[195] Wünsche im Alter

1813.


Kehret zum Greise zurück, schuldlose Freuden der Kindheit!
Vor den Freuden der Welt ekelte lange mich schon.
Andern befehlen, und mit zu regieren: das suchen die Meisten;
Nicht, zu beglücken den Staat, nein! zu beglücken sich selbst.
Ich auch habe regiert, und tausend andern befohlen,
Strenge nur gegen mich selbst, folgten sie alle mir gern.
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Dennoch beneidet' ich den, der, gleich dem zufriedenen Tiedge,
Keine Befehle empfängt, keine Befehle ertheilt;
Nicht, um zu leben, studirt, nein! um zu studiren nur lebet,
Und mit jedem Tag' weiser und fröhlicher wird;
Nicht auf höchsten Befehl, als trieben die Musen ein Handwerk,
Metastasio gleich, Lieder nach Maaßen ersinnt.
Wenn sein Geist zum Wirken ihn treibt, nicht achtet des Schweißes,
Seinen Eifer erpreßt ja kein Minister-Gebot.
Wenn zum süßen Müßiggang' ihn Erschlaffung ermahnet,
Nichts zu versäumen besorgt, keine Verantwortung scheut,
Um das Schlagen der Uhr ganz unbekümmert, dem Sange
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Einer Nachtigall horcht, oder dem Murmeln des Bachs.
Einen Schwätzer nicht hört, die Stolzen vermeidet, vom Thoren
Weg sich wendet; denn dieß schadet ihm alles ja nicht.
Ach! du Glücklicher! hast nichts mit den Menschen zu theilen!
Du bist keinem im Weg', aber auch keiner dir selbst.
Wenn man Achtung und Liebe dir zollet mit freundlicher Miene,
Dann so weist du, es gilt alles dem Menschen allein.
Denn du sitzest nicht mit im Rath' der Gewaltigen, hältst dich
Gern vom Quelle der Macht, Ehren und Schätze zurück;
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Niemanden locket zu dir der Dampf von Trüffelpasteten,
Der Pokale Klang, oder der Walzer Geräusch.
Dir, o Glücklicher! gleich, zum mindesten ähnlich zu werden,
(Lange mein heißester Wunsch, endlich zur Hälfte erfüllt!)
Trat ich von selbst von einer der höheren Stufen am Throne
In das Dunkle zurück; wenige wissen, wohin.
Aermer stieg ich hinab, als ich die Stufen hinan stieg,
Und doch dünkt mich, so reich war ich noch nimmer zuvor.
Kehret nun wieder zurück, schuldlose Freuden der Kindheit!
Denn ihr findet das Herz, euch zu empfangen, bereit.
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Kommt, ihr Tauben! und klopft wie sonst mit dem Schnabel ans Fenster,
Picket aus meiner Hand goldgelbe Körner, wie sonst.
Ihr, ihr Sprossen vom Stamm' der Sänger kanarischer Inseln,
Hüpfet und singet, und liebt, brütet und pfleget die Brut.
Wohnet ihr doch mit mir im nemlichen ruhigen Zimmer;
Keiner soll hinfort eurer noch pflegen, als ich.
Zupfen will ich die weichsten Fäden zu euren Nestern; o hättet
Ihr der Bedürfnisse doch wenigstens doppelt so viel!
Kümmert, ihr Rosen, ihr Hyacinthen, Syringen und Tulpen,
Um den Kalender euch nicht. Schneyet und frieret es gleich,
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Kommt nur dennoch hervor, denn hier im Zimmer ist Sommer;
Zwiefach verdienet ihr Dank, wenn ihr dem Rufe jetzt folgt;
Denn wer weiß, ob nicht mit euren späteren Schwestern
Schon meine Urne vielleicht Liebe im Lenze bekränzt.
Doch mit dem Bilde hinweg, das meine Freunde nicht lieben!
Kommt, ihr Enkel, ihr gebt allem ein lachendes Bild.
Lasset uns sehen, wer mehr der Kegel werfe, wer öfter
Seines Bogens Pfeil nahe dem Mittelpunkt' schnellt;
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Wer mit der sichersten Hand das Meisenkästchen wird stellen,
Oder den Maulwurf dort, leisesten Trittes beschleicht.
Kehret ihr so zurück, schuldlose Freuden dir Kindheit,
Glücklicher wär' ich ja fast, als ich es jemals noch war.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Elegien. Wünsche im Alter. Wünsche im Alter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E20E-6