Der Raubgraf

Es liegt nicht weit von hier ein Land,
Da reist' ich einst hindurch;
Am Weg' auf hohem Felsen stand,
Vor alters, eine Burg.
Die alten Rudera davon
Wies mir der Schwager Postillon.
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»Mein Herr, begann der Schwager Matz,
Mit heimlichem Gesicht,
Wär' mir beschert dort jener Schatz,
Führ' ich den Herrn wohl nicht.
Mein Seel! den König fragt' ich gleich:
Wie teuer, Herr, sein Königreich?
Wohl manchem wässerte der Mund,
Doch mancher ward geprellt.
Denn, Herr, Gott sei bei uns! Ein Hund
Bewacht das schöne Geld.
Ein schwarzer Hund, die Zähne bloß,
Mit Feueraugen, tellersgroß!
Nur immer alle sieben Jahr'
Läßt sich ein Flämmchen sehn.
Dann mag ein Bock, kohlschwarz von Haar,
Die Hebung wohl bestehn.
Um zwölf Uhr in Walpurgis Nacht,
Wird der dem Unhold dargebracht.
Doch merk' eins nur des Bösen List!
Wo noch zum Ungelück
Am Bock ein weißes Härchen ist,
Alsdann: Ade, Genick!
Den Kniff hat mancher nicht bedacht,
Und sich um Leib und Seel' gebracht.
Für meinen Part, mit großen Herrn,
Und Meister Urian,
Äß' ich wohl keine Kirschen gern.
Man läuft verdammt oft an.
Sie werfen einem, wie man spricht,
Gern Stiel und Stein ins Angesicht.
D'rum rat ich immer: Lieber Christ,
Laß dich mit keinem ein!
Wann der Kontrakt geschlossen ist,
Bricht man dir Hals und Bein.
Trotz allen Klauseln, glaube du,
Macht jeder dir ein X für U. –
Goldmacherei und Lotterie,
Nach reichen Weibern frei'n,
Und Schätze graben, segnet nie,
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Wird manchen noch gereu'n.
Mein Sprüchlein heißt: Auf Gott vertrau,
Arbeite brav und leb' genau!
Ein alter Graf, fuhr Schwager Matz
Nach seiner Weise fort,
Vergrub zu Olims Zeit den Schatz
In seinem Keller dort.
Der Graf, mein Herr, hieß Graf von Rips,
Ein Kraut, wie Käsebier und Lips.
Der streifte durch das ganze Land,
Mit Wagen, Roß und Mann,
Und wo er was zu kapern fand,
Da macht' er frisch sich d'ran.
Wips! hatt' er's weg, wips! ging er
Und schleppt' es heim auf seine Burg.
Und wann er erst zu Loche saß,
So schlug mein Graf von Rips, –
Denn hier that ihm kein Teufel was, –
Gar höhnisch seinen Schnips.
Sein allverfluchtes Felsennest
War, wie der Königstein, so fest.
So übt' er nun gar lang' und oft
Viel Bubenstücken aus,
Und fiel den Nachbarn unverhofft
In Hof und Stall und Haus.
Allein, der Krug geht, wie man spricht,
So lang' zu Wasser, bis er bricht.
Das Ding verdroß den Magistrat
Im nächsten Städtchen sehr,
D'rum riet der längst auf klugen Rat
Bedächtlich hin und her,
Und riet und riet – doch weiß man wohl! –
Die Herren rieten sich halb toll.
Da nun begab sich's daß einsmals,
Ob vielem Teufelsspaß,
Ein Lumpenhexchen auf den Hals
In Kett' und Banden saß.
Schon wetzte Meister Urian
Auf diesen Braten seinen Zahn.
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Dies Hexchen sprach: Hört! Laßt mich frei,
So schaff' ich ihn herein.
Wohl! sprach ein edler Rat, es sei!
Und gab ihr oben d'rein
Ein eisern Privilegium,
Zu hexen frank und frei herum.
Ein närrscher Handel! Unsereins
Thät' nichts auf solchen Kauf.
Doch Satans Reich ist selten eins,
Und reibt sich selber auf.
Für diesmal spielt die Lügenbrut
Ihr Stückchen ehrlich und auch gut.
Sie kroch, als Kröt', auf's Räuberschloß,
Mit losem leisen Tritt,
Verwandelte sich in das Roß,
Das Rips gewöhnlich ritt;
Und als der Schloßhahn krähte früh,
Bestieg der Graf gesattelt sie.
Sie aber trug, trotz Gert' und Sporn,
So sehr er hieb und trat,
Ihn, über Stock und Stein und Dorn,
Gerades Wegs zur Stadt.
Früh, als das Thor ward aufgethan,
Sieh da! kam unser Hexlein an.
Mit Kratzfuß und mit Reverenz
Naht höhnisch alle Welt:
Willkommen hier, Ihr' Excellenz!
Quartier ist schon bestellt!
Du hast uns lange satt geknufft;
Man wird dich wieder knuffen, Schuft!
Dem Schnapphahn ward, wie sich's gebührt,
Bald der Prozeß gemacht,
Und d'rauf, als man ihn kondemniert,
Ein Käficht ausgedacht.
Da ward mein Rips hineingesperrt
Und wie ein Murmeltier genärrt.
Und, als ihn hungern thät, da schnitt
Der Knips, mit Höllenqual,
Vom eignen Leib' ihm Glied für Glied,
Und briet es ihm zum Mahl.
[148]
Als jeglich Glied verzehret war,
Briet er ihm seinen Magen gar.
So schmaust' er sich denn selber auf,
Bis auf den letzten Stumpf,
Und endigte den Lebenslauf,
Den Nachbarn zum Triumph.
Der Eisenbau'r, worin er lag,
Wird aufbewahrt, bis diesen Tag. –
Mein Herr, fällt mir der Käficht ein,
So denk' ich oft bei mir:
Er dürfte noch zu brauchen sein,
Und weiß der Herr, wofür? – –
Für die französchen Raubmarquis
Die man zur Ferme kommen ließ.« –
Als Matz kaum ausgeperoriert,
Sieh da! kam querfeldan
Ein Sansfaçon daher trottiert,
Und hielt den Wagen an,
Und visitierte, Pack für Pack,
Nach ungestempeltem Taback.

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TextGrid Repository (2012). Bürger, Gottfried August. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1789). Zweites Buch. Episch-lyrische Gedichte. Der Raubgraf. Der Raubgraf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4866-E