[235] Abend und Nacht
Die Sonne schickt den goldenen Scheidegruß,
Des Lichtmeers letzten, leisen Wogenwurf
Der müden Welt. Ein Schattenschleier schwebt
Engmaschig über alles Leben her;
Aus seinen Falten schüttelt er den Schlaf,
Den Sorgenlöser, der Vergessen giebt.
Langsam versinkt in stummes Glück die Welt.
Die Vögel zirpen letztes Nestgeschwätz,
Vom fernen Hofe bellt ein lauter Hund,
Ein letzter Wind rauscht durch das hohe Gras.
Dann alles still ... Den Atem hält die Welt.
Nun übergraut den Himmel dichter Flor,
Nun deckt sich alle Farbe müde zu,
Nun weichen alle Formen in die Nacht.
Und alles leer und schwarz, und alles hohl und kalt,
Und endlos alles Raum, und alles, alles Flucht,
In unermeßnes Nichts ein Schweben ohne Laut.
Der Tod stellt seinen schwarzen Spiegel auf,
Deß Bilder keines Lebenden Auge schaut.
Doch wenn dein letzter Atem dir entfloh,
Stellt eine dürre, kalte Hand dich leis
Vor seinen Plan. Und siehe: du erkennst
Zum erstenmale dich ...
Drum bebt dein Herz,
Wenn sich in schwarze Nacht dein Blick verliert.