[367] Amors Amme
Amors Ankunft in Cythere
Wird ein allgemeines Fest,
Als sich Venus nicht die Ehre
Ihn zu stillen rauben läßt.
Weil er aber nur betrachtet
Und, schon Kind nicht mehr, allein
Des Gefäßes Reizen schmachtet,
Will ihm keine Milch gedeihn.
Rath in solcher Noth gewähren
Heißt die Göttin ihren Hof:
Haben Amorn aufzunähren,
Andre doch vielleicht den Stoff.
Da den Vorzug zu gewinnen
Treten in gedrängter Zahl
Heldentöchter und Göttinnen
Und die Tugenden zur Wahl.
Manche Götterbrust quillt Nahrung
Daß man nicht die Wollust wählt,
Untersaget bloß Erfahrung,
Die der Höfe keinem fehlt.
Trocken findet man die Musen,
Ernsthaft die Vernunft und alt,
Bis ein Labsal ihm am Busen
Der erkornen Hofnung wallt.
Sich unziemlich übergangen
Wähnt vor allen Lüsternheit,
Blickt auf Amorn mit Verlangen,
Auf die Amme voller Neid,
Und begehrt – die schlaue! siegen
Muß sie oder selbst vergehn! –
Das erlauchte Kind zu wiegen
Und die Hofnung läßts geschehn.
Aber Amor ohn Erbarmen
Schlummert nie und plaget stets.
[368]Und sie flehet: »weichern Armen
Ueberlaß ihn!« – und erflehts.
Zuckerbrot mit vollen Händen
Reicht die Pflegerin ihm dar,
Und sein Leben schnell zu enden,
Läuft der lüsterne Gefahr.