XVIII. Der Nacht-Ritt.

Wie stellt voll bunten Glanzes sich dem das Leben dar,
Der Länder mag durchreisen, frei, jeder Sorge baar!
Es wird solch heitrem Pilger die Welt zum Eigenthum;
Oft ungeahnet findet er ein Elysium.
Auf hohen Bergen steht er, die Arme breitend weit,
Die Länder ruhen drunten in stiller Herrlichkeit.
Da darf die Brust sich heben so lebenvoll, so reich,
Die Seele wünscht zu schweben dem Felsen-Adler gleich.
Nie ringt ein Wunsch so mächtig sich von dem Herzen los,
Als, wenn die Schöpfung prächtig vor Augen liegt, und gross,
Der Wunsch: auf Zauberflügeln, wie Wolken, hinzuziehn,
Hoch über Bergen, Hügeln und sanfter Thäler Grün. –
In Erfurt hält ein Gastmahl ein Edler vom Geschlecht;
Schon haben manche Stunde die Gäste froh gezecht;
Oft denken sie des Magus, der Allen wohlbekannt,
Oft wird ein Wunsch nach Faustus zur Ferne hingesandt.
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Der aber weilet fern jetzt, in Prag und hoch verehrt,
Wo sich sein Zauberruhmkranz mit mancher Blüthe mehrt.
Es strömet ihm die Fülle prachtreicher Gaben zu,
Er findet Ruhm, doch nimmer die heiss ersehnte Ruh.
Du Seelen-Schaukelbettlein, Du weiche Mutterbrust,
Du Himmelstraum voll Engel und Paradieseslust!
Du, Ruhe des Gemüthes, wer noch so glücklich ist,
Soll sich nicht glücklich preisen, so lang' er Dich vermisst! –
Es hebt der Wirth den Becher, und ruft: »Dir bring' ich's, Faust!
Der fern von seinen alten, bei neuen Freunden haust!
Dein Wohlsein, und vernähmest Du meine Wünsche dort,
So wärst Du klug und kämest in unsern Kreis sofort!«
Faust sieht im Zauberspiegel der fernen Freunde Schaar,
Und ihren Wunsch vernimmt er, und ruft Prästigiar,
Und fliegt auf dunkelm Nachtross, wie Klinsor einst gethan,
Als er zum Sangeskampfe nach Wartburg zog heran.
Es hat nicht lang' den Becher der heitre Wirth geleert,
Da wird ein lautes Pochen am Hofthor schon gehört.
Ein Reiter steigt vom Schwarzross; der Diener öffnet schnell;
»Geh, grüsse Deine Herrschaft vom Faustus! Flink Gesell!«
Der Diener eilt ins Zimmer, thut Meldung von dem Gast,
Drob Staunen und Bewundrung den Freundeskreis erfasst.
Dem Hausherrn dünkt unglaublich des Knechts Bericht zu sein,
Da tritt, den er verkündet, der Zauberer herein.
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»Dein Wunsch ist hingedrungen zu mir, wie fern ich war,
Gleich hab' ich mich geschwungen auf den Prästigiar;
Der trug zum Ross verwandelt mich windschnell durch die Nacht,
Ich dachte gern der Freunde, die mein so treu gedacht!«
»Und mag uns nun ergötzen ein lustger Zauberschwank,
Zum alten Wein des Gastwirths bring' ich Euch neuen Trank.
Der Quell des Traubenblutes soll springen aus dem Tisch!«
Er bohrt, und in die Becher quillt Nektar süss und frisch.
Die Gäste trinken jubelnd die goldne Zauberfluth,
Hoch wächst der Baum der Freude, die Wangen purpurt Gluth.
Und wie in volle Blüthen die Lust der Zecher bricht,
Kommt schnell herein der Diener mit bleichem Angesicht.
»Das Ross, Eu'r Ross, Herr Doktor – nicht zu ersätt'gen ist es.
Für zwanzig hat's gefressen, noch wie der Böse frisst es!«
Dess alle Gäste lachen, und Faustus spöttisch sagt:
»Die Reise wohl wird machen, dass ihm so viel behagt.«
Drauf, wie die Morgenröthe kaum fliegt im Ost empor,
Da schallt ein lautes Wiehern herauf an Aller Ohr.
Wie Löwenstimme brüllend, dass das Gebälk erbebt,
Und ungesäumet Faustus vom Sessel sich erhebt.
»Lebt wohl! Mein Diener ruft mir!« Er geht hinab zum Ross,
Das, als er's kaum bestiegen, mit ihm die Luft durchschoss;
Weit fort und immer weiter, sich selber zu entfliehn
Peitscht es der düstre Reiter, und zürnend trägt es ihn.
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Ihm stellt voll bunten Glanzes sich nicht das Leben dar,
Durch Donnerwolken trägt ihn voll Grimm Prästigiar;
Fort braust er ungezügelt mit wildem Sturmwindflug,
Von dessen Macht beflügelt, der ihn in Ketten schlug.
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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 18. Der Nacht-Ritt. 18. Der Nacht-Ritt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2D5E-9