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Laß, Graf, die Jagd und wende dein Roß;
Es wird, bevor du erreichest dein Schloß,
Wo kreißend die Gräfin begehret dein,
Der Erbe vielleicht dir geboren sein.
Wie sprengt er daher mit freudigem Mut!
Wie trieft der Rappe von Schweiß und von Blut!
Die Burg erreicht er mit letzter Kraft, –
Verwirrung herrscht in der Dienerschaft.
Es dringt in das Frauengemach der Graf;
Die Wöchnerin liegt in ruhigem Schlaf,
Die Frauen entfernt, die Fenster verhängt,
Die Wiege dicht an das Bette gedrängt.
Er deckt die Wieg auf, atmend kaum; –
Zwei Knaben faßt der enge Raum,
Zu Haupt liegt einer, der andre am Fuß;
Wie schwelgt nun sein Herz in Überfluß!
Er hebt den einen, den andern mit Lust
Aus enger Wiege an seine Brust,
Er legt sie beisammen, und wieder hervor
Sie hebend hält er die beiden empor.
»Wie bin ich so reich, wie war ich so arm!
Nun wieg ich der Sprößlinge zwei im Arm,
Nun grünt mein Stamm in Üppigkeit,
Nun soll er mir ragen in Herrlichkeit!«
Da kommt die Wehemutter herein,
Sie ahndet schon, was geschehen mag sein,
Sie hört und sieht ihn erschrocken an:
»Was hast du Graf, was hast du getan?
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Entbunden ward mit der Herrin zugleich
Die Schaffnerin, – was wirst du so bleich? –
Sie hat, die hier sich geschäftigt verletzt,
Der Kinder eins in die Welt gesetzt.
Zu Häupten lag, der dir gehört,
Der andre zu Füßen, wie sich's gehört.
Wer ist dein Blut, wer dein Geschlecht?
Leibeigen wer und niedrer Knecht?«
Da ruft er entsetzt: »Was hab ich getan?
Mein Sohn, mein Sohn! wer zeigt mir ihn an?«
Erwachend ruft die Gräfin: »Mein Kind!
O gebt mein eigenes Kind mir geschwind!«
Vergeblich Klage: kein Zeuge spricht,
Zu kennen sind die Kinder nicht,
Verloren ist der Irrung Spur,
Die Zeichen schweigen, es schweigt die Natur.