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Die Boten sind kommen, Anselmo, du bist
Bischof geworden zu dieser Frist;
Vernimmst du's? Bischof! erschrickt dir vor Lust
Das schlagende Herz in der schwellenden Brust?
Wirf ab die schlechten Lumpen geschwind,
Die grau und zerschlitzet vor Alter sind;
Leg an das seidene Purpurgewand;
Zum Segen lerne falten die Hand.
Das Kreuz auf die Brust, das blinkende Ding,
An deinen Finger den Siegelring;
Leg an, Anselmo, den vollen Ornat,
Und zeige dich uns als stolzer Prälat.
Und wie im Palast er heimisch war,
Umglitzerten rings ihn die Wände so klar,
Er legte sich, strahlend vom Widerschein,
Ins Fenster und sah in die Straße hinein.
Da hätt er gerne die Leute gefragt:
Ihr Lumpenvolk da unten, sagt,
Wie nehm ich denn hier oben mich aus?
Steht trefflich mir nicht das prächtige Haus?
Doch ward es ihm bald zu öd und zu weit,
Ihm graute schier in der Einsamkeit;
Da kam ihm eine... Nichte nach,
Von welcher man schon zu Toledo sprach.
Hoffährtig war und launisch das Kind,
Wie solche Nichten zu Zeiten es sind;
Die trug nun auch ein seidenes Kleid
Und brauchte Perlen und andres Geschmeid.
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Das Regiment, wie sich's gebührt,
Ward bald allein von ihr geführt,
Und Regen kam und Sonnenschein
In Haus und Kirche von ihr allein.
Wie wetterwendisch sie's immer trieb,
Er ärgerte sich und hatte sie lieb,
Und also kam es, bei Ärger und Spaß,
Daß ganz er Vetter Yglano vergaß.
Wie einst beim Vespern er fröhlich war,
Bedünkte es ihn fast sonderbar;
Die Tür ging auf und herein gewallt
Erschien Yglanos vergeßne Gestalt.
»Gott grüß Euch, Herr Vetter; ich bin erfreut
Euch wohl zu finden; mit nichten gereut
Es mich, was immer ich für Euch getan,
Sofern Ihr seid ein zufriedener Mann.
Doch seht: die Welt ist kugelrund,
Der Supplikant, der bin ich zur Stund,
Entsinnt Euch, ich sprach Euch von meinem Sohn,
Versorgt mir ihn jetzt, das sei mein Lohn.
Die kleine Pfründe, die eben vakant
Geworden ist, wie wohl Euch bekannt,
Und die Ihr erst vergeben sollt,
Die wäre so recht, was für ihn ich gewollt.« –
»Die Pfründe«, versetzte hastig die Maid,
»Ist schon vergeben, es tut mir leid;
Mein Bruder bekommt sie; Ihr seht selbst ein,
Das nächste Recht war doch wohl sein.
Und nächstens, – künftig, – einst vielleicht
Wird Eurem Sohn das Seine gereicht;
Geht's heut nicht an, ist's unsre Schuld?
Der Vetter muß warten; Geduld! Geduld!« –
»Muß warten!« erhub in demselben Ton
Der würdige Bischof seinen Sermon;
[289]
»Ihr Bruder... mein Neffe... wir ändern es nicht;
Die Sache verhält sich so, wie sie spricht.
Ein Bistum ist kein Königreich!
Ich werde geplagt dem Besten gleich,
Von Schranken und aber Schranken beengt,
Von Supplikanten und Bettlern bedrängt.
Sie haben den Vorteil, ich habe die Qual;
Ich kann nicht helfen allen zumal,
Nicht jeden fördern nach seinem Begehr; –
Ein Kardinal, der könnte schon mehr.
Ja, Vetter, hättet Ihr mich gemacht
Zum Kardinal, und entspräche die Macht
Dem redlichen Willen des Herzens nur,
So wollt ich Euch helfen, bei meinem Schwur!«
Darauf mit großer Seelenruh
Der Vetter Yglano: »Da drückt Euch der Schuh;
Der rote Hut, der rote Hut!
Nicht wahr, das ist, was Not Euch tut?« –
Darauf erglühend im Angesicht
Der geistliche Herr: »Ich leugn' es nicht,
Und wenn Ihr den mir noch verschafft,
So wahr mir helfe des Zaubers Kraft!«...
Ihm fiel der Wundertäter ins Wort:
»Genug! kein Schwur ist hier am Ort;
Ich lasse mich den Versuch nicht reun,
Euch mag der rote Hut noch erfreun.«
Er hub die Hand bedrohlich fast,
Zog Kreis auf Kreis in die Luft mit Hast.
»Sie hocus pocus Schiboleth!
Es wird erst Tag, wann die Nacht vergeht!« –
Ihm schaute zu, und atmete kaum,
Der geistliche Herr, wie im Fiebertraum;
[290]
Das Wort war gesprochen, das Werk vollbracht;
Er rieb sich die Augen, es war noch Nacht.

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TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Lieder und lyrisch epische Gedichte. Vetter Anselmo. 2. [Die Boten sind kommen]. 2. [Die Boten sind kommen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4E16-5