[82] Fabel
Die Erde sahe jüngst der Lüfte schönes Blau,
Mit einem kleinen Neid, halb eifersüchtig an,
Und sprach: stoltzire nur, mit deinem blauen Licht,
So übermüthig nicht,
Weil ich so wohl, als du, dergleichen zeigen kann.
Schau mein Ultramarin; betrachte, wie der Pfau
Im blauen Schimmer prangt; schau den Sapphir. Vor allen
Kann ich dir der Gentianellen
Fast blendend Blau entgegen stellen.
Ihr voller Glantz muß dir,
Trotz deiner blauen Zier,
Noch mehr, als du dir selbst gefallen kannst, gefallen.
Die Luft nahm diesen Hohn für kein Verhöhnen an;
Vielmehr besahe sie, vergnügt und sonder Neid,
Von diesem schönen Frühlings-Kinde,
Das dem Sapphir fast gleiche Kleid,
Und lispelte darauf gelinde
Der Erde diese Worte zu:
Ich sehe deinen Schmuck nicht sonder Freuden.
Warum besiehest du
Den meinen nicht auf gleiche Weise?
Laß uns doch, ohn' uns zu beneiden,
Uns, da wir alle beyde schön,
Mit Freud' und Anmuth, Dem zum Preise,
Der unser aller Quell und Ursprung ist, besehn!
Laß uns vielmehr uns in die Wette schmücken;
Damit, wenn Geister uns erblicken,
[83]Die mit Verstand begabt, durch ein erstaunt Entzücken,
Sie in uns beyden GOTT, die Quell des Lichts, erhöhn.
Denn, sonder Glantz und Strahl Desselben Sonnen-Lichts,
Sind wir, nicht nur nicht schön; wir sind ein wircklich Nichts.
Laß deine schöne blaue Bluhme
Denn künftig, zu des Schöpfers Ruhme,
In einem blauen Feuer blühen:
Ich will, wie vor, zu seiner Ehr',
Und zwar noch immer mehr und mehr,
In meinem blauen Schimmer glühen.