[80] Die Zürcher Glocken
O, du wunderbarer grüner
See, im schönen Schweizerland,
Wie so lieblich sich die stolze
Zürich schmiegt an deinen Rand!
Hüben sanfte Rebenhügel
Hingestreut wie ein Idyll,
Drüben majestät'sche Alpen,
Schneebedecket, ernst und still.
Wie ein Mann ruhst du dazwischen,
Dem ein Zaub'rer Alles lieh,
Tiefsten Ernst und Morgenfrische,
Frohe, starke Poesie.
Lächelst in so holder Schöne –
Fast Vergessen mich umstrickt,
Daß mir von den grünen Höhen
Auch ein Grab entgegen blickt.
Weh', da tönen Glockenklänge,
Schneiden mir in's tiefste Herz,
Niemals wachte so gewaltig
In mir auf der erste Schmerz!
Weh', das sind dieselben Glocken,
Welche bebten durch die Luft,
Als man deine theure Hülle
Senkte in die kühle Gruft!
[81]Alles Andre ist vergangen,
Selbst den Schmerz bethört' die Zeit,
Aber diese Glocken sprechen
Noch so laut, als wär es heut',
Daß der besten Geister einem,
Ganz erfüllt vom höchsten Drang,
Daß dem treusten, wärmsten Herzen
Sie getönt den Grabgesang!