Mahnung

1810

1.

In Wind verfliegen sah ich, was wir klagen,
Erbärmlich Volk um falscher Götzen Thronen,
Wen'ger Gedanken, deutschen Landes Kronen,
Wie Felsen, aus dem Jammer einsam ragen.
Da mocht ich länger nicht nach euch mehr fragen,
Der Wald empfing, wie rauschend! den Entflohnen,
In Burgen alt, an Stromeskühle wohnen
Wollt ich auf Bergen bei den alten Sagen.
Da hört ich Strom und Wald dort so mich tadeln:
»Was willst, Lebend'ger du, hier überm Leben,
Einsam verwildernd in den eignen Tönen?
[149]
Es soll im Kampf der rechte Schmerz sich adeln,
Den deutschen Ruhm aus der Verwüstung heben,
Das will der alte Gott von seinen Söhnen!«

2.

Wohl mancher, dem die wirbligen Geschichten
Der Zeit das ehrlich deutsche Herz zerschlagen,
Mag, wie Prinz Hamlet, zu sich selber sagen:
Weh! daß zur Welt ich kam, sie einzurichten!
Weich, aufgelegt zu Lust und fröhlichem Dichten,
Möcht er so gern sich mit der Welt vertragen,
Doch, Rache fordernd, aus den leichten Tagen
Sieht er der Väter Geist sich stets aufrichten.
Ruhlos und tödlich ist die falsche Gabe:
Des Großen Wink im tiefsten Marke spüren,
Gedanken rastlos – ohne Kraft zum Werke.
Entschließ dich, wie du kannst nun, doch das merke:
Wer in der Not nichts mag, als Lauten rühren,
Des Hand dereinst wächst mahnend aus dem Grabe.

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TextGrid Repository (2012). Eichendorff, Joseph von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1841). 3. Zeitlieder. Mahnung. Mahnung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9C80-C