Der Tod des Räubers

Nach de la Vigne


Dem Söldner zahlt den ausgerufnen Preis! –
Der sonst um Romas Mauern weit im Kreis
Gemordet und geraubt, liegt überwunden;
Der Schreckliche verspritzt aus tiefen Wunden
Sein Blut so heiß.
Die Seinen haben ihn hinabgetragen
In ihre Höhle, wo beim Fackelschein
Um den Gefallnen sie gekauert klagen;
Der Alte liegt besinnungslos, allein
Die Pulse schlagen.
Der späht, indem den Brand er näher schiebt,
Ob er kein Lebenszeichen von sich gibt;
Der spricht, indem er geht das Grab zu graben
Und seine Tränen er verschluckt: »Wie haben
Wir ihn geliebt!
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Die um das Sterbebett des Pabstes weilen,
Sie haben nicht für ihn die Herzlichkeit.
Wie wußt er zu der Plünderung zu eilen!
Wie stark im Kampf und welche Ehrlichkeit
Sodann beim Teilen!
Er war ein echter Christ vom alten Schlag,
Er hielt die Fasten, wie nur einer mag,
Die heil'ge Kirche nebst den Heil'gen ehrt' er,
Und Raub und Mord, und jedes Werk verwehrt' er
Am Feiertag.
Da hatte nicht ein Christenkind zu beben,
Der Ketzer durfte nur, wie sich's gebührt,
Der Engeländer uns zu schaffen geben. –
Beeifert euch, wenn's so zu sterben führt,
Noch fromm zu leben!
Nun regt er sich, erwartet sein Gebot!« –
Er streckt die Hand aus, breit und blutig rot,
Sie suchet seine Flinte noch zu fassen;
Nicht will er von der alten Waffe lassen,
Nicht in den Tod.
Sie war so manche Jahre sein getreuer,
Sein einziger Beschützer und Genoß;
Er freut sich ihrer, die er hält so teuer,
Versucht mit starrem Finger noch das Schloß –
Da gibt sie Feuer.
»Schon gut, du kennst mich noch; – indessen rafft
Der Söldner mich inmitten meiner Kraft;
Ich kann nicht selber meine Rache nehmen;
Du mußt dich einer stärkern Hand bequemen,
Die Rache schafft.
Durch dich getroffen muß der Wicht erstarren,
Den schuldest du mir noch, versage nicht;
Sie werden in die Erde mich verscharren,
Drei Tage geb ich Zeit, tu deine Pflicht,
Ich werde harren.«
Des Weges zog ein Mönch von ungefähr;
Mit Geld und milden Gaben hatten schwer
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Die Gläub'gen ihn beladen; dieses bracht er
Dem Kloster zu, des Geldes nur gedacht er; –
So zog er her.
Ein Räuber hieß, ehrfürchtig die Gebärde,
Das Haupt entblößt, ihn folgen zu dem Platz;
Er kam unweigerlich, den Blick zur Erde,
Mit leisem Schritt, daß klingend nicht sein Schatz
Verraten werde.
Und brünstig betet' er zu Gott empor;
Da klang dies Wort unheimlich in sein Ohr:
»Ihr sollt mich beichten hören, mich entbinden,
So lieb Euch Euer Kopf ist, meiner Sünden.
Confiteor:
Es lastet mancher Mord auf meiner Seele,
Darauf war einmal mein Gewerb gestellt.«
Demütig sprach mit angstgeschnürter Kehle
Der Mönch: »Wer ist, mein Sohn, in dieser Welt
Ganz frei von Fehle?«
Erbaulich kreuzigte, wer um ihn stund,
Bei jedem Mord sich traurend, den sein Mund
Berichtete; und ferner sprach der Alte:
»Wie sich's mit meinem Nachlaß noch verhalte,
Ich mach es kund.
Im Namen Gottes und der Jungfrau, sollen
Gehören meinem Weib Geschmeid und Tand;
Dir mein Gewehr, um Rache mir zu zollen;
Euch, Herr, mein Geld; – die Seel' in Gottes Hand,
Mög er sie wollen!«
Der Mönch empfing im Schrecken seinen Lohn
Und gab dem Sünder Absolution;
Dann trat das schöne Weib herein, mit stieren,
Mit stolzen Augen, in den Armen ihren
Unmünd'gen Sohn.
»Tot«, rief sie, »tot! doch hat er nicht die Seinen
Verlassen, und kein Feiger liegt er da!«
»Nein!« schrie er zornig auf, »wer dürft es meinen?«
Das Kind indessen weinte, weil es sah
Die Mutter weinen.
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Sie warf sich neben den geliebten Mann,
Nahm in den Schoß sein Haupt und weinte dann.
Ihm klapperten vor Schmerz die Zähne heftig;
Bezwingen wollt er sich noch willenskräftig,
Es ging nicht an.
»Wir werden länger nicht vereinigt bleiben,
Leb wohl, du gutes Kind, es wird nun wahr;
Der scheidet, will auch uns vonsammen treiben.«
Er lächelte, – sein Lächeln aber war
Nicht zu beschreiben.
»Und weißt du noch den Kuß, der uns verband,
Den ersten, als im Wald ich einst dich fand,
Dich widerstrebend fest umschlungen hatte,
Und liebesstark dein Bräutigam, dein Gatte
Dich überwand!
So laß mit einem letzten Kuß uns scheiden;
Nicht wonnetrunken, taumelnd, unbewußt,
Nein, schmerzenreich besiegelt er uns beiden,
Wie jener erste dort die erste Lust,
Die letzten Leiden.
Es will nicht taugen, daß du einsam bist;
Nimm einen wackern Mann nach kurzer Frist,
Und beide liebet meinen armen Knaben.
Laßt, wie ich selbst, ihn Gott vor Augen haben
Als guter Christ.
Wann dreizehn Jahr er alt ist, so erschein er
Zum Abendmahl; dann sprich zu ihm das Wort:
Dein Vater, der dich schaut, war kühn wie keiner;
Sieh hier sein Grab, die offne Straße dort, –
Und denke seiner.«
Er sprach's, dann ging's zu sterben; in der Wut
Der Schmerzen wälzt' er stöhnend sich im Blut,
Das Antlitz bleich von Angstschweiß überflossen.
Noch rief er: »Ave!« – »Amen!« die Genossen
Mit trübem Mut.
Dann sank sein müdes Haupt zurück. Hienieden
Gebührt die Ehr ihm: feuert in die Luft
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Noch drei Mal die Musketen; schaffet Frieden
Vor Kinderschrei um dieses Mannes Gruft:
Er ist verschieden.

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TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Lieder und lyrisch epische Gedichte. Der Tod des Räubers. Der Tod des Räubers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4EC0-5