315. Die Kröppel

Zwischen Braunschweig und Halberstadt bei Dardesheim und in der ganzen Umgegend längs den nördlichen Ausläufern des Harzwaldes hin gibt es viele Sagen von Zwergen, und werden dieselben, wie sie fast in jeder Gegend anders heißen, dort herum Kröpel oder Kröppel (Krüppel) von ihrer kleinen, schiefen und zum Teil buckligen Gestalt genannt oder auch Lüttchen (kleine Leute). An vielen Orten zeigt man noch Felshöhlen als ihre früheren Wohnungen, denn jetzt gibt es längst keine Zwerge mehr. Ihre Art und ihr Wesen war dem gleich, wie sie am häufigsten geschildert werden. Gut und hülfreich, Gefäße leihend, mit geringer Belohnung zufrieden, aber auch mit Diebesgelüsten begabt und leicht erzürnt. Bei Dardesheim kommt aus einem Berge der Smannsborn; dort wohnten sie am liebsten; östlich zieht am Berg ein Acker hinan, den hatte ein Schmied namens Reichert mit Erbsen bestellt, wie aber die Erbsen reif waren, wurden sie ausgepflückt. Das verdroß den Schmied, und er legte sich auf die Wacht, sah und hörte aber niemand, und doch fand er abermals Erbsen weggepflückt. Da dachte er, du willst die Erbsen gleich auf dem Acker ausdreschen, und brachte sich einen tüchtigen Dreschflegel mit in sein Wächterhäuschen, mit welchem er am grauenden Tag sein Werk begann. Auf einmal hörte er einen Schrei – und siehe, da lag ein Kröpel, dem er nicht nur die Nebelkappe ab-, sondern auch den Schädel eingeschlagen hatte. Dadurch nun, daß der Kröpel die Kappe verloren, mußte er sichtbar werden, die andern hatten aber bei der Flucht die Kappe mit weggerafft.

Späterhin sind die Kröpel über das Dorf Warnstedt zwischen Quedlinburg und Thale hinweggezogen und haben ihren Weg morgenwärts genommen, vielleicht ihrer alten Heimat wieder zu. Auch bei Seehausen im Magdeburgischen gab es deren viele und ebenso zwischen Blankenburg und Quedlinburg. Dort war in einem Dorfe, vielleicht in Warnstedt oder Westerhausen, ein Bäcker, dem stahlen die Zwerge so viel Brot, daß er darüber arm wurde. Da vertrugen die Leute sich ferner nicht mehr mit den Kröpeln, sondern nötigten sie auszuwandern. Seitdem läßt sich nur selten noch ein Zwerg blicken.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 315. Die Kröppel. 315. Die Kröppel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2C20-C