[289] [8] Die siebende Satyre
Des Herrn von Canitz Gegen-Antwort

Herr Bruder, ich bin froh, daß deine werthe Schrifft
Mit dem, was mich ergetzt, so wohl zusammen trifft;
Indem ich ohne Scheu, seit ich, frey vom Gedränge
Des Hofes, müßig geh, erbauliche Gesänge
Mit dir itzt wechseln darf; weil noch in unserm Geist
Das alte Schrot und Korn sich, ohne Zusatz, weist.
Beglücktes Vaterland! das dich und mich erzogen,
Und wir noch glücklicher! dieweil uns nicht betrogen
Des Hofes Gauckelspiel. Wohlan, so nimm dis Blat,
Das dir, zum zweyten mahl, mein Kiel gewiedmet hat.
Der soll, wenn du ihn wirst mit gleicher Lust erwecken,
Dir meine Phantasie noch mehr und mehr entdecken.
Denn du bist nicht ein Mann, nach Art der neuen Welt,
Der den Machiavell für sein Gebet-Buch hält;
Der sich bloß auf die Kunst, dem Hof zu schmeicheln, leget,
Und einen Juncker kaum, Herr Ohm, zu nennen pfleget.
Kein Glück ist dir zu starck, das dich bemeistern kan;
Dir legt kein Fürsten-Blick die güldnen Fessel an;
Du lebst, als Last-Vieh nicht, wie mancher, angebunden.
Was du der Herrschaft stiehlst, das sind vergnügte Stunden.
Kein fremdes Wohlergehn ists, was dein Hertze nagt.
Mir ist nicht unbewust, daß dir ein Schertz behagt.
Wenn nur ein freyes Wort, das uns die Zeit verkürtzet,
Nicht seinen Honigseim mit Coloquinten würtzet,
Und nur kein heimlich Gifft den Nechsten sticht und schilt,
Daß manchem Papagey der Kopf, vor Eyfer, schwillt.
Du forderst keinen Pracht der köstlichen Bancketen;
Vor dir darf keiner, auch mit schlechter Kost, erröthen.
Ich weiß, daß du die Zeit mit Wirthschafft offt vertreibst,
Und selbst, wie Plinius und Columella, schreibst. 1
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Wird doch kein Bücher-Saal im Teutschen Reich gefunden, 2
Da nicht Eusebius, in Pergament gebunden,
Durch Hohbergs treuen Fleiß die späte Nachwelt lehrt,
Wie die Morene sich in seinen Wassern mehrt. 3
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So soll denn alle Frucht, die mein Gehirn gebieret,
Weil uns doch gleicher Sinn zu gleichem Handwerck führet,
Dir künfftig eigen seyn; wenn nur nicht Grieß und Gicht 4
Die Unschuld-volle Lust zu zeitig unterbricht.
Nimm dis zur Antwort hin auf die geehrten Zeilen,
Die gestern dir beliebt mir wieder zu ertheilen.
Nun send ich, werthster Freund, den Danck, der dir gebührt,
Weil schon dein muntrer Knecht die Räder eingeschmiert,
Damit du bald genug mit den geliebten Deinen,
Auf meinem Meyerhof am Freytag kanst erscheinen.
Fort Gelben! biß der Trab euch das Gebiß beschäumt.
Euch ist schon Kripp und Stall beyzeiten ausgeräumt.
Seyd stoltz, weil ihr vielleicht noch nicht in einem Wagen,
So viel vom edlen Blut der Branden habt getragen.
Schickt euch zur stillen Ruh, nach einem kurtzen Lauf,
Und haltet länger nicht den Wirth zu Blumberg auf;
Der, wenn er einen Hund von weitem bellen höret,
Ein freudiges Gesicht nach seinen Gästen kehret.
Ihr dürfft nicht nach dem Schritt der andern Rosse sehn;
Denn jene läßt, mit Fleiß, ihr Herr so langsam gehn,
Daß ihn das Tugend-Bild, das mit so holden Blicken 5
Ihm an der Seiten strahlt, noch länger soll entzücken.
Doch glaubt mir, wenn er ihr nur das geringste sagt,
Und ihren Helden-Muth dadurch in Harnisch jagt,
Wird, nach dem ersten Blitz der zornigen Geberden,
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Er selbst vor Schrecken stumm, die Braune rasend, werden.
Zuletzt ersuch ich dich, daß meiner Grillen Tand,
Herr Bruder, dir allein, nicht Fremden, sey bekandt.
Ein Lied, das ich nur dir, und keinem andern, singe,
Ist ja kein Ständgen nicht, das ich der Strasse bringe.
Ein Kuß, der Marck und Bein, in Keuschheit, zittern macht,
Wird, wenn es niemand sieht, zum besten angebracht.
Ich habe guten Fug ein solches zu begehren,
Drum wirst du deinem Freund es als ein Freund gewähren;
Sonst zieh ich meinen Kopf, als wie die Schnecken, ein,
Und werde weniger, als sonst, dein Diener seyn.
Mit den Satyren selbst, die in den Wäldern hüpffen,
Werd ich, auf solchen Fall, mich wider dich verknüpffen,
Und schreyen, biß es weit durch Berg und Thäler gällt:
Daß auch der beste Freund nicht Treu und Glauben hält.

Fußnoten

1 Hier wird der ältere Plinius wegen seiner Natur-Geschichte verstanden, die er uns in sieben und dreyßig Büchern, wie Columella zwölff Bücher vom Landbau, hinterlassen.

2 Der Tauff-Nahme des Herrn von Brand hieß Eusebius, und bey seinem Gute Hermsdorff lag der ihm zugehörige grosse Land-See Wutzlau, worinn Morenen gefangen werden. Da nun der Frey-Herr von Hohberg, als er sich aus dem Oesterreichischen, seiner Glaubens-Freyheit halber, begeben und in Regenspurg niedergelassen, daselbst sein Adeliches Land-und Feld-Leben zum Drucke beförderte, und in demselben eine ausführliche Beschreibung der Morenen einrücken wolte; erhielt er, durch Vermittelung des damahligen Chur-Brandenb. Gesandten bey der Reichs-Versammlung daselbst, des Herrn von Jena, von dem Herrn von Brand eine eigenhändige Beschreibung dieser Fische, wie auch ihres Fangs, ihrer Art, Grösse, Zurichtung und dergleichen, die er seinem Adelichen Wirthsschaffts- und Haußhaltungs-Buche auf dem 602. Blatte von Wort zu Wort einverleiben lassen.

3 Man muthmasset, daß diese Morenen von dem Städtgen Moryn, 5. oder 6. Meilen von Berlin gelegen, also genennet werden, weil man diese Fische daselbst in den grossen Seen häuffig fänget. Coler in seinem Hauß-Buche, wo er Bl. 699. von diesen Fischen handelt, glaubt das Gegentheil, und meinet, das Städtgen Moryn hätte seinen Nahmen von den Morenen bekommen. Es ist nicht diejenige Art Murenen, welche vormahls von den Römern bey grossen Gastereyen, als einer der vornehmsten Leckerbissen, auf die Taffel gesetzt worden, und welche, nach etlicher Meynung, unsre heutige Lampreten seyn sollen; denn dieselben sind eine Gattung Meer-Fische, wie die Morenen eine Art Land-See-Fische. Man fängt die Morenen zur Winters-Zeit in solcher Menge, daß der Herr von Brand manchmahl zwantzig biß dreißig Tonnen auf einen Zug gefischet; indem sie in so häuffiger Anzahl in den Land-Seen, als die Heringe in der offenbahren See, zu finden. Sie sind auch ungefehr von derselben Grösse, aber am Geschmacke noch besser als die Forellen, haben sonst keine Gräte, als den Rück-Grad und das Gerippe, und sind, ie kleiner, ie schmackhaffter. Sie werden gesaltzen, getrucknet, geräuchert oder frisch, auf mancherley Weise zugerichtet, und auch in gröster Menge verschickt. Der Herr von Brand hatte allezeit die Ehre, daß er Sr. Majest. dem Gottsel. Könige von Preussen die ersten vom Jahre auf die Taffel lieferte. In Pommern in dem Land-See, Madduja genannt, sind sie so groß als ein Lachs, werden auch auf dieselbe Art zugerichtet; wovon in angezogenem Buche des Herrn von Hohberg mehrere Nachricht zu finden. Nicht weniger werden in Preussen aus dem grossen Land-See, der Spirding genannt, im alten Sudiner-Lande, die Morenen, in gröster Anzahl gefangen, hernach gesaltzen, und weit und breit in gantz Preussen verführt, wie Hartknoch in seinem Alt- und Neu-Preussen Bl. 11. erzehlet.

4 In diesen Jahren fieng der Herr von Canitz schon an Stein-Beschwerungen zu empfinden, die auch hernach viel zu seinem frühzeitigen Tode mit beygetragen. Er setzte aber allezeit, wann er davon sprach, die Gicht dazu, in Hofnung, wie er schertzte, daß sie doch auch wohl folgen würde.

5 Zielet auf die Fräulein von Canitz, die der Herr von Perband in seiner Gutsche hinausführete, und im Reden mit ihr desto freyer zu schertzen pflegte, je näher er ihr beschwägert war: Denn er hatte nach einander zwo Schwestern des General-Major Wangenheims, dieser aber eine Schwester der Fräulein von Canitz, geheyrathet.

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TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Gedichte. Satyren und Ubersetzungen. [8] Die siebende Satyre. [8] Die siebende Satyre. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4AE6-F