Johann Beer
Das Narrenspital

sowie
Jucundi Jucundissimi
Wunderliche Lebens-Beschreibung

[5] Der

Berühmte Narren-Spital /

Darinnen umschweiffig erzehlet wird /

was der faule Lorentz hinter der Wiese vor ein

liederliches Leben geführet / und was vor ehrliche

Pursche man im Spital angetroffen habe. Denen

Interessenten zum besten / männiglich aber

zu Verkürtzung der Melancholischen

Stunden beschrieben und

Herausgegeben /

Durch

Hanß guck in die Welt.

[5][7]

Capitul 1

Capitul I
Nimmt seine Captationem benevolentiae vom Schulgehen

So jemand glaubt, ich komme, ihn mit diesem traurig zu machen, der wird sich weit betrogen finden. Denn warum sollte ich meinen Nächsten mit einem Übel belegen, das ich etlichermaßen für ärger als den Tod halte? Und mir ist niemals unbekannt gewesen, daß die Traurigkeit ein Gift sei, welches den Menschen viel eher als die stärkste Hydra würget. Deswegen suche ich etwas, welches nur fröhliche Wirkung mit sich führe und tauglich sei, uns in etwas des Schmerzes zu entbinden, welchem alle Menschen, und zwar jeder nach seinem gewissen Maße, ergeben sind. Ich verstehe unter solchem Schmerze die zeitlichen Verdrüßlichkeiten, welche auch die Allergewaltigsten dieser Erde niemals von sich zu legen gewürdigt werden, und darum ist es nötig, daß man den Melancholischen eine Schrift vorlege, die beides, ihre langweiligen Stunden und die wunderlichen Grillen, zu vertreiben nötig sei.

Ist also dieses die Ursach dieser Schrift, nicht daß ich gesinnet sei, dadurch große Streiche zu tun, aber wohl, zu ergötzen diejenigen, welche außer Lesung eines kurzweiligen Buches wenig Ergötzlichkeit finden, sondern von Natur mit höchst beschwerlichen Grillen und tausend Phantasien zu kalmäusern gewohnt sind. Denen lege ich dieses Buch vor, nicht, als ob ich ein Belieben an ihrem traurigen Gemüte, sondern viel mehr ein Erbarmen fühle, welches mir diese geringe Arbeit aus dem Kopf und die gegenwärtigen Zeilen aus der Feder gezogen, und ob ich gleich bei ihnen meinen vorgenommenen Zweck nicht erreiche, ist mir's doch genug, daß ich beim Aufzeichnen dieses Buchs mich selbst bei dem warmen Ofen und einem Glas Wein der Beschwerlichkeit enthoben, welche man in den frostigen Winterszeiten fast durch die halbe Welt empfindet.

Ist demnach anfangs meiner Historia zu wissen, daß ich keiner von Adel oder sonst hocherfahrener Welt-Statist sei. Deswegen wird mir nicht für übel gehalten werden, so ich dort oder da einen oder andern Schnitzer in meine Schrift menge, weil die Reinlichkeit zu schreiben entweder denen zukommt, welche bei Hof erzogen oder aber diesen, so auf hohen Schulen noch vor dem zwanzigsten Jahr ihres Alters Doctores worden. Also ästimiere ich die für klüger als mich, welchen eine so hohe Dignität drei Jahr eher als der Bart conferiert wird, und wird sich demnach niemand über meine schlechte Art zu schreiben verwundern, wenn ich als ein auf der Einöde Wohnender mich um keine große und zu Hof bräuchliche Redeart bekümmere noch mit spitzigen Zähnen fremde Nüsse aufbeiße. Und warum sollte ich um eine hohe Schreibart bekümmert sein, indem ich von gemeinen Sachen rede? Ein gemeiner Handwerksmann wird in einem [7] Silberstück viel mehr geschimpfet als geehret, und ein hinkendes Pferd hat selten einen silbernen Schellenkranz auf dem Halse. Also sieht es mich für gut an, gleiche Sachen mit gleichen Farben abzumalen und so zu reden, daß man von allen verstanden werde.

Ich kann es mit meiner frühzeitigen Jugend mehr als genugsam bezeugen, was für eine große Torheit die Schulmeister begehen, welche ihre anvertrauten Kinder gleich den Hunden in der Schule herumpeitschen. Zu einem solchen unverständigen Kinderhenker ward ich von meinen Eltern getan, welche glaubten, ich würde bei demselben in meiner ersten Jugend nicht allein wohl aufgehoben, sondern auch im Lesen und Schreiben fleißig unterrichtet werden. Aber, bei meiner Treu, ich habe niemals unter einer härteren Disziplin gelebt, und hätte mich meine Jugend nicht überredet, als müsse es so sein, so wäre ich bei dem Bachanten nicht vier Wochen geblieben. Er hatte seine größte Lust, uns arme Kinder zu schmeißen, und ich kann schwören, daß er die meiste Schulzeit nur mit Auskehrung der Ärsche zu tun hatte. Das Herze lachte ihm im Leibe, wenn er hörte, daß einer oder der andere unter seinen Discipuln außer der Schnur gehauen, und demnach band er allezeit neue Ruten, zu strafen die, welche er angegeben und in seine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Das Wohlverhalten der Knaben war seine ärgste Pestilenz, denn dadurch fraß er den heftigsten Gift in sich, weil er in der Schule nichts zu strafen hatte, aus welchem gar leicht kann verstanden werden, welch eine unbeschreibliche Torheit den Phantasten besessen, der sich durch die Tugend seiner Discipuln zum Zorn und Widerwillen reizen ließ. Ja, ich schäme mich, etliche Sachen zu erzählen, welche der Schlingel vorgenommen, nur uns in Strafe zu bringen, und er achtete es wenig, wenn er die Kinder mit Ruten strich, daß das Blut hernach floß. Er strich etliche dermaßen zuschanden, daß sie dem Bruch- und Wundarzt etliche Wochen mußten unter der Hand liegen, und wenn man im Gegenteil ansah den Nutzen von seiner Lehre, so war es zu erbarmen, daß man einem solchen Arschgucker so viel Zweige der unschuldigen Jugend unter die Hand gegeben, welcher sie bis auf den Grund verdorben hat. Ich habe nach meinem erreichten männlichen Alter den Unterschied zwischen einem, der den Staupbesen bekommt, und uns damaligen Schülern genau auf die Wage gelegt, und es ist gewiß, daß wir von unserm ungehobelten Schulmeister viel ärger gestrichen worden als ein Erzschelm, der den Leuten das Ihrige zu Nachtszeit hinter den Hauptkissen hinwegfischet.

»Ha«, sagte der Schulmeister zu uns Knaben, »mein lieber Jung, du wirst mir's noch einmal von Herzen danken, wenn du groß wirst und zu deinen Jahren kommst, daß ich dir den Hintern so wacker ausgekehrt habe!«, aber, bei meiner Seel, ich wollte anjetzo, daß er für jeden Streich, den er mir gegeben, tausend Maulschellen hätte, vielleicht dienten sie ihm besser zur Züchtigung, als seine unchristlichen [8] Schläge zu unserem Aufnehmen. Denn er schlug uns ohne Ursach, und wenn sich einer nur um einen Finger weit von seinem Ort verrückte, bekam er mehr als sechzig Schläge.

Ich müßte große Schwachheiten erzählen, so ich alle seine Fauten erzählen wollte, welche er gegen uns begangen. Aber im Ausgang erfuhren wir, wie nützlich es sei, dergleichen Eseln das junge Kinderfleisch aus den Zähnen zu rücken, weil sie nicht als kluge Menschen, sondern als grausame Wölfe dareinzubeißen pflegen, dessen Schaden man erst dann zu empfinden hat, wenn man sieht, welch ein Vorteil es sei, wenn man der Jugend nicht alle Freiheit benimmt.

Solche Schulmeister soll man mit Buchsbaum besetzen und dem Monsieur Diabolus zum Neuen Jahre verehren, denn sie machen furchtsame Leute, die her nach sich weder zu raten noch zu helfen wissen, und ich wollte dergleichen Leuten hiermit ihre Lectiones wacker herunterlesen, wenn ich mich ihrer Bubenpossen nicht schämte und für tunlicher ansähe, daß man ihr unrechtmäßiges und allzuscharfes Beginnen ihrer eigenen Verantwortung anheimstelle und so die Narren hinlaufen lasse, wohin sie laufen wollen.

Er hatte den Gebrauch, so ein Knabe einen Furz streichen ließ, mußte einer von oben bis unten der Bänke gehen, zu riechen, wer es getan hätte. Daher kam es, daß, wenn der Herumgeschickte diesem oder jenem nicht gut war, er solchen dem Schulmeister als den Täter verriet. Auf solchen regnete es alsdann zentnerschwere Schläge, und [er] mußte wegen eines einzigen Furzes wohl fünf Schillinge halten, er mochte es gleich getan haben oder nicht. Einmal klagte mich einer in diesem Puncto Furzi auch ohne Grund bei dem Schulmeister an, und weil ich mit Gewalt hervorgerissen wurde, die Hosen herunterzunesteln und einen guten Product zu halten, sagte ich in meiner Angst: »Oh, herzliebster Herr Schulmeister, es ist erlogen, ich habe den Furz nicht gelassen, es mag ihn gelassen haben, wer da wolle, drum bitte ich, glaubt meinem Kameraden nicht, sondern riechet selbst an meinem Arsch, da werdet ihr finden, daß ich fälschlich belogen worden.« »Du Hundsfutt«, sagte der Schulmeister, »sollstu mich solche Sachen heißen, ich wollte, daß dich der Teufel holte! Geschwind, ihr Pursche, reißt ihn hervor! Ich will den Galgenvogel lehren, was er mich heißen soll. Halt, du Schlingel, ich will dir zum Arsche riechen, daß du sechs Wochen nicht sollst darauf sitzen können.« Mit diesen Worten griff er selbst zu. Da hat man Schelten, Schreien und Weinen untereinander gehört, und war wegen des Furzes ein solcher Lärm in der Schul, davon die Leute vor den Fenstern auf der Gasse stehen geblieben. Wo ich mich an eine Bank oder an einen Knaben anhalten konnte, da hielt ich mich mit allen Klauen an. Daher geschah es, daß ich bald einen beim Haar, den andern bei seinem Überschlag ergriff, die ich ihnen in kleine Stücke zerriß. Während solchem Herumreißen verknüpfte ich meine Hosennestel wohl mit vierundzwanzig Knöpfen, welches, als es der Schulmeister gewahr ward, wischte er über [9] sein Federmesser, mir die Hosen aufzuschneiden. Aber ich streckte den Bauch weit vor mich, schwenkte mich auch mit dem Leib dergestalt hin und wider, daß er mir nicht leichtlich an die Nestel kommen konnte, aus Furcht, er möchte mich gar in den Bauch schneiden. Endlich warf er mich zu Boden und kriegte mir die Hosen von hinten hinunter. Da hat er wohl mehr als zwei Ruten an mir stumpf und zuschanden geschmissen, so daß ich sowohl unter der Nase als auf dem Fetzer voll Blut war.

Ein so ehrbarer und delikater Gesell war unser Schulmeister. Daher, erwiesen wir ihm in seinem Absein allerlei Possen und hofierten ihm bald in diese, bald in jene Ecke der Schul. Aber die Jungen konnten nicht riechen, wer diese Wächter dahingesetzt hatte, wie sie zuvor die berochen hatten, welche den Wind verfälschet und ein unheiliges Rauchwerk angerichtet. Unterweilen warfen wir ihm auch die Fenster ein und malten ihn mit seiner Rute mit Gassenkot an die Wand und setzten darunter garstige Worte als: Hundsfutt Schulmeister, item den Vers: »Der Schulmeister schiebet gerne Kegel, er ist auch gar ein böser Flegel« und so fort. Da examinierte er uns, wer es getan hätte, und als er's nicht erfahren konnte, strich er uns alle, den Großen sowohl als den Kleinen, nach der Ordnung herum, und, unerachtet Jünglinge unter uns waren, die noch nicht buchstabieren, geschweige lesen oder schreiben konnten, mußten sie doch gleiche Strafe mit den andern ausstehen. Denn er sagte, solches taugte ihnen zur Warnung, damit sie vor solchen Possen dermaleins einen Abscheu hätten. Aber das war ebensoviel, als ob man den Schulmeister aufgehangen hätte, damit er sich vor dem Diebstahl hüten könnte.

Capitul 2

Capitul II
Erzählet der Autor die Occasion, vermittels welcher er zu Herrn Lorenzen hinter der Wiesen geraten

Ein so hartes Leben wollte mir bei diesem Schulmeister fast unerträglich fallen, zumal ich eine solche Härte zu Haus bei meinen Eltern nicht gewohnt hatte. Ja, meine Mutter hätte sich eher tausendmal in den Finger gebissen, ehe sie sich die Mühe genommen und mir den Hintern ausgekehret hätte. Aber wenn ich sagte: »Mutter, es hungert mich«, so war sie bald mit einer Knackwurst oder einem Stück von einem neugebackenen Kuchen hervor, der schmeckte mir besser als zehn Schul-Fetzer, so sehr dieselben auch gespickt waren. Entschloß demnach bei mir selbst, meinem Übel abzuhelfen und aus dieser Schule zu laufen, hätte es auch gleich anfangs ins Werk gerichtet, wenn ich nicht den absonderlichen Zorn meines Vaters gefürchtet, welcher mir immer hinten und vornen auf der Haube war. Darum hielt ich die Sache so lange verborgen, bis ich Gelegenheit hatte, einmal während der Sonntagskirche davonzulaufen.

[10] Es lief noch einer mit mir, welcher zu Hause einen Trinkkrug zerbrochen und deswegen in der Schul einen Schilling bekommen sollte, und weil wir alle beide in den Landkarten wenig Wissenschaft oder Urkund hatten, verliefen wir uns auf einem Irrweg in einem finstern Wald dergestalten, daß wir weder ein noch aus wußten. Es ist nicht zu sagen, wie wir den Schulmeister ausgelacht, und, so klein wir waren, zogen wir ihn doch unter uns selbst mit den ärgsten Schandreden durch die Hechel, und ob uns gleich ein Wolf begegnet wäre, fürchteten wir ihn doch nicht so sehr als den Schulmeister, dessen bloßer Name auch kräftig genug war, uns eine Furcht einzujagen. »Ha«, sagte mein Kamerad, »gute Nacht, Fuchs, hinfort sollstu mich nicht mehr streichen, aber wohl im Arsche lecken, du Hundsfutt, hastu mich gehalten wie einen jungen Tanzbären, aber nun blase mir ins Loch dafür, du Henkersknecht! Ich wollte, daß dich der Teufel samt deinem roten Bart durch alle Scheißhäuser im Dorfe herumschleppte.« Solche Worte redeten wir auf ihn in den Wald hinein, bis wir den Fußsteig unter den Augen verloren und keiner wußte, wie uns am besten geraten wäre. Wir liefen wohl vier Stunden in der Irre herum, bis wir einen Schall hörten, und als wir solchem zueilten, trafen wir einen Holzhauer an, welcher mit seinen Leuten die Tannen zerscheiterte. Er war ein alter einfältiger Mann, und weil wir vorgaben, es hätte uns ein Krämer, so auf den Jahrmärkten herumzuwandern pflegte, im Wald verloren und zurückgelassen, ließ er uns durch einen kleinen Knaben auf die rechte Straße weisen, und so kamen wir ganz ermüdet aus dem Wald, allwo wir unter einer großen Kreuzsäule ausruhten.

Nach etwa einer Viertelstunde kam ein junges Pürschlein zu uns, und wenn er keinen Wanderbündel auf dem Rücken getragen hätte, hätten wir ihn leichhin für einen unsersgleichen gehalten, denn er sah einem verlaufenen Schüler so ähnlich als ein Müller einem Diebe. Deswegen grüßten wir ihn und baten zugleich, uns den Weg zu zeigen, welchen er doch selbst nicht wußte. »Ihr Jungen«, sagte er zu uns, »wenn ihr den Weg nicht wißt, so solltet ihr zu Hause bleiben, aber mit mir und meinesgleichen hat es viel eine andere Bewandtnis, als ihr euch wohl einbildet.« Mit diesen Worten legte er seinen Wanderbündel ab und schwenkte ihn von dem Buckel wie ein Pinzgauer Bauer den Kropf. »Und damit ihr wisset«, sprach er weiter fort, »wer ich bin und warum ich in die weite Welt hinausziehe und mich ein wenig versuche, so geschieht es wegen Handwerks-Gebrauch und -Ordnung. Ich habe die Schneiderkunst nunmehr drei Jahr lang mit großer Obsicht ergriffen. Damit ich nun diese Kunst aufs höchste bringen möge, reise ich in der Welt herum, und hernach schaue ich, wie ich eines vornehmen Herrn Kammerdiener oder Lakai werden und ein wackerer Kerl sein kann. Mein Meister ist durch eben dieses Mittel hoch hinangestiegen und hat eine Heirat von vierzig Reichstalern getan. Mit einem solchen Stücke Geld wird einem armen Teufel, wie ich bin, trefflich unter die Arme gegriffen, denn mein Meister rühmt sein Glück fast täglich und handelt nunmehr [11] meistenteils mit Toback, Kölnischen Bändern, Schwefelhölzern, Lunten und Tobackpfeifen, so daß er durch diesen Handel viel mehr als durch sein Handwerk gewinnt. Auch hat er mehr als fünfzehn Trapelier- und andere hübsche Spielkarten, deren ihm die Woche fast zwei bis drei abgehandelt werden, und was das Allermeiste und Wunderlichste ist, so hat er bei den Kaufleuten einen abscheulichen Kredit, so daß sie ihm nach seiner eigenen Aussage wohl an die drei Gulden von einem Markt bis zum andern geborgt haben und noch borgen werden.

Saprament, ihr Jungen wisset nicht, wie manchen ehrlichen Kerl das Glück erheben kann. Aber ich weiß es nur gar zu wohl, denn ich habe in der Stadt, wo ich gelernet, manchem armen Schüler die Hosen geflickt, welche, mit Ehren zu melden, voll Dreck und das Unterfutter dazu voll mit Läusen war. Aber nichtsdestoweniger sind eben dieselben, denen die geflickten Hosen zustanden, hernach und bald darauf auf die Akademie gezogen und große Magister und solche Leute worden, denen man's nicht hat sagen dürfen, daß sie ehedessen in die Hosen geschissen hatten. So für schlecht ihr mich auch ansehet, so habe ich doch manchem stolzen Stiegelfritzen um zwei Kreuzer seine verstunkene Strümpfe besetzen müssen, die vom Schweiß auf den Sohlen ganz verfaulet waren. Dennoch mußte ich vor ihnen meine Mütze auf der Werkstatt abnehmen und sie noch dazu Monsieur heißen, da mir doch indessen die Strümpfe in die Nase gestunken, daß ich die Löcher hin und wieder gerümpfet wie ein Bauer seinen leeren Beutel. ›Oh, du Hundsfutt‹, gedachte ich mir oft in meinem Herzen, ›ich wollte, daß dich der Teufel samt deinen verfaulten und verstunkenen Strümpfen über zwölf Eichbäume hinausführte!‹ Solche Gedanken hatte ich nicht allein über fremde Leute, sondern über meinen eigenen Meister und seine Frau selbst, wenn sie mich mit der Elle heimsuchte oder mir des Tages zweimal Sauerkraut zu fressen gab.

Ja, ich habe wohl andere Narren in der Stadt gesehen, mit welchen ich, ob ich gleich ein Schneider bin, nicht um ein Haar tauschen möchte. Ich habe einmal einem Stadtschreiber einen Sammetrock flicken müssen. Das geschah an einem Montag, und dienstags drauf, als ich eine Hochzeit aus der Kirche gehen sah und mich zu diesem Ende heimlich aus der Werkstatt und aus dem Hause wegstahl, hatte denselben Rock ein Advokat an und machte sich trefflich groß, da er doch sein Kleid wohl von sechs Personen zusammengeliehen hatte. Desgleichen sah ich auch in demselben Kirchgange viel Frauen und Jungfrauen, welchen ich nicht mehr gewünscht, als daß sie all dasjenige, was ihnen nicht zugehörte, müßten vom Leibe fallen lassen. So hätte ich gewiß die meisten mutternackicht sehen müssen, denn es ist zu glauben, daß gar viele unter ihnen auch das Hemde auf dem Leibe geborget haben. Doch wurden sie von den jungen Gesellen mehr als höflich bedienet. Aber ich lachte die Narren heimlich aus und konnte mich trefflich ergötzen, wenn ich sah, daß sie sich um eine ausgefilzte Dirne so sehr herumfuchsschwänzten. ›Oh, ihr Berühmten‹, dachte[12] ich, ›ihr liebet eine lausige Magd mehr als eure eigene Bescheidenheit. Ihr bittet sie, daß ihre Schürzen von euch möchten geküsset werden, und wenn ihr's getan, so habt ihr nicht der vermeinten Jungfer, sondern einer andern ihre Schürze geküsset.‹ Ich muß noch mehr von dieser Hochzeit erzählen, denn als ich abends auf den Tanzboden kam, blieb eine Jungfer einem Tänzer mit dem Taffetrock an einer Knieschnalle hängen und riß ein Loch darein, daß man leicht mit einem Flügel von einer Windmühle hätte durchfahren mögen. Als dieses eine andere sah, seufzte sie von Herzen, und als man sie fragte, warum sie so herzinniglich darum seufzte, antwortete sie, daß der zerrissene Rock ihr zustünde und daher hätte sie billige Ursach, ihre Güter zu beklagen, welche fremde Leute so liederlich zerrissen. Die vorige hörte diese Beklagung von ferne an, und weil sie den Schimpf nicht haben wollte, hieß sie diese öffentlich Lügen. Diese schalt sie eine Hure und jene diese wiederum eine. So wußte kein Mensch, wem unter diesen beiden der Rock zustünde, bis sie endlich gar einander in die Haare gefallen und beiderseits wie die Katzen einander zerkratzt haben.«

»Sehet, ihr Jungen«, sagte der Schneider weiter zu uns, »solcher Sachen muß ein Mensch gar viel erfahren, ehe er groß wird, und ich wollte euch wohl zwanzig dergleichen Historien erzählen, wenn mir's nur gelegen wär. Aber daraus könnt ihr wohl abnehmen, daß ich auch unter Leuten gewesen und weiß, was kalt oder warm sei. Nun will ich meinen Wanderbündel wieder auf den Nacken nehmen. Er ist zwar nur von schlechter Leinwand, aber, hundert Sack voll Enten! übers Jahr, wenn's Wetter gut ist und kein tiefer Schnee fällt, so will ich ein Felleisen von dem schönsten Leder haben und mir einen Hut mit einer hübschen Krempe dazu machen lassen. Das stutzet aufeinander. Ich will mich auch statt des Fußgehens auf einen guten Wagen setzen. Wollt, daß der Teufel das Gehen holte! Ich habe mir gestern und heute innerhalb zwölf Stunden wohl vierzig Blasen an den Fußsohlen gegangen. Eine steht mir recht auf der linken Ferse in der Höhe, die tut zum allerübelsten, aber ich will mir sie heute recht in einem Bauerndorf oder, wo ich einkehre, mit Unschlitt wacker schmieren. Nun lebet wohl, kommen wir wieder einmal zusammen, so werdet ihr den Hut vor mir abziehen, alsdann will ich euch zum Bier führen und euch in Gesundheit dieser Kreuzsäule ein Halbes zutrinken. Ha ha ha ha ha ha ha ha ha!«

In solchem närrischen Gelächter ging der Schneider seinen Weg in den Wald hinein, und wir wußten nicht, ob er klug oder närrisch war. Auf solches sah er sich noch einmal zurück und machte mit seinem Stecken einen Luftsprung über den andern, bis wir ihn aus den Augen verloren und wieder von der Wiese aufstanden, unsern Weg weiterzureisen.

Capitul 3

[13] Capitul III
Wie ein sauber Handwerk er auf dem Schlosse getrieben

Mein Kamerad, so mich bis daher auf der Flucht begleitet und einen Mitschelmen abgegeben hatte, entschloß sich, im nächstgelegenen Dorfe um einen Dienst zu werben und zu sehen, ob er nicht bei dem Dorfpriester oder sonst bei einem guten Peter Muffen möchte conditionieret werden, weil solches sein elender Zustand höchst erforderte, denn ein davongelaufener Jung trägt wenig Geld bei sich. Daher verzehrt er sich auch bald, und weil seine Füße der Reise ungewohnet, tut er wenig Christophels-Sprünge, sondern läuft sich über einer Meile Weges bald satt und krank, welches wir beide damals mehr als wohl empfunden haben. Wir meldeten uns zu Ende dessen, nachdem wir in das bevorstehende Dorf gekommen, bei dem Priester an, und ich wäre sowohl als mein Kamerad bei ihm geblieben, wenn mich nicht seine Magd erschreckt hätte, welche gesagt, daß wir auf künftigen Monat die Säu auf dem Felde hüten und des Pfarrers seinem jungen Hunde aufwarten und [ihn] die Türe zumachen lehren sollten. Vor solcher Arbeit war ich von Natur ein greulicher Abstemius und suchte dero wegen meine Gelegenheit weiter und bat den Pfarrer um ein Viaticum. Aber er sagte, weil ich ihm nicht dienen wollte, wäre ich auch seines Almosens nicht wert, drohte mir noch dazu mit seinem Gebetbuche, so er unter den Armen trug, und, wo ich mich nicht in Zeiten von dem Pfarrhof hinwegpacken würde, wollte er mir solches an den Kopf werfen. »Du Bärenhäuter«, sagte er, »ich möchte wohl wissen, warum du mir nicht dienen willst. Man soll dir faulem Schelmen gewiß ein Kissen unterlegen und Mandeltorten vorsetzen. O nein, die Bauern bezahlen's nicht. Prügel für einen solchen Galgenvogel! Gehe mir nur bald vom Leib und aus dem Gesicht, oder ich werf dir ein Loch in Kopf, du Bärenhäuter, daß du dein Leben lang daran zu gedenken hast. Meinestu Mausekopf, daß der Beck das Brot umsonst bäckt? Nein, nein, Bruder Fink, Geld vor die Fische! so heißt das Sprichwort, wer Essen will, muß auch arbeiten. Willstu die Säue nicht hüten, so bistu mir nichts nütze, und du kannst auch sonst nichts. Du bist ein davongelaufener Schelm! Wüßte ich, wo deine Eltern oder dein Herr wäre, ich wollte dich auf einen Wagen schließen und deinen Leuten wieder zuführen lassen.«

Während dieser Rede ging ich all sachte den Pfarrhof hinaus und schlich mich an der Wand das Dorf hinunter, habe also nicht mehr das Obige verstanden und muß gestehen, daß mich des Pfarrers seine Absolution sehr wenig getröstet, und weil ich fürchtete, er möchte mich dem Schulmeister wieder an die Hände liefern, lief ich desto geschwinder den Lichtzaun hinunter und kam in tiefster Nacht vor ein großes Schloß, welches ich wegen Dunkelheit der Nacht nicht wohl besehen noch betrachten können. Ich meldete mich bei dem [14] Torwärter an, und sein Herr ließ mich bald vor sich kommen, weil ich Dienste verlanget. Ich traf ihn in seinem Zimmer hinter dem Ofen, welches man die Hölle nennet, liegend an, und unangesehen er mich nicht ansah, redete er doch immer mit mir und fragte mich beides, um meine Heimat und meinen Namen. Nachdem ich ihm nun eines und das andere erzählt, sagte er: »Ja, mein guter Landsmann und wackerer Cavalier, wenn du mir nicht davonlaufen willst, so will ich dich behalten, wo du mir aber davonlaufest, so behalte ich dich nicht.« Ich gedachte heimlich: »Das versteht sich ohne das wohl, daß du mich nicht behaltest, wenn ich davonlaufe.« »Darum«, sagte er weiter, »so mußtu nicht davonlaufen, denn ihr Schelmen lauft gerne davon. Es sind mir deinesgleichen wohl mehr weggelaufen. Aber wirstu mir davonlaufen, so wird dir der Schloßknecht nachlaufen und dich so gut hineinbringen, wie du davongelaufen. Alsdann wirstu Prügel kriegen, so gut es die gekriegt haben, die mir davongelaufen sind. Danach will ich dich selbst davonjagen und alsdann kannst und magstu hinlaufen, wo du hinwillst. Ha, ich frag nicht viel nach so einem Jungen, einen Furz und so einen Buben aestimiere ich eines wie das andere, aber wenn du mir getreu und verschwiegen sein willst, so sollstu gute Tage haben.« Ich versprach hierauf dem Edelmann güldene Berge und war froh, daß ich bei ihm bleiben sollte, denn ich merkte wohl, daß keine Schul bei dem Schlosse war, also hatte ich keine große Rute zu fürchten. »Herr«, sagte ich, »Euer Gestreng sei versichert (dazumal hieß man die Edelleute nicht Euer Gnaden wie leider heutzutage), daß ich nicht davonlaufen werde, und laufe ich davon, so sollt Ihr mir beide Ohren abschneiden und an den Galgen mit einem Bindfaden anhenken.« Damit drehte sich der Edelmann auf seinem Lager um und sagte: »Ich muß dich gleichwohl anschauen, du Hundsfutt, du bist ein rechter Gast für mich. Du, Hans«, sagte er zu seinem Torwächter, »gehe und bringe ihm den Liberey-Rock aus dem Brotgewölb und lege ihn dem Bärenhäuter an.« Damit ließ er einen großen Furz streichen und sagte zu mir: »Diesen schenke ich dir zum Angeld, schiebe ihn in den Schubsack, daß er nicht schimmlicht wird, so gilt er dir übers Jahr sieben Groschen.« Ich mußte über diese Rede des Edelmanns mehr als über den Furz, derer ich zuvor schon mehr gehöret hatte, lachen, aber er sagte, wann ich so oft lachen würde, als er einen ließe, so würde ich bei ihm nimmermehr traurig werden.

Mit diesen Worten stund er hinter dem Ofen auf, an welchem Ort er bis daher auf dem Bauche gelegen, weil ich nachmals erfahren, daß dieses fast sein täglicher Gebrauch war, denn er war ein Mensch, dergestalten der Ruhe ergeben, daß er alle Arbeiten für Bärenhäuterei schätzte, und weil ihm von seinen Vorfahren ein ziemliches Gut hinterlassen worden, verzehrte er solches in dem allerelendesten Müßiggang, sogar daß es ein großes Wunder war, wenn er in sechs Wochen einmal in die Kirche gekommen. So wurde ich für diesmal bei diesem Landedelmann [15] angenommen, und weil er noch unverheiratet war, hieß ihn jedermann den ledigen Hahnrei. Sonst hieß er eigentlich der faule Lorenz hinter der Wiesen, weil er vor großer Faulheit selten oder gar niemals über seine eigene Wiese von dem Schlosse aus verreiset ist.

Ich muß nochmals lachen, wenn ich daran denke, wie gar artig es mir bei diesem Lorenz gegangen, ja, ich wünsche mir noch oft in dem Zustand zu leben, in welchem ich damals gelebt, und es ist schon gewiß, daß ich die Zeit meines Lebens keiner solchen Freiheit mehr genießen werde, als ich auf diesem Schloß genossen habe. Er ließ mich bei ihm im Bette schlafen, nicht daß er etwa wegen Abgang anderer Liegestätten solches hätte tun müssen, sondern nur darum, daß ich ihm alle Abend den Buckel kratzen mußte. Er hieß alle seine Leute, sie mochten gleich Manns- oder Weibsbilder sein, Hans. Darum sagte er auch zu mir, wenn wir abends beisammen lagen: »Nun, Hans, mache dich fertig und kratze mir mit der rechten Hand den Rücken und mit der linken den Kopf.« Alsdann mußte ich anfangen, eine Seite hinauf-, die andere wieder hinunterzukratzen. Bald hieß er mich geschwinde, bald wieder langsam, bald stark, bald schwach zufahren, und also zerkratzte ich mir meine Finger, daß mir die Nägel hätten abfallen mögen. In solchem Buckelkrauen schlief er gemeiniglich ein, und damit ihm die Zeit desto kurzweiliger würde, gab er mir unter Tags etliche Geschichtbücher, als den Fortunatus mit seinem Säckel und Wünschhütlein und dergleichen Narrenpossen, zu lesen. Die mußte ich ihm abends unter währendem Kopfkrauen erzählen und daherschwätzen, bis ich merkte, daß ihm Fühlen und Hören vergangen.

Dieses alles, obwohl es unterweilen bis über die halbe Nacht währte, wollte ich noch gerne erduldet haben, denn ich hatte nicht allein ein gutes Bett, sondern er gab mir auch des andern Morgens für meine Relationen einen guten Trunk spanischen Wein. Aber dies war mir am beschwerlichsten, daß er so schrecklich furzte. Denn wenn ich vor großer Kälte den Kopf hinter die Decke stecken und mich erwärmen wollte, da fuhr mir der Gestank in beide Nasenlöcher daumendick hinein, daß ich darüber den Schlucken im Hals bekam. Darüber zerlachte er sich am allermeisten und sagte, daß er viel Comödien gesehen, welche ihn nicht so contentiert hätten wie ich, wenn ich mich über sein falsches Rauchwerk beklagte. »Du Narr«, sagte er, »das halte ich für eine Kunst. Wer weiß, wieviel ich schon Mahnzettel aus der Apotheke bekommen hätte, wenn ich das Ding nicht könnte. Oho! Ich wär schon längst vor die Hunde gegangen, wenn mir an dem hintern Instrument nur die geringste Saite abgesprungen wäre. Nein, mein lieber Hans, furzen ist ein stattliches Regal. Könnte es mancher große Herr so gut als ich, er gäbe ein ganzes Amt darum, und ich halte alle Leute für Narren, die da meinen, es sei eine bäurische Grobheit. Hans, Hans, lieber Hans, die Windsucht hat manchem den Hals zugesperrt, der jetzo noch manchen Schöpsbraten fressen und einen guten Trank Mosler Wein dazu tun könnte. Bärenhäuter [16] sind sie gewesen, warum haben's die Narren verhalten?« »Herr«, sagte ich, »es ist mir auch einer not, dürfte ich ihn wohl mit Ehren hervortreten lassen?« »Nein«, sagte er, »ich verwehr dir's zwar nicht, aber wenn du es tun willst, so tue es nicht in meinem Bette, sondern nimm einen höflichen Abtritt und gehe vor die Kammertüre hinaus. Da magstu donnern, daß die Ziegel aus der Mauer fallen.« Auf solches stund ich auf, und so gut es der Edelmann in seinem Bette machte, so gut machte ich es vor der Kammertür, und machten [wir] es beide so contrabunt untereinander, daß er sich letztlich nicht gescheuet, mit mir um einen Groschen zu wetten, welcher die Nacht hindurch mehr lassen könnte.

Er legte vor großer Nachlässigkeit oft in drei Wochen kein neu gewaschen Hemde an. Daher wuchsen ihm auf dem Leib, wie leichtlich zu erachten, die Müllerflöhe mit Haufen, und wenn wir dann morgens im Bette saßen, wandte er mir seinen Rücken zu. Da kriegte ich ihm das Hemd von den Schultern und durchsuchte alle Nähte, darinnen die Läuse wie Hanfkörner saßen und wie die Speckschwärtlein hervorglänzten. Von zwölf dergleichen Gewandläusen hatte ich einen Zweier, also bekam ich oft die Woche hindurch dreizehn bis vierzehn Groschen Läusegeld und verdiente mit dieser Arbeit mehr als mancher Fronbauer auf der Wolfsjagd eine ganze Woche. Wenn ich nun ein Stück oder sechzig aus seinem Hemde beisammen hatte, so schloß er sie in ein kleines Schächtlein. Alsdann kriegte er auch seine Hosen vom Bettschemel herauf. Darinnen saßen gemeiniglich die allergrößten und lebhaftigsten. Wenn ich dann die Nase darüber rümpfte, sprach er: »Hans, du bist ein Narr, ein Bärenhäuter bistu, Hans. Diese Dinger sind über alle Edelgestein, nur daß sie nicht so hoch aestimiert werden. Es ist keine größere Lust, du Narr, als wenn man sich den Tag hindurch von den Läusen wacker beißen und kützeln läßt. Abends alsdann tut es desto besser, wenn man sich, wie du mir tust, brav abjucken und den Buckel wacker abkrauen lässet. Ach, Hans, du weißt noch nichts um die wahre Gemütsruhe und rechte Wollust dieser Welt. Reiten, Tanzen, Fechten, das sind Narrenpossen. So ist auch in großen Banketten und in der fiebermentischen Frauenzimmer-Lieb kein großes Vergnügen. Aber, Hans, das Buckelkrauen geht über alles.« »Ja, Herr«, sagte ich, »ich glaube Euch's gar gern, aber mir tun meine Finger so wehe, daß sie mir fast zu schwären anfangen.« »Ha«, sagte er, »der Sache ist bald geholfen. Heute abends nimm meine Kleiderbürste, die tut mir wohler als zwanzig deiner Nägel.« In solchem Discurs sammelte er ein Schächtlein voll mit Läusen. Alsdann war dieses seine Morgenlust, wenn er ein Kohlfeuer in die Kammer bringen ließ und solche wie das Pulver darauf streute. Da konnte er sich über dem Krachen der Läuse dergestalten ergötzen, daß er in die Höhe aufsprang und Juhei dazu schrie, wie die Ländler Bauern, wenn sie von einem Deberey (so heißen sie das Verlöbnis) heim und nach Hause gehen.

Capitul 4

[17] Capitul IV
Lorenz hinter der Wiesen verliert seine Haushälterin und disputiert vom Glauben

Aus diesem Vorhergehenden kann der Leser genugsam abnehmen, was für ein sauberer Schafhund mein Herr gewesen, und wie fleißig er sich von mir hat auf den Dienst warten lassen, und ich muß ihm's auch mit höchstem Ruhm nachschreiben, daß er selten ein gutes Bißlein gefressen, von welchem er mir nicht zugleich etwas mitgeteilt hätte. Einesmals wetteten wir nach unserer Gewohnheit miteinander, wer unter uns beiden die Nacht mehr Luftstreicher aus dem hintern Feuermörser werfen könnte. Auf daß er nun hierinnen nicht zuschanden würde, fraß er abends eine große Schüssel voll saure Milch oder, wie man es sonst auf österreichisch heißet, einen guten Weidling voller Selpeherd. Denn er sagte, daß es auf solche Milch trefflich gut Plasii werde abgeben, und weil ich mir ohne das nicht getraute, hierinnen sein Meister zu werden, gab ich die Sache schon verloren, ehe wir noch zu streiten angefangen. Weil es aber zwei Groschen galt und ich ein ziemlich armer Teufel war, ersann ich einen Vorteil und nahm eine Schweinsblase mit mir ins Bette, davon ich dem Edelmanne nicht die geringste Meldung getan. So war mir am ersten geholfen, denn, so oft er einen ließ, so oft ließ ich zweie, ja auch wohl gar drei, vier und fünfe, darüber er sich sowohl als ich halb krank gelachet. »Jung«, sagte er zu mir, »es ist noch um ein paar Monat zu tun, so kannstu es besser als ich selbst, und ich schwöre hoch und teuer, daß mir die Zeit meines Lebens kein solcher Possen widerfahren, als der mir heute mit dir begegnet.« Auf solches Gespräch nötigte er sich nach allen Kräften und Vermögen, bis endlich die ganze Schul in das Bett und auf mein Hemde gelaufen kam, darüber wir beide aus dem Bette sprangen.

Wir hatten eine alte Haushälterin, die mußte uns das Bett machen, und als sie den unverhofften Schatz in demselben angetroffen, fängt sie nach der alten Weiber Art und Gebrauch erschrecklich an zu schmälen. »Was für ein Hundsfutt«, sagte sie, »hat das getan? Seht doch um hundert Kletzen willen, was dieses für eine schöne Hofweis ist. Pfui Sapperment, das hat der saubere Junker Lorenz getan, ich wollt, daß ihn der Teufel samt seinem Bettscheißen hätte! Oh, es wär kein Wunder, wenn seine Frau Mutter aus dem Grabe aufstünde und ihm seinen verschissenen Hintern mit Ruten wacker abstriche. Der Grobian tut es schon öfter, ich muß auf und davonziehen, der Teufel möchte einem solchen Bettscheißer länger auf dem Schlosse dienen. O ja, ich hab vierzig Gulden Besoldung und muß um so ein schlechtes Lidlohn einen so argen Gestank einfressen, daß ich einen Ziegelstein erbarmen möchte. Ich will hingehen und will ihm das Bettuch zeigen, auf daß er sehe, wie ein ehrbarer Bettscheißer er ist. [18] Pfui Teufel, ich bin eine alte Frau, aber ich wollte den Pfifferling, ohne Ruhm zu melden, länger im Arsche halten als der junge Gelbschnabel.« Mit diesen Worten eilte sie nach allem Vermögen zu Herrn Lorenzen, und weil sie nicht fest auf den Beinen war, wetzte sie den Hintern hin und wider wie eine Wettergans. Damals waren wir gleich miteinander auf der Kegelstatt, wo wir teils dem Kegelspiel, teils auch den Hunden abwarteten, welchen wir die Prügel und Steine, selbige zu holen, vorgeworfen. »Höret«, sagt sie, sobald sie uns ersehen, »wer ist unter euch beiden so ehrenwert und darf eine so saubere Hagemauermalerei anfangen? Oh, daß euch ja der Teufel holte! Ist das nicht immer Spott und Schand, Herr Lorenz, Ihr wollt ein so stattlicher Cappalier (Cavalier) sein, und schämt Euch nicht, eine solche Fretterei anzurichten? Pfui, schämet Euch! Pfui, schämet Euch! Pfui, schämet Euch!«

»Du alte Runkunkel«, sagte Lorenz, »geh, oder ich werfe dir einen Kegel in den Nacken hinein und schmiere dir das Tuch noch dazu um das Maul herum. Warum verstopfest du mir den Hintern nicht mit einer Hand voll Haberstroh, du alte Strohfidel? Dir zu Ehren will ich meiner Natur kein Halseisen anlegen. Willstu es nicht leiden, so schere dich zum Tor hinaus, du Pantoffelholz!« Hiermit ergriff er ein Stück Roßdreck und warf auf sie, und weil sie aufs neue zu schmälen angefangen, stand ich Herrn Lorenzen in seiner Arbeit bei, bis wir die alte Anna samt ihrem bestuhlgängten Bettuche so gut wieder über den Hof hinübergejaget, als sie hergekommen.

Auf eine solche Art brachte er die alte Haushalterin gar aus ihrem siebenundvierzigjährigen Dienste, welche ihn an den benachbarten Orten für einen grauslichen Lauslümmel ausschrie. Denn dieses ist des abgedankten und davongejagten Gesindes gemeinster Brauch, daß sie ihre Herren austragen und ausschandieren, wie sie immer können und mögen. Aber es ist gewiß, daß diese gute alte Anna meinem Herrn schwerlich so viel Übles wird nachgesagt haben, daß er nicht drei- oder vierfältig so viel begangen hätte. Denn er war ein Mensch von der allerhöchsten Faulheit, und ich kann schwören, daß ich ihm gar oft zur Sommerzeit die Kirschen, Äpfel und Birnen habe schälen und ins Maul stecken müssen. Solchergestalten hatte er große Not, eine andere Magd ins Schloß zu bekommen, bis er endlich eine alte Bettlerin vor dem Tor bei dem Rocke erhaschet und sie mit Gewalt zum Dienste ins Schloß gezogen. Diese Dienstmagd, ob sie schon ziemlich krätzig und schäbig war, hielt sich doch sehr munter und fleißig. Wenn man in der nächstgelegenen Kirche in die Frühmeß läutete, so kam sie an unsere Kammer und rief uns in die Kirche. »Ja«, sagte mein Herr, »der wär ein Narr, der so frühe in die Kirche ginge. Nein, mein lieber Hans, im Bett tut es besser als in der Kirche, laß du den Pfaffen beten, er hat sein Geld dafür. Wenn mir's bezahlet wird, so will ich auch zu paternosterieren anfangen. Hans, Hans, laß du den Mesner läuten, bis ihm die Nägel wie den Weißgerbern braun und [19] schwarz werden, mich treibt er doch nicht aus dem Bett heraus, und solle er sich die Schwindsucht an den Hals läuten. Morgen ist auch Zeit, in die Kirche zu gehen. Ich soll Messe hören, und der Pfaff macht es so heimlich, daß ich's nicht hören kann. So ist es auch noch so finster und dunkel, daß ich in der Kirche den Pfaffen weder hören noch sehen werde. O Hans, bleibe du liegen und suche mir dafür die Läuse aus dem Hemd. Kommt mir die Magd noch einmal vor die Kammer, so will ich ihr die Messe singen, daß es gesungen heißen sollte.«

Indem er so redete, kam die Magd das andere Mal, klopfte an und sprach: »Herr, saprament, steht auf, man schlägt schon zusammen, eilet oder Ihr kommt zu spät!« »Du Plundervieh«, antwortete mein Herr, »schere dich hinweg oder ich will dir einen Branntwein geben, wie man den Bären gibt, die nicht tanzen. Was geht mich das Kirchengehen an, geh du dafür hinein, du Bettelkrücken, und bete, daß du eine neue Schürze bekommst! Komme ich in die Küche und sehe, daß du das Fleisch noch nicht zum Feuer gesetzt hast, so will ich dich karbatschen wie einen Pudelhund. Packe dich nur bald von der Kammer, und kommstu mir noch einmal, so will ich dir im Hemde so weit mit dem Pantoffel nachlaufen, als du heim hast.« »Herr«, sagte ich dann zu ihm, »was seid Ihr für einer Religion? Wie ich sehe, so seid Ihr nicht gut katholisch, denn Ihr haltet nichts von der Mess.« »Ha«, sagte er, »was bekümmere ich mich um die Religion. Es sind derer so viel, daß sich die Gelehrten selbst nicht drein zu finden wissen. Ich müßte ein großer Narr sein, daß ich mich darum viel bekümmern soll. Hans, eine gute Bratwurst dafür mit saurem Kraut oder frischem Senf, das schmeckt dem Magen besser, als wenn man jahrein jahraus von der Religion grübelt und disputiert. Ich lob meinen Vater, daß er mich nicht hat studieren lassen. Er tat mich zwar in eine lateinische Schul, aber, Narrenpossen, ich konnte nichts lernen, und der Quartus plagte mich immer mit dem participio und solchem Gezeug, daß ich gar davongelaufen bin. Daher hab ich nicht viel auf das Schulwesen gehalten. Was Glaubens bist du denn, Hans?« »Herr«, sagte ich, »ich bin gut katholisch, wie denn auch mein Großvater, mein Vater und meine Mutter, auch alle meine Freunde sein. Denn sie und ich sind in dem katholischen Glauben geboren, getauft und auferzogen worden.« »Ja nu«, antwortete er, »so bin ich gut österreichisch, denn mein Großvater, Vater und meine Mutter samt allen meinen Freunden sind in Österreich geboren, auferzogen und getauft worden.« »Herr«, sagte ich, »was glaubt Ihr denn?« »Narr«, sagte er, »ich glaub, daß du nicht gescheit bist, und hörstu nicht auf, mich um solche Sachen zu fragen, werf ich dich gar zum Bette hinaus. Was geht dich mein Glauben an? Ist's nicht genug, daß ich dir für dein Buckelkratzen und Läusabsuchen zu fressen und zu trinken gebe? Du Bärenhäuter, willstu viel von solchen Sachen wissen, so geh auf Linz zu den Jesuiten hinein, die werden dir in einer Stund mehr davon[20] sagen können als ich in einem ganzen Jahr.« »Herr«, sagte ich weiter, »wisset Ihr denn auch, was der lutherische Glaub ist?« »Ha«, antwortete er, »es ist halt auch ein Glaub wie ein anderer Glaub, die Lutherischen fressen so gern etwas Guts als du, und sehen eine Katz so wenig für einen Fuchs an als du, sie verrichten auch ihre Notdurft als wie du und haben die Zähne so wenig im Hintern als du.« »Herr«, sagte ich, »wie ich höre, so haltet Ihr gar nichts vom Glauben?« »Ja«, sagte er, »freilich halte ich wenig davon, ich halte aber auf ein gutes Faulbette desto mehr. Hans, Straplicorde, es beißt mich eine Laus auf dem linken Schulterblatt, gib Achtung, daß du sie kriegest, so bekommen wir einen Morgenbraten.«

Mit solchen Reden brachte Herr Lorenz die Morgenstunden im Bette zu, und er sagte mir oft, daß er die Zeit seines Lebens vor zehn Uhr nicht aufgestanden sei. Auch, als er noch ein Jüngling war, hätten ihn die Diener auf Geheiß seiner seligen Eltern mutternackigt aus dem Bette herausreißen müssen, da wäre er also ohne Hemd wohl eine halbe Stund noch voll Schlaf in der Kammer herumgetaumelt, ehe er zu sich selbst und in die Kleider gekommen.

Capitul 5

Capitul V
Lorenz wird von seinen Freunden besucht und von einem Capuziner aus dem Catechismo examiniert

Dieses Leben, gleichwie es an diesem jungen Menschen höchst sträflich war, also wurden seine Freunde, in Ansehung, daß er sich durch ihre eifrigen Vermahnungen zu keiner Besserung anließ, gezwungen, ein ander Mittel vor die Hand zu nehmen, und brachten demnach eines Abends einen Capuzinermönch mit sich in das Schloß. Der gab vor, als wäre er aus seinem Convent verschicket, daher bat er für diese Nacht um Herberge, daß er morgens seinen apostolischen Schimmel desto schneller fortreiten könnte. Mein Herr als ein fauler Gesell vergünstigte dem Capuziner die begehrte Herberge gar gern, sah aber die Ankunft zweier seiner Vettern nicht für gut an, weil es ihm verdrießlich war, mit ihnen von allerhand Sachen zu reden, sondern er hätte viel lieber hinter der Hölle auf seinen Matratzen stille gelegen und den Hintern gegen die Oberdecke gekehret. »Hans«, sagte er zu mir, »die Leute kommen mir gar zu ungelegener Zeit. Es verdreußt mich nichts mehr, als wenn einer an seiner Ruhe so unverhofft muß verhindert werden. Gehe hinunter und sage, ich habe die Colica und das Reißen in dem rechten Schenkel, wenn es ihnen nicht zuwider wäre, so ließe ich sie bitten, mir über acht oder vierzehn Tage zuzusprechen.« »Herr«, sagte ich, »Ihr werdet ja nicht so wunderlich sein, Euere Herren Vettern sind keine Narren, daß sie es stracks glauben werden, Ihr könnt ihnen ja ein paar Stunden schenken, habt [21] Ihr doch danach Zeit genug, auszuschlafen. Gehet doch hinunter und empfanget sie!«

Er gab sich endlich drein, und weil er ganz ausgezogen im Bette lag, warf er einen langen Reiserock über das bloße Hemde, und statt der Schuhe legte er seine Pantoffel an. In solchem Habit empfing er seine Vettern und den Pater, und weil er die Schlafmütze noch unter den Armen trug, auch die Haare noch voll Federn waren, konnten sie leicht merken, daß er erst müßte vom Bett aufgestanden sein. »Herr Vetter«, sagte Caspar von Scheutleutten – so hieß der erste – »Ihr seid gewiß heute spät schlafen gegangen.« »Ha, der Teufel!« antwortete er, »die Colica hat mich heut den ganzen Morgen geschoren, daß ich fast keinen Atem schöpfen können.« »Das sieht man Euch nicht an«, sagte der andere Edelmann, namens Jochem Wilnhager, »und damit Ihr wisset, warum wir hier mit diesem Herrn Pater erschienen sind, so machen wir Euch die Ursach ohne Umstände und langweiligen Umschweif zu wissen, denn lange Reden sind Euch sehr verdrießlich und ist wider Eure Natur, einer weit schweifigen Predigt zuzuhören. Darum bitten wir Euch, machet Euch keine Ungelegenheiten, uns zu tractieren, es sei gleich mit Speis oder Trank, denn deswegen sind hiermit wir nicht hergekommen. Setzet Euch unbeschwert bei uns nieder und höret, warum wir hier sind.«

Der gute Herr Lorenz roch den Braten, eh er an den Spieß gestecket wurde, riß deswegen ein Paar Augen auf wie ein polnischer Ochs. Aber nichtsdestoweniger fuhr doch Herr Jochem Wilnhager fort und sprach: »Ihr, lieber Herr Vetter und guter Freund Lorenz hinter der Wiesen, schämt Ihr Euch nicht in den Hintern (mit Ehren zu melden), daß Ihr Eure beste Jugend in einem so verderblichen Müßiggang zubringet? Heißt das, den rühmlichen Tugenden seiner Voreltern nachahmen und andern Leuten ein gut Exempel geben? Die alte Anna, welche auf diesem Schlosse mehr Jahr gedienet als Ihr würdig zu leben seid, ist mit großem Wehklagen zu uns gekommen, sagend, daß Ihr Euch wie ein grober Unflat in dem Bette verhaltet und einen eigenen Jungen aufzieht, welcher Euch alle Nacht in dem Buckel jucken und Historien vom Fortunatus und andere dergleichen Geschichten erzählen muß. Meinet Ihr nicht, daß Euch dieser Ruf unter denen von Adel höchst schädlich und nachteilig ist? Glaubet nur, daß das Frauenzimmer niemals mehr Scherz als mit Euren Taten treibet, und daß Ihr durch Eure Faulenzerei Euch alle Speranz zu einer vorteilhaften Heirat ganz auslöschet. Absonderlich aber müssen wir mit Schmerzen hören, daß Ihr Jahr und Tag in keine Kirche kommet noch Messe höret, und aus solcher Ursache sind wir als Eure Blutsfreunde bezwungen worden, diesen Herrn Pater Capuziner mit uns zu führen, der Eures Glaubens Rechenschaft von Euch fordern und Euch aus dem Catechismo examinieren soll. Habt Ihr unsere Meinung verstanden?« »Ja«, sagte mein Herr, »ich habe es verstanden. Aber wie heißet der Herr Pater?« Der Capuziner antwortete: [22] »Ich heiße Benjamin Raumhauffsky.« »Haha«, sagte Herr Lorenz, »Ihr seid gewiß ein Polack. Hans, bring mir die große Flasche mit dem roten Branntwein her, ich muß ihm's in aller Woiwoden Gesundheit zusaufen!« »Nein, mein Herr«, sagte der Capuziner, »für solche Ehre bedanke ich mich. Ich bin nicht allein kein Pole, sondern trinke auch gar keinen Branntwein.« »Ei«, antwortete mein Herr, »der Herr Pater glaube nur sicherlich, daß es ein hauptsächlicher, guter Trank ist. Er versuche nur einen Fingerhut voll. Ich bin auch kein Polack, aber saprament, Herr Pater, abends und morgens ein Gläslein voll tut besser als ein halb Dutzend hölzerne Leberwürste.« »Herr Vetter«, sprach Caspar von Scheutleutten, »haltet mit solchen Reden inne, und Ihr, Herr Pater, tut Eure Gebühr, dazu wir Euch vermahnet haben!«

»So saget mir demnach«, sprach der Capuziner zu Lorenz, »wer bist du?« »Was«, antwortete Lorenz, »wer heißet Euch, mich du zu heißen? Habe ich mit Euch Säu oder Schafe gehütet? Respect, ins Teufels Namen, wollt Ihr keinen Branntwein saufen, so beschimpft mich auch nicht!« »Mein lieber Herr«, sagte der Capuziner, »dieses ist nicht aus Schimpf geschehen, sondern es geschieht der Examination wegen, die heißet also nach der ersten Frage in dem Catechismo. Doch daß Ihr Vergnügung von mir habet: Wer ist der Herr?« Lorenz: »Ich bin einer von Adel.« Capuziner: »Das weiß ich wohl.« Lorenz: »Warum fragt Ihr mich dann? Nun sehe ich erst, warum Ihr keinen Branntwein saufen wollet, Ihr seid ohnehin schon sternvoll.« »Mein Herr verzeihe mir«, sprach der Capuziner, »wenn ich frage: ›wer bist du?‹, so müßt Ihr sagen: ›Ich bin ein armer Sünder.‹ Also frage ich Euch noch einmal, wer seid Ihr?« Lorenz: »Ich habe Euch's schon gesagt, wollt Ihr's nicht glauben, so fraget meine Vettern drum!« »Ach, Ihr armer Mensch«, sprach der Capuziner, »Ihr treibet Euren Scherz aus ernstlichen Sachen, aber gedenket nur und glaubet sicherlich, daß es Euch gereuen wird! Saget mir, wieviel sind Hauptstück?« Lorenz: »Herr Pater, Haupt ist so viel als Kopf. Wenn ich einen Karpfen sieden lasse, so sind der Hauptstücke zwei. Ein Kalb aber gibt nur ein Hauptstück, und eine Bratwurst hat gar keines.« »Ach, du loser Bub«, sagten die zwei Vettern, »guten Abend, guten Abend!« Mit solchen Worten griffen sie zu ihren Stäben und eilten samt dem Pater aus dem Schlosse, denn sie sahen, daß aller Fleiß an dem Menschen verloren war und daß sie, anstatt ihre Hoffnung zu erfüllen, nichts als Lästerungen von ihm würden zu gewärtigen haben.

»Haha«, sagte Lorenz, »gehet immer hin, wo ihr hergekommen, wer heißet euch, mich aus meiner Ruhe verstören? Ihr saget, das Frauenzimmer lache über mich, ja nu, so lache ich auch über sie. Gehet hin und heißet sie mich etwas anderes tun. Ich verlange nicht zu heiraten, und wenn ich heirate, so will ich euch nicht zum Tanze bitten. Examiniert mich bald wieder aus den sieben Geboten! Oho, ist es um diese Zeit? Kommt mir wieder in mein Haus, habt ihr's Herz, [23] annageln will ich euch an das Schloßtor wie die Fledermäuse und wilde Enten! Kommt nur wieder und verstört mich aus meiner Ruhe! Es sei euch geschworen, ich will mich deswegen bei der Hofkanzlei beklagen. Was geht euch davon ab, daß ich mir den Buckel kratzen und Historien erzählen lasse? Oh, wäret ihr solche Kerl wie Fortunatus, Andolosia und Ampedo gewesen, ich glaub, es sollte besser um eure Sachen stehen. Ich will ein Hundsfutt sein, wenn einer unter euch all sein Lebtag ein Wünschhütlein bekommen wird. Auf die Köpfe wird man euch dafür hofieren, ihr Bachanten. Meinet ihr denn, daß Peter mit den silbernen Schlüsseln sei ein solcher Mauerscheißer wie ihr gewesen? Oder die schöne Magelone habe dem Vieh ausgemistet, wie eure Weiber tun? O nein, beim Element nicht. Das war ein rechtschaffener Kerl, und ein solcher Ritter will ich noch werden. Danach will ich auf die Turnier zu König und Kaiser ziehn, trutz examiniere mich danach wieder einer, auf die Köpfe will ich euch alsdann klopfen und mich vor hunderttausend euresgleichen, ja vor keinem Menschen nicht scheuen. Cartaunen, Mörser und Granaten achte ich ohnedem wie Katzengeheule, ich sage euch's, hütet euch vor mir!« Diese Wort rief er so lang hernach, als er sie auf dem Weg des Schloßberges sehen konnte. Aber Caspar Scheutleutten hatte unter währendem Geschmäle seinen kleinen Puffer blind geladen, welchen er unversehens gegen das Fenster, woraus Lorenz so gepoltert und gefluchet, losbrannte. Da erschrak der ehrliche Lorenz, daß er rücklings nach aller Länge in die Stube darniederfiel und mich zum öfteren fragte, ob ich kein Blut sehe.

Capitul 6

Capitul VI
Lorenz eröffnet seine Meinung, was er von dem Pfaffen und seinen Vettern halte

Als er nun durch mich versichert war, daß er keinen Schuß hätte, erhob er sich von der Erden und sagte: »Hans, wie stehen dir die Kerls an? Gelt, sie sind Mauseköpf und Krautkönige, ich dachte, sie wollten mich gar ins Kloster jagen und zu einem Pfaffen machen. Ja ja, lasset euch nichts davon träumen, ihr guten Fratres, ich wollte mich eher mit ungrischen Degen in Stücke zerhauen lassen, wie man die Rüben zerhacket, eh ich ein Pfaff werden wollte. Heiraten mag ich zwar dermalen auch nicht, was aber geschehen dürfte, da muß ich erst in den Calender nachsehen. Die Narren meinen, ich sei gar ein Hundsfott. Oh, daß ich mich nicht darauf besonnen und geschwinde ein Dutzend gesalzener Fürze losgelassen habe! Ach, bin ich nicht ein rechter Flegel, daß ich mich nicht darauf besonnen habe? Hans, wann's wieder so kommt, so mahne mich daran, da will ich schießen, und sollen meine Hosen Löcher wie die Wamsärmel bekommen. Sie [24] werfen mir vor, ich ließe mir von dir den Buckel kratzen. Ich wollte, daß sie mir statt deiner in dem Arsche kratzen müßten, als dann würden sie von allen Badern in Teutschland bei der Obrigkeit verklagt werden, daß sie ihnen ins Handwerk fielen. Ja ja, mein lieber Hans, die Schabhälse vergönnen mir keine Recreation. Sie wissen wohl, was für eine unbeschreibliche Ergötzlichkeit dahinter verborgen liege, darum vergönnen sie mir's nicht. Recht so, Hans, du bist ein Kerl von großer Geschicklichkeit, und ich gestehe dir, daß mir all mein Lebtag kein Jung den Buckel so rein abgekratzt hat als wie du. Weil der ausgedörrte Capuziner keinen Branntwein mit mir hat trinken wollen, so mußtu mit mir trinken. Ich will wohl die Zeit erleben, da der Capuziner für einen Sechzehnteil solches Branntweins gerne wird fünf Gülden geben, aber ich wollte ihm keinen Tropfen reichen, und sollte er mir seinen Mantel samt seinen zerrissenen Schuhen, oder wie man das Gefräß heißet, schenken und dedicieren. Hans, Hans, ich bin ein braver Kerl, sonst kein Mensch in der Welt! Ich weiß, was die rechte Gemütsruhe ist, warum sollte ich mir meinen Kopf mit vielen Sorgen zerreißen? Ich habe zu essen und trinken genug, schere mich nicht viel nach der bärenhäuterischen Ehre, sonst wollte ich schon lang zu Constantinopel Vicekaiser sein. Ha, es ist ein schlechter Pfifferling, in der Welt herum zu reisen. Ich lobe meinen Ofen dafür, da setze ich mich mit einem Glas Wein und einem Stück Semmel hinter die Hölle und trinke es den Ofenkacheln die Reihe herum zu, auf Gesundheit meines Pudelhundes. Die Kerle kommen mir in mein Eigentum, mich zu examinieren, das sind rechte Narren, Hans, sie wollen eine Gelehrigkeit finden, wo keine ist. Nun verdrießt mich's erst, daß ich nicht wacker gefurzet habe. Der eine hatte gar das Herz und schießet mir in die Fenster, der Teufel soll ihn samt seiner Büchse holen! Hätte er mich getroffen, ich wollte ihm Füße gemacht haben, daß der eiserne Hahn auf unserer Dorfkirche hätte darüber lachen sollen. Hans, bleibe du bei mir, heute nacht mußt du mich auf den Fußsohlen kitzeln. Lies noch ein Capitul oder zwei aus dem Hug Schapler oder dem Ritter Wigalois und lasse dich meine sauberen Vettern im Arsche lecken! Sie sollen mich nicht mehr aus meinem Bette bringen und sollten sie alle türkischen Schimmel an mich spannen. Sind das nicht alte Hosenscheißer? Dürften sich unterstehen, mir einen Leviten herunterzulesen und sagen, daß ich ein ganzes Jahr nicht in die Kirche gekommen! Hei, so liege, daß dir der Hals verkrumme und du ein Aussehen hast wie eine getaufte Maus! Wär ich ein ganzes Jahr nicht in die Kirche? Oh, ihr Schelmen! Bin ich dies vergangene Jahr nicht über fünf Mal drin gewesen, so wollt ich, daß mich der Buckel mein Lebtage nimmer juckte. Doch muß man sich wider Recht und alle Billigkeit wider seinen eignen Willen Gewalt und Unrecht tun lassen. Patientia, mein lieber Hans, was kann man tun? Geh und bringe den Branntwein, ich will mein Leid mit dir versaufen. Die alte Anna mag der Teufel holen und einen Sauerbraten aus [25] ihr machen. Ich bin Herr für mich allein und Kaiser in meinem Schlosse. Mein Tauben-Kobel ist mir so lieb als ein Ball- oder Reithaus. Weswegen sollte ich mich viel in den Wäldern und auf der keinnützigen Jagd herumschleppen? Hans, ein paar Katzen dafür gehetzet, tut eben das und noch viel mehr, als den Füchsen und Wölfen nachzulaufen. Es ist genug, daß mir's mein Jäger in die Küche und die Köchin auf den Tisch bringet. Nichts verdrießt mich mehr, als daß sie so mühsam zu tranchieren sind, drum freß ich Nudel, Nocken und Sterz noch so gern als Federwildbret, denn es braucht nicht viel Zerlegens damit, sondern wenn sie hübsch geschmalzen sind, gehen sie hinunter, ehe man die Ohren dazu rühret. Hans, gelt, du hältst es mit mir? Meine Vettern mögen sagen, was sie wollen, ich halte stattlicher Haus als sie. Sie sitzen hin und spielen oft eine ganze Wochen. Dafür lege ich mich in die Hölle, mein lieber Hans, da schnarche ich in der Wärme ein wie eine Küchenratz. Erwache ich dann, so habe ich nicht allein nichts verspielet, sondern betrachte noch dazu meine artigen Träume, die mir in dem Schlafe vorgekommen.«

»Herr«, sagte ich, »was träumet Euch denn?« »Oh, du Narr«, sagte er, »es träumet mir Zeug untereinander, darüber ich viel mehr als über die lustigsten Comödien zu lachen habe. Erspare also hiedurch auch wieder etliche Groschen, die meine Vettern geben müssen, wenn sie solche spielen sehen und noch dazu in denselben das Frauenzimmer mit Confect bedienen, dadurch sie in vielfältige Unkosten gestecket werden. Wenn andere hinausgehen auf die Jagd, so zerreißen sie die Schuh und nützen die Kleider ab. Ich aber spare durch den Schlaf nicht allein die Kleider, sondern verhüte auch die Schelmerei meiner Schloßbedienten, denn sie wissen, daß ich allezeit gegenwärtig und zuhause bin.«

»Mein lieber Hans«, sagte er ferner zu mir, »betrachte es nur selber, ob ich's so gut hätte, wenn ich gleich ein Doctor wäre. Oh, lieber Monsieur Feuerfax, Haarwuchs im Arsch ist kein Flachs. Nimmermehr hätt ich's so gut. Ich müßte studieren, gribulieren, disputieren, spintisieren und narrieren von dem und zu dem, da hinein, dort hinaus, bald hinauf, bald hinab. Nein, nein, Bruder Stiegelhupfer, davon schreibt Marcus kein einziges Wörtlein. Hat sich wohl Doctor, ein Narr wär ich worden und kein Doctor, und zu dem so will jetzo ein jeder Gelbschnabel flugs Doctor sein. Sie werden Magister fix, danach so werden sie auch bald darauf Doctor nix. Hans, Hans, ich lobe mir dein Buckelkratzen dafür, und was ist zwischen dir und einem Doctor für ein großer Unterschied? Sie krauen den Bauern den Beutel und du krauest einem Edelmann den Buckel, sie gehen im Sammetrock und schlafen oft auf groben Bauerntüchern, und du gehest hingegen in einem Bauerntuch gekleidet und schläfst bei mir in adeligem Bettgewand. Sie fressen, so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, nicht so gut als du, mein lieber Hans, und was noch das meiste ist, so habe ich und du ein viel besseres Gewissen als sie alle miteinander. [26] Ha, Hans, hörst du nun, wo der Has im Pfeffer liegt? Doctor hin, Doctor her, du bist auch kein Narr, bringe du den Branntwein her, wir wollen noch weiter von der Sache reden.«

Capitul 7

Capitul VII
Macht Anstalt zu einer Musik

So bald ich den Branntwein auf den Tisch gebracht, langte er eine gesalzene Zunge dazu, welche er mit gutem Senf trefflich geschmackhaft zu vermischen wußte. »Hans«, sagte er darauf, »es gilt eins aller ehrlichen Flederwisch gute Gesundheit. Narr, du darfst dich nicht wundern, warum ich dir keines großen Herren Gesundheit zutrinke, denn dieses halte ich für keine Rarität, aber ich will ein Hundsfutt sein, wenn eines Flederwisches beim Gesundheittrinken oft ist gedacht worden. Und damit wir vor andern Leuten etwas Rares und Absonderliches haben, wollen wir das Glas nicht vorn an die Lippen, sondern auf der rechten Seite wie der Stadtpfeifer den Zinken ansetzen, und so oft wir ausgetrunken haben, wollen wir einen großen Rülps dazu lassen, das ist gesünder, als wenn man uns mit fünfundzwanzig Musqueten Salve dazu losbrennte. Hans, glaube mir, ich bin kein Narr, ich weiß auch, wo man die Hunde schert. Darum mache dich gefaßt, kannst du keinen Rülps lassen, so mußt du das Glas so oft austrinken, bis einer angestochen kommet. Damit wir auch nicht dasitzen und einander ansehen wie die Katzen auf den Dächern, so bringe mir mein Vogelrohr aus dem Uhrkasten herunter, wir wollen für die Langeweile Tauben totschießen und uns ein paar davon braten lassen. Hans, sapperment, Hans, das schmeckt besser als drei Dutzend Ohrfeigen. Sage auch dem Torwächter, daß er mit seiner Fiedel hereinkomme und uns Lärm aufgeige. So wollen wir leben wie die Monarchen und uns wacker auf unsere eigene Hand lustig machen. Geh geschwind, sonst kommt mich der Schlaf wieder an und du kannst mich innerhalb sechzehn Stunden nicht wieder zu der Laun bringen.«

Nach solchen Worten rief ich dem Torwächter, daß er sich mit seiner Fiedel fertigmachte und mit mir zu dem Herrn in sein Zimmer käme, weil er daselbst zu unserem Branntwein lärmen und also den Saft in die Gurgel hinuntergeigen sollte. »Ha«, sagte der Torwärter, »der Teufel hat mich auf das Schloß geführet und kein ehrlicher Mensch. Wenn ich mir für meine Hand etwas verdienen und gewinnen könnte, so muß ich deinem Faulenzer aufwarten, der mich noch dazu mit dem Stecken über den Buckel schmeißet, wenn ich's nicht recht mache. Nein, bei meiner Seel, schlägt er mich noch einmal wie neulich, so laufe ich auf und davon, und sollte er alle Schergen im ganzen Land nach mir schicken, so komme ich ihm doch nicht wieder. Ich hätte anitzo eine gute Hochzeit über Feld, da ich mich schon vorgestern hinversprochen habe. Nun aber muß ich wider meinen [27] Willen mit dir gehen. Saprament, hoch Latein, du und dein Herr ist ein Bärenhäuter, der eine wie der andere, hei, daß ihn der Donner samt seinem Branntweinsaufen erschlüge! Heut ist's mir gar ungelegen, doch weil's nicht anders sein kann, so muß ich wohl hingehen. Aber gibt er mir nichts zum Lohn, so weiß ich schon, wie ich mich zahlhaft mache. Gehe nur voran, ich will bald bei euch sein.« Damit ließ der Torwärter einen in die Hose streichen und sagte: »Diesen schenke ich dir auf den Weg, stecke ihn hinter das linke Ohr, so fällstu nicht!«

Aus dieser Antwort des Torwärters ist zu merken, wie kahlsinnige Diener ein Herr zu haben pflegt, welcher vor großer Faulheit kaum aus dem Fenster, viel weniger zu ihren Verrichtungen siehet. Sie werden von den Dienstboten nicht allein nicht gefürchtet, sondern auch noch dazu geschimpfet. Die nötigen Arbeiten bleiben bei einer solchen Herrschaft entweder zurücke oder werden gar verabsäumet, wie auf dieses faulen Lorenzen Schloß ein augenscheinliches Exempel war. Demnach ist es auch geschehen, daß er von Tag und Tag, ja von Stund zur Stund in größeres Abnehmen und also in unverhoffte Armut geriet, weil er seinem eigenen Aufnehmen mit träumenden Augen und schlummerndem Gemüte stets entgegengegangen.

Capitul 8

Capitul VIII
Was für eine artige Comödie sie mit der Magd angefangen

Ich kam gleich zu Herrn Lorenzen in das Zimmer, als er wie ein Pickelhäring mit dem Glas Branntwein um den Tisch herumsprang. »Vivat bonus gratias!« sprach er, »lieber Hans, es gilt aller Maikäferflügel gute Gesundheit! Was macht der Spielmann, wird er bald kommen?« »Herr«, sagte ich, »alsobald. Er hat zwar eine Hochzeit über Feld zu geigen gehabt, aber er will doch kommen und Euch aufwarten.« »So ist's auch recht«, sprach Herr Lorenz. »Sapperment, Hans, der Torwärter ist mein bestallter Hof-Musicus, der muß mir die allerschönsten Stücklein von der ganzen Welt aufmusizieren. Bald französisch, bald burgundisch, bald türkisch, bald italienisch, bald siebenbürgisch, bald tyrolisch, in summa summarum, Hans, alles muß er mir aufgeigen.« »Herr«, sagte ich, »seid Ihr denn ein großer Liebhaber der Musik?« »Freilich«, sagte er, »das kannstu wohl gedenken, du Narr, aber ich meine keine Bauernmusik, wie die Bettler danach tanzen, sondern rechtschaffene Virtuosi und gute Künstler ästimiere ich, wie mein Torwärter und seinesgleichen ist. Der kann's herunterquintillieren, schöner als die Nachtigallen. Hans, wenn er componieren könnte, ich wollte ihn in die vornehmste Capell bringen. Würde er gleich anfangs nicht Capellmeister, so müßte er halt Calcant werden, du Narr, die Blasebälge sind am nächsten bei der [28] Orgel, also ist auch der Calcant am nächsten an dem Organisten. Potz hundert gute Jahre, ein Musicus muß so wohl von unten auf dienen wie ein Soldat. Vor diesem habe ich ein wenig auf der Dregel-Geigen gelernet, aber mein Lehrmeister sagte, die Mistgabel taugte viel besser in meine Faust als der Fiedelbogen, und ich hab in einem Tag so schrecklich viel gelernet, daß ich den andern Tag nicht ein Drecklein davon wußte. Aber der Torwärter, der hat ein Ingenium, Saprament, Hans, ein Haupt-Ingenium hat er! Wenn man ihm heute eine Ohrfeige gibt, so denkt er länger als acht Jahr hintereinander dran.«

Indem kommt der Christel Schlick-den-Preyn – so heißt der Torwärter – mit seiner Raspel zu uns, und Herr Lorenz begehrte an ihn, daß er möchte das Lied vom Hänsel beim Bach aufgeigen. Solchergestalten erhebte sich die liebliche Harmonie dieses Erzkünstlers, welcher sich bei dem Ofen auf einen Stuhl gesetzet und zu seinen Melodeien mit dem Fuß den Tact gegeben. Unter solchem Musizieren sang mein Herr allerlei Lieder und soff mich und den Torwärter so voll in den Branntwein, daß einer den andern kaum mehr kannte, noch die Farb unserer Kleider entscheiden konnten. »So lebet man«, sprach Herr Lorenz, »recht fürstlich und vergnügt. Ha, ich schere mich nicht viel um hohe und vornehme Gesellschaften. Mancher meinet, er könne nicht lustig sein, wenn er nicht großmächtige Herrn und Cavaliere um sich oder in seiner Gesellschaft hat. Nein, mein lieber Hans, es ist nur eine bloße und eitle Meinung. Ich weiß die Sach um eine Spanne besser zu finden. Wer also lebet, wie ich lebe, der darf nicht fürchten oder in Sorgen stehen, ob er in der Compagnie nicht diesen oder jenen beleidiget habe, ob er genug und sattsame Complimenten gemachet habe, item ob er sauber genug sei oder nicht. So darf er sich auch wegen des fickermentischen Vorgangs und der ausgedörrten Praecedenz nicht viel bekümmern, hat auch nicht zu befürchten, daß er mit überhäufigen Gesundheittrünken überschüttet werde. So ist er auch noch überdies nicht verobligieret, große und mannigfältige Discurs anzufangen, zu beantworten und auszuführen. Nein, mein lieber Hans, ich weiß die rechte Lust rechtschaffen zu gebrauchen. Wie oft geschieht es und ist leider geschehen, daß man sich in Zusammenkünften zanket, hernach in die Haare fällt und morgen früh auf die Kling herausfordert, da man Leib und Seele zugleich verlieret! Gelt, Hans, das kostet mehr als eine neue Kehrbürste? Wie oft ist es geschehen und geschiehet noch, daß man sich über dem Gesundheittrinken anderer Leute die Schwindsucht an seinen eigenen Hals hinansäufet oder sonsten in eine Krankheit fällt, davon man in die Apotheke all sein Lebtag zinsen muß! Solche Früchte trägt man von dem heutigen Schmausieren, und mancher hätte noch eine frische Haut auf den Markt zu tragen, welcher schon vor zwölf Jahren durch das leidige Gesäufe und täglich gepflogene Compagnie in das Gras gebissen. O lieber Hans, das war eben meinen [29] zwei Vettern so sehr in dem Kropf gestecket, ich solle mein Geldlein, meinen sie, nicht zu Hause verzehren, sondern mit demselben unter die Leute wischen wie eine Feuer-Rakete in die Luft. Und also hätten sie mich gern in der Welt, daß ich ihre Kinder in den Compagnien freihielte. Aber sie machen mir keine Nase. Ich habe ohnedem eine wie eine Pfundbirne. Nein, Hans, nein, zu Hause geblieben und geschlafen dafür, das schmeckt Herrn Lorenzen besser, als solche Torheiten zu begehen, dafür man euch wacker auslachte. Vivat, es gilt eins auf die Gesundheit aller ehrlichen Hundsfütter!«

Zu solcher Gesundheit strich der Torwärter auf allen vier Saiten zugleich tapfer Lärmen, und ich sättigte mich wacker mit der geräucherten Zunge, welche zum Branntwein besser schmeckte als gebratene Hufnägel. Endlich zogen wir die Wämser, nach diesen die Schuh und Strümpfe aus. So oft es nur eine Gesundheit galt, schmissen wir ein Stück zu dem Fenster hinunter, bis es letztlich gar über die Hosen und Hemden herging. Also saßen wir da wie im Paradies, und ich muß auch lachen, wenn ich daran denke, wie hurtig der nackigte Torwärter im Zimmer herumgesprungen.

In solchem Springen kam die Magd zu uns, weil sie willens war, dem Herrn Geld abzufordern. Sie hatte aber die Tür kaum so bald eröffnet, als sie schon wieder zurückgeloffen, gleich als brannte ihr der Kopf samt dem Nacken. »Pfui!« sagte sie, »sind das nicht Flegel, recht abscheuliche Teufel sind sie! Springen in dem Zimmer ganz nackigt herum wie die Irrwische! Welcher Henker hat sie solche mores gelernet? Möcht sich doch ein unschuldig Mensch zu Tod ärgern! Das sind Schlingel! Das sind Bärenhäuter! Der kleine Jung macht auch mit, wie wenn er dazu verdungen und bestellet wäre. Pfui Teufel, wie wird mir so übel! Es steigt mir im Leibe auf, wie wenn ich Brücken und Capern gefressen hätte. Die ist eine Hure, die noch zwei Wochen im Schlosse bleibet. Treiben's doch die Hundsfütter wie die jungen Grasteufel mit einander! Pfui!« rief sie außer der Tür, »schämt Euch in den Arsch hinein, Herr Lorenz! Ihr wollet ein Edelmann sein und treibt solche närrische Sachen!« »Ha«, antwortete Herr Lorenz, »du Hure, was geht dich mein Adel an? Komm her und lecke mich dafür im Arsche! Sagstu mir noch ein Wort, so will ich den Torwärter um dich hinausschicken, der soll dich wider deinen Willen zu uns hereinbringen.« Die Magd wollte sich noch nicht zufriedengeben, darum eilte der Torwärter hinaus und zog sie mit Gewalt mit sich hinein, allwo sie Lorenz mit unserer Hilfe fasennackigt ausgezogen und ihre Kleider gleich den unsrigen über das Fenster in den Hof hinuntergeworfen. Sie wollte schmähen und versteckte sich hinter den Ofen, aber ich mußte etliche, Kannen Wasser holen, mit welchen sie Herr Lorenz wieder hervortrieb, und also sahen wir alle Lust, wie hurtig die nackigte Magd in dem Zimmer herumsprang.

Capitul 9

[30] Capitul IX
Lorenz bringt unauflösliche Fragen auf die Bahn

Man hätte uns da leichtlich für solche Leute ansehen können, welche aus dem Paradies entlaufen wären, oder, wenn der seltsame Grillen-Jubilierer, der alte Bruder Plato in unser Auditorium gekommen, hätte er ohne Zweifel geglaubt, wir hätten uns ihm und seiner definitio de homine zum Schimpf also entkleidet. Aber in Wahrheit zu sagen, so war keines von beiden zu argwohnen, denn dieses nackigte Turnierfest ist von dem wunderlichen Lorenzen verstandener Maßen aus allzu großem Mutwillen recht leichtfertig angestellet und mit schrecklichem Geschrei verübet worden. Denn wir mußten zu jedem Sprung, den wir taten, das Maul wie die Ochsen aufreißen und schreien, was wir von Leibeskräften vermochten.

Die Magd war aber zum allerübelsten dran, und weil sie den Herrn Lorenzen immer einen Schelm und liederlichen Teufel über den andern hieß, so revanchierte er sich gegen dieselbe mit seinem Blasrohr, indem er ihr über die fünfzig erdene Kugeln auf den Leib schoß, davon sie wie eine Spansau zu kürren angefangen. Endlich sprangen wir dem Torwärter gar in die Geige, und weil der Narr vor allzu, großem Trunk nicht wußte, ob es Mittwoch oder Freitag sei, machte er selbst mit. Also zerstörten wir unsere Musik, und weil Herrn Lorenzen eine sonderliche Mücke ins Gehirn gehofieret hatte, ließ er Lehm ins Zimmer bringen. Damit warf einer dem andern so ins Gesicht, daß wir weder sehen noch hören konnten.

In solchem Tumult hatte die Magd die Tür ergriffen und sich fasennackigt in den Schloßhof hinunter salviert. Diejenigen, welche noch kein nackigt Weibsbild gesehen hatten, hielten sie für die Melusina, andere aber, die etwas mehr in den Historien gelesen und gesehen, lachten so sehr, daß sie sich in der Mitte mit beiden Händen untersetzen mußten. Herr Lorenz warf ihr noch zum Valet etliche Lehmklotzen auf den Buckel, und weil ihm zu kalt werden wollte, ließ er unsere Hemden heraufholen, welche wir über den Leib warfen und in solchem Habit Toback zu trinken anfingen.

Damit wir nun selbst über unsern Aufzug zu lachen hatten, brachte Herr Lorenz etliche Spiegel ins Zimmer, die er rings um den Tisch herumsetzte. Also lachten wir uns selbst wie die Narren aus, und wer die abenteuerlichste Positur machen konnte, der schätzte sich vor dem andern, ein sonderliches Kunststücke verübt zu haben. Aber ach, wir elende Toren, solchergestalten lachten wir über unsere eigene Narrheit, die wir doch billiger vielmehr hätten beweinen sollen! Wir glaubten, lobenswürdige Sachen verübet zu haben, die doch im Grund die lasterhaftigsten waren, suchten also in der Schelmerei Ehre und von den Lastern Lob zu verdienen. Ich zwar habe es damals nicht verstanden noch besser gewußt, denn weil ich all mein [31] Lebtag niemals in der Welt gewest, dachte ich, es wäre so der Gebrauch, und müßte derjenige, welcher etwas Rechtschaffenes lernen wollte, sich auch rechtschaffen närrisch anstellen.

»Hans«, sagte mein Herr Lorenz, »so mußt du es machen, wenn du ein brav Kerl werden willst. Narr, du wirst wohl an hunderttausend Höfe kommen, da es nicht so lustig wie bei mir hergehet. Sauf deine Pfeife Toback aus, danach wollen wir auf Ofenkrücken, Ofengabeln und Kehrbesen im Hemd den Schloßhof auf und abreiten. Saprament, Hans, das ist lustiger als das beste Ringelreiten! Narrenpossen, was scher ich mich danach, was die Leute dazu sagen. Wenn ich kein Geld hab, und sie sagen, ich sei acht Tonnen Goldes reich, so ist's doch erlogen und hilft mich nicht. Sagen sie, ich sei ein armer Gesell und habe nicht vier Groschen, ich dagegen fresse und trinke etwas Gutes, Hans, so schadet es mir auch nicht. Sie mögen sagen, was sie wollen, Narr, ich lache wacker dazu, und je schlimmer man mir nachredet, je lustiger springe ich herum.« »Ja, Herr«, sagte ich, »das kann der Tausendste nicht tun.« »Ei«, sagte er, »drum bin ich auch glückseliger als tausend andere, und ich will auch noch das Rauchfangkehren lernen. Alsdann will ich in die Camin hinaufsteigen und heulen wie die Wölfe und Katzen, das ist mir lieber als auf der Zither und auf der Orgel schlagen, denn es braucht nicht so viel Fingerns und Greifens. Hans, meine Vettern meinten mich zu examinieren, aber, saprament, Hans, ich kann mehr als sie, du und alle Schulmeister der Welt. Damit du aber siehest, daß ich nichts ohne Grund und außer dem Fundament rede, so ist's wahr, daß ich allen Doctoren in der ganzen Welt will eine Frage aus dem Vaterunser vorlegen, die soll mir keiner geschwinde zu beantworten wissen. Ja, Hans, das will ich tun. Sie bilden sich einen Haufen Zeugs ein, aber es sage mir einer, hat er anders ein Herz im Leibe: Wenn man das Vaterunser in zwölf Teile teilet, welches sind die mittelsten drei Buchstaben? Hans, diese Frage kann mir kein studierter Mensch auflösen, er besinne sich denn eine Weile darüber, und solle es auch der Monsieur Doctor Faust selbsten sein. Item, es sage mir einer, wieviel zu Constantinopel die Woche hindurch Bärte geputzet werden, so will ich ihn für einen participierenden Licentiaten passieren und repassieren lassen. Aber ich weiß es, willst du es auch wissen, Hans?« »Ja«, sagte ich, »Herr, ich möchte es lieber wissen als das Vorige.« »Ja, du Eselskopf«, antwortete er, »es ist auch viel härter zu verstehen. Darum so merke, wenn man dich fraget, wieviel zu Constantinopel die Woche Bärte geschoren werden, so sagst du: eine Woche mehr als die andere. Damit hast du mehr getan, als wenn du dem krummfüßigen Hufschmiede Vulcano eine Sackpfeife aufgeblasen hättest. Hans, glaube mir sicherlich, und wenn du mir nicht glaubest, so wollte ich, daß dich heute nacht die Harmwinde plagten, daß du dich wie ein Frosch zusammenhalten müßtest. Aber was du glauben sollst, das höre von mir. Denn ich, ich, Lorenz hinter der Wiesen, Hochgeborener von Adel [32] und, wie mich die Leute zu titulieren pflegen, lediger Hahnrei, sage dir und habe dir gesaget, werde dir auch sagen und jederzeit gesaget haben, daß ich ein wackerer Cavalier sei.«

»Herr«, sagte ich, »ich habe in der Schul von unserm Schulmeister gehört, man heiße nur die Grafen und Freiherren, aber nicht die Edelleute Cavaliere. Wenn Ihr nun kein Graf oder Freiherr, sondern nur ein Edelmann von der schlechten Gattung seid, warum heißt Ihr Euch dann einen Cavalier?« »Saperment, Hans«, antwortete Lorenz, »all dein Leben lang, so lang du bei mir bist, hast du mir keine so schwere Lection als durch diese Frage aufgegeben. Was frage ich danach, du Narr, ob ich mich mit Recht oder Unrecht einen Cavalier tituliere, heiße oder nenne. Wenn's andere meinesgleichen tun, so tue ich's auch, sie mögen's tun, warum sie wollen. Hans, du sagst nicht unrecht, denn wenn man meinem Geschlecht auf den Grund fischen wollte, so würde man finden, daß ich gar artig zum Adel gekommen. Höre, ich muß dir's sagen, setze dich auf den Stuhl und lege ein Kissen darauf, so sitzest du desto besser, und höre, wie ich zum Adel kam. Mein Vater hatte zwölfmal die Franzosen. Nun sagt man im Sprichwort, wer die Franzosen neunmal hat, der sei ein Edelmann. Hat nun mein Vater die Franzosen zwölfmal gehabt, so kannst du Bärenhäuter leicht gedenken, daß ich ein recht Approbierter vom Adel sei. Bin ich kein Cavalier, so bin ich halt ein Edelmann, und man heiße mich, wie man wolle, so springe ich doch in meinen Hirschhosen im Zimmer herum und trinke eine Pfeife Toback.«

Capitul 10

Capitul X
Hans disputiert mit Lorenzen vom Adel und der Religion

»Herr«, sagte ich, »Eure Meinung wegen Eures Adels habe ich verstanden. Ihr gefallet mir auch gut genug, aber, Herr Lorenz, Ihr habt keinen Glauben und keine Religion, ich bleibe auf solche Weise teufelsungern bei Euch. Sagt mir doch, was meinet Ihr, welches ist die beste Religion auf der ganzen Welt?« »Mein lieber Hans«, antwortete Herr Lorenz, »das weiß ich dir bei meiner Seel nicht zu sagen, denn ich weiß nicht, wievielerlei Religionen in der Welt sein. Wie kann ich dir also sagen, welches die beste ist? O du Bärenhäuter, gedenke nur selbst, daß ich's nicht wissen kann, ob ich's schon gern sagen wollte.« »Herr«, sagte ich weiter, »was glaubet Ihr denn vor Euch?« »Vor mir«, sagte er, »glaube ich, daß meine Nase stehet, und wenn ich einen Ranzen trage, so glaube ich ihn hinter mir, und neben mir glaube ich meinen Degen, und um mich ist mein Feldzeichen. Weißtu nun, Hans, was ich glaube?« »Herr«, antwortete ich, »Ihr foppet mich wie einen Narren.« »Ja, Hans«, sagte er, »das bist du auch und wirst es dein Leben lang bleiben. Was geht dich mein Glauben an?« »Herr«, sagte ich, »es geht mich Euer Glauben nichts an, aber wenn mich die Leute [33] einmal fragen, was für einer Religion Ihr seid, so weiß ich nichts zu sagen, als daß Ihr Eure Nase vor Euch, Euren Ranzen hinter Euch, Euren Degen neben Euch und Euer Feldzeichen um Euch glaubet. Herr, das ist ein närrischer Glauben.« »Ja, Hans, drum lern an ihm, er ist gut für dich und hält so warm wie ein Brustlatz. Hans«, sagte er weiter, »glaubstu, daß die Bauern in den Himmel kommen?« »Ja, Herr«, sagt ich, »ich glaub es.« »Ja nu«, sagt er, »glaubstu, daß die Bauern hineinkommen, so kannstu leicht glauben, daß die Edelleut nicht draußen bleiben werden. Hans, wer lesen und schreiben kann, der versteht das Ding besser als ich und du.« »Herr«, sagte ich, »Ihr betet aber nicht.« »Freilich«, antwortete er, »ich lasse mir aber den Buckel desto besser krauen. Und heute nacht mußtu gar den Roßstriegel mit dir ins Bett nehmen, damit mußtu mir die Füße wacker jucken.« »O Herr«, sagte ich, »ich sehe wohl, Ihr seid lutherisch.« »O du Narr«, antwortete er, »du bist lutherisch, du hast einen großen Kopf, und unser Windhund ist calvinisch.« »Herr«, sagte ich, »was haltet Ihr denn auf die katholischen Pfaffen?« »Du Bärenhäuter«, antwortete er wieder, »auf ihre Köchinnen halte ich zweimal soviel als auf sie.« »Ja«, sagte ich, »warum nehmt Ihr denn kein Weib?« »Hörst du«, sagt er, »warum bläsest du mir nicht in den Arsch?« »Ei«, sagte ich, »das ist meiner Natur zuwider.« »Ja nu«, sagte er, »so ist das Vorige auch meiner Natur zuwider.« »Ja Herr«, sagte ich, »Ihr scherzet gar zu grob. Was haltet Ihr denn von den lutherischen Pfaffen?« »Du Flegel«, sagte er, »ich halte auf ihre Weiber mehr als sie alle miteinander.« »Gelt, Herr«, sagte ich, »sie predigen schön?« »Das weiß ich dir nicht zu sagen«, antwortete er, »ich hab keinen nie gehört.« »Predigen denn«, fragte ich, »die katholischen Prädikanten hübsch?« »Ei«, sagte er, »ich weiß nicht, wie sie predigen, ich hab auch keinen gehöret.« »Herr«, sagte ich, »wie wisset Ihr denn, was Predigen ist, wenn Ihr nie keinen predigen gehöret habt?« »Hörstu«, sagte er, »wie weißtu, was Blitzen ist, wenn du nie blitzen gehört hast?« »Herr«, antwortete ich, »ich hab's gesehen.« »Ja nu«, sagte er, »so hab ich's auch gesehen, denn ich stand meistenteils außer der Kirche oder guckte von der Gasse hinein auf die Kanzel. Danach lief ich heim, wie ein fremder Hund durch die Fleischbänke.« »Wer hat Euch aber«, fragte ich weiter, »besser gefallen, der lutherische, katholische oder calvinische?« »Ha«, sagte er, »es war an allen dreien nicht viel Besonderes. Sie standen auf den Beinen und schlugen mit beiden Händen von sich, ich dachte, wo ich näherkäme, sie dürften mir gar eine Ohrfeige geben. Doch hatten die Lutherischen große Bücher neben sich liegen, da dachte ich: ex libro doctus quilibet esse potest, verstehstu das, Hans?« »Nein, Herr«, sagte ich, »ich versteh es nicht.« »Ja, Hans«, sagte er, »das war ihre Predigt. Was tustu, wenn dich schläfert?« »Herr«, sagte ich, »ich wünsche mir ins Bett.« »Nu«, sagte er, »mir ist auch so, Hans, lasse mir das Bett machen und höre auf zu fragen. Morgen will ich dir mehr von der Farbe schwätzen.«

Capitul 11

[34] Capitul XI
Die Magd fängt auch an, zu disputieren

Auf diese Antwort des Herrn Lorenzen kam die Magd, welche wir zuvor ausgezogen hatten, und forderte ihren Abschied. »Herr«, sagte sie, »ich mag bei meiner Treu nicht mehr bei Euch bleiben. Ihr meinet, ich sei gar eine Hure. O bildet Euch nur solche Sachen von mir nicht ein! Ich bin ein ehrlich Mensch, und meine Mutter hat manchen sauren Tritt tun müssen, denn sie handelte mit Essig, und die Studenten zu Linz werden ihr's mit großem Ruhm nachzusagen wissen, daß sie die ganze Zeit, weil sie ihnen ihre Hemden, Halskrausen und Schnupf-Servet gewaschen, sich allezeit wohlgehalten habe. So war auch mein Vater ein vornehmer, wohlgeschickter und hochansehnlicher Mann.« »Hörst du«, fiel ihr Herr Lorenz in die Rede, »wer war er denn?« »Erstlich«, sagte sie, »ist er ein Müller gewesen. Da war er ein Vornehmer, denn er nahm den Leuten das Mehl allezeit vor hinweg. Danach so war er ein Wohlgeschickter, wie ich ihn zuvor geheißen habe, denn als ihm das Müllerhandwerk nicht mehr zuschlagen wollte, so brauchte ihn die Herrschaft zu Puchheim für einen Ordinariboten, da war er ein wohlgeschickter, denn man schickte ihn bald auf Lambach, bald auf Wels, bald auf Vöcklabruck und bald auf Oberweis bei Gmunden und so weiter im Ländel herum. Wie er nun drei Jahr ein wohlgeschickter Mann gewesen, so wurde er letztlich hochansehnlich, denn man ließ ihn, weiß nicht weswegen, an den Galgen hängen, und wer ihn sehen wollte, mußte den Kopf in die Höhe heben. Also war er, wie ich Euch gesagt habe, hochansehnlich, wie Ihr Euch selbst leicht werdet einbilden können.«

Über diese Erzählung der Magd lachte Herr Lorenz und sagte: »Du Teufelshure, ich lasse dich nicht weg, und sollst du mir Hirschhörner auf den Kopf hinaufzaubern. Alle Menschen von fröhlichem Gemüte habe ich lieb, du hast ein fröhliches Gemüt, ergo so habe ich dich auch lieb. Für die Kurzweil will ich dir drei Taler schenken. Dafür kaufe dir einen neuen Kittel, und wenn du mir den bloßen Hintern zeigst, so lasse ich dir ein schönes Mieder dazu machen. Ihr Narren, wenn man sich ein wenig mit euch vexieret, so begehret ihr stracks euren Abschied. Ich lobe meinen Hansen, das wird ein Kerl von Fortun werden, er bleibt gerne bei mir und disputiert wacker von der Religion. Wenn du nun auch etwas vorzutragen hast, so steht dir die Gelegenheit offen. Ich will dich unterrichten und alle Zweifel auflösen, sie seien gleich groß oder klein, hoch oder niedrig, kurz oder lang, weit oder eng, lang oder breit, alt oder neu. Denn ich bin Doctor und Professor auf meinem Schlosse, derohalben frag ich dich, was Glaubens bistu?« »Herr«, sagte sie, »ich bin Eures Glaubens.« »Nu«, sagte er, »ich glaube, daß du eine Hure seiest.« »Ei ja«, antwortete die Magd, »so glaube ich, daß Ihr ein Schelm seid.« »Ha«, sagte Herr [35] Lorenz, »du bist meines Glaubens, dich habe ich auch lieb. Wenn der Hans so geschwinde antworten könnte als wie du, ich ließe ihn morgen auf Ingolstadt hinaufziehen. Aber nun frage du mich auch etwas.« »Herr«, sagte sie, »was ist das: Der Zweifuß saß auf dem Dreifuß und machte einen Einfuß. Da kam der Vierfuß, riß ihn über den Dreifuß und nahm ihm den Einfuß. Könnt Ihr's erraten?« »Ha«, sagte er, »du fragst hohe Religions-Scrupel aus mir. Es ist ein Schuster, der saß auf dem dreibeinigen Stuhl. Er machte einen Schuh, da kam der Hund und riß ihn vom Stuhl, daß der Hundsfutt den Arsch in die Höhe reckte, als wollte er damit stellatim gehen, nahm ihm also den Schuh weg, und so habe ich deine närrische Frage beantwortet. Morgen aber sollst du dafür einen Häring haben. Mache mir das Bett fein gut, und du, Hans, lies ein Capitel oder zwei aus dem Simplicissimo und erzähle mir fein hübsch, wie es ihm bei dem faulen Dragoner gegangen. Lebte derselbe Dragoner noch, ich wollte ihn zu meinem Haushofmeister und noch dazu zum Vize-Lorenz hinter der Wiesen machen.«

Capitul 12

Capitul XII
Herr Lorenz reitet auf eine Hochzeit

In dieser Zeit bekam Herr Lorenz ein Hochzeit-Schreiben folgenden Inhalts: »Geliebter Herr Bruder! Ich weiß, daß du nicht gern lange Briefe liesest, darum mache ich's kurz und vermelde, welchergestalten ich künftigen Sonntag acht Tage, wird sein der 23. Februarii, mit der adeligen Jungfer Christiana Katzenschwänzin allhier zu Furzdorf werde Hochzeit machen. Zu solcher lade ich dich freundlich ein und versehe mich deiner Gegenwart so gewiß, so gewiß du der glückseligste Edelmann in der ganzen Welt bist. Vale!«

»Saprament, Hans«, sagte Herr Lorenz nach Verlesung dieses Schreibens, »der Kerl weiß, nach was für einer Pfeife ich am liebsten tanze. So muß man mir aufwarten, wer mich recht respectieren will. Hei, es freut mich dennoch, daß die Schabhälse erkennen müssen, daß ich der vergnügteste und glückseligste Cavalier in der ganzen Welt bin. Ich bin's auch und werde es jederzeit sein und verbleiben, aber warum sind die Eselsköpfe nicht auch so glückselig wie ich? Ließen sie sich den Buckel krauen wie ich, so würde die Sache bald ein anderes Aussehen haben. Aber so lange sie ihren Alfanzereien nachgehen und dem keinnützigen Frauenzimmer aufwarten, so lange haben die Narren das Krauen hinter den Ohren und können zu keiner Perfection des zeitlichen Lebens geraten. Hans, ich habe mich geresolvieret, auf die Hochzeit zu reiten. Saprament, da will ich lustig sein! Was ich nicht mag, das sollst du zu fressen bekommen, und sieh nur beizeiten um einen großen Kalier, darein du die Bißlein schieben und aufheben [36] kannst. Ich weiß, daß sie stattlich tractieren werden, darum so muß ich mich auch sehen lassen, was ich bin und was ich vermag. Hans, alle meine Leute auf dem Schlosse müssen mit mir, und wenn ich bei der Tafel den Namen Hans rufen werde, so muß nicht etwa einer oder der andere, sondern alle müsset ihr gelaufen kommen. Alsdann werden die Gäste denken: Potz Stern, wie ist dieses ein prächtiger Edelmann! Hat er nicht fleißige Aufwärter, sind dies nicht fixe Diener? Ja, Hans, da werdet ihr einen Respect verdienen, der die Küsterswürde um sechs Grad übertrifft.«

In diesen Gedanken ging die Zeit allgemach herum. Da machte er sich mit mir und dem Torwärter samt noch andern vier Knechten auf den Weg, weil er willens war, frühzeitig auf der Hochzeit zu erscheinen. Wir mußten über eine Fähre, und weil solche von dem stark anhaltenden Frost ganz verfroren war, mußten wir den Fluß besser hinunter und also über eine Brücke reiten, dadurch wir an der vorgenommenen Reise über vier Stunden verhindert worden.

Die Spielleute strichen gleich den Tanz »Es ging ein Bettelmann aus Ungarn heraus«, als wir vor dem Hochzeitshause angelanget und Herr Lorenz von dem Bräutigam mit einem Glas Wein über das Fenster bewillkommet war. Hiermit stiegen wir alle von den Pferden und begleiteten unsern Herrn eine steinerne Treppe hinauf, an deren Ende die Tür in die Hochzeitstube war, darin man ob- und untereinander fressen und saufen sah, daß einem Hungrigen das Maul davon hätte mögen wässerig werden.

Als man hörte, daß Lorenz hinter der Wiesen angekommen, stand alles auf, den wunderlichen und im ganzen Land berufenen Menschen zu sehen. Und aus dieser Curiosität gebrauchten sich etliche, so von fern saßen, ihrer Brillen und Perspective, andere aber, die etwas kürzer von Statur, standen auf Bänk und Stühle, und der gemeine Haufen der Aufwärter bestiegen den Ofen, und weil dieses Volk nach angeborenem Brauch etwas unbescheidener umgegangen, brachen sie den Ofen ein und wurden ihrer etliche von eingelegtem Feuer verbrennet. Dieser Aufstand und Spektakel kitzelte Herrn Lorenzen in dem Herzen und: »Siehstu, Hundsfutt«, sagte er mir ins Ohr, »wer ich bin? Ist es doch als ob ein großer Potentat angekommen wäre. Gelt, ich kann die Leute in Verwunderung stürzen, daß sie weder fressen noch saufen können? Ha, es wird noch lustiger werden, lasse dir nur die Zeit nicht lange sein!« Mit solchen Worten setzte man ihn unter die Vornehmsten, weil er nicht allein als ein von einem vornehmen Geschlecht herstammender, sondern auch als ein über die Maßen kurzweiliger Mensch dahin von den andern ist begehrt und verlanget worden.

Capitul 13

[37] Capitul XIII
Lorenz gibt auf alle Fragen Bescheid und informiert das Frauenzimmer

Es ist eine alte Gewohnheit, bei Hochzeiten lustig zu sein, aber gar eine junge Gewohnheit ist es, bei Hochzeiten hoffärtig zu sein. Die Lust entspringet teils aus der angenehmen Conversation der gegenwärtigen Freunde und anderer Bekannten, aber die Hoffart führt einen weit anderen Grund, und woher sie entspringet, brauchet keiner großen Auslegung, weil genugsam bekannt, daß bei solchen Zusammenkünften jeder der Vornehmste sein will. »Ha«, sagte Lorenz von der Wiesen, als er vermerkte, daß etliche nur darum hohe Reden führten, auf daß sie von andern für gelehrt angesehen würden, »ihr seid und werdet sein die allernärrischsten Affen. Warum und aus was für einer Ursach machet ihr solche fremde und unbräuchliche Mienen über- und gegeneinander? Man weiß gar wohl, wer ihr seid und wer eure Väter gewesen, und dennoch bildet ihr euch mehr ein als sich dieselben eingebildet haben und seid doch nicht so klug, wie dieselben gewesen sind. Sie ließen es bei der alten deutschen Mode verbleiben, aber ihr suchet statt der alten deutschen Wörter lauter französische Terminos auf, dadurch man das Krauen in den Ohren krieget. Ach, ihr guten Freunde, ich rede es euch zum Besten, und ihr habet keine Ursach, deswegen auf mich böse zu werden oder mich bei dem krummfüßichten Hufschmied Vulcano zu verklagen. Es ist beim Rasperment wahr und gewiß, daß, nachdem wir die alte deutsche Treue von uns gelassen, ist auch die alte Glückseligkeit von uns gerücket. Ihr saget gegeneinander: ›Bruder, hole mich der und der, ich bin ein teutsches, aufrichtiges Gemüt, das weder durch Wasser noch Feuer, durch Regen noch Schnee kann anders werden.‹ Seid ihr dann nach eurem Vorgeben teutsch, warum redet ihr französische Fratzen in eurem Gespräche? Ein Teutscher ist ein Teutscher, und ein Franzos ist ein Franzos. Redet ihr wie die Franzosen, was seid ihr dann für Teutsche? Ach, ihr guten Bürschlein, ihr tut es nicht allein, sondern es kommet jetziger Zeit auch sogar das Frauenzimmer angestochen und fänget an, französische Terminos in ihre Reden einzumengen. Saprament, ihr Bürgersmägdchen, die Rute stünde euch viel besser auf dem Hintern als die französische Sprache im Maul! Wer die Franzosen im Mund liebet, der bekommt sie endlich noch an den Leib. Ihr bildet euch ein, durch eure Narrenpossen große Bäume umzuhaun, aber wenn man's bei dem Grund und an der Wurzel ansiehet, so habt ihr einen Floh totgeknacket, welcher euch durch den Tag im Hemde herumgehüpfet. Meinet ihr, ihr alberne Knopflöcher, daß euer Maulmachen respectiert werde? Nein, bei meiner Treue, nicht ein Haar hält ein kluger Kopf auf euer Parlieren. Denn ihr habt in allen Sachen kein rechtes Fundament, und darum [38] hofiere ich auf euer französisches Einmengen. ›Ja‹, sagt ihr bei euch selbst, ›der und der hält viel von meinen Discursen. Der und der hat beteuert, daß er all sein Leben lang niemand so klug von der Sache als eben mich reden gehöret.‹ Aber wisset, o ihr törichten Seich-Taschen, solche Gesellen grüßen den Zaun wegen des Gartens. Sie sagen: ›Ach, was ist das für ein herrlicher Zaun! Wie schön ist er geflochten!‹ Was meinen denn solche Gesellen durch den Zaun? Nichts anderes als den Garten, schlagen also auf den Sack und meinen den Esel. Darum so wisset ihr selbst besser, warum sie euch loben, nicht wegen eurer Geschicklichkeit, denn die habt ihr nicht, sondern wegen der Quintern, die wollen sie euch gerne visitieren und ihren Stilum applicieren. Saprament, ihr Jungfern oder wer ihr seid, diesen Endzweck hat das Lob eurer Galanen und Liebhaber. Sie geben euch große Titel und suchen das Mittel, loben eure Krausen und wollen euch lausen. Ha, ich muß euch auslachen, ihr Narren. Betet dafür ein paar Paternoster, das nützet euch mehr als ein figermentisches Compliment! Ihr saget: ›Ich will patientia halten‹, und wenn man euch fraget, wie patientia im genitivo pluralis hat, so wisset ihr's nicht. Was ist denn euer Latein? Ach, lasset solche Sachen bleiben, denen ihr nicht gewachsen seid! Der etwas ohne Grund redet, den hält man für einen Lügner, was seid dann ihr, wenn ihr solche Sachen redet, deren Grund euch ganz verborgen ist? Wahrhaftig, dieses haben die Huren am allergemeinsten, daß sie jederzeit etwas suchen, dadurch sie von andern Weibsbildern mögen verschieden sein. Was suchet ihr aber euch selbst in den höchsten Verdacht eurer Ehre zu stürzen, wenn ihr mit Hintansetzung der euch zustehenden Einfalt euch hoch heraus brüstet und statt der jungfräulichen Demut lauter hurische Hoffart ausspeiet? Ha, dadurch habt ihr mir einen Ekel gemachet, euch zu lieben, und ich halte viel mehr auf einen Furz als auf all euer Dicentes, so sehr auch dasselbe mit ausländischen Wörtern gespickt ist. Teutsche Einfalt [ist] die beste Klugheit, hätten wir diese, kein Philosophus von Athen soll unser Meister werden! Aber nachdem alle Narren den Ausländern mehr als sich selbst geglaubt, sind sie durch ihre eigene Meinung bis auf den Grund und das äußerste Verderben betrogen worden.«

Diese Rede, ob sie gleich dem anwesenden Frauenzimmer trefflich in die Ohren gegangen, wurde doch zum Besten ausgeleget, weil man nach dem gemeinen Ruf des Pöbels allenthalben dafür gehalten, daß Lorenz hinter der Wiesen nicht wohl bei Sinnen und seine Klugheit mit dem abwechselnden Monde veränderte. Aus dieser Ursach wurden seine Reden vielmehr belachet als bezürnet, und was noch das meiste dabei war, so bejahten ihrer viele die Meinung meines Herrn mit unterschiedlichen Umständen, dadurch sie die allenthalben eingeschlichenen Complimenten des Frauenzimmers verachteten. Andere aber vermeineten, daß, unerachtet Herr Lorenz solches aus einer unbedachten Gurgel herausgestoßen, müßte man ihm doch solchen [39] Fehler, welcher das edelste Geschlecht dieser Erde, nämlich das Frauenzimmer beträfe, nicht für gut, sondern für Unhöflichkeit halten, mit welcher ein Cavalier seinesgleichen nichts sollte zu tun haben. Also gab es leichtlich widersinnige Meinungen, weil jeder für das Frauenzimmer das Beste tun wollte. In Ansehung aber, daß Lorenz hinter der Wiesen ein durchtriebenes Ingenium hatte, welches auch die Allerklügsten abzuwürzen gewohnt war, unterließen sie ihre Defension aus Furcht, daß ihnen von demselben nicht ein Gleiches begegnen möchte. Denn sie wußten am besten, wo sie der Schuh drückte, und wie eine häufige Materia mein Herr, der ehrliche Lorenz, finden würde, sie durch alle Praedicamenta hindurchzuziehen. Dies alles ungeachtet, fing doch ein auf dem andern Tische sitzender Edelmann an, und weil er wußte, wie Lorenz hinter der Wiesen neulich von einem Capuciner wäre examiniert worden, fragte er ihn und sprach: »Monsieur Lorenz, was machen die Capuciner?« »Ha«, antwortete er, »sie fressen gebratene Hühner.« Jener fragte wiederum: »Was machen denn die Jesuiter?« Lorenz antwortete: »Sie küssen die Nonnen durchs eiserne Gitter.« Der Erste fragte weiter: »Was machen denn die Karthäuser?« Lorenz replicierte: »Sie fressen die Schnecken und scheißen in die Häuser. Darauf möchtet Ihr zu Gast geladen sein.« Auf diese Antwort Herrn Lorenzens entstand in dem Hochzeitzimmer ein großes Gelächter, und den Spielleuten wurde geboten, Lärmen aufzugeigen, weil man befürchtete, die Wortwechselung möchte zu weit in die Schrift geraten.

Die vorige Antwort Herrn Lorenzens erweckte in vielen eine Begierde, fernere Unterredung mit ihm zu halten, und weil etliche zugegen waren, die gar nichts oder wenigstens nicht viel vom katholischen Glauben hielten, vermeinten sie nach seinen Discursen, einen guten Fisch in ihre Küche zu fangen. Fragte ihn deswegen einer aufs neue und sprach: »Herr Lorenz, was machen die Canonici regulorum?« »Ha«, antwortete er, »teils sind Doctores, teils sind Narren.« Über diese Antwort wurde noch mehr gelacht als über die vorige, und weil der Tumult bei den Zuhörern zu groß war, überhörte ich viel, welches hier wohl statthaben könnte, aufgezeichnet zu werden. Denn ein kurzweiliger Mensch findet in dergleichen Zusammenkünften mehr als tausendfältigen Anspruch und muß wohl beschlagen sein, einem jeden unter dem Pöbel Bescheid zu tun.

Etliche unter den Anwesenden hielten viel, andere hingegen wenig von ihm, die meisten aber hielten [ihn] für einen großen Atheisten und allgemeinen Leutespotter, welcher seine Ruh in den zeitlichen Gütern suchte, dadurch er seine Seele der ewigen Unruhe übergeben würde. »Ja«, sagte ein anderer Edelmann seinem Nachbarn heimlich ins Ohr, »dergleichen Vögel gibt es anjetzo hin und wieder heim- und öffentlich, die auf nichts mehr studieren, als ihren Nächsten durchzuziehen. Sie züchtigen andere mit einer Rute und wissen nicht, daß sie durch ihre eigenen Laster einen großen Staupbesen verdienet [40] haben, strafen also in der Zeit, welche ihnen zu ihrer eigenen Strafe dienen sollte. Was hilft es und was ist es nutz, seinem Nächsten seine Fehler auf eine so verdrüßliche Art vorzulegen, und ein solcher Hechler wird billig einem toten Spiegel verglichen, welcher andern ihre Flecken vorstellet, aber seine eigenen Makel niemals sehen kann.«

Capitul 14

Capitul XIV
Etliche Schulfüchse diskurrieren von der Gemütsvergnügung

Über dieses entstand unter etlichen Gelbschnäbeln auf der Hochzeit eine Frage, ob denn Lorenz hinter der Wiesen seinem Vorgeben nach eine wahre Gemütsruhe besäße, oder ob es vielmehr eine angeborene Faulheit zu heißen wäre, welche mit keiner Tugend könnte in Consideration gezogen werden. Da hörte ich so viel Judicia, als viele ihrer über diese Frage zu scrupulieren angefangen. Signor Fuchsschwanz war der erste, der sprach also: »Monsieurs, diese Frage aufzulösen, muß man wohl wissen, was eigentlich durch die Gemütsruhe verstanden werde, item was die Gemütsruhe an sich selbst ist. Als erstlich, wenn ich dafür halte, daß ich exempli gratia im Wildbretschießen oder Hasenjagen meine Gemütsruhe suche, so ist sie eine Gemütsruhe und ist auch keine. Denn indem ich arbeite, so ruhe ich nicht und ruhe doch, denn ich stelle in solcher mühsamen Arbeit mein Gemüt zufrieden, ob ich schon dadurch und in Suchung dieser meine Glieder höchst beschwerlich mit Mattigkeit belade. Ist also dieses eigentlich die wahre Gemütsruhe, worin ich meine höchste Vergnügung suche.« »Nein«, sagte sein Nachbar, »Monsieur Naseweis, Bruder, du fehlest weit, denn du nimmst das Honestum und Salutare nicht in acht. Saprament, es ist gut, daß kein Gelehrter hier zugegen gesessen, sonst hätt er dich mit dem Priscianus über die Fresse geschlagen, daß dir die verschluckten Hochzeitskuchen zum Hals herausfallen müssen. Gelt, Herr Vetter Großsprecher, ich sage die Wahrheit. Ihr seid um fünf Jahr länger als ich auf der Schul gewesen. Drum sagt uns, was ist eigentlich die wahre Gemütsruhe und was heißt das Honestum wohl in Obacht nehmen? Mein Praeceptor schwätzte vor diesem seinen Haufen davon, aber wenn ich abends mein Ordinari-Pfeifentoback aussoff, so fielen mir die Narrenpossen so geschwind aus dem Kopf, so geschwinde sie mir zuvor eingefallen waren.«

»Ihr Herren«, sagte Herr Großsprecher, »meine Auslegung hierüber grundmäßig und wohl zu verstehen, müsset ihr erstlich auf die Seite setzen das Jucundum, denn non omne jucundum est honestum und non omne honestum est jucundum. Bei dieser Distinction müsset ihr in acht nehmen das ens finitum in gradu excellentiori, quatenus intellegitur ut sic; denn es ist gewiß, daß die realitas animi sei non [41] ens intellectus. Ist nun der Verstand respectu adaequatioris positivae formaliter zur Lust geneigt, ich sage formaliter, so folget necessario, daß die gradus infinitae positionis die gradualitatem sensus weit mehr als proportionaliter übersteigen. Nun, nachdem man solches wohl verstehet, ist weiter zu wissen, daß die Gemütsruhe auf tausenderlei Art und Manier kann verstanden werden. Erstlich zwar als ein ens physicum, fürs andere als ein principium theoreticum, fürs dritte als eine realitas intrinseca philosophice sumpta, fürs vierte als eine contrarietas positiva theologica. Fürs fünfte ist es gar schön zu heißen ein respectus formalis adaequationis harmonicus und so weiter. Jetzt fragt es sich, ob [wo?] dieses ens, nämlich die Vergnügung, seine radicalitatis formam hernehme, ob es komme aus einer negativa sensualitate oder positiva suppositione, scilicet quatenus esse videtur substantionalitas in rei esse formaliter sic dicta. Oder ob es vielmehr herkomme ex abstractione concreti entis. Ich sage, und ist auch aller Gelehrten Meinung, daß hierin die formalitas dispositionis mentalis sein ens verwandele in ein quasi non ens respectivum, und solchergestalten ist der Handel richtig. Ob aber Herr Lorenz dieses verstehe oder nicht, und warum er eigentlich seine Gemütsruhe in solchen Sachen suchet, das weiß ich nicht.«

Aus dieser Antwort wußten die Herrn Interroganten so viel als zuvor, und als ich mich unter dem Volk etwas genauer erkundigte, so war dieser Herr Respondent ein abscheulicher philosophischer Narr, welcher Tag und Nacht mit nichts als solchen Alfanzereien umging und dadurch den Rhein auszutrocknen vermeinte. Solche Narren werden nicht allein von niemandem verstanden, sondern noch dazu von allen ausgelachet.

»Ja«, sagte ein Jung, welcher neben mir seiner Frau mit einem Teller hinter dem Arm aufwartete, »es liegt ein Haus in der Au, das heißet man das Narrenspital. Neulich war ich mit meiner Frau darin, ich kann nicht sagen, was für ein Haufen lateinische Narren drinsitzen. Sie schwatzen so wunderlich Zeug untereinander, daß ich mich fast krank gelachet. Einer unter diesen Narren heißt der Doctor ohne Bart, der schreit in seinem Gefängnis wie ein natürlicher Gassenarzt, und wie der Kerkermeister seine Kammer aufmachte, ließ er einen Furz wohl drei Klafter lang.«

Über diese Erzählung des schnackischen Jungen fingen wir Umstehenden laut zu lachen an, und als mich Herr Lorenz fragte, warum wir ein solches Fest trieben, sagte ich ihm von dem Narrenspital und was sich in demselben mit dem Doctor ohne Bart zugetragen. Durch dieses bekam mein Herr Gelegenheit, sich wegen der Wahrheit des Narrenspitals bei gegenwärtiger Gesellschaft zu erkundigen, und sagte: »Monsieurs, Sie verzeihen meiner Freiheit, daß ich Sie fragen darf, ob dem gemeinen Ruf gemäß in der Au ein Narrenspital aufgerichtet worden, und wer hat solches bauen lassen?« »Mein Herr Lorenz«, sagte ein Altbetagter von Adel, »Er ist hiervon [42] nicht unrecht berichtet worden. Das Narrenspital ist vor gar kurzer Zeit verfertiget und auf Befehl eines vornehmen Herrn aufgebaut worden, darin allerlei schnackische und von der menschlichen Vernunft entfernte Gemüter anzutreffen.« »Ha, Saprament«, sprach Herr Lorenz, »kann man den Ort denn nicht zu sehen bekommen?« »Warum das nicht?« antwortete der vorige. »Es ist um ein paar oder drei Groschen zu tun, [so] kann Er alles aussuchen, was darin enthalten und anzutreffen ist. Gewiß, das Geld wird den Herrn nicht reuen, und mir zweifelt nicht, daß der Herr alle Lust darin genießen soll, zumal Er ohnedem eines lustigen Humors ist und die Grillen viel leichter als ich oder einer meinesgleichen behalten kann.«

Capitul 15

Capitul XV
Lorenz reitet mit adeliger Gesellschaft ins Narrenspital, findet unterwegs eine halb tote Frau

Hierauf wurde unter etlich anwesenden Gästen kurz resolviert, den Doctor ohne Bart und die andern Narren alle zu sehen, und mengten sich ihrer viele in die Compagnie, denen man es nicht sollte angesehen haben, daß sie große Liebhaber von solcher Curiosität wären. Niemand war lustiger als ich, deswegen spitzte ich mich auf die Abreise, wie ein lausiger Schüler auf den Degen. Und weil ich's bei meinem Herrn gewohnt war, ließ ich einen heimlich in die Hosen fahren. Das stank bei der Hochzeitstafel wie der Teufel. Nichtsdestoweniger durfte doch das Frauenzimmer sich dessen nicht beklagen, noch tun, als ob sie es riecheten, darüber ich mich fast halb bucklicht gelachet, denn zu solchen Sachen war ich perfect abgerichtet, und je ärger ich's machte, je lieber war es meinem Herrn. Ja, ich hatte auch einen Hund an der Seite, wenn ein Gast sich zurückwandte und fragte, was so stänke, so stieß ich den Hund mit dem Fuß in die Seite, daß er hätte voneinanderplatzen mögen. Und solches trieb ich so oft, als oft ich in einem schlimmen Verdacht war.

Damit aber meiner hochwichtigen Reise nicht vergessen werde, machten wir uns insgesamt nach vollzogener Hochzeits-Ceremonie halb toll und voll auf den Weg. Denn weil bei dergleichen Zusammenkünften viel Gesundheits- und Brüderschafts-Formuln sich zutragen, säuft man sich desto leichter einen Rausch, und es konnten's die Herren nimmer so gut machen, daß wir Jungen uns nicht gleichermaßen unterstanden, uns untereinander mit den Biergläsern herumzubeißen und Bescheid zu tun. So kamen wir trunken auf den Weg, und weil das Gebäude des Narrenspitals etwas weit von dem Hochzeithaus abgelegen war, machten wir uns noch selbigen Abend auf den Weg, damit wir des folgenden Morgens desto besser Zeit und Raum hätten, die Kammer der Narren zu besichtigen. Also ritt die [43] adelige Suite voran, und wir Jungen folgten teils zu Pferde, teils zu Fuß hintennach und zerrissen unterwegs einander die Liberey-Röcke, weil wir sonst kein Mittel ersahen, uns den Weg, als eben durch diese Kurzweil, zu verkürzen.

Wir mußten durch einen großen Wald, außer welchem der gemeinen Sage nach das Spital in einer großen Au aufgerichtet stand, und daher hieß man es das Narrenspital in der Au. Deswegen hofften wir, den Ort bald zu sehen, weil wir allgemach eine Säule erreichet, die den halben Wald entscheiden sollte. Als wir diese Säule vorbei waren, erhob sich vor uns ein jämmerlich und erbärmliches Geschrei, dergleichen ich noch die Zeit meines Lebens nicht gehöret hatte. Erstlich glaubten wir, es ginge ein Mord vorüber, weil die Wüstenei dieses Waldes einen ziemlichen Aufenthalt der Diebe gestattete, welche vom Leute-Morden sonst Profession zu machen pflegen. Deswegen machten die vom Adel ihr Gewehr fertig, und die Diener griffen zu ihren Degen, welche sie, wie ich glaube, noch niemals herausgezogen hatten. Darum ist es desto glaubwürdiger, daß sie mit denselben noch niemanden beschädigt oder über den Rumpf gehauen haben. Mir war bei der Sache angst und bang, und die Lust, die ich zuvor getragen habe, das Narrenspital zu sehen, wurde mir durch diese ungewisse Furcht trefflich versalzen. »Ach«, sprach die Stimme, »kommet mir zu Hilfe, ehe ich mein Leben verliere! Helfet, helfet, sonst ist's um mich geschehen!« Diese Worte verstärkten die vorige Mutmaßung, und Herrn Lorenzen war bei der Sache fast wie mir, und wenn er Schanden halber nicht hätte fortgemußt, er wäre ohne allen Zweifel wieder zurück und vor dem Streit hinter seinen Ofen gekrochen. Aber da half nichts davor, also kamen wir endlich mit tausend quälenden Sorgen an den Ort des Lamentierens, sahen aber nichts als eine Weibsperson von hübschem Ansehen, die klagte uns, wie sie uns nach ihrer Aufhilfe ihren Zustand erzählen wollte. Deswegen zogen wir sie aus dem Graben, darein sie geworfen ward, nach welchem sie sich an der Straße niedersetzte und folgends zu erzählen anfing.

Capitul 16

Capitul XVI
Diese beklagt sich wegen der Weiber-Hechel

»Ihr Herren, es ist nicht lang, daß ein Buch in die Welt ausgeflogen, so geheißen wird die Reitschul. Nun muß ich gestehen, daß ich all mein Tag nicht so sehr als in selbigem Tractat durchgezogen worden, obschon der Autor meinen Nam nicht genennet, sondern nur wie die Katz um den Brei herumgegangen. Aber ich merkte doch wohl, wo er ausgewollet und welch eine saubere Larve er vor das Gesicht geheftet. Ich habe noch eine Nachbarin, die gleichfalls gute Kopfnüsse in demselben Büchlein davongetragen, und wie es uns zum ersten [44] Mal unter die Augen gekommen, beklagten wir uns bei der Fürstlichen Canzlei. Aber ich kann nicht sagen, wie man uns daselbst ausgelachet hat, denn wir sollten beweisen, weil wir mit Namen nicht genannt waren, ob wir diejenigen wären, die in dem Büchlein durchgezogen sind. Wir wußten nicht, was hierin zu tun wäre, fragten deswegen einen Advocaten um Rat, der sagte: ›Liebe Frauen, kurz von der Sach zu kommen, so habt Ihr eine närrische Sache unterfangen, denn so Ihr's probiert, daß Ihr getroffen seid, so bekennet Ihr zugleich die Laster, wegen welcher Euch dasselbe Büchlein strafet. Gebt Ihr Euch nun derselben Laster schuldig, warum beklagt Ihr Euch dann über die Züchtigung, so Euch begegnet? Ich heiße Justus Justinianus. Wenn nun ein Buch ausgehet, in welchem geschrieben stehet: Casparus Maulwurf ist ein Ehebrecher, und ich sagte, das ginge mich an, so geh ich mich des Lasters schuldig. Ihr hättet viel klüger getan, daß Ihr Euch gar nicht um die Reitschul angenommen hättet. Denn, gesetzt Ihr seid so schlimme Huren, wie in dem Büchlein stehet, so sollt Ihr tun, als gehe es nicht Euch sondern andere an. Saget Ihr aber: Es sind lauter solche Sachen, die auf uns zielen und die ohnedem bekannt genug sind! so sage ich, warum beklagt Ihr Euch dann? Sind Eure Laster und Narrenspossen ohnedem bekannt genug, so liegt nichts daran, ob man davon redet oder schreibet.‹

Weiter gab er uns einen andern Rat und sagte, wir sollten wider den Autorem ein anderes Buch schreiben lassen und ihn auch wacker durch die Hechel ziehen. Aber uns ist genugsam bekannt, daß wir wenig mit ihm ausrichten werden, zumal er viel eher ein Buch als wir vier Bogen Papier verfertigen kann. Darum so paßten wir auf nächstgelegenem Schlosse mit zwei Mägden auf seine Person, weil er auf der Reise begriffen war, das Narrenspital zu besehen. Als er nun vor einer Stund auf einem Schimmel den Wald hinausgeritten kam, setzte ich mich zu Pferde, ihm nachzujagen und mit einer Pistole in den Rücken zu brennen. Aber weil ich des Pferde-Wendens ungewohnt war, machte er meinen Gaul so scheu, daß er mit mir durchgegangen und mich hier in die Grube geworfen, wo ich schon eine halbe Stunde mehr als sinnlos gelegen. Es ist mir nur für mein Pferd leid, welches sich hier in dem Wald verlaufen hat. Ach, hätte ich mich doch um die schindmäßige Reitschul nicht angenommen! Nun lacht mich der Autor heimlich aus, und [ich] muß dazu in großen Verlust geraten.«

»Seid Ihr nicht Narren?« sprach hierauf ein Edelmann, »Ihr Weiber, Ihr Frauen, Ihr Affen, daß Ihr über ein solches Buch zornig werdet, in welchem Euer Bestes gesuchet wird? Derjenige, so mir saget, wo ich fehle, der ist mein Guttäter. Warum wollet Ihr denn solche Wohltaten mit einer zorngierigen Verfolgung vergelten? Ha, welch eine große Unbesonnenheit! Verdrießt Euch's, daß man Eure Fauten drucken läßt, warum schämet Ihr Euch dann nicht, solche zu begehen? Haha, weil wir ohnedem auf dem Weg begriffen sind, so kommet [45] mit uns ins Narrenspital, dort wollen wir für Euch und Euresgleichen eine eigene Kammer bestellen. Der Advocat, so Euch den Rat gegeben, ist kein Narr und vielleicht um vier Unzen klüger als der Doctor ohne Bart, welchen wir bald hören wollen. Wer weiß, was Ihr dem Autor zuwider getan habt? Ich habe schon von der Sache gehört. Glaubet nur nicht, daß Ihr ihm die Feder aus der Hand reißen werdet! Ihr habt ihm eine grobe Suppe angerichtet, nun laßt Euch's nicht wundern, daß er Euch grobe Brocken einbrocket. Ihr dürft nicht glauben, daß Ihr allein Frauen in der Welt seid. Andere Leute sind auch keine Narren, es ist gar recht, daß man Euch eine gute Lection vorlese. Warum bessert Ihr Euch nicht, ihr Strahlhexen? Nur geschwinde mit uns, fort fort, oder ich prügle mit meiner Karbatsche drauf los! Ihr müsset ins Narrenspital, davor hilft kein Großtun noch Ausrede.« »Ach, Ihr Herren«, antwortete die Frau, »ich gehöre einem vornehmen Herrn zu, derselbe ist gar viel in der Stadt Nobiscum und kann Euch oder den Euren noch große Dienste tun.« »Ja, ja«, antwortete der Edelmann, »das lasse ich zu. Was ist ihm aber geholfen, daß er eine so närrische Frau zuhause hat? Ist es nicht besser, daß sie im Narrenspital sitze, als daß sie zuhause solche Grillfängereien wider ein Buch führe? Geschwinde, geschwinde, auf die Bein, oder ich schmeiße zu!« »Ach, Ihr Herrn«, sagte sie, »weil ich sehe, daß es Euer Ernst ist, so muß ich doch die Herren fragen, sind sie auch Liebhaber von der Musik?« »Freilich«, antwortete der Edelmann, »nur mehr als zuviel.« »Nun«, sagte sie, »so muß ich's gestehen, wer mein Mann ist, er ist ein Organist.« »Haha«, sagte der Edelmann, »die Organisten sind auch nicht allemal klug. Man sagt, daß unter hundert nur einer klug sei, so folget, daß die andern neunundneunzig Narren sind, und einem unter solchen neunundneunzig gehöret Ihr zu.« »Ach nein«, sagte die Frau, »er ist nicht allein ein Organist, sondern auch ein gar vornehmer Ratsherr.« »Ei«, sagte der Edelmann, »Ratsherr hin, Ratsherr her, er muß die Treppe hinunter, und wenn's der Bürgermeister selbst wäre. Man wird Euch nichts Neues machen. Ha, Ihr guten Leute, haltet Euch danach, daß man Euch nicht strafen kann, so dürft Ihr nicht ins Narrenspital! Nur bald und geschwinde, oder ich schlage zu!« Diese Worte trieben die arme Frau von der Stelle, da sie bis daher aus Mattigkeit gesessen hatte, und weil es nicht anders sein konnte, bat sie um ein warmes Logiament, weil ihr fetter Leib der Kälte ganz ungewohnt war. So führten wir sie ins Narrenspital, welches in einer großen Au sehr zierlich und wohl gebauet war. Unsere Herren brauchten sich von ferne der Perspective, das Gebäude desto ausführlicher zu betrachten, und es ist nicht zu sagen, wie sehr sie die Architectur lobten, welche der Baumeister daran angewendet hatte.

Capitul 17

[46] Capitul XVII
Sie sehen auf dem Saal allerlei Narren

Sobald wir daselbst angelangt, stieg alles von den Pferden. Herr Vogibilis aber, welcher die besagte Frau mit sich auf dem Pferde geführt hatte, machte seine Sache etwas länger denn die andern, weil er sich unterwegs in dieselbe heimlich verliebt und also mit ihr ein anderes Gespräch von der Liebe angefangen hatte. Man hatte wegen Betrachtung des Gebäudes auf ihre Handlungen keine sondere Achtung, deswegen ersah er seinen Vorteil und entwischte mit ihr auf eine Abseite in einen nächstgelegenen Busch, wo sie ihm versprochen, sich wacker abstöbern zu lassen. Wir indessen, dieser Abrede ganz ungewahr, lasen die Obschrift an dem Haus, welche auf eine kupferne Platte gestochen und mit schwarzer Farbe ausgefüllt war, wie folgt:


Hic Stultorum est Concilium,
Quod Sapientibus dat Consilium.

Diese lateinischen Worte zeichneten die Vorwitzigsten in ihre Schreibtafeln. Unterdessen wurde die Tür geöffnet und alle Anwesenden durch den Herrn Spitalmeister freundlich hineinzugehen gebeten.

Es wollte fast jeder der Erste sein, und ich hatte mit großer Mühe zu tun, daß ich nicht wieder hinausgestoßen wurde, denn ich hatte den Spitalmeister unversehens auf die Zehen getreten, und weil er ein Podagricus war, schrie er so grausam, daß unsere ganze Compagnie erschrak. Nachdem ihm nun die Schmerzen in etwas vergangen, führte er uns über einen Saal, darinnen sahen wir vor uns einen großen Vorhang, so rings herum mit lauter Schellen behangen war. Der Spitalmeister stand hier stille und »Ihr Herren«, sagte er, »unter diesem Vorhang sind alle Narren in der ganzen Welt zu sehen.« Lorenz hinter der Wiesen war der Erste, diese Rarität zu begucken, als er aber den Vorhang hinweggehoben, war es ein großer Spiegel, in welchem man alles sehen konnte, was auf dem ganzen Saal versammelt war. Es ist nicht zu beschreiben, was für ein Gelächter entstanden. Ober dem Vorhang war eine güldene Schrift folgenden Inhalts zu sehen:


Remove velum et admovebis in uno schemate omnes,
qui moriones dici meruere.

»Saprament«, sagte Herr Lorenz, »unser sind viel mehr als drei. Herr Spitalmeister, ich sehe Ihn auch abkonterfeit.« »Ja, Herr«, sagte der Spitalmeister, »ich bin der Vornehmste in diesem Haus.« »Mein«, sagte Herr Lorenz, »wie heißet der Herr?« »Ich heiße«, antwortete er, »die mich fragen, denen sage ich's nicht. Wie heißet denn [47] der Herr?« »Ha«, sagte Herr Lorenz, »ich heiße: die mir's nicht sagen, denen sag ich's wieder nicht.« »Mein Herr«, sagte der Spitalmeister, »was ich sage, geschieht aus Scherz, denn ich habe dieses Spital selber aufgerichtet und dadurch manch sauer Gesicht in der Welt verdienet. Und was ist es wunder, daß ich wegen dieses Gebäudes geneidet werde, haben doch wohl früher viel katholische Herzen aus großer Barmherzigkeit und aus inbrünstigem Eifer, ihrem Nächsten Gutes zu tun, unterfangen, mit großen Unkosten schöne Spitäler aufzuführen, welches ihnen doch von andern Religionsgenossen zum schlimmsten ist ausgelegt worden. Einer sagte, sie haben's deswegen getan, der andere sagte, sie haben's darum getan, aber alle beide irrten von dem Zweck der Stifter, nicht aus Unwissenheit, sondern aus einem angebornen Neid, welcher den Katholiken schon in der Jugend ohn Ursach anfänget unhold zu sein. Haben nun so stattliche und zum Teil hocherlauchte Männer von ihrer guten Intention von etlichen Spottvögeln nur Auslachen und Übelauslegen verdienet, wer will sich wundern, wenn mir's allenthalben so übel gedeutet wird? Ich bekenne zwar, daß es mich nicht viel gekostet, dies Spital in die Höhe zu bringen, und daher frage ich wenig danach, ob man mei nen Fleiß lobe oder schände. Es ist genug, daß ich Kammern übrig habe, diejenigen hineinzuschließen, welche sich mich zu tadeln unterfangen werden. Wissen die Herren einen oder den andern, der mir nicht allzu wohl affectionieret ist, bitte ich nur um Communication seines Namens oder Condition. Es gibt noch Winkel genug, ihm in diesem Spital eine bequeme Wohnung zu bauen.« Herr Lorenz antwortete hierauf, daß er von seiner Person noch an keinem Ort hätte discurieren hören, so sich aber ins künftige ein oder der andere Gelbschnabel würde hören lassen, wollten sie ihm solchen per posto avisieren. Er würde alsdann keinen Fleiß noch Mühe sparen, demselben eine hübsche Kammer samt aller Zugehör zu bestellen.

Capitul 18

Capitul XVIII
Hören den ersten Narren von der Liebe perorieren

Bei dieser Verabfassung verblieb es bis zu weiterer Verhör, und nach solcher führte uns der Spitalmeister über einen Fluß, welcher das ganze Gebäu in zwei Teile schied. »In diesem Teil«, sagte der Spitalmeister, »liegen die klugen Narren und in jenem die aberwitzigen Phantasten, und damit meine Herren eine kleine Kurzweil haben, so wollen wir hören erstlich einen Verliebten, welcher ungefähr vor einem Monat hereingebracht worden. Er hielt sich an einem vornehmen Ort auf, wo er sich in eine Gräfin von ausbündiger Schönheit verliebt und darüber unverhofft zum Narren geworden. Darum [48] so spazieren die Herren mit mir zu jenem Fenster, hinter welchem er in einem Gewölb eingesperrt ist.«

Als wir dahin gelanget, klopfte er ihm mit einem Schlüssel. Sobald solches der Phantaste vernommen, hörte man ihn schon mit der Kette rasseln, denn er kam alsobald vor das Fenster, und mit lachendem Mund fing er an und sprach: »Ja, Ihr Herren, Ihr sollt Euch und müsset Euch verwundern, die Ehre zu haben, den glückseligsten Menschen in der ganzen Erden zu sehen. Mein Vater hat zwar mit Ofen-Krüc ken gehandelt, aber ich bin ein vornehmer Kaufmann und ein gewaltiger Handelsmann, denn ich handle mit lauter Lieb'. Seht, Ihr Herren, ich war auf einem Hof, bin auch noch daselbst und vertrete das Amt eines türkischen Chiaus. Saprament, Ihr Herren, seid nicht solche Bachanten in Folio und zieht den Hut vor mir ab! Ja, ein Chiaus zu sein, das kostet Geld und gute Worte. Und ich bin der einzige Liebhaber der allerschönsten Gräfin Sophia Kunigunda, geborenen Gräfin zu und in etc. Meine Mutter war eine Meerjungfrau und hat mich geboren, da der Mond in keinem Zeichen stehet. Daher kommt, daß ich so glückselig bin. Der Fürst in Siebenbürgen ist mein leiblicher Bruder, und ich bin Ursach, daß er zu seiner Macht und Herrlichkeit ist gekommen. Auf der Festung zu Neu-Serin in Ungarn, da war ich vier Jahr Konstäbler. Einst kamen sechs Blaumeisen auf Stelzen den Fluß hinuntergefahren. Endlich wurden sie so groß wie ein Bund Heu, da gab ich Feuer und verbrannte die Rabentiere bis auf die hinteren Füße, und aus ihren Schnäbeln ließ ich meiner Gräfin einen Windfächer machen, der ist vergangen dem König von Polen zum Neuen Jahr verehret worden. Dafür ist mir die Stadt Danzig auf zweitausend Jahr zu besitzen verehret. Auf das Glasschneiden habe ich all mein Lebtag nicht viel gehalten, und wenn es meinem Bruder in der Nacht not wurde, so mußte ich ihn allezeit in den Hof auf den Mist führen, sonst hätte er dem Vater in die Stuben geschissen. Ich habe mich wohl fünfzehn Wochen nicht barbieren lassen, sonst würdet Ihr einen Menschen von großer Rarität erblicken, wie ich denn auch der schönste Mensch in der ganzen Welt bin. Ich möchte nichts Liebers sehen als einen Juden und eine Bachstelze mit einander im Drösäcken fechten. Ha ha, ihr Herren, ich höre meine Gräfin reden. Sie saget: ›O, lieber Don Pedro, du liebster Maulwurf, wie geht dir's?‹ ›Ha, schönste Dam‹, muß ich sagen, ›wie sollte mir's gehen, einem Cavalier, wie ich bin, geht es nicht allzeit, wie er will.‹ Meines Vaters Bruder mußte sich's auch sauer werden lassen, er erkaufte auf dem Michaelis-Markt zu Leipzig zwei Schweine. Das eine biß ihm den Waden am linken Bein halb entzwei, das andere stahlen ihm die Spitzbuben, da bekam ich anstatt der verhofften Bratwürste einen Dreck ins Maul. Aber zu geschehenen Sachen muß man das Beste reden. Möchte wohl wissen, wie es dem Müller ging, der meinem Schulmeister die Fenster eingeschmissen. Er hat ihn bei dem Schulzen verklagt. ›Aber, mein lieber Don Pedro‹, sagte meine Gräfin [49] zu mir, ›sage es beileibe keinem Menschen, daß ich dich zum König in Neapolis machen will.‹ Der Schmied am Tor arbeitet schon an meiner Krone, und die Bauern im ganzen Lande führen schon Brett und Holz zu, daß man die Bühne und Schronen machen kann, auf der ich soll gekrönet werden. Ihr Herren, wem ist der Hund? Aus diesem Hund, glaubt meinen Worten, wird noch ein rechtschaffen Kerl werden. Er muß auch bei meiner Krönung sein, und die nach meiner Krone trachten, denen soll er auf den Kopf hofieren. Ja, Eselsfürze für die Narren, ich bin der Herrscher über Meder und Perser, einen Hundsdreck in Eure Hände statt meines Scepters! Ihr Herren, ich sage Euch's zuvor, komme mir keiner ins Regiment, oder ich will ihm's Wams messen! Sechs Fürsten habe ich schon zum Succurs, sie sind alle aus Griechenland, und wenn mich die Läuse nicht so stark bissen, so wollte ich Euch sagen, wie ich meine Perücke habe machen lassen. Mich dünket, die Herren sind Studenten oder Mohren, wie geht es denn dem ehrlichen Mohrenkönig? Zwanzigtausend Mann will ich ihm zusenden, seine Feinde auszutilgen, und wenn er von solchen los ist, so kann er mit meinen Soldaten dem Häring-Fang nachgehen. Davon muß er in meine Kammer vom Centner einen Reichstaler einliefern, das trägt Geld über Geld. Mit demselbigen Geld will ich Hochzeit machen, und die Gräfin Sophia Kunigunda muß mir einen andern Glauben annehmen. Danach will ich in India hineinschiffen, und zwar auf der Nürnberger Post, dann sollt Ihr Wunder hören von meinen Waffen der Liebe. Den Cupido habe ich in meinem linken Schubsack, wer nicht verliebt ist, kann nichts von ihm sehen als das Arschloch. Sein Membrum virile läßt er jetzt auf der Schleifmühl polieren und säubern. Wenn der Hochzeit-Bitter kommt, so will ich das meine auch hinausschicken, daß auf die Hochzeit alles fix und fertig ist. Über unserer alten Magd ihr Membrum virile sind wohl zwanzig Schleifer und Schwertfeger hergewesen, aber es wurde immer je rostiger und wilder. Das Rabenaas hat manchem ehrlichen Kerl ein Loch in die Hand gemachet. Sie war nicht halb so schön als meine Gräfin. Ihre Mutter war ein Meerschwein, und wir wohnten in dem roten Meer, in einer Stadt und in einer Gassen beisammen. Es war nur ein Drechsler zwischen ihrem und meiner Mutter Haus. An einem Sonnabend kam Feuer aus und brannte die halbe Stadt weg. Da mußte sie samt ihrer Mutter aus dem Meer weg laufen, denn bei ihnen ist das Feuer ausgekommen, weil sie mit Branntweinbrennen die ganze Stadt angestecket haben. Danach wurde ihr Vater zu Constantinopel auf dem Kaiserlichen Hof Irrwisch-Inspektor, der lernte ihnen tanzen und fing in einer Woche mehr als dreißig Paar. Wenn nun der türkische Kaiser eine Lust hatte, so ließ er diese Irrwische und etliche Dutzend Füchse untereinander prellen. Daran zerlachten sich die Soldaten, daß ihnen die Klingen aus der Scheide herausfielen. Wer mag doch wohl den ersten Glockenklöppel gemacht haben? Haha, dort kommt meine Gräfin. Seht, Ihr Herren, sie sprang[50] zum selbigen Kamin hinein, habe ich sie nicht gesehen, so sei ich ein Schelm. Sie ließ einen großen Seufzer, ich muß auch einen lassen. (Hiermit ließ Monsieur Don Pedro einen fahren.) Ja, Ihr Herren, was tut die Liebe nicht. O, Sophia, Sophia, diese Ketten, welche ich an meinem elfenbeinernen Fuß trage, schenke ich dir zum Osterei. Alsdann will ich den ganzen Donaustrand in eine Nußschale zusammenfassen, dieselbe Nußschale will ich in eine Flinte laden und will es dem Küster bei St. Oswald in seine Wamsärmel hineinschießen, daß die Seifensieder zu Buxtehude ein Lied davon componieren sollen. Das Ungarland will ich mit Meer überschwemmen, und zu Preßburg sollen alle Federfechter und Marxbrüder das Ledererhandwerk lernen. Aus dem Tokaierwein will ich Rindfleisch machen lassen, und die ungarischen Ochsen sollen mir singen lernen wie die Canarivögel. Eine solche Welt will ich anrichten. Das Frauenzimmer muß mir auf den Köpfen gehen, so kann man fein sehen, was eine jede im Schild führe, und wenn die Pfaffen früh morgens ins Oradi läuten, da will ich meine Gräfin in dem Bette herumtummeln und ihr zeigen, wieviel es geschlagen hat.«

Capitul 19

Capitul XIX
Wie er sich in die Gräfin verliebt, und was der Doctor ohne Bart für eine Oration gehalten

Dieser Phantast hätte seinen Sermon nach Art der heutigen Oratorum noch weiter hinausgeführet, wenn nicht der Spitalmeister von der Compagnie wäre gebeten worden, das Gefängnis dieses elenden Menschen zu verlassen und einen andern Eselskopf zu zeigen, weil sie gesonnen waren, bald wiederum zurückezugehen. Hiermit führte er uns über eine Treppe weiter hinauf, und in dem Hingang erzählte er uns, wie eigentlich dieser Mensch zum Narren geworden wäre. »Ihr Herren«, sagte er, »dieser Mensch ist sonst seiner Profession ein Student. Einstmals hatte er das Glück, bei einer großen Tafel zu erscheinen, daselbsten die absonderliche Pracht anzusehen, und weil ein gräfliches Fräulein seinen Augen entgegen saß, verliebte er sich in diese mit unaufhörlichem Seufzen. Er hat oft bedauert, daß er und dieses Fräulein dazumal nicht in Rom gelebet, als das Oraculum der ganzen Stadt einen plötzlichen Untergang drohete. Alsdann vermeinte er, wollte er sich gleich dem Curtio gerne in die flammenspeiende Grube geworfen haben, dieses Fräuleins nur einer Nacht zu genießen. In Summa, die Lieb trieb diesen Stümper so weit, daß, als er gar keine Möglichkeit sah, mit dem Fräulein in Conversation zu gelangen, so resolvierte er sich, nur das Fräulein zu sehen, in einen Kamin zu steigen; denn es gab sonsten keine Gelegenheit, in den Garten zu sehen, in welchem sie dazumal mit etlichem Frauenzimmer und [51] Cavalieren spazieren ging. Er konnte ein bißchen auf der Harfe spielen, und damit solches dem Fräulein möchte zu Ohren kommen, zog er solches Instrument an einem Stricke nach sich hinauf und accomodierte sich, nach aller Möglichkeit ein Liedlein zu spielen. Aber ich weiß nicht, geschah es aus Ungelegenheit des Orts oder aus allzugroßer Liebe, daß der unglückselige Mensch samt seiner Harfe den Kamin herunterfiel und länger denn zwei Stunden für tot gehalten wurde. So ist er von derselben Stund nicht mehr bei Sinnen gewesen.«

»Ha«, sagte Lorenz, »solche Flegel gibt es anitzo unter den jungen Purschen, die verlieben sich stracks in hohe Personen. Was sind aber diese für unbeschreibliche Narren! Ich weiß mir meine Zeit besser zu vertreiben, gelt Hans? Eine gute Pfeife Toback schmeckt besser, als wenn einer soll den Kamin herunterpurzeln, saprament, Hans, tanti poenitere non emo. Herr Spitalmeister, zeigt uns einen andern Narren.«

Auf solches führte er uns etliche Kammern vorbei, welche mit Numero 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und so fort bezeichnet waren. In diesen Kammern hörten wir teils geigen, teils singen und auf andern Instrumenten spielen. Da berichtete uns der Spitalmeister, daß solche musikalische Narren wären, die sich über der Composition, über dem Solmisieren und über Auszählung des Tons zu Narren studiert und meditiert hätten. Unter diesen wären ihrer etliche, die wollten nicht leiden, daß man sagen sollte Hackbrett, sondern man solle es Clavicimbal heißen. Dieselben Narren hatten die Zelle Numero 1. Andere disputierten, es wäre besser, wenn man die Knaben g, a, b, c, d, e solmisieren lernte als Ut, re, mi, fa, sol, la. Diese Narren waren in Numero 2 logieret. Die dritte Zelle hatten die närrischen Contrapunctisten inne, die vierte die Bergsänger mit ihren Coloraturen und Cogritzen. In der fünften lagen diese gefangen, welche, ihre erlernte Musik zu probieren, sich von ihrem Lehrmeister haben Lehrbriefe geben und sich frei und ledig sprechen lassen. Die sechste beschloß diejenigen, welche meinen, sie sind Meister alleine und sonst niemand. Dieses war fast die allergrößeste Zahl. In der siebenten saßen diese, welche fremde Autores auf die Stücke zu schreiben pflegen, der Composition ein desto besseres Ansehen zu machen. In der achten Kammer war der anzutreffen, der im Satyrischen Componisten so gute Virtuosos durchgezogen. Die neunte Kammer war mit hölzernen Singetafeln, wie man in den Gymnasiis brauchet, angefüllet. Mit einem Wort, wer da alles beschreiben wollte, der würde in Wahrheit eine unmögliche Arbeit auf sich nehmen. Es hatten auch diese keine kleine Zelle in Besitz, welche sagen, kein Teutscher könnte eine französische Partie machen. Anderer Narren zu geschweigen, welche wie die Hummeln und Wespen übereinander her wimmelten, daß man einen vor dem andern kaum kennen konnte. Als wir nun bei [52] jeder Zelle bei dem Loche hineingegucket, eileten wir über eine andere Treppe wieder hinunter, denn der Spitalmeister wollte uns den berufenen Doctor ohne Bart zeigen, dessen Person wir alle zu sehen so sehr gewunschen.

Sobald er vor dessen Gitter den Vorladen aufgeschlossen, guckte er wie eine Spitzmaus hervor und »Ihr Herren«, fing er an, »Ihr seid eben diejenigen, so contra legem Juliam gesündiget haben. Ihr habt Euch in re forensi verstoßen, denn Ihr habt mir meine Tauben vom Markte hinweggefangen. Ins Carcer mit Euch, Ihr Windmüller. Ach, was bin ich für ein großer Narre, daß ich bin Doctor geworden! Ich war vor diesem eine vornehme Jungfer in Siebenbürgen. Da beschlief mich erstlich die Hoffahrt, darnach der Stolz, zum dritten der Ehrgeiz. Diese drei Galgenvögel machten einen Doctor aus mir, und derselbe Doctor machte mich zum Narren. Zwar Aulus Gellius ist noch gut genug. Ich wollte, daß ich meine Harfe bei Handen hätte, ich wollte ihm ein Epitaphium aufspielen. Sum Doctor, licet non barbatus, sat tamen doctus, os loquitur non barba, ergo sufficit me habere os. Mein Bart ist ein ens in potentia, und ihr seid Bärenhäuter in Duodez. Ich will das ganze Römische Reich in einen andern Model gießen. Anitzo lasse ich einen Backofen bauen, daran arbeiten zweiundfünfzig Philosophi in genere. In demselben Backofen da will ich ernstlich die juris consultos backen, hernach will ich die Theologos lutheranae religionis, darnach die Jesuiten und alle Diphthongos hineinschieben. Die will ich ausbacken als der beste Bäcker in rerum natura vermag. Alsdann will ich auch die Calender anders backen, und die Fundamenta will ich anders drechseln lassen, da werdet Ihr felicissimam Rempublicam sehen, als noch niemalen bei den Römern gestanden. Alsdann wird Julius Caesar wieder vom Grab aufstehen, und alle Potentaten werden viel Geld drum geben, wenn ich ihnen nur den geringsten Ratschlag oder sonsten ein arcanum politicum communizieren werde. Aber da werde ich meinen Kram teuer halten und nichts ohne sonderlichen Profit verhandeln. Damit man mich aber vor großer Begierde, die wegen meiner Prudenz unter dem Volke sein wird, nicht zerreiße, so will ich mich heimlich in einen Waldmann oder Kräuterhändler verkleiden und will mit der grünen Kräuter- und Waldsalbe in dem Land auf den Märkten herumziehen. ›Seht Ihr, liebe Herren‹, will ich sagen, ›ich bin der bekannte Kräutermann, der belobte Wurzelmann und der berühmte Waldmann. Meinen Vater, wie Ihr wohl wisset, hat man nur den berühmten Wurzelarzt geheißen. Er ist's auch gewesen, und ich bin ihm in der Kunst nachgefolget. Habt Ihr Zähnwehtage, plagt Euch die Mundfäule oder der giftige Scharbock, seht Ihr, meine lieben Herren, braucht eine Haselnuß groß von meiner approbierten Kräutersalbe, es hemmet die Schmerzen, stillet die Wehtage und benimmet [53] das Reißen im Kopfe. Ihr werdet sagen, glückselig sei der Tag, glückselig sei die Stund, da ich diesen wohl geexaminierten und wohl approbierten Kräutermann, den berufenen Waldmann angetroffen. Seht Ihr, meine lieben Herren, ich bin kein Possenreißer noch Leutbescheißer, meine herrlichen Testimoni weisen's aus, wer ich bin und wo ich meine heilsame Arznei gebraucht habe. Habt Ihr Schmerzen in der Leber, sticht es Euch in der Lunge oder drückt Euch die Milz? Seht Ihr, meine lieben Herren, ein Tropfen oder zwei von meiner Spirituoser-Essenz in einen warmen Löffel voll Wein gegossen, habt Ihr keinen Wein, so nehmet warmes Bier, es hilft von Stund an, die Schmerzen nehmen ab, das Stechen leget sich, die Milz gibt sich zufrieden, wie denn der beigelegte Zettel ein mehrers ausweisen wird. Ich grabe die Wurzel und Medicament mit eigener Hand aus der Erden, kaufe sie nicht wie andere Leutbetrüger, seht Ihr, meine Herren, aus den Apotheken, sondern ich bringe sie mit Leib und Lebens Gefahr aus dem Schweizer Gebürg, allwo sich des Jahrs wohl hundert Menschen versteigen und von den wilden Tieren, seht Ihr, meine Herren, zerrissen werden. Mit solcher Gefahr bringe ich die Wurzel dem gemeinen Mann zum besten allhier. Habt Ihr das Augentriefen, nehmt einen Tropfen oder zwei von meinem Augenwasser, streicht es mit einem subtilen Federlein wohl hinein, haltet darauf das Aug mit der rechten, und mit der linken Hand haltet den Arsch zu, so fällt Euch nichts ins Aug und entgehet Euch kein Furz. Seht Ihr, liebe Herren, so muß man sich in acht nehmen, wer in der Welt fortkommen will. Kaufet in der Zeit, so habt Ihr in der Not. Das Jahr ist lang, der Tage sind viel, der Stunden sind noch mehr, was heute nicht geschieht, das kann morgen geschehen. Ich bin kein Landfahrer, der etwa mit Agspat, Inslicht und Wachs zusammenschmelzet oder grüne Butter für Wundsalbe verkaufet, nein, Ihr Herren, ein solcher bin ich nicht, hab es auch nicht begehret zu sein. Ich hab in der Stadt Augsburg (damit zog er den Hut ab) wohl für achtzig Taler Ware verkaufet. Wäre sie nicht gut gewesen, ich hätte sie noch. Möcht aber ein oder der andere fragen: Mein lieber Waldmann, mein geehrter Wurzelmann, du sagst mir wohl viel von deiner Arzenei, wie gibst du sie denn? Wie hoch hältstu sie? Seht Ihr, meine lieben Bürger und Bauren, denen gebe ich zur Antwort: Erstlich soll der geneigte Liebhaber haben ein Büchslein von meinem köstlichen Medritat. Zum andern ein Schächtlein von meiner approbierten Kräut- und Wundsalbe, vors dritte ein Gläslein meines spirituösen Augenwässerleins, vors vierte ein Stück von der approbierten Gämswurzel, und zum fünften verehre ich auch allen Liebhabern als zum Überfluß ein Zetlein meines stattlichen Zahnpulvers. Wie jedes zu gebrauchen sei, das habt Ihr in dem gedruckten Zettel zu lesen, könnt Ihr nicht lesen, so lasset Euch's andere vorlesen. Alle diese erzählten Stücke, seht Ihr, meine lieben Herren, gebe ich zusammen und habe sie den Liebhabern hohen und niedrigen Standes verkaufet und verehret für einen Groschen, für [54] einen Groschen, seht Ihr, meine lieben Herren, es ist ein Lumpengeld, ein Branntweingeld. Mancher spielet und verlieret in einer halben Stunde wohl zwölf Taler und hat nichts davon als Krauen in dem Nacken und großes Herzeleid, versäumt darüber meine kostbaren Medicamenten. Seht Ihr, liebe Herren, Ihr bezahlt mir kaum das Papier, geschweige die kostbare Arzenei, und ich verehre sie Euch nur darum, daß ich desto besser unter Euch, Ihr meine Herren, bekannt und kundig werde. Darum versehe sich ein jeder in Zeiten, wenn ich wieder hinweg bin, so ist's zu spat, und so Ihr hernach tausend Taler für ein Büchslein Medritat geben wollet, so ist's umsonst und vergebens. Darum, Ihr meine Herren, wer Belieben trägt, der werfe sein Servet herauf, alle diese Stück sind ihm von mir als approbiertem Kräutermann zum Neuen Jahre geschenket und verehret.‹«

Capitul 20

Capitul XX
Judicium über das frühzeitige Doctorieren

»Ha«, sagte Lorenz, »dieser ist der rechte, Hans, dem Kerl höre ich lieber zu als einem jungen Schulfuchs, der mich zu seiner Valediction einladet.« »Ja«, sagte der Doctor ohne Bart ferner, »alsdann will ich Gift in die Salbe legen und unter die Türken reisen, da müssen sie davon sterben wie die Sperlinge, welche man mit Blasröhren von den Dächern schießet. Sodann will ich lauter Doctores in die Türkei setzen, die müssen mir die Digesta in die wallachische Sprache übersetzen. Die Venetianer will ich durch meine Juristerey wieder in die Insel Candien einsetzen, und wenn ich sage, der Baum steht nicht recht oder dieses Haus ist nicht wohl gebaut, so wird es einfallen und zerreißen. Allen meinen besten Freunden will ich vorn fuchsschwänzen und ihnen das Allerschlimmste auf den Rücken nachreden, denn ich weiß mich sonst nicht groß zu machen noch in Ansehen zu bringen. Darnach will ich alle Badergesellen, die auf der Harfe spielen können, befreien, daß man sie nicht mehr Arschkratzer nennen solle. Ein solcher Kerl will ich sein, und wenn ich einen Bart kriege, will ich ihn nicht jedermann sehen lassen, sondern solchen gleich einem schweizerischen Schlachtschwert in der Scheide tragen. Wer nicht auf meiner Seite stehet, dem will ich sub poena praeclusi alle Güter confiscieren lassen, und im Güldenen Lamm will ich mich so voll saufen, daß man den Rausch den folgenden Morgen aus den Hosen waschen muß. Saprament, wird einer ein Buch wider mich ausgehen lassen, so will ich ihm ein Loch in Hintern beißen wie die Bresche, so Anno 1663 zu Neuhäusel geschossen worden.«

Als er noch so redete, kam derjenige die Treppe hinauf, welcher von der Frau verfolget worden. »Hans«, sagte Herr Lorenz, »dieser [55] ist gewiß derjenige, von welchem die Frau erzählet hat, daß er die Reitschul geschrieben habe.« Diese Wort hörte der Fremde, und die ganze Compagnie bekam dadurch Gelegenheit zu fragen, wo denn Monsieur Vogibilis mit der Frau geblieben? Man hatte sich bis daher so sehr in die Narren verliebt, daß man ihres Abseins nicht gewahr worden. Deswegen schickte man zwei Knechte hinaus, sie hereinzubringen. Der Fremde aber trat zu dem Gitter des Doctors ohne Bart und sprach: »Du guter Freund, ich höre, daß du mir dort und dar eine Klette anhängest. Ich achte zwar deiner Gunst so wenig als deines Neides, denn du bist ein Fuchsschwänzer all dein Leben lang gewesen und wirst auch in dem Narrenspital noch deine Grabschrift erleben. Dennoch sage ich dir, lasse deine Aufstecherei unterwegens oder ich will dich karbatschen wie einen Tanzbären.« »Was?« sagte der Doctor ohne Bart, »sollstu mich so anfahren, weißtu nicht meine Dignität besser zu respektieren?« »Du Hundsfutt«, antwortete der vorige, »ich will dich dignitäten, daß du gedignität sein sollst. Willstu einen Gradum haben, so lasse die Bubenpossen unterwegens und rede, was zu verantworten stehet, oder du kriegst Pumpernüsse.« Mit solchen Worten ging der Kerl wieder von dem Gitter und machte vor uns eine Abschiedsreverenz.

»Ha«, antwortete der Doctor gegen uns, »der Kerl ist ein grober Flegel und unhöflicher Bachant. Er hat mich in den Narrenspital gebracht. Wär er nicht gewesen, ich wär nicht mehr hereingekommen. Aber ich schwöre dir, du Bärenhäuter, sobald ich supremam totius orbis jurisdictionem bekomme, so will ich dich so gut einen Hundsfott heißen, als du mich einen geheißen hast. Er heißet mich den Doctor ohne Bart. Was kann ich davor, daß mir das Rabenzeug nicht wachsen will? Ich schwöre, daß ich viel mehr Schermesser bei mir getragen als ich Haar am Maul hatte. Ich schor mich alle Wochen neunmal, es wollte doch nicht kommen. Nun, patientia per forza, sobald als ich mir in Podolien huldigen lasse, so lasse ich den Kerl hängen, anders kann nichts draus werden. Soll mich ein solcher Lumpenhund so beschimpfen? Ha, ich will ihn umblasen wie eine Filzlaus, und sobald die Roßtäuscher aus Böhmen kommen, will ich ihn in vier Viertel zerreißen und seinen Kopf auf die Schießscheibe stecken.«

Es wußte sich unter unsrer Compagnie keiner in diesen Wortstreit zu finden. Aber der Spitalmeister sagte: »Ihr Herren, die beiden Kerle sind nicht wohl in eine Orgel zu stimmen. Der Doctor ohne Bart hat jenem dort und da verfuchsschwänzet und ihn abscheulich in die Pfanne gehauen, darum so sperrte er ihn ins Narrenspital, sonst wäre es nicht geschehen.« »Es ist recht«, sprach Lorenz hinter der Wiesen, »daß man's solchen Narren so mache. Da wollen die Narren flugs Doctores sein und haben doch weder Not noch Ursach darzu, und es heißet wohl, wie das Sprichwort saget: Wirst du Magister fix, so wirst du auch Doctor nix. Aber wenn man solchen jungen Gelbschnäbeln ihre Fehler vorwirft, so kommen sie mir vor wie die Schüler, [56] die defendieren strenue, sie wären Studenten. Wenn sie aber auf die Academie kommen, so gestehen sie, daß sie nur Füchse gewesen. Also auch die jungen Doctores, die bringen einen Haufen Similia wegen des Barts mit der Ziege undsofort auf die Bahn; aber nachdem sie etwas älter werden und ein bißchen das quid iuris et quid consuetudinis practiciert haben, da beklagen sie erst, daß sie so frühzeitig zum Doctorat geschritten. Ich geschweige, daß ihnen das frühzeitige Doctorieren an ihrer Beförderung oft viel schädlicher als nützlich ist. Exempla sunt odiosa, sonst wollte ich eine ganze Profession einführen, die endlich das Miserere zu schmelzen angefangen haben. Es wird nicht geredet, daß es simpliciter eine Torheit sei, frühzeitig Doctor zu werden, sondern nur dieses ist eine Narrheit, ohne Ursach und Gewißheit der künftigen Condition zu graduieren, denn dadurch verschlägt man oft sein eigen Glück. Das Eisen, das einmal zum Nagel geschmiedet ist, daraus wird selten ein Harnisch. Der Doctor auf den Dienst und nicht der Dienst auf den Doctor, so steht es reputierlich und judiciös. Es werden wenig kluge Leute gefunden werden, welche von dieser Sache eine andere Meinung führen. Mich geht es zwar nichts an, und meinetwegen mag da Doctor werden, wer nur will, denn ich habe gottlob besser zu leben als fünfzehn solche Doctor mit aller ihrer Wissenschaft, aber das muß ich lachen, daß heutzutage Leut sind, die wollen Juristen, Medici und Theologi zugleich und in Summa alles in allem sein. Wenn nun dergleichen Leute aufs Secret gehen, ihre Notdurft zu verrichten, so muß ich lachen, daß einem solchen Menschen alle drei Facultäten den Hintern wischen.«

Capitul 21

Capitul XXI
Sie hören den dritten Narren erzählen, wer er sei

»Monsieur«, sprach der Spitalmeister, »der Herr redet etwas grob, aber doch saget er die gründliche Wahrheit. Es sind ihrer mehr herinnen gewesen, welche eben ein solches Lied gesungen haben. Als ich noch ein kleiner Knab war und ein alter Magister Hochzeit hielt, so setzte man die jungen Doctores für Schauessen auf. Aber heutzutage hat sich das Blatt umgewendet, und es ist auch besser für mein Haus. Auf daß es fein voll und complet werde und meine Intraden sich desto höher belaufen, kann ich's gar wohl geschehen lassen, daß es allenthalben wunderlich zugehe.« In diesem Gespräche verließen wir den ehrlichen Doctor ohne Bart und gingen eine andere Reihe Kammern vorbei. Darinnen saßen allerlei Künstler und Handwerksleute, darinnen auch Franciscus de la Spina, der berühmte Spanier, war, welcher sich unterstanden, mit einem Schiffe in der Luft zu segeln. Auf der anderen Seite saßen allerlei Historici und Bücherschreiber. [57] Über diesem Saal hatten die Herren Satirici ihr Logament, unter welchen man etliche an den Ketten rasseln hörte. Auf der Abseite dieses Saals hatte es eine steinerne Treppe in ein Rondell, darinnen die Jungfern, so gerne Männer hätten, in unbeschreiblicher Zahl anzutreffen waren. Die vom Adel hatten das obere, die Bürgerstöchter aber das untere Zimmer, denn weil sich die vom Adel um etliche Grad höher aestimieren, so sind sie billig auch um etliche Grad in dem Narrenspital höher als andere logiert worden, denn der Spitalmeister war hierinnen sehr vorsichtig und absonderlich dahin beflissen, damit ja jeder nach seiner Dignität und Würde accomodiert möchte werden. Unter diesem Rondell des Frauenzimmers war ein Soldat in einem Gefängnüß, redete nichts als von Stürmen, Feuer- und Granatkugeln, von Mörsern und Kartaunen, wie er nämlich mit einer Muskete zwei Königreich über den Haufen schießen und mit einem Strohwisch sechs Festungen einnehmen wollte. Auch hörten wir ihn schreien und rufen, daß er Breisach mit einer Butzschare so versperren wollte, daß man weder Proviant noch Munition hineinbringen könnte. Es war kein Obrister im ganzen Land, welchen er nicht kennete, und er gab vor, als wäre er ehedessen ein Walfisch in der Insel Rügen gewesen. »Ha«, sagte er, »ich armer Teufel muß nun wegen meiner Courage hier in diesem stinkenden Gefängnüß sitzen. Man tut recht, daß man mich nicht los lässet, die ganze Welt müßte sonst vor mir erzittern. Meine Völker liegen noch in ihren Winterquartieren, sobald es Sommer wird, will ich die Stadt Calicut belagern und meinen Landsleuten ganze Proviantwagen voll Pfeffer zur Ausbeute heraus schicken.

Der große Mogul muß mir die besten Pfefferkuchen verehren, und den Gran Bassa zu Ofen, den will ich zum Feldwebel über die Husaren bestellen. Alsdann will ich eine neue Schlacht vor St. Gotthard anfangen und meine Feinde mit lauter Heuschrecken und Eierschalen zum Land ausjagen. Die Stadt Fünfkirchen will ich zu einer großen Insel machen. Darauf sollen alle Nacht 4000 Pechfackeln brennen, und wann ich sterbe, so soll man mich daselbst in den Turmknopf hinein vergraben, und meine Grabschrift soll man dem Hahn, so auf der Kirche steht, in den Hintern schreiben. Wem hat man's zu danken als mir, daß ich die Tartaren erschlagen habe? Ich habe keinen Vater noch Mutter gehabt, sondern bin aus Pulver, Blei, Salpeter und Schwefel geboren worden. Ehedessen hatte ich sechs Köpfe, aber wie ich die große Schlacht vor Pavia gewonnen, wurden mir zwei abgehauen, und wie mich der große Tamerlan zum Gevatter hatte, band ich meinem Taufpaten einen ein, habe also nur noch drei übrig, die will ich dem gemeinen Wesen zum besten auch daran strecken und mit grausamer Macht zu Felde ziehen. Darnach so wird es Schuhzwecken und Tschakan regnen, da werde ich Taubenflügel und Entenschnäbel auffangen und dem Dorfküster einen Bonus Dies wünschen, damit war's Tag.«

[58] Solche Rede des elenden Soldaten höreten wir auf der Treppe fast eine Viertelstund zu, und Lorenz konnte sich nicht genugsam über so vielerlei Narren verwundern. »Ha«, sagte er, »was gibt es für wunderliche Schuhflicker hier! Sind das nicht Narren? Der Soldat will alle Teufel tothauen und dem Dorfküster einen Bonus Dies wünschen, und der Doctor ohne Bart will die Jurisconsultos in den Backofen schieben. Welcher ist unter diesen wohl der größte Narr? Ich halte der Doctor, denn warum tun die jungen Rotzlöffel so geschwinde zur Sache und wollen flugs Doctor werden? Mein Schulmeister, der ehrliche Spitzbart, sagte oft zu mir: Magis prodest dignitatem mereri, quam habere. Aber dieses Latein will keiner mehr verstehen. O ihr Narren, ihr Narren, wer wird endlich eure Köpfe zurechte setzen? Ich, Lorenz hinter der Wiesen, werde es nicht tun, und wenn ich's gleich könnte, so wollte ich's doch nicht tun. Gelt, Hans«, sagte er zu mir, »in unserm Dorfe gibt's keine solchen Narren?« »Ja, Herr«, sagte ich, »seitdem wir heraus sind, habe ich keinen darinnen gesehen.« Über diese Antwort lachten die anderen Cavalier und fingen nunmehr an, mich ein wenig kennen zu lernen.

Capitul 22

Capitul XXII
Discurieret von sonst allerhand Narren

Neben diesem Kriegsnarren saßen noch viel andere in den Winkeln hin und wieder eingesperret, derer Rede ich entweder nicht alle behalten oder derer Profession ich nicht alle wohl merken können: In summa summarum, stultorum in hac domo omnia erant plena et repleta:


Der Narren waren im Spital
Unzählig tausend an der Zahl.

Absonderlich sah man von dieser Gattung viel darinnen sitzen, die in allen Sachen recht wollen haben, und diese hieß der Spitalmeister Disputiernarren, die sich um eines schlechten Pfifferlings willen fast die beiden Ohren vom Kopf hinunter disputieren und doch nichts davon hätten, als daß sie sich den Hals heiser schreien und die Leber erhitzen, daraus hernachmals die Schwindsucht entspringet. Nächst an diesen war eine lange Gallerie auf die neueste Mode gebaut, in welcher diejenigen ihr Logament hatten, die da wollen allerlei Religionen in eine Congregationem universalem einschließen und den Papst mit dem Luther vergleichen. Da gab es schrecklich viel Theologische darunter, darob einer fast das Krauen hinter den Ohren hätte bekommen mögen. Man hörte von ihnen fast nichts als lauter Syllogismos Topicos, und ihr meistes Schreien bestund in dem, daß man nämlich niemandem den Himmel absprechen könnte, wer ein [59] Christ hieße. Und durch dieses Mittel meinten sie, schreckliche Hasen zu erjagen, und taten weniger als nichts, wurden darzu noch ausgelachet und von den Jesuiten hinter der Faust ausgehöhnet. Difficillimum enim est, imo difficillissimum, tam variae farinae homines in unam sententiam cogere, absonderlich, da man von der gefaßten Meinung nicht abstehen will, und sollen auch Mühlsteine auf dem Wasser schwimmen und die Gänse im Pflug arbeiten. Darum versah sie der Spitalmeister mit vielen Büchern, Tinte, Federn und Papier. Man hörete auch nicht so viele disputieren als man ihrer schreiben und die Rationes Rationantes zu Papier setzen sah.

»O«, gedachte ich bei mir, »was für eine Arbeit nehmen die Leute vor! Ihre Meinung ist zwar gut, aber die Mittel, zu ihrem Zweck zu gelangen, sind nicht allen erheblich, seine Uhr nach ihrem Zeiger zu richten. Die Welt ist gar zu böse und hochmütig. Man nimmt auch in der besten Sache keinen Rat mehr an, denn weil jeder Doctor für sich selbst sein will, so glaubet er, all dieser Rat sei nicht gut, welcher nicht aus seinem eigenen Hirne gesponnen ist: Illinc lacrimae, illinc suspiria.«

Weiter hinunter saßen junge Geistliche, welche, wie man sagt, vor großer Andacht halb rasend werden. »Ihr Herren«, sagte der Spitalmeister, »diese Gesellen machen mir durch ihre Mienen und Actionen fast die größte Lust. Wenn ich mittags gegessen habe, so sehe ich ihnen eine halbe Stund zu, wie andächtig sie sich gebärden, und ist doch keinem nicht ums Herz. Mit dem Mund singen sie: Herzlich tut mich verlangen, und im Herzen denken sie: das Geldlein zu empfangen. Äußerlich sagen sie: Gib acht aufs Evangelium, und innerlich sprechen sie: Date mihi obolum. Sie suchen per Dei amorem vom Volk nichts als proprium honorem. Ja, ich heiße sie viel besser gritzlich als geistlich. Quo plus bibuntur plus sitiuntur aquae heißt auf deutsch: ein Priestersrock. Sehet, ihr Herren, diese Kerl sind ihr Leben lang nirgend als auf einer einzelnen Universität gewesen, wo sie anstatt der Schola pietatis das Ballhaus und die Reitschul visitieret. Ihr dürft Euch nicht wundern, daß ich Euch von der Reitschul sage, denn sie haben nichts mehr als Postillreiten gelernet, und wenn sie diesen Sonntag diesen Autoren bis aufs Blut geritten haben, so legen sie ihren Sattel über acht Tag auf einen anderen Klepper und reiten darauf, daß der Staub hinten aufgeht und davon stäubet. Ja, wenn sie in das Predigtamt kommen, da ziehen sie die Saite so hoch auf, daß sie niemanden würdigen mit einer Reverenz zu verehren, sie wissen denn, daß er was zu spendieren hat. Sie loben auf der Kanzel die Geduld, und sie sind in ihrem Herzen so ungeduldig, daß ich mich oft krank sehen und hören muß. O, ihr alberne Tröpfe, versucht zuvor die Welt, reiset hin und wieder, lernet die Völker kennen und alsdann, so ihr große Bärte überkommen, so tretet vor das [60] Volk. Ein Prediger ohne Bart ist selten guter Art, doch findet man auch mit großen Haaren, die eben nicht viel nütze waren. Ihr Herren, es ist halt alles unter- und obereinander vermischet. Der Mäusedreck lieget allenthalben in dem Pfeffer, drum ist es klug getan, alle närrische Affecten fahren zu lassen, auf daß man sich vor dem Narrenspital hüten könne, in welchem für allerlei Stände so grausam viel Kammern und Zellen zugerichtet sind.«

Darnach so gingen wir auch ein Gewölb vorbei, in welchem nach des Spitalmeisters Bericht diejenigen lagen, welche sich anstatt des Titels Praeceptor Herr Hofmeister nennen ließen. Auch saßen bei diesen die Herren Schreiber, so Secretarii genannt sein wollen, und gleich hinter ihnen war die Kammer, darinnen diejenigen saßen, welche man Jungfern nennen mußte und [die] doch allgemach in der Propagierung des menschlichen Geschlechts länger als zehn Jahre gearbeitet hatten. Über ihnen saßen die Titelnarren: Klopffechternarren, Hundenarren, Katzennarren, Canarivögelnarren, Stocknarren, geborene Narren, Schalksnarren, Habernarren, Pfingstnarren, Fastnachtsnarren, Weibernarren, Hofnarren, Generalnarren, Hauptnarren, gewichste Narren, Praecedenznarren, gestimmte Narren, Kleidernarren, Modenarren, geschorene Narren, ungeschickte Narren, ja, so vielerlei Narren, als man immer erdenken und nennen kann. Teils spielten auf dem Brett, andere in der Karte, die meisten aber soffen Toback; und weil etliche unter der Compagnie den Rauch nicht wohl vertragen konnten, weil sie heute abends noch zu Frauenzimmer gehen wollten, so verließen sie diese Gelegenheit, die Narren ferner zu betrachten, und dadurch war zugleich mein Vornehmen zuschanden, weil ich ihre eigentliche Gestalt dem Leser nicht so ausführlich, als ich wohl sonsten gewollet, habe vorstellen können.

Capitul 23

Capitul XXIII
Die vorige Frau wird von Vogibilis hinter einem Busch gehechelt

Wir hätten uns noch weiter in diesem Hause umgesehen und zugleich auch das andere Teil dieses Gebäudes betrachtet, so nicht die ausgeschickten Diener wegen des Vogibilis wie die schnaufenden Wasserhunde zurückgelaufen gekommen und berichtet hätten, daß Vogibilis ohne Zweifel müsse vom Pferd gestürzet sein, weil sie solches ganz ledig in der Aue und zwar einen ziemlichen Weg von dem Spital angetroffen hatten. Hierauf eileten wir, dem guten Menschen zu helfen, und verließen die Narren für diesmal, so gern wir auch den übrigen Audienz geben wollen. Lorenz hinter der Wiesen war der erste, welcher dem Gaul entgegenlief. Als er aber nahe an eine Holunderstauden geriet, traf er den Herrn Vogibilis samt der Frau [61] an, welche wir ins Spital begleiten wollen, die er hinter derselben in unserm Absein abgestöbert hatte. »Gelt, Frau«, sagte er zu ihr, »das tut nicht so wehe, als wenn man ein Buch wider Euch ausgehen lässet. Es dulden auch solches Eure Männer viel lieber, und Ihr dürft kein großes Maulmachen darum anfangen.« »Ha«, sagte Lorenz, »Bruder, du hast recht getan. O, ins Narrenspital mit dergleichen Narren, die da böse werden, wenn man von ihren Weibern in den Büchern schreibet, aber wenn man sie auf eine andere Weise hechelt, da fragen sie nichts darnach. O, ihr Narren, ihr Narren, ihr sollet noch alle ins Spital, und ich will ein Logament für euch bestellen, das soll das Hörnerstüblein genennet werden, da gehört ihr hinein.« »Freilich«, sagte die Frau, »mein Mann hat's wohl öfter als dreizehnmal in einer Woche verdienet. Ach, Ihr Herren, helfet ja dazu, damit ihm Billigkeit und Recht widerfahre. Denn ich kann's am besten bezeugen, daß er ins Hörnerstüblein mit allem Fug und Grund kann gesperret werden.«

Zwischen diesem Gespräche kamen die andern auch darzu, und die Frau nahm uns denselben Abend wider unsern gefaßten Schluß mit sich auf das Schloß, allwo ihre Mitkonsortin innen war, und ich schäme mich hier billig, all diejenigen Sachen zu erzählen, die ich dieselbe Nacht gesehen habe. Morgens reiseten doch die zwei Frauen wieder in die Stadt und bekamen von ihren Männern noch den höchsten Dank und Lob, daß sie ihre Ehre so wacker und trefflich beschützet hätten. »Ha«, sagten ihre Männer, »wir haben Frauen, die sind ehren- und tugendfest (wie ein gefrorener Dreck). Sie beschützen ihre Ehre mit Leib-und Lebensgefahr und scheuen sich nicht, für ihre Redlichkeit zu sterben.« Aber die Narren wußten nicht, wie es mit ihnen unter der Holunderstauden und auf dem Schlosse zugegangen, sonst würden sie ihr benedicere bald in ein sauremus verwandelt haben.

Capitul 24

Capitul XXIV
Hans resolvieret sich wegen eines Schneiders zu einem andern Leben

Nach Hinscheiden dieser zwei Frauen, welche das Ihrige auf besagtem Schlosse redlich und wohlhaltend ausgestanden haben, schwang sich unsere Compagnie wieder auf die Klepper, den Wald hindurch zu reiten und dem neuen Bräutigam wieder zuzusprechen. Unterwegens bekam uns ein Bettler von ziemlicher Jugend, und als ich ihn etwas genauer betrachtet, so war es eben derjenige Schneider, welcher mir und meinem Kameraden, als wir unserm Schulmeister davongelaufen, außer dem Wald bei der Kreuzsäule begegnet. »O, du Narr«, sagte ich, »gehe nur fort, du bist schon auf dem rechten Weg begriffen, welcher ins Narrenspital weiset. Ehedessen vermeintest [62] du, ein großer Monsieur zu werden, und sagtest, ich würde den Hut vor dir abnehmen müssen. Itzt stehestu Bärenhäuter selbst in solcher Gestalt vor mir und bettelst ein Almosen.« »Herr«, sagte der Schneider, »felix quem faciunt aliena pericula cautum. Es ist mir elend genug in der Welt gegangen. Die Woche zwei Batzen Lohn und Arbeitsgeld machet lange keinen Cavalier. So verdienet man auch heutzutage in Herrendiensten nicht viel, und im Krieg verliert man mehr, als man hat. Es ist nicht mehr um die Zeit, da die Soldaten das Geld in Hüten davontrugen, wie zu Prag unter dem alten Königsmark geschehen. So gibt es auch keine so gute Beute mehr, wie zu Lützen auf der Leipziger Heide. Saprament, mit Bettelgehen kommt man noch endlich am besten durch die Welt, und was ich heute nicht bin, das kann ich morgen werden. Bin ich schon arm, so bin ich doch lustig, und ich lasse auch in dem größten Elend die Hoffnung auszukommen nicht hinfahren. Ich kenne Euch wohl, daß Ihr bei der Kreuzsäule gewesen. Aber, wie ich sehe, so seid Ihr auch kein großer Potentat, sondern ein lausiger Edelmannsjung, der seinem Herrn den Arsch jucken muß, geworden. Ha, Ihr habt wohl Ursach, mit einer so stinkenden Charge zu stolzieren. Vielleicht werdet Ihr dermaleins noch Roß- und Pferdeknecht, und wenn ich alsdann eine schöne Schabracke machen muß, so will ich zu Euch sagen: Du Knecht, stelle mir das Pferd auf die Seite! Ziehe es besser vor sich! Schiebe zurück! Lenke mir's auf die Seite! Hebe den Sattel hinunter! Mache die Stegreife hinweg! Gelt, ich will Euch cujonieren wie der Teufel und seine Mutter.« Mit solchen Worten eilete er den Wald hindurch, wie ihm der Kopf brannte, und lachte so weit man ihn hören konnte.

Es ist gewiß, daß die Rede des Schneiders eine große Wirkung in mir hatte. Denn ich gedachte bei mir selbst: »Was der Schneider gesagt hat, ist gewiß nicht aus einem Finger, viel weniger aus der großen Zehen gesogen. Die Condition ist zwar wohl gut, aber trefflich unglücklich für meine Person, weil ich gleich einem Gabelholz in die Höhe wachse und nicht allein nichts lerne, sondern noch darzu dasjenige vergesse, was ich ehedessen gelernet habe. So begreife ich auch bei meinem Herrn keine Höflichkeit und lerne nichts als rülpsen, farzen und in die Stube speien. Fressen und Saufen ist mein bestes Handwerk, und wenn ich endlich abgedanket werde, dürfte mein nächster Weg ins Narrenspital gehen.« »Nein«, gedachte ich, »ich will nicht mehr so leben. Buckelkratzen ist ein schlechtes Handwerk, und mit solcher Arbeit findet man gar wenig Meister, die einen Gesellen fördern. Darum so will ich mein Capital auf ein ander Interesse legen und mein Glück in einer anderen Positur aufsuchen.« Solches redete ich zu mir selbst und entschloß mich zugleich, meinem Herrn das beste Pferd aus dem Stall zu stehlen und damit in die weite Welt zu reiten.

Capitul 25

[63] Capitul XXV
Wer die zwei größten Narren im Spital gewesen

»Hans«, sagte mein Herr auf der Heimreise zu mir, »wir haben vielerlei Narren in dem Spital gesehen, aber was meinstu, welcher ist der größte darunter gewesen?« »Herr«, sagte ich, »die größten Narren waren ich und Ihr. Denn Ihr erkennet weder Himmel noch Hölle, führt ein Leben, das keinem Menschen nützet, Eure Tugenden sind Fressen, Saufen und Schlafen. Und solchergestalt wird Euer stattliches Gut durch Verwahrlosung des Gesindes endlich zugrunde gehen und Ihr der elendste Mensch unter der Sonnen werden. Saget mir nur, wer seid Ihr, daß Ihr Euerm eigenen Untergang so sehr entgegen gehet? Wäre es nicht klüger getan, daß Ihr eine kluge Hauswirtin hättet, die auf das Eure ein offenes Auge hätte? Alsdann könntet Ihr ohne Sorg und Schaden schlafen, bis die Kälber Strümpfe stricken lernen.« »Hans«, sagte Lorenz, »warum bist du der größte Narr?« »Herr«, sagte ich, »darum, daß ich meine edle Zeit, die weder mit Gold noch Silber kann gekaufet werden, so elend und in der größten Faulenzerei bei Euch zubringe. Was meinet Ihr, das endlich aus mir werden wird? Ein Straßenräuber und Dieb, der nicht das Narrenspital sondern den Galgen zu fürchten hat. Das Müßiggehen gewohne ich, nichts lerne ich, fressen will ich, ernähren kann ich mich nicht, arbeiten mag ich nicht. Darum saget mir, ob ich nicht samt Euch der größte Narr von der Welt sei, daß ich bei Euch sitze und den Buckel kratze?« »Ja, mein Hans«, sagte Lorenz, »es ist wahr, und du hast mir einen ganz andern Zunder in meinem Kopfe angefeuert. Ich will hinreisen zu der Frau von Spitzhausen. Die hat die schönste Tochter in dem ganzen Land, begleite mich nur dahin. Alsdann, sobald ich Hochzeit gehalten, will ich dich hinziehen lassen, wo du willst. Du darfst nicht meinen, daß ich dich mit ledigen Händen will davonjagen, wie itzo die Herren zu tun meisterlich gewohnet sind. Ein Taler oder hundert tun viel bei der Sache, damit kannstu noch was Ehrliches lernen. Ha, Saprament, es verdrießt mich selber, daß ich meine Mittel nicht besser angewendet und die edle Zeit so versäumet habe. Aber Hans, wenn ich werde Hochzeit gemacht haben, wird alles über andere Leisten geschlagen werden.« Nach solchem beurlaubte mein Herr die Hochzeitsgäste und ritt mit mir samt noch vier anderen Dienern auf das adelige Schloß zu der von Spitzhausen. Es kam nach wenigen Tagen zu der Heiratsabrede, und weil Lorenz für den reichesten Cavalier im ganzen Lande gehalten wurde, war die geizige Mutter trefflich auf seiner Seite. Aber die Jungfer wollte nicht allerdings gern anbeißen, denn sie hatte genugsam gehört, was Lorenz für ein ehrbarer Gesell sei und was für ein liederliches Leben er die Zeit seines Lebens geführt hatte.

Capitul 26

[64] Capitul XXVI
Herr Lorenz hält Hochzeit, und wie es auf solcher zugegangen

Der Hochzeitstag wurde mit tausend Ergötzlichkeiten begangen. Man sah Unterschiedliche vom Adel, welche dieses Fest zu beziehen angekommen waren, samt unterschiedlichem Frauenzimmer, welches hin und wieder auf dem Schlosse tapfer abgestöbert wurde. Denn bei dergleichen Zusammenkünften gehet es nicht anders zu, und ich habe dergleichen Sachen wohl tausend gesehen, die mich noch ärgern, wenn ich daran gedenke.

Als man bei der Hochzeitstafel etwas lustiger wurde und der Wein die Hirnschale bestieg, fing Herr Lorenz seinem alten Gebrauch nach an, mit der Sauglocke zu läuten und überhaupt zu rülpsen. Die Braut wußte nicht, wie sie das verstehen sollte und wurde ganz entfärbet. Aber Lorenz fuhr fort und ließ spannlange Fürze, darob teils gelacht, teils geseufzet haben. So sehr ich nun meinen Herren in die Seite gestoßen, mit solchem Schnarrwerk bis zu einer andern Musik innezuhalten, hatte er sich doch so voll gesoffen, daß er allen diesen Vermahnungen kein Gehör geben konnte. »Ach«, sagte der Braut Mutter zu mir, »macht's dein Herr zu Haus auch so?« »Ja, Frau«, sagte ich, »das ist noch Kinderspiel, zu Haus scheißt er gar in die Hosen.« »O wehe«, sagte sie, »was hab ich getan, daß ich meine Tochter an einen solchen Unflat verheiratet habe.« »Frau Mutter«, sagte das Fräulein, »ich laufe von ihm, ehe der Winter herkommet, nun sehe ich erst, was mein Herr Bräutigam für ein ehrbarer Gesell ist.« Diese Worte hörte der trunkene Lorenz und »saprament«, sagte er, »wegen eines Furzes eine Ehescheidung anzufangen, das wäre wider die allgemeine Polizeiordnung gehandelt. Ha, was ist es denn mehr, daß ich so offenherzig bin, so siehet die Braut, daß ich fein vertreulich umgehe und nicht das geringste verhalte, was ich in Leib und Leben habe. Wenn's Euch eine Ehre ist, so laufet noch heut davon und gebt Eure Motiven bei dem Consistorio ein. Bei meiner Seelen, sie werden darüber zu lachen haben.« Damit nun diese Disputation nicht zu laut würde, stillete die Mutter alle vorgelaufene Fauten und sagte der Tochter in ein Ohr: »Liebes Kind, was willst du machen, dein seliger Vater hat's ebenso gekonnt, ja noch wohl ärger als dein Bräutigam tut. Die Gewohnheit ist in solchen Sachen das beste Mittel, sich zufrieden zu stellen, und wer mehr nimmt als eine Nase voll, das übrige ist ein Geiz und gedeihet nicht.« Aber es währte nicht so lang, so schiß Herr Lorenz gar in die Hosen. »Seht Ihr, Frau«, sagte ich zu der Alten von Adel, »daß es wahr ist, was ich Euch zuvor gesaget habe?« Damit wurde ein Aufstand, und die Diener brachten ihn in eine Kammer, da ihm ein Bad zu seiner Säuberung zubereitet wurde. O schöner Herr Bräutigam!

Capitul 27

[65] Capitul XXVII
Bedauert die große Narrheit der jungen Welt und beschließet

Nach allen diesen Begebenheiten eilete Herr Lorenz nach vollzogener Hochzeitsfreude mit seiner Braut nach Hause, allwo sie wenig Kurzweil fand. Darum so fing sie an, ihr eine sonderliche Lust zu machen, und weil man Herrn Lorenzen ohnedem den ledigen Hahnrei geheißen, machte sie ihn auch zum verehlichten. Ich aber trug eine Abscheu vor solchem lasterhaften Leben, und nachdem Herr Lorenz einen andern Buckelkratzer ins Bette bekommen, brauchte er meine Dienste desto weniger, und daher entließ er mich desto leichter aus seinen Diensten, derer ich numehr ganz satt und überdrüssig war. Er verehrte mir gleichwohl ein ziemliches Stück Geld, und seine Frau hieß mich, so ich um drei Jahre älter würde, wieder zu ihr zu kommen, denn sie wäre entschlossen, mich zu einem andern Dienst zu gebrauchen. Ich verstand es dazumalen nicht so wohl, als ich's hernach erfahren habe. Darum so gab ich auf ihren Befehl sehr wenig Achtung, sondern eilete noch selbigen Abends auf einem Klepper gegen dem Schloß Parkstein, in der Pfalz, allwo ich einen Vetter hatte, welchen ich der malen wegen meiner besseren Fortun um Rat zu fragen entschlossen war. Denn ich war willens, bei dem damaligen Organisten zur Weiden auf dem Clavier spielen zu lernen und mich in Musicis zu exerzieren. Solchergestalten will ich mein geführtes Leben nur bis daher beschrieben und das Narrenspital für diesmal zugeschlossen haben. Weiß der geneigte Leser einen oder den andern, so kann er selbigen gar leichtlich und ohne Unkosten in diesem Spital unterbringen. Ich aber werde mich ohne fernern Umschweif über die Legende setzen und diese Woche betrachten, wie eifrig sich die Altväter angelegen sein lassen, ihr ewiges Heil, an welchem jedem Menschen das allermeiste gelegen ist, zu betrachten, welches doch die junge Welt so wenig achtet, sondern vielmehr die Narrenkappe der ewigwährenden Torheit ganz liederlich über den Kopf ziehet und sich also selbsten – o tränenwertes Wort! – in den ewigen Abgrund stürzet.


Ende

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TextGrid Repository (2011). Beer, Johann. Romane. Das Narrenspital. Das Narrenspital. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2E57-F