Rede auß meinem Grabe

[414][392]
O Mensch/ du Grab der Eitelkeit
Triet her zu diesem Grabe:
Schau was ich dir/ du Raub der Zeit/
Darein geleget habe.
Was du ietzt bist und dann wirst seyn/
Nihm von mir/ dir zur Warnung ein.
Ein kleiner Hügel ist mein Reich/
Ein Orth von dreyen Ehlen:
Vier Brether einem Kasten gleich/
Verwahrn mich und viel quehlen:
Sechs Schauffeln Erd'/ O sanffte Ruh!
Scharrn mich/ und auch viel Sorgen zu.
Ich war ein Mensch/ wie du auch bist
Von Stand und vom Verstande:
Dein gleiches Bild/ dein neben Christ:
Jetzt lieg ich hier im Sande.
Kein Marmel darff mein Grab erhöhn/
Daß ich kan leichter aufferstehn.
Was ist der Mensch? deß Todes Ziehl:
Deß Irrthums Wirbel wende.
Sein Thun? der Eitelkeiten Spiel/
[392]
Ein Vorsatz sonder Ende.
Sein Geist? ein halber Mund voll Lufft
Der so viel denckt und schafft und hofft.
Kein König: solt' Er gleich an Schein
Den Alexander pochen/
Ein neuer Welt Beherrscher seyn/
Und noch mehr Welten suchen.
Kein Bettelman vor deiner Thür/
Darff einen grössern Raum vor mir.
Hier ist der Gräntzstein aller Macht/
Das Zohl-Haus aller Sachen:
Kunst/ Schönheit/ Herrligkeit und Pracht/
Darff sich nicht drüber machen.
Ein Schwerd/ ein Buch/ ein Pflug/ ein Stab/
Sucht unter einem Staub ein Grab.
So weit/ so weit hast du zu mir/
Dein Fuß hat zu der Erden:
Der Tod/ dein steter Gast winckt dir:
Folg ihm: wiltu klug werden.
Was du sonst suchest weit und breit
Ist nichts als eitel Eitelkeit.
Der Leib/ das Haus/ in dem der Geist
Beherbergt so viel Jahre:
Der in der Übung ward gepreist/
Liegt auff der Todten Bahre.
Was hurtig/ was gerad und starck
Ist ietzt ein Aaß und fault im Sarg.
Ihr/ die ihr Stärck' in Armen spürt;
Geschickligkeit in Füssen:
In Fäusten gleiche Masse führt
Zu lösen und zu schlüssen/
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Vor Degen/ Ritterspiel und Pferd:
Schaut wie der Tod das Blath verkehrt.
Was hilfft es/ daß ihr das Rappir/
Dem Tibolt nachgetragen:
Daß Fürsten nandten ihre Ziehr/
Nach dem sich viel geschlagen:
Der Tod hat hier mit stracker Hand
Gefühl und Klinge mir entwand.
Was nutzet es/ daß ihr wohl schwingt
Den Fahn und auch die Picke:
Wol schieft/ wol schwimbt/ wol laufft und springt
Vor sich und auch zu rücke:
Den Schenckeln bringt der Tod; Ach Pein!
Hier das gelernte Zittern ein.
Was dien't es/ daß ihr euer Pferd
Umbwerfft zu beyden Seiten:
Daß sich der Hengst/ wie ihr begehrt/
Lest wol in Schulen reitten:
Das Schull- recht mach' ich hier gemach
Dem Tod auff seiner Fahlen nach.
Ihr/ die ihr viel auff Jugend traut/
Auff frische Mannes Kräffte:
Viel auff Gewerb und Wirtschafft baut/
Auff allerhand Geschäffte:
Ein Sarg wie der/ ist euer Lohn/
Sonst kriegt ihr warlich nichts darvon.
Was ist die Jugend? Ein Gelach
Von Tausend Eitelkeiten:
Ein Spiel- ein Buhl- ein Lust-Gemach
Darinnen wir uns breiten.
Schaut wie mich Atropos ietzt hertzt/
Daß ich darinnen auch geschertzt.
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Was ist die Eh'? ein Sorgen Nest.
Wie reich/ wie klug/ wie schöne
Dein Schatz/ dein liebes Weib gewest/
Wie sitsam deine Söhne/
Ein ander muß versorgen sie/
Diß hatt ich auch/ ietzt lieg ich hie.
Was ist die Wirtschafft? eine Lust
Mit Unlust stets umbgeben/
Doch wol dem/ der ihm wol bewust/
Kan auff dem Felde leben:
Die Erde/ weil wir Erde sein/
Pflügt ich/ ietzt scharrt sie mich drauff ein!
Was sind Geschäfft? ein Licht daß sich
Begräbet unterm brennen:
Wir machen frey von Händeln dich/
Eh' als wir Unsre kennen.
Der keinem Menschen was versagt:
Sieht nicht/ wer nach den Seinen fragt.
Der Geist/ ein Wirth/ der durch das Haus/
Den Gasthoff geitzer Würme/
Hat seine Krafft gebreitet auß/
Durch so viel Jahr und Stürme/
Ist nunmehr Himmel auff gereist:
Kein Pfad das minste von ihm weist.
Ihr/ die ihr Kunst und Wissenschafft
Erfunden und beschrieben:
Von deren Sinnen weisen Krafft
Nichts unentdecket blieben.
Sehr wenig hab ich nicht gewust
Und doch an diesen Orth gemust.
Ich hab auf die gebundne Art/
Mit mehr als Hundert Büchern:
[395]
Zwar wollen mir/ vor meiner Farth/
Mein Andenckmahl versichern.
Jedoch die Bücher scharrt in sich
Die faule Mott'/ und Streck-Fuß mich.
Gestalt/ und Eigenschafft und Grund/
Der wunderbahrn Geschöpffe:
Ward mir durch weises suchen kund/
Ein Werck vor kluge Köpffe/
Der Dinge Glantz durch-ging mich offt/
Jetzt lieg ich in der finstern Grufft.
Die allgemeine Scheide Kunst/
Wies mir das Saltz der Erden/
Es solte drauß/ durch Gottes Gunst/
Der Weisen Artzney werden:
Schaut wie der scheutzlich Alchimist/
Der Tod/ mich selber kocht und frist.
Das Recht/ daß die Natur und Gott
Uns gräbt in das Gewissen:
War mir das rechte Grund Gebot/
Draus alle Rechts-Lehrn fliessen:
Der Vieler/ liegt hier auff der Baar/
Ein allgemeines Rath-Haus war.
Was sie die Cabala auch kan/
Entbilden und enthöhlen
Hoch über deß Gemüttes Bahn
In einer reinen Seelen/
Hab ich geschaut/ erkand/ erfahrn/
Jetzt lieg ich untern meisten Schaarn.
Und kurtz: die Werckzeug ingesambt/
Der höchsten Wissenschafften:
Sind abgeschafft: hier endt ihr Ambt
Dran manche sich vergafften
[396]
Nicht eines/ wann du es erkiest/
Weiß mehr/ was es gewesen ist.
Die Lippen/ die es kund gethan/
Die Hand/ in die es kommen:
Die Augen/ die es schauten an/
Die Ohrn/ die es vernommen:
Sind stumm/ sind lahm/ sind blind/ sind taub/
Und alles eine Handvoll Staub.
Drum der du diese Grabschriefft liest/
Und hörst mich unterm Sande:
Gedenck an Tod/ wie hoch du bist
Am Stand und am Verstande:
Du hast nicht einen Schriet zu mir/
Dein Grab steht untern Füssen dir.
Du wirst auß deiner Felder Raum
Ein Grab allda zu liegen:
Gewand/ auß deinem Kasten kaum/
Zum Sterbe-Kittel kriegen:
Von Dienern/ welche dich itzt ehrn
Wird man dich nicht mehr nennen hörn.
Nackt ein/ nackt zihn wir auß der Zeit/
Nichts folgt uns/ wann wir sterben
Als deß Gewissens Reinigkeit
Das ander bleibt den Erben.
Weib/ Kind/ Haus/ Ansehn/ Ambt und Gutt
Nihmbstu nicht/ noch sie dich in Hutt.
Wann es am letzten Abdruck ist
So hilfft dich nichts dein Wissen:
Die Künste/ so du vor erkiest/
Und dein Verstand verfliessen:
Gott sieht bloß deinen Glauben an,
Fehlt dieser dir/ fehlst du der Bahn.
[397]
Der Glauben aber dehn Gott sieht/
Muß nichts/ als Christum wissen:
Muß dich: drauß ewig's Leben blüht/
In seine Wunden schlüssen:
Muß ihn und dich in eines ziehn/
Denn Gott nimbt sonst nichts an/ als ihn.
Gott fürchten/ dieses übertriefft
All' andere Gesetze:
Und Christum lieben: alle Schrifft/
Und aller Weißheit Schätze.
Dem heiligen Geiste geben stat
Der Menschen allerklügsten Rath.
Mein Pilgram/ eines das ist noth/
Dasselbe heist: wol sterben:
Kanstu es: du siehst nicht den Tod/
Wo nicht: du must verterben.
Wol sterben/ ist wol aufferstehn/
Drauff wart' ich/ du magst fürder gehn.

Gantz sterben werd' ich nicht

Ein Theil ist todt: ein Theil zeigt sich in Kindern hier:
Ein Theil im Ruff: ein Theil in schöner Bücher Ziehr.
Ein Theil im Rath: ein Theil in guter Freunde Noth.
So lebt das gröste Theil. Daß minste das ist todt.
Jedoch was sind die Theil'/ es lebt die Seele ja.
Ob alle Theile hin; Genung/ ist sie nur da.
[398]

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TextGrid Repository (2012). Czepko von Reigersfeld, Daniel. Gedichte. Rede auß meinem Grabe. Rede auß meinem Grabe. Rede auß meinem Grabe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5989-E