79. Das Pfaffenkäppchen

Zwischen schroff und steil überm Tal der Nahe zum Himmel sich aufgipfelnden Felskolossen werden jetzt die Trümmer der einst trotzigen Burgfeste Rheingrafenstein erblickt. Auf der Kauzenburg saß ein junger Rheingraf, jagdlustig, mutig, der wünschte sich eine Burg auf diesen ungeheuren Felsen, stattlich wie die Ebernburg und der Landstuhl der Sickinger, unnahbar dem Feinde – und mit solchen Wünschen weilte er einstens sehnend und sinnend in der Nähe der Felsriesen, deren Gipfel noch kein Mensch erstiegen hatte. Da gesellte sich einer zu ihm, den man nicht gern nennt, der las in des jungen Rheingrafen Seele [69] den Wunsch und redete ihn an und sprach: Eine Burg da droben, eine schöne stattliche, feste, ja, die wär' Euch recht! Nicht so? Fehlt nur der Baumeister – ja – und wenn einer käme, und baute sie über Nacht – dem verschriebet Ihr wohl einen stattlichen Lohn? Was gäbet Ihr solchem? Sagt es an! – Ihr redet wunderlich, erwiderte der Rheingraf. Seid Ihr der Mann, der das vermag, so fordert und bestimmt den Lohn. – Nur eine einzige Seele – die Seele dessen, der zuerst durchs Fenster der neuen Burg herab ins Tal der Nahe und über alle die Täler und Berge ausschaut – das ist wohl wenig für eine stattliche Grafenburg. – Kommt heute abend wieder her, ich will es in Überlegung ziehen! sagte der Rheingraf und verließ gedankenvoll den Ort – eine Seele seinem Wunsche zu opfern, dünkte ihm sündlicher Frevel, und doch war sein Wunsch stark und groß. Daheim ließ er seinen Burgpfaffen kommen und offenbarte dem den Handel. Der Pfaffe schlug viele Kreuze und riet ernstlich ab, warnte gar treu vor des bösen Feindes List und Tücken und rückte sein schwarzes Käppchen auf dem Scheitel wohl hin und her. Da trat des Rheingrafen junges Ehegemahl herein und hörte das Gespräch und ließ erst den Pfaffen hinausgehen, dann sagte sie: Laß jenem nur gewähren, versprich ihm, was er begehrt, das andere findet sich. – Da ritt der Ritter wieder hinaus ins Nahetal und hielt ganz allein am Fuß der Felsen, und es dämmerte schon, oben aber sprang eine schwarze Gestalt von Fels zu Felsen, einer Gemse gleich, und mit einem Male stand der Fremde auch unten im Tale. Was machtest du da droben? fragte der Ritter. Ich nahm einstweilen die Maße, antwortete jener und fragte: Nun, soll ich? Fast hätte der Rheingraf gesagt: In Gottes Namen – da wäre es gleich aus gewesen – er besann sich und sagte bloß: Ja – aber bis morgen früh fertig, und daß nichts fehle, Bergfried, Mushaus, Palas, Luginsland, Mauern, Brücken, alles, was zu einer stattlichen Burg gehört. – Am andern Morgen glänzte die Burg flammenrot ins Nahetal herab, alle Welt war erstaunt, solch Wunder- und Zauberwerk war noch nicht da gewesen. Der Rheingraf ritt nun hinauf, und der Architekt der Nacht führte ihn in dem neuen herrlichen Eigentum umher, zeigte ihm Hallen und Säle, Brücken und Gänge und öffnete im Palas ein hohes Bogenfenster, die herrliche Aussicht bewundern zu lassen. Aber der Ritter sah nicht hinaus, er sagte spöttisch: Machet zu, hier zieht's, wir sind warm vom Steigen. Morgen wollen wir die Kauzenburg verlassen und hier heraufziehen. Ihr räumt wohl den Platz und nehmt ein Zimmer im Wächterturme? Nicht? – Der Teufel zog ein schiefes Maul, er hatte sich schon unendlich darauf gefreut, dem Rheingrafen einen Stoß aus dem Fenster in die schwindelnde Tiefe zu geben und mit dessen Seele davonzufahren.

Am andern Morgen kamen der Rheingraf und die Gräfin, und der Burgkaplan, und das Hofgesinde, die Leibdiener, die Jäger, die Knappen, die Stallleute, die Wächter, die Hundejungen, die Hühnerwärter, die Schloßmägde, die Käsemutter, die Zwergin und die Pferde, die Kühe, die Esel, die Rüden, der Meeraffe, die Katzen. Es war ein Zug, schier gleich dem des Erzvaters Noah, da er in den Kasten einging, zu Roß, zu Esel, zu Wagen – alles auf das neue Schloß.

Die junge Gräfin scherzte freundlich mit dem Burgkaplan, da droben werde es sehr zugig sein, sie wolle ihm ein wärmeres Käpplein nähen, er möge ihr das alte zum Muster einmal leihen – und als sie oben angelangt war, ließ sie durch die Knappen auch ein Eselfüllen hinauf in den Palas führen, und hieß es halten, und band ihm das Pfaffenkäpplein auf den Kopf, und ließ das Fenster öffnen und das Füllen daranstellen, das schaute gar fromm und bedächtiglich zum Fenster hinaus und spitzte die Ohren und witterte die frische Morgenluft. Der Teufel hatte lange schon still lauernd seitwärts gegenüber auf der Turmzinne gesessen, jetzt sah er das Fenster sich öffnen, sah des Pfaffen ihm wohlbekanntes Käppchen zum Vorschein kommen, und fuhr im Nu hin, und krallte seiner Meinung nach den Pfaffen heraus, und schmetterte ihn ins Tal, und fing die Seele auf. Herrgott, was der Teufel für [70] einen Zorn hatte, als er von einer Tochter Evas sich überlistet sah und statt einer Pfaffenseele eine Eselsfüllenseele in den Klauen hielt! –

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 79. Das Pfaffenkäppchen. 79. Das Pfaffenkäppchen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2B52-4