[368] [8] Den theuren Ritter Calenio, der Hoffenden, begleitet mit einem Interims-Wunsche Jacinto, der Muntere 1
1677.
Ich schmiere nicht viel her, weil es zum Scheiden gehet,
Und ich, Calenio, dich wieder lassen muß,
Da nunmehr dein Compaß dem Nordpol näher stehet,
Und dich dein Schicksal führt um kalten Pregel-Fluß.
Wohlan! es blicke dich in Süd- und Ost- und Westen,
So lang die Reise währt, das Glücke günstig an,
Biß man dich wiederum, zu deinem eignen Besten,
Und deiner Freunde Lust, willkommen heissen kan.
Doch einen rechten Wunsch will ich auf künfftig sparen,
Was heissers flößt mir erst, nach dir, die Sehnsucht ein;
Wann du verschwunden bist, dann werd ich erst erfahren,
Daß Hoffen und Verdruß die besten Musen seyn.
Indessen sey bedacht, dein Reisen anzustellen,
Daß, eh man noch den Mertz in unsern Briefen schreibt,
Du deine Gegenwart mir mögest zugesellen,
Drauf geh, wohin der Wind dein leichtes Segel treibt.
Dein Anschlag werde dir nicht anfangs gleich zu nichte!
Doch, wann du unverhofft von längerm bleiben hörst,
So sprich mit solchem Thon und solchem Angesichte,
Wie du des Morgens früh mich aus dem Schlaffe störst:
2[369]Soll Euer Sohn in Preussen bleiben,
Frau Oberjägermeisterin,
3Warum habt ihr mir lassen schreiben,
Mir, der ich kein Landstreicher bin?
Und, ohne Müh und viel Beschwerden,
Wohl etwas grössers können werden.
Lasst euer Kind, betrübte Mutter,
Brecht nicht das schon gegebne Wort,
Und solte gleich kein Flaschen-Futter
Zu finden seyn, so muß er fort.
Hat manche sich doch trösten müssen,
Die aus Adonis Arm gerissen.
Der Weg ist einmahl vorgenommen,
So sagt der Herr von Wallenrodt
4Lasst mir nur den Gefährten kommen!
Genädge Frau, im Fall der Noth,
Und, da mir alles sollt' entstehen,
Müst ihr selbst mit nach Franckreich gehen.
[370]Ich weiß, ein Weiber Hertz ist leichtlich zu erbitten,
Wann ein beredter Mund den Vortrag selbst gethan,
Wer ist auch, welcher wohl so angenehmen Sitten
Und deiner Höflichkeit leicht was versagen kan?
Noch eins: du suchest war dein Heil in fremden Ländern,
Doch glaub ich, daß du fest in deiner Freundschafft bist,
Was meine Treu betrifft, die wird sich niemahl ändern,
So lange dann und wann und Spinde Märckisch ist.
5 Fußnoten
1 Jacinto war der Herr von Canitz, und Calenio der Herr Zapfe, welcher sich damahls bey unserm Herrn Verfasser zu Berlin aufhielt, und gleich im Begriff war, dem 16. Nov. nach Preussen abzureisen. Die angeno iene Nahmen haben keine andre Bedeutung, als daß der Herr Verfasser solche aus Schertz erwehlt, weil er sie gleich damahls in einem Romane gefunden, den sie zusammen gelesen, und über dessen abgeschmackte schwülstige Schreib-Art sie öffters hertzlich gelacht hatten.
2 Zielet auf ein gewisses Morgen-Lied, welches Herr Zapffe zu singen pflegte, und an gleicher Reim-Art und Sang-Weise mit gegenwärtigem Canitzischen überein kam.
3 Die verwittibte Frau Oberjägermeisterin von Müllenheim, in Königsberg, hatte den Herrn Zapfen verschreiben lassen, um ihren Sohn, als Hofmeister, in die Länder zu führen. Sie war aber dabey, aus Mütterlicher Zärtlichkeit, immer noch etwas unschlüßig, ob sie ihren Sohn so frühe schon von Hause senden, oder noch eine Zeitlang bey sich behalten solte; welches dem Herrn Zapfen, der sehr begierig war, fremde Länder zu besuchen, nicht wohl gefallen haben würde. Allein die Reise ist hernach würcklich für sich gegangen.
4 Der Chur-Brandenburgis. vornehmste Ober-Rath und Preußische Land-Hofmeister Herr von Wallenrodt hatte, auf Empfehlung des berühmten Veit Ludwigs von Seckendorff, den Herrn Zapfen, zum Hofmeister für den jungen Herrn von Müllenheim, aus Jena, verschrieben.
5 Dann und wann sagt man in der Marck sehr häuffig, an statt bißweilen; Spinde aber heist, nach der Berlinischen Mund-Art, ein Schranck. Welche Märckische Wörter der Herr Zapfe seinem Freunde, wie jener diesem manchmahl einige Sächsische Redens-Arten, im Schertze, vorzurücken pflegte.