Geschichte der Frau von Montglas
und von Büssy.

Fünf Jahre vor der Uneinigkeit zwischen Frau Sevigny und mir, da ich mich zu Anfang des Winters in Paris befand, Herzensfreund von la Feuillade und von Darcy, setzten wir uns alle drei in den Kopf, verliebt zu werden, und weil wir nicht wollten, daß unsere Liebschaften uns von einander trennten, warfen wir unsere Augen auf alles, was es an hübschen Frauen gab, um zu sehen, ob wir deren nicht drei finden könnten, die eben so Freundinnen wären wie wir, oder die es werden könnten.

Wir suchten nicht lange, ohne zu treffen, was [232] uns Noth that. Die Damen von Montglas, von Precy, und von Isle, waren einige Freundinnen und sehr liebenswürdig; aber da wir vielleicht Mühe gehabt hätten, uns über die Wahl zu vereinigen, und die Vorzüge dieser Damen nicht so gleich waren, daß unsere Neigungen uns dahin gebracht hätten, sie auf gleiche Art zu lieben, kamen wir überein, drei Loose mit ihren drei Namen zu machen, sie in eine Börse zu werfen, und indem wir sie zogen, uns an jene zu halten, die das Schicksal dazu bestimmen würde. Frau von Montglas fiel dem la Feuillade zu, Frau von Isle dem Darcy, und Frau von Precy mir. Das Gück zeigte bei dieser Gelegenheit wohl, daß es blind sey, denn es erwies dem la Feuillade eine Gunst, wovon er den Werth nicht so gut kannte, als ich ihn gekannt hätte, aber ich mußte mich mit dem begnügen, was es mir gegeben hatte, und da ich Frau von Montglas nur fünf- oder sechsmal gesehen hätte, glaubte ich, daß die Sorgfalt, welche ich der Frau von Precy erwies, aus meinem Herzen den ersten Keim der Leidenschaft tilgen würde. Wir machten uns also [233] an unsere Liebchen, la Feuillade, welcher der Frau von Montglas vierzehn Tage oder drei Wochen durch fleißige Besuche Liebe bewiesen hatte, entschloß sich, endlich davon mit ihr zu sprechen. Anfangs fand er eine Frau, die, ohne allzusehr die Strenge zu spielen, ihm von Natur eine solche Feindin von Liebeshändeln schien, daß er am Gelingen bei ihr beinahe verzweifelt hätte, oder wenigstens am schnellen Gelingen; er ließ sich nicht abschrecken, und einige Zeit darauf fand er sie unschlüssiger, und zuletzt drängte er sie so sehr, und schien ihr so verliebt, daß sie ihm erlaubte zu hoffen, einst geliebt zu werden. Aber bevor ich weiter gehe, ist es passend, eine Schilderung der Frau von Montglas und des la Feuillade zu entwerfen.

Frau von Montglas hat kleine, schwarze und feurige Augen, einen anmuthigen Mund, schöne und reine Zähne, einen allzu lebhaften Teint, feine und liebliche Züge, und eine angenehme, runde, volle Gesichtsbildung, schwarze, lange und dichte Haare; sie ist reinlich im höchsten Grade, und die Luft, die sie hauchet, ist reiner, als jene, die sie einathmet; [234] sie hat den am besten gewachsenen Hals von der Welt, Arme und Hände wie gedrechselt; sie ist weder groß noch klein, doch von einem sehr reizenden Wuchse, der immer angenehm bleiben wird, wenn sie ihn von dem Unbequemen der Wohlbeliebtheit bewahren kann. Frau von Montglas hat einen lebhaften und durchdringenden Geist, wie ihr Teint, bis zum Uebermaße; sie spricht und schreibt mit einer überraschenden Leichtigkeit und auf das Natürlichste von der Welt; im Umgange ist sie oft zerstreut, und man kann ihr wenige Dinge von genügend großer Wichtigkeit sagen, um ihre ganze Aufmerksamkeit zu beschäftigen; sie bittet Sie zuweilen, ihr eine Neuigkeit zu erzählen, und wenn Sie die Erzählung anfangen, vergißt sie ihre Neugierde, und das Feuer, wovon sie voll ist, macht, daß sie Sie unterbricht, um mit Ihnen von einer andern Sache zu sprechen.

Frau von Montglas liebt Musik und Verse, und macht deren ziemlich hübsche, sie singt besser als eine Dame in Frankreich von ihrem Stande; Niemand tanzt besser als sie; sie fürchtet die Einsamkeit, sie ist eine gute Freundin, selbst bis zu dem Grade, [235] daß sie mit Ungestüm die Parthei derjenigen nimmt, die sie liebt, wenn man von ihnen übel vor ihr sprechen will, und daß sie ihnen ihr ganzes Vermögen giebt, wenn sie es bedürfen; sie bewahret gewissenhaft ihre Geheimnisse, sie weiß mit Jedermann sehr gut umzugehen; sie ist höflich, wie man es seyn muß, und wie es eine Frau ihres Standes seyn soll, und obwohl sie genügend liebt, um Niemand zu kränken, so enthält doch ihre Höflichkeit mehr Ehre als Schmeichelei, dieß macht, daß sie die Herzen nicht so bald wie viele andere Einnehmendere gewinnt, aber wenn man ihre Festigkeit kennt, schließt man sich wohl um so fester an sie an.

La Feuillade ist als Mann nicht völlig das, was Frau von Montglas als Weib ist, sie haben verschiedene Verdienste; dieser hat nichts desto weniger einige glänzende Fehler, die anfangs die Unbesonnenen blenden, aber Leute nicht täuschen können, die nachdenken. Er hat blaue und lebhafte Augen, einen großen Mund, eine ›kurze Nase‹ geordnete ein wenig rothe Haare, einen ziemlich schönen Wuchs, einwärts gebogene Knie, er hat zu viel Lebhaftigkeit, [236] spricht viel, und will immer unterhaltend seyn, aber er thut nicht immer, was er will, das heißt, mit anständigen Leuten, denn unter dem Volke und den mittelmäßigen Geistern, bei welchen man nur immer den Mund offen halten muß, um zu lachen oder zu sprechen, ist er bewundernswürdig; er hat einen leichten Geist, und ein bis zur Undankbarkeit hartes Herz, er ist neidisch, und nimmt es als eine grobe Beleidigung auf, wenn man sich im Wohlstande befindet, er ist eitel und großsprecherisch, und hat uns bei seinem ersten Austreten in der Welt so oft gesagt, daß er tapfer sey, daß man sich ein Gewissen daraus machte, daran zu zweifeln; indeß macht man sich jetzt ein Gewissen daraus, es zu glauben.

Ich habe Ihnen gesagt, daß Frau von Montglas, überzeugt, daß er eine heftige Liebe für sie fühle, ihn habe glauben lassen, daß er hoffen könne, geliebt zu werden. Jeder andere als la Feuillade hätte aus diesem Handel das angenehmste Verhältniß von der Welt gemacht, aber er war leicht, wie ich Ihnen sagte, und liebte nur, wenn es ihm eben einfiel; er that dabei genug, seine Geliebte zu entflammen,[237] und zu wenig, um sie zu einem Entschlusse zu bringen. Wenn ich zu dieser Schönen sagte, daß er sie sehr liebe, weil la Feuillade mich gebeten hatte, in seiner Abwesenheit bei ihr für ihn zu sprechen, so spottete sie meiner, und schilderte mir einige Seiten seines Betragens, welche die guten Dienste zerstörten, die sie ihm leisten wollte. Ich unterließ nicht, ihn zu entschuldigen, und da ich sein Betragen nicht immer retten konnte, so rechtfertigte ich wenigstens seine Absichten. Wir befanden uns ungefähr in derselben Lage, Darcy und ich, mit den Frauen von Precy und von Isle, das heißt, daß sie wohl wünschten, daß wir sie liebten, aber in der That erfüllten wir unsere Pflicht bei ihnen besser, als la Feuillade bei Frau von Montglas. Als so drei Monate verflossen waren, während welcher diese Schöne mehr von den Dingen sich angezogen fühte, die ich ihr zu Gunsten des la Feuillade gesagt hatte, als von der Liebe, die er ihr zeigte, mußte dieser Anbeter als Inhaber eines Infanterieregimentes zur Armee abreisen. Dieser Abschied ließ sie fühlen, daß sie im Herzen für la Feuillade ein wenig mehr Güte [238] habe, als sie bisher glaubte; sie ließ ihn etwas davon sehen, allein obgleich dieß nicht genug war, einen wackern Mann glücklich zu machen, so konnte es doch die strengste Tugend nicht verletzen. Scheidend gab ihrla Feuillade tausend Versicherungen, sie zu lieben, so lange er lebe, selbst wenn sie immer hartnäckig darauf bestände, seine Liebe nicht zu erwiedern, und wir beide drangen so sehr in sie, ihm die Erlaubniß zu gewähren, ihr zu schreiben, daß sie einwilligte.

Einige Zeit vor dieser Abreise, bemerkend, daß der Verkehr, den ich für meinen Freund mit seiner Geliebten hatte, mein Herz mehr für sie eingenommen, indem ich sie näher kennen lernte, und daß die Mühe, die ich mir gab, Frau von Precy zu lieben, mich hinsichtlich der Frau von Montglas nicht geheilet, beschloß ich, sie nicht mehr so oft zu sehen, um nicht immer unaufhörlich zwischen Ehre und Eigenliebe getheilt zu seyn. So lange la Feuillade in Paris war, achtete seine Geliebte nicht darauf, daß ich sie weniger als gewöhnlich sah, aber nach seiner Abreise bemerkte sie die Veränderung an meiner [239] Lebensweise, und dieß bekümmerte sie, in der Meinung, daß mein Zurückziehen ein Zeichen der Erkaltung des la Feuillade sey, von dem sie selbst nach seiner Abreise keine Nachricht erhalten hatte. Einige Tage daraus ließ sie mich bitten, sie zu besuchen. »Was hab' ich Ihnen gethan, mein Herr, sagte sie, daß ich Sie nicht sehe? Hat Ihr Freund Theil an Ihrem Wegbleiben?« »Nein, gnädige Frau, sagte ich; das geht nur mich an.« »Wie. versetzte sie, hab' ich Ihnen irgend eine Veranlassung gegeben, sich zu beklagen?« »Nein, gnädige Frau, erwiederte ich, ich kann mich nur über das Schicksal beklagen.« Die Verlegenheit, womit ich dieß sagte, nöthigte sie, mich zu drängen, ihr noch mehr zu sagen. »Ach, fügte sie hinzu, Sie wollen mir Ihre Angelegenheiten verhehlen, da ich Ihnen alles sehen lasse, was ich im Herzen trage? Wenn das wäre, so würde ich über Sie mich beklagen.« »Ha, wie Sie andringlich sind! erwiederte ich; »heißt dies Schonung haben, dem Freunde das Geheimniß zu entreißen? Und sollten Sie nicht glauben, da ich Ihnen das meinige nicht sagen darf, da ich es Ihnen in der Lage, in welcher [240] ich mit Ihnen bin, nicht enthülle? Oder vielmehr sollten Sie es nicht selbst rathen, gnädige Frau, da« – – – – »Ach, enden Sie nicht, unterbrach sie mich, ich fürchte Sie zu verstehen, ich fürchte Ursache zu bekommen, mich zu betrüben, und die Achtung zu verlieren, die ich für Sie fühle.« »Nein, nein, gnädige Frau, sagte ich, fürchten Sie nichts, ich bin in der Lage, die Sie nicht verstehen wollen, und ich unterlasse nicht meine Pflicht zu thun, aber da wir hierin nun so weit gekommen sind, so will ich Ihnen auch das übrige sagen. Sobald ich Sie sah, gnädige Frau, fand ich Sie sehr liebenswürdig, und jedesmal, da ich Sie später erblickte, schienen Sie mir immer schöner als zuvor; doch fühlte ich noch nichts hinreichend Drängendes in diesen Anfängen, mich zu bewegen, Sie aufzusuchen, aber ich war immer sehr froh, wenn ich Sie traf. Das erste, woran ich merkte, daß ich Sie liebe, gnädige Frau, war der Kummer, den mir Ihre Abwesenheit verursachte, und da ich auf dem Punkte war, mich meiner Leidenschaft zu überlassen, und auf Mittel zu denken, Sie damit bekannt zu machen, looseten [241] Darcy, la Feuillade und ich, an welche, an Sie, an Frau von Precy und an Frau von Isle, Jeder von uns sich anschließen sollte. Obgleich das, was ich für Sie, gnädige Frau, im Herzen fühlte, noch sehr schwach war, so würde ich doch eine Sache von solcher Wichtigkeit nicht gewagt haben, wär ich nicht bisher immer so glücklich gewesen, doch endlich änderte sich mein Glück für diesen Fall, denn Sie fielen dem la Feuillade zu, und ich hätte wohl mehr gewonnen, mein ganzes Leben zu verlieren, als in diesem Augenblicke; mein ganzer Trost war, daß die Anhänglichkeit, die ich für Frau von Precy haben wollte, die ich früherhin geliebt hatte, mir aus dem Herzen den Keim der Liebe für Sie reißen würde, aber vergebens, gnädige Frau. Sie sehen wohl ein, daß der Umgang, den das Interesse meines Freundes mit Ihnen zu haben mich verpflichtete, indem er mir Gelegenheit gab, Sie weit genauer zu kennen, und in Ihnen bewundernswerthe Grundsätze für die Liebe zu bemerken, es mir unmöglich machte, von einer Leidenschaft abzustehen, die nur Ihre Schönheit erzeuget hat. Als la Feuillade [242] mich bat ihm zu dienen, fühlte ich etwas über jene Freude hinaus, die man gewöhnlich hat, seinem Freunde zu dienen, und ich bemerkte bald hernach, daß ich, ohne ihn betrügen zu wollen, entzückt war, mich in seine Angelegenheiten zu mischen, nur um das Vergnügen zu haben, Sie mehr in der Nähe zu sehen. Allein erwägend, daß es mir zuletzt schrecklich Leiden verursachen könnte, fühlte ich mich gezwungen, Sie, gnädige Frau, seltener zu sehen, und ob wohl Sie nur erst seit der Abreise de la Feuillade darauf geachtet haben, so sind es doch schon vierzehn Tage, daß ich meine Besuche eingeschränkt habe. Nicht als ob Sie, gnädige Frau, bisher nicht hätten bemerken können, daß ich meinem Freunde gedient habe, wie ich mir selbst gedient hätte, ich hab' ihn selbst einigemale gerechtfertiget, da er dem Anscheine nach schuldig war und konnte ihn, wenn ich wollte, bei Ihnen verderben, ohne untreu zu scheinen, der Entrüstung ihren Lauf lassend über tausend Fehler, von welchen Sie meinten, daß er Sie gegen die Ihnen bezeigten Liebe begehe. Aber ich bekenne Ihnen, daß meine Pflicht, indem ich Sie sehe, mir zuviel [243] kostet, um nicht, indem ich Sie nicht mehr sehe, alle die Anstrengungen zu ersparen, die ich bei Ihnen machen muß. Uebrigens, gnädige Frau, würde ich Ihnen die Gründe meines Zurückziehens nie gesagt haben, wenn Sie sie niemals verlangt hätten.« »Es gibt nichts Rechtschaffeneres mein Herr, erwiederte Frau von Montglas, als Ihr gegenwärtiges Benehmen; aber Sie müssen die Erfüllung Ihrer Pflicht vollenden, Sie sollen Ihrem Freunde den ganzen Stand der Dinge melden, damit er nicht überrascht werde, wenn er vielleicht auf andern Wegen vernehmen wird, daß Sie mich fast nicht mehr sehen, und damit er nicht vergeblich guter Dienste von Ihnen bei mir sich versehe.« Als hierauf Frau von Montglas mich Dinte und Papier bringen hieß, schrieb ich diesen Brief:


Büssy anla Feuillade.


»Da die Art, deren ich mich bediene, die Liebe, welche ich für Ihre Geliebte fühle, weder meine Ehre beleidiget, noch die Freundschaft, die ich Ihnen schuldig bin, so kann ich Sie wohl ohne Schaamgefühl[244] davon in Kenntniß setzen; und im Gegentheile, ich würde mich entehren, wenn ich sie Ihnen verhehlte. Erfahren Sie, daß ich Frau von Montglas nicht lange sehen konnte, ohne sie zu lieben, daß ich aber, als ich es bemerkte, aufhörte sie zu sehen, und daß, als sie mich heute holen ließ, um von mir zu erfahren, woher der Grund eines so schnellen Zurückziehens kommen könne, ich ihr gesagt habe, daß ich sie liebe, um aber nichts gegen meine Pflicht zu thun, sie nicht mehr sehen würde. Ich glaubte Ihnen davon Nachricht geben zu müssen, damit Sie andere Maßregeln bei ihr ergreifen, und aus dem Unglücke, das mich getroffen hat, ihr Nebenbuhler zu werden, ersehen, daß ich weder Ihrer Freundschaft noch Ihrer Achtung unwürdig bin.«

Als ich der Frau von Montglas diesen Brief gelesen hatte, sagte ich: ›Nun denn, gnädige Frau, ist dies Verfahren klar?‹ ›Ach mein Herr, erwiederte sie, es giebt nichts Schöners; aber obgleich ich glaube, daß Sie das schönste Gemüth von der Welt haben, wäre es sehr schwer, daß Sie, indem Sie sich in die Angelegenheiten Ihres Nebenbublers mischen, [245] tausend Gründe finden, einander schlimme Dienste zu erweisen, und aus unsern Zwistigkeiten Nutzen zu ziehen, bei der Liebe, die Sie für mich fühlen, der Versuchung widerständen, uns miteinander zu entzweien, und da Sie Geist haben, wär' es nicht schwer, es so zu machen, daß das Eine oder das Andere Unrecht habe, und auf eines von uns zweien, oder auf das Schicksal, das Unglück zu werfen, wovon Sie allein die Ursache seyn würden.‹ Wenn selbst Ihr Freund in Folge seiner eigenen Unbeständigkeit aufhören würde, mich zu lieben, nach dem was ich von Ihnen weiß, würde ich immer glauben, wenn Sie sich in unsere Angelegenheiten mengten, daß dieß durch ihre Kunstgriffe geschähe; Sie haben also ganz recht, mein Herr, mich nicht mehr zu sehen, und obwohl ich dadurch unendlich verliere, so kann ich mich nicht enthalten, dieses Verfahren zu loben. Nach einigen andern Gesprächen über diesen Gegenstand, ging ich, um den Brief abzusenden, den ich an la Feuillade geschrieben, und zehn Tage darauf erhielt ich nachstehenden Brief von ihm.


[246] La Feuillade anBüssy.


»Sie haben Ihre Pflicht gethan, mein Lieber, und ich will die meinige thun; ich habe mehr Vertrauen auf Sie, als Sie selbst; ich bitte Sie also, Frau von Montglas immer zu sehen, und mir bei ihr zu dienen. Wenn man über das Interesse so zartfühlend ist, wie Sie es mir scheinen, ist man gewiß unfähig, seine Freunde zu verrathen; aber wenn die Vorzüge der Frau von Montglas Sie so verblendet hätten, daß Sie nicht mehr im Stande wären, sich davon zurückziehen, würde ich Sie gerne hinsichtlich der bestehenden Nothwendigkeit entschuldigen, sie zu lieben, wenn man sie vollkommen kennt.«

Mit diesem Briefe kam noch einer für Frau von Montglas; hier ist er:


La Feuillade an Frau vonMontglas.


»Ich bin nicht überrascht, gnädige Frau, zu vernehmen, daß mein Freund Sie liebt; ich würde weit mehr erstaunen, wenn ein wackerer Mann, der Sie sieht, und der Sie alle Tage spricht, sein Herz bei so vielen Vorzügen bewahrte. Er meldet mir, daß [247] er Sie nicht mehr sehen will, aus Furcht, der Neigung zu unterliegen, die er für Sie hat, und ich bitte ihn, sich nicht zurückzuziehen, aus die Gewißheit hin, die ich besitze, daß er mehr Kraft haben wird, als er glaubt, und daß, wenn selbst er nicht mehr widerstehen könnte, Sie Ihr Herz nicht einem Verräther geben würden, nachdem Sie es dem treuesten Liebhaber von der Welt versagt haben.«

Sobald ich diese beiden Briefe empfangen hatte, trug ich sie zu Frau von Montglas. Aber um meinem Freunde nicht zu schaden, dessen Geliebte sehr empfindlich war, vertilgte ich den ganzen Schluß des Briefes, den er mir schrieb, von der Stelle, wo er mir meldete, daß wenn die Vorzüge der Frau von Montglas mich so verblendet hätten, daß ich nicht im Stande wäre, mich zurückzuziehen, er mich hinsichtlich der bestehenden Nothwendigkeit entschuldigen würde, sie zu lieben, wenn man sie gut kenne. Ich fürchtete, sie möchte urtheilen wie ich, daß diese Stelle nicht sehr galant, aber wenig zärtlich sey.« »Sie haben recht, antwortete der Graf von Guiche, und nicht nur diese Stelle, sondern die beiden Briefe[248] scheinen mir gut geschrieben, aber gleichgültig. »Die Folge, erwiederte Büssy, wird Sie keines Bessern belehren.«

»Wissen Sie denn.« fuhr er fort, »daß Frau vonMontglas, als sie diese ausgekratzte Stelle sah, mich fragte, was dieß wäre; ich erwiederte, daß la Feuillade mir über eine Sache von Wichtigkeit schrieb, die mich betreffe.« »Weil er wünscht, sagte sie, daß Sie fortfahren, mich zu sehen, so willige ich ein; aber, mein Herr, mit der Bedingung, daß Sie mir niemals von Ihren Gefühlen für mich sprechen.« Ich werde es thun, da Sie es wollen, versetzte ich; nicht als dürfte ich nicht mit Ihnen davon, sprechen, ohne Ihnen verdächtig sein zu müssen; denn obgleich ich Sie mehr liebe als mein Leben, wenn Sie aber um meine Liebe zu vergelten, jene meines Freundes verschmähten, würde ich, indem ich aufhörte Sie zu achten, aufhören Sie zu lieben; denn gewiß nicht, weil Sie schön find, gnädige Frau, sondern weil Sie auch keine Kolette sind, lieb' ich Sie.« »Ich glaub' es, mein Herr, sagte sie, aber da Sie nichts wünschen und nichts verlangen, so lieben Sie [249] mich nicht mehr; denn was ist eine Liebe ohne Wünsche und ohne Hoffnungen?« »Ich verlange nichts, erwiederte ich, aber ich hoffe und wünsche.« »Und was könnten Sie wünschen,« versetzte sie. »Ich wünschte, antwortete ich, daß la Feuillade Sie nicht mehr liebe, und daß dieß Ihnen gleichgültig sey.« »Und wenn's so wäre, sagte sie, glaubten Sie deßwegen glücklicher zu seyn?« »Ich weiß nicht, ob ich es wäre, gnädige Frau, versetzte ich, aber wenigstens wär' ich näher daran, als ich es bin.« – Was mich bei dem Anblicke aller Leiden, die mir eine Liebe ohne Hoffnungen gab, ein wenig tröstete, ist, daß ich auf dem Punkte stand, die Stelle eines Generalmajors der leichten Cavallerie zu erhalten, und daß, da diese Stelle mich verpflichtete, bald zur Armee abzureisen, die Ehre mich von einer Liebe heilen würde, die nicht glücklich war. Einige Tage vor meiner Abreise wollte ich den Kummer beschwichtigen, den mir die Gewalt verursachte, die ich anwendete, meine Leidenschaft zu verhehlen, und zu diesem Zwecke gab ich der Frau von Sevigny ein so schönes und so [250] außerordentliches Fest, daß Sie gewiß sehr vergnügt seyn werden, die Schilderung davon zu vernehmen.

Stellen Sie sich zuerst in dem Tempelgarten, den Sie kennen, einen Wald vor, den zwei Alleen durchkreuzen; an der Stelle, wo Sie zusammentreffen, war ein ziemlich großes Rondel von Bäumen, an deren Aesten hundert Crystallleuchter hängen, auf einer von den Seiten dieses Rondels hatte man ein prächtiges Theater errichtet, dessen Ausschmückung wohl beleuchtet zu werden verdiente, wie sie es war, und der Glanz von tausend Wachskerzen, den die Blätter der Bäume zu entrinnen hinderten, strahlte an dieser Stelle ein so lebhaftes Licht, daß die Sonne sie nicht reicher beleuchtet hätte; auch waren aus demselben Grunde die Umgebungen so dunkel, daß die Augen zu nichts dienten; die Nacht war die ruhigste von der Welt; zuerst begann das Theater, das sehr unterhaltend gesunden wurde; nach dieser Belustigung kamen vier Violinen, die, nachdem sie Ritornelle gespielt hatten, Rundtänze und kleine Lauftänze spielten. Die Gesellschaft war nicht so groß, als wohl gewählt; einige tanzten, andere sahen zu, und andere, deren Angelegenheiten [251] weiter vorgerückt waren, gingen mit ihren Liebchen in den Alleen, wo man auseinander stieß, ohne sich zu sehen; dieß dauerte bis es Tag ward, und als hätte der Himmel mit uns im Einverständnisse gehandelt, brach die Morgenröthe an, als die Wachskerzen zu leuchten aufhörten. Dieß Fest gelang so gut, daß man überall die näheren Umstände davon erzählte, und noch jetzt spricht man mit Bewunderung davon; es gab welche, die glaubten, Frau von Sevigny sei hiebei nur der Vorwand für Frau von Precy gewesen, aber die Wahrheit war, daß ich dieß Fest der Frau von Montglas gab, ohne es ihr sagen zu dürfen, und ich glaubte, daß Sie daran zweifelte, ohne mir etwas darüber zu äußern. Indeß scherzte ich mit ihr vor der Gesellschaft, ich sagte ihr immer lächelnd einige Schmeicheleien, und machte ihr eine Sarabande-Strophe, wovon Sie gewiß schon gehört haben.

Sie können wohl denken, daß bei meinen Gefühlen für Frau von Montglas meine Bemühungen für Frau von Precy sehr mittelmäßig waren, ich lebte jedoch auf's beste von der Welt mit [252] ihr, und meine geringe Bewerbung stimmte sehr gut mit ihrer Launigkeit überein. Als sie jedoch zu argwöhnen anfing, daß ich Frau von Montglas liebe, wurde sie warm für mich, und ärgerte sich, da sie sah, daß ich es für sie nicht eben so machte. Ich bewunderte dabei die Laune der Damen; sie ärgern sich, einen Liebhaber zu verlieren, den sie nicht lieben wollen; aber dessen ungeachtet war das, was Frau von Precy that, nicht so überraschend, als das, was Frau von Isle that; ich hatte mit jener von Liebe gesprochen, und es war nicht sehr befremdend, daß er einiges Interesse daran nahm; aber was Frau von Isle betrifft, der ich nur immer Freundschaft bezeugt hatte, so konnte ich nicht genug über die Art erstaunen, womit sie sich, wie Sie hören werden, benahm. Sobald sie meine Liebe für Frau von Montglas argwöhnte, gab es leine Ränke, deren sie sich nicht bediente, um sich hierüber vollkommen aufzuklären, sie sagte mir manchmal lachend, daß ich in sie verliebt sey; bald sagte sie mir Gutes davon, und weil ich fürchtete, daß sie dadurch zu entdecken wünschte, was ich im Herzen trug, war ich über [253] ihre Lobsprüche sehr zurückhaltend; ein anderesmal sprach sie übel von mir, und ich, der ich sehr froh war, Frau von Montglas in Kenntniß zu setzen, daß sie sich täusche, wenn sie auf die Freundschaft der Frau von Isle sich Rechnung mache, nachdem ich diese in tausend andern Fällen die Frau vonMontglas verrathend gefunden hatte, gab ihr ein sehr günstiges Gehör, um sie in dem Glauben zu bestärken, daß ich Vergnügen daran fände; da ich endlich eines Abends die Gehässigkeit, welche sie gegen Frau von Montglas äußerte, nicht mehr ertragen konnte, verständige ich diese davon, wodurch veranlaßt wurde, daß sie miteinander brachen, und diese Schöne in der Folge alle Gründe von der Welt hatte, zu glauben, ich hätte wirklich Liebe für sie gefühlt.

[254]

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TextGrid Repository (2012). Bussy-Rabutin, Roger de. Erzählungen. Geheime Liebschaften der Pariser Hofdamen. Geschichte der Frau von Montglas und von Büssy. Geschichte der Frau von Montglas und von Büssy. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4A05-9