542. Hünschchen

Auf der Heide, wo der Kulm ragt, der in den Heidenzeiten oft Feuer ausgestrahlt haben soll, und wo die Hangeeiche steht, liebt der wilde Jäger oft zu hetzen und die Moosleute zu jagen. Einstmals hörte ihn ein Bauer aus Arnsgereuth, der tat auch seinen Jagdjauchzer, wie der Sorbitzbächler, und geriet ihm ebenso wohl, doch nicht ganz so reichlich, das machte, weil er nur in die wilde Jagd hineinjuhut hatte und nicht gleich halbpart begehrt. Er wurde der glückliche Finder eines Moosweibchenviertels, das vor Fäulnis schon ganz grün war, das war an seiner Haustüre aufgehängt, an den Haken, daran er, wenn er schlachtete, sein Kalb oder sein Schwein aufzuhängen pflegte. Voll Entsetzen lief der Bauer zu einem Gutsherrn und fragte den um Rat, der sagte, er möchte das Fleisch ja nicht anrühren, solle es nur hangen lassen. Solches tat das Bäuerlein, und da kam das übelstinkende Viertel hinweg. Der hat nicht wieder mitgeschrieen.

Auf der Kegelbahn in Preilipp, wo man die Saale weithin überschauen kann, waren Sonntags die jungen Bursche des Dorfes versammelt bis in die sinkende Nacht hinein und machten sich lustig. Auf einmal erblickten sie den wilden Jäger, wie er ohne Kopf über der Saale drüben hinritt. – Wartet, dem muß ich eins anhängen, rief ein vorlauter Bursche, ich weiß, wie man ihn recht ärgern kann! – Vergebens gaben ihm die andern gute Worte, er solle doch ja stille sein; er trat vor und rief laut:


Hünschchen, Hünschchen!

Hast schöne rote Strümpfchen! –


Kaum hatte er das Wort ausgesprochen, da plätscherte es durch die Saale, und der wilde Jäger rückte an. Eiligst ergriffen die Bursche die Flucht und sprangen in das erste beste Haus hinein, worin sie sich verschlossen und verriegelten. Sie waren kaum hinein, da hielt [372] der wilde Jäger auch schon vor der Türe und pochte und tobte greulich, und als beim anbrechenden Morgenlichte das junge, geängstigt gewesene Volk heraustrat, lag ein Stück rohes Fleisch vor der Haustüre, das einen fürchterlichen Gestank verbreitete. Das Schlimmste bei der Sache war, sooft auch das stinkende Fleisch weggeschafft wurde, es kam ein- und allemal von selber wieder bis zum nächsten Sonnabendabend, da verschwand es.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 542. Hünschchen. 542. Hünschchen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2C3B-1