Erziehung weiblicher Dienstboten
Motto: Sechs mal sechs ist sechs und dreißig,
Ist der Mann auch noch so fleißig,
Und die Frau ist liederlich,
Geht doch Alles hinter sich! –
»Billig seid ihr, o Freund, zu den guten Wirthen zu zählen,
Die mit tüchtigen Menschen den Haushalt zu führen bedacht sind,
Denn ich habe wohl oft geseh'n, daß man Rinder und Pferde,
So wie Schafe, genau bei Tausch und Handel betrachtet;
Aber den Menschen, der alles erhält, wenn er tüchtig und gut ist,
Und der alles zerstreut und zerstört durch falsches Beginnen,
Diesen nimmt man nur so auf Glück und Zufall in's Haus ein,
Und bereuet zu spät ein übereiltes Entschließen! –«
Herrmann und Dorothee.
Wenn wir in den vorhergehenden Kapiteln uns vorzugsweise mit der Bildung und den Interessen der höheren Klassen beschäftigt, ist es wohl nur gerecht, uns auch einmal um die Erziehungsverhälnisse der Mädchen aus dem Volke zu kümmern, deren häusliche Ausbildung, deren Vorbereitung für den Beruf als Hausfrau und Mutter noch Alles zu wünschen übrig läßt. Auch hier tritt uns ein Verhältniß entgegen, welches auf's Innigste mit der sachgemäßen Erziehung des Mädchens aus den wohlhabenden Klassen zusammenhängt.
Hoben wir es in einem früheren Kapitel scharf hervor, wie die ungenügende geistige Ausbildung der Frau auch nur ungenügende Lehrkräfte erzeugen kann, so finden [175] wir uns hier einige Stufen tiefer und auf practischem Gebiete, ganz demselben Falle gegenüber. Wo empfängt meistentheils die Tochter des Volkes ihre Anleitung in den häuslichen Arbeiten, die Erziehung zur Ordnung, Reinlichkeit und Pünktlichkeit?
Dies geschieht, oder sollte wenigstens geschehen, denn es ist häufig nicht der Fall, indem sie als Dienende in ein feineres Haus eintritt. Vorbereitet dafür ist sie nur durch die Volksschule, die ihr ein kleines Maß von Kenntnissen vermittelnd, wenigstens ihr Denkvermögen bis zu einem gewissen Grade entwickelt, wo sie aber bezüglich des häuslichen Berufes absolut gar nichts, oft nicht einmal den Unterweis in den nothwendigsten Handarbeiten empfängt. Wir sehen, das Mädchen ist durchaus, wenn sie etwas Besseres lernen soll, auf den Verkehr mit der höher entwickelten Frau angewiesen, wie diese wiederum das Mädchen nicht entbehren kann, um ihr als Gehülfin in allen Zweigen des Haushalts und des Familienlebens zur Seite zu stehen. An und für sich ist das Verhältniß durchaus kein unnatürliches, ja ein menschlich schönes, wenn nur die Lehrmeisterin immer selbst im Stande wäre, das auch wirklich zu lehren, was sie fordert; und wenn andrerseits die Lernende nur auch immer den guten Willen, die Demuth und Bescheidenheit mitbrächte, zu lernen und sich belehren zu lassen. Auf einander angewiesen, sich gegenseitig nicht entbehren könnend, und doch stets miteinander unzufrieden, hat dieses Verhältniß eben so ernste als komische Seiten angenommen und wir haben nur die weise Lehre daraus zu ziehen, daß wir auch hier es abermals mit einer Seite des weiblichen Lebens zu thun haben, die vollständig nur durch das Zufällige und Verkehrte beherrscht wird, und wo eine vernünftige Abhülfe recht sehr an der Zeit wäre. – [176] Wo sind jemals Hausfrauen bei einer gemüthlichen Tasse Thee oder Kaffee vereinigt gewesen, ohne daß die unvermeidliche Klage über die Dienstboten dabei laut und mit ungewöhnlichem Eifer discutirt worden wäre? Der Gegenstand ist mit der Zeit so anrüchig geworden, daß es kaum eine Frau mehr gibt, die sich nicht gelegentlich über diese Art der Unterhaltung lustig macht und sie öffentlich desavouirt.
Nichtsdestoweniger – Verzeihung, liebe Leserinnen, wo es mit Anstand geschehen kann, wird dieser Stoßseufzer sich immer wieder von eurem Herzen loslösen, um bei gleichgestimmten Seelen Verständniß und ein verwandtes Echo zu finden. Dem stillen Zuhörer und Beobachter, welcher weiß, daß jedes Ding, wie lächerlich es auch scheinen mag, doch immer seinen tieferen Grund hat, zuckt es dabei wohl mitunter scherzhaft um die Mundwinkel, aber er lacht nicht, sondern denkt: Es muß doch etwas an der Sache sein! Und er hat Recht – es ist nicht allein etwas, sondern sehr viel an der Sache, und eben weil so viel daran ist, scheint es fast unbegreiflich, daß man sich ihr gegenüber immer nur mit Klagen, nie mit Thaten abfindet.
Leider ist es wahr, daß ein recht tüchtiges Dienstmädchen gar selten zu finden ist, und wenn es auch, trotz der vielfachen Frauenverderbniß in Bezug auf häusliche Dinge, doch immer noch eine Anzahl von Solchen gibt, die schon im Stande wären, ein braves Mädchen zu den häuslichen Arbeiten anzuleiten, so macht sich dabei gar häufig das gute, alte Sprüchwort geltend: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr! Es ist unendlich schwer, oft unmöglich, ein Mädchen, das von Kindheit auf nur Schmutz, Unordnung und Unregelmäßigkeiten aller Art um sich her gesehen hat, an das [177] Gegentheil von allen diesen löblichen Dingen zu gewöhnen. Mit den Müttern des Volkes ist es leider oft ebenso schlecht bestellt, wie mit den Müttern der höheren Stände, nur macht sich die ser Mangel dort oft noch fühlbarer, und ist häufig von noch schlimmeren Folgen begleitet, als bei den Letzteren. Die Söhne läßt man unbedingt etwas lernen, sie kommen in die Lehre, und wenn dort für ihre Ausbildung als Menschen freilich auch so gut wie nichts geschieht, so können sie doch ihr Brod selbstständig verdienen, und wenn sie brav und intelligent sind, kann aus dem tüchtigen Handwerker mit der Zeit noch Alles werden. Aber auch für ihre geistige Ausbildung geschieht, Dank der vorangeschrittenen Humanität, seit den letzten Jahren unendlich viel. Selbst in den kleinsten Städten bilden sich Handwerker- und Fortbildungsschulen für die jungen Leute aus den niedrigeren Ständen, und die jüngste zeit hat in den Volksbildungsvereinen einen Hebel geschaffen, der sicherlich nicht ohne Wirkung bleibt; aber was geschieht dagegen für die Mädchen der genannten Klassen?
Außerdem, daß sie in den meisten deutschen Staaten einen annähernd guten Schulunterricht genießen, der indessen leider das Sittlichkeitsgefühl auch noch lange nicht genügend entwickelt – so gut wie nichts. Ebenso sehr wie der Knabe darauf angewiesen, sich nach der Konfirmation, oft schon vorher seinen Lebensunterhalt zu erwerben, ist das Mädchen nur in den seltensten Fällen dazu befähigt. Das Einzige fast, was die Privatwohlthätigkeit bis jetzt für dieselben gethan, besteht in Näh- und Strickschulen, aber damit ist dem Mangel einer tüchtigen Erziehung noch lange nicht abgeholfen, um so weniger, als sie von Gott und Rechtswegen, wenn sie ordentliche Mütter hätten, Stricken, Flicken und gewöhnliches [178] Nähen zu Hause lernen müßten, weil aber die Mütter ebenso schlecht erzogen wurden, als die Töchter, und auf sie daher nicht zu hoffen ist, muß als einziges Mittel die Schule eintreten, was denn auch, Dank den Bemühungen, die sich jetzt lebhaft dafür geltend machen, wohl nicht mehr lange auf sich wird warten lassen. – Man gehe einmal in eine solche Nähschule und betrachte die Mädchen von 14 bis 15 Jahren. Sie sind unbeholfener und ungeschickter, als die meisten Kinder von 10 Jahren in den höheren Ständen. Fast die Wenigsten unter ihnen haben je eine Nähnadel in der Hand gehabt, und ebenso ungebildet und unentwickelt sind sie in Bezug auf eigenes Nachdenken, auf Pünktlichkeit und Ordnung. Wie viel nun hinsichtlich der Entwickelung des »Nachdenkens« unseren Volksschulen trotz ihrer Vorzüge noch zur Last gelegt werden dürfte, können wir hier nicht näher erörtern; wir wollen uns nur einfach an die praktischen Eigenschaften halten, die bei einem Mädchen entwickelt werden müssen, wenn es sich rechtschaffen durch die Welt bringen und eine tüchtige Hausfrau und Mutter werden soll.
Es ist gewiß vom höchsten Werth, daß die jüngste Zeit mit ihren großen Fortschritten auch den deutschen Frauen volle Gewerbefreiheit gegeben hat, aber es wird ihnen wenig nützen, so lange sie nicht, von Kindheit an, an treuere Pflichterfüllung und Zuverlässigkeit gewöhnt werden. Bei dem großen Mangel an Gesellen, der sich im Augenblick bei so vielen Gewerben fühlbar macht, haben wir schon manchen Meister gefragt, warum er nicht Mädchen verwende, und mehr als einmal die Antwort gehört: Man kann nicht viel mit ihnen anfangen, sie sind zu unzuverlässig; wir können nicht bei jeder Verrichtung daneben stehen und ihnen Alles in die Hand [179] geben! Ist dies nicht genau dieselbe Klage, die man tausend und aber tausendmal von den Lippen der Hausfrau vernimmt? Nun mag man übrigens in Bezug auf die bürgerliche Stellung der Frauen speculiren so viel man wolle, und über diesen Gegenstand die schönsten Zukunftsträume haben, so viel bleibt gewiß, daß die Aufgabe der Gegenwart immer noch zuerst darin zu bestehen hat, sie zu pflichtgetreuen Hausfrauen und Müttern in allen Ständen heranzubilden. Von dieser Basis ausgehend, läßt sich dann mit Leichtigkeit eine Reihe praktischer Erwerbszweige ergreifen, die heute den Frauen hauptsächlich noch aus dem oben angegebenen Grunde unzugänglich sind. Die Wucht eiserner Nothwendigkeit hat uns zwar hinreichend darüber belehrt, wie eine gewisse Anzahl von Frauen unwiderruflich der Ehelosigkeit verfallen und sich durch selbstständige Arbeit ernähren müssen. Nichtsdestoweniger darf man sich nicht beirren lassen und muß, namentlich bei den geringen Ständen, fest darauf halten, daß die häuslichen, weiblichen Tugenden vorerst, als Grund- und Eckstein jedes andern Berufes, geweckt und ausgebildet werden. In diesen Kreisen ganz vorzugsweise würden wir es für einen viel größeren, socialen Fortschritt halten, wenn es dahin käme, daß der kleine Bürger und Handwerker, daß der Arbeiter so viel verdienen könnte, um seine Familie allein zu ernähren und die Frau ihre Kräfte dem Haus und einer ordentlichen Erziehung ihrer Kinder widmen würde. Naturgemäßer und schöner würde sich in dieser Weise gewiß das Leben der unteren Stände entwickeln, wenn der junge Mann, der eine Lebensgefährtin sucht, sie aus der Reihe wirthschaftlicher Töchter seines Standes wählen könnte, als daß er, wie dies jetzt schon fast überall, namentlich in Fabrikorten der Fall ist, in der Frau [180] nur einen Nebengesellen gewinnt, der selbst verdient, dabei aber nicht den leisesten Begriff hat von seinen eigentlichen Pflichten. Wir stehen hier ganz gewiß einer Kulturfrage von höchster Wichtigkeit gegenüber, müssen uns aber an dieser Stelle auf ihre bloße Andeutung beschränken. –
Wie schon erwähnt, ist es bis jetzt noch ohne Zweifel das beste Entwicklungsmittel für die Töchter des Volkes, als dienende Gehülfin in ein fremdes Haus einzutreten. Auf dem Lande herrscht, selbst bei reicheren Bauernfamilien, allgemein der Gebrauch, zu diesem Behufe die Töchter auf einige Jahre in die Stadt zu schicken, und es kommt vielfach vor, daß Schwestern dabei abwechseln und die Aelteren wieder nach Hause zurückkehren, um auch den Jüngeren die Vortheile einer Erziehung zuzuwenden, welche nichts kostet, sondern bei der noch verdient wird. –
Wir werden suchen bei unserer Darstellung beiden Theilen, der Herrschaft, wie den Dienenden, gerecht zu werden, und indem wir uns vorerst den Letzteren zuwenden und den Zustand der arbeitenden Frauen genauer betrachten, wird uns vorerst der Mangel des Materials entgegentreten, an welchem dieselben daheim zu ihrem nächstliegendsten weiblichen Beruf könnten herangebildet werden. – Wir nehmen ein Dienstmädchen, verlangen natürlich von ihm, daß es unsere Zimmer in Ordnung halte, die Küche und Wäsche pünktlich besorge, sich manierlich benehme und was dergleichen mehr ist. Diese Anforderung ist, wenn man doch einmal eins oder zwei Dienstmädchen hat, gewiß nicht übertrieben, aber in wie vielen Fällen wird sie zur Zufriedenheit erfüllt? Leider nur in wenigen, und aus diesem Zwiespalt der vernünftigen Anforderung mit der ungenügenden Dienstleistung [181] entspinnt sich hauptsächlich jener ewige Mägdekrieg, in dem beide Theile die Geschlagenen sind; denn das Mädchen begreift unsere Ansprüche oft ebenso wenig, wie wir nicht begreifen, daß sie so unordentlich und nachlässig sein kann. Aber der Aerger so mancher Hausfrau hat sich gewiß schon oft in Mitleid verwandelt, wenn sie sich einmal fragt: Ja, wo hätte aber auch das Gretchen und Lieschen die Ordnung, Reinlichkeit und Pünktlichkeit lernen sollen, die ich nun einmal durchaus in meinem Hause verlange? – Treten wir einen Augenblick herein in die Hütte der Armuth, und überzeugen wir uns, welche Begriffe von den eben genannten, unerläßlichen Eigenschaften Gretchen oder Lieschen aus diesen Räumen mit in unsere Wohnung bringen konnten. Ist es möglich, scheuern und putzen zu lernen in dem kleinen Stübchen und der elenden Kammer, welche oft von 6–8 Personen zusammen bewohnt werden, und wo in der Regel eine schmutzige Mutter den Herrscherstab führt, um eben solche Aschenbrödel von Töchtern, wie sie selbst ist, heranwachsen zu lassen? Aber selbst, wenn in diesen Räumen vergleichsweise Reinlichkeit herrscht, so ist dies doch eine ganz andere Art von Reinlichkeit, als man sie in den höheren Ständen gewohnt ist, auch fehlt es ja meist an den Mitteln, sie zu handhaben, an den Besen, den Bürsten, der Seife u.s.w., die dazu doch ohne Frage unerläßlich sind. – Mit dem Waschen verhält es sich ebenso. Was kann ein Mädchen davon lernen, wo die Leute kaum mehr an Weißzeug und Kleidern besitzen, als was sie auf dem Leibe tragen? Das wird am Abend ausgezogen und gewaschen – wie gründlich kann sich Jedermann vorstellen, in der Nacht getrocknet und am andern Morgen natürlich ungebügelt wieder angezogen. – Armes Lieschen! das mit sechszehn Jahren und einer solchen[182] Vorbildung nun in die Kinderstube einer »gebildeten Dame«, die vielleicht nur die angenehme Gewohnheit der Ordnung kennt, sie aber selbst ebenso wenig zu handhaben versteht, eintritt und seine Künste beginnen soll. Unter Schelten und gerechten Klagen eignet sie sich nach und nach ein Bischen Routine an, aber von einem pünktlichen und wirklich ersprießlichen Arbeiten kann nur selten die Rede sein. Im günstigsten Fall werden die armen Geschöpfe gut dressirt, aber entwickelt, erzogen, dazu angeleitet, ihre Arbeit mit eigenem Nachdenken und vernünftiger Eintheilung zu verrichten, – dies geschieht wunderselten, und findet seine Schwierigkeit ebenso sehr in dem Mangel an wirklich tüchtigen Hausfrauen, als dem vorgerückten Alter der Dienstmädchen. Es ist unendlich schwierig, Mädchen von 17–18 Jahren, die in geistiger und praktischer Hinsicht fast ebenso unentwickelt sind, wie Kinder, nun in einem Alter, wo sie bereits an ganz andere Dinge denken, noch zu erziehen, und zwar zu erziehen unter dem Drang von Geschäften, die nun einmal durchaus jeden Tag erfüllt werden müssen, das Mädchen mag davon etwas verstehen oder nicht. In einer ordentlichen Haushaltung läßt sich übrigens in dieser Hinsicht immer noch etwas thun, aber wie viel ordentliche Haushaltungen gibt es denn? Die immer mehr überhandnehmende Klage über die Verschlechterung der Dienstboten, bricht zugleich den Stab über Tausende von Hausfrauen und gibt uns einen Begriff von der inneren Verworrenheit so vieler Haushaltungen, aus denen eine Masse von schmutzigen, unwissenden und diebischen Mägden hervorgeht, und auch noch mit Lob entlassen werden, weil die Hausfrau gar nicht weiß, wie es eigentlich mit ihrer Magd bestellt ist. Ein großer Theil dieser Mädchen wäre wahrscheinlich pünktlich, zuverlässig, sittlich [183] und treu geworden, wenn er von früh auf unter eine ordentliche Leitung gekommen, wenn man an ihr Ehrgefühl appellirt, ehe es völlig erstickt ist und sie gelehrt hätte, wie man arbeiten muß, um an der Arbeit Freude und ihren nie ausbleibenden Lohn zu empfinden.
Es ist klar – hätten wir bessere höhere Bildungsanstalten, so würden wir auch bessere Lehrerinnen haben, hätten wir tüchtigere Hausfrauen, so müßten auch unsere weiblichen Dienstboten besser gerathen. Das Aergerlichste bei der Sache bleibt es aber, daß wenn eine gute Hausfrau sich endlich mit Mühe und Schweiß ein ordentliches Mädchen erzogen hat, sie selten die Früchte davon genießt, sondern erleben muß, wie das Mädchen eines schönen Tages mit seiner neugebacknen Weisheit sich einen andern Dienst sucht und die Lehrmeisterin im Stiche läßt. Wie oft kommt es vor, daß Frauen, die sich sehr wenig um ihr Hauswesen kümmern, für einige Thaler höheren Lohnes ein Mädchen kapern, das eine brave Hausfrau Jahrelang aus Unwissenheit und Dummheit herausgearbeitet, das sie zu einem Menschen gemacht hat und welches sie nun zu halten, auch nicht das kleinste,rechtliche Mittel besitzt, sondern dabei lediglich auf die Gemüthstreue ihres Zöglings angewiesen ist.
Man kann es nicht läugnen das gegenwärtige Verhältniß von Herrschaft und Dienstbote, ist, genau betrachtet, ein sehr häßliches, beinahe unsittliches geworden, an dem der Einzelne, auch wenn er es noch so wohl meint, doch fast nichts zu ändern vermag.
Man fühlt sich manchmal versucht dem gegenüber, die Zustände der Sclaverei und der Feudalität, in so weit sie sich auf das häusliche Leben bezogen, als Glücklichere zu preisen. Wo nicht eben schlechte und grausame Menschen die Herren waren, bildete sich fast immer, [184] zwischen den befehlenden und dienenden Hausgenossen, die bestimmt waren, Lebenslang bei einander zu verbleiben, ein Verhältniß der Zusammengehörigkeit, gegenseitiger Treue und Anhänglichkeit aus, welches unendlich schöner, rührender und sittlicher war, als die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Herr und Knecht, zwischen Magd und Gebieterin. Man bedenke nur, wie wir uns einerseits mit einer gewissen Klugheit und Zurückhaltung allen gesellschaftlichen Elementen gegenüber, die uns nicht blutsverwandt sind, benehmen; wie man oft äußerlich Jahrelang mit den nämlichen Menschen verkehrt, ohne sie doch im eigentlichen Sinne zu kennen, während wir im vollsten Gegensatze dazu, ein nie vorher gesehnes, unsicher empfohlenes, durchaus unbekanntes Wesen in unsere intimsten häuslichen Beziehungen aufnehmen; wie wir häufig genöthigt sind ihm unser unbedingtes Vertrauen zu schenken, ihm unser Eigenthum, ja was noch mehr, die Sorge für unsere Kinder zu überlassen. Hätten wir nun die Gewißheit, daß diese Dienerin uns auf Jahre hinaus verbunden bliebe, daß sie wirklich mit Freude und Antheil unsre Arbeit, unsre Sorgen theilte, wie dann auch wir dagegen ihr jedes menschliche Interesse schenkten – nun wohl, es könnte sich dann ein ähnliches Verhältniß der Liebe und Treue entwickeln, wie wir es Oben geschildert, und es gibt Fälle, die freilich sehr selten sind, wo es geschieht.
In der vorwiegenden Mehrzahl aber, sehen wir ein beständiges Gehen und Kommen der dienenden Kräfte, welches oft nach außen hin die unangenehmsten Folgen hat, nach innen eine beständige Unbehaglichkeit und Unzufriedenheit erzeugt. Nur in seltnen Fällen sieht sich die Herrin durch die Leistungen ihrer Dienerin befriedigt und haben wir vorhin bezüglich dessen, Billigkeit und [185] Toleranz befürwortet, so ist doch auf der andern Seite nicht zu läugnen, wie solche Betrachtungen allerdings das Gemüth der Herrin milder stimmen, sie zur Geduld ermahnen mögen, wie aber damit die Sache an sich nicht besser wird, und die Arbeit denn doch so wie so, gethan werden muß.
So kann man sich kaum verwundern, wenn sich nach und nach, statt gegenseitiger Gefühle der Anhänglichkeit, eine Art von Feindschaft zwischen beiden Theilen erzeugt, die bereits jetzt schon in das gefährliche Stadium eines Klassen-Hasses auszuarten beginnt, jedenfalls aber in fast allen Familien eine stehende Plage und Calamität geworden ist.
Um aber ganz gerecht zu sein, wird man doch wohl zugestehen müssen, daß bei diesen Differenzen die Gebietenden und Zahlenden unendlich mehr gestraft sind, als die Andern und daß, wenn irgendwo die Klage der Hausfrauen im Allgemeinen gerecht, sie es bezüglich ihrer Dienstboten ist und sie schwer unter Mängeln der Volksbildung und der Arbeitsverhältnisse leiden müssen, gegen die man zu lange blind gewesen ist.
Wenn in früheren Zeiten ein Dienstbote von der Herrschaft Nahrung, Wohnung, Kleidung und weiter nichts erhielt, so war es am Ende in der Ordnung, daß die Herrschaft ihn unterrichtete, anwies, und für die von ihr gewünschten Dienstleistungen erzog. Das Verhältniß ist seitdem ein total Anderes geworden; man kauft die Arbeit, wie jede andre Waare auch, und der Arbeitende hat die vollkommenste Freiheit seinen Artikel überall anzubieten, wo es ihm gefällt, und einen möglichst hohen Lohn dafür zu erzielen.
Dies ist ganz in der Ordnung unter der Voraussetzung, daß die Arbeit etwas werth sei, daß man sie [186] gebrauchen könne und ganz gewiß verlangt man Heute von einem tüchtigen Arbeiter Vieles, was er früher nicht zu wissen brauchte und wofür man ihn auch besser belohnen mag. –
Ganz ähnlich aber, wie bezüglich anderer Dinge, die Frauen der höheren Klassen im althergebrachten Schlendrian stecken geblieben sind, so ist es auch mit den Frauen des dienenden Standes. Sie machen die Ansprüche und Forderungen, wie sie naturgemäß im Einklang mit den veränderten socialen Verhältnissen sich entwickelt haben, aber ihre Leistungsfähigkeit ist noch ganz dieselbe, wie vor hundert und zweihundert Jahren.
Wie gut und lobenswerth wir es nun auch finden, wenn eine Hausfrau ein braves Dienstmädchen erzieht, so hat man doch eigentlich Heute kein Recht mehr dieses zu verlangen; die Hausfrau hat im Gegentheil das Recht für ihr schweres Geld, reelle Waare, d.h. ordentliche Dienstleistung zu fordern. Daß sie aber erziehen soll und nebenbei, wenn wir Lebensunterhalt und Lohn nur ungefähr berechnen, eine jährliche Auslage von 2–300 Fl. machen muß, dies ist doch eigentlich zu viel verlangt. – Doch lassen wir es dabei bewenden – fragen wir nur weiter, wie soll sie erziehen, wo jedes Mittel der Strafe ihr fehlt? wo oft schon ein scharfes Wort hinreicht, das undankbare Mädchen den Dienst kündigen zu lassen und wo nun abermals jedes Mittel fehlt, sie zu halten.
Nein es sind ganz unleidliche Zustände, in die wir hier hineingerathen sind und gegen welche selbst die beste Frau vergebens ankämpft. – Wir sind wahrhaftig die Letzten, ein hartes Urtheil über die Kinder des Volkes auszusprechen, aber es muß doch einmal offen gesagt werden, daß sich unter der weiblichen Jugend desselben eine Selbstüberhebung, ein Mangel an gutem Willen etwas [187] zu lernen, und eine Undankbarkeit entwickelt haben, der es hoch an der Zeit ist zu steuern. Leistet und lernt zuerst etwas, und dann erhebt Ansprüche!
Leistet und lernt etwas – schweres, inhaltreiches Wort! Wir sind den Hausfrauen gerecht geworden, denen man thatsächlich mit Eurer Erziehung zu viel zumuthet, aber nun tretet Ihr hervor Ihr Armen, und erhebt laute Klage, daß man Euch so lange vergessen und verabsäumt, daß man auch in Euren Kreisen immer nur auf die Entwicklung und Erziehung des Mannes bedacht war, und Euch in Rohheit, Schmutz und Dummheit stecken und zu Tausenden verderben ließ! –
Wahrlich, es ist eine der höchsten Aufgaben unserer Tage, die Mittel und Wege zu finden, um den eben geschilderten Mißständen Abhülfe zu schaffen, die nicht allein eine Besserung in der Lage der unteren, weiblichen Klassen, sondern auch im Interesse unserer eigenen häuslichen Zufriedenheit zu bewirken im Stande wäre. Was hierin von Männern und Frauen der höheren Stände geschieht, ist ein Kapital, das ihnen selbst wieder die reichlichsten Zinsen trägt; denn je mehr wir wünschen müssen, die Frau auch in geistiger Hinsicht gebildet und hochstehend zu erblicken, um so mehr wird es eine Lebensfrage für sie werden, in den weiblichen Dienstboten ihres Hauses Gehülfinnen zu besitzen, denen sie auch gern und mit Zuversicht einen Theil der Sorgen ihres Haushalts und ihrer Kinder überlassen darf, und an denen sie, wenn es erst einmal gesittete und mit feinerem Sinn begabte Mädchen sind, gewissermaßen Freundinnen besitzt, die mit treuem Herzen ihr schwere Zeiten, die ja in keinem Hause ausbleiben, überwinden und tragen helfen. Ein anhängliches, hingebendes Dienstmädchen ist ein Schatz, der gar nicht genug zu würdigen ist, und es könnten ihn Viele [188] besitzen, wenn der ungeheure Vorrath weiblicher Kräfte, der in allen Ständen, und besonders in den niedern Klassen, brach und roh daliegt, angebaut und kultivirt würde. Das Wie liegt nicht ferne; vorerst müssen sich natürlich die öffentliche Aufmerksamkeit, die Sorge von Staat, Gemeinde und Vereinen, ebenso eifrig der Hebung und der Heranbildung des weiblichen Theiles der Bevölkerung zuwenden, als man dies jetzt mit dem männlichen Theile zu thun beginnt. Wie weibliche Volkslehrerinnen, welche schon dem Kinde nützliche Kenntnisse beibringen, in ihm den Sinn für Ordnung und Reinlichkeit erwecken könnten, dazu unendlich viel beitragen würden, haben wir bereits an andrer Stelle genügend hervorgehoben; nicht weniger entschieden haben wir das Verlangen ausgesprochen und es als eine Hauptpflicht der Schule betont, daß innerhalb derselben das weibliche Kind die nothwendigen häuslichen Handarbeiten erlerne. Weiterhin hoffen wir, es werde in der Zukunft, in ähnlicher Weise wie für die Knaben, die obligatorische Fortbildungsschule auch für die Mädchen geschaffen werden, damit Verstand und Denkvermögen nicht auf den untersten Stufen der Entwicklung verbleiben, und schon gibt es in Süd-Deutschland Landgemeinden, welche Hand an dieses Werk legen und Fortbildungsschulen für die konfirmirten Mädchen zu errichten streben. Auf solchen Grundlagen ließe sich denn schon weiter bauen, und ließen sich Anstalten gründen, in welchen die Mädchen auch in den häuslichen Arbeiten unterrichtet würden, in denen sie eine Lehrzeit durchmachten, um dann auch als wirkliche Gehülfinnen einer Hausfrau, für die geleistete Arbeit, einen recht guten Lohn zu beanspruchen. – Man kann Heute um so eher höhere Ansprüche an die Leistungen einer Dienerin stellen, als eine Menge von groben, schweren Arbeiten, [189] die sie früher zu verrichten hatten in Folge, der zweckmäßigeren Einrichtung der Häuser, der verbesserten Geräthschaften, endlich der Bedürfnisse, welche jetzt die Industrie befriedigt, während dies früher im Hause geschehen mußte, hinwegfallen, und das Dienen und Helfen, statt des sonstigen Aufwandes an Körperkraft, mehrentheils größere Intelligenz verlangt. Wollten es doch auch nur die Hausfrauen selbst besser einsehen lernen, wie sehr sie die häusliche Arbeit vereinfachen könnten, durch den Gebrauch jener Haushaltungsmaschinen, die sich als wirklich praktisch erwiesen haben, und denen man nur noch aus Indolenz, und übel verstandner Bequemlichkeit die Thüre verschließt.
Schon vor zwölf Jahren, als dieses Thema zuerst von uns behandelt wurde, hatte man eben weil das Bedürfniß drängte, in England, in der Schweiz, angefangen Erziehungsstätten zu gründen, in welchen Mädchen der unteren Klassen, Nähen, Stricken, Waschen, Bügeln, Scheuern und einfaches Kochen erlernten. – Aehnliches wurde in Deutschland seit der Revolution von 1848, nach welcher man ja überhaupt erst anfing, den Volksverhältnissen größere Aufmerksamkeit zu schenken, in verschiednen Städten versucht; aus noch früherer Zeit datirte in Gotha unter der Protection einer menschenfreundlichen Fürstin, eine Mägde-Anstalt, von hoher praktischer Trefflichkeit, was schon aus dem Umstande hervorgeht, daß sich in demselben Hause die Kleinkinder-Bewahranstalt befand, und mit Jener verbunden war.
Gar manche Versuche, die man damals bei uns gemacht, sind leider wieder gescheitert, denn auch die Art und Weise wie man solche Dinge anfaßt, muß gelernt, erprobt sein, aber das rüstige Vorangehen unserer Frauen-Vereine hat in den letzten Jahren auch [190] auf diesem Gebiete Nachahmenswerthes und Vortreffliches geschaffen.
Je mehr sie sich ausbreiten, je mehr könnte auch dafür geschehen, und ohne Frage ist keine Bestrebung jener Vereine so populär und so wenig dem Vorwurf der Emancipationssucht ausgesetzt, als Diejenige, tüchtige Dienerinnen heranzubilden, nur sollte dann auch das weibliche Publikum sich etwas lebhafter, namentlich mit Geldmitteln bei diesen Bemühungen betheiligen, die wahrhaftig schwierig und oft undankbar genug sind.
In jeder Stadt, groß oder klein, könnten solche Bildungsanstalten bestehen, die allerdings zweierlei Charakter tragen würden.
Die ärmste Klasse wird eine Kleinigkeit, wenn auch nur den Lebensunterhalt verdienen müssen, wenn die Eltern sich dazu verstehen sollen, das Mädchen frei zu geben, statt es nach der Confirmation in eine Fabrik zu schicken, oder zu sonstiger, lohnender Arbeit zu verwenden. Etwas besser stehende Leute mögen, und dies ist doch nur zu befördern, kein Almosen empfangen, und lassen das Kind nur dann solche Anstalten besuchen, wenn es eine Kleinigkeit bezahlt. Dies ist schon an und für sich ein großer Vortheil, denn was die Leute bezahlen, schätzen und nützen sie auch.
Es sind uns zwei Anstalten näher bekannt geworden, in denen beide Principien vertreten sind. – Schon um 1867 lernten wir in Leipzig eine seit längerer Zeit bestehende Mägde-Anstalt kennen, die uns damals, nach unserm Ermessen, als sehr praktisch eingerichtet erschien. Auch hier war ein Volks-Kindergarten damit verbunden, der die tägliche Verpflegung für Kinder und Lehrerinnen aus der Anstalt empfing, während die Zöglinge zeitweise darin thätig waren. Die [191] Mädchen wohnten in der Anstalt, was auch nicht zu umgehen ist, denn nur durch die Trennung von ihrer rohen Umgebung, läßt sich nachhaltig auf sie einwirken. Wenn wir uns recht entsinnen, belief deren Zahl etwa zwanzig. Sie traten nach der Konfirmation ein, und Jede mußte eine gewisse, sehr einfache aber solide Ausstattung an Kleidern und Wäsche, sowie einen Thaler Taschengeld von zu Hause mitbringen. Das erste halbe Jahr gehörten sie ganz der Anstalt an und wurden in Allem unterrichtet, was in einfachen, bürgerlichen Haushaltungen vorkommt. An den Nachmittagen wurde genäht, geflickt und gelernt. Sie hatten noch Rechen-, Lese-, Schreibe- und Religionsunterricht. – Nach dem ersten halben Jahre wurden sie halbtageweise in solche Familien ausgeliehen, die mit der Anstalt in Beziehung standen und sich für dieselbe interessirten. Dort wurden sie dann benützt zum Waschen, Scheuern, zum Helfen in der Küche u. dergl. Diese auswärtige Arbeit wurde bezahlt; ein Theil davon fiel an die Anstalt, einen andern Theil bekam das Mädchen, damit sie auch jetzt schon verdiente.
Die übrige Hälfte des Arbeits-Tages gehörte der Anstalt, wie denn überhaupt einige Mädchen immer für die laufende Arbeit da sein mußten.
Zwei Frauen, die unter dem Vereins-Comité standen, leiteten die Anstalt und wohnten darin. Eine war Vorsteherin des Ganzen, ertheilte den Handarbeitunterricht, führte die Bücher u.s.w., die Andre war die eigentliche Haushälterin und hatte namentlich das Küchen-Departement zu verwalten.
Die ganze Einrichtung war reinlich, aber durchaus einfach und dem Zweck entsprechend. Zwei Jahre bleiben die Mädchen in dem Hause; und während dieser [192] Zeit durften sie nur jeden Monat einmal am Sontag Nachmittag nach Hause. War ihre Zeit abgelaufen, so bemühte man sich, sie in guten Häusern in Dienst zu bringen. –
Wir wissen nicht, ob die Anstalt Heute noch so besteht, hoffen es aber, denn auch noch in der Erinnerung erscheint sie uns als durchaus practisch und vernünftig eingerichtet. Daß sie übrigens nicht unbedeutende Mittel in Anspruch nimmt, ist selbstverständlich.
Eine gleichfalls ältere Institution ist der Hamburger Fröbel-Verein, welcher bessere Kindermädchen, oder richtiger gesagt, Familien-Kindergärtnerinnen ausbildet, welche vorerst nach dem Fröbel'schen System in allen Spielen und Beschäftigungen unterwiesen werden, die sich für das Kindesalter von 2–8 Jahren schicken, damit sie, was so unendlich wichtig ist, das ihnen anvertraute Kind zu unterhalten, zu beschäftigen, seine ersten, kindlichen Fragen richtig zu beantworten wissen. Es ist gar nicht zu ermessen, welche Keime des Guten darin liegen, wenn auf solche Weise von den Kindern der Einfluß dummer abergläubischer und roher Mägde abgehalten wird. Gleichzeitig empfangen diese Mädchen Unterricht in der Körperpflege der Kleinen, indem sie abwechselnd das Kinder-Hospital, die Krippe und Kindergarten besuchen, in welch Letzterem sie sich auch practisch mit den obenerwähnten Lehrmitteln beschäftigen. Manche andre Bildungselemente, welche diesen Familien-Kindergärtnerinnen zugeführt werden, stellen sie indessen doch eine Stufe höher, als das eigentliche, einfache Kindermädchen und machen sie auch darum nur reicheren Familien zugänglich. – Die Hamburger Anstalt als Vorbild benutzend, wurde nun vor vier Jahren in Berlin das Institut für Kindermädchen aufgethan, welches mehr dahin [193] trachtet, das Bedürfniß bürgerlicher Familien zu befriedigen und auch, was in Hamburg nicht geschieht, es gestattet, daß ältere Mädchen, deren Körperkraft entwickelt ist, schon bei Säuglingen hülfreiche Hand leisten. Diese Anstalt, die dabei hauptsächlich die weitere Ausbildung von Waisenmädchen im Auge hatte, fing klein an und beschränkte sich anfänglich auf einen nur halbjährlichen Cursus, damit die Mädchen früher an's Verdienen kamen. So lange sie lernen, wird von den Mädchen ein kleiner, monatlicher Beitrag gezahlt. Indessen entwickelte sich die Anstalt so rasch und so segensreich, ihre Wohlthat wurde so schnell auch von denen, die dadurch empfingen, gewürdigt, daß sie bald den einjährigen Cursus einführen konnte. Mädchen die noch länger bleiben wollen, werden selbstverständlich nicht weggeschickt. Die Schülerinnen werden nach der Confirmation, also mit 14–15 Jahren angenommen, aber sie recrutiren sich aus allen Lebensaltern, ja, die Vorsteherinnen hatten die Genugthuung, daß eine junge Frau aus der Bürgerklasse, die Mutter eines dreijährigen Knaben sich aufnehmen ließ, um zu lernen, wie sie ihr Kind erziehen und beschäftigen solle.
Die Schülerinnen bleiben in ihren häuslichen Verhältnissen, sind aber Tages über vollständig beschäftigt. Die Morgenstunden bringen sie abwechselnd in einer Krippe, einem Kinderspital, einem Volks-Kindergarten, oder einem Kindergarten für die höheren Stände zu, wo sie practisch thätig sind. Der Nachmittag ist der Schule und dem Unterricht gewidmet; gewöhnlich drei Stunden umfassend. Dort lernen sie systematisch die Fröbel'schen Beschäftigungs- und Bewegungsspiele, etwas Pädagogik, Naturkunde, das Singen von Kinderliedern, Vorlesen und Erzählen, endlich Handarbeiten.
[194] Man begreift, daß derartig ausgebildete Mädchen, wie auch die Hamburger Familien-Kindergärtnerinnen sehr gesucht und im Voraus bestellt sind, ehe sie nur die Schule verlassen haben. Sie zerstreuen sich nach allen Richtungen und oft weit über Deutschland's Gränzen hinaus; die Stellen seblst werden ihnen vermittelt durch die Vorstands- oder Schutzdamen, welche auch noch in der Ferne in mütterlicher Beziehung zu ihnen bleiben.
Wir könnten das Gesagte noch mannichfach vervollständigen durch die Darstellung ähnlicher Institute, wie sie namentlich in England in den letzten Jahren in gleich trefflicher Weise gegründet wurden, aber es würde den Raum dieser Blätter zu sehr überschreiten.
Man kann es ja kaum bezweiflen, daß Institute vonsolcher Gemeinnützigkeit, wenn sie nur erst einmal bestehen und den Beweis geliefert haben, was sie zu leisten vermögen, in jeder Stadt und jedem Städtchen Nachahmung finden müssen. Wir hoffen es um so mehr, als es für solche Anstalten, wohl häufig nicht viel mehr als des Gründungskapitals bedürfen wird, indem sie in vielen Fällen producirender Natur sein könnten, oder müßten. Das Material, an dem die Kinder lernen sollen, würde ihnen von Außen geliefert werden, die Schule müßte zugleich eine Näh-, Bügel-und Waschanstalt sein und selbst eine Art von Kosthaus ließe sich sehr leicht damit verbinden. Wer würde nicht gerne einem solchen Institut Arbeit zuwenden und diese nicht auch gerne im Interesse desselben angemessen und anständig bezahlen? Es gibt z.B. Nähschulen, in denen die Arbeit fast nur zur Hälfte nach ihrem wahren Werth bezahlt wird. Das ist sehr verkehrt; denn solche Anstalten dürfen am allerwenigsten dazu dienen, den Arbeitslohn [195] herunter zu drücken. Nicht jedes Mädchen, welches eine derartige Schule besucht, tritt nachher in fremde Dienste. Viele und grade Solche, die für schwere Hausarbeit auf die Dauer zu schwach sind, werden Näherinnen und darum darf ihnen die Schule unter keiner Bedingung die Arbeit, welche sie darin erlernen, dadurch wieder entwerthen, indem sie den Lohn dafür verringert.
Ein Mädchen, welches nun etwa zwei bis drei Jahre lang eine solche Lehrzeit als Haus- oder Kindermädchen durchgemacht, kann dann auch einen entsprechenden Lohnsatz für ihre Dienste verlangen und ist dann gewiß im Stande den Anforderungen, selbst einer strengen Hausfrau, zu entsprechen; denn wie ganz anders wird sie aus derselben hervorgehen, als aus ihrem ärmlichen Vaterhaus. In jeder Familie würde man sich glücklich fühlen, ein so gebildetes Mädchen für sich zu gewinnen, und es erwartet sie dann jedenfalls ein besseres Loos, als wenn sie unmanierlich, schmutzig und unwissend in die fremden Dienste tritt und die Arbeiten, die man mit Recht von ihr verlangen kann, nur vom Absehen, meist unordentlich und ungründlich erlernt. Sollten, wie wir es hoffen und wünschen, wirklich in der Folge viele solcher Anstalten gegründet werden, so hat man nur recht sehr darauf zu sehen, daß man dabei in keine Uebertreibungen verfällt, die Mädchen nicht zu hoch hinauf schraubt, und sich überhaupt bei der Einrichtung vielmöglichst nach den localen Verhältnissen und Bedürfnissen richtet. Findet sich dann unter den Schülerinnen Eine oder die Andre mit hervorstechender Begabung für ein höheres Gebiet, so kann man sie demselben zuführen und wird auf diese Weise gewiß öfter Gelegenheit haben, ein Talent der Niedrigkeit zu entreißen. – Von großer Wichtigkeit bei solchen Institutionen ist es [196] überdies auch immer, daß die Vorsteher derselben noch längere Zeit in Beziehung mit den von ihnen Erzogenen bleiben; daß sie ihnen die Stellen vermitteln, Erkundigung über ihr Verhalten einziehen und überhaupt Theil nehmen an deren späterem Wohl und Wehe.
Mit der Erfüllung solcher und ähnlicher Aufgaben eröffnet sich der gebildeten Frauenwelt ein unendlich schönes und segensreiches Feld der Wirksamkeit, für welches sie getrost schon einige Damen-Kaffee's und Spielkränzchen daran geben kann. –
Doch sind wir mit der Erörterung der ganzen Frage noch nicht zu Ende, denn, wir glauben kaum, daß alle erziehungsbedürftigen Mädchen der geringen Klassen in besondren Anstalten können gebildet werden. Vorerst ist zu hoffen, daß eine verbesserte Auflage vonMüttern in jenen Regionen, schon selbstverständlich auch wieder bessere Töchter heranziehen wird. Umso mehr aber, wäre dann das zu erreichen, was wir noch vorschlagen möchten, nämlich, es sollten sich an allen Orten tüchtige Hausfrauen aus dem bürgerlichen Stande zusammenthun und sich gegenseitig verpflichten, ordentliche Dienstmädchen zu erziehen, gegen geringen Lohn. Es muß auch den geringeren Volksklassen durchaus das Verständniß dafür beigebracht werden, wie gewisse Ansprüche nur gegen gewisse Leistungen können erhoben werden. Sie sind seit undenklicher Zeit daran gewöhnt, ihre Knaben, wenn sie kein Lehrgeld zahlen können, ein Jahr länger in die Lehre gehen zu lassen; man muß sie dazu anzuhalten suchen, für die Mädchen ein Gleiches zu thun, indem man bei noch unmündigen Mädchen nicht mit diesen, sondern mit den Eltern den Vertrag schließt, wornach sie 3–4 Jahre lang bei geringer Vergütung in einem ordentlichen Hause zu dienen und am Schlusse derselben eine Art Examen abzulegen [197] haben, um dann gewissermaßen wie der Knabe freigesprochen zu werden. Namentlich für Waisenmädchen ließe sich dieses Verfahren gewiß mit Erfolg anwenden.
Die erziehende Hausfrau würde für ihre Mühe ein Mädchen haben, und doch nur einen geringen Lohn zu zahlen verpflichtet sein und die Prüfung, welche das Mädchen am Ende ihrer Lehrzeit ablegte, würde eine Garantie dafür bieten, daß man sie auch wirklich zu tüchtiger, pflichtgetreuer Arbeit angehalten hat, was übrigens ja im Interesse jeder Hausfrau liegt, die sich selbst um ihre Arbeit bekümmern muß.
Wir müssen uns durchaus der weiblichen Volksklasse wirksamer annehmen, als dies bisher geschehen, trotz der Feinde, die uns entgegenwirken, trotz Fabriken, Ballet und andern Ungeheuern, die auf das heranwachsende Mädchen lauern, denn wenn wir auch jetzt unsere Vorschläge hauptsächlich im Hinblick auf das dienende Verhältniß, in welches sie zu den höheren Klassen treten, geltend gemacht, so ist diese Sache noch in viel höherem Grade eine Frage der Kultur und der Humanität. Niemand zweifelt mehr daran, daß es eine natürliche Pflicht des gebildeten Theiles der Nationen ist, sich um das sittliche und sociale Wohl und Wehe der unteren Stände zu bekümmern, und zwar nicht mehr, wie man sonst glaubte, durch Gründung von allen möglichen Wohlthätigkeitsanstalten, sondern durch deren Erziehung und Entwicklung. Ganz gewiß wird sich das ursprüngliche Leben des Volkes weit schöner gestalten, wenn man die gesunden Keime, die in ihm liegen, entwickelt und pflegt, statt, daß man für jedes Einzelne seiner Gebrechen besondere Hospitäler gründet. Es geschieht hierin unendlich viel, ja oft zu viel und doch lange nicht genug, weil – selten das Rechte geschieht. Es muß in der menschlichen [198] Natur begründet liegen, daß sowohl der Einzelne, wie die Gesellschaft sich jahrelang lieber mit Palliativmitteln herumschlagen, ehe man sich zu einer gründlichen Ausrottung des Uebels entschließt. So auch hier; wir haben eine Masse von Anstalten, die es faulen Mädchen und Frauen, pflichtlosen Müttern geflissentlich erleichtern hilft, in ihrem nichtsnutzigen Schlendrian fortzuleben. Die Kinder des Volkes, als ein Gegenstand des Mitleids, der am meisten in die Augen fällt, werden von der Geburt an bis zum sechsten und siebenten Jahr aus einer Anstalt in die andere geliefert und dann – ihrem Schicksal überlassen. Der Unglücklichsten unter ihnen nehmen sich später die Rettungshäuser an, aber erst wenn sieverwahrlost sind, damit auch wirklich etwas zu retten ist. Das Auffinden und Losmachen solcher Kinder aus den häuslichen Verhältnissen hat außerdem noch häufig seine sehr unangenehmen, ja das Gefühl verletzende Seiten, denn es gibt Eltern, die, wie schlecht sie auch sind, doch zärtlich an ihren Kindern hängen. Darum würde es gewiß ersprießlich sein, die Haushaltungen der untern Stände, so viel als möglich, zu reformiren, als die Kinder auf einen fremden Boden zu verpflanzen. Für die heranwachsende weibliche Jugend jedoch sehen wir uns vergebens nach einer wirklichen Rettungsanstalt um, und doch ist sie häufig in dem Alter zwischen Kind und Jungfrau ebenso großem Verderben ausgesetzt, wie der hülflose Säugling. Der beste Schild für die Sittlichkeit eines Mädchens ist das Bewußtsein, sie habe etwas Tüchtiges gelernt und werde bei Fleiß und Ordnungsliebe auch immer eine lohnende Beschäftigung finden. Eine Menge von Versuchungen treten an den fleißigen, thätigen Menschen gar nicht heran, und wenn sie kommen, dann ist er stärker ihnen zu widerstehen, [199] als der Untüchtige und Faule, dessen Kräfte und dessen Nachdenken nie geübt und entwickelt wurden. Bei dem vornehm, wie bei dem niedrig gebornen Mädchen ist grade der Zeitpunkt, wo es aus dem Kindesalter heraustritt, der wichtigste, und ist es am meisten geboten, es durch Forderung einer treuen Pflichterfüllung und nützlicher Thätigkeit vor Verirrungen und Träumereien zu schützen, die dieses Alter mit sich bringt, die oft so süß beschönigt werden und doch den Keim für ein später verfehltes Leben in sich tragen.
Dies würde denn nun eine Besserungsanstalt im wahren Sinne des Worts sein, wenn gebessert würde, ehe Alles verdorben ist und Diejenigen, die auf ihrer Hände Arbeit angewiesen sind, auch zu arbeiten lernten. Die Kinder des Volkes würden dann mit tüchtigen, pflichtgetreuen Müttern beschenkt, die ihnen mehr nützen werden, als alle Rettungshäuser, Diakonissenanstalten und Krippen in der Welt. Wir sind weit entfernt den Nutzen und das Schöne solcher Anstalten, besonders der Kinderbewahranstalten und Krippen, mit diesen Worten läugnen zu wollen, aber es würde noch schöner und zweckmäßiger sein, wenn man die Frau der niedern Stände zu ihrer natürlichen Pflicht zurückleitete, und ihr die Erfüllung derselben besser möglich machte, als daß man ihr dieselbe zu viel abnimmt. Aber auch dem fleißigen Arbeiter und Handwerker ist es zu gönnen, wenn er eine Hausfrau besitzt, auf welche unser altbekanntes, nur zu wahres Motto, keine Anwendung findet. Es ist gewiß keine zu kühne Behauptung, wenn wir sagen, daß die Hälfte, ja wohl noch ein größerer Theil verarmter Bürger, dies namentlich durch die Schuld schmutziger, nachlässiger Frauen geworden sind. Der Mann wird gern den Lohn seiner Thätigkeit innerhalb [200] seiner vier Wände genießen, wenn es drinnen behaglich und sauber ist, statt daß er unmittelbar aus der Werkstatt in's Bierhaus läuft. Den niedern Klassen tüchtige Hausfrauen, Schwestern und Mütter geben, heißt sie wirklich emporheben in einen höhern Kreis des Menschenthums.
In der engsten Hütte, wie in den stattlichsten Häusern mit glänzenden Spiegelscheiben ist es immer die Hand der Frau, welche den Boden bereiten muß, auf dem Familienglück und Bürgertugend emporblühen sollen. Jene können sich nicht selber helfen, denn es fehlt ihnen Alles dazu, die Mittel, die Anleitung und die Intelligenz. An uns ist es daher, für sie zu handeln, mit Wort, mit That und – dem Beispiel!
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