Marianne Ehrmann
Nina's Briefe an ihren Geliebten
Von der Verfasserinn der
Geschichte Amaliens

[Motto]

[3] Nodo piu forte

Fabricato da noi é non dalla Sorte.

Vorbericht

Mein Weibchen sagt, ich solle ihr eine Vorrede zu den Briefen schreiben, die ich mit ihrer gütigen Erlaubnis hier dem Publikum vorlege. Nun ich will's gerne thun, denn was thut man nicht einem lieben Weibchen zu Gefallen! Aber ich weis in Wahrheit nicht, was ich schreiben soll.

Soll ich meinen Lesern sagen, daß alle diese Briefe wirklich originell und wahr sind? – Nun, daß möchte ich wohl, aber ich fürchte, man glaubt mir es nicht; sollte ich nun noch vollends hinzusezzen, daß ich der Friz bin, an welchen alle diese Briefe geschrieben sind, so würde man gar Zeter über meine Eitelkeit schreien.

Die Herren Kritiker mögen aber auch sagen, was sie wollen, es ist nun einmal so! Die Verfasserinn dieser Briefe ist meine liebe Gattinn, und hat diese Briefe, so wie sie hier stehen, an mich geschrieben! [3] Lachen Sie nicht, meine wertheste Leser und Leserinnen, ich sage Ihnen die Wahrheit! –

Es mag Ihnen freilich etwas sonderbar vorkommen, daß der Ehemann die Briefe drukken läßt, die als Liebhaber von seiner nunmehrigen Gattin an ihn geschrieben worden sind; die Sache bleibt aber an sich selbst doch ganz natürlich! –

Ob diese Briefe wirklich auch für andre Leser den innern Werth besizzen, den Sie für mich haben, das kann ich nicht entscheiden! Ich lese sie als Ehemann noch mit den nämlichen Augen, mit welchen ich sie als Liebhaber las, und darum glaube ich auch, daß sie dem Publikum gefallen werden, so wenig empfindelnd sie auch sind.

Was übrigens gewisse Herren Kunstrichter und Kritikaster dazu sprechen werden, das soll mich und mein Weibchen wenig kümmern. Gefällt das Büchelchen, nun so kann ihr Tadel ohnehin nichts schaden, und daß es gefallen werde, das hoffe ich.


Der Herausgeber. [4]

1. Brief

I. Brief

Mein Werthester! –


Aber um Gotteswillen, was kann ich Ihnen in meiner Lage für Trost geben? Von allen Seiten umringt, verfolgt von den Ihrigen, an der Ehre gekränkt, und dann von einem Freund gequält, der mich besser kennen sollte Erfordert meine Lage nicht mehr Vorsicht, als die Ihrige? Sie sind Mann, ich bin Weib. Mündlich will ich Sie über alles beruhigen; aber schriftlich wage ich es bis izt noch nicht. Sind Sie toll, daß Sie sich Menschen, (sie seyen auch, wer sie wollen) anvertrauen? Wie können Fremde von meiner Lage schwazzen, die nur Ihnen und mir bekannt ist? – Hüten Sie sich, je wieder einem Ihrer Freunde Ihr Herz zu öffnen! Diese Kalten verstehen weder Sie noch mich! Ich bin übrigens stolz auf meinen Karakter; wer mich nicht kennen will, den kann ich nicht bei den Haaren zur guten Beurtheilung hinreißen! Ich wünschte, daß Sie männlicher dächten, und das für unumstößlich gut hielten, wovon Sie überzeugt sind, daß es [5] wirklich gut ist. Sie wanken ja wie ein armer Verrükter in Ihren Affekten hin und her. Mündlich sollen Sie Saz für Saz aus Ihren Briefen beantwortet bekommen. Könnten Sie wohl, wenn es anfängt dunkel zu werden, zu mir kommen? ... Doch nein, Sie werden nicht können; folglich erwarte ich Sie Morgen frühe, so bald es seyn kann. Aber gelaßner, gelaßner, mein Freund, mit einer Armen, die von allen Seiten gequält wird! Sie haben über mein kleines Billet gebraußt? – Warum denn? Ich kenne doch nur Einen Gott, nur Eine Liebe, nur Eine Redlichkeit; und was wollen Sie denn weiter? – Ich gehe heute nicht ins Schauspiel, um den neidischen Schandmäulern auszuweichen, die mich in Ihren Augen verdächtig machen wollen. – Schlafen Sie ruhiger, als ihre arme, verwundete und gebeugte

Nina.

2. Brief

II. Brief

Mit zitternder Angst im Herzen schrieb ich dies! – Gott! – Wie mich Ihre Lage ängstigt! Wie sie mir meine Sinnen raubt! Wie ich muthloses Kind werde! Wie ich für Sie zittere! Und wie ich mich Ungeheuer über alles selbst verdamme, daß ich eine unschuldige Ursache an Ihrer Zerrüttung bin; aber um Gotteswillen Friz verdamme mich nicht: Ich kann ja nichts davor, daß es just so kommen mußte! Ich bin rein vor den Augen Gottes, ich bin deiner Liebe nicht unwürdig! Ich fühle, daß dein Umgang meine Glückseligkeit ausmachen würde, wenn mich nur mein Schiksal nicht in Labyrinthe geworfen hätte, die fürchterlich sind! In Deine Hände lege ich mein Schiksal; siegen wir, so weißt Du, welche Wonne in der Liebe unser wartet! Halte [6] mich nur für keine Verbrecherinn; Du wußtest zum voraus, was ich Dir wegen meiner wirklichen, unwürdigen Bekanntschaft sagte. Der Zufall, und meine Leichtgläubigkeit hat mich in elende Hände gespielt. Aber ich will bei Gott meinem Schwur so lang als möglich treu bleiben! Du selbst bist der Engel von Mann, der mich keine Pflicht verlezzen hieß, bis ich von der ganzen Treulosigkeit eines Undankbaren überzeugt bin, und dann will ich entschließen. Was kannst Du, was kann ich, für die Harmonie unserer Karakter? Man soll Dich von mir reißen, man soll alles anwenden, um uns zu trennen; aber mein Herz, und meine Hofnungen sind doch frei! – Ich kann deinen Umgang entbehren, denn ich hange weder am Eigennuz, noch weniger am Körper, und wer hat denn Macht mir Dein Herz zu entreißen? Aber wenn Du es von dieser Stunde an noch einmal wagst, Mistrauen in meine absichtslose Liebe zu sezzen, dann sey Dir auch Gott gnädig! – Bei allen Heiligen beschwöre ich Dich, jedem, der etwas von mir spricht, den Rükken zu kehren! Handle Deiner Klugheit gemäß, und laß übrigens Gott walten. – Ha! So haben denn die Verläumder mein Heiligstes angegriffen! Ich weine und dulde. Könnte ich mich nur geschwind in das Gewand einer Heiligen hüllen, und mit dieser Außenseite meinen Feinden unter blutigen Thränen zurufen: Laßt mich ihr Boshaften, der bloße Schein war wider mich! Verdammt sey von dieser Stunde an meine Lebhaftigkeit, verwünscht jeder Augenblik, wo ich mich je wieder durch sie vergeßen könnte! Ich bin an die große Welt gewöhnt, ich bin frei ohne Frechheit, man dringt mir zu, sie flattern um mich herum die Elenden, aber mein Wiz soll zu Gift und mein Verstand soll zu Wasser werden, wenn ich nicht von nun an, auch den kleinsten Schein zu Deiner Beruhigung verhüte! – Doch Du wirst [7] sehen, es wird in dieser pöbelhaften Frau Basen-Stadt nichts nüzzen! Vielleicht glänze ich denn in deinen Augen desto heller! Aber deine Verwandten haben es einmal auf mich gefaßt, und ruhen gewiß nicht eher, als bis mich mein Feuer zu einem tollen Streiche verleitet. Hier hast Du nun alle Geheimniße meines Herzens, und bekömmt sie eine Seele außer Dir zu sehen, dann .... ha, dann wären ewige gräßliche Mißhandlungen von Deinem groben Nebenbuhler mein Loos! – Doch mein Friz ist vorsichtig! – Friz überlegt, Friz kann sein armes Weibchen nicht kränken! Aus Barmherzigkeit sey überall vernünftig, nur keiner Seele getraut!

Es schlägt zwölf Uhr, und ich springe wieder wütend aus dem Bette! Dauert es so fort, o dann weh mir! Wenn Du mich nicht aufrichten kannst, so bin ich, – so ist meine Gesundheit verloren. Das hiesige Bürgervorurtheil erwürgt mich fast! Und doch kann ich meine Feinde nicht haßen. O wenn die Grausamen mich kennen wollten, sie würden mich gewiß lieben. Hängen doch Personen meines Geschlechts leidenschaftlich an mir, und es sollte unmöglich seyn, Deinen eigensinnigen Bruder zu bereden?

Ich bin arm, verlaßen in die Welt hingeworfen, aber reich und stolz in meinem Herzen! Doch was kümmert mich das Nattergezücht; wenn Du mich kennst, und ruhig bist, dann mögen sie plaudern, die Knaben, die in Weiberrökken stekken, und die mich wegen einer bloßen öffentlichen Unterhaltung verdammen wollen! Bedenken denn die Elenden nicht, daß es meine Ehre gilt, daß es die Ruhe eines Jünglings gilt, der seit so vielen Monaten Umgang von mir eines beßern überzeugt ist? Friz! – Ich will nicht mehr zürnen! – Aber ich kanns nicht tragen; meine Unschuld, mein Stolz empört sich, ich möchte laut weinen! Ich bin es meinem würdigen Erzieher schuldig,[8] mich selbst zu ehren, und von heute an, will ich von nichts weiter mehr wissen, als was uns etwa trennen könnte! Das übrige sind kleinstädtische Schlangenbiße, die uns lebendig ins Grab reißen, wenn wir ihnen Gehör geben! – Also nichts mehr, Freund, als was uns trennen könnte, und dabei kömmt's doch, glaub ich, nicht auf den Willen Anderer an? Sey aber sanft gegen deine Aeltern, sonst könnte ich Dich verabscheuen. Diese schwachen Leute haben dies Kreuz eben so wenig als wir verdient, und sollte diesem Ungerechten die Entbehrung meines Umgangs Ruhe schaffen, so richte Du es ein, wie Du willst, wie Du kannst. Es wird Dich und mich schröklich viel kosten; aber was ist denn auch das für große denkende Seelen? Laure nach, es müßen Schurken unter der Verläumdung stekken, sonst könnte man nicht so in Dich dringen, mich zu verlaßen; vielleicht gar ein Geweb von Eifersucht? Gleich viel; vertheidige mich nicht weiter; Gott ist meine Hülfe, Er läßt mich gewiß nicht ganz unterdrükken! Nicht wahr Friz, izt sind meine Ahndungen erfüllt, die ich vor etwelchen Tagen hatte? Wie mich's da preßte, wie Du alle Macht der Vernunft zu Hülfe rufen mußtest, um mich zu trösten! – Forsche nach, ob nicht etwa in meinem Hause Spionen sind? Ich will eher das Bürgergeschmeiß meiden. Mache indessen bei den Deinigen den kalten Hofmann, wenn es Dir möglich ist, aber nur Schonung für mein Herz! Bei dem Allmächtigen Schonung für meine Empfindsamkeit, Du kennst meine Erziehung! – Gaßengeschwäz ist mir unausstehlich! Denn ich fühle mich, Gott sey Dank, über den Weiberkram erhaben!

Nina.


Heißt das Wort halten? Bis eilf Uhr ohne Fehl Antwort. Später kann es nicht seyn! –
[9]

3. Brief

III. Brief

Acht Uhr vorbey! – Und dennoch ist Ihre Antwort nicht da! Dafür wünsche ich Ihnen ein andermal eine ähnliche Folter, wenn Sie auf etwas paßen! Sie kennen doch, dünkt mich, meine feurige Ungedult so ziemlich? Aber vielleicht hat man Sie am Schreiben gehindert? Wie ich alle Entschuldigungen hervorsuche, um mich zu beruhigen! In unserer Lage ist Furcht und Angst ganz natürlich, weil von allen Seiten Niederträchtige uns stören möchten! – Gestern paßierte ich den halben Tag bei der Freundinn K.... – Gott! Was dort für herzige kleine Kinder sind! Nachher gieng ich zu einer andern Freundinn, die hat mich wegen Ihnen in die Preße genommen, oder noch beßer mit unzeitiger Moral gemartert! Sie weiß dem ohngeachtet nichts positives, nur sagte sie, meine Schwermuth verriethe Seelen-Krankheit. – Kann seyn, sagte ich, und wurde über und über roth! – Aber weißt du was, lieber Friz! Morgen will ich wieder etwas von dir lesen, eh ich ausgehe, und dann dafür ein paar Duzzend Küße von Deiner guten

Nina.

4. Brief

IV. Brief

Nachts um eilf Uhr.


So eben verließ ich ein freundschaftliches Nachtmal; und warum sollte ich dem guten, lieben Friz nicht Rechenschaft vom heutigen Tage geben? Aber zuerst will ich dem Lieben Saz für Saz seinen Brief beantworten. – Daß [10] Sie gestern in etwas von Ihren Grundsäzzen abglitschten, ist Ihnen herzlich vergeben, nur wollte es meinem Stolz nicht schmekken, daß Ihr voriges Mädchen auf reinere Liebe Ansprüche hatte. Mehrere Zurükhaltung ihrer Triebe ist mir bei meiner würklichen Verfassung nöthig; weil dies gerade das ist, was mir Standhaftigkeit in der Liebe verspricht, und was Sie so himmelhoch von andern Männern unterscheidet. Wären Ihre Triebe gröber, so würde mir bald der Sturz Ihrer Liebe drohen, aber so glaube ich, daß Sie sich nicht so leicht können von mir reißen; ist Ihnen also meine Ruhe lieb, so handeln Sie, wie bisher. Sie schliefen die vergangene Nacht ruhig? Gott segne diese Ruhe; auch ich schlief so ziemlich; nur war es mir enge um die Brust. Nicht wahr Freund? – Sie können mich nicht weiter mit Nachrichten von Verläumdungen kränken; dafür kenn ich Ihr Herz. Es müßten nur neue Schurkenstreiche dieses Herz verwildern, und das wolle der Himmel verhüten!

Doch wieder zu meinem Kummer zurück, der mir von einer teuflischen Verläumdung aufgebürdet wurde; dieser garstige Verdacht in meinem Wandel ist der erste, der mir seit acht Monaten zu Ohren kam. Ich würde darüber gelacht haben, wenn er nicht gerade an den gerathen wäre, der mir das Theuerste auf der Welt ist; blos um deinen Verlust zittere ich, die übrigen Thränen der Unterdrükkung sind süß; denn Unschuld erleichtert sie. – Aber noch mein Beßter! weiß ich keinen dritten Ort, wo wir uns sehen könnten; bei K.... kann es nicht seyn. – Lieber gar nicht sehen, als sich mit Zwang sehen. – Holbauer ist ein Schurk, und weiter nichts. Sie haben ihn brav bei der Rase herumgeführt? Vielleicht glaubt er bei mir izt seinen Roman anzufangen; aber er wird so abgewiesen werden, daß er sich's gar nicht vermuthen wird. Und hiemit genug über diesen Buben.[11] – Weißt Du auch lieber Junge! daß Du die Zierde Deines Geschlechts bist? – O Du verdientest ein beßeres Mädchen, als ich bin! – Guter Wille, ein fühlendes Herz, und eine mächtige Standhaftigkeit in der Liebe ist mein ganzer Reichthum. – Aber Gott! Gott! Wenn man deine Plane rükgängig machte! – Wenn Du nicht siegtest! Und wir führen dann so fort, unsere Herzen in einander zu gießen, und unsere Köpfe mit Leidenschaft zu erhizzen! – Heiland der Welt, wären wir nicht die Elendesten unter der Sonne! – Friz! Um Gotteswillen mache mir dann keine Vorwürfe; ich habe Dir alles zum voraus gesagt; ich habe Dich nicht mit Kunstgriffen gelokt, Du sankst freiwillig an meinen Busen, und der meinige kämpfte nicht lange. Denn es ist für ein und allemal wahr, wir beide harmoniren bis auf den kleinsten Punkt, das fühle ich, das sage ich mir alle Augenblikke. – Schark war eine Frazze gegen Deine Wärme; und nun hätte ich in so weit deinen Brief beantwortet. Aber izt zum heutigen Tag zurük, von sechs Uhr bis zehn Uhr hatte ich tödtende Stunden, weil ich auf Nachrichten von Dir wartete. Die Schuld der Zögerung lag zwar nicht an Dir, doch mag Dir meine Unruhe für ein andersmal zur Warnung dienen. Dein Brief war mir dann ganz natürlich willkommen, aber meine Freude trübte mich demohngeachtet bei Tische äußerst! – Ich gestehe es, Schark wandte alles an, um mich aufzuheitern, nur gelang es ihm nicht. – Nun raffte ich mich auf, und gieng zur Familie R.... Dort traf ich eine Menge Mädchen und Jünglinge an, die sich an der Seite der Hausfrau munter ihres Daseyns freuten; doch sah ich leider keinen Friz unter ihnen, folglich fühlte ich Drang! Mein Gott, was das für eine Unruhe ist! Wie die beßten Menschen mir auch nicht ein Theilchen meiner Leiden ersezzen können! Sonst war mir das gesellschaftliche Leben sehr [12] willkommen. Aber izt auf einmal zum schüchternen Kind zu werden. – Sag, wie gieng das zu? – Friz Du hast mir den Kopf verdrehet, Du bist mein Ruhestörer! – – Doch weiter. –

Von dieser guten Familie gieng ich zur lieben Freundinn Sch.... ihr Junge kam mir entgegen gehüpft, fiel mir um den Hals, herzte und küßte mich! – Der Bube heißt Friz! Friz heißt er! Wie herzlich gerne ließ ich mich von ihm küßen! Seine Mutter ist auch ein herzgutes Weib, und liebt mich feurig; ich konnte mich nicht enthalten, ich mußte ihr etwas weniges von meinen Drangsalen merken laßen; doch ohne Dich zu nennen. »Halten Sie ihn vest, meine Liebe, (sagte sie) halten Sie ihn vest; er mag heissen wie er will, nach Ihrer Beschreibung ist er Ihrer würdig, Sie verdienen gerade eine Seele, wie die seinige. Die übrigen Menschen taugen für Sie nicht. –« Endlich unterbrach man uns, dann lief ich an's Fenster, sah Dich aber nicht vorbeigehen. – Es drückte mich schröklich im Herzen, bis es nach und nach wieder etwas leichter wurde. – Die Gutherzigkeit dieser Familie gab meinem Kummer Linderung; man küßte, man herzte, tändelte mit mir von allen Seiten; – und kurz man hielt mich tausendmal schadlos für meine Feinde. – Und nun Friz höre! Einem zehenjährigen Jungen legte die Mutter folgende Fragen vor: – »Mein Sohn, wie muß einst dein Weib seyn, wenn du eine heirathest?« Sie muß Vernunft haben, antwortete der Knabe. Nun sagte ich, denn kann ich ihre Frau nicht werden. O ja schrie der junge Knabe, heute noch, heute noch! – Aber woher wissen Sie, daß ich Vernunft habe? – Hm! – plazte der Bube heraus. – Wenn man so schöne Briefe schreibt, und so in allen Gesellschaften gesucht, geliebt wird, wie Sie, dann [13] hat man gewiß Vernunft. – Dieses unschuldige Urtheil entzükte mich! Ich hätte mich im nämlichen Augenblik Engel zu seyn gewünscht, um für Dich genug Reize zu haben! – O mein Friz, ich bin nicht schön, habe keine blühende Gestalt, wie ists möglich, daß ich Dich feßeln konnte? Mein Karakter ist bieder, mein Herz ist gut, da sey Gott mein Zeuge! Aber kann das allein die feurigen Wünsche eines Jünglings ausfüllen? Kann mein redlicher Umgang Dich immer vor andern Wünschen sichern? – O Gott! Wenn mir manchmal solches Zeug einfällt, da möchte ich Dich bitten, daß Du Dich in Deiner Wahl nicht übereiltest! – Sieh', ich durchlöchere dadurch die schönsten Hofnungen meines Lebens, und das blos um Dein zukünftiges Wohl! – Ich will mich lieber selbst zu Grunde richten, um Dich zu erhalten! – O Friz! – Wie elend hast Du mich gemacht! – Wahrlich ich bin sehr, sehr verwirrt!!! – – Deine

Nina.

5. Brief

V. Brief

Lieber! Ich bin heute sehr zu beneiden, denn ich bekam gestern durch die Familie K.... Anlaß eine gute Handlung auszuüben. – Ich war schon frühe bei L... und seiner Frau, denen ich eine vortheilhafte Versorgung ankündete. Er lief sogleich zur Familie K.... und die Sache ward richtig; wie beschämte mich der ehrliche Mann durch seinen Dank, denn ich war fast eben so entzükt, als er, über diesen glüklichen Anlaß. Freue Dich doch mit mir, lieber Friz! Mein Herz klopft so heftig, so zufrieden, und meine Küße müßen Dir heut gewiß feuriger vorkommen! Aber komm ja nicht so spät!

Nina. [14]

6. Brief

VI. Brief

Nachts um Zehn Uhr.


Holder, lieber Friz! – Mich martert Angst über Dein Schiksal! Man sagte mir, als ich zu Hause kam, Dein Bedienter seye hier gewesen. Diese Nachricht hat mich zu Boden gedonnert! Herr Gott im Himmel! Was magst Du gewollt haben? Bist Du etwa wieder in die Enge getrieben worden? – Hat man wieder neue Seelen-Marter für uns zubereitet? Sind wir vielleicht aufs neue unglüklich? – So ist es denn ewig wahr, daß mich jeder Gedanke der Freude haßt! – Gräßlich niedergebeugt; schlaflos werde ich mich bis morgen frühe nach der Zehner Stunde sehnen! – O, mein Friz! – Wenn Dir doch meine Leiden in Dein Herz flögen, daß Du izt kämst mich zu trösten! – Um Gottes willen, was ist denn vorgefallen? Bin ich unglüklich, bin ich verloren? – Sag, bin ich es? – Fürchterlich rollt izt der Donner am Himmel! – Hell leuchten die Blizze; schaudernd plazt der Regen herab! Finster ist der Himmel! Das ganze Donnerwetter scheint mir deutlich zu sagen; Weib die Natur haßt dich! Trostlos, schwermüthig sizze ich hier, seufze nach Nachricht von Dir, und Ungewißheit foltert meine Seele! Sag Friz! warum hab ich denn noch kein ganzes Zutrauen in Dich? O vergieb, Herzens-Junge, vergieb der wankenden Seele eines schwachen Weibs, deren Leben aus gränzenlosem Elende zusammen gewebt war! Verzeihe der Armen, an deren Herz ein hartnäkkiger Wurm der Traurigkeit nagt! Die Glokken läuten gräßlich! – Es dünkt mich, als ob ihr Ton mich zum Grabe rief, es dünkt mich, als ob Du mich aus dem Sarg zurükhaschen wolltest, es dünkt mich, als ob Du vor mir stündest, und zitternd meinen kalten Körper anstauntest! – [15] Ha, Friz! mein Herz ist tief angefreßen, ich bin hingeschleudert in die Leiden einer Unendlichkeit! Schwerlich wirst Du Dich, muntrer Junge, mehr Deiner Nina freuen! – Sie ist gebeugt, sie leidet an Seelenkrankheit, die Dir dein Leben verbittern wird! – Alle ihre Leidenschaften zielen zügellos auf ihre Ruhe, trüben schröklich ihr Gemüth, und das alles um Dich, um Deine Liebe! O Jüngling! Du bist zu beneiden, denn Dich haßt das Leben nicht so wie mich. Ich komme heute Abend aus einer Gesellschaft Adelicher. – Mit Unwillen, mit Ekkel, ob man mir gleichwohl herzlich begegnete. Die Weiber küßten mich, und die Männer überhäuften mich mit Lobsprüchen, wegen einem Bischen Vernunft. Gott! Gott! – Wie ich da saß, als wie eine leibhafte Verbrecherinn: Ich wollte mich um fünf Uhr losreißen; denn mir ahndete etwas von Dir! Aber Frau von N.... schnitt mir den Weg ab, ich mußte bleiben, und trug Kummer im Herzen, tiefen, tödtlichen Kummer! – Ha, könnte ich doch diesem Kummer Luft machen, der mich beynahe erstikt! – Montag ist wieder Punschpartie, und die Zudringenden zwangen mir mein Jawort dazu ab! – Der Wille dieser Freunde ist gut, aber mein Herz leidet unendlich dabei, weil ich Dich immer vermiße! – Politik habe ich ohnehin wenig, und wie könnte ich sie haben, wenn Liebe im Herzen herrscht? Du bist doch nicht böse, daß Du heute noch keine Zeilen von mir erhieltst? Gestern gieng mir Schark spät nicht vom Halse, und heute wollte ich Deinen Bedienten nicht warten lassen, als er mir Dein Briefchen brachte, Gott! Wenn ich nur geschwind wüßte, ob du wohl bist, ob du mich noch liebst? – Ich bin unglüklich, das sage ich Dir, ich bin unglüklich! Denn ich kann kaum mehr die Trennung von einigen Stunden ertragen! Es bringt mich um, wenn es so fort dauert, so wahr als diese Thränen auf dies Papier rollen .... ich weiß nicht .... aber ich zittere für meinen Verstand. Wenn Du ein fühlend [16] Herz im Busen trägst, so eile ohne Verzug morgen frühe zu mir! Dieser Brief mag Dir sagen, wie es um Deine Nina aussieht!

7. Brief

VII. Brief

Nachts um zwölf Uhr.


Herzens-Junge! – Liebe gehört zu den anstekkenden Krankheiten! Sie greift um sich, aber ihr Kummer macht uns zur Beschäftigung thätig! Was das unter zwei Liebenden ein gegenseitiger, gränzenloser, guter Wille ist, wenn man jeden Wink benuzt, um sich einander Freude zu machen. Wie man geizig jede Gelegenheit ergreift, um mit seinem Liebchen zu plaudern; wie man keine einzige Minute im Tage vorbeistreichen läßt, ohne sie zum Vergnügen seines Geliebten zu nüzzen; wie da alles im Kopf arbeitet, wie das Herz voll gutem Willen hoch aufschlägt, wie die Einbildung sich zur Seligkeit spannt, oder der reizende Tiefsinn wollüstig an den kranken Nerven nagt! – Wie Kummer, Furcht, Freude, Verlangen, Angst, und noch mehrere solche Leidenschaften, angenehm traurig im Kopf herumkreuzen! Wie das gränzenlose Wünschen unersättlich ist! Wie man zusammen tändelt, lacht, sich herzt, küßt, und auch zuweilen ein Bischen zankt! – Wie die Stunden dahin eilen, an der Seite eines denkenden Mannes; wie Liebe von dieser Art so selten gefühlt und vergolten wird, – O das ist traurig für die Menschheit! Nicht wahr Friz! Ich denke mir immer, ich bin das einzige Mädchen auf Gottes Erdboden, die just, weil sie wahr liebt, so wenig verstanden wird. – Immer gerieth ich an Niederträchtige, an Dummköpfe, oder an Undankbare. Oft rißen sie mein Herz in Stükken, zerfleischten meine Gesundheit durch [17] Leichtsinn, oder gemeine Grundsäzze. Du bist noch der Einzige unter dem Himmel, der sich meinen Ideen nähert; der Einzige, bei dem mein Kopf Nahrung und mein Herz Zufriedenheit findet. – Du bist so ganz mein Wiederhall, sanft, ehrlich, gutherzig und edel. Sag mir lieber Sohn der Natur, sag, wer hat Dich so äusserst fein lieben gelehrt? – Schuf Dich der Himmel nur darum, um mich mit Deinem Nattergeschlecht zu versöhnen? – Glück zu Friz! Mein Zutrauen wächst! – Aber Mord wäre auch mein Loos wenn Du es ..... doch weg abscheulicher Verdacht! Komm Junge, dafür drükke ich Dich izt desto vester an meinen Busen! Nicht wahr, so viel Schwung meiner hizzigen Einbildungskraft hattest Du in jenem kalten Monate unserer bloßen Freundschaft nicht vermuthet? Ja, siehst Du, es kömmt nur darauf an, daß man seinen Mann findet. Es ist freilich toll von mir, so zu schwärmen; – aber ich trage doch keine lasterhafte Liebe im Herzen, und darum schäme ich mich ihrer auch nicht. – Es ist izt bald ein Uhr; mein Herz schlägt um vieles leichter, als gestern Nachts. – War ich nicht eine Närrinn, meine Gesundheit so gewaltthätig zu tödten? Aber wer kann denn auch dafür, wenn's im Busen so schröklich ängstet? – Ich bin Dir doch ein grämliches Ding, ein Ding, das blos mein Friz ertragen kann. Ich plage Dich ja täglich um Briefe, um Deinen Besuch; aber Du bist denn doch auch nicht viel beßer in diesem Stük, als ich. Siehst Du, wie es mir gerieth, in Dir ein neues Gefühl der Liebe aufzuwekken, weil ich Dich geizen lehrte nach der kleinsten Gefälligkeit von Deinem Liebchen. – Schark war heute Abend sehr mürrisch. Ich mußte alle Kräften zusammen suchen, um mich nicht durch Brausen zu verrathen. Mein Mädchen trat in's Zimmer, und hier glitschten seine wollüstigen Augen auf ihren Busen. Zu einer andern Zeit hätte ich beide über die Treppe hinuntergeworfen; aber izt that es mir blos weh, [18] und weiter nichts. – Bin ich nicht eine glükliche Prinzeßin? – Hab ich es nicht weit gebracht in der Welt, daß die Mannsleute blos an meiner Seele hangen? Ich bin aber auch ein recht gutes Geschöpf, versteht sich, wenn ich Dich an meiner Seite habe. Aber nun schlafe sanft, holder Lieber! Gott möge bei Dir wachen! Das wünscht von Herzen Deine rein liebende

Nina.

8. Brief

VIII. Brief

Guten Tag Friz! Nimm einstweilen diesen Kuß, bis nach Tische. – Lebe wohl Liebchen! – Ich würde Dir jezt mehrers schreiben; aber ich kann ohnmöglich. – Du kennst meine unglükliche Lage! Kennst aber auch mein Herz. – Werde nicht böse, brause nicht, hörst Du! Nach Tisch Millionen Küße von Deinem Liebchen.

Nina.

9. Brief

IX. Brief

Eben schlägts zwölf Uhr, und ich trete in's Zimmer! Woher? Aus der Gesellschaft, wo ich meinen Friz verlies. – Was bekümmert mich izt mein Bette, ich muß Dir noch zuerst meine Empfindung schildern. Aber lieber Friz, warum bist Du denn in der Gesellschaft nicht geblieben? – O es gieng die halbe Nacht durch noch toll unter den Leuten zu! L.... ist die lustigste Seele, die ich jemals kannte! Was der Komiker den ganzen Abend durch für Karikaturen machte! Du hättest Dich närrisch gelacht! – Er kopierte einige Situationen aus der Natur ganz vortreflich! – Wir waren [19] untereinander recht ohne Zwang lustig; wie hat Dir meine öffentliche Vorlesung aus dem Schauspiele gefallen? – O was ich da alles fühlte; wie ich mit Deiner grausamen Familie Vergleichungen anstellte, wie es mich drükte, das Vorurtheil, das die arme Julie, und auch mich peinigt! Ich vergas alle Lobsprüche, die man meiner richtigen Leßart zuwarf, und war ganz nur in Juliens Schiksal vertieft, das so viel ähnliches mit dem meinigen hat! Möchtest Du guter Junge das Hinschmelzen meiner Leidenschaften auf deine Rechnung geschrieben haben! Möchtest Du gefühlt haben, wie jeder Ausdruk nur auf Dich zielte! Wie ich darauf antrug deine Seele in Entzükkungen hinzureißen! Könnte ich Dich doch immer mehr und mehr überzeugen: daß Du es mit keinem Alltags-Mädchen zu thun hast! Jedes Lob meiner wenigen Talenten, wenn ich es ja verdiente, sey Dir gewiedmet! – Gewiß Friz! Du hast es mit einer guten Seele zu schaffen. Niedrige können mich nicht kennen, sonst wäre ich ihresgleichen. Du bist aber auch der Einzige, der mein Herz zu schäzzen weis. Man streut mir zwar überall Weihrauch unter den Menschen, aber all der Weihrauch ist eine Kleinigkeit gegen die Liebe meines Frizens. Siehst Du, wie ich mitten im Taumel der großen Gesellschaften Dich immer in Gedanken mitführe; wie Du mir überall mangelst, wie meine Liebe im Grunde meiner gebildeten Seele wohnet; wie ich alles blos für Nebensach ansehe, was nicht Friz heißt. – Hast Du auch schon so ein liebendes Weib gekannt? – Doch pfui! – Das ist eitel, Liebe braucht kein Lob, sie belohnt sich selbst durch namenlose Entzükkung! – Aber sag Theurer, warum warst Du heute wieder so blöde? – Wie konntest Du verlegen seyn, als ich Dir beim Weggehen die Hand drükte? Friz! – ängstige mich doch nicht immer; – Klugheit ist billig, aber ein verstohlner Blik, ein Zeichen ist doch jedem wizzigen Jungen bei solcher Gelegenheit eine Schuldigkeit. Du sagst, ich hätte wieder die lebhafte Gestalt [20] einer Schäkerinn? Aber doch bei Gott absichtslos gegen Andere! – Blos um keine bürgerliche, geschraubte Erziehung zu verrathen, und mich nicht gar allzu lächerlich vom Weltton abzusondern; indessen ist mein stilles Gefühl das feinste, das sahst Du an der Thräne, die mir während dem Vorlesen im Auge zitterte! – Mein Herz ist rein, das weißt Du, auch meine Grundsäzze sind geordnet: Wenn dies Vorzüge sind, so mögen sie einst dein Leben beglükken, wenn mich nicht noch vorher das Unglük, das von der Wiege an mein Loos war, mit Dir in den Abgrund reißen wird. – Friz; Du hast ein armes Geschöpf kennen gelernt! – Hilf mir tragen, Lieber, die Bürde dieses Lebens! – – Izt wirst Du wohl schlafen, guter Junge, weil Du die lezte Nacht so grausam littest? – Wache doch auf Lieber, und schenke Deiner Nina ein warmes Mäulchen! – Du versprachst mir morgen frühe zu schreiben; dann sagtest Du wieder, Du wollest selbst kommen. Sag, auf welchen Punkt soll ich mich nun freuen? – Wirst Du mich wohl wieder marternd auf eines oder das andere warten laßen? – Nimm nichts für Vorwurf; Du kennst meine Lebhaftigkeit! – Wenn Dir nur nichts begegnet ist! – Wenn nur Dein Bedienter bei Zeiten kömmt, und Du hernach nur selbst kommst! – Wenn es nur schon Tag wäre! – – Das ist eine üble Nacht! – – Schon schlägt es zwei Uhr! Es wird drei ... vier Uhr schlagen, und die Natur wird mir noch ihren Trost versagen. Könnt ich Dich doch geschwind überraschen, lieber, holder, beßter Friz! Du bist beßer als alle andere Erden-Söhne; etwas stürmisch, launicht, aber doch liebenswürdig! – Ruhig also, Liebchen, Niemand kann mich anpakken, als alter Weiber-Geklatsch. Und wäre es nicht eine Schande für mich, wenn ich von diesen Niedrigen in meiner Denkungsart verstanden würde? – Laß sie immer plappern die Elenden, die nicht einmal den Unterschied der Herzen zu bestimmen wißen. Nun fängts mich aber doch zu[21] schläfern an! – Deine Liebe sey izt meine Begleiterinn. Aber wenn Du wieder so Grillen machest, wie gestern, dann bekömmst Du vierzehen Tage lang kein Mäulchen mehr von Deiner

Nina.

10. Brief

X. Brief

Um zehn Uhr Abends.


Schon wieder sizze ich da und schreibe an mein Liebchen! – Von was? – Von meiner heutigen Unterhaltung. – Es war wieder eine große Gesellschaft Adelicher da, die sich untereinander mit steifer Etikette marterten; Die Kavaliere begegneten mir so höflich, als sie es wagen durften, um die Eitelkeit der andern Damen nicht zu beleidigen. – Ich war wieder etwas lebhaft, und kümmerte mich um nichts. K.... saß an meiner Seite, wizzelte mit mir darauf los und machte alles aufmerksam. Als nun fast alle fort waren, so erkundigte sich die Hausfrau nach Dir; da ward ich dann wieder ganz Feuer und Leben! Ich erhöhte Deinen Werth mit wenig Worten, und bin versichert, daß man Dich izt noch mehr schäzt. Der Herr vom Hause lobte Dich ohnehin sehr, und seine Frau glaubt in Dir einen lebhaften Jungen entdekt zu haben. Ich sagte ihr, daß Deine Lebhaftigkeit von einem denkenden Kopf gemildert würde; daß Kopf, Wissenschaft, und gutes Herz Dir nicht fehlte. Siehst Du, Kind, so hatte ich heute Abend mein Vergnügen Dir Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, und meiner Liebe stolze Nahrung zu geben. Ist es nicht wahre Wollust, einen Jüngling zu lieben, der edel denkt, gutherzig handelt und einen offnen Kopf hat! – Und Du, Beßter, warst bis izt so in dem engen Kreise der Familien-Sklaverei[22] verborgen? Mit allen Deinen Talenten, mit all Deinen vortreflichen Grundsäzzen, mit all Deinem feinen Ehren-Gefühl! – Sag, war es nicht Schade? – Unter die Menschen, mit Dir wakrer Junge! Unter die Menschen! – Dort wirst Du den Unglüklichen ihre Thränen tröknen, und allen Guten Freude machen. Du mußtest gerade mich finden, um so geliebt zu werden, wie Du es verdienst; wenn ich alle Deine Handlungen untersuche, so finde ich Tugend und Rechtschaffenheit, Liebe und Güte, Wohlwollen und Mitleiden, Sanftmuth und Anstand darinnen, alles finde ich durch mein Nachdenken über Dein Betragen. So ein Geschöpf verdiente nicht eine dauerhafte Glükseligkeit? Du bist noch so jung, und doch so reif an Ueberlegung; so ganz ausgetreten aus den Schuhen der jugendlichen Thorheiten; wahrlich wenn ich auch nicht das Glück hätte von Dir geliebt zu werden, ich müßte Dich mehr, als blos schäzzen. Die welche Dich um Deines Karakters willen nicht liebte, die wäre gewiß eine Kokette, oder ein Gänschen; mache Dich kennbar, Lieber, in der Welt, man traut Deiner Jugend nicht alle die Verdienste zu, die Dir gebühren; so viel Gerechtigkeit man Dir auch immer wiederfahren läßt, so muß sie doch verdoppelt werden, so bald man Deine Verdienste ganz kennt. – O mein Friz, mein Zutrauen ist nun vom Himmel in mein Herz geschrieben. Ich weiß daß jeder Gedanke von Dir in mein Wohl, jede Sorge für meine Gesundheit, jede Bemühung für mein künftiges Schiksal Deine gränzenlose Beschäftigung ist. Du lebst durch mich in Dir selbst, Du bist redlich, weil diese Redlichkeit in Dir liegt, und die meinige sich fest an sie kettet, kämpfe tapfer, Beßter, kämpfe tapfer und sei kalt bei jedem Anlaß! Muthiger Widerstand vergrössert den Werth der Männer. So, Theurer, laß uns den Allmächtigen um seinen Beistand in unserm Schiksal bitten; bei dem heiligen Siegel dieses Kußes bitten! – Deine. Nina.

[23]

11. Brief

XI. Brief

Abends um zehn Uhr.


Lieber, trauter Friz! – Schlafen sollte ich gehen, ohne Dir eine gute Nacht zu wünschen? – Das wäre mir gerade zu unmöglich! Als Du mich heute so heiter, wie die Morgensonne verließest, dann sezte ich mich munter an die Arbeit, und freute mich Deiner Liebe. Um acht Uhr kam Schark so ziemlich heiter. Ich kündete ihm den übermorgenden Spaziergang an, und er war es zufrieden. Nimm also Deine Maasregeln, Eine halbe Stunde darnach kam N.... Er ist noch immer der alte Dummkopf, und mag es meinetwegen noch lange bleiben, dann kam R.... und klagte, daß er mich gar nie zu Hause trafe. Mögen diese Herren immer murren; denn außer Dir mag ich ohnehin keinen sehen, was machst Du izt, Beßter? – Ein Pfeifchen rauchen, und dabei nachdenkend schwärmen. Denk Du immer fort, wenn man liebt, geht einem der Stoff nicht aus. – Du warst heute wieder recht munter. Gott erhalte Dich lange so fort zu meinem Trost; Du kannst aber auch munter seyn, bist ja meiner Liebe so sicher als ob uns schon das engste Band geknüpft hätte. – Wie freut mich diese Liebe, da sie so rein, so feierlich ist! – Kein nagender Kummer trübt meine Seele, und so bin ich selig mit wonnevollen Hofnungen für die Zukunft angefüllt. – Manchmal fährt mir freilich ein trauriger Gedanke durch den Kopf! Aber nicht aus Mistrauen gegen Dich, wohl aber gegen das Schiksal, daß mir meine ganze Lebens-Zeit nie günstig war! Doch Deine Sorgfalt sey mein Trost, und so will ich immer fort mit den feurigsten Küßen bleiben Deine

Nina.


Um zwei Uhr! Hörst Du? –
[24]

12. Brief

XII. Brief

Mein Beßter! – In der Geschwindigkeit will ich Dir melden, daß mir wieder ganz wohl ist. – Sey doch ohne Sorgen, lieber Junge! Glaubst Du denn, daß ich ohne Dich sterben könnte. – Ich gieng gestern mit Deinem Andenken ruhig zu Bette. – Mir war so leicht, Deine Liebe, das Bewußtseyn eines reinen Gewissens, und eines Herzens voll Wohlwollen für Dich, machte mich ganz entzükt einschlafen. Du bist ein lieber, guter Junge! Dank Dir für Deine allseitige Sorgen. – Morgen komme, so bald Du es nicht mehr aushalten kannst. Hörst Du? Ich kann izt Deinen Freund nicht länger ohne Unterhaltung laßen. Doch will ich Dir heute Abend mehr schreiben. Bis dorthin lebe wohl, beßter, einziger Mann meines Herzens!

Deine

Nina.

13. Brief

XIII. Brief

Nachts um eilf Uhr.


Endlich ist es ruhig auf meinem Zimmer, und ich kann Wort halten, und noch ein wenig vom heutigen Tag schwäzzen, den ich so mittelmäßig zufrieden verlebte. Ganz zufrieden würde ich blos an Deinem Busen gewesen seyn. Dank Dir also Beßter für dein heutiges Briefchen. – Es war so schön, so voll guten Herzens, daß mich deine Sorgfalt bis zu Thränen rührte!

Mein Gott! Was Du für ein herrliches Herz besizzest, wie Du mit Deiner feurigen Einbildungskraft hineindringst [25] in's feine Gefühl der Liebe, das nicht für jeden gemacht ist. – Könnte ich es Dir doch noch einstens in der unendlichen Ewigkeit vergelten! – Wie wohl es mir thut, auch einmal so gut behandelt zu werden, wie ich sonst Andere behandelte. Der Schöpfer schuf Dich nur für mich zum Lohn, zur Vergeltung meiner ausgestandenen Leiden. Fahre fort, Theurer, mein Herz zu entzükken, und diejenigen die es so oft zerrißen, sollen durch Dein Betragen beschämt und von ihrem Gewißen gepeinigt werden! –

O du Guter, aller Guten! – Du wirst also einstens meine Thränen stillen? – An deinem Busen, in Deinen Armen sollen alle meine Leiden ihr Ende erreichen? – Ha! – Gedanke des Trostes, der Erquikkung, der Wonne! – Es ist mir so ängstlich freudig um's Herz, ich fühle schon zum voraus die Glükseligkeit, die meiner wartet, wenn ich nur diesen Augenblik hinstürzen könnte an Dein Herz! – Ach! – dann wollte ich mich ausweinen, dann sollten sie fließen die Thränen meines zur Schwermuth geneigten Gemüths! – Denke, lieber Friz, wenn mir recht wohl ist, dann fühle ich in mir einen gewißen Hang zur Traurigkeit, und wenn auch alle meine Wünsche befriedigt sind, so schmelzt meine Seele doch hin zur seligsten Melankolie! –

Es muß doch in meinem Körper mit der Gesundheit nicht gut stehen, denn es liegt heute wieder so schwer auf meiner Brust, als ob ich ein Verbrechen begangen hätte! – Gräme Dich aber ja nicht, Friz, es wird beßer werden, ich habe heute wieder zu sehr der Zukunft nachgehängt. – Aber um Gotteswillen zanke mich nicht; ich war nicht Herr über mich! –

Freundinn Sch... hat mich mit Gewalt beim Essen behalten, und dann schleppte sie mich zu einer andern Freundinn, bis ich mich endlich gegen acht Uhr los machte. – Die Mädchen, die in der Gesellschaft gegenwärtig waren, [26] haben mich mit Blumen beschenkt, und da diese drei Sträußchen so sehr auf uns paßen, so schikke ich sie Dir. – –

Betrachte einmal das weiße Röschen, es ist mein Sinnbild, vom Sturme etwas welk, aber doch im Urstoff rein! – Das rothe hingegen ist gerade in seiner Blüthe, und wird nicht so leicht welken, wenn nicht gar zu viele Stürme seine Wangen bleichen. Bei der schönen, unverfälschten Farbe dieser Blumen beschwöre ich Dich, ewig, ewig, (es mag dazwischen kommen was da will,) und wenn es das Schröklichste wäre, Dich nie von mir reißen zu laßen!!! –

Könntest Du je wanken, könnte Dich je etwas schwach machen, dann magst Du mit meinem Fluche beladen, den langsamen Tod dieser Blumen sterben!!! –

Nina.

14. Brief

XIV. Brief

O mein Friz! – Das war wieder ein göttlicher Tag! – Ein Tag der uns die Wonne unsrer künftigen Tage, mit Himmels-Vorgeschmak ankündigt! – Wie unglüklich sind doch diejenigen Menschen, die sich aus dem vertrauten Umgang der Liebe und Tugend keine Seligkeit zu schaffen wissen. –

Ich glaube, wenn wir hundert Jahre zusammen lebten, wir fänden immer etwas neues, uns recht gut zu unterhalten, immer etwas neues zu fühlen, um einander zum seligsten Entzükken zu reizen! –

Blos in der gegenseitigen Hochachtung liegt das Band der unendlichen Liebes-Feßeln; die jeden Augenblik eines vernünftigen Umgangs zum Elisium umschaffen! – Die kleinen gegenseitigen Gefälligkeiten, die gutherzigen Bemühungen, der wahre lebhafte Antheil, die sorgfältige [27] Schonung, die kleinen befriedigten Eitelkeiten, der zufriedne Stolz, wenn man jede Minute mehr überzeugt wird, daß man eine Ausnahme in der Schöpfung liebt, kurz wo man nur in einer solchen harmonischen Liebe hinblikt, ist sie beschäftigt, und spottet der Thoren, die so viel von Liebe schreiben, ohne ihren wahren Werth ganz zu kennen. –

Nicht wahr, lieber Friz, die wenigsten Menschen wissen zu lieben? – O unsere Art Liebe wohnt gewiß in wenig andern Herzen. Wir beide sind ja nur ein Sinn, nur ein Gedanke, nur eine Seele, nur ein Wunsch, nur eine Güte, nur eine Sanftmuth, Alles, Alles, sind wir mit einander in Einem! Denke nach über unsern Umgang, und du wirst die Wahrheit finden.

Herz, Kopf, Seele, Freude, Leidenschaft, Tändelei, Wiz, Vernunft, alles versteht sich so genau auf den ersten Wink. Ich könnte Dir wohl zum voraus ewige Verdammniß Deiner künftigen Tage ankündigen, wenn Du je so elend werden könntest, diese Tage ohne mich verweinen zu müßen. –

Doch weg Schwermuth! – Weg! – du kränkst ein Wesen, das mir heilig ist, und es auch ewig bleiben wird! – Ich bin stolz darauf Dich so innig lieben zu dürfen, aber Du kannst auch stolz darauf seyn, so geliebt zu werden. Denn Du und ich kennen leider die Welt, und fühlen recht überzeugend, daß nur ein Friz, und nur eine Nina lebt.

Dein biederes teutsches Herz hat mich hingerißen zur äußersten Liebe, die mir gemeine Menschen vielleicht zur Last legen werden, die nicht einsehen können, daß ich Dich lieben mußte! – –

Kette dich also recht fest an mich, wakkerer Junge, es soll Dich nie reuen, Du wirft zwar um meinen Besiz [28] ein Bischen kämpfen müßen, aber ohne Kampf wäre kein Werth, und ohne Werth keine Liebe wie die unsrige. – Und sollte ich Dich mit meinem Blute erringen, so würde ich es thun, denn ohne Dich lebte ich ja nur wie eine Wilde, die in der Irre herum läuft auf dem Erdboden. – Elend wäre ich dann, mit dem besten Herzen, den fernern Verfolgungen Preiß. – Gott! – Gott! – wenn ich so die Güte meines Herzens mit den Bubenstükken abwäge, die an mir schon sind ausgeübt worden, dann möchte ich wohl der Natur fluchen, daß sie mich blos zur Mißhandlung schuf.

Ich bitte Dich, Friz, sey nicht unruhig über meine Schwermuth, Du must Dir in mir ein ganz besonderes Geschöpf denken, die auch blos ein Engel von Deiner Güte ertragen kann! – Denke Lieber, das Mädchen, welches die Welt für eine Leichtsinnige hielt, blutete oft im Herzen, wenn sie um dem Spott der Armuth auszuweichen, eine lachende Außen-Seite annehmen mußte. –

Ich fand nirgends keine menschliche Seele, die würdig und vernünftig genug gewesen wäre, den Grund meines Karakters zu prüfen. Nur meine Lebhaftigkeit und die Eitelkeit der Mannsleute, die an mein Bischen Verdienst sich anklebten, zog mir so viele Schmetterlinge zu – die, so oft ich erschien – scharenweis um mich herumschwärmten. –

Ich seufzte nach einem guten Herzen, suchte Mitleid, Großmuth und Liebe, aber fand leider Unflat, Wollust, und niedrige Begierden. Du begreifst mit Deiner Menschenkenntniß diesen Zustand gewiß, in dem ich mich schon seit einigen Jahren abhärmte! – Aus Verdruß, aus Haß gegen mein Schiksal versuchte ich flatterhaft zu werden, aber es mißlang mir mit meinem noch unverdorbnen Herzen, ich blieb dabei leer, albern und mißvergnügt. – [29] Nur wahre Liebe hätte mich glüklich machen können, aber ich wurde zurükgestoßen, schrökliche Tage hindurch schmachtete ich, bis ich Dich fand! –

Hier hast Du die aufrichtigste Beicht, die je ein Weib unter der Sonne abgelegt hat, alles weist Du izt, ich will Dich überzeugen, daß keine falsche Ader in mir wohnet. Ich schäme mich meiner begangenen Schwachheiten nicht, sie sind Beweise, wie weit menschliche Mißhandlungen ein gutes Herz treiben können. –

Mögen alle Weiber ihre Fehler so aufrichtig an's Licht stellen, wie ich, dann werden sie gewiß auch leidenschaftliche Liebhaber finden, die sie um ihrer Aufrichtigkeit willen standhaft lieben werden. – Wenn Verstellung, Eitelkeit, und Grimaße in einem Weibe besiegt ist, dann Glük zu, ihr Herrn Männer, sie ist eurer Verehrung würdig! –

Ja liebenswürdiger Jüngling! – Deine Vernunft begegnete gerade meinem Herzen, und Du hieltest es fest, weil es Dir nicht alltäglich schien, behalte es immer, es sey nur Dir gewidmet. – Aber Gott! – Warum mußtest du auch wegen mir so viel dulden von den Deinigen? – Jesus Christus! – – Wenn unsere Bekanntschaft entdekt würde, man steinigte mich lebendig! – – Und doch wäre ich unschuldig, und doch wäre es nicht meine Schuld, wenn mir die Deinigen meine unwillkührliche Liebe zum Verbrechen auslegen wollten. –

Hier vor dem Kruzifix des blutenden Heilands schwöre ich Dir, daß ich Dich gleich von Anfang ohne alle Absicht rasend liebte! – – Und daß, wenn dies Sünde ist, mir keine Strafe zugehört, weil ich Dich vor den Augen Gottes rein liebte, bis es einstens dem Allmächtigen gefallen wird, uns enger zu verbinden. – Noch einmal schwöre ich Dir bei dem Schatten meiner theuren verstorbenen Aeltern, [30] daß meine Lebhaftigkeit nicht glitschen soll, eh ich von Banden los bin, die mich noch feßeln! – –

Zwar hat sie Schark schon lange zerrißen, nur bin ich noch nicht völlig davon überzeugt. – Morgen erzähle ich Dir eine wichtige Entdekkung über diesen Punkt, – schreiben darf ich sie nicht, Du wirst seufzen, und mich gewiß bedauren. Lebe wohl, Deine

Nina.

15. Brief

XV. Brief

Guten Morgen! Ein Kuß mit ihm, und Langeweile genug, bis Du kömmst. So viel von Deiner guten

Nina.

16. Brief

XVI. Brief

O du einziger Vertrauter meines Elendes! – Glaubst Du wohl, daß ich zu Bette gehen könnte, ohne Dir einen Auftritt zwischen mir und Schark zu beschreiben, worüber Du zittern wirst! – Auch von meiner ausschweiffend heftigen Seite mußt du mich izt kennen lernen, damit Du nicht lauter Tugend in mir suchest. – Dann mag Deine Vernunft entscheiden, ob es sträflich ist, wenn ein gutes Herz sich vergißt? – – Sieh ich beichte Dir sogar meine Fehler, weil ich überzeugt bin, daß Du klug genug bist, um die Quelle dieser Fehler einzusehen, und meine sonst so äußerste Gutherzigkeit ihnen entgegen zu sezzen.

Selig waren heute für mich die Augenblikke, die ich an Deiner Seite verlebte, aber als Du, Sohn der Tugend, mich verließest, o da sah es wieder um mich schröklich [31] finster aus! – Kurz nach Deiner Entfernung kam Schark, seine Untreue fiel mir schwer aufs Herz, ich konnte keine Silbe hervorbringen, stumm und schluchzend warf ich mich auf's Bette, als er plözlich über meine Thränen mit Rohheit zu lachen anfieng. – Jesu Maria! – Was da in mir die Galle kochte! – Ich bat ihn vernünftig zu seyn, aber es war zu spät, die Wuth riß mich hin! – Gott verzeihe mirs! –

Ich faßte den schändlichen Wollüstling beim Hals, er hielt mir den Arm zurük, ich hätte ihn sonst erwürgt, so sehr war ich außer mir! – Meine Kniee zitterten, der Gedanke an Dich hielt mich noch zurük! – Dann wankte ich an's Bette, und heulte laut! – Nun wandelte ihn wieder auf einmal die Boßheit an, er drohte mir wütend, ich schwieg, und reizte ihn nicht weiter. – Doch plözlich kam ich wieder von Sinnen, ich suchte ihm zu entwischen, er hielt mich gebietend zurük, und was blieb mir armen Gefangenen übrig, als zu weinen? – – Da saß er nun wie ein sträflicher Sünder, sprachlos, und bat mich seinen Hals-Kragen, den ich ihm in meiner Wut zerrißen hatte, wieder zurecht zu machen. –

Ich mußte in dieser beiderseitigen gefährlichen Stimmung zur Mäßigung schreiten, sonst wäre es zu gräßlichen Auftritten gekommen. – – –

Bei Gott! Wäre Deine Liebe nicht, ich liefe heute noch so weit mich die Füße trügen! – Um Deinetwillen, Friz, mußte ich mich faßen, ich hörte jezt nichts in meinen Ohren, als Deine Stimme, Dein Gebet für mein Wohl! – – –

Meine Kälte empörte seinen Zorn aufs neue, und ich drohte ihm mit Abänderung meiner Lage. Er schien diese Drohung über die Achsel zu werfen, und warf mir mein Unvermögen vor, ich entsezte mich, wie man mit der tugendhaften Armuth so handeln kann. – –

Friz, das Laster hat sich an mir verschworen, die ärgste Grausamkeit wird an mir ausgeübt! – Den schwärzesten [32] Betrug tischt man mir täglich auf, und ich wäre die Nina, deren Herz, Karakter, Fleiß, Sorgfalt, und Rechtschaffenheit es (wie die Leute sagen) mit einer Jeden aufnehmen dürfte? – – Ich wäre der Zögling edler Eltern, die mich nach ihrem Ebenbilde voll Großmuth und Tugend erzogen? – O es ist eine Lüge! – Sonst würden mich die Menschen beßer behandeln! –

Ich bin eine Arme, ohne Dich verloren an Leib und Seele! – Außer Dir lebt für mich nichts mehr in der Welt, das mich begreifen kann! – Außer Dir ist mir die elende Welt zur Last, ja, Friz, eine Last, die ich gewiß nicht länger tragen wollte! – Wenn man dich von mir riß, o, dann wüßte ich schon, was aus mir würde! – Ich trage ein krankes Gemüth herum, das gewiß durch Deinen Verlust den verzweiflungsvollen lezten Stoß erhalten würde!!! – –

Doch ich weis, Du liebst mich, ich weis, Du wirst eher die Erde bauen, als mir ferner eine Thräne von Undankbaren auspreßen laßen. – Sey also gelaßen gegen Schark; Wuth würde mich nur noch unglüklicher machen. – – Ich will dulden, ich will leiden, ich will tragen die schröklichen Folgen meines allzu guten Herzens! – Der Elende treibt es nun so weit, daß er mich hartnäkkig foppt und mich zu gutherzig glaubt, um jemals mit ihm zu brechen. – Er weis, daß mein Stolz sich niemanden so leicht anvertraut, er kennt meine Grundsäzze, daß ich in der größten Dürftigkeit nie bei Männern Hülfe suche. Er vermuthet nicht, daß ein junger großmüthiger Teutscher edel genug denkt, mir ohne Vergeltung Leben und Ruhe zu retten, – Kurz, er spottet meiner Güte und lacht meiner Drohung. – Er hält sich in der weiten Schöpfung für den einzigen standhaften Mann, der, wenn er gleich mich rükwärts betrügt, dennoch alles mit mir theilte. – So spricht sein Hochmuth, darauf ist er eitel.

Gott, was ich Dir da für Zeug schreibe! – Was ich[33] verwirrt bin, wie es mich drükt, wie es mich ängstigt! – Um Gotteswillen! Wärest Du doch gegenwärtig! – Es ist mir so bange, mein Blut hat seinen Lauf verfehlt, es drängt sich so an's Herz! – Friz, so schröklich ist Dir wohl nie gewesen? – – Gewiß nie! –

Ha! Wenn Du jezt da wärst, und mir nur einen Tropfen Wasser reichen könntest! – Wenn Du mir den brennenden Kopf hieltest, wenn Du sie aufheitertest, meine gebeugte Seele, o dann wollte ich gerne um diesen Preis tausend solche Stürme ertragen!

Schikke mir den Arzt, ich will mit ihm sprechen, es ist warlich mit meiner Gesundheit nicht zu spaßen, ich ahnde wieder Konvulsionen, und Blutsturz. – Bei solchen anhaltenden Martern ist es ja leicht möglich. – Schlafe wohl, Engel der Sanftmuth, Deine

Nina.

17. Brief

XVII. Brief

Abends.


Gerade neun Uhr, und dem Himmel sey Dank, ich bin endlich allein. Nun will ich mich ein wenig an Dich schmiegen, holdes Liebchen, Dich küßen, und mit Dir in Gedanken das fühlen, was wir schon so oft zusammen fühlten.

Daß Du heute wieder mein einziger Gedanke warst, das weißt Du gewiß, nicht wahr? – – – Ich komme von Madame K... wir geriethen zusammen ins Philosophieren über die Männer, die Frau zog eigensinnig über alle los, und wollte durchaus keine Ausnahme unter deinem Geschlecht zugeben. – Sie behauptet durchaus, alle Männer giengen blos auf den Genuß aus. – – Und ich sagte: nein, und zehenmal nein! – –

[34] Mein Herz sagte mir heimlich, daß diese Frau nie einen Friz müße gekannt haben, und es wurde mir bei dieser Erinnerung so wohl, so wohl! – – –

Endlich las ich ihr Deine und meine Briefe, aus der Geschichte mit deinem ersten Mädchen vor, dann fieng sie an recht gütig ihr Näschen zu rümpfen, und schwärmte in feurigem Beifall über deine herrliche Art zu lieben! – Auch schimpfte sie dabei tüchtig über das Bürgermensch, die zu Deiner Speichellekkerinn noch zu niedrig wäre. – –

»Das mus ein vortreflicher junger Mann seyn!« – – Fuhr sie fort – »Aber Sie haben ihn auch mit aller Macht in Ihren Briefen vertheidigt. – Unser Geschlecht wird Ihnen gram werden, weil Sie so drauf los ziehen! –«

Ich antwortete – »Ja sehen Sie meine Beßte! – Ich kann in der Liebe keinen Betrug dulden, aber bei Gott, auch selbst nicht betrügen!« – –

»O das weis ich, das weis ich! – (Versezte sie) nur hält es etwas lange, bis Sie recht lieben, aber dann gehts auch bei Ihnen zu, wie im himmlischen Paradiese! – Ei, will doch gerne sehen, welcher Sterbliche den Schark wird austilgen können!« – – –

Da lenkte ich ein, sonst hätte sie mich vielleicht gefangen. – Dann zog sie äußerst schalkhaft über Schark los und machte mich lachen. – Auch fragte sie mich, ob ich noch darauf bestünde, mit ihm förmlich zu brechen? – – – Oder ob Schark schon wieder mein einfältiges gutes Herz erweicht hätte? – – »Nein! – sagte ich – ich reise!«

»Aber Sie kommen doch wieder?« – – O ja, stotterte ich. »Nicht wahr, Friz bringt mir dann Ihre Briefe?« – – »Freilich, das wird er gern thun!« – Oder etwa nicht Friz? – Ich dächte doch, das schöne sprechende schwarze Auge einer Dame könnte Dir wohl ein Bischen gefallen. Und wenn sein Weibchen noch dazu abwesend ist, die er bis jezt nur [35] noch platonisch lieben darf! – Es ist mir, als sähe ich Dich schon gegen ihr über sizzen, hinlänglich schüchtern, um deine Nina nicht zu beleidigen. O du Lieber, Lieber, Götterwonne ist mir der Gedanke an Deine Rechtschaffenheit! – Begreife, wenn Du kannst, meine völlige Verehrung für Deine Grundsäzze, die mich einstens zum glüklichsten Weibe machen werden. Ich fühle der Seligkeiten zu viel, wenn ich in unsere künftige Tage hinblikke, daß mich immer die tiefste Schwermuth dabei überfällt. – –

Ob es denn gewiß wahr werden wird, das Bild meiner reizenden Fantasie? – Tödtlich lang werden mir wenigstens die Stunden bis dorthin scheinen, o Friz, was ich noch Thränen werde vergießen müßen, eh ich ganz, um nie wieder zu scheiden, an deinen Busen hinsinken darf! – Gott! – Es liegt viel Wonne in der Erwartung, aber auch viel Leiden in der Trennung. Trennung! – Gott! – Kann ich das Wort denken .... Ein Herz, wie das meinige, Einsamkeit, Liebe, Schwermuth, Herr Gott im Himmel! – Die Entfernung von Dir wird mir hart, hart auffallen!!! –

Und doch muß ich, ich muß von Dir fort, um Verdrießlichkeiten auszuweichen, ich muß, weil Du es haben willst, weil Du es gut findest. Nicht die große Welt ist es, die ich ungern verlaße, Du weist ja, Friz, daß ich sie haße. – Aber Dich, Sohn der Liebe, soll ich zurük laßen, unter Deinen Feinden zurüklaßen? – Gott! – Ich fange schon wieder zu jammern an, vergieb, und nimm es für gränzenlose Liebe von Deiner beßten

Nina. [36]

18. Brief

XVIII. Brief

Lieber Herzens-Friz, als Du mich verließest, da wiedmete ich mich so ganz der Seligkeit des Nachdenkens, träumte wieder alle Küße hindurch, die wir einander schon gegeben, und war so glüklich! – Es vergeht doch kein Tag, wo ich nicht neue gute Entdekkungen an Dir mache. – – Nicht wahr, was meine dumme Zagheit heute wieder für Schimären in die Zukunft schuf, und wie Du sie alle mit Feuer zu meiner Beruhigung widerlegtest.

Bei Gott! – Beßter, auch nur Deine heftige Liebe kann Dir alle die Gedult eingeben, ein so furchtsames Ding, wie ich bin, zu ertragen, eine Schwache, die aus lauter Liebe vor jeder Mükke zittert! – Sage mir, Friz, woher kömmt denn diese rasende Furcht, Dich zu verlieren? – O es ist Liebe, tiefe noch nie gefühlte Liebe! – Fühlst Du es nicht, Beßter, daß ich stündlich unruhiger werde? – – Daß ich sowohl als Du mit tausend Leidenschaften kämpfe, daß ich kindisch mit Dir schäkkere, ungedultig Dich erwarte? – Und dann manchmal an Deiner Seite mit starren Augen gegen den Himmel blikke, um die Dauer dieser Wonne zu erflehen! – Hast Du wohl in Deinen Idealen so ein Geschöpf geträumt; bist Du nun zufrieden, Schwärmer, mit Deiner Nina? – Freust Du Dich wohl, daß Dein schon lange gesuchtes Ideal wahr wurde? –

Suche einmal in der hiesigen Stadt so ein Pärchen, wie wir beide sind; schwerlich wirst Du es finden, denn die meisten hiesigen flatterhaften Jungen gehören ins Tollhaus, und die Mädchen mit ihren kalten eiteln Herzen in den Gänsestall! – Hätte doch mein Lebtag nicht geglaubt, daß es so [37] um die hiesige Jugend aussähe! – Ewigen Dank dem Himmel, daß Du mir noch unverdorben übrig bleibest! –

Doch weiter! – Als Du fort warst, kam Schark, ich sollte Dir zwar Klugheit halber nichts mehr von ihm sagen, aber jezt muß ich es thun, damit Du doch auch etwas zu lachen bekömmst, denn nun begehe ich doch keinen Meineid mehr, wenn ich mich über ihn lustig mache. – –

Denke Dir nur, wie wir beide so beisammen am Fenster standen, führten die Leute plözlich einen Ochsen vorbei, der ein Bein gebrochen, da lief denn der kindische Bube, wie eine wahre Frazze, dem Spektakel nach, und ich und mein Mädchen lachten uns fast zu Tode darüber! – Endlich kehrte er zurük, und es wurde bei uns zu Nacht gespeißt, da hab ich ihm denn mit einer gewißen Kälte abscheuliche Brokken hingeworfen, bis er endlich darüber stuzte, und mich fragte ob ich toll wäre, daß ich ihn so satirisch hunzen könnte? – –

Auf einmal gieng er an mein Nacht-Tischchen, und fragte mich wieder, was denn das Geschriebene in dem Buch, (das Du mir geschenket) zu bedeuten hätte? – – Hm! – sagte ich, doch gewiß keine Untreue! – Dann war er mäuschenstille und gieng.

Gewiß, lieber Friz, ich verachte ihn täglich mehr, ich fühle, daß er mich durch den Umgang mit seinen Kreaturen schändlich erniedrigt hat, ich fühle, daß ich fort muß, ich fühle, daß sich mein Stolz bei seinem Anblik empört, ich fühle aber auch, daß es die Klugheit erfodert, sich zu mäßigen.

Mein Gott, wer hätte dies je gedacht? – Aber weg davon! Sage mir, Lieber, was Du jezt machest: – Gewiß auf Deiner Altane sizzen, ein Pfeifchen rauchen und an mich denken? – – O diese Dämmerungs-Stunde ist so herrlich für die Liebe! – So stille, so hinreißend, so entfernt vom Kummer, so feierlich, so kühl, ach! – wäre ich nur bei Dir! –

[38] Doch fort mit Deiner Nina ins Bett, mit Deinem Bildniß an ihrem Busen, mit Deinem Andenken im Herzen, und so soll ihr leztes Wort gute Nacht Friz seyn! – Ha! – Du schöner reizender Name, der meine Glükseligkeit ausmacht! – – – – –

Nina.


Ich muß das geschloßne Billet wieder aufreißen, ich muß Dir den heutigen Traum erzählen, der mich sehr ängstigte! – Herr Gott! – Was ich für unglükselige Affekten besizze! – Bedenke einmal, ich traf Dich mit einem Mädchen bei einer Zusammenkunft! – Um Gottes willen, was ich da in Wuth ausbrach!!! – Siehst Du, Friz, auch ohne Genuß kann man vor Eifersucht rasend werden! – Bei Gott! – Ich war ganz unsinnig! – Ich wälzte mich wie eine Verrükte im Traum herum, dann gerieth ich in solche Hizze, daß mich das Nasenbluten aufwekte. – Es ist mir heute gar nicht wohl, dieser Traum hat mich entsezlich zusammen geschlagen, und doch sey dem Ewigen knieend Dank gesagt, er war blos eine Lüge! – Da, Friz, dieser vom Traume naße Kuß soll Dir beweisen, was ich fühle! – Lebe wohl bis auf Wiedersehen! Deine

Nina.

19. Brief

XIX. Brief

Nachts um zwölf Uhr.


Lieber Theurer! – Endlich von der Gesellschaft zurük, und nun zu Dir mit warmem Herzen, das so sehnlich auch mitten im Getümmel nur nach Dir klopfte. – In der Gesellschaft gieng es heute sehr ungezwungen zu, jedes schäkkerte nach seiner Weise. – Die K... sang allerliebste naive Liedchen, ich wizzelte, ihr Mann machte Verse, R... lachte, J... nikte uns Beifall zu, und seine Frau stellte sich auch gar nicht [39] uneben. – Wir aßen ziemlich lekkerhaft, aber ohne die geringste Ziererei, gut Teutsch, und blieben bis neun Uhr Nachts beisammen.

Wir Weiber trieben die Männer recht sehr in die Enge, daß sie alle nichts mehr zu antworten wußten, bis endlich zween Franzosen sich dazu gesellten, da wurde ich auf einmal finster, weil ich ihre Narrheit nicht leiden kann. – Ich glaube diese Windbeutel hüpfen einst noch über den Sarg hinweg. – Die K... bemerkte meine üble Laune und strich den Springern meine Wenigkeit gar zu sehr heraus; bald hätte mich diese Eitle roth gemacht. – Was kümmert mich der Beifall dieser französischen Affen? – Endlich führte mich die Familie J... zu Hause, und ich traf ... Wen? – das weist Du leider schon. – Ich muste mit ihm wider meinen Willen noch einige Gaßen durchschlendern, aber überall vermißte ich Dich! Daß Du mir doch gar nie begegnest, wenn ich Dich gerne haben möchte! – Wo bist Du denn jezt? – Denkst Du auch an Deine Nina? – Ist es Dir auch so sehnsuchtsvoll um's Herz, wie mir? – O lieber Friz, wenn sie nur schon vorbei wären die Tage der unerträglichen Trennung! – –

Noch einmal danke ich Dir für die warmen Küße, die Du mir heute in die Gesellschaft mitgabst, ich war so munter, weil ich Dich noch zuvor gesprochen hatte. – Ich bin doch ein eigensinniges Ding in Sachen, die mein Herz betreffen, o da sollte mich selbst die Hölle nicht davon abhalten können! – Die Liebe hat sich an mir vergriffen, sie warf mir einen Theil mehrerer Zärtlichkeit zu, als andern Weibern, alles macht mir Freude, was ich mit Deinem Andenken heiligen kann, die Natur, die Menschen, alles ist mir jezt lachender, weil Du für mich lebst. – O die Menschen ohne Liebe müßen wohl recht elend seyn! – Nichts in der Schöpfung zu haben, an was man sich ketten kann, Ha! – Das ist wohl recht sehr traurig! –

Und wie fühlst denn Du Dich, Trauter? – Sage mir[40] doch morgen mit tausend Küßen, daß Du das nämliche fühlest. – Traurig wünscht Dir nun Deine Nina gute Nacht – aber eben so liebevoll, wie an unserem Brauttage. –

Nina.

20. Brief

XX. Brief

Nein, Friz, so einen Tag, wie der heutige, möchte ich nicht wieder erleben! – Wie es mich so schröklich auf dem Herzen preßte; wie Dein bedaurungswürdiger Kampf mich erschrökte! – Gott im Himmel, ich trage es nicht länger! – Ach! – Schone meiner, Friz, sonst muß meine Gesundheit wanken. Du warst zwar zurükhaltend und bescheiden, aber Deine Leiden drangen doch in mein Herz. – Ich fühlte, daß Furcht und Angst meine Seele peinigten, ich fühlte, daß sie verloren seyn würde meine Ruhe, wenn Du nicht der Rechtschaffene bleiben würdest, für den ich Dich hielte, – Heimlich fluchte ich meiner Lage, dem Schiksal und mir selbst, Du konntest meinen Kummer nicht bemerken, weil Dein eigner Dich zu sehr betäubte. Die Thräne, die ich weinte, war bitter über die Entdekkung unserer beiderseitigen Schwäche. – Himmel! – Wie unglüklich wäre ich, wenn meine Sinnen sich verirrten, eh wir ganz beisammen sind! – – –

Furcht würde mich peinigen, Verzweiflung mein Herz zerreißen, ich würde es lebhaft vor mir sehen, das Grab unserer Liebe! – – O wenn Du mich liebst, kniefällig beschwöre ich Dich, mir diesen Gram zu ersparen! – Edler, guter, biederer, teutscher, junger Mann, halte es nicht für Ziererei, es ist blos zitternde Furcht, Dich durch zu frühe Verbindung zu verlieren. – Bei diesem kummervollen Herzen, bei dieser von Leidenschaft gespannten Brust, bei meinem verwirrten [41] Kopf, schone Dich, schone mich! – Du warst zwar nicht unbescheiden, nicht zudringlich, aber, um Gottes willen, laß mir Deine Kämpfe nicht wieder so leicht bemerken! – Laß mich ruhig an Deiner Seite Deine Seelen-Vorzüge genießen, wenn Du mich liebst, wenn Du nicht haben willst, daß ich mich zu Tode gräme! – Mitleiden könnte mich bemeistern, ich könnte mich verirren zu meiner Qual, zu meinem Elende! – Ha! – Wie es mir jezt schon so Angst ist! –

Das war heute seit unserer Bekanntschaft der schröklichste Tag! – Die schröklichste Schwermuth, die ich je fühlte! – O Friz, wenn Du fühlen könntest, was ich heute litte! – Hilf mir tragen, sonst sinke ich zu Boden! – –

Bedenke einmal mein Elend bei der Bekanntschaft mit einem Menschen, der mich betrügt, erniedrigt, mit einem Herzen voll Leidenschaft für Dich. Friz, rufe Deine Vernunft zu Hülfe, sonst verlierst Du das Weib, das Deine Tage segnen soll! – Sey klug, überdenke die Gefahr, und thue, was Dir Deine Moral eingiebt. – Mein Mädchen ist Zeuge meines Zustandes, trostlos lag ich heute im Seßel, trostlos ohne Dich, blos in der Gesellschaft meines Kummers! – Und Du, guter Jüngling, wußtest nicht, fühltest nichts von mei nem Zustande? – Wärst Du gegenwärtig gewesen, Mitleid hätte Deine Leidenschaft übertäubt, Du würdest sie in Ketten geschloßen haben, die Triebe Deiner Natur! –

Wenn ich doch nur weinen könnte, ich möchte mein Schnupftuch zernagen, ich möchte die Stadt durchlaufen um mein Blut abzukühlen! – Friz, reiß es heraus dies elende Herz, das Empfindungen nährt, die mich elend machen! –

Fliehe mich! – – – Doch nein, um Gotteswillen nicht! – Heute leidet mein Verstand, ich merke es. – Wärst Du nicht, ich wollte der Liebe entwischen, ich wollte ihm Erleichterung schaffen diesem tirannischen Körper. – Heiland! – Was ich schwärme! Ins Tollhaus, ins Tollhaus [42] mit einer solchen Närrin! – – Würde die rohere Gattung der Menschen sagen, wenn sie mich izt sähe. – Der Kopf ist mir auch so verstimmt, rette mich, ich beschwöre Dich, Du hast meine Seele auf Deiner Rechnung! – Fort zu Bette mit der armen kämpfenden

Nina.

Morgens.

Ich bin matter, Friz, aber nicht viel ruhiger, Gott, noch so eine Nacht, wie die vorgestrige und die heutige, mit so einem Tag begleitet, wie der gestrige, dann bin ich gewiß weg! – –

Ich habe wieder geträumt, daß ich in Deinem Hause war, und daß mir Deine Mutter erniedrigend begegnet wäre; der Vater aber seye milder gegen mich gewesen. – Als ich erwachte, war das Kopfküßen naß von meinen Thränen. – Es spannt mich heute wieder schröklich auf der Brust, schikke mir Deinen Arzt, aber um Gotteswillen kümmere Dich nicht! – Es ist meine gewöhnliche Schwermuth durch Leidenschaft und Thränen aufgewekt. –

Morgen sehe ich Dich, und solltest Du auch nur auf einige Minuten kommen können. Bleib heute zu Hause, Du würdest mit mir nicht allein seyn können. Tausend Küße von Deiner lieben

Nina.

21. Brief

XXI. Brief

Theurer Friz! – So kränklich und schwach ich auch noch immer bin, so sollst Du doch die erste Zeile nach meiner Krankheit erhalten. – Du guter, lieber, biedrer Junge! – Wie Du heute meine Schwermuth so nach und [43] nach weg zu plaudern wußtest, wie Du Dich täglich mehr in meine abscheulichen Launen zu schikken weist, verdient nicht dies allein Vergebung für Deine samstägige Laune? – Und dann Dein herrliches unserer Lage angemeßenes Betragen, als Schark hereintrat, o Gott! – Du mußt mich wohl recht sehr lieben um eines solchen Zwangs fähig zu seyn! –

Wie ich die drei übrigen Stunden mit ihm zubrachte, als Du fort warst, kannst Du leicht denken; zu gefühlvoll, um ganz gelaßen zu seyn, und zu klug um mich zu verrathen, fühlte ich Langeweile und Schwermuth. –

Endlich sah ich Deinen Freund vorbeigehen und gab meinem Mädchen geschwind einen Wink, daß sie ihm nacheilen sollte, um Nachrichten von Dir einzuholen.

O wenn die Kalte, doch nur geschwind wieder zurükkehrte, dachte ich, doch lies ich mein Gefühl dabei nicht in's Empfindelnde fallen, wie's der spöttische Mann in dem Tagebuch eines neuen Ehemanns sagt. –

Was will denn dieser Grillenfänger? – Der sich selbst Widersprechende? Er gesteht ja doch ein, daß Liebe im Gefühl liegt, und doch nennt er Zärtlichkeit Empfindeln? Zwischen Romanen-Liebe und zwischen wahrer auf Vernunft gegründeter Liebe herrscht ein großer Unterschied. – Die erste ist blos eine Seuche, die ein Augenblik in einer erhizten Einbildungskraft erzeugt hat, und die lezte wohnt in der Ueberlegung, im Herzen und in der feinsten Zärtlichkeit. –

So eine Liebe ist in gegenseitiger Gefälligkeit unersättlich, und kann bei all ihrer glüklichen Trunkenheit nie müde werden. Meinetwegen können tausend Siegwarte und seines gleichen nur in Büchern wohnen, ich habe selbst Ziel und Maß und weis recht gut, was mein Gefühl ertragen kann, um nicht stumpf zu werden. – Ich verkenne [44] den Menschen auch in meinem Liebhaber nicht, weis ihn zu ertragen, und fodere nicht, daß er einen irrdischen Engel vorstelle. Wenn mir aber nach einer genauen Untersuchung ein Friz begegnet, der so ganz mein Wiederhall ist, o dann greife ich mit beiden Händen zu, und schaffe mir herrliche Tage der Zukunft in meinen Gedanken! Freilich nicht ohne Erdenkummer, nicht ohne Trübseligkeit, aber erleichtert durch das gute Herz eines Gatten, durch die Vernunft eines Freundes, durch die Sanftmuth eines Bruders, ist mir dann in den Armen meines Mannes selbst der Tod leichter. – So viel sagt mir meine Ueberzeugung ohne Empfindelei!

Ich werde zwar von meinem Gatten nicht bis in's achtzigste Jahr kindische Tändeleien fodern, aber sein Herz, wenn es gut ist, bürgt mir ewig für jede kleine Gefälligkeit, die er meiner Dankbarkeit schuldig ist. – –

Wahr ist es, die Neuheit hört auf, aber die gegenseitige Gutherzigkeit kann nicht aufhören, wenn man unter Harmonie des Karakters sich verband. – Der erste Taumel hört auf, aber das ruhigere standhaftere Gefühl bleibt, und die Kunst sich einander die Stunden zu Minuten zu machen, kann bei uns auch nicht aufhören, weil es uns beiden nicht an der Einbildungskraft fehlt, auch im Alter neue Verdienste in uns zu entdekken. –

Nimm auf diese selige Zukunft hin den feurigsten Kuß von Deiner kranken .... nicht doch ... von

Deiner liebenden Nina.

22. Brief

XXII. Brief

Ein fataler Tag war das wieder heute! – – Ich erhielt wieder neue Nachrichten von Scharks Ausschweifungen.[45] – – Komme ich nicht höchstens in Zeit drei Wochen fort, dann sollst Du sehen, was es absezzen wird! – O Theuerster, nimm mir diese Drohung nicht übel, Du weist, daß beleidigte Ehre aus mir spricht! – –

Sey ruhig, komm heute Abend um neun Uhr sicher, hörst Du! – Zu Deiner

Nina.

23. Brief

XXIII. Brief

Schon sieben Uhr vorbei, und Schark war nicht hier. Wo in aller Welt mag er heute wohl stekken? – Vermuthlich schwelgt er izt in den Armen der Wollust. – Wäre noch Liebe für ihn in meinem Herzen, so liefe ich heute Abend noch alle Straßen durch, suchte ihn auf, und fände ich ihn an einem Orte, der mich beschimpfte, dann ... Ha! – Dann weh ihm!!!

O wie schön ich mich heute für seinen Undank hätte rächen können! – Doch pfui! – Er verdiente eine solche Rache nicht, die auf Unkosten meiner Ruhe gienge. – Es ist zwar gräßlich, gräßlich, sich unschuldig so behandelt zu sehen! – Was doch die meisten Männer für Ungeheuer sind! – Zittern sollte man vor ihnen, wenn man sie nicht lange, lange, geprüft hat! –

Aber so viel ist gewiß, Friz, daß Du eine Ausnahme bist. – Doch hüte Dich ja nicht dringender zu werden, sonst wacht der höllische Argwohn über Dein Geschlecht wieder in mir auf und trist auch Dich! – Dann könnte ich Dich unschuldig beleidigen. –

Es ist nicht Mißtrauen, aber es ist die feurigste Bitte, die ich an Dich wage! – Frage nicht ferner nach der Ursache, gieb mir darinnen nach, wenn Du mich liebst. – – [46] Das kannst Du, das wirst Du um Deiner armen Nina willen, die heute wieder mit der schwärzesten Melankolie ringt! –

Ich fodere dieses Opfer von Deiner Liebe, und solltest Du mich wieder einmal so schwach, wie heute sehen, o dann fliehe mich! – – Sonst könnte es leicht Deine und meine Ruhe kosten. –

Du bist ein Engel in der Bezähmung Deiner Begierden, Du hast Stärke über Dich und mich, aber Du mußt nur wollen, und nicht immer durch tolles Schwärmen Dich und mich reizen. Bin ich denn so arm an Unterhaltung? – – Friz, richte Dich wieder so ein, wie Du warst, wenn Du nicht die Glükseligkeit meiner reinen Liebe mit Gewalt stören willst. –

Nenne es Vorurtheil, nenne es Grille, nenne es Mißtrauen, genug der Aufschub einer engern Verbindung dient mir zur Ruhe und versüßt mir die Stunden einer wonnevollen Erwartung. – Brause nicht wieder über diese Sprache, sonst liebst Du mich nicht absichtlos, dann weh Dir!!! – Ich mache Dir keine Vorwürfe, ich sage Dir blos mit Aufrichtigkeit, was Du wißen mußt. Sey also vernünftig, und erinnere mich auch daran, wenn ich es nicht bin. – –

Ich fühle wieder abscheuliche Kopfschmerzen, ich bin ganz weg heute Abend, und doch wenn ich stürbe, so weis ich mir die Ursache nicht anzugeben, warum ich so zerrüttet bin? – – Laß mich morgen ja nicht lange auf Dich warten, habe Mitleiden mit Deiner armen verstimmten

Nina. [47]

24. Brief

XXIV. Brief

Guten Morgen lieber Herzens-Friz! – Hast Du wohl geschlafen? – Ich so – so –. Die ganze Nacht über dachte ich dem feurigen Grad Deiner Liebe nach, und fand, daß Dir kein anderer Sterblicher das Gleichgewicht halten würde. – Sey nicht böse, Lieber, wenn ich Dich manchmal mit meiner Zärtlichkeit quäle, verkenne nur das Wort Weib nicht in mir, denn schwach bleibt dieses Wort immer, und wenn es auch hundertmal eine Denkerinn ausdrükken kann.

Anhaltendes Unglük hat mir sogar die süße Hofnung geraubt, mich über etwas mit wahrer Gewißheit freuen zu können! – Es ist nicht meine Schuld, es ist die Schuld des Schiksals, habe Gedult mit mir, Du wirst mich einstens beßer stimmen, wenn ich an Deiner Seite bin. – Du kennst mich, und was braucht es mehr, als die Wärme Deines schlagenden Busens um ganz Dein zweites Selbst zu werden? – – Ich bin so ein verzagtes Ding, Glükseligkeit in der Liebe ist mir so neu, und ich taumle denn so im Rausch dieser Liebe dahin, ohne es recht faßen zu können. – Du kennst meine Begriffe in der Liebe, weist daß ich durch sie noch nie glüklich war, ist es nun zu wundern, daß sie mir den Kopf schwindeln macht? – Beruhige mich, so gut Du kannst, das ist alles, wofür ich Dir ewig danken will! –

Ist das nicht ärgerlich! Nun unterbricht mich gar jemand!! O ich wollte, daß .... Ich höre Holbaurs Stimme. Ha! – Der elende Kerl, soll mir bald vom Halse geschafft werden! – Gieb nur Acht! – –

[48] Hier magst Du unsere wörtliche Unterredung lesen. –

Holbaur.

Madame sind doch nicht böse, daß ich mir die Freiheit nehme, sie zu besuchen? – Seit Ihrer Bekanntschaft mit Schark, bekömmt man Sie ja gar nicht mehr zu sehen; und die schönen Wittwen sollten sich doch auch der Welt zeigen. –

Ich.

Wozu mein Herr, sollte ich mich mehr der Welt zeigen, um mir vorheucheln zu laßen, oder selbst heucheln zu lernen? – Meine Eroberungen sind schon gemacht, und ich zweifle, ob sie mich je reuen werden. –

Holbaur.

Darunter wird doch Schark nicht gezählt? – –

Ich.

Und warum nicht? – –

Holbaur.

Hm! – Ich meine nur so, weil er mich eben so wenig der Mann dünkt, der Sie verdient, als andere, die um Ihre Hand buhlen. –

(Das war auf Dich gemünzt!)

Ich.

Habe ich Sie mein Herr je zum Rathgeber aufgefodert? – Oder sind Sie von ihren eignen Verdiensten so sehr überzeugt, daß sie glauben, andere mit solcher Gewißheit verdunkeln zu können? – Wenn ich Ihr stumpfes Gefühl nicht kennte, bald würde ich Sie aus Neid zum Nebenbuhler fähig glauben. –

Holbaur.

Ich Nebenbuhler? – Holbaur, und Nebenbuhler! Ha! – Ha! – Soll ich Ihnen beweisen, daß ich es nicht bin? –

[49] Ich.

Ich wenigstens erinnere mich nicht, Sie je zu solchen Hofnungen verleitet zu haben. – So viel ich mich erinnere, so haben Sie sich in meine Bekanntschaft eingedrungen, ich duldete Sie gewißer Ursachen wegen ...

Holbaur.

Und daran thaten Sie sehr klug, sonst würde ich erst vor wenigen Stunden Anlaß gefunden haben, mich an Ihnen zu rächen. – Ob das gleich meine Sache nicht ist. –

Ich.

Sich an mir zu rächen? – – Laßen sie mich doch den Anlaß hören; verschobene Rache ist oft gefährlicher, als die Rache selbst. –

Holbaur.

Der Anlaß ist ganz natürlich. Sie unterhalten eine Bekanntschaft mit dem jungen G.... Seine Aeltern und Verwandten sind dagegen, und suchten dieses und jenes, von mir zu erfahren, weil sie wißen, daß ich Sie zuweilen besuche. – –

Ich.

Und warum haben Sie denn das, Dieses und Jenes, nicht erzählt, wenn sie etwas von Diesem und Jenem wißen? –

Holbaur.

Gott bewahre mich, daß ich ihre Freuden stören sollte! – Der junge G... ist ein guter Junge, ob er gleich zuweilen ein Bischen braußt! –

Ich.

Das mag Sie wohl von fernern Plaudereien abhalten, denn sie wißen doch recht gut, daß sich G... nicht auf der Nase tanzen läßt. –

[50] Holbaur.

O, er war immer mein Freund, und erst heute sprachen wir beide von Ihnen mit der wärmsten Entzükkung. –


(Hier fiel mir die Unterredung ein, die Du einstens mit ihm hattest, als er Dich von mir abwendig zu machen suchte. Und ich hätte den satanischen Lügner gerne bei dieser Heuchelei zum Zimmer hinaus geworfen; aber die Politik hieß mich schweigen. – Sonst stekt sich die Kanaille noch hinter Schark und schmiedet neue Kabalen. –)

Ich.

Daß mein Freund G.... mir gut ist, weis ich, ob aber Sie es so gut mit mir meinen, ist eine andere Frage? –

Holbaur.

O wüßten Sie....

Ich.

Stille mein Herr, ich höre draußen rufen! –

(Hier trat nun gerade mein Mädchen ins Zimmer.)


Siehst Du Friz, nun ist es deutlich und klar, der Bube hat Absichten auf mich. – O dürfte ich ihm doch das nächstemal die Thüre weisen! – Aber denn verfolgt er uns noch ärger, besonders izt, da er schon beinahe von unserer Liebe überzeugt ist. –

Ich kann den zudringlichen Kerl auch gar nicht mit Spott vom Halse bringen, er fühlt keine Grobheit, kümmert sich um nichts, am wenigsten um finstere mürrische Gesichter. O es ist eine abscheuliche Sache um einen Mann ohne Ehrengefühl! – Deine beste

Nina. [51]

25. Brief

XXV. Brief

Friz, laß mich auf der Stelle wißen, wo Du heute mit Deinem Freund hingegangen bist? – Ich sah euch beide nicht über die Brükke gehen, und es war mir nicht wohl bei der Sache. Augenbliklich fuhr mir allerlei durch den Kopf, bis mich Röschen versicherte, sie hätte Dich in dein Haus sehen gehen. – Dann wurde ich wieder etwas ruhiger. –

Bei allem dem bin ich heute so guter Laune; sieh Liebchen, wenn ich Dich da hätte, ich erdrükte Dich mit lauter Küßen! – Du bist doch ein allerliebster Junge! – Ein Engel, ein Liebling, ein vortreffliches Wesen, das mich lebendig zur Seligkeit hinreißt! – – Nimm hin diesen Kuß auf die Rechnung der reinsten feurigsten Liebe. –

Du glaubst also, ich soll gegen Holbaur nicht zu rasch handeln? – Ist das nicht eine elende Welt, in der man dem Laster noch gute Worte geben muß, damit es uns nicht ganz zu Grunde richtet! – – Bei Gott, Friz, ohne Deine Schadloshaltung möchte ich in dieser elenden Welt nicht mehr länger leben! – In einer Welt, wo der Schurke einen Freiheitsbrief trägt zur Bosheit! – Mache, daß wir bald vereinigt werden, damit ich nicht mehr Ursach habe, mir vor dergleichen Leuten Zwang anzuthun. So viel von Deiner guten

Nina. [52]

26. Brief

XXVI. Brief

Nachts um halb 12 Uhr.


Schon so spät, und doch würde ich mich haßen, wenn ich, ohne Dir einen Kuß aufzudrükken zu Bette gehen könnte. Izt sollst Du auch hören, was ich heute diesen schröklich langen Tag alles machte. –

Ungefähr um vier Uhr gieng ich zu meiner lieben Freundinn Sch...! Daß sie mich mit Freuden empfieng, weist Du ohnehin. – – Ich traf, wenn ich mich nicht irre, im Dahingehen Deine Schwester, wenigstens war es ein Mädchen mit großen schwarzen Augen, gerade so wie die Deinigen.

Um sieben Uhr mußte ich wieder zu Hause, weil ich Schark versprochen hatte, mit ihm spazieren zu gehen. Aber vorher drang die Freundinn Sch... schon in mich, mit ihm zurük zukehren, und bei ihr zu speisen. –

Mit welcher Laune ich spazieren gieng, wirst Du leicht errathen, Ja und Nein, war alles, was Schark aus meinem Mund hörte. – Und während dieser eintönigen Unterhaltung kehrten wir wieder zur Freundinn zurük. Beim Nachtessen unterhielt ich mich recht artig. Schark brummte im Zuhausegehen nach seiner gewöhnlichen Art, weil es dem verzärtelten Grobian zu saur wurde, mich nach Hause zu begleiten. Du lieber Himmel nur bald rette mich von diesem Geschöpf! – –

Aber nun Liebchen, schläfst Du vielleicht recht sanft, träumst von mir, und bist zufrieden, selig! – O ich kenne Dich aller Welt Schwärmer, ich kenne Dich, warte nur Du Erzküßer! – Warte nur! – Ich möchte izt in dieser Stimmung recht gerne zu Dir eilen. Aber es ist ohnmöglich, [53] es ist ohnmöglich! – O könnte Dich mein klopfender Busen aufwekken, könnte Dir mein vor Liebe wallendes Herz beweisen, wie feurig ich Dich liebe! –

Alles ist so feierlich still, kein Neid würde mich izt belauschen; wenn ich doch allmächtig wäre, und nur auf wenige Minuten zu Dir hinschleichen könnte! – Nu, das heiß ich träumen, das heiß ich umsonst fantasieren! – –

Auch habe ich heute wieder den halben Tag durch, doch ohne Dich zu nennen, bei der Sch... von Dir gesprochen. – Was das liebe Weib Dir gut ist! – Die Geister harmonieren, schrie sie voll Entzükken über meine Schilderung von Deinem Karakter. – O was das wieder meiner Leidenschaft schmeichelte! – Und doch war meine Schilderung nur ein Schatten gegen der Liebe meines besten Frizens. –

Nun kömmt der Schlaf bei mir angestiegen, ich muß ihm wohl nachgeben. –

Ruhe sanft, theurer, beßter Gatte, ruhe sanft, mit dem Andenken Deiner besten

Nina.

27. Brief

XXVII. Brief

Bald zehen Uhr, und zurük bin ich vom Spaziergang mit Schark. Der wakere Mann will mich dieser Tagen auf den hohen Kirchthurm führen, um mir die schöne Aussicht in die ruhige Ewigkeit zu zeigen! – Friz! – – Darf ich, wie eine gewiße Fanny, einen muthigen Sprung wagen? – Darf ich? – – Noch mehrere solche unglükliche Tage, wie der heutige, und ... Gott verzeih mir's, es wäre Zeit! – Weißt Du auch Lieber, daß ich Dich heute gar nicht mehr kannte? – Weißt Du auch, daß Du [54] heute Deinem Karakter widersprachst, und mich beinahe zu Boden drüktest! – – Ich will Dir keine Vorwürfe über Dein Betragen machen, es wäre Unsinn. –

Aber bitten will ich Dich, bald wieder mein guter, lieber, herrlich denkender Friz zu werden. Gott! – Was Du mir heute zum erstenmale fürchterlich vorkamst, was ich seit Deiner Bekanntschaft zum erstenmale den Augenblik verwünschte, wo ich Dir so ganz voll Zutrauen meine Schwachheiten zeigte; sag Liebchen, warum warst Du so wild, so widersprechend? – Dachte ich doch, Liebe könnte selbst den Wollüstling bändigen, und Dich, Sohn der Tugend, sollte Liebe nicht sanfter machen können? – – O warum bin ich auch so eine Elende, die vielleicht Deine Schonung nicht verdient! – Warum besizzest Du unbezähmbare Leidenschaften? – – Ich sehe mein Unglük zum voraus! – Ich werde Dich nach mehrern solchen Auftritten blos für sinnlich, und Du wirst mich für lieblos halten. Ha! – Die Männer sind doch gar zu ungerecht gegen ein liebendes Weib, die vor dem Augenblik der engsten Verbindung, ohne öffentliche Bande eben so schröklich zittert, als sie ihm mit stiller furchtsamer Zärtlichkeit ausweicht! – –

O Friz! – Was soll ich thun um Dich zu beruhigen und mir dabei den schröklichsten Gram zu ersparen? – Es ist wahr, ich bin eine Undankbare, ich bin eine Sträfliche, die Dich unwillkührlich reizt! – Aber um Gotteswillen kann ich dafür? – Kann ich meine Grundsäzze zu Dem bewegen, was Dich martert? Du bist von meiner Liebe überzeugt, aber sey auch gerecht, höre nicht blos auf die Stimme Deiner Triebe, laß Dein gutes Herz für ein Geschöpf sprechen, die Dich weder aus Eitelkeit, noch aus Eigennuz quälet. Sey gut, Friz, sey liebevoll, sey sanft, sey vorsichtig, bringe mich nicht zur äußersten [55] Schwachheit! – Sonst .... O Gott! – Ich werde es nicht können, sonst muß ich Dir kälter begegnen, dann hört jenes Vertrauen der Tugend, jenes brüderliche Wohlwollen unter uns auf, und zügellose Unruhen, nagende Begierden, schleichen sich an ihre Stelle, so bald wir in die Arme der Weichlichkeit sinken! –

Du hast mich heute Abend sehr viele Thränen gekostet! – – Ich machte mir selbst Vorwürfe, Dich je zur Liebe gereizt zu haben, es geschah wider meinen Willen, aber ich glaubte Dich mehr Mann, ich glaubte Dich blos feuriger, wünschender Gatte, der unsere nähere Vereinigung von der Zukunft erwarten würde, und izt schon bist Du unzufriedner, mürrischer Liebhaber. – Gott schikke Dir heute Linderung Deines Kampfes, und mir Thränen, mein Elend, meinen Jammer auszuseufzen! – –

Armer Junge, wie wirst Du erschrekken, wenn Du in diesem Brief die leibhaften Züge Deiner schwermüthigen Nina liesest! – Schlaf wohl, der Himmel schenke Dir Gnade, Du verdienst sie beßer als ich! – O gewiß! – O gewiß! – Denn ich bin ... O ich mags nicht sagen ... Vorwürfe nagen an meiner Seele! – Deine arme

Nina.

28. Brief

XXVIII. Brief

Theurer, guter Friz! – daß ich über Deinen Zustand sehr unruhig bin, wirst Du mir vielleicht nicht so leicht glauben, weil Du mich als die Quelle Deiner Leiden betrachtest. Laß mich um alles in der Welt wißen, ob Du beßer bist, und ob ich Dich auf den Abend sehen werde? – Im widrigen Falle laufe ich schnurstraks in Dein Haus, und wenn mich auch Deine Verwandten lieblos zurükwiesen, [56] gleich viel! – Was kümmert mich ihre Grausamkeit. Du bist mehr werth, als das, was ich in hundert Jahren an meinen Augen abweinen könnte! –

Heute Abend scheint uns zwar ein Gewitter zu drohen, der Himmel sieht gerade so übellaunigt aus, wie Deine Nina; Auch sollte mich der Ausguß der Elemente nicht abschrekken, wenn ich an Deinem Busen schlummere, und Dein Herz wieder ruhiger schlagen höre! – – – – –

Zu allem bin ich bereit, was Du für gut findest, um uns heute noch zu sehen. – Wenn Du kein Feiger bist, der vor dem Geklatsch Deiner Verwandten zittert, so siehst Du mich heute, oder Deine Krankheit ist erdichtet.

Heiliger Gott! – Was ich da für Unsinn plaudere. – – – Laß mich um Gottes willen wißen, ob Du beßer bist? – Nun so bin ich denn zum immerwährenden Kummer geboren! –

Gerade jezt erhalte ich Dein zweites Billet. – Friz, vermag meine Liebe nicht Dich zu beruhigen? – Wenn Du denn durchaus nicht kommen kannst, so schreib mir bis halb drei Uhr, wie es um Dich steht? – Komm lieber nicht, als daß Du wieder so unendlich leiden solltest, so rasend unmenschlich hätte ich doch die Deinigen nicht geglaubt! – Und mir drohen? – Die Elenden! – Mir? – Ha! Kommt nur ich will euch empfangen! – Ihr sollt die Wuth eines liebenden Weibs kennen lernen! – – Zittern sollt ihr, oder weichen! – Eigennuz, – – Verdammtes, höllisches Laster, Du schufst Barbarei in des Menschen Gehirn!!! – –

Verkuppeln wollen sie Dich also? An wen denn? – Warum nennst Du mir die glükliche Prinzeßin nicht, der Du Falschheit auftischen solltest, weil Dein Herz mein gehört! – Merk Dir's Jüngling, es gehört mein, und sollte ich seinen Besiz durch Blut erringen! Mögen dann die Dummköpfe über meine Heftigkeit lachen, das kümmert mich nicht! – Ich halte mich in der Liebe an Mutter Natur, sie schuf unser [57] Herzen ohne politische Neben-Absicht, blos zur Liebe, und ich will ihre Rechte so lange vertheidigen, bis Menschen-Bosheit meine Kräften durch Gewaltthätigkeit schändet!!! –

Aber dazu werden es doch Deine Verwandten nicht bringen, der Monarch hat Ohren, und ich habe Muth und Entschloßenheit ihm Dinge zu entdekken, die er als Mensch vertheidigen muß! –

Narren sind das, kalte Narren, die Hinderniße in der Liebe nicht zu übersteigen wißen. –

Ich wundere mich nicht über das Gespötte, das sie über die Beharrlichkeit meiner stolzen Seele treiben werden, ich wundere mich nicht, daß sie Standhaftigkeit und große Leidenschaften für überspannte Thorheit halten. Wie kann ihr Schnekken-Blut in eine edle feurige Wallung kommen, um männliche Vestigkeit zu begreifen? –

Glaube sicher Friz, wer über unsere Geschichte lacht, wer sie für unbegreiflich hält, der ist gewiß in der Liebe keiner Beharrlichkeit fähig! – Helden haben ihr enthusiastisches Feuer, Patrioten ihren wahren Eifer, biedere Bürger feste Treue, und warum sollten Wahrhaftliebende keine Beharrlichkeit haben? – – Vorausgesezt, daß sie überzeugt sind, ohne Neben-Absicht zu lieben, so bald sie untersucht haben, ob es nicht blos jugendliche Uebereilung ist, worunter feurige Sehnsucht nach Genuß stekt, so bald sie wißen, daß die Natur sie an einander kettete, so bald sie bei gegenseitiger Untersuchung einer reinen Kritik fähig sind; – Kurz, so bald zwei Köpfe zusammen kommen, denen es nicht an Menschenkenntniß fehlt, die lange vorher unter freundschaftlicher Beobachtung die gegenseitige Gemüthsart untersuchten. – – Warum sollten solche Menschen nicht dem Vorurtheil trozzen können? – Blinde Liebe, die blos Eigensinn, Wollust, kindische Uebereilung, oder Empfindelei zu ihrem Grunde hat, artet leicht in ausschweifende Romanen-Züge aus, aber geprüfte [58] Vereinigung zweier denkenden Köpfe muß sich nicht stören laßen, wenn es der Dummheit einfällt, Bande zu zerreißen, die nicht aus Uebereilung geknüpft sind. –

Daß die unbesonnene Jugend bei Hindernißen in der Liebe nur zu oft eigensinnige, unvernünftige Streiche macht, will ich Deinen Verwandten gerne glauben. – Aber so etwas thun doch nur meistens Alltags-Köpfe, die ihr Ideal aus einem Roman entlehnten, und von ihren lüsternen Sinnen bei dem ersten Anblik des geliebten Gegenstandes schon so berauscht werden, daß in ihnen keine moralische Besorgniß mehr wegen der Harmonie des Karakters aufsteigt. – Dann bereuen solche junge Leute bei ungestörter Freiheit meistens ihre Wahl. – Bei uns ist aber das der Fall nicht, wir brauchen weder Schulmeister, noch Gouvernante, um unsern harmonischen Karakter untersuchen zu laßen. – Aus Erfahrung sind wir überzeugt, daß wir für einander taugen, kennen unsere Leidenschaften, empfinden wechselsweise die Güte unserer Herzen, rechnen nicht auf Nebenabsichten, und weh dem, der uns je trennen soll! – – So denkt Deine

Nina.

29. Brief

XXIX. Brief

Daß doch der Schurke Holbaur mir alle Schlangenbiße des Schiksals zuerst mit vermertem Gifte hinterbringen muß! – – –

Um Gottes Barmherzigkeit willen Du bist eingesperrt, und schreibst es mir nicht! – – Warte gutherziger Lügner, Du sollst mir dafür büßen! – Schon war ich im Begriff in Dein Haus zu stürzen, und mit einem Mord-Gewehr mir den Weg dazu zu bahnen! – Wenn mich der sorgfältige Heuchler Holbaur und mein Mädchen nicht davon abgehalten hätten. – –

[59] Jezt bewacht mich Röschen und erlaubt mir kaum an Dich zu schreiben, weil sie Wahnsinn befürchtet. – Als ich von dieser Nachricht ausgetobt hatte, kam Schark und fand mich noch sinnlos! – Vermuthlich hat ihm Röschen eine andre Ursache vorgesagt, denn er gieng wieder fort, ohne sich viel um mich zu bekümmern, dabei that er aber auch sehr wohl, denn sein Anblik würde mich noch kränker machen.

Höre nun meine Unterredung mit Holbaur und urtheile von meinem damaligen Zustande. –


Holbaur.

(in sehr guter Laune.)

Guten Morgen schönes Weibchen! – Guten Morgen! – Warum so finster? – –

Ich.

(In sehr übler Laune.)

Damit Sie etwas zu fragen haben. –

Holbaur.

Glauben Sie, daß ich sonst keine Beschäftigung habe, als mich für mein gutes Herz hudeln zu laßen?

Ich.

Wenn Ihnen eine andere Beschäftigung mehr Vergnügen gemacht hätte, so wären Sie gewiß von mir weg geblieben. – Ihr gutes Herz kömmt mir gerade so vor, wie ein wurmichtes angefülltes Stük Fleisch, das einem Unglüklichen in der äußersten Noth zum Lekker-Bißen aufgedrungen wird. – –


Holbaur.

Sie sind doch heute gräßlich verstimmt! – Wißen Sie es etwa schon? – –

Ich.

Was soll ich wißen? – Was? – Sollten meine angstvollen Ahndungen. – – –

Holbaur.

Sie sollen hören, was mit ihrem G... vorgeht. – Aber ich kenne ihre Hizze, und will lieber schweigen. –


[60] Ich.

Herr, Sie sind ein Abgesandter der Hölle! – Wenn Sie mich noch länger peinigen! – – Doch was brauche ich auch bei Ihnen um Nachricht zu betteln (aufspringend) Frizens Wohnung ist ja nicht ferne. – – –


(Hier lief ich zur Thüre, aber der Bube hielt mich zurük.)


Holbaur.

Gelaßen Madame! – Und mir keine ferneren Vorwürfe, oder Schark erfährt ihr ganzes Betragen! –


(Jezt fuhr mir Schauder durch den ganzen Leib, und die Furcht einer neuen Kabale machte mich zittern! –)


Ich.

(mit verbißnem Grame) Nun so reden Sie doch endlich, oder die Geschichte nimmt ein gräßliches Ende! –


Holbaur.

Sie haben sehr übel gethan, mich nicht zu ihrem beiderseitigen Vertrauten zu machen. – Doch zur Sache. – Freund G... sollte eine reiche Wechslers Tochter heirathen, und als er sich widersezte, sperrten ihn seine Eltern ein. –


Ich.

Jesus Maria! – Mein Friz eingekerkert! – Mein Friz, wie ein Mißethäter gefangen! – Und das wegen mir! – Gott! – – (häufig rollten hier meine Thränen.)


Holbaur.

Also auch so verliebt wie er? – – Ei! – Ei! – –

Ich.

Ja Plagteufel! – Ja! – Und damit Du siehst, daß ich Dich, und Deinesgleichen nicht fürchte ... (Ich wollte mich von Ihm loswinden, aber er war stärker.)


Holbaur.

Gelaßen Weib! – Oder Schark....

Ich.

Ha! – ha! – wie mir der eigennitzige Satan Moral predigt! – – Laß mich Kerl! laß mich! ....


[61] Mein lautes Geschrei brachte die Hausleute und mein Mädchen ins Zimmer, der Heuchler gab mich für wahnsinnig aus, man bemächtigte sich meiner, ich sank in Ohnmacht, und als ich erwachte, war mein erstes Wort Friz! – Um Gotteswillen gebt mir meinen Friz!!! –

Mein Röschen hatte vom Doktor den Auftrag, mir sehr gelinde zu begegnen, das arme Mädchen zitterte, weil ein neuer Anfall sich meiner Sinnen bemeisterte! – – Ich bin jezt zum fernern Schreiben zu matt, ich kann Dir also blos noch sagen, Friz, um Deiner Nina willen sey standhaft, laß Dich nicht beugen! – Wenn Du anders meine Seligkeit nicht verscherzen willst!!! – Deine ewig, ewig

treue Nina.

30. Brief

XXX. Brief

Haben Sie Dich endlich wieder losgelaßen Deine tigermäßigen Eltern? – Es war auch hohe Zeit, sonst hätten Sie ihre Tirannei zu spät bereuen können! – Daß man doch das Gefühl gewißer thierischer unbeseelter Menschen blos mit Gewaltthätigkeit erweichen kann? – – Ich möchte das Gesicht Deiner Mutter gesehen haben, als Du vor ihren Augen Deine Terzerolen laden wolltest. – –

Nicht wahr, Du wolltest Pillen einnehmen, um Dich einer Tieger-Welt zu entreißen, wo Eigennuz und Ehrgeiz Deine Mörder ohnehin geworden wären.

Sey versichert, ich würde Dir gefolgt seyn wenn mir auch meine weibische Zagheit den Muth zu dieser selbstmörderischen Reise versagt hätte, so würde doch die Krankheit, die ich mir auf den Hals zog, gewiß meine Retterinn geworden seyn, der Gram hat im Elende auch seine süße Hofnungen. –

[62] Noch glaubt mich der Doktor nicht aus der Gefahr, weil von Zeit zu Zeit Konvulsionen und Blutsturz zurükkehren. Ohne meine äußerst starke Natur hättest Du Deine Nina schon nicht mehr. Eile heute so geschwind als Du kannst, zu mir, auch jezt muß ich wieder vom Schreiben wegeilen, sonst lermt der Doktor, weil er mir ausdrüklich jede Nerven-Anstrengung verboten hat, komme, Deine Nina erwartet Dich. – –

31. Brief

XXXI. Brief

Daß Du mich so lange nicht besuchen darfst, will mir gar nicht behagen, um so weniger, da meine Gesundheit fast wieder hergestellt ist – Indeßen will ich mir auch das auf einige Zeit gefallen laßen, aber nur auf einige Zeit, wenn es Dir Ruhe schafft, ob es gleichwohl die gräßlichste Marter ist, von Dir entfernt seufzen zu müßen! – Dies Leben muß sich bald ändern, oder bei Gott, ich schreie es auf dem öffentlichen Markt aus, daß Du mein gehörst, und daß ich Dich in Ewigkeit nicht laße!!! – Wenn das Volk diese Neuigkeit genug gehört hat, dann wird es aus Gewohnheit müde werden, davon zu plaudern, selbst Deine Verwandten werden die Unmöglichkeit einer Trennung einsehen, und schweigen! – Verschone mich doch mit Deiner kalten raisonnierenden Moral, Du kennst ja doch Deine feurige

Nina. [63]

32. Brief

XXXII. Brief

Lieber theurer Friz, es ist doch gut, daß die Drangsalen in der Welt auch wieder mit Ruhe abwechseln, wenn sie zu sehr an Schmerz gränzen. – Ich schlief heute Nacht herrlich, und meine Gesundheit ist nun auch wieder völlig hergestellt. –

Hat Dir Dein Freund K... nichts gesagt? – Er und Röschen haben mir gestern die Langeweile vertrieben, ich quälte ihn ziemlich, er mußte mir immer von Dir erzählen, und sagte mir doch nie genug.

Morgen kommst Du erst um halb drei Uhr, ich sage Dir dann mündlich die Ursache, aber ja nicht später. Wie war es Dir denn gestern? – – Ich hätte Dich bald durch Deinen Freund holen laßen, wenn ich nicht neue Verdrießlichkeiten besorgt hätte, auch gieng Schark lange nicht vom Zimmer, Herr Jesus! – Was er mich mit seiner augenbliklichen Schwärmerei in Verlegenheit sezte! – Sie kam mir so unvermuthet. – – Gott was ist dies für ein widersprechendes Geschöpf! –

Mich dünkt, er ahndet den Verlust meiner Liebe und weis sich dabei nicht zu helfen. Das heißt wohl ein elendes wankendes Gefühl, wenn man etwas eben so leicht vergöttert, als es leichtsinnig beleidigt. – Doch genug hievon; so etwas ist nicht für Deine Ohren. Ich will Dir lieber sagen, daß ich Dich mit der wärmsten Zärtlichkeit liebe, daß unsere kleine Trennung beim ersten Wiedersehen soll eingebracht werden, so viel für heute von Deiner besten

Nina. [64]

33. Brief

XXXIII. Brief

Tausend Küße zum guten Morgen Herzliebchen? – Du hast gewiß gut geschlafen? – Wer könnte nach so seligen ungestörten Stunden daran zweifeln? – –

Ja wohl waren wir ungestört, ungesehen von unsern Feinden, glüklich in der frohen Heimath der Natur, unter der Aufsicht eines Schöpfers, der uns liebt, und den wir wieder lieben! –

Siehst Du Friz, wenn sich zween Menschen mit einem Herzen, und mit hellem Kopf treffen, so kann ihnen die Unterhaltung nie ausgehen. – Für uns sollten die Stunden immer länger dauern, als für andere Leute, weil wir uns so vieles zu sagen wißen. Unter tausend Paar Liebenden drükt gewiß neun und neunzig Paar die Langeweile, wenn sie sich so oft sehen, wie wir uns sehen. Aber wir ... O du lieber Himmel, wir sind unersättlich im Wunsch der ewigen Daur unsers Umgangs. Was Du mich gestern wieder so brav unterhieltest, mit welcher Engels-Güte Du das Bild des unglüklichen Scharks entwarfst! –

O Friz, es kann Dich nicht kränken, ich gestehe Dir, ich habe bis zwölf Uhr darüber nachgedacht, und konnte dem Elenden eine Thräne nicht versagen, der wie ein Knecht seiner Leidenschaften dem nahen Abgrund zuläuft! – Gott! – Warum muß denn gerade ich mit einem weichen empfänglichen Herzen so etwas erleben? – Ich bin gestern äußerst schwermüthig darüber geworden, und doch geht Deine Ruhe, und meine Gesundheit vor! – Ich darf dieser Schwermuth nicht nachhängen, weil ich ihn ohnehin nicht retten, nicht beßern kann, ohne mich selbst zu stürzen. – –

Friz! – Lieber gutherziger Friz, bedaure ihn, Du bist ja gewohnt edel und brüderlich gegen Verirrte zu[65] handeln. – – Und nun kein Wörtchen von dem mehr.

Hast Du Freund K... heute noch nicht gesehen? – – Haben Deine Eltern nichts gesagt? – – Hast Du meine Briefe gut aufgehoben? – Bring doch immer den Schlüßel mit, wenn Du zu mir kömmst, sonst könnte es wieder neuen Lerm absezzen, wenn Du den Schrank offen ließest und man meine Briefe fände. – –

Deine beste Nina.

34. Brief

XXXIV. Brief

Holder, guter, sanfter Friz! – Gerade zehn Uhr, und ich bin sehr ärgerlich, weil mir Schark wieder nicht von der Seite weichen wollte. – – –

Nun will ich Dir aber mit inniger Wärme gute Nacht wünschen und Dich bitten, morgen so früh als möglich zu kommen. – Noch eins! Freund K... war heute bei mir, und klagte über Deine Späßchen, die Du immer mit ihm treibst, nekke ihn doch nicht so unbarmherzig den guten Jungen, oder wenn Du ihn nicht in Ruhe läst, satirisiere ich Dich dafür. – Wir sprachen lange von Dir, frage ihn einmal, wie ich wieder schwärmte? – Jezt schläfst Du gewiß schon, Du Liebling meines Herzens! – Ruhe sanft von den Küßen Deiner lieben Nina eingewiegt, zwar nur noch ein Traum, aber doch ist es süß so etwas zu fühlen und zu träumen! – Gute Nacht Trauter! –

Nina. [66]

35. Brief

XXXV. Brief

Zwölf Uhr vorbei, aber im Bette es aushalten, das kann ich nicht! – Ich las den Aufsatz Deiner Philosophie, sprang aus dem Bette, riß dies Briefchen auf, und muß Dir, herrlicher Junge, sagen, was ich fühle! – So viel ist gewiß, daß ich bei Durchlesung dieses Aufsazzes laut weinte, die Hände gegen den Himmel rang, und den Allmächtigen mit Innbrunst um Deinen Besiz anflehte! – Gott! – Was bist Du für ein Engel, der blos kommen mußte, um durch Deine erhabenen Begriffe von Gott mir Beruhigung zu geben. – Du bist also mein Führer, mein Tröster, mein Freund, mein Gatte, mein Lehrer, faße diese Wonne, wer da will, ich kann sie nicht faßen? – Ich bin zu voll, zu unerschöpflich von dem Bild einer glüklichen Zukunft angefüllt! – O Friz, und das alles schriebst Du, das alles empfandest Du? – –

Theurer Jüngling! – Deine reine erhabne Seele fliegt weit über die meinige hinaus in den geläuterten Begriffen von menschlicher Bestimmung! – Ich bin durch das Schiksal verstimmt worden, gutes fühlendes Herz liegt in mir, aber keine völlige Aufklärung der Begriffen, die mich im Leiden hinlänglich beruhigen könnten. – Sieh, ich bin so aufrichtig, daß ich selbst vor Gott nicht aufrichtiger seyn könnte, aber wer auch an Deiner Seite nicht ganz Christ wird, der ist gewiß für immer verloren! –

Laß mich, Beßter, an Deinem Busen Thränen der Wehmuth weinen! – Daß ich Dich so lange entbehren mußte, daß Du erst jezt kamst, um meine Seele zu stärken zu jener Ergebenheit, die in Deinen Armen mich einst ruhig wird hinschlummern laßen ins andere Leben! – Heute kann ich [67] gewis wieder nicht schlafen! – Daß Du auch so viel Gutes an Dir haben must, um mich zum entzükkenden Taumel hinzureißen. O Du Holder, Trauter mit Deiner reizenden Seele! – Ich küße Dich hier vor Gott! – – Nina ewig die Deinige.

36. Brief

XXXVI. Brief

Mein Beßter!

Werde nicht stolz, junger Herr, wenn ein unbesonnenes schamloses schlecht erzogenes Gänschen so beherzt um Deinen Besiz buhlt! – Bald wird es um Dich eine blutige Fehde absezzen, wenn ihr mein Brief den Muth nicht abgekühlt hat, mir fernere Grobheiten zu schreiben. – Lies Beilage nebst der Antwort und lache! – – –


Madame! 1

Ich kann nicht unterlaßen Ihnen zu sagen, daß ich Ihnen über die Verführung meines Bräutigams herzlich feind bin! – Sie wenden alles an, meinen Friz immer mehr und mehr an Sie zu lokken, und das ist für ein honnettes Frauenzimmer (wie Sie seyn wollen) gar nicht räsonnabel. – Dann der junge Mann wird mir, und nicht Ihnen zu Theil werden, seine Eltern haben es den meinigen heilig versprochen. – Nebst allem dem bin ich reich und schön, das sind gewiß Qualitäten, die Sie nicht besizzen, – und von ihrer bloßen Vernunft werden Sie gewiß schmale Bischen zu eßen bekommen, besonders wenn Sie fortfahren, aus den vermaledeiten gelben [68] Blättern zu studieren, dann werden Sie ohnehin kein Glük noch Segen erhalten. – Auch sagte man mir, Sie wären um einige Jahre älter, als Frize, und hätten viele Blatter-Narben im Gesichte, sehen Sie also, daß Sie mir lange nicht an die Seite stehen dürfen. – Ich weiß recht gut, was recht und billig ist, und ich sage Ihnen, Sie werden am Ende bei der Historie doch den Kürzern ziehen. –

Folglich wollte ich Ihnen meine stolze Madame wohl rathen, den jungen Menschen nicht ferner zu verführen, oder Sie sollen sehen, wie weit es unsere adeliche Familie treiben kann! – Sie müßen jezt Friz als meinen versprochnen Bräutigam betrachten, und Ihnen keine fernere Hofnung machen, das sagt Ihnen ....

Eleonora von .....


Antwort.


Mademoiselle! – –

So mannsüchtig, unbesonnen, pöbelhaft Ihr Brief auch immer ist, so will ich mir doch die Mühe nehmen, ihn zu beantworten, und noch dazu Saz für Saz. –

1.) Wie kann ich Ihnen einen Bräutigam verführen, wenn Sie noch keinen besizzen? – – Ist Ihnen aber mit einem Wesen gedient, das weder Herz noch Neigung für Sie fühlt, je nun, dann rathe ich Ihnen sich statt Ihren Bräutigam eine leblose Statue zu kaufen, denn Friz hat gar nicht Lust sich auf solche Art verhandeln zu laßen. – – –

2.) Muß ich Ihnen schwören, daß es mich nicht die geringste Mühe kostete, Friz an mich zu lokken, er kömmt von selbst gerne, weil er mich liebt. – Einen Liebhaber, der mich freiwillig besucht, empfangen, ist gewiß ehrbarer, als ihm nachlaufen, oder sich ihm durch Briefe aufdringen.

[69] 3.) Ob der junge Mann Ihnen oder mir zu Theil wird, ist gar keine Frage mehr, denn jedes Geschöpf wird frei geboren, und darf sich eine Gattinn nach eignem Willen wählen, Eltern haben hierinnen nichts zu befehlen. –

4.) Daß Sie reich und schön sind, ist ein Ungefehr, und in den Augen eines Denkers eine pralende Bettelei, die nur zu leicht die Glükseligkeit einer Ehe stören kann. Der sich selbst fühlende Mann heirathet lieber ein edeldenkendes Mädchen, als eine vergoldete Schönheit, die ihm in der Ehe durch ewigen Vorwurf seine Tage trüben könnte.

5.) Wenn ich Vernunft besizze, so soll Sie für mich ein ewiges Kapital bleiben, das mich mit Beihülfe eines Gatten für Mangel schüzzen wird. – Ob ich denn an seinem liebevollen Busen bürgerlich oder adelich leben werde, können nur Dummköpfe ahnden, die an Ueberfluß gewöhnt sind. –

6.) Mademoiselle müßen sehr wenig gelesen haben, daß Sie das Wort Belles-Lettres nicht auszusprechen wißen. Ich empfehle Ihnen einige gutgewählte Bücher von dieser Gattung, damit Sie aufhören, aus Vorurtheil Ihre Nebenmenschen zu verdammen.

7.) Daß ich um einige Jahre älter bin, als Friz, und Blatter-Narben im Gesicht trage, ist ganz wahr. – Aber dem ohngeachtet kann ich Sie versichern, daß ich diese Kleinigkeit noch nie an meines Frizzens Küßen bemerkte, sie waren immer so feurig, so begeistert, als sie es je an der Seite eines ganz schönen Mädchens seyn könnten.

8.) Sie müßen doch nicht wißen, was recht und billig ist, sonst würden Sie selbst sehen, daß gerade diejenigen Mädchen den Kürzern ziehen, die sich selbst beim andern Geschlecht wegwerfen und blos geben. – – Pfui! – Bei so etwas laufen ja die Manns-Leute schon von weitem! –

9.) Bleibt der junge Mensch immer und ewig das Eigenthum der stolzen Madame, und wenn sich ihre adeliche [70] Familie auf den Kopf stellte! – Folglich kam ihr Rath bei mir zu spät. – –

10.) Ist Friz eben so wenig Ihr versprochner Bräutigam, als Sie je durch ihre Denkungsart einen andern erhalten werden, wenigstens keinen, der denkt. Frazzen von Ihrer Gattung muß man bedauren, das sagt Ihnen....

Nina von ....

ja, ja, auch – von,

wenn dies Wörtchen so

viel zur Sache thut. –


Soll mich doch wundern, was das schnippische eitle Kreatürchen von meinem Brief sagt? – – Ei daß Dich! – So muß ich Dich denn völlig erkämpfen? – – –

Warte nur, aufgeblasner Junge, vielleicht kömmt auch noch die kämpfende Reihe an Dich. –

Das Mädchen würde doch nicht uneben für Deinen Brausekopf taugen, wenigstens liefe er nicht Gefahr unthätig zu werden. – Ihr Hochmuth und ihre Eitelkeit würde ihm schon zu schaffen geben. – Hu! – Hu! – Da gäbe es ein abscheuliches Leben unter euch zweien! – – Immer spötteln, und nichts als spötteln, wirst Du denken. – Ja warum bekam ich auch so vielen Anlaß zum spotten. – Es würde mir eine flegmatische Sünde scheinen, Dir nicht auch ein bischen Eifersucht merken zu laßen. Eifersucht? – Ha! – ha, ha, hi, hi, zu so etwas gehört ein anderer Gegenstand, als so ein dummes rohes Gänschen. – Nimm hin diesen Kuß von

Deiner

gutlaunigten Nina. [71]

37. Brief

XXXVII. Brief

Abends.


Kann man sich etwas tolleres denken! – Kaum bist Du fort, morgen kömmst Du wieder, und doch sizze ich schon wieder da und schreibe an Dich. – Höre, Friz, wenn das Ding so fort geht, so wird unsere Liebe zum größten Staats-Geschäfte. – Es ist ja fast keine Stunde im Tag, wo wir nicht an einander schreiben, oder verstohlner weise beisammen sizzen, oder andere Leute plagen, daß sie uns wechselseitig von einander erzählen, oder an einander denken, träumen und schwärmen. Ha! – Wahrlich so geht es ja allerliebst! – So unersättlich in der Liebe war ich in meinem ganzen Leben noch nie, bis der niedliche kleine Sprudel-Kopf kam, und Feuer in mein Herzchen warf. – –

Was hältst Du nun vom heutigen Tag? Das war ein rechter Durcheinander von beiderseitigen Launen. – Weist Du auch, daß Du wieder alle Augenblikke auf dem Punkt stundest, Deine gewöhnliche Laune zu bekommen? – Weist Du auch, daß ich Mühe hatte Deine kleinen Wallungen zu dämpfen? – – Du Troz-Kopf! – Du Starr-Kopf! – Du Eigensinniger, Du Brauser, – Du – – – Du – – – – – – – – – – – – –

Friz stund hinter Nina, als Sie die Litanei vergrössern wollte, und stopfte ihr mit einem Duzend überraschenden Mäulchen den Mund. – – –

[72]

38. Brief

XXXVIII. Brief

Guten Morgen Herzens-Mann! – Guten Morgen! Hast Du auf den gestrigen schönen Abend wohl geschlafen? – Ich nicht ... aber doch träumte mir von Deiner Liebe, o sie erschien mir in Engels-Reinheit! – –

So glänzend wie die schöne-Morgensonne, und so voll Trost für künftige Glükseligkeit, daß ihr unmöglich ein Sturz drohen kann. – Du feuriger Biedermann, wie Du gestern Abend so beredt, so innig das Wort nahmst! – Und doch drang mir eine von Deinen Reden etwas ins Herz; studiere doch meine Empfind samkeit beßer. – Es ist wahr, ich beleidige durch grillenhaften Kummer den Beßten auf der Erde, aber wenn man in der Liebe immer ist betrogen worden, und nie, bei Gott, nie betrogen hat, o dann zittert man über den bloßen Schatten! –

Die Treue Deiner Liebe wiegt mich zwar in den entzükkendsten Wonne-Taumel ein, aber desto schröklicher würgt mich dann der Gedanke Deines Verlusts, wenn er gerade zur nämlichen Zeit in mir unwillkührlich aufsteigt. – Trage Geduld mit mir, bald hört dieser Kummer auch auf. – Noch habe ich eine harte Prüfung, Abwesenheit auszustehn, aber dann entweder Tod, oder glüklich, ungestört an Deiner Seite, geschworen sey es!! 1 –

Du stellest Dir meine Abwesenheit immer leichter vor, täusche Dich nicht, Holder, sie ist hart, und sie wird Dich vieles kosten! – Denn jezt sind wir an die lieben göttlichen Stunden unsers Umgangs zu sehr gewöhnt. – Gott gebe Dir mit mir Stärke, und so wollen wir harren bis sie reif wird die Glükseligkeit unserer Vereinigung. – Nun lebe wohl, innig geliebter Friz, das wünscht Dir Deine liebende

Nina. [73]

39. Brief

XXXIX. Brief

Guten Morgen theurer Gatte! – Guten Morgen, nebst einem warmen Mäulchen. Ich habe heute Nacht wieder mein gewöhnliches Schiksal erlebt, folglich gar, auch nicht eine Stunde geschlafen. – Bist Du jezt wieder gelaßner? – Ist Deine kleine gestrige Wildheit vorüber? – – Hast Du keinen Verdruß gehabt? – Alles kümmert mich, was Dich angeht, so bald ich keine Gewißheit davon weiß. –

Gestern Abend war ich recht boshaft, nicht wahr? – Warum hast Du aber auch so mit mir gebraußt? – Du weist doch, daß ich es nicht leiden kann. – Gewöhne Dir es doch ab – oder – ich fange mich wieder an zu schminken, ganz gewiß thue ich es Dir zu Leide, wenn Du Dich nicht beßerst. – Hörst Du! – – –

Uebrigens ist es recht gut, Herzchen, daß wir bald in eine andere Lage kommen, es wird Dich wohl auch, wie mich, recht sehr darnach verlangen. – Ich wenigstens kann diese Abänderung kaum erwarten. – An einem andern Orte können mir doch Deine Verwandten Deinen ahnenmäßigen Adel nicht mehr vorwerffen, auch ihr Reichthum wird mir nicht ferner unter die Nase gerieben werden. – – Kurz das Vorurtheil, das unsere Verbindung bis jezt so unmenschlich hinderte, wird an einem fremden Orte aufhören müßen. – O wäre der Augenblik nur schon da! – Der Zwang ist mir zur Last, er ist mir wieder die Natur, Dir nicht auch? – Denke Dir, wenn Du einstens frei neben mir schwärmen kannst ... nein, ich will diese Wonne lieber nicht vollkommen ausdenken, sonst macht sie mich noch ungedultiger. – Heute sehe ich Dich doch!

Nina. [74]

40. Brief

XL. Brief

Liebe! – liebe Seele! – Ich drükke Dich heute millionenmal feuriger als sonst an mein Herz! – Liebe Dich, wenn es möglich wäre millionenmal heftiger als je! –

Und die Ursache? – Die sollst Du gleich hören. – Der elende überdrüßige Sünder Schark fängt nun an, den rasend Eifersüchtigen zu spielen, unser heutiges Nahebeisammensizzen, als er in's Zimmer trat, muß ihm aufgefallen seyn. – Und dann meine alberne Verlegenheit, als er mich so sehr in's Auge faßte. – –

O um alle Schäzze der Erden ich möchte und könnte keine Heuchlerinn werden! Mein ganzes Wesen kann sich bei der geringsten Kleinigkeit nicht verstellen, alles wird an mir zum Verräther. – Du kennst die Reinheit unserer Liebe, und doch zitterte ich über Scharks Gegenwart, der mich noch dazu schon so oft selbst hintergieng. –

Als Du fort warst, gab er mir einige spöttische Reden, ich nahm sie kalt auf, ob sie mich gleich wohl vor Aerger fast erstikten. – Blos um unsere Liebe nicht noch größerm Unheil auszusezzen, handelte ich klug. – Mit allem möglichen Troz brachte ich den Fühllosen doch nicht vom Halse, weil ihn andere Leidenschaften außer der Liebe an mich feßeln. – –

Doch sey ruhig, Lieber, Einziger, Beßter, sey ruhig, sonst richtest Du mich vollends zu Grunde, Deine Rache kann izt nichts nüzzen, ich will mich bald selbst so rächen, daß er es derbe fühlen soll.

Aber Friz, ich muß bald reisen, hörst Du, bald! – Auch auf Röschen ist er izt argwöhnisch, und die alte Baase scheint ihm beizustimmen. – Also behutsam! – [75] Laß Deine Vertrauten nie ohne Buch zu mir kommen, vertraue Dich keiner fremden Seele an, und komme izt immer frühe, oder Abends etwas später. –

O der Verworfne verdient wohl nicht, daß wir uns um ihn viel kümmern! – Aber blos um den einbilderischen Thoren nicht wütend zu machen, muß ich vorsichtig handeln, sonst bricht er aus Jähzorn los, geht zu Deinen Eltern, und dann haben wir von ihnen wieder neue Verfolgungen zu erwarten.

Gott im Himmel! – Kniefällig will ich Dir danken, wenn Du mir bald aus dieser vielfachen Kabale los hilfst! – – Lieber Friz! wir wollen uns izt noch ein Bischen Mäßigung unseres gerechten Zorns angewöhnen, wir sind es unserer beiderseitigen Gesundheit schuldig. – Wie gerne hätte ich Schark heute das Geständniß meiner Liebe gegen Dich bekannt gemacht, wie gerne hätte ich ihm gesagt: Ja Betrüger, Deine Laster sind izt zu meiner Glükseligkeit gerächt, ich bin es satt mich länger heimlich von Dir tretten zu laßen, ich habe gewählt, und bin glüklich! –

Aber bei diesem feurigen, unvorsichtigen Vorsaz sah ich meinen lieben Friz neben mir stehen, mich zurükhalten, und ich wurde wieder vernünftig. – Nach diesem Auftritt wollte ich ausgehen, aber er verhielt mir die Thüre, endlich gieng er, und das Vögelchen durfte fliegen aus den Händen des Despoten, der sich immer mit meiner Baase vereinigt, um mich zu kränken. –

Nun sizze ich wieder da, küße Dich, schäkkere mit Dir gerade, wie gestern Abends. – Morgen wird es wieder ein langer, langer Tag werden, weil ich Dich nicht sehen kann, willst Du nicht bei der Freundinn Sch... vorbei gehen, damit ich Dich doch von weitem sehen kann? – –

Laß Dich nicht beugen, Liebchen, sieh ich bin recht munter, aber fehlte auch die Gewißheit meiner Rettung, [76] o dann ... dann ... Friz, verzeihe mir, ich wollte etwas Grausames sagen! – Noch muß verborgner Gram in meinem Herzen liegen, aber Du wirst bald wieder Freude in dies blutende Herz bringen, und wäre es auch blos darum, weil mir der Niederträchtige die kleinen Unterstüzzungen, die er mehr meiner Baase gab, als mir, tagtäglich vorwirft.

Ha! – Bei Gott! – Ich möchte über mein Schiksal rasen!!! – O wenn mein Liebchen nicht wäre.... Du allein verscheuchst noch den wilden Gram aus meiner Seele, Du allein giebst mir Stärke zum Dulden. – Du holder Liebling meines Herzens, Du Guter, Vortrefflicher, Bester, Liebenswürdigster, sey ruhig, denn sieh, hier schwöre ich Dir, daß mich die blutigste Maßhandlung um Deinetwillen nicht einmal kränken soll. – Ewig, bey Gott dem Allmächtigen, bin ich Dein! – Dein! – Dein! – Auf ewig Dein Weib! –

41. Brief

XLI. Brief

Endlich wieder einen Tag ohne Dich durchgegrämt! – Blos Dein Andenken, holder Sohn der gütigen Natur, hat mir Muth gegeben, die Gesellschaft eines Menschen zu ertragen, der mich so unendlich unglüklich macht, so lange ich ihn noch um mich dulden muß. –

Ich war heute mit Schark auf dem hohen Kirchthurm, noch hatte ich den Weg nicht halb zurükgelegt, als mir schon der Kopf schwindelte, ich mußte umkehren, ohne seine Höhe erreicht zu haben. Dann schleppte er mich längst einem trüben Teich spazieren, von da giengs zu einer Flasche Wein, und das alles wurde von mir so mechanisch gethan, daß es mich an seiner Stelle schaudern würde, wenn ich [77] ein solches kaltes Mädchen an meiner Seite dulden müßte! – Aber was helfen solche Eindrükke bei einem Karakter, der alles nur augenbliklich fühlt? – Zu meinem Glükke war er heute ein wenig milder, ohne kleine Zänkereien lief es zwar unter uns nicht ab, aber ich lies es doch nicht zur Heftigkeit kommen, gewiß lieber Friz, ich hatte eine beschwerliche Rolle zu spielen. – Du kennst mein Herz, Du weißt, wie niederträchtig er mich hintergieng, und doch muß ich dulden und schweigen, muß auf zudringliche Reden mit stotternder Lüge antworten, die mir denn immer zum vor aus auf der Zunge stirbt. –

Ich habe heute in der Kirche, als er einstweilen auf's Kaffehaus gieng, vor dem Allmächtigen auf den Knieen gelegen und ihn für meine baldige Rettung und um Belohnung für deine Liebe angefleht! – Friz! – Wenn Du mich gesehen hättest, Dein Herz wäre geschmolzen aus Wehmuth für Deine arme traurige Nina, die so da lag vor ihrem Schöpfer; alles vergaß, nur Einen nicht, den Einzigen, den Einzigen vergas sie nicht, eben so wenig, als sie von ihm vergeßen wird! – – Herr Jesus! – Meine Seele war wieder durch und durch erschüttert! – Nein dies Gefühl kann nicht leicht eine Liebende besizzen, es ist beinahe unmöglich! –

Ich war den ganzen Nachmittag so traurig, so freudenlos, dachte nur an Dich, nur an Deine Liebe, und was mein Busen dabei arbeitete, was er sich empörte.... Ich fühle izt gräßliche Nervenspannungen und muß aufhören zu schreiben. – Friz, sey nicht böse, ich bin Dir ja herzlich gut, ich liebe Dich ja so innig, bis der Tod mir diese Wonne versagt, schlafe ruhig, Beßter, Theuerster, schlafe ruhiger als Deine

Nina. [78]

42. Brief

XLII. Brief

Was ich doch für extreme Launen besizze! – Heute bin ich wieder so ziemlich munter, ob mich gleichwohl Scharks tolle Aufführung in der Gesellschaft rasend ärgerte. Hast Du es gehört, wie er bei Seite zu seinem Vertrauten sagte, er bekömmt die Nina gewiß, so viel ich merke!

– Ich habe diese heimliche Wahrheit recht gut gefühlt, gewiß beßer, als der Eitle, aus deßen Munde sie kam. – Auch Du hast darüber gelacht, aber es war wohl eine Art bitteres Lachen; um Gotteswillen, seine Eifersucht wird Dir doch nicht ausfallen? –

Mein Glük war die Dämmerung, sonst würde ich mich bei seinen Spöttereien über und über verrathen haben, ich bin gar ein einfältiges Ding, wenn mein Herz eine Wunde hat. – Sonst habe ich wohl für die große Welt getaugt, aber izt, o du lieber Gott, izt bin ich wie das albernste Landmädchen, und blos das, was meine zur Liebe weichgestimmte Gefühle aus mir machen, ein schüchternes Weibchen. – –

Wie war es Dir denn wieder ums Herz, während unsern heutigen Vorlesungen? – Du schienst mir hingerissen zu seyn zu den Gefühlen der Liebe. – War es nicht so? Wenigstens sagten es Deine halbgeschloßnen matten Augen. – O Du Guter aller Guten, warum durfte ich Dir denn nicht vor der Welt um den Hals fallen, und laut sagen: seht ihr, dies herrliche Geschöpf ist mein! – O pfui! – Was dies für ein abscheulicher Zwang ist, den man sich anthun muß, und was es Dich Mühe kostet, um mich zu erhaschen aus einem Labyrinth, worinn mich mein Schiksal stürzte. Aber wie es Dir denn auch einstens, [79] so wohl als mir, göttlich schmekken wird das errungene Pfand Deiner teutschen Biedermannsliebe, Deiner Vernunft und Deiner männlichen Festigkeit. – Diese Hinderniße versüssen den Werth unserer Liebe bis zum unauslöschlichen Eindruk! – Friz! – Säße ich nur mit Dir im Luftballon, o dann wollten wir schäkkern, mehr als heute, eh wir in die Gesellschaft giengen, wo ich mit Dir so kindisch tändelte. – –

Der blonde Puder, den ich Dir mit Gewalt aufdrang, stund Dir doch allerliebst, nur ein Bischen philosophischer Eigensinn glänzte daran, weil Du ihn wieder mit Gewalt wegwischtest, ist aber auch kein Wunder, Du weißt, daß Dein Köpfchen ohnehin genug Eroberungen macht. – Du brauchst seine Schale nicht zu zieren, der Kern ist reizend genug für denkende Mädchen. – – Freilich giebt es nicht viele denkende Mädchen, aber ich dächte Du solltest es unserem Geschlecht verzeihen, denn das Deinige hält uns ja nicht zum Denken an. Lebe wohl beßter, edelster Jüngling, lebe für Deine zärtliche

Nina.

43. Brief

XLIII. Brief

Theurer! – Schreiben kann ich beinahe nicht, aber für Dich und mich zittern! – Um Gotteswillen beruhige Dich; kann Dich meine Liebe nicht sanft machen? – O dann helfe mir Gott! – Du sagtest einmal, Stolz müße nicht über Liebe siegen; aus Barmherzigkeit beruhige Dich! – – Kannst Du die unbedeutenden Sticheleien eines elenden Kerls nicht vergeßen? – Kannst Du einen Schark nicht verachten lernen, der keiner Vertheidigung [80] werth ist? – Kannst Du Deiner Hizze nicht Gewalt anthun, wenn sie sich gegen einen Unwürdigen empört? – Dein edler Stolz, Dein Ehrengefühl machen Dich verehrungswürdig, aber aus Liebe, um Folgen auszuweichen, um Dein Weib nicht unglüklich zu machen, verschwende dieses schöne Ehrengefühl nicht an den Nichtswürdigen. – – Sey Philosoph, sey denkender Mann, sey Gatte, sey Freund und erbarme Dich meiner Angst!! –

Komm so geschwind, als möglich zu mir, sonst tödtet mich Kummer und Ungewißheit! – O sey milde gegen Deine – –

Nina.

44. Brief

XLIV. Brief

Hast Du Wort gehalten, Liebchen? – Hast Du Dich nun so gut, als möglich beruhigt, über eine Sache, die nicht länger verdient, daß Du Deine und meine Gesundheit daran wagest? – – Sey immer empfindlich für Ehre, aber gegen ehrliche Leute und nicht gegen Schufte, die Dich nicht beleidigen können. – Gott! Was Du gestern so krank warst, was Du mich dauertest, und was mir bange wurde bei Deiner schröklichen Verstimmung! –

Gewiß, lieber Friz, es braucht blos meine Liebe, meine Empfindsamkeit, meine Herzensgüte, um nicht vor mehrern dergleichen Launen zu zittern, die Dich und mich peinigen könnten, wenn sie zur Gewohnheit würden. – Doch keine Vorwürfe, Dein Herz war nicht dabei, und Nina will mit Dir alles tragen. – Sey ruhig, ich beschwöre Dich; sey ruhig! – Du bist von meiner Liebe versichert, troz allen teuflischen Kunstgriffen, die sie zu stören [81] suchen. Was willst Du denn mehr? – Das übrige sind Nebendinge, denen Du nicht nachhängen mußt, wenn Du eine Gattinn schonen willst, die es nicht zu tragen vermag. Sey ruhig, bei dem biedern Namen Deines liebenden Weibes, sey ruhig! – Faße Dich bei jedem Anlaß, wo der elende Spötter Dir wieder aufstößt. – Doch Du versprachst es mir ja, o Du wirst gewiß Wort halten, Du kannst eine gute Seele nicht quälen.

Nicht wahr Friz, Du willst wieder sanft werden? – Du willst nie wieder so beharrlich einer übeln Laune nachhängen? – O die Männer sind doch viel wilder als wir! – Man muß sich auch ein Bischen Gewalt anthun, wenn es Liebe und Gesundheit gilt. – Du kennst Dich ja selbst hinlänglich, um solche Launen nicht zu stark einwurzeln zu laßen. Doch wozu Moral für einen Friz, der mich und andere darinnen übertrift. –

Liebe! – Liebe, will ich Dir aus der Fülle meines Herzens zurufen, und Du wirst ihre Stimme nicht zurükstoßen. – Wenn Du willst, so komm heute noch einmal zu mir, ich will schon sehen, daß wir uns allein sprechen können. – Nimm hin diesen Kuß der feurigsten Liebe! – –

Nina.

45. Brief

XLV. Brief

Theurer Liebling! – Warum sah ich Dich heute nicht über die Brükke gehen? – – Diese Kleinigkeit machte mir Kummer, denn ich wußte nicht samt meinem Fernglas, was aus Dir geworden wäre. –

Wenn Du nur wohl bist, wenn Du nur keinen Verdruß hast, o dann will ich ja gerne zufrieden seyn. Friz! – Gatte! – Beßter, Einziger, ich leide wieder Angst, der [82] leichtsinnige Schark kam heute vom Wohlleben halb taumelnd nach Hause und sagte mir, er hätte sich mit Holbaur gar trefflich unterhalten, besonders hätten sie wieder vieles von mir geschwärmt. – Sein spöttischer Ton, womit er dies alles aussprach, ließ mich vermuthen, das Verrätherei vorhanden sey, und gleich fiel mir Holbaurs schändlicher Karakter ein. – Schark hatte Lust weiter zu sprechen, aber zum Glükke wurden wir von einigen freundschaftlichen Besuchen unterbrochen, und er verließ mich ohne weitere Erklährung. – Hat der Bube Holbaur geplaudert, dann soll ihm Gott gnädig seyn! – Wenn er es anders wieder wagt mein Zimmer zu betreten! O daß Du Beßter noch nicht öffentlich auftreten darfst, daß Du noch in der Stille mit mir die Schikanen des Lasters dulden mußt, das thut mir weh, weh bis zu Thränen. –

Deine Gedult werde ich Dir auch einstens hinlänglich vergelten, wenn es einem armen zerknirschten Geschöpf anders möglich ist, Dir Freuden des Lebens zu verschaffen. – Sey zufrieden, Du Liebling, an meinem guten Willen soll es nicht fehlen, macht uns das Schiksal auch Kummer, so soll es doch nicht über uns Meister werden, denn wenn auch alle Hofnungen niedergedonnert werden, so bleibt uns doch das Glük der Liebe!

Was machst Du wohl izt? – Quälen Dich etwa Deine Eltern wieder? – Herr Jesus, Friz, was das mir fremd ist, nicht von den Seinigen geliebt zu werden! – Da ich doch die ganze Zeit meines Lebens auch von den unbedeutendsten Geschöpfen geliebt worden bin. – Friz, nenne es nicht Eitelkeit, es ist vielmehr Hang zum Frieden, den ich mit jedermann stiften möchte, und mit Deinen Eltern vollends, die mir um Deinetwillen so großen Werth haben. Was kann ich dafür, daß meine Familie nicht reich, nicht von stiftsmäßigem Adel ist? – Was kann ich dafür, daß meine Eltern [83] mich so frühe zur Waise machten, und einem schröklichen Schiksal Preiß gaben? – – Es war der Vorsicht Werk, und die dürfen Christen nicht tadeln. – Glaube mir, besäße ich Hochmuth, so würde ich diesen Wunsch der Versöhnung mit Deinen Eltern unterdrükken, aber ich kann es nicht lassen, ich muß es Dir sagen, es ist mir fast unerträglich, daß sie Vorurtheil wider mich haben, schon viele Thränen hat es mich gekostet. –

Wenn Du sie von meinem Herzen, von meiner Liebe, von meiner Rechtschaffenheit nicht zu überzeugen vermagst, so sage mir lieber gar nichts mehr von ihnen, denn es geht mir immer ein Stich durch's Herz, wenn ich den Namen derjenigen höre, die mich unschuldig von sich stoßen, es ist hart, Friz, für ein fühlendes Herz, Ungerechtigkeiten zu dulden! – – Lebe wohl, und vergiß nicht Deine liebende Gattinn. –

46. Brief

XLVI. Brief

Endlich sind meine Ahndungen erfüllt, und der Erzbösewicht Holbaur hat uns bei Schark verrathen, folgende Unterredung wird Dich davon überzeugen.


Schark.

(Mit heimlicher Galle.)

Wie kömmt's Madame, daß Sie heute nicht ausgehen, Oder ist vielleicht die tägliche Zusammenkunft hier im Hause festgesezt? – –


Ich.

(erschrokken)

Zusammenkunft, was für eine Zusammenkunft? –

[84] Schark.

Täubchen, stelle Dich nicht so unschuldig, Dein Gesicht verräth Dich! –

Ich.

(mich faßend.)

Freilich mein Herr, so weit habe ich es in der Verstellungskunst nicht gebracht, wie Sie, möchte es auch so weit nicht bringen; – denn ihre Laster....


Schark.

Donner und alle Wetter! – Was reden Sie da von Lastern? – Wollen Sie mich durch diese Beschuldigungen von meinem Verdacht abbringen? – – Es wird Ihnen nicht gelingen, ich bin zu gut von Ihrer heimlichen Intrigue mit dem jungen G... unterrichtet, und wagt er noch einen Besuch, dann nehme ich meine Rache an Ihnen. –


Ich.

Daran thun Sie sehr wohl, es ist immer leichter sich mit einem hülflosen Weibe herum zu balgen, als mit der Degenspizze eines ehrlichen Mannes. – Uebrigens haben Sie mir nichts zu verbieten, Sie sind mein Mann nicht. –


Schark.

Aber doch Ihr versprochner Bräutigam, die ganze Stadt ist Zeuge, und mehr brauche ich nicht um überall Recht zu finden. –


Ich.

Die Bande die Sie leichtsinnig zerrißen, kann eine ganze Welt mit all ihrem Reichthum nicht wieder knüpfen. – Mein Herz und meine Vernunft haben ihre eigne Rechte, was kümmert mich das Urtheil Anderer, ich wähle für mich....

[85]

Schark.

Was, Unverschämte! – Was? Jemand andern wählen als mich? – Wer untersteht sich so etwas zu sagen? – Wer? – –


(Hier sprang er so wütend auf mich zu, als ob er mich erwürgen wollte, und lärmte so laut, daß ich um öffentliche Schande in der Rachbarschaft zu verhüten, nachgeben mußte.)


Siehst Du Friz, daß mit dem tollen, brutalen Burschen gar nichts anzufangen ist. – Sag selbst, wer möchte sich ihm widersezzen? – Und wenn ich es auch wagte, was würde es mich nüzzen? – Soll ich mich seinen Mißhandlungen blos geben, obrigkeitliche Hülfe anrufen und meinen guten Namen dabei in's Geschrei bringen? – Oder Deine Eltern durch solche Auftritte noch mehr in Harnisch jagen? – Da ist keine andere Rettung übrig, als meine Entfernung. –

Deine Nina. – –

47. Brief

XLVII. Brief

Ich bin gestern im Schreiben unterbrochen worden, Du warst doch nicht böse, daß ich so geschwind abbrach? – Freundinn Sch... kam auf mein Zimmer, und ich mußte schließen. Indessen dauern meine Leiden vom gestrigen Auftritt noch immer fort, o ich war die ganze Nacht durch so krank an Leib und Seele, daß es kein Sterblicher außer Dir zu fühlen vermag! – Du kennst mein Schiksal, Du weist mehr davon, als alle Andern, und Dich mußte gerade das Unglük treffen, eine Mißhandelte zu finden, sie zu lieben, Tage mit ihr durchzuweinen, die Du Beßter unter Freude und Wonne zu verträumen verdienst. –

[86] Nun denn du gütiger Gott im Himmel, laß mich dulden an der Seite eines so gütigen Gatten, eines Biedern, der es sich zur Pflicht machte, mich zu retten aus den Händen eines Undankbaren, der mich im Stillen so gräßlich martert! –

Mein Gott, ich spreche jezt so warm von Rettung, gerade als ob ich blos an Rettung und nicht an unsere Liebe dächte, die doch bei aller meiner finstern Schwermuth so brennend in meinem Herzen wohnt! Vergieb Theuerster, wenn Wehmuth mein erstes Gefühl war, ich bin Mensch, ich bin Weib, ich bin schwach, ich habe zu feines Gefühl, ich leide schon lange. – Stüzze mich, halte mich, wenn ich aus Schiksal hinsinke zum tiefsten Kummer, der so heimlich in meinem Busen wütet! – Ich weis, daß ich mir um Deinetwillen Selbsterhaltung schuldig bin, ich thue auch alles, was ich kann, aber ist es meine Schuld, wenn es mich bisweilen übermannt? Wenn der Gram in meinem Körper Wirkungen hervorbringt, die zu unterdrükken nicht mehr in meiner Gewalt stehen? – Ich will kämpfen, ich will dulden, ich will leiden, aber lange kann es deswegen gewiß nicht mehr dauern, es muß bald brechen, oder ich werfe mich Dir öffentlich in die Arme, kette mich fest an Dich, und Du magst dann thun was Du willst! – Meine Liebe wird Dich zum stärksten, feurigsten Mitleiden auffodern, Du wirst mir dann aus Barmherzigkeit eher den Dolch in's Herz stoßen, und mein Leben zu meiner Ruhe enden, wenn Dir das Schiksal, oder böse Menschen den Weg mit Gewalt abschnitten, mich zu retten! –

Nimm diesen Kuß mit der wärmsten Thräne des Kummers gemischt! – – Komm heute so frühe als möglich – und habe Gedult mit Deiner gebeugten

Gattinn. – [87]

48. Brief

XLVIII. Brief

Guten Morgen, Lieber, Beßter, guten Morgen! – Bist Du nicht wieder beßer? – O sage doch zu meiner Glükseligkeit, ja! – – Sag es Friz, sonst flieht mich alle Heiterkeit, und dauernder schwarzer Gram wird mein Loos! – –

Muntere Dich auf, Theuerster! – Muntere Dich auf, bald müßen sich unsere Leiden enden! – – Oder zieht sich die Sache noch in die Länge, so will ich dich bitten, sie mit Gewalt zu enden. – Nicht wahr, Friz, Du willst? – – Mit diesem festen Zutrauen in Deine Thätigkeit will ich mich jezt beruhigen. –

Als Du gestern fort warst, wollte Holbaur noch zu mir, mein Mädchen wies ihn ab, der Kerl wird immer dringender, bald glaube ich, daß er von Schark bestochen ist. – – Gott im Himmel, glauben denn die Elenden, daß sie mich von Dir abwendig machen können? – – Meine Liebe für Dich ist ja so allmächtig, meine Gutheit und Dankbarkeit zu feurig, als daß ich Dich nicht ewig lieben sollte. – Sonst wäre ich ja mehr als Heuchlerinn. –

Siehst Du, wie es mir bey solchen Ueberlegungen gleich im Kopf stürmt! – Wie dieser Kopf meinen Grundsäzzen fest folgen muß, weil mein Herz für Alles außer Dir eiskalt schlägt.

Aufrichtigkeit unter zwei Liebenden ist die erste Tugend zur standhaften Liebe, und wenn mich der höchste Richter diesen Augenblik zu sich riefe, so weis ich nichts, gar nichts, was er und Du nicht wüßtest. – Kurz, wir sind zwo Seelen, die ein Verbrechen an der Natur begiengen, wenn wir uns je trennten. Ha! – Was trennen! – So etwas ist ja unmöglich, und wenn es von meiner Seite je möglich seyn [88] könnte, so wollte ich mir lieber das Gehirn an der Wand zum Voraus versprüzzen, als Dich Liebling der Tugend, Dich, guter, braver, herrlicher Jüngling, zu hintergehen!!! –

Höre diesen Schwur allgewaltige Gottheit! zum Zeichen meiner äußersten Liebe, und Du, höre ihn auch Friz von Deiner teutsch gesinnten

Nina.

49. Brief

XLIX. Brief

Herzens-Mann! – Du warst zwar heute fast den ganzen Tag um mich, aber glaubst Du denn, daß ich darum satt bin? – Gränzenlos ist meine Liebe, gränzenlos mein Sehnen nach deinem Busen, und gränzenlos sind meine Wünsche, nie, nie von Dir getrennt zu seyn! – Sage Trauter, warum behagst Du denn meinem Herzen so ausgezeichnet vor allen Andern, – – die mir ehedessen auch von Liebe vorsagen wollten? – Warum bist Du so ganz mein Wiederhall? – Warum sind wir uns allein zwischen vier Mauern so genug? – Ja, so genug, daß auch nicht der kleinste Wunsch nach rauschendem Vergnügen weder in Dir, noch in mir aufsteigt, o Friz, das sind Vorbothen unserer künftigen Glükseligkeit, die in vollem Maas auf uns herab strömen wird, wenn kein Zwang uns mehr schrökken kann. –

Liebe fodert Freiheit, Zwang stärkt zwar die eigensinnige Liebe auch, aber sanfte innige Liebe, wie die unsrige, will sich ergießen können, sie will entfernt seyn von der Verläumdung, von der Mißgunst. – Der vernünftige Umgang erhöht die Liebe und giebt ihr den wahren Werth einer ewigen Dauer, entfernt sie von der bloßen Sinnlichkeit. – – Angestekte Romanen-Helden fühlen meistens nur die sinnliche Neuheit der Liebe, aber denkende Geschöpfe fühlen ihre moralische [89] Wonne und wißen sie durch gegenseitiges Verständniß des Kopfes und Herzens zur Unsterblichkeit zu bringen. – Sage mir doch, lieber Philosoph, könnte wohl eine Liebe, wie die unsrige, jemals aufhören? –

Wenn wir uns auch dem Aeußern nach einmal nicht mehr neu sind, so liegt doch eine Unendlichkeit von neuen Reizen in unseren Köpfen und Herzen, die uns ewig vor Ekkel schüzzen wird. – –

Wenn dieser Saz nicht Wahrheit enthielte, unleugbare Wahrheit, wenn ich ihn nicht mit Ueberzeugung tief fühlte, so wollte ich mir lieber heute noch mit einer Steknadel den Puls an der Stirne durchboren! – – Merke Dir diesen Saz, merke Dir ihn! – Beim heiligen Gott beschwöre ich Dich, merke Dir ihn! – Es ist der feurigste, den ich je schrieb, seitdem ich lebe. –

Noch eins: Schark machte es heute Abend wieder so toll, daß ich ihm geradezu meine baldige Abreise eingestand, zum Glük für meine Uebereilung war er zu hochmüthig um es zu glauben. – Ist das nicht ein erbärmliches, schwaches Geschöpf? Eine viertel Stunde nach dem Streit wußte er von allen Bitterkeiten nichts mehr, die ich ihm gesagt hatte. – Wie oft verbot ich ihm schon das Zimmer, und doch drang er sich durch meine Base wieder ein; nein, da hilft nichts, als meine Entfernung. – –

Gottlob, daß Deine Eltern nun auch wieder etwas ruhiger sind. – Es war doch immer gut, daß wir in der ganzen Sache gelaßen und behutsam handelten; daß ich meine angewöhnte Offenherzigkeit ablegte, daß ich meine Liebe zu Dir nirgends verrieth. –

Immer war mir sonst der Grundsaz eigen, Liebe nur für Einen Mann ohne Eigennuz sey Tugend, von der man öffentlich sprechen dürfe, aber die Verläumdungssucht hieß mich diese Tugend für mich im Stillen genießen und sie [90] nicht den Schandmäulern und dem Vorurtheil blos geben. – Gute Nacht beßter Gatte! – Gute Nacht! – – –

Deine Nina.

50. Brief

L. Brief

Gerade zehn Uhr, und eben hörte ich auf mit aller Begeisterung an Deiner Philosophie zu deklamiren, dieser Aufsaz ist gar zu herrlich geschrieben, ich kann ihn nicht genug lesen! – Alles ist jezt Geist, Feuer und Seele in mir! – Meine Nerven sind zu sehr gespannt, mein Blut zu stark in Wallung, als daß ich jezt schlafen könnte. – Ich muß diese Gefühle mit Dir theilen, laß mich, Liebchen, noch ein Bischen mit Dir plaudern. – –

Gestern Abend um diese Zeit lag ich an Deinem Busen, genoß alle Wonne, bis der dumme Zufall, wo wir glaubten von Schark belauscht zu seyn, uns beide schrökte. – Dank Dir, Trauter, für den Kummer, den Du um meinetwillen trugst, ich will Dir Deine Sorgfalt gewiß wieder vergelten. –

Ich habe heute so wenig mit Dir tändeln können, weil mein Mädchen Arbeitshalber immer um uns seyn mußte, böse kannst Du über solche Zufälle nicht seyn, denn dazu schlägt Dein Herz zu rein, auch weißt Du recht gut, daß einstens andere Zeiten kommen werden, wo aller Zwang aufhört. – – Wir sollten uns eigentlich keinen Zwang anthun, dann noch hat kein Laster unsern Umgang beflekt. – –

Aber es ist nun einmal schon so in der Welt, Redliche müßen sich verkriechen, damit Niederträchtige desto freier sündigen können. – Schark war heute Abend wieder in einer sehr lüsternen Laune, mein schlimmes Kammermädchen foppte ihn darüber mit der einfältigsten Miene, das Mädchen hat Wiz genug, ihm seine Wenigkeit fühlen zu laßen. – [91] Doch was kümmert mich Schark, laß Dich lieber dafür recht warm küßen von Deiner

Nina.

51. Brief

LI. Brief

Endlich ist er fort, mein Peiniger, und ich kann wieder mit Dir sprechen. – Aber denke nur, Schark foderte durchaus einige Briefe zu lesen, die Du an mich schriebst, und als ich sie ihm versagte, dann wurde er finster und schwermüthig. – Einstens täuschten mich diese Grimaßen, aber jezt nicht mehr, er sündigte lange genug auf mein gutes Herz hin, nun mag er auch büßen, ich bin kalt, wie der Tod für seine Winseleien! – Er hat mich beschimpft, mich elenden Kreaturen an die Seite gesezt, er ist nun öffentlicher Wollüstling, und meiner ganz unwürdig. – Bei der Gefahr mich zu verlieren, fühlt er erst den Werth meines redlichen Herzens; oft vergab ich ihm, oft duldete ich im Stillen, aber sobald er mich versöhnt glaubte, dann blieb er der alte Wollüstling. –

Friz, bei meiner Liebe sey es geschworen, daß ich die Wahrheit rede, hätte ich meine Gutherzigkeit an einen beßern Jungen verschwendet, dieser Undank würde mir nie zu Theil geworden seyn, – ich würde mir ein Geschöpf gebildet haben, das mein Leben hätte beglükken können. – – –

Aber auch gut, daß es so gekommen ist, sonst hätte ich ja Dich nicht kennen gelernt, Dich Einziger, den ich so feurig liebe! – – O wüßtest Du, was alles für Unerträglichkeiten in Scharks Karakter liegen, die ich erst jezt recht kennen lerne, Du würdest Dich wundern, daß es solche Menschen geben kann, die von ihren Leidenschaften hin und her getrieben werden. Hochmuth, Dummheit, Widerspruch, [92] Drohungen, Grobheiten, Schimpfreden, Geiz sind die Gesellschafter seiner meisten Launen. –

Beßerung ist bei ihm wohl wenig mehr zu hoffen; Unglük allein könnte ihn vielleicht beßern; der Himmel schenke ihm Selbstkenntniß und baldige Erinnerung seiner Fehler. –

Liebchen laß mich gleich wißen, wie es um Deine Gesundheit steht? – Gott! – Wenn Du nur nicht etwa recht krank wirst! – Ich wäre die verlaßenste, die ärmste, die elendeste unter allen Weibern! – O Allgütiger erhalte ihn! – Erhalte ihn, zum Trost seiner armen

Nina.

52. Brief

LII. Brief

Abends um zehn Uhr.


Nicht wahr, lieber guter Friz, gestern um diese Zeit war ich recht glüklich an Deiner Seite; genoß alle die Wonne, die Deine Liebe und Dein gutes Herz für mich aufbewahrt hatte? – Und heute? – O das war wieder ein verwünschter Abend! – Ich saß tiefsinnig am Fenster, während als Schark mit meiner Base zu Nacht speißte, ersterer hieß mich zu sich sizzen, und ich tolles, unverstelltes Ding that es nicht. – Dann brach er in die abscheulichsten Grobheiten aus, die ich mir durch meine Unvorsichtigkeit zugezogen hatte. – Ich träumte da gerade von Dir und hätte um Alles nicht loskommen können von dieser süßen Träumerei. – O Du lieber Einziger! – Mußt mich doch bald retten, ich beschwöre Dich! – Denn jeder Tag, denk Dir dies Wort, jeder Tag droht mir Mißhandlung. – Sieh Liebchen, ich kann es fast nicht mehr aushalten, Du wirst, Du kannst Deine Nina nicht mehr länger leiden laßen. – Eine ungedultige Thräne von mir verweint wäre Deinem empfindsamen Herzen [93] gewiß ein schröklicher Vorwurf. – Ich muß bald von hier weg, bald! –

Aber weißt Du auch lieber Friz, daß Du heute wieder allerliebst in Deinem Umgang warst? – Mir ist immer bange, daß Du in meinem Umgange nicht alle die schwärmerischen Reize entdekkest, die ich in dem Deinigen finde. – Dank sey nun freilich meiner lieben Einbildungskraft, die mir alles bis zum unwidersprechlichsten Zauber an Dir malt. – Ich bin auch so zufrieden mit meiner Wahl, daß es vielleicht wenige begreifen würden, die nicht so lieben, wie ich liebe. – Du bist aber auch der Jüngling, der leicht ein Mädchen finden würde, aber eine Liebe, wie die meinige, die täglich mehr wächst, daran zweifle ich bei der jezzigen Welt. – Wir sind in unserem Umgang wie zwei Kinder, zanken, weinen, küßen, moralisiren, schäkkern, alles wechselt so artig unter uns ab; das werden Tage werden! – – Das werden! – Freue Dich Lieber, freue Dich, ich will mich auch freuen, und nun Millionen Küße zur guten Nacht von Deiner

Nina.


Eine verwünschte Nacht war das. Friz, eine schlaflose, abscheuliche Nacht! – – Erst um ein Uhr legte ich mich zu Bette und vergaß die Fenster zu zumachen, da flog das Ungeziefer herein und quälte mich die ganze lange Nacht durch. – Du weißt, daß mein Zimmer auf's Wasser geht, und aus dieser Ursache fast immer mit stechenden Mükken angefüllt ist, wenn ich nicht gleich mit Sonnen Untergang die Fenster zuschließe. – – In Zeit drei Stunden war mein ganzes Gesicht angeschwollen und kein Auge konnte ich vor Schmerz schließen, dann kam über alles dieses noch ein starkes Donnerwetter dazu und schrökte mich auch ein Bischen! Als sich das Wetter verzogen hatte, sprang ich mit rasendem [94] Zorn aus dem Bette, und legte mich auf den harten großen Sopha, dahin dachte ich mir, werden gewiß die Mükken nicht so leicht kommen, weil der Sopha im Nebenzimmer steht, aber umsonst, auch da fanden mich die heißhungrigen Thiere, Du kannst leicht denken, wie es mir auf diesem harten Lager behagte? – – Ich glaubte, alle Knochen zu verlieren, konnte es durchaus nicht länger aushalten, schlug Licht, und beschreibe Dir jezt die tolle Nacht. – Der Schlaf drükt meine Augen sehr schwer, aber was mich noch am meisten ärgert, ist das abscheuliche Schnarchen meines Nachbars, der an der Seite seines leiben Weibchens, wie ein Kloz ruhig fort schläft, seine zähe Haut fühlt das giftige Beißen des Ungeziefers nicht. – Wie er so glüklich ist, der flegmatische Dummkopf, daß seine kalte Seele so kummerfrei die gütige Gabe des süßen Schlafs genießen kann, der mir nicht gegönnt ist. – O ich bin ärgerlich bis zum Unsinn! – Gestern Abends plagte mich ein zweifüßiges Insekt, und diese Nacht saugen viele hundert andere mein Blut heraus. – Wärest doch Du nur da, dann wollte ich noch gerne alles dulden, ich wollte mir mein wundes Gesicht von Deinen Küßen abkühlen laßen, aber so bin ich mit Röschen ganz allein in der melankolischen Morgendämmerung, höre das halblaute Gezwitscher der aufwachenden Vögel und grüße Deine lieben großen geschloßnen Augen mit dem feurigsten Kuß eines guten Morgens in meinen Gedanken. –

Wache doch auf, Herzens-Junge! – Wache auf! – – Deine Nina ruft Dir! – Faullenzer, wie gut Dir der Schlaf schmekt, wie Du Dich wieder herumdrehst, und nicht ahnden willst meine Küße. Ha! – Eigennüzziger, das thust Du mit Fleiß, damit ich wakker drauf los küßen soll, und Du Deinen Vortheil dabey findest.

Aber warte, jezt will ich Dich anfangen zu kneipen, bis Du aufwachst. – Wenn ich nicht schlafen soll, darfst Du [95] auch nicht schlafen, wenn mich die Mükken beißen, sollst Du Dich auch beißen laßen, wenn ich küßen und schäkkern will, so sollst Du auch mit mir küßen und schäkkern, oder Du bekömmst Schläge, ja ... ja, Schläge, ich bin heute stark genug dazu, denn meine Glieder ruhten ja aus. – –

Müßte ich heute nicht ausgehen, ich legte mich am hellen Tage schlafen, und schliefe bis Du kämst und mich durch Küße aufwektest. Sey nicht böse über diesen kindischen Brief, Du kennst ja meine Launen, äußerst munter, oder äußerst traurig! – Vergiß Dein gutes Weibchen nicht. – –

53. Brief

LIII. Brief

O Du herrlicher, herrlicher, lieber Friz! – – Was heute unser Umgang wieder so häufig abwechselte und sich in selige Unterhaltungen eintheilte, in Unterhaltungen, um die uns eine Welt beneiden würde, wenn sie Zeuge seyn könnte von den göttlichen Stunden, die wir durchleben. – –

Dank Dir, Guter, für Dein Gefühl, mit dem Du zu Hauße giengest und an mich schriebst, aus einem Herzen schriebst, worinnen Engelsgüte wohnt. –

Hier gebe ich Dir wieder eben so viele Küße zurück, sie kommen von Deiner Nina, die ihr Glük durch Deine Liebe zu tief fühlt, um es beschreiben zu können. – – O Du edelster, gutherzigster, anbetungswürdigster, junger Mann! – Um den mich Engel beneiden müßen, gewiß beneiden, Du übest Deine Wohlthaten im Stillen aus. O die gestrige gute Handlung, die Du vor meinen Augen unternahmst, hat Dir in meinem Herzen ein ewiges Denkmal errichtet! – Ha! – Du guter, guter Friz, laß mich an Deinem Busen aller anderer Menschen Bosheit vergeßen, die mich mein ganzes Leben hindurch so oft kränkte! – –

[96] Aber vergiß ja nicht über jede Stunde unsrer Unterhaltung nachzudenken und dabei ein Herz, wie das meinige, zu untersuchen, dessen Liebe ewig, ewig, nur für Dich glüht – Um diese Aufmerksamkeit bittet Dich Dein gutes Weibchen. – –

Gott segne unsre Liebe; schlaf wohl und sanft, theuerster, liebenswürdigster Gatte! – Träume alle Auftritte unserer Liebe wieder lebhaft zurück, die wir heute mit einander genoßen und theile dann Dein Entzükken in Gedanken mit Deiner

Nina.

54. Brief

LIV. Brief

Schwerlich, lieber Friz, wird sich der Schurke Holbaur wieder unterstehen mein Zimmer zu betretten; meine Hizze hat mich übermannt, ich habe ihm derb die Wahrheit gesagt, wie Du aus folgender Unterredung sehen wirst. – Nun mag er Galle speien der Elende, so viel er will, ich konnte mich unmöglich mäßigen....


Holbaur.

(Wie ein wahrer Wollüstling.) Guten Tag! – – Guten Tag, mein Engel! Wie gehts, wie befinden Sie sich? – –


Ich.

Dies brauchen Sie doch wohl nicht erst von mir zu erfahren, Scharks Vertrauter ist ja ohnehin von allem unterrichtet, was bei mir vorgeht. – –


Holbaur.

Wie so meine schöne Göttinn? – –

[97] Ich.

Herr! – Ich verbitte mir diese vertrauliche Sprache. Uebrigens mögen Sie sich ihre Frage selbst beantworten, ich bin nicht gewohnt, Mannsleuten, die in Weiberrökken stekken, Vorwürfe zu machen. –


Holbaur.

Also wohl gar böse auf mich? – – Ei, ei, womit hätte ich mir denn dieses Unheil zugezogen? – – Hat vielleicht Schark seine Klappereien auf mich schieben wollen, wovon er der Urheber ist? – –


Ich.

Er, oder Sie, Sie, oder Er, das gilt mir gleich. Es ist immer schändlich, wenn sich Mannsleute mit Ohrenbläsereien abgeben. –


Holbaur.

Keine Regel ohne Ausnahme, nicht allzeit, meine Beßte, sind Warnungen Ohrenbläsereien; besonders wenn sie das Wohl eines Freundes betreffen. –


Ich.

Seit wenn sind Sie denn so gewißenhaft gegen Ihre Freunde geworden? – – Ist Schark ein unmündiger Knabe, daß Sie ihm mit teuflischer Bosheit Grillen einhauchen mußten? – – Was kümmert Sie meine Bekanntschaft mit G...? – –


Holbaur.

(Herausplazzend.) O sehr viel Madame! – Sehr viel kümmert mich Ihre Bekanntschaft mit G....! – (Sich wieder faßend.) Denn sehen Sie, der junge Mann taugt gar nicht für Sie, er wird Sie gewiß nicht heirathen, ich kenne die Verhältniße, worunter er schmachtet, und ich wette mein Leben, er muß seiner Familie nachgeben. – –


[98] Ich.

O sagen Sie doch lieber: ich wünsche es, daß er seiner Familie nachgiebt; denn an Ihren Bemühungen fehlt es gewiß nicht, wenn er es nicht thut. – O ich kenne Ihre Sprache, die sich nach allen Tönen zu stimmen weiß! – –


Holbaur.

Aber mit Ihrer Erlaubniß, meine Schöne, doch immer mit Wahrheit und Aufrichtigkeit begleitet. – –

Ich.

Bei Gott! – Ich bin mehr vom Gegentheil überzeugt.

Holbaur.

Wie so? – Wie so? – – Sie würden doch Ihre schönen großen Augen stark aufreißen, wenn ich Ihnen jezt gleich mit der untrüglichsten Wahrheit versicherte, daß der junge G... mit einem überaus reizenden Mädchen in sehr engem Verständniß .....


Ich.

Nicht ausgeredt Verläumder! – Oder bei Gott, Sie sollen mich kennen lernen!!! –

Holbaur.

Schon wieder brausen? – – Ich – ich ... wollte ja nur sagen daß G... lezthin mit einigen Frauenzimmern sehr vertraut schäkkerte. –


Ich.

(Mit Wuth) Lügen! – Höllische Lügen sind das! – Ich kenne sein Herz, noch eine verdächtige Silbe von ihm, und ich werfe Ihnen alles an Kopf, was mir unter die Hände kömmt! – –


Holbaur.

Hu! – Hu, was Sie eifersüchtig sind! – Ist dann der alberne Junge auch so viel werth? – –

[99] Ich.

(Ganz außer mir.) Elender, kein Wort weiter! – – Kein Wort weiter, das rathe ich Dir; und nun fort aus meinem Zimmer, niederträchtiger Ehren-Bandit! – – (Hier weigerte er sich mich zu verlaßen.) Dann griff ich Ihn rükwärts bei den Haaren und schleppte ihn bis zur Thüre, laut schreiend würde ich ihm bis über die Treppe gefolgt seyn; wenn mich nicht Röschen mit Gewalt zurück gehalten hätte. – Friz, ich bitte Dich um Gotteswillen, schaffe mir vor dem Kerl Ruhe, sonst vergreife ich mich noch an ihm! – Deine

Nina.

55. Brief

LV. Brief

Das war wieder eine jammervolle, schrökliche Nacht! – Friz, ende Deine eifersüchtigen Vorwürfe wegen Schark, oder Du bringst mich in's Grab! – –

Hatte ich nicht gestern mit dem Buben Holbaur Verdruß genug? – – War das von Dir vernünftig sich so zu vergeßen, und mir bittere Dinge zu sagen? Mußtest Du auch noch kommen und mir den lezten zufriedenen Gedanken wegstehlen? – Ueberdenke heute bei kälterem Blute unsere Lage, vergiß nicht einen Blik auf die Folgen zu werfen, die daraus entstehen könnten; und zittere! – –

Du kennst meine Rasereien, wenn ich anfange; Du weißt, zu welchen Thorheiten ich fähig bin, wenn Dein Mißtrauen und Dein beleidigter Stolz fortfährt auf mich loszustürmen. Ist es denn meine Schuld, daß ich noch hier bin? – Ist es nicht die Schuld der Umstände, daß meine Abreise noch auf wenige Zeit verschoben werden muß? – Und kann ich meine Base zwingen, daß sie dem Schark unser Haus verbietet? –

[100] Noch mehrere solche ungerechte Vorwürfe, Friz, und ich stehe weder für Scharks, noch für mein Leben! – Der Gedanke, daß meine feurige Liebe von Dir verkannt wird, machte mich so hart, so wahnsinnig, daß mir mein Leben um eine Steknadel feil würde! – – Ich habe Schark mit aller Gewalt zu einer Zänkerei zwingen wollen, ich hätte ihn gerne aus Verzweiflung mit Vorsaz verleitet, mir ein Messer in's Herz zu stoßen, so sehr war ich meiner Lage müde! – Zum Glükke donnerte ihn meine Wuth zusammen, daß er weggieng und staunte! – Nenne es immer sträfliches Extrem; aber wer brachte mich dazu? – – Wer ist sträflicher, ich, oder Du? – – Gott! – Was hast Du mir für herzangreifende Vorwürfe gemacht! – Du sprachst mir alles Gefühl ab, nanntest mich eine Lieblose, eine Undankbare, und das blos, weil mir ein unbedeutendes Wort über Schark entwischte, daß Du zu seinem Vortheil auslegtest. – Du bist wahrlich überzeugt, daß ich die wenige Nachsicht, die ich gegen Schark brauche, blos aus Politik brauchen muß; Du mußt davon überzeugt seyn, sonst würde ich Dich verachten, wenn Du mich ohne diese Gewißheit lieben könntest. – –

O Friz! – Friz, ist es möglich, daß Du so lange Zeit aus Liebe nachzugeben wußtest, und jezt auf einmal überfällt Dich eine höllische Eifersucht? – Sey sanft, sey vernünftig, um Deines guten Herzenswillen bittet Dich Deine

Gattinn. –

56. Brief

LVI. Brief

Theurer Friz! – So süß auch gestern unsre Versöhnung war, so hat sie doch den tiefen Gram, der mich seit einigen Tagen wieder so schröklich drükt, nicht ganz aus meiner [101] Seele getilgt! – Ich taugte wohl beßer in's Grab, als an Deine Seite, wo Dir das Bischen Vergnügen durch tausend Schiksale vergällt wird. – Kein Tag, keine Stunde geniessen wir ganz ruhig, mitten unter dummen und bösen Menschen verstreichen unsere schönsten Augenblikke, und mit ihnen unsere Gesundheit.

Ich bin außer mir, wenn es nicht bald zu Ende geht! – Ich kann diese Verfaßung, beim Allmächtigen sey's geschworen, nicht länger ertragen! – Und doch muß ich alle Stärke zusammen suchen, um den Ausgang abzuwarten? – – – O wenn Du mich liebst, so verschone mich diese Zeit über, versezze mir nicht den lezten schröklichsten Todesstoß, durch Dein Mißtrauen! – – Sey barmherzig, bei Deinem Ehrengefühl beschwöre ich Dich, sey barmherzig! – Sey mein Führer, mein Tröster, sey gut, sey gedultig, sey Mann, ich will Dir es tausendfach lohnen! – Die Wehmuth läßt mich heute nicht weiter schreiben.....

Nina die gekränkte.

57. Brief

LVII. Brief

Innig geliebter Gatte! – Endlich ist meine Laune wieder etwas heiter. – Was dachtest Du heute wohl von mir? – Meine Augen haben, dünkt mich, mehr gesprochen, als sonst, wenigstens hiengen sie wonnetrunken sehr lange an den Deinigen. Siehst Du, wie mein Zutrauen wächst? – – Folge fein meinem Beispiel, hörst Du? – – –

Friz, wie viele Briefe hast Du wohl schon von mir, ich habe von den Deinigen über fünfzig Stükke. – Es sind lauter theure Pfänder Deiner Liebe, redende Beweise Deiner Zärtlichkeit, und feurige Versicherungen Deiner Standhaftigkeit, [102] nie sollen sie aus meinen Händen kommen diese reizende Gemälde Deiner schönen Seele! – –

Heute habe ich auch wieder Deine Haarflechte frisch geflochten, die ich Dir mit eigner Hand aus Deinen langen Haaren herausschnitt. – O diese Haarflechte ist gerade so weich, wie Dein Herz! – Mein Röschen ist ein loses Ding, sie machte mich mit ihren Schäkkereien fast närrisch, immer schrie sie, während als ich die Haarflechte frisch auskämmte, geben Sie doch Acht, es thut Ihrem Friz ja weh! – Dann zukte ich wieder während dieser Arbeit mit einem lauten Schrei, worüber sie sich fast zu Tode lachte.

Ich bin dem Mädchen recht gut, weil sie ziemlich viel von Dir zu sprechen weis, Stunden lang schwazt sie mir von Dir vor, ist das nicht ein gutes, braves Röschen? – – Komme morgen recht frühe, damit ich Dir Millionenmal sagen kann, wie sehr Dich liebt Deine

Nina.

58. Brief

LVIII. Brief

Trauter, als mich der gütige Schöpfer schuf, war Liebe und ihre Glükseligkeiten seine erste Gabe, die er mir mittheilte, und in die Seele hauchte. – Liebe empfand ich schon lange mit allem ihrem Kummer, aber ihre Glükseligkeit entfernte sich von mir, bis ich den Redlichsten, bis ich Dich kennen lernte. –

Du hast nicht Unrecht, wenn Du behauptest, daß ich noch nie so geliebt worden bin. – O Du Vortreflichster, laß mich mein Glük öffentlich ausschreien, laß meinem vollen, mit Wonne angefüllten Busen Luft, damit ich die Gefühle meiner seligsten Hofnungen hinsagen kann den eiskalten Geschöpfen, die meine Entzükkungen nur blos in der Ferne anstaunen dürfen! – –

[103] Dank Dir für den heutigen Tag, den ich wieder so ganz Liebe, an Deiner Seite hinbrachte. – Ich trug eine schwere Last im Herzen, als Du kamst, aber wie ein Engel des Trostes hobst Du mir sie weg und spieltest mich in eine Laune, die ich nicht um ein Königreich vertauscht hätte! –

O Du Guter, was Du nachgiebig und sanft seyn kannst, wenn Du nur willst. – Du hast zwar ganz Recht, daß Du nicht alle Tage so bist, sonst würde ich immer mit mir selbst hadern, daß ich Dein herrliches Betragen nicht erwiedern könnte. Heute war ich wieder in Deinen Armen so verloren im Taummel der reinsten Freude und auch so ganz ohne Furcht, ohne bange Ahndung, daß ich mich beinahe in einer andern Welt dünkte! – Gewiß unterhielten wir uns wieder herrlich! – Es war kein augenbliklicher Sinnenrausch, wie bei den meisten Liebenden, der uns entzükte, Vernunft, Seele, alles nährte sich dabei, und muß sich ewig dabei nähren. –

Nicht wahr lieber Friz, wir wollen immer so gut mit einander leben? – – So ganz Gutheit einander nachgeben, und verbannt sey nun auf ewig aus unsrem Umgang Deine Eifersucht, und meine zu starke Empfindsamkeit! – Nie sollst Du mich wieder so sehen, das verspreche ich Dir heilig.

Noch eins; Schark laurte schon am Fenster, als ich heute zu Hause kam, aber merkte nichts. – Gott gebe, daß Du Dich eben so heiter schlafen legest, als ich, dann bin ich glüklich. – Vielleicht träumst Du jezt, mit einer Pfeife Tobak im Munde, von mir? – Thust Du dies gewiß? – O ich fühle es, diese warme Ahndung strömt meinem Herzen zu, und bürgt mir für die Wahrheit meiner Vermuthung. – Gute Nacht! – Aller Segen des Himmels auf mein Liebchen! – Gute Nacht, sagt Deine

Nina. [104]

59. Brief

LIX. Brief

Innigst Geliebter, ich habe Dir gestern in einer Stunde mehr gesagt, als ich Dir in Jahrhunderten schreiben kann. – Oder war es etwa nicht so, Du unersättlicher Schwärmer? – Warst Du wohl jemals gegen ein anderes Mädchen ein so warmer gefühlvoller Junge? – Ist es etwa für meine Eitelkeit zu viel Triumpf, wenn ich das allerliebste Nein so gerne über diesen Punkt aus Deinem Munde höre? –

Wenn man sich der Liebe nicht freuen darf, wenn man über ihre herrlichen Entzükkungen nicht nachdenken soll, o dann ist sie ja blos Begierde, und ich haße Begierden ohne die Begleitung eines feinen denkenden Gefühls. – Unsere Liebe hat den ächten dauerhaften Gang, wir wollen ihr folgen, aber auch Du lieber Friz, mußt Dich ein Bischen ändern. – Laß doch nicht immer Deinen feurigen Kopf und Deine reizbaren Nerven sprechen, sey im vollen Verstand Herr über Deine Leidenschaften, Du kannst es ja, wenn Du nur willst, die Liebe macht Dich biegsam, wenn Du ihr nur Gehör geben willst. – Wir wollen uns doch nicht ferner mit Grillen martern, willst Du? – Ich fodere dies kleine Opfer Deiner Vernunft jezt durchaus, bis das Verhängniß uns näher vereinigt. – – Das unglükliche Schiksal soll nicht Meister über uns wer den, nein, durchaus nicht, ich würde mich schämen ihm nachzugeben. – Wir wollen von nun an Zank und alle gefährlichen Auftritte zu verhüten suchen, die Dich und mich gränzenlos elend machen könnten. – Dein Weibchen lebt und athmet ja nur für Dich, für Deine Liebe – –

Nina. [105]

60. Brief

LX. Brief

Du lieber Gott! – Was war das gestern wieder für ein verstimmter Abend! – Es ist gerade, als ob wir beide eine Zeither verhext würden! – Ich mag Dir Ruhe vorpredigen, so viel ich immer will, es nüzt nichts. – Gott im Himmel, wie können Schiksale Menschenherzen verstimmen! – Ich kannte Dich kaum mehr; Faulheit, weniges Gefühl, zwei Worte, die ich gestern wieder so oft hören mußte. – Ein anders minder liebendes Weib hätten diese garstigen Ausdrükke wohl zum Brausen verleitet, aber ich blieb gelassen, weil mein Herz Deine Entschuldigung übernahm. –

Sag Unbesonnener! – Seit wann habe ich denn dies alles verdient? – Warum schreibst Du den Eifer über das ehrabschneiderische Volk auf meine Rechnung? – – Oder noch beßer, warum warst Du unvorsichtig genug, mir so etwas zu hinterbringen? – Darf ich meine Gefühle nicht mehr an Deiner Seite ausweinen? – Ich sah Dich stumm und finster, das machte mich verdrießlich, weil ich Dich doch schon so oft bat, Dir in meinem Umgang Gewalt anzuthun. – Bin ich denn nicht so viel werth? – Ist es nicht Deine Pflicht, jede Zänkerei in ihrem Ursprung zu erstikken? – Aufbrausen und davon laufen ist dann immer Deine löbliche Gewohnheit, und die Früchten davon, Verzweiflung und schlaflose Nächte für Dich und für mich. – –

Meine ganze Seligkeit liegt blos in Deinem Blikke, und da dieser eine Zeitlang her so düster ist, so ist es ganz natürlich, daß ich auch verstimmt werden muß. – Bin ich denn von mir selbst so gallsüchtig, gabst Du mir nicht immer den ersten Anlaß dazu? – – Ich hoffe, daß Du bald anfangen wirst mein Herz zu schonen. – Der Himmel laße uns heute wieder Friede finden, das wünscht von ganzer Seele Deine

gebeugte Nina. [106]

61. Brief

LXI. Brief

Liebster, Beßter! – Wie hast Du geschlafen? – Das war doch brav, daß Du mich gestern Abend nicht mit blutendem Herzen zu Bette gehen ließest. – Lieber Friz, wenn ich Dir theuer bin, laufe mir nur nicht wieder davon, wenn wir uns ein Bischen zanken, denn das Davonlaufen ist mir unerträglich! –

Leicht, wie eine glükliche Braut, gieng ich gestern Abend nach unserer Aussöhnung zu Bette, aber ein Schrekken, der mir durch alle Glieder fuhr, wekte mich wieder plözlich auf! – Daß doch bei jedem Zufall Du mein erster Gedanke bist. – Gott! – Ist das etwa mein Friz! – Schrie ich laut, sprang an's Fenster und hörte die ächzende Stimme eines Sterbenden, den man mit einer Wunde vorbei trug. – Sein Röcheln machte mein Blut erstarren, Du lagst mir noch im Sinne, ich horchte aufmerksam um den Ton der Stimme zu entscheiden, zum Glükke aber war sie mir fremd diese Stimme, und Mitleiden mit dem Sterbenden trat jezt an die Stelle der Verzweiflung. – –

Demungeachtet folterte mich Ungewißheit, ich brach in lautes Wehklagen aus, meine erhizte Einbildung zeigte mir fürchterliche Dinge, ich sah Dich in Deinem Blute schwimmen. – Röschen hatte wieder die halbe Nacht durch an mir zu trösten. – Schreibe Dir diese Ahndung fest in's Herz, wenn Dir etwa einmal Schark aufstoßen sollte. – – Erinnere Dich meines Jammer-Geschreis bei so einem Auftritte, und schwöre mir beim heiligen Gott Deine Selbst-Erhaltung in jedem Falle! – Meine Furcht mag Dir jezt, da es noch Zeit ist, Bilder vormalen, sie mag Dir sagen, daß, wenn Du Dich je in einen Streit einließest, ich[107] dann, wie eine Rasende, meinen lezten Hauch mit dem Deinigen vereinigen würde! – –

Lebe wohl Theuerster! – Ich schreibe dieses Briefchen unter Furcht und Angst überfallen zu werden, bin aber demungeachtet ewig, ewig Dein trautes

Weib.

62. Brief

LXII. Brief

Friz kannst Du es verantworten, mich wieder so zu mißhandeln? – Unschuldig so zu mißhandeln? – Ich habe bei der gestrigen Mahlzeit weder geschäkkert, noch gelacht, und am allerwenigsten, wie Du sagst, geschwelgt, davon ist ja die ganze Gesellschaft Zeuge, die mich in Deiner Gegenwart über meine schwermüthige Laune aufzog. – Ich hatte über den lüsternen Buben, der an meiner Seite saß, eben so wohl Galle, als Du, und bitter waren meine Antworten, die ich ihm gab, aber nicht leichtsinnig! –

Wenn Dich der elende Kerl durch seine Zudringlichkeit beleidigte, was kann ich dafür? – – Gieng mir sein Betragen nicht durchs Herz? – – – – Ich bitte, ich beschwöre Dich, sey vernünftig, bedenke wohl, was Du thust. – Du bist mir Pflichten schuldig und darfst sie ohne Niederträchtigkeit nicht verlezzen, dann ich verlezze sie bei Gott auch nicht? – Dein Zweifel an meiner Liebe ist Höllenverbrechen, das Dir Satan eingegeben hat! – Willst Du mich mit Gewalt zur elenden Kreatur erniedrigen; dann wird diese lieblose Beschuldigung ein Werk vollenden, daß meine Lebenstage so geschwind als möglich abkürzen soll!!! –

Beruhige mich, wenn Du nicht ein undankbares Geschöpf bist, wenn ich Dir nicht einstens in der Todesstunde noch fluchen soll! – Wie kannst Du gegen Dein Weib so [108] hart seyn, die Dich ewig mit aller Deiner übeln Laune doch lieben wird? – Friz, habe ich dies wohl um Dich verdient? – Du machst mich elend, bei Gott äußerst elend, wenn Du mich nicht recht bald beruhigst! – Ich muß Dich heute sprechen, ich muß, sonst sollst Du das entschloßene Weib kennen lernen! – –

Nina.

63. Brief

LXIII. Brief

Guten Morgen, liebe Seele! – Wie ist Dir? – Um Gotteswillen, wie ist Dir! – Mir war gestern Abend gerade, als stieg ich in einer Todesangst vom Schaffot herunter. – Ich fühlte die Erstarrung meiner Glieder, und tiefen stummen Schmerz, der an Wahnsinn gränzte! – Mein Gehirn war durcheinander geworfen, meine Vernunft zerknikt und siedheiß mein Blut! – –

Du dauertest mich, Armer, und ich konnte Dir doch nicht helfen. – Sey ruhig, einziger Liebling meines Herzens, Nina hat gewis nie aufgehört Dich zu lieben. – Ich bin heute wie zusammengeschlagen, aber dabei so ziemlich ruhig, sey es doch auch Friz, sey es auch, meine Glükseligkeit fodert es von Dir. – –

Bei den heiligen Gattenpflichten faße Dich, sonst wird meine Abreise noch immer mehr und mehr verschoben. –

Uebrigens kümmere Dich um nichts weiter, so kühn die Anschläge der Wollüstlinge auch immer scheinen, so wird es doch keiner wagen, sich mir zu nahen. – Die Lasterhaften können wohl ihre Zähne blökken, aber beißen dürfen sie nicht, sonst tritt man sie mit dem Fuß zurük. – Also ruhig und keine Sorge, wenn es aufs Aeußerste kömmt, so sollst Du [109] Deinen Karakter nicht mit ihnen besudeln..... Dann reise ich in einigen Tagen fort, und hiemit Punktum! –

Deine liebe Gattin.

64. Brief

LXIV. Brief

Rosenthal, den 19ten Oktober.


Theuerster, beßter Gatte! – – Untersuche den Kummer bei unserer Trennung in Deinem eignen Herzen, und Du wirst den Wiederhall des meinigen finden. – Sezze dann von meiner Seite noch weibliche Furcht, Zagheit und Schwäche meines Geschlechts hinzu, und mein Gram wird den Deinigen überwiegen. –

Nun bin ich entfernt von Dir, auf einmal entfernt von der Wärme eines Busens, an den ich mich jede Stunde des Tags vertraut anschmiegen konnte. – Noch ist mir alles Traum, noch bin ich zu wehmüthig um an die Möglichkeit dieser Trennung denken zu dürfen. –

Wir kamen in unserer Einsidelei glüklich an, die Leute empfiengen uns gut, und Röschen suchte mir den Kummer vom Herzen wegzuschäkkern, aber für diesmal ist es ihr nicht gelungen. – Gestern Abend konnte ich nichts thun, als staunen und weinen über eine Trennung, die mir schröklich schwer fallen wird. – Zanke mich nicht Friz, ich mußte weinen, wie ein Kind, und was ist denn auch meine Gesundheit gegen den süßen wollüstigen Leiden einer zärtlichen Sehnsucht? – Ich will ja gerne ruhig werden, aber gewiß nicht eher, als bis ich an Deiner Seite bin; ein Weib ohne Mann ist ein schwaches Pflänzchen, das jeder Sturm niederreißen kann? – Wie stehts um Deine Gesundheit? – Gott! – Du sahst so blaß aus, als Du mir den lezten naßen Kuß aufdrüktest! [110] Halte Dich gesund, denn, wenn Du sinkst, so bin ich unwiederbringlich verloren! – –

Die Liebe mag Dich jezt zur Thätigkeit anfeuern, wenn es Dir nicht vor meinem Grabe schaudern soll, das ganz gewiß meiner wartet, wenn meine Lebhaftigkeit durch zu lange Trennung getäuscht würde! – – Bang ist mir schon ein Tag, aber unausstehlich eine Woche Entfernung von Dir! – Doch das Schiksal will es, und ich darf nicht dagegen murren. – – Auch darf ich Dich wohl an keine Pflichten erinnern, Du weißt, daß mein Loos das schröklichste wäre, wenn Dich je Menschenbosheit zur Veränderung stimmen könnte. Ich bin jezt so ganz Zutrauen in Dich, verkenne nicht den ehrlichen Mann, der mich rettete und jezt an mir so handeln wird, wie ich es von Deinen herrlichen Grundsäzzen erwartete. –

Einem weniger Edlen hätte ich mein Schiksal nicht anvertraut, und ich bin versichert, daß, wenn auch die Hölle sich öffnet, Du dennoch standhaft bleiben wirst. – Immer hieltest Du mich für zu schwach, um mich von der unwürdigen Base und Schark loszureißen; hast Du denn bei meiner heimlichen Abreise nur eine einzige Spure Schwachheit erblikt? – Menschheit war es, die sich in mir empörte, und sonst nichts. – Willig ließ ich mich von Deinem Arm leiten, und wenn Du mich auch zum Tode geführt hättest, gleich viel! – – –

Du kömmst also in einigen Tagen? – – Kömmst zu Deiner Nina, die einsam auf dem Lande sich blos mit dem Gedanken an Deine Liebe nährt, kömmst an den Busen Deines treuen

Weibes. [111]

65. Brief

LXV. Brief

Rosenthal den 21ten Oktober.


Lieber Herzens-Gatte! – Ist das nicht zum todt ärgern, gestern kam die Post nicht und gieng auch nicht ab, folglich blieben unsere Briefe liegen, und wir erhalten sie erst heute. – Montags kannst Du mir schreiben, aber ich Dir nicht, Dienstag kömmst Du selbst, dann reden wir wegen der Post-Ordnung ab. – Trage ja Deine Briefe zeitig genug auf die Post, sonst leide ich Todes-Angst, wenn einer liegen bleibt! –

Lieber Friz, wenn Dich nicht wichtige Gründe abhalten, so mußt Du ohne Fehler kommen. – – Du wirst große Augen machen, die Wirths-Leute fangen mich an zu drükken, und meine Börse wird es tüchtig empfinden, wenn Du nicht gleich eine andere Einrichtung triffst. – Das Volk muß mich für eine verwunschene Prinzeßin halten, weil es mich so übertrieben zahlen macht. – Schreibe mir, ob Du geritten oder gefahren kömmst und welchen Weg Du eigentlich einschlägst, damit ich Dir entgegen kommen kann. – Reite mit Thor-Aufschluß von Hause weg, und nimm ja eine geschikte Ausrede. – – Gott! – Gott! – Warum darf der Mann sein eignes Weib nicht öffentlich herzen und küßen? – O Vorurtheil, du abscheuliches Ungeheuer! – Sonst hieng ich um diese Zeit an Deinen Lippen, und nun weg von Dir, entfernt von einem Umgang, der mich so manches lehrte, der mich so glüklich machte. – Gott! – So ein Verhängniß greift in die Seele! – Ist schröklich für ein liebendes Weib, die sich ihrer Liebe vor aller Welt Augen nicht schämen dürste! – –

Ha! – Wenn ich Dich wieder sehe, wenn Du mich wieder küßest, wenn Du wieder im trunknen Taumel Nina herausstotterst, dann, o dann, will ich weinen und fühlen! – [112] Friz, wie ist Dir denn? – Ich bin wie verloren, ich würde es ohne Dich nicht länger aushalten können, ich würde Dich abholen und mitschleppen, und sollte es auch bis an's Ende der Welt gehen! – –

Du mußt, Du mußt mir aus Liebe bald folgen, sonst weh, weh Dir! – Tausend Küße, tausend Lebewohl von Deiner abwesenden Gattinn. – –

66. Brief

LXVI. Brief

Rosenthal den 23ten Oktober.


Theuerster Gatte! – Zwei Briefe erhielt ich gestern, und zwei heute. – Wie kömmt es, daß Du den Sonntag vorbeistreichen ließest, ohne an mich zu schreiben? – Jesus Maria! – dachte ich mir, was ist das? – – Was ist meinem Gatten zugestoßen? – Entsezzen überfiel mich, bis ich aus Deinem lieben Briefe wieder Herzens-Trost einsog. – Ich würde mich über diese Kleinigkeit nicht beunruhigt haben, wenn ich Dein Feuer, Deine Thätigkeit nicht kännte. Gesezt Du könntest Mittwochs nicht kommen und auch keine Briefe – Gott im Himmel, ich würde verzagen. – –

Der morgende Tag und die heutige Nacht werden für mich schröklich seyn, weil ich diesen Tag mit wollüstiger Wehmuth an Deinem Busen zu verträumen hoffte. – – –

Nun will ich versuchen, einige Stellen Deines Briefs zu beantworten. – – Ist es möglich, Schark war bei Dir? – O ich bewundere Deine Stärke und verehre Deine Liebe, die aus Klugheit selbst Schimpfworte über mich zu ertragen wußte. – Denke Dir einmal mich Arme in die Klauen dieses Menschen, wenn er mich entdekte? – – O dann hätte ich ausgelebt! – Besonders, wenn die alte habsüchtige Baase mitkäme um mich aufzusuchen; so etwas wolle der Himmel verhüten! –

[113] Ich habe meinen Plan schon entworfen. – Ich sizze den ganzen Tag im verschloßenen Nebenzimmer, und sobald ich Scharks Stimme höre, dann wage ich den mir vorgesezten Sprung aus dem Fenster in Garten; springe ich glüklich, so ist es gut für Dich und mich, versteht sich, wenn Du zu meinem Schuz nicht bei der Hand seyn solltest. – Anders wüßte ich mich nicht zu retten, denn was ist ein schwaches Geschöpf gegen einen Rasenden? – Hier im Hause sind indessen die besten Maasregeln getroffen, wenn Du kömmst, so magst Du es noch vorsichtiger einrichten. – Für Deine übrige Sorgfalt tausend Dank! Meine Liebe sey Dein Lohn, kannst Du mehr fordern, da ich doch außer Dir so arm bin? – Mein Röschen ist sehr gebeugt, die Stille will ihr nicht behagen, ich kann es ihr nicht verdenken, man muß so wie ich lieben, um den ärgsten Kerker erträglich zu finden. – Das Mädchen kann gar nicht begreifen, wie man aus Liebe einen solchen Aufenthalt, von aller Menschheit entfernt, wählen kann? – Die Eiskalte hat wohl nie keinen Friz gekannt! – Dein Bildniß hängt an meinem Bette, es ist bald völlig abgenüzt, von lauter Küßen.

Uebrigens segne ich meinen Aufenthalt, so schröklich er auch immer ist, wärst Du bei mir, dann willkommen die erste beste Hütte. Mein Mädchen sagt zwar immer, um einen König würde sie sich keinen solchen Aufenthalt wählen, aber sie hat gut schwäzzen, sie weis ja nicht, wie sehr ich Dich liebe. –

Engel unter den Menschen, laß mich in Deinen Schuz werfen; nie werde ich Deinen Zorn verdienen, aber vielleicht Dein Mitleid, Deine Nachsicht, Deine Sanftmuth, Deine Führung. – Und wenn ich dann je einen Werth besizze, so sey er Dein und werde durch Dich vollkommen, durch Dich erhöht, durch Dich zum wahren Werth. – Kannst Du von einem Weibe mehr fordern, der Du immer so viel Stolz vorrüktest. – – –

[114] Du warst seither einmal bei der M... es freut mich, wenn sie mir gut ist, o wie wollte ich das Mädchen dafür herzen und küßen, wenn sie Dir Deine Leiden tragen hälfe! – Sey aber behutsam, Du weist, unsere Lage erfordert es. – Besuche immer zuweilen eine meiner Freundinnen, und heitere Dich auf, lieber Friz, Deine Nina bittet Dich darum aus ihrer Einsamkeit. – Ich will es gerne glauben, daß Dich alles an mich erinnert, Deine Liebe ist ja so unermüdet, daß Dich jeder Gegenstand zur Vergleichung anruft. – O Du sagst mir mehr von Deiner Liebe, als mir ein ganzer Himmel voll Engel versichern könnten. – Und doch bin ich unersättlich von Deiner Liebe reden zu hören, und doch bin ich noch etwas weniges furchtsam, weil ich mir in der weiten Schöpfung kein solches Ideal träumte. – Es ist mir so neu, so fremd, so entzükkend, ich könnte den erwürgen, der mir die Wahrheit davon abstreiten wollte. – O gesegnet sey mir Deine Liebe, gesegnet, wie am ersten Tag ihrer Entstehung. – Sag, Theurer, wie könntest Du je eifersüchtig seyn? – Du kennst ja das Innerste meines Herzens, alles ist Dein, meine Schwachheiten und Tugenden, meine Fehler und Vorzüge, verstoße dieses Herz nie, oder ... Mein Gott! – Zu was mich meine Schwermuth wieder verleitet! – Aber denke Dir auch einen Ort, wo man den ganzen Tag keinen menschlichen Laut hört, denke Dir Dein Weibchen in ihrem Kämmerchen verschloßen, wie sie da sizt und die Stunden Deiner Ankunft zählt, wie Liebe, Kummer, Furcht und Sehnsucht an Ihrem Herzen nagen, denke Dir alle diese Beweggründe und wundere Dich nicht mehr über meine Schwermuth. – Heute hörte ich ein Pferd daher traben, da sprang ich zum Fenster und ... es war nur ein Bauer. – Röschen erschrak, die Täuschung drohte mir eine Ohnmacht. Nein, so rasch darf ich in Zukunft nicht mehr seyn, sonst [115] schade ich meiner Gesundheit. – Lebe wohl liebster Gatte, komm bald in die Arme Deiner Nina. –

Phantasie einer fühlenden Gattinn, von Nina

Mit gepreßtem Herzen, mit ängstlich kämpfendem Busen, mit einer Thräne im Auge saß ich einst schwermüthig an meinem Schreibpult. – Alles um mich herum war feierlich stille, kein Menschenlaut ließ sich hören, nur Sehnsucht und Andenken an Dich, Einziger, schwellten mein Herz. – Ich träumte mich wonnetaumelnd an Deinen Busen hin. – Leiden, die vielleicht noch kein weibliches Herz empfunden, tobten in meiner Seele! – – Trennung! – Ha! – Dies gräßliche Wort erschütterte mich durch und durch! – Wo bist Du jezt Sohn der Liebe? – rief ich laut ... Wo bist Du jezt? – – Komm, o komm doch wieder einmal in meine Arme! – Gott! – Welche Seligkeit wäre der meinigen gleich, wenn ich Dich jezt nur eine Minute an dies klopfende Herz drükken könnte! –

Theure, edle, gute Seele, wenn Du wüßtest, wie unausstehlich mir Deine Abwesenheit, wie jeder Gedanke mir verhaßt ist, der mich nicht an Dich erinnert, wenn Du sehen könntest, die Thränen, die um Dich fließen, den Gram, der Dir geopfert wird, die Qualen, die ich anbete, Ha! – Du würdest eilen, Du würdest laufen, um durch einen feurigen Kuß alles zu heilen, was mich jezt so unbarmherzig martert! – Gerechter Gott! – Was bin ich für eine Träumerinn, als ob es blos bei Dir stünde, als ob Du kommen könntest, als ob Dich nicht das Schiksal davon abhielte. – Nun so laß mich denn weinen, laut weinen über Deine Entfernung! – O willkommen ihr süßen Zeugen meiner Wehmuth, willkommen ihr Thränen der gekränkten[116] Liebe, fließt immer fort, ihr seyd mir gesegnet, denn ihr fließt um den Beßten unter den Menschen, um einen Jüngling, deßen Werth in der großen Schöpfung für mich nicht mehr zu finden ist, – und wenn alle Königs-Söhne zu meinen Füßen lägen. – –

O der holde, der liebevolle Junge, was seine sanfte Art in der Liebe entzükken kann! Wie sein Feuer, seine glühende Schwärmerei sich in's weibliche Herz schleicht! – Wie er mich hinzuzaubern wußte in die größte Glükseligkeit durch seine Liebe! – Wie er so lange küßte, bis ich hinsinken mußte an sein laut pochendes Herz! – Und das alles jezt nicht mehr? – Nicht mehr für mich Arme? – O Schöpfung! O Menschheit! O Natur! – Ihr seyd schön, aber für mich nicht mehr, einst liebte ich euch an der Seite meines Frizzen, einst fühlte ich für euch in den Armen meines Gatten, aber jezt ... O mein Gott! – Jezt bin ich allein, bin entfernt von ihm, und liebe nichts weiter, als dich schwarzer Gram, du wirst mich bald hinraffen in eine Welt, wo Ruhe meiner wartet! –

Laßt mich doch ihr Menschen, ihr Stöhrer meiner Liebe, laßt mich hinsizzen und staunen über mein hartes Schiksal! – Ha! – Es drükt, es drükt fürchterlich auf meiner Brust! – Der Wunsch Dich zu sehen, mein Gatte, läßt sich nicht mehr zurückweisen, ich will, ich muß Dich haben, ich muß, ich muß Dich aufsuchen!!! – Halt! – Wer klopft? – – Allmächtiger Gott, meine Ahndung ist erfüllt, er ists!!! –

Du süßer Liebling meiner Freuden, erstikke mich nicht mit Deinen Küßen! – Sey gelaßen, sieh, wie meine Kniee zittern! – Diese Ueberraschung, und das gerade in den Augenblikken meiner größten Leiden... Schwärmer halt ein! – Du erdrükst mich! – Sprachlos war während seiner Unterredung meine Zunge, wallend mein Blut, naß meine Augen. Wem dieser Zustand begreiflich ist... Der fühle mir nach!!! –

[117]

67. Brief

LXVII. Brief

Rosenthal, den 26ten Oktober.


Theurer, unendlich theurer Gatte! – O wie kurz war der Augenblik unserer Umarmung! – Wie geschwind eilte er vorbei, der seligste Traum unserer Wiedervereinigung nach so vielen überstandenen Leiden. – Ich hatte ja kaum Zeit Dich anzustaunen, in den wenigen Minuten Deines Aufenthalts konnte ich nichts thun, als küßen und weinen. – Trug ich nicht ein volles Herz im Busen, das in meiner Einsamkeit auf Deine Theilnahme wartete? – – Einsamkeit nährt die Liebe, nährt die Schwermuth, und dann keine fühlende Seele um mich herum zu haben, die mich verstünde ... O Gott! – Braucht ein so warmes Herz, wie das meinige, wohl diese Reize in der Liebe zu seiner völligen Prüfung? – Ist es nicht ohnehin glühend, feurig und schwärmerisch genug gestimmt? – Hast Du es nicht gefühlt, Friz, das lebhafte Weib an Deinem Halse? – Hast Du ihr leidenschaftliches Zittern nicht gemerkt? – Bei Gott! – Wenn ich auch keine Gegenliebe von Dir verdiente, so verdiente ich doch das wärmste Mitleid! – Wer kann sich Mensch dünken, ohne daß er wahren Antheil an den Leiden eines Liebenden nimmt? – –

Ich will in meinem jezigen Zustande vor dem Allmächtigen schwören, alle Liebenden, die mir einst aufstoßen werden, zu pflegen, zu trösten, zu laben, denn ich weis, wie wohl es mir thut, wenn die Menschen nur von weitem Mitleid gegen mich zeigen. – –

Als Du mich verließest, durfte ich nicht weinen, traurig sah ich Dir nach, und wenn Röschen mich nicht mit Gewalt von dem grünen Pläzchen gerißen hätte, ich glaube, die Nacht hätte mich auf dieser Heide unvermerkt überfallen. – –

[118] Unwillig ließ ich mich nach Hause schleppen, dachte dann einsam wieder alles durch, was Du mir sagtest, und sah izt Deine Vorzüge millionenfach, weil ich Dich vermißte. – Nur Kummer und Sorge unterbrachen zuweilen die nachgekauten Freuden meiner genoßenen Liebe. –

Mehr trübe als heiter wollte ich die Treppe hinauf steigen, als mich die Wirthinn zu sich in die Küche bat, ich gieng, und dann berührte das gute Weib gerade die gespannte Saite eines von Liebe angeschwollenen Herzens. Sie versicherte mich mit innigster Freude, daß Du meine Stiege zu zwei Stufen auf einmal athemlos hinauf gesprungen seyest. – Was mich diese Entdekkung wieder aufs neue erfreute, wie ich mir das Nemliche wohl zehenmal von dem Weibe wiederholen ließ, wie Röschen mich heimlich stoßen mußte, um meinem Taumel vor dem umherstehenden Gesinde ein Ende zu machen, o mein Friz, das hättest Du alles sehen sollen! – Doch was wäre dies gegen Deine Liebe, Du übertriffst mich ja tausendmal in der Zärtlichkeit. – Und ich glüklich und doch unglükliches Weibchen kann Dir mit nichts hinlänglich danken. – Freilich habe ich ein Herz, das lieben muß, ein ewiges Loos hat es über mich verhängt, und doch war ich so unglüklich, an Elende zu gerathen, die dieses Herz mit all seiner Liebe so unbarmherzig zerfleischten! – Beleidigt, in Staub getreten, betrogen, hintangesezt, verlaßen, und hintergangen! – Siehst Du, wie dies Andenken wieder in mir tobt? Das Gift der Schwermuth hat Wurzeln gefaßt, sie würden wieder aufkeimen, wenn ich sie nicht um meines Frizens willen in diesem Augenblikke erstikte. –

Deine Liebe sey nun mein Himmel auf dieser und jener Welt, Deine Liebe sey der einzige Gedanke zur Vergeltung meines überlebten Elendes, sie sey mir Alles in Allem, aber auch gute Nacht Licht der Sonne ... Hier bei dem ehrwürdigen Namen der Natur sey es geschworen. – Gute Nacht [119] Licht der Sonne, wenn mir das Schiksal und böse Menschen Deine Liebe raubten! –

Weg nun vom Altar des Schwures, dieses heilige feierliche Gelübde komme nie zur Ausführung. – Du hast mir geschworen, daß Dich tausend Schiksale nicht abhalten sollen von mir zu laßen. – Du bist Mann, denkender Mann, dem sich jedes Mädchen an vertrauen dürfte. – Aber für Deine Standhaftigkeit will ich Dich auch so pflegen, daß Du im grauen Alter noch sagen sollst, es lebe doch nur eine Nina! – Zeige mir eine von meinem Geschlechte, die Dich mehr schäzt, und ich will ihr mit Verlust meiner ganzen zeitlichen Glükseligkeit, auf Unkosten meiner Verzweiflung Deinen Besiz abtreten! – Ja das will ich! – Aber Du findest keine, ich darf es mit kühnem Stolz behaupten, die so innig überzeugt von Deinen moralischen Vorzügen ist, so fest an Dich gekettet, so unzertrennlich an Dir hängt, und so sehr an Dich gewöhnt ist. – – Ja Friz, das ist Deine Nina, die sich alles dies mit Liebe in ihr Herz schrieb, und es soll darinnen stehen bleiben, bis Du mir die Augen zudrükst. – – O mein Gatte! – Mein Friz! – Könnte Nina Dich mehr lieben? – – Engel, Theuerster, Liebster, lebe wohl bis Morgen ....

Dein liebendes Weib.

Nina's Empfindungen, an dem Tage da keine Post war

Traurige, bittere Tage, wie qualvoll seyd ihr für mein Herz, das seine Glükseligkeit in eine Nachricht sezt! – Fürchterlich einsam schleicht ihr dahin und macht mir meine Einsamkeit zur unerträglichsten Marter! – Jesus Christus! – Was litte ich heute, was werde ich erst morgen leiden, wenn sich die Sehn sucht nach einem Briefe noch vergrößert? Sonst [120] sah ich meinen Gatten täglich, und nun so lange Zeit weder ihn, noch seine Zuschrift. – Die ganze Natur hat sich wider mich verschworen, denn sie versagt mir den Schlaf und ruft mit Barbarei die Stunden in mein Andenken zurük, wo ich sonst so ruhig an seinem Busen lag! – O Gott! – Sey milde, nimm weg von mir den Drang, der gewiß meiner Gesundheit mit ihrem Sturz drohet! –

Du liebst mich, holder Gatte, aber fühlst Du auch in der großen Welt mein Elend? – Hebt Dir der Kummer Deinen Busen auch so hoch? – – Stokt der finsterste Gram Deinen Athem auch so geschwind? – – Komm liebes Bildniß meines Gatten, laß Dich an dies ängstliche Herz drükken, bis Du zu leben anfängst! – O Du abscheuliche, häßliche, eiskalte Materie!!! – Warum lebst Du denn nicht auf? – Warum bist Du eben so undankbar, als es die Menschen sind? – Küßte ich Dich nicht warm genug? – Vergoß ich nicht Thränen auf Dich? – Drükte ich Dich nicht wie ein Heiligthum an dies jammernde Herz? – Und doch leblos, und doch unbeweglich? – Kann Dich denn mein Gefühl nicht bewegen? – Bist Du so grausam, mich laut weinen zu laßen? – Ha! – Wohl mir! – Es wird leichter! – Sie rollen herunter über meine Wangen, die Zeugniße meiner Schwermuth. – Den ganzen Tag über fühlte ich schon unterdrükte Leiden, die Thränen brechen jezt wider meinen Willen los, und wer mich hierüber tadelt, ist ein Elender, deßen Gefühl gescheitert hat. – Wer denkt auf seine Gesundheit, wenn er liebt? – Wer denkt auf seine Selbst-Erhaltung, wenn süße Schwermuth das Herz überwältigt? – – Wer kann jezt meinen Zustand begreifen? –


[121] Frühe um fünf Uhr.


Das war eine Nacht! – So schröklich habe ich noch keine erlebt! Hier liegen sie auf diesem Papier die Tropfen der innigsten Wehmuth, die ich diese Nacht aus Liebe weinte! – Schlaf kam keiner in meine Augen, aber ein dumpfer Zustand war mein Loos, in dem man Alles und auch Nichts fühlt! – Süße Wollust hatte sich meiner bemeistert, ich schwärmte in meiner Phantasie bis zur äußersten Mattigkeit in den Armen der Liebe herum! – Aber auch nur wenige Minuten übertäubte dieses Gefühl den Gram, der an meiner Seele nagte, und als sich meine Sinnen plözlich zur neuen Denkkraft erholten, Gott im Himmel, da fühlte ich wieder alle Leiden der Einsamkeit und der Trennung!!! – Ich überdachte die mir bevorstehende schrökliche Länge des heutigen Tages, zitterte vor mir selbst und fluchte meiner Hizze, die mich zur Mörderinn meiner Ruhe macht! –

Heilige Mutter Gottes! was wird das werden? – Friz, um Gotteswillen, Friz, Du verlierst Deine Nina! – Die Liebe wird ihr Grab, sey doch mitleidig, komm ihr nicht mit kalten Trostgründen entgegen. Ist sie nicht ohnehin Dulderinn genug? – Kämpft sie nicht mit Trieben, die sie außer Dir nicht ein einzigesmal in ihrem Leben empfand? – O Barmherzigkeit, Vater im Himmel, Barmherzigkeit! – Ich kenne mich nicht mehr! – So werden denn sogar meine Sinnen die mithelfenden Tirannen, die mich ganz zu Boden drükken! – Ha! – Ich Elende, wo ist meine Ruhe? – Wo das sanfte Gefühl der Liebe, das mich ehdeßen zu keiner Wildheit verleitete? – Friz, Du bist an Allem Schuld, Du hast mich hingerißen zur wunschvollen Liebe, und Du bist Der, bei dem alle meine Wünsche stehen bleiben. – Bei andern Bekanntschaften schwärmte nur mein Geist, das Blut blieb kalt, aber jezt ist Alles wider [122] mich, Alles kocht, Alles vereinigt sich, mich in Staub zu werfen, wohin unglükliche Liebe gehört! – –

O meine Ruhe, o meine Gesundheit! Wäre es auch nicht um Dich Friz, möchte immer diese leztere schwinden. – Wäre Gesundheit dahin, Alles würde dann schweigen; was könnte dann ein Gerippe wohl mehr fühlen? – Todesschauer machte dann den siedenden Wallungen Luft, die jezt so glühend durch meine Adern kreuzen! – – Lieber Gott im Himmel, sag, warum hört mich denn mein Friz nicht? – Komm wieder, Du Bildniß, so kalt du auch immer bist, so will ich mich doch an dir satt küßen, vollends will ich mich vergiften zu namenlosen Leiden!!!


Sonntags nach Tisch.


Ich bin zurük, mein Geliebter, von einer großen Strekke Wegs, die ein schwächeres Weib gewiß nicht zurük gelegt haben würde. – Ich mußte hinaus in Gottes frische Luft, es litt mich nicht mehr im Zimmer, da irrte ich denn und irrte, ohne zu wißen wohin? – Wälder, Wiesen und Weinberge habe ich der Menge nach durchgelaufen. – Du hättest mich sehen sollen, wie es mich herum trieb, gerade wie das böse Gewißen eine Sünderinn herum treibt. – Trübe war das Wetter, so trübe wie mein Inneres! – Ich lief B... zu, ohne es zu wißen. – Bald hätte ich Gefahr und alles vergeßen und wäre schnurstraks zu Dir geloffen, kaum konnte ich noch meine widerspenstigen Wünsche bezähmen, sie tobten wütend nach Dir, nach Dir!!! –

Mit aller Macht meiner Vernunft mußte ich die feurigste Sehnsucht bändigen und ich kehrte dann wieder, wie eine Verirrte, wie eine Wahnsinnige, zurük. Drei Stunden waren schon zurükgelegt, eh ich nur die Gegend wieder erkannte. – Bedenke einmal, wenn mich in diesem Zustande [123] die Nacht überfallen hätte. – Doch was wäre denn auch ein hartes naßes Lager gegen die Leiden der Liebe gewesen? – Der Himmel zu meiner Dekke, wilde Thiere zu meiner Gesellschaft, Thränen zu meiner Labung. – Friz! – Gatte! – Mann! – Du weißt gewiß nicht was und wie viel ich bei dieser Trennung leide? – O meine verstorbene Mutter sagtest Du nicht oft: Liebe, Liebe, bringt Dich um!!! –

68. Brief

LXVIII. Brief

Rosenthal, den 30 November.


Ewig theurer Friz! – Gestern konnte ich Deinen Brief kaum abwarten, es trieb mich, ich mußte wenigstens Röschen entgegengehen. – Lies aus beiligendem Aufsaz, was ich die zween Tage ausstund, weil die Post nicht kam. – Gott, so macht denn eine Sorge der andern Plaz? – Kaum entzükte mich eine Nachricht von Dir, so sehne ich mich schon wieder nach einer andern. – O warum bin ich denn ein so ungedultiges Geschöpf? – Sonst war ich überall sanft, nachgebend, nur in der Liebe kennen meine Wünsche keine Gränzen. – Diese Entfernung Friz, diese Entfernung ist härter, als ich glaubte! – Ich bin so ganz taub für alle Ruhe; Dein Andenken, Dein Bild, Deine Stimme, Dein Wesen folgt mir in meiner Einöde, wie ein Schatten; bald sehe ich Dich lächelnd, bald mit einer Thräne im Auge, bald finster, bald ruhig, bald gepeinigt von Verdrießlichkeiten wegen meiner. – Ich wünsche, daß Du Dich bald von Deiner Familie losrißest! – O Ja Friz! – O ja, sieh Dein Weib bittet Dich darum. – Du sollst meine Dankbarkeit kennen lernen, ein dankbares, durch Liebe beseeltes Herz ist doch wohl im Stande das Leben eines fühlenden [124] Mannes zu beglükken? – Nicht wahr, Friz, Dankbarkeit ist die erste Tugend und der größte Beweis eines unverdorbenen Herzens. –

Englische, herrliche Seele von einem jungen Mann, sag, wer hat Dich denn so groß, so hervorragend in der Liebe und Freundschaft, in der Großmuth und Menschenfreundlichkeit geschaffen? – – Ich würde mein Leben, meine Seligkeit Deinen Händen anvertrauen. – – O sey mir gesegnet fünfter April, wo ich Dich zum erstenmal sah! – Sey mir gesegnet Augenblik, wo Du von mir Liebe fodertest, die ich schon so lange heimlich für Dich im Busen trug. – Und wie ich dann so hastig zugriff, wie ich nach Dir haschte, wie ich Die wurmstichigen Seelen, die ich vor Deiner kannte, gleich alle von mir wies und nur Dir anklebte. – Weißt Du noch, Friz, – wie ich Dich gleich vor jenen Galanterie-Helden verehren mußte, – wie Du mich hinzogst an Dich mit Göttermacht, wie ich alle kleinen Eitelkeiten vergaß, wie ich nur Dich sah, nur Dich hörte, nur von Dir wißen wollte? – Ha! – Seliges, seliges Andenken, daß mich in meiner lezten Stunde noch erquikken soll! – Nun gehe hin Du Liebling und suche Dir in der weiten Welt ein Weib, die das fühlt und die jedes Gefühl durch Denken verfeinert, vergrößert, die das kleinste Theilchen von Deinen Verdiensten sich zum Himmel schaffet. – – Mit dieser Ueberzeugung Deiner moralischen Verdienste lieben gewiß wenige Mädchen ihre Liebhaber, ich kenne mein Geschlecht, es hängt sich zu gerne an die Schale, zu gerne blos an Körper. – Unter dem Schwarm meiner Anbeter war ich in Rüksicht Deiner immer mißtrauisch gegen mich, ich glaubte Dich nicht wonnetrunken genug, um Dich an meine mächtige Liebe hinzureißen, nur zuweilen flüsterte mir meine Eitelkeit in's Ohr: Vielleicht würde ihm doch mein Herz willkommen seyn, wenn er es recht kännte, weil ich nur zu gut die elenden [125] Fleischbrokken von andern Mädchenherzen kenne. – Du, in den Händen einer solchen kaltblütigen Seele, von Gleichgültigkeit und Dummheit zusammen gestoppelt, Du in den Händen einer solchen hökkerichten Alltags-Seele, die an Dir abglitschte, wie an einem harten Stein. – O bei Gott, wenn Du einem solchen Geschöpfe in die Hände gerathen wärst, ich würde als Freundinn über Dein Schiksal rasend geworden seyn, wenn ich Dich auch nur in der Entfernung hätte lieben dürfen. – –

Eine solche Erinnerung kann mich trübe machen, Du kennst meine Begriffe von Dir, sie sind hell, trügen mich nicht leicht, aber wenn ich auch einmal den Werth einer Person einsah, dann lies ich mich nicht von ihr entfernen, und wenn mich das Vorurtheil in Stükke zerriße! – –

Nun denn, lieber Gatte, laß mich Dir künftigen Montag nicht umsonst entgegen zittern, wenn es anders die Klugheit erlaubt und Du kommen kannst. – Sey vorsichtig, daß man Dir nicht etwa auflauert. – – Komm, o komm sicher in die Arme Deiner treuen Gattinn. – –

Nina.

69. Brief

LXIX. Brief

Rosenthal, den 1sten December.


Nicht wahr, theurer Friz, ich war gestern beim Abschiede ein sehr schwaches Geschöpf? – – Gebeugt bis zur Erde, grausam bis zur Sträflichkeit, gegen einen liebevollen, fühlenden Gatten. – Aber wahrhaftig wenn die Welt zu meiner Strafe Einsturz gedrohet hätte, meine Thränen würden doch nicht aufgehört haben zu fließen, so schröklich tobte der Gram in meiner Seele! – Nie weinte ich sonst bei einem Abschiede, aber bei dem Deinigen war ich so schwach,[126] so traurig, daß mich eine Fliege hätte über den Haufen stoßen können. – Glaubst Du denn, daß ich mich vor den umherstehenden Leuten auch nur im geringsten schämte? – Als ich Deinen Wagen aus den Augen verlor, dann weinte ich laut über die Stiege hinauf, Röschen und die Wirthinn weinten mit. – Du hast den Jammer nicht bemerkt, den Du beim Abschiede allen diesen guten Leuten verursachtest, man liebt und schäzt Dich hier äußerst, o Du reißest durch Dein edles Betragen die Herzen so hin, daß sie an Dir hangen bleiben mußten! – Innigen Dank diesen guten Leuten für ihre Liebe gegen Dich, ich möchte sie alle dafür küßen, aber das alles macht mich noch mehr für Dich fühlen, wenn gleichgültige Menschen so an Dir hangen, wo giebt es denn eine Liebe, die Dir entspräche? – – Ueber diesen Gedanken sann ich sehr lange nach, und fand ... daß nur mein Tod hinlänglicher Dank für Dich Edler wäre! – O könntest Du Dich über einen Verlust trösten, könnte es Dir noch in einer Welt gefallen, wo keine Nina mehr lebte, wie feurig, wie unbeschreiblich geschwind, wollte ich Dir dieses Opfer bringen! – Ein Opfer, wozu kein anderes Weib so leicht Muth besäße, ein Opfer, wofür kein anderes Weib hinlängliche Liebe im Busen trüge, ein Opfer, das die Welt von meiner heftigen Liebe überzeugte, ein Opfer, das allen Denen, die meine Einsicht in deine Verdienste kennen, sagen würde, es muß ein göttlicher Jüngling gewesen seyn, denn Nina starb nicht um etwas Geringes! – –

Denke, Friz, so würden die wenigen Empfindsamen sprechen, die mir gut sind und mich von Person kennen, Eitle würden darüber spotten, weil sie nie ein solches Opfer zu erwarten hätten, Sinnliche würden sich nach Deiner Figur erkundigen, Thoren würden es mir zur Narrheit anrechnen, Bösewichter für Sünde, und Niederträchtige für Unersättlichkeit des Lasters, dessen Ausübung mir durch Deine Abwesenheit [127] nach ihrer Denkungsart versagt wäre. – Gott! – So würde man urtheilen, wenn mich nicht Religion und unerklärbare Liebe zurükhielte den Weg zu wandeln, den gemeiniglich nur gute Seelen aus zu großer Empfind samkeit wandeln.

Lies diese Stelle der M... vor und sie wird mit mir ausrufen, für Friz G... ist selbst vergoßnes Blut noch zu wenig! – Dank dir Allgütiger, daß du Frizzens erstem Mädchen Dummheit statt Einsicht in seine Verdienste gabst, sonst hätte ich ihn gewiß verloren, wenn das Mädchen Menschenverstand und nicht Stroh im Kopfe getragen hätte. – Auch Dir danke ich, Vorsicht, daß du mir bei meinen übrigen Bekanntschaften, Stolz und Kraft gabst mein Herz zu bändigen. – –

Nicht wahr, Friz, in der Liebe bin ich äußerst kritisch, äußerst heftig, mein Liebhaber darf mich mit keinem unbefriedigten Wunsche zu Bette gehen laßen, den meine Menschenkenntniß von ihm fodert, sonst erscheint mir der Betrüger in seiner wahren Gestalt, und wenn ich mich dann bei einer solchen Wahl verbluten sollte, so wüßte ich mir über kurz oder lang aus edlem Stolze Richtung zu geben, meine Leidenschaft müßte da schweigen, wo ich Niederträchtigkeit zu entdekken glaubte. – Ist meine Epoche mit K... nicht der Beweis davon? – – Er sezte mir schwärmerisch zu, aber Dank seiner Familie, daß sie ihn in's Kinderseßelchen zurükrief. –

Nun auch wieder zu unserer Liebe zurük: Als Du fort warst, kam die Wirthinn auf mein Zimmer, weil sie mich krank glaubte. Meine Augen waren angeschwollen, mein Herz vollgepreßt vom Kummer über Deine Rükreise. – – Die Gutherzigkeit der Wirthinn rührte Anfangs meinen wilden Gram gar nicht, aber als sie mit einer Art Entzükken von Dir zu sprechen anfieng, o da wurde ich weich wie ein Kind [128] und stimmte in ihrem Ton mit ein, daß das Weib die Hände über dem Kopf zusammen schlug und laut rief: Nein, so eine Liebe, wie unter diesen Leuten herrscht, haben wir noch nicht erlebt! – –

»Aber, Madame, das ist alles recht« (fuhr die Wirthinn fort) »das ist alles recht, Sie können immer lieben, aber nur ein wenig moderat zu Werke gegangen. Bedenken Sie einmal die Feinheit ihres Körpers, Sie sind wahrhaftig von keinen gemeinen Leuten da, nein, nein, das laße ich mir nicht weis machen. – Man darf ja nur Ihre Glieder ansehen und ihre Lebensart, es ist alles so etwas Hohes darinnen« ... Stille, mein liebes Weib, ich gehöre zur Menschheit wie sie, und komme einstens, wenn der Gram mein Herz abgestoßen hat, in eine finstere Grube wie sie. Hier floßen sie wieder über meine Wangen die Kennzeichen meiner weichen Seele. –

»Aber du lieber Himmel!« – (Fieng das Weib wieder an) »aber du lieber Himmel, so trösten Sie sich doch, sehen Sie, Ihr Schaz liebt Sie ja wie seine eigne Seele, wäre er sonst in diesem Schandwetter gekommen? – – Und für Verfolgungen von seiner Familie dürfen Sie auch nicht sorgen, ich will Den sehen, der sich in Ihr Zimmer drängt!« –

O das Weib war so beredt! – Daß Du sie ja mit einer Kleinigkeit beschenkst, damit sie es zu meiner Freude immerfort bleibt! – Du kennst ja die eigennüzzige Seele des Pöbels, ob mich das Weib gleichwohl von einer guten Art Pöbel dünkt. – Röschen hatte nach diesem Auftritt wieder an mir zu schleppen, denn ich war matt, und sie brachte mich aufs Bette, dann schlief ich bis gegen Abend, wo das Mädchen auf meinen Hauch horchte, ob ich denn auch noch lebte; denn die Wirthinn hatte ihr in Kopf gesezt, ich könnte aus Gram gähling sterben. –

[129] »Ja, ja, (sagte die Wirthinn ganz leise) ja, ja, die Frau hat alles innwendig und ist nicht wie unser eins, daß sie so vieles ertragen kann.« – –

Nun stund ich endlich, müde über dieses Geschwäz, auf und lief nach dem Burschen, der Dich begleitet hatte, er mußte mir sagen, wie Du fort gekommen seyst. – O recht gut, recht gut! – Tausend Rüße schikt er Ihnen zurük, sagte der Kerl, und ich ward etwas ruhiger.

Endlich wurde zu Nacht gespeißt; um 8 Uhr lag ich schon wieder im Bette und überdachte die festen Bündniße unserer Zärtlichkeit, die wir uns vor dem Angesicht des Ewigen, unter dem äußersten Gefühl, dessen die Menschheit nur fähig ist, wieder erneuert hatten; dachte, mein Friz müßte die Liebe und ihre Seligkeiten haßen, wenn er jezt nicht feurig an unserer baldigen Vereinigung arbeitete. – Dann fielen mir auch die glüklichen mit Dir verlebten Stunden wieder ein; ich bin doch eine unbegreifliche Schwärmerinn, weis mir aus jeder Kleinigkeit im häuslichen Leben eine Seligkeit zu schaffen. – –

Wie lebhaft sah ich Dich jezt wieder, mit Deinem blassen Gesichte, mit offenem Halskragen, zufrieden wie ein König an meiner Seite sizzen, wie Du dann meine Hand fest hieltest, mich zuweilen feurig küßtest, während daß Deine Seelenbildenden Gespräche mir Thränen ablokten. – Wäre ich bis zu Deiner Bekanntschaft eine Sünderinn gewesen, Du würdest mich mit Engelsgüte von der Verdammniß zurük gebracht haben. – Aber nicht wahr Friz, das war ich doch nie? – – O wie mich die Menschen und Dein Bruder vor Deiner Bekanntschaft so sehr verkannten! – Ich war doch blos feurig, lebhaft, ein Bischen eitel, wegen dem vielen Weihrauch, der meinen Talenten gestreut wurde, aber nicht ausschweifend, wie es Dir Dein liebloser Bruder weis machen wollte. –

[130] Ich hatte gegen die Männer Haß im Herzen und wandte meinen Kopf dazu an, um mich durch Koketterie an ihnen zu rächen, mich vor den Betrug schadlos zu halten, den ich auf Unkosten meines empfindsamen Herzens durch sie erleben mußte. – Aber erst jezt sehe ich ein, wohin mich dieser unglükliche Entschluß hätte leiten können. – –

Mein Herz wäre in der großen Welt nach und nach der Liebe abgestorben und endlich gewiß auch der Tugend. – Zur Menschenfeindinn würde ich zwar nie geworden seyn, dazu war ich zu eitel; zur stoïschen Maschine auch nicht, dazu war mein Temperament zu lebhaft; zur wahren Philosophinn auch nicht, dazu waren meine Grundsäzze noch zu unreif; aus mir wäre ein falsches Unding geworden, die am Ende von den Sinnen hingerißen der Raub von mehrern Bösewichtern hätte werden können. – –

Friz, ich will es Dir noch in der Ewigkeit danken, ich will es der ganzen Welt sagen, daß Du mich in Deine Arme zurükriefst, daß Du mich zu einer Liebe auffodertest, die meine Seele verbeßerte. – Sich es als ein Werk der Barmherzigkeit an, das Dir Lohn sammeln wird vor dem Throne des Ewigen, Du hast nun Seele und Leib von mir in Deiner Gewalt, kannst sie aufrecht halten, oder zernichten. – O ich Undankbare, wie ich nur so etwas aussprechen kann! – Gegen einen so moralisch denkenden Engel aussprechen, der auch ohne Liebe doch ewig, ewig für mein beiderseitiges Wohl sorgen würde. – Nimm hin den feurigsten Dank, guter, sorgfältiger Gatte! – Die Gottheit schuf Dich um mir den lezten Athem zu segnen zum ewigen Wohl. – Ja gewiß, Friz, überlebst Du mich, ich weis es so gewiß, als ich Deine Liebe kenne. – Urtheile von der Heftigkeit meiner Empfindungen, und wenn nun diese Empfindungen alle Tage nur einen Hauch von meinem Leben abrizzen, so eile ich wohl in wenig Jahren meiner Auflösung zu, aber nicht ohne Dich, o nur [131] dies nicht! – Wo wäre mehr auf dieser Welt ein Geschöpf, das Deine Seele ausfüllte? – Das so mit unaussprechlicher Güte an Dir hienge, Dich liebkoste, Dich verehrte, Dich schäzte. – O vergieb, holder Engel, vergieb meiner trüben Laune, kümmere Dich nicht, sie schadet meiner Gesundheit nichts, und wenn es auch wäre, Deine gutherzige Sorgfalt würde mich ja noch am Rande des Grabes retten, und dann flehe ich ja täglich den Schöpfer um Gesundheit an, zum Troste meines Frizzen. –


Abends.


Gutherzige Seele was magst Du wohl von meiner äußersten Schwärmerei denken? – – Ist sie bei Deiner gränzenlosen Liebe nicht sehr natürlich, da ich noch nie so geliebt worden bin? – – Und kann ich dafür, daß Schwermuth mir Glükseligkeit ist, wenn ich aus Liebe leide? – – Kann ich dafür, wenn mich außer Dir niemand kennen will? – Kann ich dafür, wenn meine Gefühle auf einen solchen Grad gestimmt sind? – – O mein Gatte, entweder habe ich Dir einstens völlige Gesundheit und gelaßnere Richtung zu danken, oder der Gram reibt mich auf, noch eh Du an meinem Busen liegst, wenn Du anders noch lange nicht kommen solltest. – Laß dies für keinen Vorwurf gelten, ich wäre ein Ungeheuer, wenn ich an Deiner Thätigkeit zweifelte, aber es liegt so schwer auf meinem Herzen, es ist mir immer als zwängst Du Dein Schiksal nicht. – Schon wieder rükt meine verwünschte Zagheit heran, o Friz, zanke mich armes, jammerndes Weibchen doch tüchtig; sey schärfer gegen meine Kleinmuth, heile mein Fieber, das freilich in meinem Nerven-Bau liegt, aber Dich so barbarisch zusammenschlägt! – – – –

Gott! – Wie wirst Du Dich wieder über meine Melankolie grämen! – Sey gelaßen, Du kennst mich ja, meine Empfindsamkeit, Deine Trennung und dann meine äußerste Anlage zur Schwermuth sind Gegenstände, die mich bei Dir [132] entschuldigen müßen. Der Allgütige ist mein Zeuge, daß ich es nicht aushalten könnte, wenn ich Dir nicht vorweinen dürfte; trage gedultig mein Gatte, es kommen Entzükkungen, die Dich schadlos halten werden. – – O dann wirst Du die Freuden der Liebe auch ungestört genießen, wenn ich einstens wieder in Deinen Armen bin! –


Tages darnach in der Dämmerung.


Guten Abend, mein inniggeliebter Gatte! – Guten Abend! – Hier sizze ich nun in der Dämmerung bei einer Grabes-Stille, unter den melankolischen Schatten der herannahenden Nacht und denke an Dich, ob es Dir wohl auch so wehmuthsvoll um's Herz ist, wie mir. – Ob Du auch so oft unsere Liebe in Gedanken durchläufst, die trüben Stunden zusammen rechnest, die wir schon mit einander durchlebt haben.

Ja wohl Friz, waren es der trüben mehr als unsere Herzen verdienten. – Weist Du noch die schröklichen Auftritte wegen beiderseitiger Eifersucht? – – O sage mir, was Du willst, man kann eifersüchtig seyn ohne Mißtrauen; aber unmöglich kann man so heftig lieben, ohne daß sich nicht ein wenig Furcht einander zu verlieren einmischt. Weist Du noch, wie oft Du bei jedem gefälligen Worte, das in Gesellschaften an mich addressirt wurde, toll werden konntest? – Wie sehr Dich die Schmeichler ärgerten, wenn sie so um mich herum sumsten? – O Du lieber Grillenfänger! – Um ein ganzes Jahrhundert haben dergleichen Auftritte Deine Liebe noch mehr befestigt. – Du wolltest ja nur Deine Vorrechte behaupten, die ich Dir, Herzens-Mann, mit voller Liebe eingeräumt hatte. – – –

O die abscheulichen Stuzzer, die blos um mich herum krochen, weil mein Bischen Verstand Aufsehen machte und [133] ihrer Eitelkeit schmeichelte, die Affen, die sich nichts weiter um mein Herz kümmerten und nur den bloßen Ruf in mir genoßen! Ich kann K... noch in Gedanken verachten; wenn ich denke, wenn ich mich erinnere, wie er sich denselbigen Abend Dir zum Troz so läppisch stellte. – Aber tüchtig spottete ich auch seiner, ich war gewiß grob genug gegen die stuzzerischen Maulaffen, hätte es doch nur der Wohlstand erlaubt, ich wollte ihnen gesagt haben: Seht ihr Thoren, seht ihn dort sizzen, den biederen, teutschen Jüngling, für den mein Herz fühlt? Er lehrte mich euch verabscheuen, denn sein Herz ist rein, es ist weder vom Eigennuz, noch von der Sinnlichkeit geschwärzt. Er windbeutelt freilich nicht mit seinen Vorzügen wie ihr, er erhebt seine schöne Seele wie ein Heiliger in der Stille über euch Budenkrämer der politischen Laster. –

Denke Friz, wie ich mich bei dergleichen Beobachtungen wieder aufs neue Deiner Liebe freuen mußte, wie ich an Deiner Seite so stolz daherschlenderte. – – In Gesellschaften hatte ich oft um Deinetwillen drolligte Auftritte! – Einstens sagte ich einem elenden Geschöpfe ins Gesicht: Um diesen Jüngling zu kennen und zu schäzzen, muß man selbst ein reines, unbefangenes Herz im Busen tragen. – –

Ich bin recht froh, daß in B... Deine Liebe meine Seligkeit ausmachte, ich hätte sonst mit Höllen-Haß eine Stadt verlaßen, wo unter den Männern außer Dir keiner nach meinem Herzen war. –

O Gott! – Du bist doch ein guter Gott, daß Du mir meinen Friz schiktest! – Was wäre ich jezt ohne ihn? – Noch in dem Umgange eines Sträflichen, der mich am Ende mitverdorben hätte. – Das Weiber-Herz ist doch ein närrisches Ding, so unbesonnen gut, so leichtgläubig, selbst gegen Unwürdige. – Aber nun sey mir willkommen glüklicher Anlaß, wo ich dieses Herz mit seiner Empfind samkeit an den [134] Busen eines tugendhaften Gatten drükken kann! – Tausendmal noch werde ich dem Schöpfer für diesen Anlaß danken, durch den ich meinen rechtschaffenen Friz erhielt!!! –


Nach Tisch.


Ich und Röschen aßen recht munter zusammen, Du warst der einzige Gegenstand unsers Gesprächs. – – O wie die lose Schäkkerinn mir so fleißig, so beredt von Dir zu erzählen wußte! –

Denke, Friz, das Mädchen hat ein recht gutes Herz, und wird jezt so brav, so arbeitsam; wir haben den ganzen Tag zusammen gestrikt, und vieles, recht vieles von Deiner Liebe geschwäzt. – Leben wir nicht wie die leibhaften Einsiedlerinnen? – – So eingezogen, so entfernt von den Menschen. –

O Du Ebenbild meiner Wünsche, was gäbe ich nicht um einen Nachkömmling von Dir, der mir in meiner Einsamkeit Gesellschaft leisten könnte! – Ha! – Dieses Glük überstiege wohl alle Leiden meines Lebens!!! – Jezt mein Herzens-Gatte will ich mich mit Deinem Andenken zur Ruhe legen, und erst morgen diesen ziemlich langen Brief an Dich abschikken. – – Gute Racht theurer Friz! – –


Morgens.


Theuerster, liebster Gatte! – Ich hatte einen gräßlichen Traum! – Die Thränen rollten so häufig auf mein Kopf-Küßen, daß es wie gewaschen naß wurde! – – Es träumte mir, Du hättest mich verlaßen, ohne mir die Ursache anzugeben, darüber verlor ich den Verstand, und war so bedaurungswürdig glüklich in meinem Wahnsinn, daß sich ein Stein erbarmt haben würde! – Du kamst dazu und jammertest um meinen Verstand, riefst laut; »O ich Ungeheuer! – Du armes, armes Weib, Du hast Deinen so schönen Verstand durch mich verloren! – –

[135] Nicht doch, (antwortete ich) mein Verstand ist ja nur spazieren gegangen, weißt Du, auf jenes grüne Pläzchen, und ins grüne Zimmer zu B..., überall hin, wo ich einst mit Dir glüklich war, ist mein Verstand gegangen. – Am Ende fieng ich gar an, Dich laut auszulachen, daß Du mich für unglüklich hieltst, und mir war doch so wohl, ich fühlte es ordentlich, daß alle Begriffe von Liebe und Ehre, von Beleidigungen und andern Leidenschaften, nicht mehr in meinem Kopfe wohnten. – Ich war blos thierische Maschine mit einer zerrütteten Seele, Kind ohne Kraft, und doch zuweilen so rasend stark, daß man mich in Spithal trug, und an die Ketten legen mußte, die Schwere dieser Ketten drükte meine feinen Knochen schröklich! – – –

Aber Gott sey ewiger Dank gesagt, es war nur ein Traum! Ich bin gesund, besizze Deine Liebe und meinen gesunden Verstand. – – Tausend Küße von Deiner beßten Gattinn. –

Nina.

70. Brief

LXX. Brief

Rosenthal den 3ten November.


Lieber, holder Gatte! – Tausend Küße für Deine Nachricht! O ich bin so froh, daß Du so glüklich zu Hause anlangtest! – Zwar habe ich heute wieder einen finstern Tag verlebt, aber Gott Lob er ist zu Ende. –

Was hat wohl heute mein Liebchen gethan? – – O Du Armer, daß meine Entfernung Dir auch so schwer auf's Herz fällt, wie mir. – Um meiner Seelen Heil willen, beschleunige unsere Vereinigung, wenn Du nicht haben willst daß wir beide zu Grunde gehen? – Lange hier aushalten, [136] werde ich beim herannahenden Winter ohnehin nicht können, sonst würde Schwermuth, durch den Aufenthalt in dieser abscheulichen Einöde verdoppelt, meiner Gesundheit allzu schädlich seyn. –

Ich nahm mir heute vor, ein Bischen spazieren zu gehen, aber die morastige Straße hielt mich zurük, dann saß ich zu Hause in meinem Stübchen und Röschen erzählte mir, daß der Erzschurke Holbaur sie einstens zur Kupplerinn hätte bestechen wollen. – Siehst Du nun, daß ich mich in dem Buben nicht geirrt habe? – Dem Himmel sey Dank gesagt, daß ich allen diesen Nachstellungen entwischte! – Meine Einsamkeit schüzt mich jezt vor dergleichen Kabalen. – Kopfschmerzen hindern mich jezt mehr mit Dir zu sprechen. – –


In der Frühe.


Guten Tag, beßter Gatte! So kann ich denn gar keine Nacht mehr schlafen? – Der düstere Zustand meines Gemüths muß daran Schuld seyn, und doch treibe ich zu meiner Zerstreuung alle nur mögliche Beschäftigung, damit ich Dir den Kummer über meine Gesundheit erspare. –

Weil aber das Nachdenken jezt meine einzige Gesellschaft ist, so kannst Du leicht errathen, wie sehr es mir in der stillen Nacht zusezt. – Da denke ich, und denke so acht, neun Stunden durch, aber dabei doch so wenig Zusammenhängendes, daß ich mich über mein Denken schon oft ärgerte. – Willkommen wäre mir jezt ein Bischen Leichtsinn und ein wenig minder Aengstlichkeit, – Weist Du auch, wo das alles herkömmt? – – Von den vielen überstandenen Schiksalen, die mir in gräßlichen Bildern in dieser Einsamkeit wieder aufs neue erscheinen und Furcht für die Zukunft einjagen. – –

Dein lezter Brief, Theuerster, war nicht kalt, wie ich Dich beschuldigte, aber etwas zerstreut geschrieben! Und könnte [137] er in einer Lage wohl anders seyn, wo Glük und Kummer alle Minuten mit einander abwechseln, in einer Lage die nur wenige Stunden so reizend bleibt, und dann bei der geschwinden Trennung schnell wieder alle Leiden der Menschheit zusammenruft, um Dich und mich zu foltern! – Könnte ich Dir doch Riesenkraft wünschen, damit Du in wenig Wochen Alles ändertest! – – Aber der Kampf, der Kampf, eh Du abkommen kannst, wird Dich noch vieles kosten! –

Sey vorsichtig, lieber Friz, sonst bringst Du mich um, wenn ich erfahre, daß man Dich bei Deiner Abreise mit Gewalt zurükhalten will! – – Die Unmenschen würden auf unsere Liebe nicht achten, sie würden mich für eine Verführerinn ausschreien, Gott! verdiente dies wohl Deine Nina? – – Deine Nina, die so ganz von allen Nebenabsichten entfernt, nur Dich allein liebt. – Wie lange soll denn mein Herz noch miskannt werden? Sind denn meine Gefühle zu fein, um Andern begreiflich zu werden? – Und doch ließen mir einige von Denen die mich mißhandelten, zuweilen Gerechtigkeit wiederfahren, lobten die Güte meines Herzens. –

Löse mir doch dies Näthsel auf, von Denjenigen mißhandelt werden, die bei kälterm Blute meine Denkungsart nicht mißkannten. – Pfui, wie die Menschen so schwach sind, und immer nach ihren Leidenschaften auf das Wohl ihrer Nebenmenschen hin sündigen. Mich dünkt mein Herz ist zu gut für eine Welt, wo außer Dir so viele Bosheit herrscht, zu gut für Men schen, die nicht wie Du ein gutes unverdorbenes Herz zu vergelten wißen. –

Dachte ich doch immer, Gutheit und Großmuth sey Adel der Seele, der jedem guterzogenen Frauenzimmer eigen seyn müße? – Aber warum verstehen denn diese Tugenden so Wenige? – Warum knikte man denn mein Herz nur um desto gräßlicher zusammen, je mehr es seine Güte blikken ließ? – O noch viele Warum könnte ich über diesen Punkt hersezzen! –

[138] Ich bin eitel genug, es Deiner Einsicht in meinen moralischen Karakter zuzutrauen, daß, wenn Du mich auch nicht lieben dürftest, Du dennoch mit enthusiastischer Freundschaft für mein Wohl sorgen würdest. – Die übrigen Menschen sahen bei mir immer auf meine Außenseite, die ihrer Eitelkeit Genüge leistete, und nie auf meinen innern Seelen-Werth, auf meine Begriffe von Liebe, von Großmuth, von edlem Stolz, von Uneigennüzigkeit; darnach fragte die Welt nicht. – – Das gebeugte Wesen, das mich bei allem Schein meines Leichtsinns doch oft genug überfiel, hielt man für Heuchelei und Affektazion; meine Schwermuth vom Schiksal in's Herz gedrükt, für Ziererei; meine Gutheit, für Unbesonnenheit; meine Sanftmuth für Empfindelei; alles, was mir Pflicht schien, wurde mir für Thorheit angerechnet; der bloße Schein für wirkliches Laster. – –

Ich bekam eine Gemüths-Krankheit, und es gefiel mir nicht mehr in einer Welt, wo man mich so sehr mißkannte, nur zuweilen überlies ich mich aus Verdruß einer Lebhaftigkeit, die mir den Schein einer Welt-Puppe gab, und doch ächzte mein Herz im Stillen nach Liebe, nach Tugend. –

Hier hast Du wieder einen Theil von einem aufrichtigen Geständniß, deßen sich so viele Weiber mit ihren zur Reue unfähigen Herzen schämen würden. – Wenn der Allmächtige einst nur den bösen Willen des Menschen straft, dann wohl mir, ich darf mit allen meinen Schwachheiten vor ihm erscheinen! – – Nun muß ich Röschen entgegen eilen, um zu erfahren, ob sie mir keine Nachrichten, oder sonst etwas von Dir bringt? – – – –


Nach Tisch.


Ja wohl, Friz, ist Etwas von Dir angekommen! – Etwas daß meine ganze Seele zerreißt!!! – Ich will Dir demungeachtet, wenn es anders möglich ist, ohne Leidenschaft [139] antworten. – Will nicht alle Stükke ahnden, mit denen Dein argwöhnischer Bruder mein Herz zerreißt; will nicht ahnden, daß er Dich für einen Dummkopf hält, der in drei Vierteljahren Umgang kein Herz zu studieren im Stande ist; will nicht ahnden, daß er selbst ein Teufel in der Verstellung seyn muß, weil er Andere dafür hält! – Kurz, mit diesem Klatschmaul, will ich durchaus nichts zu thun haben, weil er mich Deiner unwürdig hält. – – Traut er mir nicht, so traue ich ihm nicht. – – Dein Bruder muß eine Frazze seyn, sonst würde er nicht Deine fünf Sinnen für närrisch halten, und meine Rechtschaffenheit aus bloßen Vermuthungen anfeinden. –

Was will denn der elende für fernere Beweise von meiner Redlichkeit? – Heirathest Du oder Er mich? – – Gott gieb mir Mäßigung, oder Tod! – Was kümmerte sich das alte Weib um meinen jezzigen Aufenthalt? – Warum ließ er mich auskundschaften? Hat er mich endlich in meiner Einöde ausspioniert? – Ha! – Wenn er .... Dann soll mich Dein Bruder kennen lernen!!! – –

O meine Ahndung wegen Deinem gewißenlosen Bruder ist jezt erfüllt, erfüllt, um mich unglüklich zu machen! – Wie kann denn dieser von Dir so hoch gepriesene Bruder so feindselig von einem Weibe denken, die er nicht einmal kennt? – Sind das die menschenfreundlichen Pflichten eines Freimaurers? – – So schmeichlend er auch immer mit Dir zu Werke geht, so werde ich ihm doch nie trauen. Nimm Dich in Acht, Friz, er legt Dir süße Fallstrikke, um Dich von mir zu reißen! – Sogar bis in meine Einöde dringt dieser Menschenfeind, wo ich aus Liebe und gewiß nicht aus Eigennuz wie eine Selbst-Mörderin meine Gesundheit abhärme! –

Wenn er Dir wieder von meiner Heuchelei spricht, so frag ihn doch, aus welcher Ursache sollte sie denn heucheln? – Aus Eigennuz, aus Begierden, aus Hofnung künftiger [140] Vortheile? – – O bei Gott nicht! – – Ich sage Dir, Friz, Du mußt fort, sonst schmiedet man noch ein Paar Intriken wider mich zusammen und dann ist und bleibt die arme Nina verlaßen im Elend! – Siehst Du denn nicht, daß man eben auf dies anträgt? – Du mußt mich weiter reisen laßen, damit ich den Verfolgungen entwische. – Sage Deinem Bruder, daß ich lieber wie eine Rasende im Walde herumirren will, als ferner seinen Verdacht leiden! – Sage ihm, daß ich mehr Ehre im Busen trage, als er Menschheit, sag ihm ... nein, sag ihm nichts, sonst wird er gar noch mein Henker! –

Da ist er nun erfüllt mein Traum! – Wenn Du nicht mehr anders kannst, wirst Du schon an der Klippe hängen bleiben müßen, die Dir durch meine Bekanntschaft ist zubereitet worden! – Lies Deinem Bruder diesen Brief nicht vor, er ist zu fühllos um ihn zu begreifen, er würde mich für unsinnig halten und meiner spotten! – Kränkt er nicht durch seinen Verdacht meine Ehre? – Bald wird er wohl auch noch meine Seligkeit angreifen! –

Röschen weint über diesen neuen Streich wie rasend! – Ist das nicht eine gutherzige Närrinn, lachen sollte sie über die harten, ehrenkränkenden Ausdrükke, die Dein Bruder gegen mich ausstieß! – Nicht wahr, Friz, eine Heuchlerinn fühlt auch so tief bei einer solchen Kränkung? – – Wie konntest Du nur dieser verläumderischen Schlange trauen? – – Friz, sie wollen Dich durch Lokkungen um Dein Weib bringen! – – Sey auf Deiner Huth! – – Höre ich noch das mindeste von Deinem Bruder, so kehre ich zurük, und Verzweiflung werde dann mein Loos! – Wenigstens soll dieser Ruhestörer kennen lernen, was ein leidenschaftliches Weib zu thun im Stande ist! – Ein Weib, die Ehre im Busen trägt und sich nicht unschuldiger Weise zur Heuchlerinn machen läßt! –

[141] Da nimm diesen Kuß! – Schmekt er Dir? – Um Gotteswillen laß Deinen Bruder nichts davon wißen! Du weist ja, er hält ihn für giftig! – – Jesus! – Jesus! – Wohin verleitet mich der Gram! Du dringst gewiß nicht durch dieses Gewebe der Bosheit durch, weil man troz unserer Klugheit doch meinen Aufenthalt entdekte. – –

Sie wollen Dich an Ketten legen, Deine Verwandten? – O Du armer Sklave, ich sehe Dich gewiß nicht so leicht wieder! – – In Deiner Lage spränge ich zum Fenster hinaus! – Die Liebe mag Dich jezt schlau machen, ich will niederknieen und Gott um Deinen und meinen Verstand bitten! –

Weh! – Weh, deinem Bruder! – Er hat keine gemeine Seele zu Grunde gerichtet! – Lebe wohl, sey ruhiger, als Dein trostloses Weib. –

71. Brief

LXXI. Brief

Rosenthal, den 5ten December.


Friz, glaubst Du wohl ich könnte die Post abwarten, bis sie abgeht und wieder kömmt? – So was mag wohl für flegmatische Klözze taugen, aber für mich nicht. – Heute Abend noch muß ich durch diesen Expreßen Beruhigung von Dir haben, sonst ... – Traue doch um Gotteswillen Deinem Bruder nicht, er ist gewiß falsch! – Denke nur, wie er Dich erst vor Kurzem um meinetwillen foppte, o traue ihm nicht! – Du wirst sehen, er lebt uns zu Leide, Du wirst sehen, er will mich unglüklich machen, er will mich von Dir reißen, er will uns trennen! – – Ich, eine Heuchlerinn! – Jesus Christus! – Ich eine Heuchlerinn! – Ich, die ich mich um Deinetwillen lebendig in eine Einöde begrabe! – Ich soll mich wie eine Verbrecherinn untersuchen [142] laßen? – O, um's Blut Christi willen, er soll aufhören Verdacht auf mich zu werfen, da er mich nicht einmal von Person kennt! – Ist das christlich? – Ist das menschenfreundlich? – Ist das edel, wenn man von seinem Nebenmenschen ohne einige Ueberzeugung lieber Böses, als Gutes glaubt? –

Der rechtschaffne Mann, der ein menschliches Herz besizt, bleibt bei einer üblen Nachrede kalt und im Gleichgewicht, wenn er den Verläumdeten nicht selbst prüfen kann. – Aber ohne Gewißheit das Angedichtete weiter sagen, Verdacht nähren, mit Gewalt eigensinnig das Ueble glauben wollen und dadurch ein armes Weib zur Verzweiflung, zum Selbstmord bringen, ist das nicht teuflisch? – – Siehst Du, man trägt darauf an, mich zu Grunde zu richten! – Und Du eilst nicht zu Fuße fort? – Du läßt es darauf ankommen, daß man mir Vergehungen andichtet? – Um Dich zu betrügen, um Dich abwendig zu machen, thun sie das, Ha! – Wie kannst Du nur so gelaßen dabei bleiben? – Aber fein, fein wollen sie Dich hintergehen, merkst Du denn nichts? – –

Nun so sey Gott mein Schuz, mein Retter, wenn mein eigner Mann nichts ahndet! – Nicht wahr ich bin eine zaghafte Kreatur? – Vielleicht wohl gar aus Heuchelei! – – Aber bei Gott, bei Allem was heilig ist, bei dem schönen Wort Liebe, bei der Natur sey's geschworen, eher Tod, als Dich laßen!!! – Zeig diesen Brief Deinem Bruder nicht, er würde mich hinabheucheln, in Abgrund! O! er haßt mich ja, und ich that ihm nie etwas zu Leide, kenne ihn nicht einmal. – –

O Gott! – Wie wird mir? – Es ist mir als sollte ich zusammen sinken ... Hülfe! – Rettung! – Für Deine

Nina. [143]

72. Brief

LXXII. Brief

Rosenthal, den 6ten December.


Liebster, beßter Gatte! – Sagt ich es Dir nicht, daß ich Dich sehen müßte? – O wie geschwind eilte ich bei diesem Anlaß, wobei mir Dein Bruder so tödtlichen Verdruß verursachte, in Deine Arme! – Das hättest Du doch wohl nicht geglaubt, daß ich nicht einmal des Boten Zurükkunft abwarten würde? – Daß ich es wagen würde, bis fast an Deine Stadtmauern zu fahren, um Trost von einem Gatten zu holen? – O ich hätte mich um die ganze Welt nicht von dieser kleinen Reise abhalten laßen! –

Indessen will ich Dich jezt bitten, mir in Zukunft nichts mehr von Deinem Bruder zu schreiben, wenn Du nicht Tollheiten erleben willst! – Vertheidige ihn und liebe ihn so viel Du willst, ich kann ihn nicht lieben, wenigstens läßt es meine stolze Seele nicht zu, die nicht leicht jemanden beleidigt, aber auch keine Beleidigungen ertragen kann. – Ein Beweis, daß ich von keinem Pöbel herstamme, der so gerne Niederträchtigkeiten duldet. – Deine guten Absichten mich durch seinen Karakter zu beruhigen, der im Grunde nicht bös seyn soll, ist Dir nicht gelungen. – Wer seinen Nebenmenschen nur bei einem Haare kränkt, ist schon kein Christ und würde mehr thun, wenn er Anlaß dazu bekäme. –

Am allerwenigsten kann ich begreifen, wie ein Mann, der die Ehre mit seiner Gattinn theilen muß, einen Verdacht, der die Güte meines Herzens streitig machen wollte, wie er einen solchen Verdacht, flegmatisch ertragen konnte? – – Um Gotteswillen, Friz, lobe ihn nur nicht wieder! – Er verfolgt eine ihm unbekannte Person aus Liebe für Dein Wohl? – – Was soll diese teuflische Moral? – – Kennt [144] er mich als eine Niederträchtige, dann lege er Dir Beweise vor; weis er aber nichts, als was ihm alte Weiber in's Ohr raunten, dann bleibt er ein Verläumder unter dem Dekmantel der Gutherzigkeit, ein höllischer Verläumder! – – Wer ein Geschöpf vom blosen Hörensagen zu Grunde richtet, der will es mit Vorsaz zu Grunde richten und bleibt in meinen Augen ärger als ein öffentlicher Feind. – –

Vergieb, Theurer, wenn Du mich ausschweifend wild findest, Du kennst die Stärke meiner Leidenschaften. Liebe und Furcht Dich zu verlieren ist an dieser Wildheit Schuld. – Rache machte bis jezt der Liebe noch immer Plaz, aber wenn Dein Bruder nicht aufhört mich eine Heuchlerinn zu nennen, dann wird mich Ehre und kummervolle Liebe zu einem Schritt verleiten, der Dich und Deinen argwöhnischen Bruder gewiß zu Boden schlagen wird!!! –

Friz, bei meiner gränzenlosen Liebe, bei dem namenlosen Entzükken, daß ich gestern wieder in Deinen Armen genoß, schone, o schone mich! – Lobe Deinen Bruder nicht wieder, bis ich ihn selbst lobenswerth finde. – Wirst Du mir folgen, Friz, wirst Du Dich überzeugen laßen, daß er mich durch seinen Verdacht schändlich kränkte? – O wenn Du mit mir fühlst, wenn Deine Liebe das einzige Gefühl ist, daß in Deiner Seele herrscht, so rede mir nichts mehr von ihm, rede mir nichts mehr von dem Allsanzen, der sich in Herzenssachen einmischt. – –

Dein Herz muß mir dieses Opfer bringen; brachte ich Dir nicht jedes Opfer zu Deiner Beruhigung? – Gott im Himmel, ich fürchte, ich fürchte Dein Bruder hat den Samen der Zwistigkeit zwischen uns ausgestreut! – Ich muß mir alle Gewalt anthun, um Dir wegen ihm keine Bitterkeiten zu sagen! – –

Gerechter Gott! – Soll der uns trennen können? – Doch was trennen! – – Ja er soll es, aber von meiner[145] Seite nicht anders, als durch den Tod! – Erfahre ich noch den mindesten Verdacht in meine Liebe, dann, heilige Mutter Gottes, bitte für meine arme Seele und für meinen armen Friz!!! – Meine Schwermuth, meine Lebhaftigkeit bürgen für nichts! – Ich muß so sprechen damit Du gegen mich vorsichtig handelst; wärst Du an meiner Seite, dann könnte mich Dein Bruder eines Schaffots würdig achten, es würde mich nicht beugen, meine rastlose Liebe würde Dich so lange in süße Wollust einwiegen, bis Du den elenden Lügner bei den Haaren zurükschleudertest, der Dein trautes Weib kränken konnte! – Aber ich bin von Dir entfernt, und der Gedanke, daß Du doch schwach seyn könntest, ist ein höllischer, undankbarer Gedanke, aber bei der Entfernung kann ich ihm doch nicht widerstehen! –

Es ist gebeugte Liebe, Krankheit und hizziger Kopf, die ich Deiner sanften Leitung anempfehle. – Friz, willst Du über mich wachen? – Willst Du? – Denke, ich habe ungeachtet den gestrigen Seligkeiten, die ich an Deinem Busen genoß, eine gräßliche Nacht gehabt! – – Nenne es nicht Ueberspannung, ich hin nicht selbst daran Schuld .... Das Wetter stürmte schröklich, und mich dünkt ich harmoniere so sehr mit den Elementen, daß ich meinem Gram nicht widerstehen konnte. – Gott! Sollen dies etwa Ahndungen seyn? – – Droht mir schon wieder Verfolgung, will man mich schon wieder mit Verdacht zu Boden drükken? – Was kann ich armer Wurm für mein Schiksal? – Was kann ich für den Neid, der wich aus der Menschheit rotten will? – Sey wenigstens Du barmherzig! – Wenn Dich Liebe nicht dazu treibt, so treibe Dich die Menschheit dazu, ein Weib zu vertheidigen, die auf ihre Ehre so empfindlich ist!!! – –

Großer Gott! – Warum schufst Du doch das Weib zur Mißhandlung für die ehrendiebischen Männer! – Warum schufst Du nur so wenige rechtschaffne Weiber, und warum [146] müßen gerade diese wenigen das Opfer eines lieblosen Verdachts werden? – – Ha! – Ueberzeugung! – An Dich richte ich meinen Fluch, wenn Du mir meine Ehre nicht wieder zurükgiebst, dann ist alles Lüge, alles auf dieser Welt!!!

Nina.

73. Brief

LXXIII. Brief. Röschen an F. von G****

Rosenthal, den 6ten November.


Theuerster Herr! – –


Nehmen Sie es mir doch nicht übel, daß ich an Sie schreibe, ich muß es aus Liebe zu meiner guten Frau thun. – O warum haben Sie ihr doch alles geschrieben was Ihr ungerechter Bruder über die gute Frau argwöhnt? – Ich bitte Sie herzlich, schreiben Sie ihr nichts solches wieder, sonst bringen Sie sie um! – Sie kennen ja doch ihre Heftigkeit, Sie wißen, wie schröklich sie jede Kleinigkeit zu Herzen nimmt, und schonen sie doch nicht! –

Da liegt sie nun wieder, die arme Frau, wie dazumalen in B..., wo wir alle auf ihr Ende warteten. – Ich bin die ganze Nacht durch nicht von ihrer Seite gekommen, und ich wollte, daß ihr böser Bruder weis Gott wo wäre, weil er so eine brave Frau niederträchtig glaubt und sie bis in den Tod betrübte. – Mein Gott die gute Frau ist ja so unschuldig wie ein Kind und so tugendhaft, als es ein jeder Christ nur von ihr fodern kann. –

Wahrhaftig, und wenn sie jedermann verläßt und verfolgt, so will doch ich, auch in der äußersten Noth, nicht von [147] ihrer Seite weichen, weil ich sie mehr als meine eigne Schwester liebe. – O glauben Sie mir, Sie werden von ihr äußerst geliebt, hören Sie doch auf kein Geschwäz. – Ich bitte Sie, machen Sie, daß wir bald von hier fortkommen, ich stehe für nichts, meine Gebieterinn führt gräßliche Entschlüße in ihrem Sinne! – Sie läuft mir immer davon, ich kann sie gar nicht mehr aufhalten, und doch mag ich nicht, daß die Wirthsleute etwas von ihrem Kummer wißen sollen. – –

Gestern ist sie mir mitten in der Nacht davongesprungen, ich habe die größte Angst ausgestanden bis ich sie wieder fand! – Mit aller Gewalt habe ich sie kaum wieder auf unser Zimmer gebracht, wo sie dann bis in der Frühe ganz sinnlos gelegen ist. – Die gute liebe Frau, ich möchte mich todt weinen, sie hat beinahe ihren Verstand verloren, und nichts hat sie mehr gekränkt als das Wort Heuchlerinn, sie hat es in der Fieberhizze wohl tausendmal wiederholt. – Gott gebe, daß es mit ihr beßer werde. Seyen Sie indessen ohne Sorge, es soll ihr nichts abgehen, denn ich liebe sie um ihres guten Herzenswillen zu sehr, als daß ich nicht Tag und Nacht ihr beistehen sollte. –

Lieber Herr, ich bitte Sie um Gotteswillen, schonen Sie doch in Zukunft meine Gebieterinn mit traurigen Nachrichten, Sie wißen ja, sie ist gar zu empfindlich. – Sollte es mit ihr schlimmer werden, so erhalten Sie eiligst einen Boten, bis dorthin suchen Sie sich zu beruhigen. – Ich bin übrigens mit aller Hochachtung

Dero
Ergebenste Dienerinn
Rosine ......
[148]

74. Brief

LXXIV. Brief

Rosenthal, den 8ten November.


Lieber Gatte! – Die Natur hat sich noch einmal meiner erbarmt, und ich bin wieder aus dem Bette. Wie stark meine Krankheit war, weis ich nicht, denn ich war die wenigste Zeit bei Vernunft, aber so viel weis ich doch, daß mir das Wort Heuchlerinn, das ich von Deinem Bruder dulden mußte, öfter in's Gedächtniß kam. – Laß mich nichts mehr von ihm hören, ich verzeihe ihm, ob er aber für meine Seele nicht einst Rechenschaft geben muß, ist eine andere Frage. –

Bedenke nur, wie schändlich er Dein Weib beleidigte! – Oder reizen Dich seine großen Versprechungen die er Dir vorspiegelte? – Ist Dir Deines Bruders Liebe mehr werth, weil Du ihre feindseligen Ausbrüche, die alle mich trafen, so entschuldigst? – – Kannst Du Deine Eigenliebe, bei der er Dich um Deiner Talentewillen küzzelt, nicht unterdrükken, um meine Liebe desto feuriger zu fühlen? – Und wenn ich jezt auch von seinem moralischen Karakter beßer überzeugt würde, so kann ich ihn doch nicht mehr als einen wohldenkenden Mann achten, er war doch immer ein heimlicher Verläumder; ob er nun seine Nebenmenschen durch Dummheit, oder Vorurtheil zu Boden schlägt, gleich viel, es bleibt immer Verläumdung, zu der Niemand ohne Ueberzeugung ein Recht hat. – Wenn er aus Liebe zu Dir für Dein Wohl sorgen will, so muß er dabei Dein Herz und Deine Delikateße schonen, muß das gute Urtheil über mich eben so leicht annehmen, als das böse. –

Du solltest von mir zur Probe eine große Summe Gelds fodern! – O der Niederträchtige, der Dich [149] zu einer solchen schmuzzigen Prüfung anstiften wollte! – Kennt er denn meine Armuth nicht, die gewis keiner Lasterhaften so leicht eigen ist? – Und gesezt ich wäre reich, wäre es mir nicht Pflicht Alles mit Dir zu theilen? – O Menschengrausamkeit, wie groß sind deine Gränzen! –

Siehst Du, wie dieser Gedanke meinen Kopf angreift? – Siehst Du, wie er im Herzen liegt der Stein, den dieser Hartherzige hineingeworfen hat? – – Siehst Du, wie mein gallsüchtiges Temperament schröklich, schröklich in Gährung ist? – – O bei dieser feurigen Thräne fühl doch mit und sey nicht so schwach, Dich von jeder Scheintugend Deines Bruders täuschen zu laßen. –

Giebst Du mir nicht nach ... dann gehe hin und sage, daß es ihm gelang mich elend zu machen! – Sag ihm, daß es ihm gelang dich zur Dankbarkeit zu reizen und mich dadurch auf ewig unglüklich zu machen!!! – Noch scheint es mir unmöglich, daß Du mich von ihm beschimpfen laßen kannst! – Mich, Dein Weib, Deinen Stolz, Deine Liebe, Deine arme verfolgte Gattin! – Gott! – Gott! – –

Nina.

75. Brief

LXXV. Brief

Rosenthal, den 10ten November.


Ha! – Mein inniggeliebter Gatte! – Was ich gestern und heute wieder litte, daß der Postwagen nicht kam, das ist gewiß allen Menschen unbegreiflich! – So ist denn meine Ruhe auf ewig dahin! – So ist denn mein Gemüth unheilbar vom Gift der Schwermuth angestekt? – – Nimm mir es nicht übel, theurer, angebeteter Mann, aber nimmermehr glaube ich, daß ich Deine Ankunft erleben werde! –

[150] O rette mich bald, um Gottes Barmherzigkeit willen! – Wenn Du wüßtest, wenn Du fühltest das Schrökliche, das in mir vorgeht!!! – – Ha, bin ich nicht eine elende Winslerinn! – Warum stürme ich denn so auf Dein Mitleiden los? – – Mich dünkt, Du bist jezt mein Gott, mein Schuz, meine Zuflucht, mein Trost, mein Alles! – Ich bin abgerißen von der ganzen Menschheit, hingeworfen ganz allein in's unendliche Kaos der Schiksale! –

Friz, es gilt jezt Leben oder Tod! – Merk Dir's und sage es Deinem Bruder auch, es gilt jezt Leben oder Tod, – nachdem es sich mit Dir entwikkelt! – – Ich muß also weiter reisen? – Muß Dich zurüklaßen? – O, und wenn mich in der volkreichen Stadt V... alle Reichthümer erwarteten, wenn man mich dort vergötterte, so würde ich mich doch ohne Dich abhärmen! – Tödtendes Gift wird diese Entfernung für meine Liebe werden, das mich hinraffen wird in's Tollhaus!!! –

Warum brennt es mich heute wieder so schröklich im Gehirne? – Warum spannt mich der Kopf wieder so? – Warum treibt es mir meine Adern wieder so in die Höhe? – O Friz! Friz! Warum wektest Du mich zur Liebe auf, zu einer Liebe, die Dir ihrer Heftigkeit wegen zur Last seyn muß! – – Immer schreit Deine kalte Vernunft von Ueberspannung; freilich erreicht mein hoher Grad von Einbildungskraft niemand so leicht. – Du liebst zwar beßer als Millionen Andere, aber Du fühlst doch nicht so anhaltend, wie ich fühle. Auch hierinnen empfindt das Weib ihren Fluch, ich bin es überzeugt! – –

Könnte Dich das Schiksal unwillkührlich von mir trennen, sollte sie einst anlangen diese schauervolle Nachricht dann beim Himmel, bei den Elementen, geschehen soll es seyn um mein Leben mit lachendem Munde, und mein lezter [151] Fluch donnere Dem in die Ohren, der mich zu einem Schritt brachte, wovor jezt meine ganze Natur zittert!!! – –

Schreie mir nicht schon wieder entgegen: Hast Du Mißtrauen in mich? – Ich habe keines in Dich, aber in Dein Schiksal, in Deine Ohrenbläser. –

Jezt wirst Du alle meine Briefe haben, und ich habe von Dir noch keine Zeile. – Die verdammte Post! – – Nun so quält mich denn alles, alles! – Weist Du auch, daß es gut ist, daß ich den hiesigen Ort bald verlaße? – So einsam er auch immer ist, so müßen mich doch städtische Lotterbuben ausgespäht haben, sie schmieden jezt untereinander Entwürfe, um zu erfahren, wer ich bin? – Die Wirthinn selbst hat mich davon benachrichtigt, und dein gutes Weib sizt da, ringt die Hände, verflucht die Menschen, die ihr in der abgelegensten Einsidelei nicht einmal Ruhe laßen! –

Aber wie ich Dir schon einmal schrieb, was ist ein Weib ohne Mann? Jeder Hauch stößt sie zu Boden! – Wer bürgt mir in dieser Verfaßung für Verrätherei? – Wer bürgt mir für mich selbst, daß mich der allgewaltige Gram nicht zu Erzeßen verleitet? – – Friz, der Tag in dieser einsamen Höle ist lang, der Stunden sind viele zum kränken, und die Einsamkeit ist das wahre Gift für eine schwermüthige Seele! – Denke, lezthin bin ich dem Mädchen entlaufen, sie hat mich suchen müßen. O ich kann, ich kann nicht mehr ohne Dich leben! – Melde mir den Tag meiner Abreise, wenn Du nicht selbst kömmst. –


Des andern Tags.


Schon wieder eine kummervolle Nacht verseufzt! – Meine Schwermuth kümmert sich wenig um den Zusammensturz meines Körpers, ich glaube auch, daß er nicht zusammen stürzen kann, dieser elende schwache Bau, sonst müßte er schon längst dahin seyn. – Sey nicht böse, daß ich der [152] Melankolie wieder so sehr nachhänge, ich kann Dich nicht mehr schonen, so sehr mein gutes Herz sich dagegen sträubt, ich muß, ich muß Dir sagen, was mit mir vorgeht. – Du wirst selbst entdekken, wie anhaltend dermalen meine Gemüthskrankheit ist ... Lies seit meiner Abwesenheit alle meine Briefe durch, keine heitere Stelle wirst Du darinnen finden. – Du bist unglüklich durch mich, unglüklich auf ewig! – All Dein Trost prellt an Deinem kranken Weibe ab, nur Du ... oder Tod steht mir bevor! – Du kennst meine schrankenlose Ungedult, Du müßtest Bösewicht seyn, wenn Du nicht alles anwendetest, um mich bald dieser martervollen Sehnsucht zu entreißen. – – Diesen Augenblik erwarte ich Röschen mit Briefen von Dir. – Was wird wohl darinnen stehen? Freude, Kummer, Angst, Furcht, laßen mich das Siegel nie anders als zitternd erbrechen. – In der Liebe bin ich das kummervollste Weib, und in der Ehre und in feurigen Entschlüßen so sehr Mann. O ich möchte mich selbst anklagen, daß ich so ein unglüklich gestimmtes Weib seyn muß! – – Es steht nicht mehr in meiner Gewalt es zu ändern, das Fieber hat Seele und Kopf angegriffen, da muß Gott helfen, sonst ist wohl jede Beßerung für mich verloren! – –

Du wolltest lezthin wißen, was ich den ganzen Tag durchmachte? – Sehr wenig, das einer gesunden Vernunft ähnlich sieht, herumlaufen, weinen, rasen, dichten, das ist meine größte Beschäftigung. Denke nur, was mir lezthin einfiel, ich hätte mich bald entschloßen, Dir durch eine dritte Person eine tüchtige Falschheit von mir in die Ohren blasen zu laßen, um Dich dann zu beobachten, wie Du Dich dabei betragen würdest? – Eine solche Probe dünkte mich Sicherheit, wenn Du sie standhaft, mit Zutrauen ausgehalten hättest, falls Dein Bruder neue Lügen wider mich Dir hinterbringen würde. – Vergieb mein Gatte, vergieb meinem [153] Kummer, Du kennst ja die Ursache, Du mußt wohl recht viel mit mir leiden, laße es Dir aber von nun an zur Warnung dienen, behandle mich vorsichtiger, sage mir nichts mehr von Deinem Bruder. – Ich will gar nichts mehr von ihm hören, die bloße Erinnerung verwirrt mich schon! – –

Friz, wenn Du meine Seele retten willst, so komme an meine Seite, beruhige mich durch Deine Grundsäzze. Wieder eine Ursache mehr, die Dich an mich hinreißen muß! – Die arme, bedaurungswürdige Nina ist ohne Dich verloren, ist hin, ist weg, ihre Vernunft hintersinnt sich! – Der Schöpfer wird Dir fluchen, wenn Du mich nicht bald auf den ruhigen Pfad der Religion zurükweisest, mein Blut würde über Dich um Rache schreien, Du mußt mich heilen von einer Seelen-Krankheit, die Deine Liebe in mir aufwekte. – Ha! – Wenn Du mich tröstest, dann will ich Dir in der Todes-Stunde, beim Gericht Gottes Segenswünsche zurükschikken! – Für jezt Amen! – Ich fühle, daß es mich wieder drükt ...........

Ich habe versucht im Grünen herum zu laufen, aber es will mich dort auch nicht dulden. Zehn Uhr vorbei, und Röschen ist noch mit keinem Briefe da? – Großer Gott! – Was ist die Erwartung für Unglükliche eine namenlose Marter! – Erwartung ist für den Fühlenden mehr Folter, als dem Alltags-Bösewicht Schande und Henkers-Hand ist! – Es ist kein Geschenk um eine fühlende Seele, kein Geschenk um einen denkenden Kopf. –

Laß ihn kommen, Deinen Bruder, und meine heiße Angst betrachten, er soll die Augen öffnen, und der Menschheit Gehör geben, er soll sehen wie es mich herumtreibt, er soll fühlen, wie es mich durch und durch meßert, er soll barmherzig seyn gegen Liebende, wenn er Mensch ist!!! –

Röschen kam eben, und ich erhielt wieder alle Briefe auf einmal. – Also kömmst Du diese Woche schon wieder [154] nicht? – – Thue was Du willst, ich halte es ohne Dich nicht mehr länger aus, ich komme in die Stadt, und gerathe ich Deinem Bruder in die Hände, so sprechen wir uns! – Ich kann, ich will, ich mag diese tödtende Ungewißheit nicht mehr länger dulden! – wenn Du nicht selbst kömmst, so komme ich so gewiß als ich Dein Weib vor den Augen Gottes bin! –

Nina.

76. Brief

LXXVI. Brief

Rosenthal, den 12ten November.


Theuerster Gatte! – So hast Du mich endlich beredt, daß ich mich noch weiter von Dir entferne. – Ich soll also weg von Deinem liebevollen, lautklopfenden Busen? – Weg von allen Seligkeiten der unbegreiflichsten Wollust, die ich bei dieser kleinen Entfernung doch zuweilen an Deiner Seite genoß! – –

O daß ich zurükkehren dürfte von meinem Entschluß! – O daß Deine Familie versöhnt und Schark entfernt wäre! – O daß ich wieder in Deine Arme stürzen dürfte, mein lieber Friz, wie gestern Abend! –

Lieber, feuriger Flüchtling, wie hast Du mich erschrökt, als Du so unvermuthet in mein Kämmerchen eindrangst. – Drei himmlische Stunden lag ich wieder in Deinen Armen, und dann ... und dann – Ha, Schiksal! warum entrißest Du mir ihn wieder? – – Verzeihe, beßter Gatte, daß ich Dich beim Abschiede durch mein lautes Geschrei wieder so schröklich beugte. – Bei dem Allgewaltigen, bei Deiner reinsten Gatten-Liebe, vergieb dem schwachen Weibe, die in Dir eine Welt, eine Seligkeit vermißt. – Möchten Dich die Engel der Liebe ohne Schaden in Dein Zimmer zurükgebracht [155] haben, möchtest Du dort das Bild Deines entfernten Weibes anstaunen und ihm eine Thräne des Dankes verweinen, für ihre bange Liebe! – Gott, erst in einigen Tagen erfahre ich Deine Zuhausekunft, und erst in zween Tagen kann ich von hier abreisen. – – Der Dir bekannte Post-Sekretär in H... both mir alle Dienste an, er wird mir nach F... ein Empfehlungs-Schreiben mitgeben. Gewiß Friz, es giebt in der Welt auch noch absichtslose Menschenfreunde, Du weist, daß ich den Mann erst seit einigen Tagen kenne. –

Seine Gutherzigkeit rührte mich in meiner Lage recht sehr, der Mann denkt teutsch und bieder, aber ist nichts weniger als ein aufgeklärter Kopf. Ehe er meine Verfaßung wußte, fieng er mir an einige drolligte Schmeicheleien vorzusagen, worüber Röschen laut lachte. – »O wenn Sie Wittwe wären! (fuhr er fort) wahrhaftig Ihr Humor gefällt mir so ausnehmend.« (Da wollte er vermuthlich von meinem Bischen Verstand sprechen, und wußte sich nicht auszudrükken.) – Eilig zog ich dann Dein Bildniß aus meinem Busen, und küßte und herzte es vor seinen Augen so derbe, daß der gute Mann vor Staunen fast außer sich gerieth. – »Wahrhaftig (fieng er wieder an) so ein Frauenzimmer habe ich mein Lebtag noch nicht angetroffen, die ihren Gatten so leidenschaftlch liebt. – Heute habe ich es aber gleich gedacht, unsere schöne Einsiedlerinn muß gewiß Besuche haben, weil kein Brief an Sie kam, denn Ihr Herr Liebster schreibt ja alle Posttage so richtig, wie eine Uhr. – Und ich gestehe es, die Neugierde trieb mich eine Stunde Wegs in dieses Thal, um Sie doch endlich auch einmal kennen zu lernen. Es thut mir weis Gott sehr leid, daß Sie so geschwinde fortreisen wollen; die Wirthin und die Bauern lieben Sie ja außerordentlich.«

Er würde fortgeplaudert haben, wenn ich ihn nicht wegen einigen Reise-Anstalten unterbrochen hätte. – Friz, [156] danke ihm doch in einem Briefe, willst Du? – – Für heute Millionen Küße von Deiner ewig treuen Gattinn ......

Nina.


Frühe um 6. Uhr.


Endlich wieder einmal eine Nacht gut geruhet! – Und Du Herzens-Gatte, auch Du? – Möchte ich doch morgen noch vor meiner Abreise Nachricht von Dir erhalten, aber es ist umsonst, es kann nicht seyn, weil Du die Verlängerung meines hiesigen Aufenthalts nicht weist, und ich Dich bat, mir geradezu nach F... zu schreiben. –

O bis Freitag früh ist es eine lange martervolle Ewigkeit! Daß doch der dumme Postwagen nicht eher kömmt und ich auf ihn warten muß! – Noch heute gehe ich mit Röschen nach H... und gebe dorten diesen Brief auf die Post, eh ich abreise, Du sollst gewiß nicht umsonst auf Briefe warten. – Aber nicht wahr Liebchen, Du schreibst doch recht geschwinde nach F...? – – – Denke Dir Dein liebes Weib allein ohne Gatte in einer fremden Stadt, mit einer kummervollen Seele im Busen, wie sie gebeugt daherwandelt und sich nach Erlösung sehnt. Gewiß ein fremdes Weib ist ein verlaßnes Wesen! – Hat sie Geld, so muß sie es den geizigen Wirthen zuwerfen, hat sie keines, so wird sie das Opfer ihrer Grausamkeit und der Gegenstand der Verfolgung für Wollüstlinge. –

Gott, was ist ein Weib ohne ihren Gatten für Gefahren ausgesezt! – Trift dieses Loos eine Fühlende, dann empfindet sie die Last ihres Elendes doppelt. An der Seite eines Gatten kann man der Noth, dem Vorurtheil, der Verläumdung und der Mißhandlung des eigennüzzigen Pöbels trozzen, aber allein fällt der Troz auf sie zurük, sie muß sich unterdrükken laßen, das Laster merkt es recht gut, daß es mit einem[157] schwächern Theile zu thun hat. Ich bin ohnehin so schamhaft, so verzagt, so blöde, daß der Pöbel erst recht Muth bekömmt, mich mit Füßen zu stoßen, wenn ich seine Dienste brauchte und sie zum Unglük nicht bezahlen könnte. Kann man etwas barbarischers finden, als des Pöbels Eigennuz? – Wegen ihm wird der Pöbel zum Mörder an seinem Nebenmenschen, mordet er ihn nicht gewaltthätig und geschwind, so mordet er ihn langsam durch seine Zügellosigkeit! – Laß mich, lieber Friz, nie solchen Auftritten ausgesezt seyn, bemühe Dich, mich bald zu erlösen. –

An Deiner Seite, mein Gatte, nur Bauern-Kost, und himmlisch sollte sie mir schmekken! – O wie wollte ich Gott danken, für das theure Geschenk meines Frizzen. Weist Du noch Lieber, wie willig, wie liebetrunken ich Dir jeden Wink im häußlichen Leben befriedigte? – Wie Du mir meine Gutherzigkeit dann wieder mit einem Kuß lohntest, und wie Du dann wieder nachdachtest über Deine Nina, die Dir Alles, Alles that, was Dein Herz nur fordern konnte. Wenn Du Dir auf dieser Welt einen Himmel denken willst, so denke Dir solche Auftritte aus unserm häußlichen Leben. –

Und nun, theuerster Gatte, Millionen Küße von Deinem Weibchen im Kaput mit dem blauen Bändchen am Halse, waran Dein Bildniß hängt. – Weist Du, wie gut es mir steht? – – Deine beßte, aufrichtigste, treueste

Nina.

77. Brief

LXXVII. Brief

Rosenthal, den 13ten November.


Theurer, äußerst geliebter Gatte! – Das war doch heute ein sehr wunderlicher Tag! – Bis zehn Uhr hatte ich [158] noch mit Pakken zu thun, dann kam eine Schäse mit fünf Mannspersonen gefahren, ich erschrak, denn es waren lauter Leute aus B...; nun hieß es im Zimmer sizzen bleiben, und doch wäre ich gerne mit Röschen ausgegangen, wenn wir uns unvermerkt aus unserm Kämmerchen hätten schleichen können. Gerade heute, den lezten Tag meines Aufenthalts, mußten diese Stadtflüchtlinge diese Einöde besuchen. – Mir wurde etwas bange, denn die Stuzzer sumsten um die Thüre herum, als ob sie Verräther abgeben wollten. – Endlich schlichen wir uns ungesehen fortund kreuzten bis gegen Abend alle Berge und Wiesen in der Nachbarschaft durch. –

Als wir zu Hause kamen, sagte uns die Wirthinn, daß die Fremden bis gegen sechs Uhr auf unsere Rükkunft gewartet hätten, und doch gelang es ihnen nicht, ihre Neugierde zu befriedigen. – Morgen gehe ich nach H... und erst übermorgen frühe fahre ich weg. – – Ich bin müde, ich muß zu Bette, tausend Küße von Deiner lieben

Nina.

78. Brief

LXXVIII. Brief

H... Den 14ten November.


O, Du Lieber, Du bist wohl tausendmal mehr werth, als alle Beschwerlichkeiten, die ich bei diesem Herumziehen ausstehen könnte. – Nun bin ich hier mit Sak und Pak, und warte unter abscheulicher Langerweile, bis der Postwagen abfährt. –

Wie mir's ums Herz ist, kannst Du leicht vermuthen, weil ich mich bald so weit von Dir entfernen muß. – Hart ist doch ein solches Schiksal für ein liebendes Weib! – Doch [159] nein, es ist nicht hart, es ist süß, denn die Wollust aus Lieb zu dulden erkauft man nie zu theuer. – Ich bin bei allen, dem so innig zufrieden, so selig, als ob es ewig, ewig meine Bestimmung wäre, um Dich zu leiden.

Bist Du denn auch wohl, Liebchen? – Wirst Du mich auch bald unterstüzzen? – Wirst Du bald nach F.... kommen? – Werde ich Dich bald wieder an mein Herz drükken können? – O tröste mich lieber Gatte mit Hoffnungen, tröste mich! – –

Ha! – Was ist Entfernung! – Eine Qual, worüber man rasend werden möchte! – Wäre Schark und Dein Bruder nicht, ich könnte zurükkehren, Friz und Nina wären jezt ruhiger. – Doch es ist einmal nicht zu ändern, und ich erwarte einstens dafür namenlose Belohnungen in Deinen Armen. Sage, theuerster Gatte, erwarte ich zu viel? – – O laß mich dann hinsinken an Deinen Busen und Deinem Bruder sagen, daß er sich irrte, wenn er glaubte, eine Schwärmerei daure in der Liebe nicht lange. – Das ist eine Lüge; wenn ein Weib nach und nach zu schwärmen anfängt, wenn sie Geist, Vernunft, die Seele, das Herz in einem Manne liebt, dann muß ihre Liebe ewig dauren weil sie auf unsterbliche Verdienste gegründet ist. – Gerade jezt fällt mir ein herrlicher Gedanke ein, ich will Röschen auf die Post schikken, der Sekretär muß mir Deinen Brief ausliefern, wenn er auch gleichwohl nach F... laufen soll. – Du weist doch, daß alle Deine Briefe hiedurch müßen? – –

O wenn nur Röschen schon wieder da wäre, wenn er ihr nur den Brief giebt, wie ruhig, wie ruhig will ich dann reisen! – – Gott! – Gott! – Was ist Erwartung für ein lebhaftes Temperament! –

Dank, tausend Dank, mein Gatte! Röschen zeigte mir Deinen Brief schon von weitem. – – Kümmere Dich [160] nicht Liebchen, ich nehme Dir ja Deine Zerstreuung in Deinem Briefe nicht übel, in der Lage kann es nicht anders seyn. – Nach Tisch noch ein Wörtchen mit Dir. –


Nach Tisch.


Aeußerst plagt mich die Langeweile, weil ich nicht geradezu an den Ort meiner Bestimmung reisen kann; hätte ich Deinen Brief nicht, ich würde völlig zu Grunde gehen. – Wohl zehenmal habe ich ihn schon durchlesen. – Da muß ich nun wieder in einem fremden Wirthshause sizzen und alle Leiden der Abwesenheit allein tragen. – Wärst Du jezt da und rauchtest Dein Pfeifchen an meiner Seite, wie glüklich würde ich seyn! – Weist Du Liebchen, heut acht Tage waren wir in N...; weist Du, wie ich alle Entzükkungen Deiner Liebe fühlte? – – Wie ich hingerißen in Wonnetaumel Dir für Dein Gefühl dankte. – O unser Leben ist doch eine Kette von Abwechslungen seit dem wir uns kennen. –


Abends.


Denk Liebchen, so eben gieng der Sekretär von uns weg, ich muß Dir gestehen, er, ich und Röschen, wir waren recht munter. – Er nekte mich wegen meiner Heftigkeit und sagte: »Sie würden bei meiner Seele sterben vor Ungedult, wenn ein Brief von ihrem Gatten nur um eine Stunde zu spät ankäme. Ja, ja ich schäzze Ihren Herrn Gemahl recht sehr, aber wenn Sie Wittwe wären. »... – Röschen lachte wie eine Närrinn über den guten Mann. Schreib ihm ja recht bald, er handelt gegen mich sehr dienstfertig. – Ich muß zu Bette, vielleicht geht der Postwagen in der Nacht fort. – Ruhe sanft, gute Seele! – –


[161] Morgens um 4 Uhr.


Noch vor meiner Abreise meinem Gatten zwei tausend Küße! – Gott sey bei Dir, und meine Liebe immer und ewig vor Deinen Augen! – Lebe wohl! – Lebe wohl!!! – Nimm hier noch den Abschiedskuß von Deiner armen Wanderinn, Dein gutes, liebes,

treues Weib.

79. Brief

LXXIX. Brief

F... den 17ten November.


Mein Gott kann man sich etwas Schröklicheres denken als meinen Zustand! – Sage mir aus Barmherzigkeit, schriebst Du mir denn Mittwochs nicht, daß ich heute keine Briefe erhielt? – Und warum nicht? – Heiliger Gott! Warum nicht? – – Um Gottes Christi willen, was ist Dir begegnet? – Wenn Du geschrieben hättest, so müßte ich heute Deinen Brief erhalten haben. Oder übergabst Du vielleicht Deinen Brief fremden Leuten, die ihn zu spät auf die Post trugen? – – O wenn das die Ursache wäre, wie gerne wollte ich diesen unachtsamen Leuten ihre Nachläßigkeit verzeihen! –

Daß ich erst Donnerstags abreiste, mußt Du jezt schon wißen, daß ich aber erst heute in der Nacht hier sehr elend ankam, sollst Du gleich erfahren. – Als es in H... zum Einsteigen Zeit wurde, brachte mich Röschen fast nicht in den Wagen, ich wollte Deine Nachbarschaft durchaus nicht verlaßen. – Der Postwagen war voller Leute, ich sas wie eine Verdammte, sprach kein Wort und blieb in dieser jammervollen Betäubung bis es dunkel wurde, dann fieng ich an heimlich zu schluchzen, zu weinen, daß es mich beinahe erstikt hätte. – Ein menschenfreundlicher [162] Kauf mann, der mir gegenüber sas, bemerkte meinen stillen Jammer und gab sich alle Mühe mich zu trösten. – Eine tiefe Ohnmacht, die mir auch zum Theil das unbequeme Fahren zugezogen hatte, war das Ende dieses Auftrittes. – Sinnlos trug man mich in's Wirthshaus, alle Paßagiers wurden jezt auf mein Schiksal neugierig, aber Röschen ist ein schlaues Mädchen, denn nicht eine Seele erfuhr das Geringste von meiner Verfaßung. –

Ha, mein Gatte, wie viele solcher Leiden wirst Du mir noch aufbürden? – – Du kannst nicht begreifen, wie mir das avantürische Herumziehen zusezt und zur Last wird. – Ohne Dich kann ich's nicht mehr tragen, sähst Du die elenden Behandlungen, denen ein Weib ohne Mann ausgesezt ist, Du würdest rasend! – – Und besonders so ein schwaches, empfindliches Ding, wie ich bin. Ha! – Ich bleibe nicht mehr so, ich kann nicht mehr so bleiben, ich muß Dich an meiner Seite haben, Du mußt mich schüzzen. Längstens in drei Wochen kömmst Du an meinen Busen, oder bei Gott ich bin für Dich auf ewig verloren!!! – Das ist hart, nicht wahr Friz? – –

Aber höre nur erst obenhin eine kleine Beschreibung von den unangenehmen Dingen, welchen ein Weib ohne Mann ausgesezt ist. – Unter zwölf Personen, die im Postwagen saßen, war nur ein einziger, der uns nicht für herumziehende liederliche Dirnen hielt. – So bescheiden, so gramvoll ich auch da saß, so ruhte doch das Vorurtheil schwer auf mir, ich sah es aus verschiedenen Anmerkungen. – Selbst Röschen mit ihren kleinen Unbesonnenheiten betrug sich sehr vernünftig. Das Mädchen trägt vieles mit mir. Denke nur die Angst, die sie wegen meinen schwermüthigen Anfällen duldet. – –

Unzufrieden, krank und kummervoll kam ich Nachts um drei Uhr in F... an, foderte ein Zimmer, und was [163] glaubst Du wohl, man gab uns ein kaltes Loch, worinnen ein Bett mit einem bloßen Strohsak stund, und dessen Fenster ganz durchlöchert waren. Der Wirth sah uns ungeachtet unserer guten Kleidung doch für blose Abendtheurerinnen an. – Das war ein Anblik für mich! – Finstere Nacht, außer Stand eine beßere Schenke zu suchen, harrte ich Arme auf dem Strohsak und mein Röschen, die mich mit ihren Thränen wärmte an meiner Seite. –

Ist wohl je einer Mißethäterinn ein solches Schiksal beschieden? – – Und doch geht es einem Weibe ohne Mann nicht anders; nun denke Dir erst die Barbarei, wenn so ein Weib ohne Geld wäre. – Röschen war fast außer sich, daß wir in einen solchen Lumpenwinkel geriethen! – – Der Konduktör nebst seinen Paßagiers reißten gleich wieder weiter, nachdem der erstere auf meinen Konto hin brav gezecht hatte. – Grobheiten zu verhüten, mußte ich bezahlen, wenn ich schon nichts dafür genoßen hatte. –

Als es anfieng Tag zu werden, gieng ich mit Röschen in ein anderes Wirthshaus, die Wirthinn begegnete uns spöttisch, nahm uns aber doch auf, dann mußte ich ganz natürlich bezahlen was ihrem Eigennuz gelüstete. – Gott, was wird das werden, wenn mir die L..., an die ich heute den Empfehlungs-Brief abgeben werde, nicht für ein beßeres Quartier sorgt? –

Auch fängt das hiesige Männervolk schon zu laufen an, da sie uns vermuthlich am Fenster müßen erblikt haben. – Großer Gott, wie weh thut mir das Vorurtheil! – Gatte meines Herzens, bei Deiner Sorgfalt, bei Deiner Liebe, komme bald und tröste Dein

armes Weib. [164]

80. Brief

LXXX. Brief

F... den 19ten November.


Mein Gatte, mein Herzens-Gatte! – Was habe ich seit Vorgestern, als ich keine Briefe erhielt, nicht alles gelitten! – Schröklich waren die Tage, aber noch schröklicher die Nähte! – Wenn ich morgen wieder keine Briefe erhalte, so mögen sie mich an Ketten legen! – Röschen geht jezt zitternd auf die Post, sie sagt, sie hätte nicht den Muth mir eine widrige Nachricht zu bringen. – Sie weint an meinem Bette halbe Nächte durch und bietet alle ihre Kräften auf, um mich aufzuheitern.

Friz, wenn Du noch lebst ... Gott was wäre das! – Wenn Du noch lebst, so vergelte es doch diesem Mädchen, sie ist die Einzige, die Dir Dein Weib erhält, die Einzige, die mit sorgfältiger Schlauheit mir überall nachschleicht, und von gewaltthätigen Unternehmungen zurükhält. – Meine Denkkraft, meine Ruhe, meine Vernunft ist hin, ist weg um einer Leidenschaft willen, die ich nie zu einer solchen Heftigkeit hätte steigen laßen sollen! – Aber Friz, warum warst Du auch so ein sträflicher Schwärmer, der mich bis zur äußersten Liebe hinriß? – Du hättest sie zum Voraus überdenken sollen die tirannische Lage, die Dein Weib von Dir entfernen wird! – Zuviel foderst Du von meiner Stärke, Du bist zu grausam, zu leichtsinnig, Du überdenkst den verzweiflungsvollen Zustand Deines Weibes zu wenig! – Fühle, was ich dulde! – Fremd, verlaßen, von Dir entfernt, mit einer zu Boden getrettenen Seele, mit einem Kopf voll Sorgen, mit einem kummervollen Herzen muß Deine Gattinn ausharren. – Meine ganze Seligkeit ruht blos auf Dir, und wenn sie [165] nun für mich auf einmal zusammen stürzte, wenn Du stürbest, oder Dich Deine Leute wieder einsperrten, oder was weis ich alles ... – Ha! – Dann wäre es ja lustig! – Nicht wahr Friz? – Lustig für einen heftigen Kopf wie der meinige ist! – Solche Höllen-Furien von Gedanken zerfleischen mein krankes Gemüth und entfernen sich gewis nicht eher, als bis ich in Deinen Armen ruhe! – Ich Thörinn, warum verlies ich B...? – Ich hätte doch stündlich zu Dir hinlaufen können, und Dich nähren aus dem Becher der Liebe. – Und jezt kann ich weiter nichts als einige kalte, jammernde Briefe schreiben, die meine Verfaßung doch nur obenhin zeichnen. – Arm bin ich jezt in dieser verdammten Entfernung! – Vielleicht durch Krankheit bald außer Stande zu Dir zurük zu kehren. – Friz, Deine Nina ist wild und hart geworden durch's Unglük, das Deine Liebe ihr zubereitete! – Sie ist nicht mehr sanft und duldend, ihr Zustand gränzt an Unsinn!!! – Sie ist eine Gottlose, Undankbare gegen Dich, der Gram hat ihr allen Trost aus dem Herzen verbannt, das ein liebevoller Gatte mit Engelssorgfalt zu beruhigen suchte! – Aber es ist umsonst, gieb Dir keine fernere Mühe mehr, entweder in drei Wochen bei mir, hörst Du! Für immer bei mir, oder Tod und Verderben!!! – Was soll ich mich da langsam abzehren laßen, tausendmal sterben und doch noch leben! – Warum soll ich warten, bis Furcht, Angst und Schrekken mir den langsamen Todesstoß bringen? – Mein Feuer ist zu heftig, meine Liebe zu ungedultig um dem Schiksal noch länger als drei Wochen nachzugeben. – Entweder kömmst Du bis auf diese Zeit – aber keine Einwendung mehr! – Du kömmst, oder ich werde mir schon selbst helfen. – Du sollst erleben, daß ich Entschluß habe! –

[166] Wenn Dich diese Drohung kränkt, dann bleibe, Allzufurchtsamer, bleibe und überlaß mich meinem Geschikke! – Ich sehe es ein, daß wir mit Wenigem leben können. Hast Du nicht Kopf, hast Du nicht Talente? – Meine jezzigen Hausleute (ich logiere bei der L...) sind wirklich mehr arm als reich, und doch glüklich. – Du unmenschlicher Grübler, der mich aus Zagheit lieber todt als lebendig aufsuchen will, wenn es einmal zu spät seyn wird. – Zum leztenmale bitte ich Dich, laß es nicht zu lange anstehen. Frisch auf, Friz, raffe zusammen was Dein gehört und komme. – – Oder Deine Liebe ist der Fluch, den mir Gott zur Verdammniß aufgelegt hat!!! – Könnte ich außer Dir noch ein Geschöpf leiden, so wäre meine Sehnsucht nicht so heiß, ich würde mit dem gewöhnlichen weiblichen Leichtsinn auf neue Eroberungen antragen. – Aber da sizze ich eingekerkert, verborgen, von allen Augen entfernt, mitten in einer großen Stadt einsam auf meinem Zimmer und leide mehr, als eine andere um ein Königreich zu leiden das Herz hätte. –

Entfernt von den Menschen, ungekannt von Freunden, ohne die mindeste Bekanntschaft, unter einem fremden Namen dulde ich alles einem Manne zu Lieb, den ich anbete! – Ha! – Du müßtest ein heilloser Bube seyn, wenn Du mir auf diesen Brief nicht so gleich den Tag Deiner Ankunft meldetest! – Ich bin des Elendes satt, das mir die Abwesenheit zubereitet, entweder fühlst Du meinen Zustand und hälst ihn nicht für blosen augenbliklichen Affekt, oder Du bringst mich mit eigner Hand um!!! –

Schreibe mir Trost zu so viel Du willst, er hilft nichts mehr. – Sag, furchtsamer, kalter Vernünftler, was soll ich thun? – Hätte ich wohl je gedacht, Dich so treiben zu müßen! – Hätte ich wohl je gedacht, daß ich [167] Dich, Prahler, an Thätigkeit überträfe? – Bald muß ich es teuflisches Flegma, oder sträflichen Leichtsinn nennen, wenn Du noch länger zögerst. – Darüber keine Einwendung, oder die Mutter Deines Kindes flucht Dir!!! – Nun, Herr Menschenkenner, untersuche jezt den Zustand meines Gemüths und zittere, oder komm für immer!!! –


Nach Tisch.


So eben sind wir vom Tisch aufgestanden, die Leute bedienten mich artig, aber mir schmekte kein Essen. Das Gift lag in meinen Sinnen und erstikte mich beinahe! – Wie sich doch die zwei jungen Eheleute gerade heute vor meinen Augen so schön thun mußten, um mich vollends zu verrükken und mir die verlebten Stunden mit Dir zurükzurufen, um mich an mein jezziges Elend zu erinnern, um mich noch wahnsinniger zu machen! – Gott, wenn es diese Leute gewußt hätten, wie sie dadurch an meinem Herzen nagten, daß ich so allein sizzen mußte, wenn alles sich freute und der Liebe genoß! – Die Freuden der Liebe werden wohl nicht bald wieder für mich zurükkehren. – Ich werde wohl eher die Braut des Todes werden, als mit Gattenliebe in Deinen Armen wieder einmal himmlische Wonne genießen. – Nicht wahr, Friz, himmlische Wonne? – Gott! Wenn ich so wie glühendes Feuer an Deiner Seite saß, mich fest an Dich andrükte, mit einer Kraft, die die liebe Mutter-Natur blos dem Weib gab, um den rohern Mann einzuwiegen in tausendfältige Wollust; und wie Du dann auch wollüstig zu schwärmen lehrtest, wie Du fluchtest über die abscheulichen sinnlichen Kreaturen die die Männer blos viehisch zu reizen wißen. – Wie langsam, wie mechanisch, wie roh, wie sinnlos Dir die Augenblikke bei andern Bekanntschaften vorbeistrichen, und wie wir beide hingegen alle erdenkliche Wollust in Wiz[168] und Gutherzigkeit einzukleiden wußten. Wie jede Tändelei Deine Seele zur Dankbarkeit leitete und wir dann alles so harmonisch zusammen fühlten, daß wir glaubten eine Welt vergienge uns! – Wie jeder Deiner Küße mich durch und durch entzükte, wie Deine feurige Einbildungskraft die Wollust zu verlängern wußte! – Nein, ich darf sie nicht mehr zurükrufen diese Augenblikke der seltensten Liebe, oder ich höre auf zu seyn! ... – Mit Gewalt will ich davon abbrechen, oder ich verliere heute noch meinen Verstand ...


Abends.


Mein Blut hat sich in etwas gelegt, aber Wehmuth und zitternde Erwartung der morgenden Post ist an die Stelle der brausenden Wildheit getretten. – Man klopft an die Treppenthüre. Großer Gott! – Was soll das? – Ein Offizier! – – Jesus, was will der? – – – – Die L... führt ihn in's Vorzimmer .... Röschen spricht mit ihm .... Gott, was mag es seyn? – – Horch! ... O dem Himmel sey Dank, es ist nichts, als eine verdammte Kühnheit, womit er sich in's Haus drang; er bediente sich einer Lüge zur Ausrede, aber wurde von Röschen und der Hauswirthinn tüchtig abgefertigt. – Wärst Du bei mir, so etwas geschähe mir nie wie der. – Gute Nacht Friz! –


In der Frühe.


Ich habe die ganze Nacht vor ängstlichen Träumen wieder nicht schlafen können. – Röschen ist auf die Post; barmherziger Gott, wenn sie keinen Brief brächte! – O mein armes Herz, es zerspringt fast! – Bei Gott, ich unterliege, wenn diese Ungewißheit nicht bald ihr Ende erreicht! – Mein Kopf schwindelt völlig ...

[169] Nun Gott sey ewiger Dank! – Röschen brachte mir Deinen zweiten Brief seit Deiner Abreise von R... Aber um aller Welt willen warum schreibst Du denn nicht alle Posttage? – Weist Du denn nicht, daß die Post viermal wochentlich abgeht? – Störe nicht ferner durch Nachläßigkeit meine Seelenruhe! – –

Nina.

81. Brief

LXXXI. Brief

F... den 22ten November.


Theurer, guter, lieber Friz! – Heute ist wieder Posttag und warum denn keinen Brief von Dir? – Ist es möglich, daß Du mit schreiben zögerst? – – Erhalte ich in Zukunft nicht jeden Posttag Briefe, nun dann trag diese martervolle Ungewißheit wer da will, ich kann sie gewis nicht mehr ertragen! – Der Kummer hat mich ohnehin wieder aufs Krankenbett geworfen und meine Augen sind vom Weinen halb blind. Kaum würdest Du mich mehr seit unserer lezten Unterredung kennen, bei den heiligsten Gatten- und Vaterpflichten beschwöre ich Dich, zögere nicht über die bestimmten drei Wochen, sonst findest Du mich im Sarg! – Du mußt von meiner Empfindsamkeit nicht zu viel fodern, sie könnte auf einmal überschnappen! – Mache jezt mit allen Kräften Unmöglichkeiten möglich! Jede Stunde Aufschub ist eine Mordthat an Deinem Kinde! – O des Leichtsinnigen, der wegen einigen Familien-Hindernißen das Leben zweier unschuldigen Geschöpfe aufopfert! – Liebte ich Dich nicht mehr als mein Leben? – War mir nicht dieses Leben um Dich feil? – O ich wäre bald aufgelegt Dir blutige Vorwürfe zu machen! – Wenigstens [170] will ich Dir doch die Abnahme meiner Gesundheit berichten, damit Du Dich darnach richten kannst. – Deine eignen Leiden mögen stark seyn, aber gegen die meinigen ein Schatten, Du hast Männerkraft, und ich Weiberschwäche, Du hast vorübereilende Affekten, und ich anhaltende. – Glaube nicht, daß ich Dich durch Schrekkenbilder lokken will, es ist Wahrheit; komm, oder Du findest mich in den kalten Armen des Todes!!! –

Ha, Friz! – Laß mich Dir nicht fluchen! – Schon oft dachte ich Dich fühlloser als mich, aber gleich bat ich Dir wieder diese Beleidigung ab. – –

O laß mich wieder in Deine Nachbarschaft ziehen, wenn es eine Unmöglichkeit ist Deine Geschäften zu enden. Unter dem Dach in einem Winkelchen will ich mein Quartier aufschlagen, dann wohne ich doch nahe bei Dir, und kann Dich doch im Nothfalle zu Fuß besuchen.

Ja, ja, Friz, zu Fuß, zu so etwas wäre ich auch mitten im Winter im Stande. – Meine Wirthsleute können nicht begreifen, daß ich mir jede Unterhaltung versage. – Alles ist außer Dir für mich todt!!! – Lies folgenden kleinen Aufsaz, denn ich wieder im Gram verfertigte. – –

Empfindungen bei der Erwartung meines Gatten.

O gewis, mein Gatte, werden die Abschiedsthränen Deiner Eltern und Verwandten heißer brennen als meine abwesenden. – Ha! – Mein Friz! – Vergiß die jammernde Stimme Deines Weibes nicht! – Laß Dein Ohr bei der Stimme des Bluts auch für meinen Jammer offen! – Sieh Dich um, wenn Dich Deine Leute umringen, [171] sieh Dich um, Du wirst in einer Ekke des Zimmers Dein armes, blasses Weib sehen, Du wirst sehen, wie sie ihre Hände ringt, Du wirst sehen, wie sie laut weint und zitternd den Ausgang Deines Kampfes abwartet! – Du wirst sehen, wie Tod und Verzweiflung auf ihrem Gesichte ruht, Du wirst sehen, wie sie hinsinken wird in Sinnlosigkeit über die ausgestandenen Leiden der Trennung! – Friz! – Solltest Du Dein Kind und seine Mutter vergeßen können? – – Sollten es Deine eigennüzzigen, boshaften Eltern so weit bringen, daß sie mit Heuchelei über Dein Herz Meister würden? – – Sollten sie mich hinlänglich anschwärzen können, daß Du Dich meiner vor ihren feindseligen Augen schämen müßtest? – O Gott! – Gott! – – Was ist ein Weib, wenn sie unter die Hände der Verläumdung geräth? – – Mutter und Kind sind für Dich verloren, wenn Du je wanken könntest!!! – –


Abends.


Ich könnte kein Auge zuschließen, ohne mit Dir noch über Verschiedenes zu sprechen. Es würde mich Meineid dünken, wenn ich mich jezt auf die faule Haut legte, da Du indeßen mit Schweis auf der Stirne an mich denkest. O mein Gatte! – mein Gatte, was wäre ich ohne Dich? – Denke einmal, wer würde sich in B... meiner erbarmen, wenn Dir etwas begegnete? – Wer würde mir schreiben? – Niemand, weil ich keiner Seele meine Lage anvertrauen dürfte. –

Aber so gewis, als Gott im Himmel ist, erhalte ich in Zukunft drei Posttäge lang keine Briefe, so können mich die dummen Bigotten den vierten Posttag hinschleppen laßen an den Ort, der nach ihrem lieblosen Urtheil für Verdammte bestimmt ist. – O der Verdammungswuth, mit [172] der man Unglükliche verfolgt, denen es auf dieser Welt zu eng wurde! Dieses höllische Vorurtheil ist gewis von keinem Liebekranken erfunden worden!

Weist Du auch lieber Friz, daß ich jezt im ganzen Hause allein bin? – Röschen ist mit den Wirthsleuten zum Tanz; um mich herum ist jezt niemand als meine finstere Schwermuth und Deine Liebe ... Man läutet gerade zu einem Leichenbegängnis, noch ist es das meinige nicht, noch muß er sich herumwälzen dieser brechende Körper, bis seine Stunde kömmt, wo er zur Ruhe hineilen kann. Ha! – Und diese Stunde, wenn wird sie kommen? – – Wenn wird er reißen der Faden dieses elenden Gewebes? – – O wie die kalten Menschen meiner Schwärmerei spotten, wie sie lachen über mein Elend, wie sie es Narrheit heissen, und doch legte diese Anlage der Allmächtige in mich! – Und doch wohnt diese Anlage tief in meiner Seele! – –

Deine Liebe gab meiner Schwermuth den Ausbruch, ich war immer sanft, gedultig und mit hinlänglicher Vernunft versehen, aber jezt ist alles hin, alles weg! – Ha! – Unüberlegter Jüngling! – Warum riefst Du ein Weib zum gränzenlosen Elend empor, wenn Du es nicht erleichtern kannst? – Warum ließest Du mich nicht in meinem fühllosen Zustande, worinnen ich mit Allen schäkkerte und für keinen Liebe fühlte? – Wie klein waren die Freuden meiner Liebe, und wie viel steht mir noch bevor, ehe sie mir wieder werden. – Siehst Du, wie unermüdet ich über unsere Liebe nachdenke? – Glaubst Du nicht, daß mir dies viele Nachhängen den Kopf wirbeln macht? –

Wenn in Dir Gram aufsteigt, so fängst Du an zu trillern oder Tabak zu rauchen, und dann bist Du wieder zufrieden. – Aber ich Aermste, ich Elende, ich Verlaßne habe keine Erleichterung! – Ich kann nicht anders, ich muß [173] denken, ich muß nachhängen. Vielleicht dreht sich mein. Kopf bald zur Sinnlosigkeit, und dann wird mir wohl werden. – Weist Du noch, wie ich krank war? – Weist Du noch? – O Du warst von Anfang hart gegen mich, aber hernach, wie viel hast Du für mich gethan? Ich werde es Dir wohl nicht vergelten können. – Hättest Du mich sterben laßen, Allzusorgfältiger, so wäre ich jezt allem überhoben. – Mein Kopf, mein Kopf, ist heute Abend nicht wie er seyn soll! – Ich muß zu Bette, Gott erhalte Dich, vielleicht wird es hernach leichter um's Herz!!! – Gott stehe mir bei ....


Den andern Morgen.


Friz! – Fast glaubte ich daß dies die lezte Nacht meines Lebens seyn würde! – Die Angst trieb mich hin und her, kein Mensch im ganzen Hause konnte vor mir des Schlafes genießen. – Dreimal war ich im Begriff die Last meines Lebens zu enden, und dreimal hinderten mich die allzugefälligen Geschöpfe daran. –

Daß sich doch Fremde in meinen Zustand mischen wollen, daß sie mich gefangen halten und dem Drang meiner Leidenschaften nicht Luft laßen wollen! Wißen denn die ruhigen Klözze nicht, daß dies Leben für mich keinen Reiz mehr hat? – – Wißen sie nicht, daß mich das Schiksal ganz gewis von Dir trennen wird, und daß ich es ohne Dich nicht mehr länger aushalten will? – – Und doch unterstehen sich diese Menschen, mir unwahrscheinliche Trostgründe vorzulügen! – Duldete ich nicht schon lange genug? – Habe ich Dir nicht eine Zeither die schröklichsten Briefe ohne Erfolg geschrieben? – Und was waren Deine Trostgründe? – Leere Versprechungen und Aufschub! – – Die Leute sagen, wer vom Selbstmord spricht, ist weit davon entfernt, und ich hingegen sage euch, ihr Vernünftler, [174] was lange in der Einbildung kocht, kocht nicht umsonst. –

Wenn vom Unglüklichen alle Hofnung weicht, wenn alle seine Aussichten schwinden, wenn sein Schiksal hartnäkkig bleibt, wenn die Menschen wie Teufeln an seinem Untergange arbeiten, wenn Schande, Verachtung, Armuth, Verzweiflung die schönsten Aussichten sind, denen er entgegen sieht, wenn die ganze Natur für ihn Barbarei athmet, wenn leidenschaftliche, unbefriedigte Liebe sein Herz zusammendrükt, wenn Sehnsucht, getäuschte Erwartung und Ungewißheit seine kranke Seele in die Enge treiben, wenn Alles, Alles, auf den Unglüklichen losstürmt, warum sollte er nicht mit Lebhaftigkeit nach Erleichterung haschen? – – O mein Kopf! – Er ist siedend, brennendheiß, Gatte, Herzens-Gatte! – Hast Du mir heute wieder nicht geschrieben? – – – – Ich muß nachsehen laßen. – Röschen! – Geschwind, fort auf die Post! – Fort sag ich Zauderinn! – Und bringt sie mir nichts ... auch gut! ...


Röschen.

Aber Madame, vorhin waren Sie so wild und jezt so gleichgültig? – Jesus! – Jesus! Was fehlt Ihnen wieder? – – Ich gehe nicht fort, ich verlaße Sie nicht, bis Sie mir versprechen ruhig zu seyn. –


Elende Schwäzzerinn, weg von mir, ich will allein seyn! – Laß sie mich in Ruhe, oder .....


Röschen.

Um Gotteswillen, Madame L.... kommen Sie doch zu meiner kranken Frau, eher gehe ich nicht auf die Post! –


Horch! – Da steht ja etwas! – Hu! – Ein langer, hagerer, abscheulicher Mann!!! – Ein Todtengerippe, das dem meinigen gleicht! – Weg Friz! – Weg! – Du gehörst nicht mehr zu mir! – Siehst Du, wie der [175] Henker der Mutter Deines Kindes die Ketten anlegt!!! – Siehst Du, wie der Pöbel sich hinzudrängt und mir den Braut-Kranz auf's Schaffot trägt, wie mir ihn Deine Verwandten vom Kopf reißen! – – Ha! – Blut! – Blut! – von Deinem Weibe sprüzt auf die Erde! – Stille, stille! Wer kömmt? – – Was will die Kreatur vor meinem Bette mit ihren weinenden Augen? – Mädchen, Ha! – Mädchen, bringst Du mir keine Briefe? – ......... nicht? – – nicht? ... Weh dem Verräther! – Weh seinem Kinde! – Weh mir! – Und du noch ungebornes Wesen unter meinem Herzen du sollst nicht reif werden zur Schande, zur Verfolgung, du sollst Deiner Mutter nicht fluchen, Du sollst mich bei Deiner Geburt nicht ängstigen mit dem Andenken über Dein künftiges Schiksal, du sollst deines Vaters Bruder nicht kennen lernen, der deine Mutter aus Vorurtheil mordete. – Sey nur ruhig, Kind des Kummers, sey nur ruhig, ich will dich mit mir abreißen von einem Leben, das dich und mich zur langsamen Verzweiflung bestimmt hat! – Muthig will ich mein wallendes Blut mit Gift abkühlen, entschloßen die Stunde meiner Auflösung herbeirufen, gleichgültig von deinem unthätigen Vater Abschied nehmen, er besizt Reize genug zu einer neuen Eroberung. –

Daß mir doch die Hauswirthinn nicht von der Seite geht! – So unverschämt zudringlich sollte sie doch wohl nicht seyn! – Auch meine Kammerzofe heult dort in einem Winkel ... Heult nur, ich will euch doch überlisten, bei meiner wilden ungewöhnlichen Hartherzigkeit, ich will euch doch überlisten! –


[176] Nach Tisch.


Endlich wird es doch bei mir bald ruhig werden an Seel und Leib! – Alles ist ohnehin für mich verloren, ich habe keinen Gatten, keinen Vater zu meinem Kinde mehr! – Hier spotten mich seine Nebenbuhler und seine Verwandten, dort ergreift mich die Armuth, hier droht mir Schande und Verachtung, dort öffnet sich das Verderben, hier weint mein Kind aus Elend, dort liegt sein Vater aus Vorurtheil an Ketten, hier verfolgt mich der hartherzige Bruder, dort kommen die Diener der Gerechtigkeit um mich in's Gefängniß zu schleppen! – Haltet ein, ihr Unmenschen! – Ich weis aus Liebe der Schande zu entrinnen .... Komm barmherziger Trank, ich will Dich zubereiten ... In dir liegt Rettung, in dir liegt Auflösung von der Menschheit, du sollst mich gelinde abstreifen von allem Elend, du sollst ....


Röschen.

Madame! – Madame! – –
Weg Schlange! – Weg Dirne, warum störtest du mich! – –

Röschen.

Großer Gott! – Was machen Sie da? – Was ist in diesem Glas? – Her damit! – Gott und alle Heiligen, her damit! – – O sagen Sie mir um Gotteswillen was darinnen ist! – –


Wasser und Zukker, sonst nichts. –


Röschen.

Heiliger Gott! – Ich glaube gar es ist Gift! – Um Gottes Barmherzigkeit willen, Madame, erholen Sie sich doch! – Hören Sie mich! – Wachen Sie auf von ihrer Betäubung, faßen Sie sich! – Auf meinen Knieen bitte ich Sie darum!!! – Madame kennen Sie mich [177] nicht mehr? – – Hören Sie doch, hören Sie doch! – Da sind Briefe von ihrem Gatten! –


Was? – Was? – Briefe von meinem Friz? – Du lügst! ... Nein du lügst bei Gott nicht! – – Her damit, her! – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Hier lieg ich auf meinen Knieen, allgewaltige Vorsehung! – Hier im Staube will ich meinen Frevel an dir abbüßen! – Hier liegt die Sünderinn, die an deiner Güte zweifelte! – Großer, allmächtiger Gott! – Blikke herab mit Barmherzigkeit auf meine Reue! – Laß sie zu dir dringen diese heißen Thränen der Beschämung! – Strafe nicht mein geringes Zutrauen in deine weise Güte! – Schon stund ich doppelte Mörderinn am Rande des Grabes, schon vergas ich Natur, Mutter, Gattenpflicht und Religion, als du gütiger Vater im Himmel mir im nämlichen Augenblikke Rettung schiktest! – Ewig, ewig sey deine unendliche Barmherzigkeit gepriesen!!! – O meine Kräften ... wie wird mir? ... Diese Ueberraschung! ... Dieser Uebergang! ... Ich fühle Schauder ... Hizze ... meine Augen verdunkeln sich ... ich kann nicht mehr ... sey mir gnädig ... o Ewiger ...!


Einige Stunden darnach.


Meine Ohnmacht ist vorbei, o mein Friz, o mein Gatte, vergieb mir, der Welt-Heiland hat mir auch vergeben! – Kannst Du Dich jezt entschließen, mit einer Verworfenen zu leben, die es wagte sich zur Selbstmörderinn zu erniedrigen? – – Kann Dich meine blutige Reue besänftigen über den ehrvergeßnen Undank, den ich am Schöpfer, an Dir, an Deinem Kinde begieng? – – Friz, auf meinen Knieen bitte ich Dich um Verzeihung! – [178] Stoße die Arme nicht von Dir, die aus Verzweiflung an keine Vorsehung mehr glaubte. Vergieb ihr, vergieb ihr um der Unschuld willen, die sie unter ihrem Herzen trägt! – Darf ich hoffen? – Darf ich? – – – Bei Gott, Friz, Du hast mir in diesem Augenblik vergeben, daß sagt mir eine höhere simpatetische Macht! – Das sagt mir mein Herz, meine Ahndung! – –

O meine Empfindungen öffnen sich der Freude wieder, ich kann ihn jezt faßen, den Gedanken dieser plözlichen glüklichen Veränderung! – So fieberhaft auch immer mein Puls noch schlägt, so bin ich doch noch stark genug, um über die gute Nachricht nachzudenken, die Du mir gabst. – So sind wir denn auf einmal glüklich! – Unsere Familie versöhnt ... Schark abwesend! – Und ich in vier und zwanzig Stunden in Deinen Armen! – Ja, Friz, gewis in Deinen Armen! – – –

Die Post steht vor der Thüre, ich werfe mich krank in den Wagen, Du magst ihr entgegen eilen Deiner Nina, Du magst Dein Weib vor der Welt öffentlich an Dein Herz drükken, Du magst den großen, barmherzigen Weltbeherrscher ewig ewig, mit mir verehren, Du magst Dein Kind lehren seine Allmacht preisen, die Thränen seiner Nebenmenschen tröknen und nie an der göttlichen Vorsicht zweifeln! – – –

Nina.

Fußnoten

1 Um das Auge und Ohr nicht zu beleidigen hat man die erbärmliche Orthographie dieses Briefes berichtigt. – –

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TextGrid Repository (2012). Ehrmann, Marianne. Romane. Nina's Briefe an ihren Geliebten. Nina's Briefe an ihren Geliebten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-96C5-4