIO.
Nicht selger kann ich werden als ich jetzt
Es bin!
DON JUAN
für sich.
So ist es Zeit, du stirbst heut abend!
DONNA ANNA.
Octavio, ich bin die Deine. Nimm die Hand
Und führ mich zum Altar.
[450]DON OCTAVIO.
Ich führ dich hin, doch erst
Laß uns des Vaters Segen holen.
DON JUAN
für sich.
Bravo!
Nichts vom alten Schlendrian versäumt:
Des Vaters Segen hilft zur Liebe just
So viel, als Katzen bei dem Fischfang!
DON OCTAVIO.
Nach
Der Hochzeit, Teuerste –
DON JUAN
für sich.
Liebwerteste –
DON OCTAVIO.
– Ziehn wir, so denk ich, nach der Heimat, – auch
Dein Vater wird uns gern begleiten –
DONNA ANNA.
Nein,
Er diene dem Könige solang er atmet!
DON OCTAVIO.
Vielleicht bewegen ihn doch unsre Bitten!
Denn Ruh und Kinderlieb und überreiches
Auskommen, winken ihm auf unsren Gütern.
DONNA ANNA.
Auskommen! Daran denkt er nicht, und dessen
Hat er mehr als genug!
DON OCTAVIO.
O zürn nicht, Freundin –
Ich meint es gut.
DONNA ANNA.
Dir sollt ich zürnen? Muß
Ich dich nicht lieben bis in Ewigkeit?
DON OCTAVIO.
Komm!
Verdienen will ich deine Liebe!
Don Octavio und Donna Anna ab.
DON JUAN
tritt wieder vor.
Der
Armselge! Geld, Heirat und Auskommen
Die Pole seines Lebens! Schade, daß
Maschinen fehlen, um im Ehebett,
Und in der Kirche, auf dem Ackerfeld
Und in der Küche, solches Volk ersetzen
Zu können! – – Herr Octavio irrt sich aber,
Wenn er heut nacht ins Brautbett wähnt zu steigen –
Denn mitten in der Hochzeitsfeier stürzt
Er blutend auf das Estrich, oder
Nicht heiß ich Don Juan!
LEPORELLO
kommt.
Herr, seid Ihr fertig?
DON JUAN.
Noch nicht. Wie stehts mit der Lisette?
[451]LEPORELLO.
Herr,
Grad so, wie es mit Donna Anna stünde,
Wenn Ihr sie satt bekommen. – Laßt mich weg
Von Rom, denn in dreiviertel Jahr verklagt
Sie mich auf Heirat!
DON JUAN.
Heirat? – Weiß sie auch,
Daß du kein Graf bist?
LEPORELLO.
Pah! Graf oder keiner –
Ich bin ein schmucker Kerl, und das ist
Das mächt'gste Kaisertum bei Mädchen.
DON JUAN.
Noch
Heut abend ist die Hochzeit Donna Annas!
LEPORELLO.
Verflucht!
DON JUAN.
Bald zünden sie im Hochzeitssaal
Die Kerzen an, und jede Kerze schlägt
Als Blitzstrahl mir ins Auge!
– Octavio
Muß fallen!
LEPORELLO.
Und die Donna Anna muß
Erobert werden!
DON JUAN.
Du sollst dazu helfen.
LEPORELLO.
Recht gern! wenn Ihr nur so wie früher wohl
Bei ähnlicher Gelegenheit, mich schirmt!
DON JUAN.
Darauf verlaß dich. – Hier ist Geld, und sorg
So klug nun als dir möglich – Auf der Hochzeit,
Die gleich beginne, zu der man mich geladen,
Reiz den Octavio zum Zorn, so daß
Er dich verletzt, und ich den Schein erhalte,
Mit Recht um deinethalb mit ihm in Streit
Zu kommen.
LEPORELLO.
Leicht gesagt und leicht getan! –
– Doch wenn er mir Ohrfeigen austeilt?
DON JUAN.
So
Geb ich für jede Ohrfeig dir vier Skudi!
LEPORELLO.
O hätt ich hunderttausend Ohrfeigen,
Ich hätt vierhunderttausend Skudi!
DON JUAN.
Sorg nun!
Ab.
LEPORELLO.
– Nicht leicht ist dieser Beutel – Erst die Hälfte
Für mich – – – Und mit dem Rest komm ich schon aus.
[452] Denn meines Herren Degen, welcher den
Don Bräutigam durchbohren soll, versteh
Ich selbst zu schleifen; – dann fünf Teufelskerle,
Die bei dem Spaße Hand und Dienst uns leihen,
Find ich an jeder Ecke, und bezahl
Sie nur mit Groschen, – endlich noch
Sechs Pferde, die uns mit der Braut im Nu
Forttragen, kauf ich nicht, ich miete sie,
Das Nachsehn aber laß ich dem Vermieter.
Ab.
Der Ritter und Faust treten auf.
DER RITTER.
He, Meister, laßt auf diesem schönen Fleckchen
Uns ausruhn?
FAUST.
Knecht, wovon?
DER RITTER
für sich.
Er nennt mich Knecht!
Jahrhunderte soll er das büßen!
Laut.
Von
Dem Glanze der Kometen, der Planeten,
Der dich geblendet, – von dem Dunkel
Des Abgrunds, welches dein Gesicht hat bleich
Gemacht! – Bist nun zufrieden, und begreifst
Du nun, was Ich, was Welt, was Gott (wie ihr
Ihn heißt) sind?
FAUST.
Schwächling, der du glaubst, daß Massen
Befriedigen mich möchten, – daß ich albern
Wie ein Eroberer oder Geizhals, Größe
Auf Größe häufen möchte, ewig strebend
Und nie am Ende! Ja, versagen mag
Dem Wanderer der Atem, wenn er da,
Wo heiß und gelb, wie Flugsand aus der Wüste,
Die Stern' im Weltsturm durcheinander jagen,
Dem wilden Schauspiel zusieht, – doch dazu
Bedarf es nicht des Firmamentes, denn
Sowohl in der Sahara als im Sumpf
Geht dir der Atem aus – Zeige mir
Den Abgrund, welchen ich nicht bodenloser,
Den Gipfel, den ich mir nicht schwindelnder,
Das Weltall, welches ich mir nicht
Unendlich größer denken könnte – Was
Bis jetzt ich von der Welt erkannte, hat
Mir nur bewiesen, daß es Größ und Kleinheit
[453] Darin nicht gibt, – und daß die Milb so sonderbar
Erbaut ist, als der Elefant – Freund, nach
Der Kraft und ihrem Zweck hab ich geforscht,
Nicht nach der Außenseite!
DER RITTER.
Und die Kraft,
Den Zweck begreifst du nicht, selbst wenn ich sie
Entzifferte.
FAUST.
Weshalb nicht?
DER RITTER.
Weil sie jenseits
Der Sprache liegen. Nur was ihr in Worte
Könnt fassen, könnt ihr denken.
FAUST.
Wie? die Sprache
Wär größer als der Mensch?
DER RITTER.
Sie ists!
FAUST.
Gefühl und Sehnsucht, alle die sprachlosen
Empfindungen, die gleich Gewitterschauern uns
Durchbeben – Was sind sie?
DER RITTER.
Nur Nebel, Nebel!
Was sprachlos ist, ist ohne Sinn und Klarheit!
FAUST.
So wär die ganze Menschheit nur Geschwätz!
– Und warum fühl ich Durst, mehr zu erforschen,
Als mir die Sprache bieten kann?
DER RITTER.
Weil du
Zu diesem Durst dich künstlich reizest. Machs
Wie Millionen deiner Brüder – schlaf,
Iß, trink und sei vergnügt.
FAUST.
– Ha – welcher Schatten
Durchzuckte plötzlich Höll und Himmel,
Als du in vollem Glanze sie mir zeigtest?
Als er hereinbrach, standen Engel, Teufel,
Gott und du selbst erstarrt wie Wachsfiguren
DER RITTER
zitternd und verwirrt.
Ein Schatten – Nun, ich glaube – dieser Schatten
(Vielleicht auch nur ein allzuhelles Licht)
Hat oftmals manchen Geist entsetzt – Ich kenn
Ihn nicht – Es scheint, als fiel er in die Welt
Von außen. –
FAUST.
Wie?
DER RITTER.
Ja, denn nur die Welt, den Teufel,
[454] Den Gott, den du begreifen kannst, begreifst,
Erblickst du!
FAUST.
Lügner und Verräter! Wo
Sind sie, die tiefsten Pulse der Natur,
Die du zu zeigen mir gelobt?
DER RITTER.
Sie schlagen
In jedem Grashalm unter deinen Füßen!
FAUST.
Du Schattenbild! Erbärmlicher –
DER RITTER
für sich.
Er schimpft!
Er schimpft, der Wurm! O wie ein Meer von Gift
Gärts in mir auf!
FAUST.
Ich spürs – ein Teufel weiß
Nicht mehr als wie ein Mensch.
DER RITTER.
Narr, der zum Satan
Hinflüchtet, ruhig (oder wie ihrs nennt)
Zu werden. Alle Hölle jauchzt' empor,
Als sie dich rufen hörte. Wollt ihr Glück
Und Seligkeit verdienen, so erhebt
Euch erst zu dem Gigantengeiste, der
Inmitten tausendjährger Flammen, die
Vergeblich ihre Zungen an ihm stumpfen,
Inmitten aller Zweifel, die wie Stürme,
Gefühl und Denken aus den Wurzeln reißen,
Inmitten seines Sturzes von des Himmels Höhen,
An nichts verzagt, sich auf sich selbst verläßt,
Und ewig haßt und kämpft in Siegeshoffnung!
FAUST.
Der Geist, der statt die Zweifel aufzulösen,
In sie sich fügt, und statt die Ursache
Der Liebe zu ergründen, sich begnügt
Mit Haß – das ist ein Geist, der Bären ziert,
Doch keinen Menschen oder Engel. Freund,
Ich habe mich in dir verrechnet!
DER RITTER
für sich.
Glaubs gern!
FAUST.
Zu großen Zwecken kann ich dich nicht brauchen,
Doch da wir einmal wechselseitig sind
Verschrieben, werde ich, solang du mein,
Als Knecht zur Arbeit dich benutzen, und
Mit deinen Kunststücken sollst du mir doch
In etwas dienen!
DER RITTER.
Herr, ich bin Euch ganz
[455] Ergeben – Schade nur, daß Ihr ein Mensch seid –
Es liegt ein echter Gott in Eurem Wesen –
Weh tuts mir sehr, daß ich zu klein, Eur Sehnen
Zu stillen. –
Doch das Gleiche liebt das Gleiche!
Wen Sonnen blenden, der vergafft sich leichter
In Mädchenaugen!
– Seht den Spiegel hier!
Was sagt Ihr zu dem Weibsgesicht, das draus
Hervorstrahlt?
FAUST.
Weibsgesicht – Ich hab 'ne Frau!
DER RITTER.
Was liegt an der auch!
FAUST.
DER RITTER.
Ha! Meinst du es so? Hast nie
Geliebt?
FAUST.
Geküßt hab ich, gehofft, gesehnt, –
Doch wenig ist die Welt und groß die Sehnsucht.
Wie konnt ich Mädchen lieben, eh die Gottheit
Mir klar war?
DER RITTER.
O ganz leicht! Beim schönen Werk
Vergißt man oft die Häßlichkeit des Meisters,
Beim Weibe oft die Gottheit und den Teufel.
– Denk nicht, daß du auf deiner Lebensreise,
Die heiße Zone, wo der Himmel brennt
Der Liebe, würdest frei umschiffen können.
Dein Geist mag schwelgen oder darben wollen,
Du magst zum fruchtbarn Tal des Herbstes, oder
Zum Eisgebirg des Winters steuern, –
Der ersten Liebe Sommer mußt du erst
Durchkreuzen – Und mir deucht, daß du ihm jetzt,
Wo jeder Halt dir fehlt, ein neuer Halt
Dir nötig ist, sehr nahe seist!
Dem Faust ein Bildnis vorhaltend.
Für sich.
Ha, ihr Höllenfeuer alle,
Versammelt euch in des Gemäldes Raum,
Umfunkelt mir das Abbild Donna Annas,
Verblendet den hochweisen Doktor!
FAUST
das Bildnis betrachtend.
Schön –
Sehr schön – noch nie sah ich so Herrliches – –
[456] – Wie bricht die Stirn aus dieser Locken Dunkel –
So bricht der Gott der Sonne aus der Nacht!
– Ich weiß, dies alles ist ein Höllentrug!
Ich seh die Funken um das Antlitz sprühen –
Doch sei's ein Trug – der Trug ist mehr wert als
Die Wahrheit, als zu wissen, daß man nichts weiß!
DER RITTER.
Der Donna Anna treues Bild erblickst du!
FAUST.
Ich blick und blicke – zu 'nem Kinde werd
Ich wieder – Eine Heimat, die ich nie geschaut,
Umlächelt mich – Gibts andre Heimaten
Als das Geburtsland? – Dieses Auges Braun
Kommt über mich wie Abenddämmerung –
Der Tag erbleicht davor, doch Sterne, zahllos,
Entsteigen, selbst die Finsternis verklärend,
Dem Abgrund – Ach, des Himmels Gründe,
Sandbänke sind sie gegen dieses Auges Tiefen!
DER RITTER
für sich.
Nun karessiert der Entrich seine Ente,
Vergißt Philosophie, Mathematik,
Astronomie!
FAUST.
Es ist 'ne Albernheit,
Daß mich ein Bildnis so entzückt – Nicht Grund
Seh ich dazu – und doch bin ich entzückt!
DER RITTER.
Der Tor!
Auch in der Liebe spürt er nach dem Grunde –
Je grundloser je tiefer!
FAUST.
Irr ich mich oder
Hast du mir nicht gesagt, dies sei
Der Donna Anna Bildnis?
DER RITTER.
Ja, das ist es.
FAUST.
So führ mich zu ihr, – sehen, sprechen will
Ich sie
DER RITTER.
Ihr Vater ists, der dich verfolgt!
FAUST.
Du nennst mich Graf von Mezzocampi,
Verjüngst mein Angesicht durch Zauberkunst.
DER RITTER.
Ich bin dein Sklav. – Doch weißt du, daß die Donna
Heut abend sich dem Herrn Octavio
Vermählt?
FAUST.
Vermählt?
DER RITTER.
So ists –
Horch! da rauscht
[457] Schon tobende Musik zum Hochzeittanze!
FAUST.
Musik! Musik! Sie jubeln und mich faßt der Schmerz! –
– Doch wie ein Donner in den Sommertag
Fall ich in dieses Fest! – Mir dient die Hölle
Und mit ihr stürm ich mir den Himmel!
DER RITTER.
Don Juan wird dir dein Werk verderben: Herrn
Octavio will er würgen und dabei
Die Donna Anna sich gewinnen.
FAUST.
Den Octavio erwürgen? Mag ers tun! Da
Arbeitet er für mich, – denn wenn er den
Herrn Bräutigam erschlagen hat, und denkt
Der Braut sich zu bemächtigen, so klopf
Ich auf die Schulter ihm, stürz ihn zu Boden,
Und nehm die Braut!
DER RITTER.
Das alles kannst du tun
Durch meine Kraft.
FAUST.
Durch deine Kraft? Wie meinst
Du das? Das Schwert will etwa mehr sein
Als der, ders trägt?
DER RITTER
für sich.
Der Eitle!
FAUST.
Zeig mir Anna –
In diesem Augenblick: – denn die Sekunden
Tropfen aufs Haupt mir, wie geschmolzen Blei.
– Laß mich sie sehen!
DER RITTER.
Riechen – fühlen – Komm!
Mit Faust ab.