[300] Operette.

Als ein Vorspiel zu einer Oper, für den Durchlauchtigsten Herzog Christian zu Sachsen-Weißenfels


1733.


Das im Frieden vergnügte Deutschland und Weißenfels.

Erster Auftritt

Der Schauplatz öffnet sich mit einem kriegerischen Getöne der Pauken und Trompeten. Mars erscheint mitten auf einem Gerüste, von Waffen und Harnischen umgeben, dabey viel überwundne Sclaven zur Erden gestrecket liegen. Sarmatien steht seitwärts mit verhülltem Antlitze, als ob es weinete. Hinter ihm stehen bewaffnete Schaaren.

Mars.

Auf! muthige Helden, auf! tapfere Söhne,
Ergreifet die Waffen, Stahl, Pulver und Bley,
Das Donnern der Stücke, der Feinde Geschrey
Ist kämpfenden Streitern das liebste Getöne.
Ihr habt schon im Frieden zu lange geschlafen,
Drum werdet itzt munter, die Länder zu strafen.
Auf! muthige Helden, auf! tapfere Söhne,
Ergreifet etc.
[301] Sarmatia.

Ja, Wütherich! ich hab es schon gefühlt,
Was deiner wilden Kinder Wuth,
Durch Stahl und Glut,
In meinen Gränzen angerichtet.
Du hast dein Müthchen schon gekühlt,
Und meine Wohlfahrt halb vernichtet;
Hast meiner Söhne Schwert auf meine Brust gekehret,
Und Dorf und Feld verwüstet und verheeret.
Ich kann bey solcher Noth,
Vor allem Plündern, Morden, Brennen,
Mich selber kaum erkennen:
Und doch wird mir noch mehr von dir gedroht.
Ach! stecke deine Schwerter ein
Und laß mich wieder ruhig seyn.
Komm Irene!
Sanfte Schöne,
Große Göttinn! steh mir bey!
Dein Erbarmen
Rette mich aus Mörderarmen,
Mache mich von Fesseln frey.
Komm Irene!

V.A.
Mars.

Umsonst, umsonst, Sarmatia!
Dein Schicksal heißt dich leiden;
Der Anfang deiner süßen Freuden
Ist lange noch nicht da.
Du bringst durch Zwiespalt, Zank und Streit
Germanien um seine Sicherheit,
Die Frankreichs Herrschsucht schon gestöret.
[302]
Hesperien steht allbereit
In vollen Kriegesflammen.
Wer weis, wo sich die Glut noch sonsten mehret!
Man trägt schon überall die Nahrung frisch zusammen.

Mars und Sarmatia.

Mars.

Hoffe nicht!
Sarmatia.

Ich will noch hoffen,
Beyde.

Daß der Frühling Ruhe bringt.
Mars.

Alles ist des Schlafens müde,
Alles seufzt nach Krieg und Streit.
Sarmatia.

Komm doch, komm, erwünschter Friede!
Bring uns Ruh und Sicherheit!
Mars.

Nein, Bellonens Thor steht offen.
Sarmatia.

Wisse, daß ihr nichts gelingt.

V.A.

Der zweyte Auftritt

Germania mit einer Kaiserkrone gekrönet, und einen Zepter in Händen tragend, hat ein Kleid an, das mit lauter Kronen, Chur- und Fürstenhüten gesticket ist; und die vorigen.

Germania.

Ja, Schwester, hoffe nur,
Die Sonne scheint nach Sturm und Blitzen,
Und man erblickt bereits die Spur,
Wie Sachsen dich und all dein Wohl wird schützen.
Verehre nur dein neuerwähltes Haupt
Mit ungetrenntem Triebe.
Gewinnst du Friedrich Augusts Liebe:
So hat der Tod dir nichts geraubt;
Du wirst in viel beglückten Jahren
[303]
Des ganzen Landes Flor,
So wie zuvor,
Eh noch dein Vater starb, erfahren.
Einigkeit, Kleinod der Länder!
Schmücke doch ferner mein glückliches Reich!
Lenke die Prinzen,
Mache die weiten Provinzen
Friedlich verknüpften Familien gleich.
Eintracht und Liebe sind köstliche Pfänder!

V.A.
Ach dörft ich nur nicht fremde Wuth erfahren!
So wär ich wohl vergnügt.
Sarmatien, da dein getrenntes Volk
Selbst wider sich zu Felde liegt:
So schrecken mich der Franzen wilde Schaaren.
Sie sind mit schleuniger Gewalt
Auf meinem Boden eingedrungen;
Und haben alsobald
Den Schlüssel meines Reichs bezwungen.
Nun bin ich billig zweifelsvoll
Wer weis, was mich noch treffen soll!

Der dritte Auftritt

Deutschlands Schutzgeist erscheint hier in einer glänzenden Wolke, von einem zweyköpfigen Adler getragen, der ein güldenes C auf der Brust hat; nachdem seine Ankunft mit einigen Blitzen und Donnerschlägen angekündigt worden. Er läßt sich unter Trompeten- und Paukenschalle herab. Mars weichet seitwärts und machet ihm Raum. Die vorigen.

[304] Der Schutzgeist.

Getrost, Germania, getrost!
Ich schütze dich mit starken Händen;
Und wär Europens ganze Macht
Auf deinen Untergang bedacht:
So wollt ich ihren Grimm doch wenden.
Was will dir nun
Ein ungerechter Nachbar thun,
So sehr er sich erboßt?
Ich schütze dich mit starken Händen;
Getrost, Germania! getrost.
Drum weiche, Mars! aus Deutschlands Gränzen,
Laß anderwärts die scharfen Schwerter glänzen;
Doch stecke sie, so bald als möglich, ein:
Germanien soll still und fröhlich seyn.

Hier verliert sich Mars mit allem Kriegsgeräthe; der Schutzgeist selbst aber fährt unter Trompeten- und Paukenschalle wieder in die Höhe.

Der vierte Auftritt

Leukopetra, die an dem Sachsen-Weißenfels- und Querfurtischen Wappen kenntlich ist, und Germania.

Germania.

Nun bin ich kummerfrey!
Mein Schutzgott, Karl, das Haupt der Fürsten
Eilt mir zur Hülfe selbst herbey.
Nun mag mein Feind nach Blute dürsten!
[305]
Wenn dieser Adler auf ihn blitzt:
So bin ich schon genug geschützt.
Lacht, ihr Schwestern! scherzt, ihr Kinder!
Frohe Deutschen, seyd vergnügt!
Feyret lauter Freudenfeste,
Eure Wohlfahrt blüht aufs beste:
Selbst das Schicksal hats gefügt.
Lacht, ihr Schwestern etc.
Leukopetra.

Wohl mir! ich bin dazu bereit,
Denn alles treibet mich zu neuer Fröhlichkeit.
Ich nehme zwar an deinem Heil,
Gepriesne Mutter! Theil:
Doch mein durchlauchter Christian
Hat noch vielmehr zu meinem Wohl gethan.
Sein weiser Geist, sein Gott ergebner Sinn
Ist stets mein Schutzgestirn gewesen:
Das machts, daß ich so freudig bin,
Und diesen Tag zu meinem Fest erlesen.
Drum hilf mir itzt, mit neuen Weisen,
Den Stifter meiner Wohlfahrt preisen.
Leukopetra.

O theurester Herzog!
Germania.

Du Zierde der Prinzen!
Leukopetra.

Du Vater des Landes!
Beyde.

Wir wünschen dir Glück!
Germania.

Du Pfleger des Glaubens, Beschützer der Tugend!
Leukopetra.

Du Freude der Alten, du Hoffnung der Jugend!
[306] Beyde.

Es kröne dich ferner ein günstig Geschick,
Und bringe dein Jahrfest noch öfters zurück:
So jauchzen vor Freuden die treuen Provinzen.

V.A.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Singgedichte. Operette. Operette. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E3BE-1