664. Der König im Berge
Im deutschböhmischen Gebirge lag ein altes Schloß, Schildheiß, das sollte im Bau erneuert werden. Im Grunde fanden die Maurer und Werkleute viele Gänge und Kellergewölbe, und in einem derselben saß ein König im Sessel von Elfenbein und schlief, und neben ihm stand regungslos eine Jungfrau, die stützte sein Haupt. Da nun die Werkleute neugierig näher zu der Erscheinung schritten, so verwandelte sich die Jungfrau urplötzlich in eine Schlange und spie ihnen als solche Feuer und Dampf entgegen, so daß sie scheu zurückwichen. Als solches nun dem Herrn des Schlosses angesagt worden war, begab sich dieser selbst in die Gewölbe hinab, da hörte er die Jungfrau bitterlich seufzen. Er öffnete [442] und trat hinein, aber Feuer und Rauch kam ihm entgegengepustet; sein Hund lief jedoch keck voran, und der Burgherr wollte nicht mindern Mut haben wie sein Hund. Als er der Jungfrau ansichtig war, sah er, daß sie seinen Hund auf den Armen hielt, unbeschädigt, aber an der Wand erschien eine Tafel mit brennender Schrift darauf, die war von Flammen umwebert und leuchtete glühend, und stand darauf eine Mahnung, nicht ins Verderben zu gehen. Mutvoll jedoch schritt der junge Ritter noch näher, da umschlangen und verschlangen ihn die Flammen.