11.
Aus dem Finsternüß das Licht
Von Müh' und Unbestand menschlichen Lebens
Sechstine

Wann ich seh' in mir an das große Rund der Welt,
Erblick ich in der erst ein ungestümes Meer:
Dis hat gantz überwölckt des Irrthums finstre Nacht,
Denn reißt mich mit ihm fort der Eitelkeiten Lauff:
Ich irr' und tapp' und seh', und finde doch kein Licht;
Kein andrer Port ist dar als der versehne Tod.
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In seinem Köcher hat mehr Pfeile dieser Todt,
Als Sonnenstaub durchzeucht die Kugel dieser Welt:
Als Wellen wirfft und bricht das unbepfählte Meer:
Als Sterne Luna führt, wann Sie bekrönt die Nacht:
Als Blick' in ihm beschleust der Zeiten strenger Lauff:
Als Strahlen aus ihm giebt des grossen Himmels Licht,
Ich sehe wie im Traum zwar offt der Wahrheit Licht,
Wann mein Gemüth und Hertz entfinstert ie der Tod:
Offt wird mir sehr verhast die arge Lust der Welt:
In dem die Ruh bemahlt und stillt das tobe Meer:
Offt brech ich durch den Schlaff, und steig aus tieffer Nacht,
Ja brenne, Himmel an zu nehmen meinen Lauff:
Bald aber wird gehemmt der Tugend strenge Lauff:
Und ich bin gantz verführt und seh' ein frembdes Licht,
Wann seine Furcht erweckt der langsam schnelle Tod:
Mein Hertze geht nach Lust so wieder in die Welt,
Wird hin und her gejagt durch offnes Sorgen Meer;
Deckt über seinen Fall das Segel stiller Nacht.
Wann du in Zirckeln zehlst die Sterne bey der Nacht,
Wann du zurücke bringst der Jahre schnellen Lauff,
Wann du vom Gläntzen treibst der Sonnen helles Licht:
Wann du im Tode selbst kanst singen weg den Tod,
Wann du ohn Wind und Lufft wirst sehn den Ball der Wellt,
Wirstu von sturm und fall befreyt sein und dein Meer.
Wann ohne Schiffbruch du wilt segeln durch das Meer,
O Mensch! so reiße dich aus der verstockten Nacht,
Inngleichen Winckelschnur erhebe deinen Lauff,
Biß du erblicken kanst der Gottheit klares Licht,
Dann führst du im Triumph durch einen freyen Tod,
Den Tod, das Licht, den Lauff, die Nacht, das Meer, die Welt.
Sonst nimmt die Welt dein Lob, dein Haab und Gut das Meer,
Dein Leben selbst der Tod, dein Herrlichseyn die Nacht,
Dein blinder Wahn das Licht, die Eitelkeit den Lauff.

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TextGrid Repository (2012). Czepko von Reigersfeld, Daniel. Gedichte. Gegen Lage der Eitelkeit. Von der Eitelkeit zur Warheit. 11. Aus dem Finsternüß das Licht. 11. Aus dem Finsternüß das Licht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-599E-F