Will Euch das nicht behagen,

Habt Ihr das Recht, gesittet pfui zu sagen.

Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,

Was keusche Herzen nicht entbehren können.


Göthes Faust.


[3] Scene

aus der Oper

Schlande und Lumpella.

Lumpella wird aus dem Zuchthaus entlassen, worinn sie wegen Concubinats mit ihrem Schlande war, der Zuchtmeister ruft ihr nach:


Ihr eilet ja, als wenn ihr Flügel hättet, 1
Laßt diese Straf Euch eine Warnung seyn!

Lumpella.


Laßt mich der neuen Freiheit genießen,
Laßt mich ein Kind seyn, seyd es mit,
Und auf dem grünen Teppich der Wiesen
Prüfen den leichten, geflügelten Schritt! 2
[3]

[3] (Sie prüft ihn durch Tanzen, wozu sie singt:)

Mit Dir und mit mir in's Federbett,
Mit Dir und mir auf's Stroh,
Sticht Di und mi kein Feder net,
Beißt Di und mi kein Floh.

(Lumpella geht nun langsam, den Blick wehmuthvoll auf die Gegend geheftet, und spricht nach einer kurzen Pause:)


Lebt wohl, ihr Berge, ihr geliebten Triften,
Ihr traulich stillen Thäler, lebet wohl,
Lumpella wird nun nicht mehr auf euch wandeln,
Lumpella sagt euch ewig Lebewohl. 3

(Indem sie sich den Hintern reibt:)

Den Abschied, den man mir allhier gegeben,
Vergeß ich nicht in meinem ganzen Leben.

[4] Lumpella.

Zu hart ward ich behandelt.
Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,
Das Aergste weiß die Welt von mir; doch ich
Kann sagen, ich bin beßer, als mein Ruf; 4
Denn der ist schlecht. Doch konnt' ich anders?
Sollt' ich's ihm wehren? Konnt' ich's, da ich ihn
So brünstig sah? Ihm wehren! Eher hätt' ich
Den Schwanz mit eigner Hand hinein gedrükt
Und bin ich strafbar, weil ich lüstern war?
Ist Gailheit Sünde? 5
(Pause)

Warum mußt' ich ihm auf die Hosen seh'n? 6
Und steif ihn schaun' bei offnem Hosenlaz!
Mit meinem Blick fieng mein Verbrechen an. 7
[5]
Da war kein Widerstand und keine Wahl, 8
Als sich sein Athem mischte mit dem meinem, 9
Da fühlt ich's klar auf einmal in mir werden,
Dies sey das Loos des Schönen auf der Erden. 10
Und dafür mußte Jahre lang ich büßen!
Mit Abschied wurde schmählich ich entlaßen.
Konnt' es der Wille meines Schöpfens seyn,
Daß man Geschlecht in mir beleidigt werde,
Der Männer rohe Hände mich berührten? 11
Wie? Ich! der Liebe Priesterin,
Fühl meinen Arsch von Hieben brennen!
Darf ich's der keuschen Sonne nennen,
Und mich vernichtet nicht die Scham? 12

(Lumpella wendet sich nun gerührt gegen das
Zuchthaus, und singt:)

[6]
Holder Friede,
Süße Eintracht,
Weilet, weilet
Freundlich über diesem Ort! 13
Wohlan, ich will den Ort verlaßen,
An dem ich Jahre lang geweilt,
Lumpella, suche dich zu faßen,
Da Schlande dir entgegen eilt!
Ein süßer Trost ist mir geblieben, 14
Mein Schlande wird mich ewig lieben.
(Lumpella ko it an einen Hohlweg und spricht:)

Durch diese hohle Gaße muß er kommen,
Es führt kein andrer Weg zum Zuchthaus hin. 15
Ich fühle mich von neuer Lieb' entglo ien,
[7]
Es ist so lang schon, seit ich von ihm bin.
Auf diese Bank von Stein will ich mich setzen, 16
Erinnerung an ihn soll mich ergötzen.

(Sie sezt sich, und verfällt in Nachdenken, wobei sie etwas Käse ißt.)

Recitativ.

Es giebt im Menschenleben Augenblicke,
Wo man bei weitem gailer ist als sonst,
Und hadern möchte mit dem harten Schicksal.
Solch ein Moment war's als ich in der Nacht,
Die jenen folgenreichen Tag vorangieng,
An dem ich Schlande sah zum erstenmal,
[8]
Im Bett mich wälzte. – Gailer ward ich stets,
Und lüsterner; da sagt' ich also zu mir selbst:
Den möcht' ich wißen, der den größten hat
Im ganzen Dorfe, und den diksten auch.
Gieb mir ein Zeichen, Schicksal. Der soll's seyn,
Der an dem nächsten Morgen mir zuerst
Entgegen kommt mit offnem Hosenlaz!
Und dieses bei mir denkend schlief ich ein;
Und mitten in das Dorf ward ich geführt
Im Geist In Reihen stand die Jugend da,
Und salutirte mit dem bloßen Schwanz,
Und defilirte dann an mir vorbei 17
[9]
Auf 30 Schritte ungefähr. Da fühl
Ich plözlich sanft mich angehaucht,
Und als verwundert ich nun vor mich sah,
Seh ich des Schlands ungeheuren Schwanz
Auf mich gerichtet herrlich vor mir stehen;
Und wie aus einer Spritze sich entladend
Goß Wollust er in meinen reinen Schoß,
Daß schnell die Sinne mir vergehen.
Und als ich neu gestärkt erwache, 18
Seh ich den Schlande vor mir stehen
Mit offnem Latz an jener Lache.
Und sollt ich mich dem Manne nicht ergeben,
[10]
Der in der Welt allein sich an mich schloß!
Denn ausgesezt ward ich in's fremde Leben,
Als mich entwand der mütterliche Schooß; 19
An einer Hecke wurde ich geboren,
Die Mutter floh', und ich hab sie verloren.
Nicht kenn' ich sie, und will sie ni ier kennen;
Die sich die Stifter meiner Tage nennen; 20
Konnt' sich die Mutter von dem Säugling trennen,
So werd' ich nicht die Welt nach ihr durchrennen.
[11]
Wenn mich ein Gensd'armeerspähte,
Voll von Feinden ist die Welt,
Arglist hat auf allen Pfaden,
Ihr betrüglich Netz gestellt.
Grauend hab ich's schon erfahren, 21
Als ich, weil ich keinen Paß
Ungefähr vor sieben Jahren
Einige Zeit im Thurme saß.

(Lumpella sieht Schlande kommen)

Lumpella.

Wer kommt? Was seh' ich? O! ihr guten Geister,
Mein Schlande! 22
Schlande.

Lumpella!
[12] Lumpella.

Ist es möglich?
Ist's wahr! Ist's wirklich! Bist Du's?
O Du bist's,
Ich drük' an meine Seele Dich. Ich fühle
Die Deinige allmächtig an mir schlagen. 23
Schlande.

Ja, ich bin's, Du Unglücksel'ge,
Ja, ich bin's, den Du genannt,
Bin's, den jene Wälder kennen,
Den Canaillen Bruder nennen, 24
Bin des alten Schlande Sohn.
Doch jezt sag mir, alter Besen!
Wo Du denn bisher gewesen?
Lumpella.

Du sahst mich in der Jugend Prangen, 25
[13]
Wie ein Gebild aus Himmels Höhn',
Mit züchtigen verschämten Wangen 26
Von Dir, mein lieber Schlande, gehn'.
Ich gieng ohn' alles Gut und Kabe,
In's Leben irrt' ich wild hinaus, 27
Und bat um eine milde Gabe
In manchem Ort, in manchem Haus.
Da kam auf einmal ein Gensdarme,
Und nahm mich züchtig an dem Arm.
Erröthend folgt' ich seinen Spuren, 28
Er brachte mich in's Zuchthaus nun,
Da hieß es, daß ich wegen Huren
Drei Jahre lang soll Buße thun.
Die Zeit ist aber jezt vorbei,
Gottlob, ich bin nun wieder frei,
Drum nimm mich wieder zur Liebsten an.
[14] Schlande.

Die Treue ist doch kein leerer Wahn, 29
Wohlan, so sey es auch wieder,
Und nun, Lumpella, lieg nieder!

(Lumpella sträubt sich.)

Lumpella ist ein edles Weib,
Es gürtet Scham den keuschen Leib; 30
Doch mir springt fast der Hosenlatz,
Drum thu' es nur, mein lieber Schatz,
Enthülle Dich!
Ha! wie es in meinem Herzen reißt
Zu neuen Gefühlen,
Alle meine Sinnen sich erwühlen,
Du mußt, Du mußt, und kostet es mein Leben. 31

(Lumpella breitet ein Nastuch auf dem Boden aus.)

[15]
Es ergreift mir die Seele mit Himmelsgewalt,
Aus den Augen blizt es ihr kühn,
Wie schön sie erröthet, die holde Gestalt! 32
So liege, Lumpella, doch hin!

(Lumpella hat sich halb entkleidet und legt sich.)
Schlande.

Und ein Arm, und ein glänzender Nacken wird blos, 33
Lumpella, o mach auch dein Mieder los!

(Schlande betrachtet sie mit Wohlgefühlen und spricht:)

Du schönstes Bild von einem Weibe, 34
[16]
Ist's möglich? ist das Mensch so schön!
Muß ich an diesem hingestrekten Leibe
Den Innbegriff von allen Himmeln seh'n! 35
Und ach, das Busens wunderschöne Fülle,
Der runden Schenkel reinen Alabaster,
Und sanft schattirt von dunkelbraunen Haaren,
Des Paradieses himmlisch schöner Eingang.
Was ist das Leben ohne Liebesglanz! 36
Lumpella.

Was eine Votze ohne Schwanz!

Schlande.
(Indem er den Hosenlaz öffnet.)

[17]
So komm hervor, du Bringer süßer Schmerzen!
Mein theures Kleinod, stets mein höchster Schatz, 37
Ich finde an Lumpellas reinem Herzen
Dich führet ihre Hand an deinen Platz.

Duett. Andante furioso.

Und er legt sich nieder,
Und streket die Glieder, 38
Und Lumpella jakt wieder,
Und athmete lang, und athmete tief, 39
Und Wollust verzog ihr Gesicht.
Mit Frohlocken es eines dem andern rief, 40
Den Dank, Schatz, begehr ich nicht.
[18]
Sie aber stöhnt mit erloschenem Blick:
Du Hei-lige! ru-fe-Lum-pella zu-rück,
Ich ha-hab-habe geno-ßen das irr-dische Glück, 41
Mein Schlande-hat-mich ge-mop-selt!

Fußnoten

1 Maria Stuart.

2 desgl.

3 Jungfrau von Orleans.

4 Maria Stuart.

5 Jungfrau von Orleans.

6 Jungfr. v. Orleans.

7 Jungfr. v. Orleans.

8 Braut v. Messina.

9 Jungfr. v. Orl.

10 Wallenst. T.

11 Maria Stuart.

12 Jungfr. v. Orl.

13 Die Glocke

14 Die Glocke

15 Wilh. Tell.

16 Wilh. Tell.

17 Wallensteins Tod.

18 Kampf m. d. Drachen.

19 Braut von Messina.

20 Braut von Messina.

21 Braut von Messina.

22 Don Carlos.

23 Don Carlos.

24 Ahnfrau.

25 Die Glocke.

26 Die Glocke.

27 Die Glocke.

28 Die Glocke.

29 Bürgschaft.

30 Gang n. d. Eisenh.

31 Göthes Faust.

32 Der Taucher.

33 Der Taucher.

34 Göthe's Faus.

35 Göthe's Faust.

36 Wallensteins Tod.

37 W. Tell.

38 d. Handschu.

39 D. Taucher.

40 D. Taucher.

41 Des Mädchens Klage.

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TextGrid Repository (2012). Castelli, Ignaz Franz. Gedichte. Die Sauglocke. Schlande und Lumpella. Schlande und Lumpella. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4B0C-6